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German Pages 699 [712] Year 2005
Management der Marketing-Kommunikation
Fritz Unger ´ Wolfgang Fuchs
Management der MarketingKommunikation Dritte, aktualisierte und erweiterte Auflage
Mit 138 Abbildungen und 32 Tabellen
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Professor Dr. Fritz Unger Mçhlweg 28 69502 Hemsbach [email protected] Professor Dr. Wolfgang Fuchs Werderstraûe 21 86159 Augsburg [email protected]
Die 1. und 2. Auflage erschien ursprçnglich im Physica-Verlag Heidelberg, 1989 und 1999 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet çber abrufbar.
ISBN 3-540-23502-7 Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschçtzt. Die dadurch begrçndeten Rechte, insbesondere die der Ûbersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfåltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfåltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulåssig. Sie ist grundsåtzlich vergçtungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2005 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wåren und daher von jedermann benutzt werden dçrften. Umschlaggestaltung: Erich Kirchner, Heidelberg SPIN 11335030
43/3153-5 4 3 2 1 0 ± Gedruckt auf såurefreiem Papier
„The trade of advertising is now so near to perfection that it is not easy to propose any improvements.” Samuel Johnson 1760
Vorwort Dieses Buch erscheint nunmehr in der 3. Auflage. Die erste Auflage hatte den Titel Werbemanagement. Schon damals (1989) wurde Werbung als Bestandteil in einem umfassenden Kommunikations-Mix verstanden, dieses wiederum als ein Element im Marketing-Mix. Seit der 2. Auflage gehen die Autoren weiter und behandeln von vornherein das Management der Marketing-Kommunikation in einem sehr umfassenden Sinne. Die Werbung selber als „klassisches“ Kommunikationsinstrument hat kaum mehr an Bedeutung zugenommen. Andere Instrumente im Kommunikations-Mix haben erheblich gewonnen: Öffentlichkeitsarbeit, Sponsoring, Event Marketing, u.ä. werden zunehmend zu wichtigen Bestandteilen im Kommunikations-Mix. Erfolgreiches Kommunikations-Management setzt auch marketingstrategische Kompetenz voraus, ebenso wie Marketingstrategen über Kompetenz in Fragen menschlicher Beeinflußbarkeit verfügen müssen, wenn sie diese erfolgreich in ein Marketingkonzept integrieren wollen. In der bewußten Gestaltung von Schnittstellen zwischen Marketing und Kommunikation einerseits sowie der Wirkung verschiedener Kommunikationsinstrumente andererseits sehen wir einen Schlüssel für erfolgreiches Marketingmanagement. So ist das erste einleitende Kapitel der ganzheitlichen Unternehmens- und Marktkommunikation gewidmet. Die weiteren Kapitel sind in Form eines Entscheidungsprozesses aufgebaut. Zunächst wird der Situationsanalyse bis hin zur strategischen Planung (soweit für die Kommunikation relevant) breiter Raum gewidmet. Es folgt ein Kapitel zur Formulierung kommunikativer Ziele und angestrebter Positionierung. Die Umsetzung erfolgt in Kapitel 4, dem Kommunikationsprogramm, in welchem die verschiedenen Instrumente der Marktkommunikation ausführlich behandelt werden. Wenn wir einem Entscheidungsprozeß folgen wollen, dann werden wir konsequenterweise von einer Situationsanalyse über die Zielformulierung und die Gestaltung der Kommunikationsinstrumente zur Budgetierung gelangen. Das ist das Thema des 5. Kapitels. Auch wenn in der Praxis sicherlich immer noch Budgetierungsverfahren wie „Prozent-vom-Umsatz“ u.ä. vorherrschen, so stellt eine ziel-orientierte Budgetierung dennoch die einzige akzeptable Vorgehensweise dar. Kapitel 6 und 7 stehen strenggenommen neben dem Entscheidungsprozeß. Sie betreffen alle Phasen der Kommunikationsarbeit im Unternehmen: Mediaplanung und die Zusammenarbeit mit Kommunikationsagenturen sind die Themen dieser beiden Kapitel. Kapitel 8 vermittelt die psychologischen Grundlagen zur Beeinflussung durch Kommunikation. Marktkommunikation bedeutet in der Praxis die Verwertung wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere über Möglichkeiten der Beeinflussung menschlichen Verhaltens. Kommunikation verwendet sozialwissenschaftli-
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Vorwort
che Erkenntnisse und kann daher als eine Sozialtechnik verstanden werden. Anwendung und Verwertung setzen Kenntnisse voraus. Diese verhaltenswissenschaftlichen Grundlagen als notwendiges Handwerkszeug der Sozialtechniker werden in diesem Kapitel ausführlich behandelt. Kapitel 9 beendet den Entscheidungsprozeß und behandelt die Messung der Kommunikationswirkung. Erfolgreiche Werbewirkungsforschung setzt kommunikations-psychologische Kompetenz voraus. Dabei orientieren wir uns konsequent an einem sozialpsychologischen Modell zur Beeinflussung durch Kommunikation (Irle, 1975). Es soll insbesondere herausgestellt werden, daß die einzelnen Meßmethoden jeweils bestimmte Aspekte der Beeinflussung menschlichen Verhaltens erfassen. Das Schlußkapitel behandelt Fragen internationaler Marktkommunikation. Kaum eine Marketingorganisation kann es sich an der Schwelle zum neuen Jahrtausend noch leisten, den Anforderungen an eine Internationalisierung ihres Geschäftes zu entziehen. Der Dank der Autoren gilt besonders Frau Dipl.-Betriebswirtin (FH) Regina Kalteis für die Hilfe bei der drucktechnischen Überarbeitung des Manuskriptes. Frau Kalteis ist auch eine ständige Hilfe, wenn es darum geht, computertechnische Fragen der Autoren zu beantworten. Herr Dipl. Ing. Tobias Hamacher produzierte alle erforderlichen Fotoaufnahmen und zeichnete sich für die Umwandlung in das PDFFormat verantwortlich. Ferner schulden wir Dank Frau Dipl.-Betriebswirtin (FH) Karin Zettler und Angelika Unger für die gewissenhafte Korrektur und stilistischen Anregungen bei der Erstellung des Manuskriptes in der zweiten und vorliegenden dritten Auflage. Die Verantwortung für noch vorhandene Fehler verbleibt selbstverständlich bei den Verfassern. Die Autoren hoffen, daß das nun vorliegende Werk Studierenden dazu verhilft, sich das interessante und ergiebige Arbeitsfeld der Marketing-Kommunikation selber zu erschließen und für die spätere Praxis Nützliches zu erfahren. Ferner möge das Buch Praktikern auf dem Gebiet der Marktkommunikation eine wertvolle Hilfestellung sein.
Augsburg und Oberstdorf, zum Jahreswechsel 2004/2005 Wolfgang Fuchs und Fritz Unger
Inhaltsverzeichnis 1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation . . . . . . . 1.1 Stellenwert und Relevanz einer einheitlichen, integrierten Kommunikationsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Wesentliche Veränderungen im wirtschaftlichen Bereich . . 1.1.2 Wesentliche Veränderungen im sozial-gesellschaftlichen Bereich ....................................... 1.1.3 Wesentliche Veränderungen im kommunikativen Bereich 1.2 Corporate Identity als strategischer Ausgangspunkt einer ganzheitlichen Kommunikationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Integrierte Unternehmens- und Marktkommunikation . . . . . . . . . . 1.3.1 Begriff, Dimensionen und Ziele der integrierten Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 Das Management der integrierten Kommunikation . . . . . . 1.3.2.1 Der Planungsprozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2.2 Die Organisation einer integrierten Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2.3 Durchführung und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.3 Problemfelder und Erfolgsfaktoren einer integrierten Kommunikation ............................... 1.4 Exkurs: Kommunikative Markenführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.1 Relevanz und Verständnis von Marken . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.2 Markenmodelle ............................... 1.4.3 Implikationen für die kommunikative Markenführung . . . . . 1.5 Marktkommunikation im Marketing-Mix ................. 1.5.1 Die einzelnen Marketing-Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.2 Das Kommunikations-Mix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.3 Problembereiche der Marktkommunikation . . . . . . . . . . . . 1.5.4 Grundsätzliche Aufgabe der Marktkommunikation . . . . . . . 1.6 Management der Marktkommunikation als Entscheidungsprozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Situationsanalyse ........................................ 2.1 Situationsanalyse als Grundlage strategischer Planung . . . . . . . . . 2.1.1 Die Portfolioanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1.1 Bildung Strategischer Geschäftseinheiten (SGE) . . 2.1.1.2 Das Marktwachstums-Marktanteils-Portfolio . . . . . 2.1.1.3 Das Marktattraktivitäts-WettbewerbsvorteilePortfolio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1.4 Implikationen für die Marktkommunikation . . . . 2.1.2 Angebots-Positionierungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2.1 Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 4 6 8 13 13 18 18 24 27 29 31 32 33 38 39 41 44 46 48 49 53 55 56 56 57 62 64 67 70
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Inhaltsverzeichnis
2.1.2.2 Implikationen für die Marktkommunikation . . . . . 2.2 Situationsanalyse als Grundlage operativer Maßnahmenplanung . . 2.2.1 Entwicklung und Prognose des relevanten Marktes . . . . . . 2.2.2 Stärken und Schwächen gegenüber den wichtigsten Wettbewerbern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.1 Stärken und Schwächen aus quantitativer und qualitativer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.2 Qualitäts-Vorteile und -Nachteile aus Konsumentensicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Nachfrage und Verbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Handel und Vertrieb ............................. 2.2.5 Analyse des Umfeldes der Marktkommunikation . . . . . . . . 2.2.6 Schlußfolgerungen für das Management . . . . . . . . . . . . . .
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3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung . . . . . . . . . . . . 3.1 Zielformulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Ökonomische Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Kommunikative Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Bestimmung der Kommunikationszielgruppen und Segmentierung 3.2.1 Deskriptionsmerkmale der Kommunikationszielgruppe . . . 3.2.1.1 Soziodemographische Merkmale . . . . . . . . . . . . . 3.2.1.2 Geographische Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1.3 Besitz- und Konsum-Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1.4 Psychographische Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1.5 Mehrdimensionale Zielgruppenbestimmung . . . . . 3.2.2 Kauf- und Informationsbeeinflussung durch Dritte . . . . . . . 3.2.2.1 Das Meinungsführerkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.2 Die Diffusion von Innovationen . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.3 Multiplikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Kaufentscheidungen in Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.1 Familienentscheidungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3.2 Organisationale Entscheidungsprozesse . . . . . . . . 3.2.3.3 Ansätze einer gruppenbezogenen Marktkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Kommunikative Positionierung und Copy Strategie . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Das Positionierungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Positionierungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.1 Differenzierungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2 Me-Too-Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Die Copy Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Das Kommunikations-Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Das Kommunikations-Mix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Selektion und Integration der Instrumente . . . . . . . . . . . . .
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4.1.1.1 Funktionale Beziehungen zwischen den Kommunikationsinstrumenten . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1.2 Zeitlicher Einsatz der Kommunikationsinstrumente 4.1.1.3 Hierarchische Beziehungen zwischen den Kommunikations-Instrumenten . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Konsumgüter- und Business-to-Business-Kommunikation 4.2 Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Werbung in informationsüberlasteten Gesellschaften . . . . . 4.2.2 Die Bedeutung bildbetonter Gestaltung in der Werbung . . . 4.2.3 Nonverbale Gestaltungselemente in der Kommunikation . . 4.2.4 Gestaltungsmerkmale erfolgreicher Marktkommunikation 4.2.5 Die formale Gestaltung der Werbemittel . . . .. . . . . . . . . . . . 4.2.5.1 Anzeigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5.2 Fernsehwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5.2.1 Konzeption der Fernsehwerbung . . . . . 4.2.5.2.2 Die Entstehung der Fernsehwerbung . . 4.2.5.3 Funkwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5.4 Plakatwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Verkaufsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Verkaufsförderung im Marketing-Mix . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1.1 Definition und Stellenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1.2 Verkaufsförderung im Marketing- und Kommunikations-Mix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Entscheidungsfelder im Verkaufsförderungsbereich . . . . . . 4.3.2.1 Ziele, Zielgruppen und Positionierung . . . . . . . . . 4.3.2.2 Selektion der Instrumente und Budgetierung . . . . 4.3.2.3 Kreative Umsetzung, Pretests und juristische Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2.4 Durchführung und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2.5 Organisatorische Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Trends in der Verkaufsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) und Publicity . . . . . . . . . . 4.4.1 Verständnis von Öffentlichkeitsarbeit und Stellung im Kommunikations-Mix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Entscheidungsfelder von Public Relations . . . . . . . . . . . . . 4.4.2.1 Strategische Entscheidungsfelder . . . . . . . . . . . . . 4.4.2.2 Selektion der Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2.3 Integration und Realisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2.4 Erfolgskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2.5 Strategien der Krisen-PR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Publicity ...................................... 4.4.4 Product Publicity im Kommunikations-Mix . . . . . . . . . . . . 4.4.4.1 Unterschiedliche Wirkungen von Product Publicity und klassischer Werbung . . . . . . . . . . . .
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4.6 4.7
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4.10
4.11
4.4.4.2 Die Interessens-Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.4.3 Die Erklärungsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.4.4 Produkte von Profit- oder NonprofitOrganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.4.5 Ein Fazit für das Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . Direkt Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Die Entwicklung des Direkt Marketing . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Hauptentscheidungen des Direkt Marketing . . . . . . . . . . . 4.5.2.1 Zielebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2.2 Zielpersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2.3 Angebotsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2.4 Einsatz- und Erfolgsbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . 4.5.3 Integriertes Direkt Marketing ...................... 4.5.4 Vorteile und Problembereiche des Direkt Marketing . . . . . Persönliche Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Messen und Ausstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7.1 Charakterisierung von Messen und Ausstellungen . . . . . . . 4.7.2 Messen im Marketing- und Kommunikations-Mix . . . . . . . 4.7.3 Planung der Messebeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Product Placement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.1 Arten des Product Placement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.2 Wirkung von Product Placement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sponsoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.9.1 Stellung des Sponsoring im Kommunikations-Mix . . . . . . 4.9.2 Planungsprozeß des Sponsoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eventmarketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.10.1 Verständnis und Relevanz von Eventmarketing . . . . . . . . . 4.10.2 Planungsprozeß des Eventmarketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marktkommunikation und Neue Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.1 Formen und Charakteristika der Neuen Medien . . . . . . . . . 4.11.2 Stand der Entwicklung und Prognosen . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.3 Optionen der Neuen Medien für die Marktkommunikation 4.11.3.1 Einsatzfelder im Offline-Bereich . . . . . . . . . . . . . . 4.11.3.2 Einsatzfelder im Online-Bereich . . . . . . . . . . . . . . 4.11.3.3 Einsatzfelder im interaktiven Fernsehen . . . . . . . . 4.11.4 Vorteile und Risiken der Neuen Medien für die Marktkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.4.1 Vorteile und Chancen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.4.2 Potentielle Risiken und Herausforderungen durch die Neuen Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.5 Implikationen und Zukunftsperspektiven für die Marktkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5. Budgetierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 In der Praxis verbreitete Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Prozent-vom-Umsatz-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Methode der Kommunikationskosten je Verkaufseinheit . . 5.2.3 Fortschreibungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.4 Methode der finanziellen Tragbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.5 Wettbewerbs-Paritäts-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.6 Marktanteils-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.7 Methode per Anweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Aufgabenorientierter Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Theoretische Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2 Marginalanalytische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.3 Der konkurrenzbezogene Ansatz von Weinberg (1960) . . . 5.4.4 Weitere theoretische Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6. Mediaplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Aufgaben der Mediaplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Die Media-Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Werbeträger-Gattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Publikumszeitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Fachzeitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.3 Kundenzeitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.4 Werbung in Zeitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.5 Außenwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.6 Werbefernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.7 Funkwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.8 Kinowerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.9 Intermedia-Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Reichweite oder Werbedruck? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Mediaplanung in der Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Optimierung von Mediaplänen durch Gewichtungsfaktoren . . . . . 6.7 Synergieeffekte in der Mediastrategie – die Kombination Print & TV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7. Zusammenarbeit mit Agenturen ............................ 7.1 Von der Schaltagentur zur „Full Service“-Agentur . . . . . . . . . . . . 7.2 Auswahl von Werbeagenturen ........................... 7.3 Die Aufgabenstellung für die Werbeagentur . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Die Arbeitsweise der Agentur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Expertensysteme als Hilfsmittel der Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . 7.6 Agentur-Kunden-Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.1 Resultate ausgewählter empirischer Studien . . . . . . . . . . . .
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XIV
Inhaltsverzeichnis
7.6.2 Stab-Linie-Strukturen als Organisationsproblem . . . . . . . . 7.6.3 Fehlende Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.4 Agenturabhängigkeit führt zu Konformismus in der Beratungsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.5 Reduktion der Divergenzen im Entscheidungsprozeß durch permanente Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.6 Kommunikationsmanagement als Funktion im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
470 473 474 478 482
8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation 8.1 Die „klassischen“ Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Hierarchiemodelle der Kommunikationswirkung . . . . . . . . . . . . . 8.3 Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 „Low Involvement“ versus „High Involvement“ . . . . . . . . . . . . . . 8.4.1 Das „Involvement“-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.2 Unterschiedliche „Involvement“-Dimensionen . . . . . . . . . 8.4.3 Involvement und die Wahrnehmungsintensität von Werbemitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.4 „Involvement“ und Beeinflußbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.5 Markenbekanntheit oder „Hierarchie der Effekte“ . . . . . . . 8.4.6 „Involvement“ im Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 Emotionspsychologische Aspekte der Marketing-Kommunikation 8.6 Kognitive Aspekte der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.1 Einstellungen und Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.2 Kognitive Dissonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.3 Psychologische Reaktanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.4 „Cognitive Response“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.4.1 Das Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.4.2 Konsequenzen für die Marktkommunikation ...
487 487 495 497 505 505 506
9. Messung der Kommunikationswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Problemstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Meßmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.1 Der Bereich der Perzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.1.1 Messung der Aktivierung als Indikator für Aufmerksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.1.2 Blickaufzeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.1.3 Kombination von Blickaufzeichnung und EDR-Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.2 Reizverarbeitung während der Darbietung und deren Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.2.1 Tachistoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.2.2 „Cognitive Response“-Forschung . . . . . . . . . . . . . 9.2.2.3 Messung bildhafter Eindrücke . . . . . . . . . . . . . . . .
549 549 559 560
507 509 513 515 516 522 522 526 532 537 537 542
560 571 581 582 582 585 587
Inhaltsverzeichnis
9.2.3 Messung von Gedächtniswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.3.1 Recall-Messungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.3.2 Der Recognition-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.3.3 Vergleich zwischen Recall und Recognition . . . . . 9.2.4 Messung des Einflusses auf kognitive Strukturen . . . . . . . . 9.2.4.1 „Cognitive Response“-Forschung als Ansatz zur Wirkungskontrolle im Zeitablauf . . . . . . . . . . . 9.2.4.2 Messung weiterer kognitiver Wirkungen durch Befragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.5 Kann man Verhaltensabsichten messen? . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.6 Messung beobachtbaren Verhaltens: Daten aus der Panelforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.7 Expertensysteme für die Kommunikationsforschung . . . . . 9.2.8 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Internationale Marktkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 Die Diskussion: Global versus Local Marketing . . . . . . . . . . . . . 10.2 Internationale Kommunikation: Standardisierungsund Differenzierungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.1 Basisstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.2 Determinanten der Übertragbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.3 Pro und Contra standardisierter transkultureller Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Management der internationalen Marktkommunikation . . . . . . . 10.4 Ausgewählte Instrumente der internationalen Kommunikation 10.4.1 Public Relations (PR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.2 Verkaufsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.3 Direkt Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.4 Sponsorship . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.5 Product Placement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.6 Messen/Ausstellungen/Kongresse . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Integration der internationalen Kommunikationspolitik . . . . . . .
XV
589 590 594 597 599 601 602 606 607 612 617 619 620 623 623 625 630 640 644 644 645 646 647 648 649 649
Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
693
1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation Unternehmen befinden sich heute in einer schwierigen und komplexen Kommunikationssituation. Zunehmend fällt es ihnen schwerer, ihre Leistungen, ihre Angebote und ihre Funktionen angesichts eines verschärften Erklärungswettbewerbs ihren potentiellen Kunden, einer kritischeren Öffentlichkeit und anderen relevanten Zielgruppen darzulegen. Die Bedeutung der Kommunikation im Rahmen des unternehmerischen Handelns wächst, je stärker das gesellschaftliche und politische Umfeld in die Überlegungen mit einbezogen werden müssen. An Unternehmen werden zunehmende Anforderungen und Ansprüche gestellt. Diese sind neben den als klassisch zu bezeichnenden Ansprüchen von Eigentümern und Gläubigern u.a.: • eine Verantwortung gegenüber den Verbrauchern (z.B. bessere Aufklärung, keine schädlichen Produktauswirkungen), • eine Verantwortung gegenüber den Arbeitnehmern (z.B. Bereitstellung von Ausbildungsplätzen, Sicherheit der Arbeitsplätze), • Verantwortung gegenüber der Region (z.B. als Wirtschaftsfaktor in der Region, Unterstützung regionaler Aktivitäten) und • Verantwortung gegenüber der Gesellschaft (beispielsweise umweltschonende Beschaffungs-, Produktions- und Vertriebssysteme, Verantwortung für neue Technologien und deren Folgen) (vgl. Staehle, 1992, S. 249). Eine integrierte, vernetzte Kommunikation wird heute häufig als die Strategie charakterisiert, welche in der Lage ist, die Kommunikationspolitik einer Unternehmung oder allgemeiner noch einer Organisation effektiv und effizient zu gestalten.
1.1 Stellenwert und Relevanz einer einheitlichen, integrierten Kommunikationsstrategie Die Bedeutung, die heute einer solchen Kommunikationsstrategie zugeschrieben wird, resultiert aus gravierenden Veränderungen und Entwicklungen im Umfeld der Unternehmungen, welche die bisherigen kommunikativen UnternehmensAktivitäten in ihrer Wirkung einschränken oder zumindest fraglich erscheinen lassen. Das Konzept der integrierten Kommunikation geht auf Bruhn (2003a) zurück. Dynamische Entwicklungen in vier Bereichen charakterisieren heute im wesentlichen die kommunikative Situation von Unternehmen:
2
1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
• • • •
Veränderungen im wirtschaftlichen Umfeld, Veränderungen im sozial-gesellschaftlichen Bereich, Veränderungen im kommunikativen Umfeld und Veränderungen im rechtlichen Umfeld.
Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Kommunikative Rahmenbedingungen
Kommunikative Ausgangslage Soziokulturelle Rahmenbedingungen
Rechtliche Rahmenbedingungen
Abbildung 1-1: Wesentliche Veränderungen in der kommunikativen Ausgangslage von Unternehmen
1.1.1 Wesentliche Veränderungen im wirtschaftlichen Bereich Das wirtschaftliche Umfeld von vielen Unternehmen zeichnet sich in den letzten Jahren durch eine zunehmende Dynamik und Komplexität aus. Der Wettbewerbsdruck ist erheblich gestiegen, auch durch die zunehmende Internationalisierung der Wirtschaft. Ausländische Unternehmen drängen in die „home markets“ ein und das angesichts der Sättigungserscheinungen in vielen Teilmärkten. Damit geraten viele Unternehmen unter einen zunehmenden Kostendruck. Zudem gleichen sich in vielen Bereichen die Produkte in ihren Qualitätsausprägungen immer stärker an, so daß eine produktspezifische Differenzierung kaum mehr möglich ist; auch bei innovativen Angeboten wird eine Alleinstellung am Markt durch das schnelle Nachziehen des Wettbewerbs oft rasch wieder nivelliert. Dadurch gewinnt eine kommunikative Unterscheidung zunehmend an Bedeutung. Die dramatische Verkürzung der Produkt-Lebenszyklen und die damit einhergehende Veralterung der Produkte führen dazu, daß diese Innovationen kommunikativ in die Märkte eingeführt werden müssen. Man kann davon ausgehen, daß die Produkt-Lebenszyklen sich im letzten Jahrzehnt um 60% bis 80% verkürzt haben (vgl. Esch & Wicke 2000, S. 13).
1.1 Stellenwert und Relevanz einer einheitlichen Kommunikationsstrategie
3
Auch die Differenzierung der Märkte schreitet rasant voran, die Angebots- und Markenvielfalt wächst deutlich. Zu Beginn der 90er Jahre wurde für ca. 41.000 Marken in den klassischen Medien geworben, im Vergleich dazu waren es 1975 erst 25.000 (vgl. Meffert & Schürmann, 1992, S. 2). Bruhn (1997, S. 77) nennt für 1995 sogar circa 57.000 umworbene Marken. Derartige Zahlen sind natürlich auch davon abhängig, was als Markenartikel angenommen wird. Der größte Teil der (sog.) Marken würde vermutlich nicht den üblicherweise angenommenen Anforderungen an einen Markenartikel entsprechen. Das ändert aber nichts Grundsätzliches an der Markenüberflutung, der sich Verbraucher ausgesetzt sehen. Immer mehr Angebote konkurrieren somit um die Aufmerksamkeit der Konsumenten und das vor dem Hintergrund einer abnehmenden Markenloyalität.
Spirituosen Bier Airlines Shampoo Zigaretten Cola Benzin
0
20 40 60 80 Wahrgenommene Markengleichheit in %
100
Abbildung 1-2: Wahrgenommene Markengleichheit in Deutschland 1993 (Sasserath 1995, S. 43) Es findet eine gewisse Schwerpunktverlagerung statt, der Produktwettbewerb wird durch einen Kommunikationswettbewerb ergänzt. Die Unternehmen sind verstärkt darauf angewiesen, durch eine entsprechende Kommunikation bei ihren aktuellen und potentiellen Kunden, Präferenzen für ihre Angebote, für ihr Unternehmen zu erzeugen (vgl. Bruhn, 1993, S. 75). Vielfach gelingt heute jedoch auch eine kommunikative Markendifferenzierung nicht, wie eine Studie der Werbeagentur BBDO zeigt.
4
1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
1.1.2 Wesentliche Veränderungen im sozial-gesellschaftlichen Bereich Diese Veränderungen beziehen sich auf den Wertewandel bei Individuen und in der Gesellschaft insgesamt, sowie auf die zunehmende öffentliche Verantwortung von Unternehmen. Auf individueller Ebene zeigen sich Polarisierungstendenzen und ein deutlicher Wertewandel, vor allem in Richtung: • • • • • •
der Umwelt-, Gesundheits- und Wellnessorientierung, Erlebnisorientierung, Streben nach Selbstentfaltung und Erleben, Werte- und Lebensstilpluralisierung und -individualisierung, Freizeitbetonung und aktiver, dialogorientierter und kritischer Partizipation an der Gesellschaft
Eine Prognose zur Entwicklung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen findet sich bei Barz, Kampik, Singer & Teuber, 2003. Ein Aspekt des Wertewandels zeigt sich auch in einer kritischeren Einstellung weiter Bevölkerungskreise gegenüber Unternehmen und speziell auch ihrer Werbung und anderen kommunikativen Aktivitäten. Diese Trends prägen das Konsum- und Kommunikationsverhalten der Kommunikationszielgruppen mit. Begriffe wie Smart Shoppers, hybride und polyvalente Konsumenten charakterisieren diese Entwicklung. Die Modifizierung bestehender Kommunikationsinstrumente und neue Ansätze wie z.B. Event Marketing, Dialog Marketing, Infotainment versuchen diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Unternehmen, als offene soziale Systeme, sind eng mit einer komplexen Umwelt verbunden. Sie müssen gegenüber dieser Umwelt, insbesondere gegenüber der Öffentlichkeit, zunehmend ihr unternehmerisches Handeln legitimieren. Die Gesellschaft meldet verstärkt vielfältige Anforderungen, Ansprüche und Erwartungen an die Unternehmen an. Mehr und mehr werden in einer kritischen Öffentlichkeit auch die negativen Seiten unternehmerischen Handelns diskutiert. Unternehmen werden nicht mehr nur durch ihre Produkte und Dienstleistungen präsentiert, sondern auch durch Umweltverschmutzung, Verhalten auf den Finanzmärkten (z.B. Corporate Governance), Missmanagement und Entlassungen. Von Unternehmen wird ein bürgerschaftliches Engagement erwartet (Corporate Citizenship) (vgl. Wieland & Conradi 2002). Dadurch entsteht für die Unternehmen ein zunehmender Druck zur Rechtfertigung ihres Handelns in immer mehr unternehmerischen Feldern. Ein Unternehmen muß deshalb heute mit einer größeren Vielzahl von Personen und gesellschaftlichen Gruppen über eine größere Vielzahl von Themen sprechen. Eine Konsequenz dar-
1.1 Stellenwert und Relevanz einer einheitlichen Kommunikationsstrategie
5
aus ist auch eine Änderung in der Kommunikationspolitik der Unternehmung (vgl. Scherer, 1995, S. 54). Betrachtet man die Entwicklung der Kommunikationspolitik von Unternehmen, so lassen sich für die Marketing-Kommunikation sechs Phasen differenzieren (vgl. Bruhn, 1993, S. 75, Bruhn 2003b, S. 22 f.): •
Die Phase der unsystematischen Kommunikation (50er Jahre): Kennzeichnend dafür ist der Verkäufermarkt mit einem noch geringen Stellenwert der Kommunikation. Es ging vor allem um Erinnerungswerbung für „alte Marken“. Einzelne Produkte und Marken wurden relativ undifferenziert beworben.
•
Die Phase der Produktkommunikation (60er Jahre): In dieser Zeit dominierte aus Unternehmenssicht die Verkaufsorientierung. Die Kommunikation diente zur Unterstützung des Verkaufs, die Handelskommunikation gewinnt an Bedeutung.
•
Die Phase der Zielgruppenkommunikation (70er Jahre): Die wachsende Fragmentierung der Märkte in den siebziger Jahren erforderte von Unternehmensseite eine differenzierte Marktbearbeitung, die zentrale Aufgabe der Kommunikation war die Vermittlung eines zielgruppenspezifischen Nutzens.
•
Die Phase der Wettbewerbskommunikation (80er Jahre): Im Mittelpunkt der Kommunikationspolitik stand die kommunikative Profilierung gegenüber dem Wettbewerber, es ging darum, dem Kunden den USP (‘unique selling proposition’) und die damit verbundenen Vorteile zu demonstrieren.
•
Die Phase des Kommunikationswettbewerbs (90erJahre): In dieser Entwicklungsstufe geht es darum, ein konsistentes Bild des Unternehmens zu vermitteln, interne und externe kommunikative Aktivitäten zu integrieren und nicht nur das Produkt hervorzuheben, sondern auch das Unternehmen, das hinter diesem Produkt steht.
•
Die Phase der integrierten Dialogkommunikation (neues Jahrtausend): Der Wunsch nach Individualisierung bei den Zielpersonen erfordert von den Unternehmen eine personalisierte Kommunikation, die auch Dialogoptionen eröffnen kann (Kombination von Ein- und Zwei-WegeKommunikation).
Aufgrund der gesteigerten Anforderungen eines größeren Publikums ist es heute erforderlich, daß die Unternehmen verstärkt versuchen, sich durch Kommunikation selbst darzustellen.
6
1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
1.1.3 Wesentliche Veränderungen im kommunikativen Bereich Die Kommunikationsbedingungen für Unternehmen zeichnen sich durch eine dynamische Entwicklung der Medienlandschaft, durch eine zunehmende kommunikative Konkurrenz und eine wachsende Informationsüberflutung bei den Zielgruppen aus. Die Medienlandschaft ist durch eine zunehmende Differenzierung charakterisiert. Im Printbereich ist in vielen Bereichen ein Anwachsen der Publikationen festzustellen, insbesondere bei Publikums- und Fachzeitschriften (vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 1994). Im Fernseh- und Hörfunkbereich ist durch die Etablierung von privaten Sendern das Angebot wesentlich erweitert worden. Neue Medien und Kommunikationsmöglichkeiten treten ergänzend auf den Markt. Viel diskutierte Stichworte hierfür sind Multimedia, E-Commerce, Mobile Communications oder digitales Fernsehen, um nur einige zu nennen. Für Unternehmen wachsen damit die Optionen der einsetzbaren Kommunikationsmedien. Andererseits besteht natürlich die Gefahr, daß man sich bei der Gestaltung der Medienpläne aufgrund der Größe und Komplexität des Angebotes in vielen Einzelaktionen verirrt. Auch bedingt durch die zunehmende Marktsegmentierung hat die Werbenachfrage nach Medienprodukten erheblich zugenommen, zwischen 1982 und 1992 hat sich diese Nachfrage verdoppelt (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 1994, S. 76). Auswirkungen zeigen sich speziell im TV-Bereich, so hat sich zwischen 1985 und 1994 die Anzahl der im TV ausgestrahlten Werbesendungen ungefähr verzwanzigfacht (Sasserath, 1995, S. 42). Folgende Daten mögen verdeutlichen, in welchem Maße die durch Werbung ausgelöste Informationsüberlastung der Konsumenten in den letzten Jahren zugenommen hat. Konsumenten wurden im Vergleich 1984/1997 mit folgendem Werbevolumen konfrontiert (Bruhn, 2003b, S. 27): 1984
1997
384 1038 3598
4129 Fernsehspots pro Tag 5395 Radiospots pro Tag 4573 Anzeigen pro Tag
Im Gegensatz dazu ist der Medienkonsum der Konsumenten nur leicht angestiegen und beträgt laut einer Langzeitstudie (vgl. von Eimeren & Ridder 2001): Zeitschriften lesen: Zeitung lesen: Hörfunk-Nutzung: Fernsehen:
10 Minuten im Tagesdurchschnitt 30 Minuten im Tagesdurchschnitt 206 Minuten im Tagesdurchschnitt 185 Minuten im Tagesdurchschnitt
Damit ist nichts über die Intensität der Nutzung (z.B. Hörfunk-Nutzung während der Autofahrt) gesagt. Dies bedeutet eine wachsende Konkurrenz der Kommunika-
1.1 Stellenwert und Relevanz einer einheitlichen Kommunikationsstrategie
7
tionsbotschaften um die Aufmerksamkeit der Konsumenten und anderen relevanten Zielgruppen. Dieser Informationsflut steht in vielen Fällen bei den weniger involvierten Zielgruppen ein nachlassendes Informationsinteresse gegenüber. Viele Informationen werden nur noch nebenbei ohne tiefere kognitive Verarbeitung aufgenommen. Zudem wird in der Bevölkerung die klassische Werbung zunehmend kritischer bewertet. Die begrenzten Kapazitäten der Informationsaufnahme führen dazu, daß eine Vielzahl von Informationen überhaupt nicht mehr wahrgenommen wird. Kroeber-Riel und Esch (2000, S. 13) nennen hier die Zahl von 98% Informationsüberlastung in Deutschland, d.h. daß nur circa 2 % der angebotenen Informationen auch beachtet werden. Durch die zwischenzeitlich erfolgte und zukünftig zu erwartende Informationszunahme dürfte die Informationsüberlastung weiter zunehmen. Diese Entwicklung der zunehmenden kommunikativen Konkurrenz, der Informationsüberflutung, führt zu einer Schwächung der Kommunikationswirkung vor allem der klassischen Werbung. So wurde vor 10 oder 15 Jahren mit einer Anzeige oder einem TV-Spot deutlich mehr Wirkung erzielt als heute. D.h. konkret, daß die Effizienz der eingesetzten Budgetmittel für die Kommunikation rapide abnimmt. Auch in Zukunft ist von einer weiteren Abnahme der Werbeerinnerungen auszugehen. Aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht kann man integrierte Kommunikation als Lernkonzept verstehen, das versucht diesem Trend entgegen zu wirken. Durch zahlreiche Wiederholungen der gleichen bzw. aufeinander abgestimmter Botschaften soll die Erinnerung an die Kommunikation verstärkt und ein konsistenter Eindruck des Unternehmens und seines Angebotes erzeugt werden (Esch, 1992, S. 34 f.).
Gestützter Recall
Spending (in Euro)
40
8000
30
6000
20
4000
10
2000
0
0 1990
1992 Spending
1994
n= 86, GfK-Werbeindikator/ATS
Recall
Abbildung 1-3: Abnehmende Werbeeffizienz (BBDO 1994)
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1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
Diese veränderten ökonomischen, sozialen und kommunikativen Rahmenbedingungen erfordern neue Strategien und Techniken in der Kommunikation für Unternehmen und Marken. Eine integrierte, ganzheitliche Kommunikation ist eine vorrangige Strategie, um die Wirkung der kommunikativen Aktivitäten zu verstärken und um einer Zersplitterung in einzelne, isoliert operierende Kommunikationsinstrumente entgegenzuwirken. Eine integrierte Kommunikation ist auch deshalb erforderlich, weil Menschen in verschiedenen Lebenskontexten unterschiedliche Rollen wahrnehmen (multiples Rollenspiel), z.B. einmal in der Rolle als Konsument, einmal als politischengagierter Bürger oder als Kapitalgeber der Unternehmung. Widersprüchliche Botschaften werden deshalb irgendwann bemerkt und können u.a. zu Irritationen, Einbußen bei der Glaubwürdigkeit führen. Auch deshalb müssen Unternehmen die unterschiedlichen und vielfältigen Quellen der Unternehmenskommunikation in ihrem Einsatz aufeinander abstimmen, um bei diesen Zielgruppen ein glaubwürdiges und widerspruchsfreies Bild entstehen zu lassen. Eine Integration der Kommunikationspolitik mit dem Ziel, eines ganzheitlichen Kommunikations-Konzeptes, stellt deshalb eine wichtige Herausforderung unserer Zeit dar. Zumal Kommunikation nicht mehr nur ein begleitendes, unterstützendes Instrument für den Verkauf oder andere Unternehmensfunktionen darstellt, sondern selbst zu einem strategischen Erfolgsfaktor geworden ist, da sie eine erfolgreiche Differenzierung vom Wettbewerb ermöglichen kann (Bruhn, 1993, S. 76). Die Umsetzung einer solchen Politik verlangt ein professionelles und effizientes Kommunikations-Management.
1.2 Corporate Identity als strategischer Ausgangspunkt einer ganzheitlichen Kommunikationspolitik Die Bedeutung der Corporate Identity für ein integriertes Kommunikationskonzept einer Unternehmung, resultiert im wesentlichen aus zwei Gesichtspunkten: Erstens kann man generell davon ausgehen, daß die Identitäten der Kommunikationspartner für den Verlauf des Kommunikationsprozesses eine große Relevanz haben. Nach Krappmann (1978, S. 8 f.) muß ein Individuum, wenn es mit anderen in Beziehung treten will, seine Identität präsentieren; durch sie zeigt es, wer es ist. Dabei wird diese Identität im Hinblick auf die aktuelle Situation und den Kommunikationspartner interpretiert. D.h. Identität ist somit nicht als starres Selbstbild zu verstehen. Diese Selbst- und Fremdbilder, die Bilder, die man von sich und seinem Interaktionspartner hat, fließen als Vorbeeinflussung in die kommunikativen Handlungen mit ein. Analog gilt das auch für die Kommunikation von Unternehmen; deren kommunikativen Aktivitäten werden durch die Unternehmensidentität geprägt und durch die entsprechenden Fremdbilder wesentlich beeinflußt.
1.2 Corporate Identity als strategischer Ausgangspunkt
9
Zum zweiten bildet eine entsprechend ausgebildete Unternehmensidentität, verstanden als ein strategisches Konzept für die gesamte Unternehmensführung, auch einen Orientierungsrahmen für die Planung und Realisation der Kommunikationspolitik einer Unternehmung (vgl. Raffée & Wiedmann, 1993, S. 45). Corporate Identity kann unter verschiedenen Aspekten betrachtet werden. Häufig wird Unternehmensidentität verstanden als die Summe seiner charakteristischen Eigenschaften, die es von allen anderen Unternehmen gleicher Größe und Branche differenziert. Als Kern dieser Identität sehen Birkigt, Stadler & Funck (1992, S. 19) die Unternehmenspersönlichkeit, als das manifestierte Selbstverständnis des Unternehmens an. Sie kann als schlüssiger Zusammenhang von Erscheinung, Worten und Taten eines Unternehmens mit seinem Wesen verstanden werden. Fenkart & Widmer (1987, S. 15) definieren Corporate Identity als die Einheit und Übereinstimmung von Erscheinung, Worten und Taten eines Unternehmens mit seinem formulierten Selbstverständnis. Corporate Identity ist dabei verknüpft mit der Unternehmensphilosophie und der Unternehmenskultur. Unternehmensphilosophie kann dabei verstanden werden als die grundlegende Sinn- und Werteebene, sie beinhaltet die basalen Überzeugungen, Paradigmen, Visionen, Wertehaltungen, Normen und Vorstellungen darüber, wie etwas geschehen soll, was als wichtig anzusehen ist. Die Unternehmenskultur fokussiert dagegen stärker die Objekt- und Verhaltensebene, sie stellt eine Konkretisierung der Unternehmensphilosophie dar. Sie ist ein historisch gewachsenes, von den Führungskräften und Mitarbeitern vorgelebtes bzw. getragenes System von Werten, das die Denk- und Handlungsweisen beeinflußt; sie formt dadurch die Unternehmenspersönlichkeit bzw. das Selbstverständnis mit. Die Unternehmensidentität dagegen bezieht sich auf dieser Basis insbesondere auf eine Interaktions- und Entwicklungsperspektive, sie hebt einerseits das Besondere im Vergleich zu anderen Unternehmen hervor, andererseits auch das Beständige in der Zeit angesichts unterschiedlicher Handlungssituationen (Raffée & Wiedmann, 1993, S. 47).
Gewachsene Unternehmenskultur
Zielvorgabe
Leitbild
Visionäre Zielvorgaben
Verhalten/ Denken
Unternehmenskultur
Abbildung 1-4: Wechselseitige Beeinflussung von Unternehmenskultur und Unternehmensleitbild
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1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
Wichtig im Kontext mit Identität ist es auch auf das Kriterium der Einmaligkeit, der Unverwechselbarkeit hinzuweisen. Je deutlicher die Unterschiede zu anderen Unternehmen sind, um so mehr besitzt das Unternehmen eine eigene Persönlichkeit. Und dieses Differenzierungspotential ist heute aufgrund zunehmender Produktähnlichkeit in vielen Märkten von immer stärkerer Bedeutung. Aus konzeptioneller Sicht erscheint Corporate Identity als die strategisch geplante und operativ eingesetzte Selbstdarstellung und Verhaltensweise eines Unternehmens nach innen und außen auf der Basis einer festgelegten Unternehmensphilosophie, einer langfristigen Unternehmenszielsetzung und eines definierten (Soll-) Images - mit dem Willen, alle Handlungsinstrumente des Unternehmens in einheitlichem Rahmen nach innen und außen zur Darstellung zu bringen (Birkigt, Stadler & Funck, 1992, S. 18). Hervorzuheben ist damit der Binnen- und Außen-Aspekt der Corporate Identity. Basierend auf der Unternehmenspersönlichkeit erfolgt die Umsetzung in der zielgerichteten Kombination des Identitäts-Mixes. Instrumente des Mixes sind: • Unternehmens-Erscheinungsbild (Corporate Design) als sichtbarer Teil der Corporate Identity meint die systematische, abgestimmte Gestaltung aller visuellen Elemente der Unternehmens-Erscheinung, z.B. Produkt-Design (Produkte und Verpackungen), Grafik-Design (Geschäftsdrucksachen, Formularen), Architektur, Hausfarbe und -schrift, Messeauftritte, etc. Dieses Erscheinungsbild benötigt eine gewisse Kontinuität, es muß aber auch kontinuierlich einer sich wandelnden Identität anpassen. Es sorgt für eine typische Verpackung der Inhalte und Botschaften, sie definiert Regeln und Freiräume des formalen Auftritts. Als visuelles Identifikationssystem ist es elementarer Bestandteil wirkungsvoller Kommunikation und demonstriert formale Einheit. •
Unternehmens-Verhalten (Corporate Behavior) meint die in sich schlüssige und damit auch widerspruchsfreie Ausrichtung aller Verhaltensweisen der Unternehmensmitglieder. Es umfaßt einerseits das grundsätzliche Verhalten des Unternehmens als Ganzes gegenüber den Wettbewerbern, Abnehmern, Lieferanten, Mitarbeitern, Kapitalgebern, Öffentlichkeit, etc. und andererseits auch das Verhalten des einzelnen Unternehmensangehörigen, z.B. das persönliche Verhalten im Verkaufsgespräch. • Unternehmens-Kommunikation (Corporate Communications) bezieht sich auf den systematisch kombinierten Einsatz der Kommunikationsinstrumente, der einen Beitrag leisten soll zur Vermittlung der Identität (z.B. Werbung, Verkaufsförderung, Public Relations, etc.). Häufig werden jedoch in der Praxis kurzfristige Aktivitäten nicht unter diesem Gesichtspunkt realisiert. Dies stört den Aufbau einer gewollten Identität. Für viele Markenhersteller stellt sich zudem das Problem, wie die einzelnen Markenimages (brand identities) mit der Corporate Identity zu verknüpfen sind, so daß die bestmögliche Wirkung erreicht wird. Bruhn (2003a, S. 45-48) kritisiert an der Corporate Communicati-
1.2 Corporate Identity als strategischer Ausgangspunkt
11
ons-Konzeption, daß diese zu wenig konkretisiert wurde und nur selten genaue Angaben zur Verzahnung der Instrumente vorgelegt würden.
Abbildung 1-5: Schematische Darstellung der Corporate Identity (Birkigt, Stadler & Funck, 1992, S. 19) Durch den abgestimmten Einsatz dieser Instrumente sollen als Ziele einer kontinuierlichen Corporate Identity-Politik Vertrauen, Glaubwürdigkeit, Akzeptanz und Sympathie bei den entsprechenden Zielpersonen aufgebaut werden. Im externen Verhältnis sollen sie vor allem den Angeboten Eigenständigkeit verleihen und sie vom Wettbewerb differenzieren. Im Hinblick auf die eigenen Mitarbeiter (interne Öffentlichkeit) soll ein verstärktes Wir-Gefühl, ein Gefühl der Zugehörigkeit, eine Steigerung des Leistungswillens und das Einschwören auf die Unternehmensleitbilder erreicht werden. Wobei betont werden muß, daß eine solche Konzeption nur wirksam werden kann, wenn sie langfristig angelegt ist. Diese Ziele sollen dadurch realisiert werden, daß ein entsprechendes Corporate Image aufgebaut werden soll. Corporate Image (Unternehmensimage) kann verstanden werden als das „Fremdbild“, das beim Endverbraucher oder industriellen Verwendern, Mitarbeitern, Lieferanten, Teilöffentlichkeit und der sonstigen Umwelt von dem Unternehmen besteht. Dieses Image stimmt in der Regel nicht mit dem angestrebten Corporate Identity überein, denn das Image wird durch externe Einflüsse ökonomischer, politischer, sozialer und psychischer Art beeinflußt. Es spiegelt deshalb die Unternehmensidentität nur mehr oder weniger verzerrt wider.
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1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
ÕÖ
ÕÖ Identitäts-Mix, Corporate Communications, Corp. Behavior Corp. Design
Corporate Identity
ÕÖ
ÕÖ
Politische, soziale, ökonomische und kulturelle Umfeldbedingungen
ÕÖ Corporate Image
ÕÖ
Abbildung 1-6: Zusammenhang Corporate Identity und Corporate Image Voraussetzung für die Erreichung dieser Ziele der Corporate-Identity-Politik ist nicht nur eine Abstimmung der einzelnen Mix-Instrumente, sondern im besonderen eine relativ starke Übereinstimmung der Unternehmens-Selbst-Darstellung mit der Unternehmensrealität. Eine zu starke Diskrepanz zwischen Darstellung und Realität führt bei den Zielgruppen schnell dazu, an Glaubwürdigkeit und Akzeptanz zu verlieren. Im Rahmen einer Corporate-Identity-Politik haben Firmengrundsätze und Leitbilder einen zentralen Stellenwert, sie bilden einen Orientierungsrahmen. Schriftlich formulierte Firmengrundsätze (Corporate Missions) präzisieren den Unternehmenszweck sowie die generelle Position gegenüber den relevanten Partnern im und außerhalb des Unternehmens. Leitbilder als Ausdruck der Unternehmensphilosophie fassen als Führungsinstrument das spezifische Selbstverständnis der Unternehmung zusammen. Die zunehmende Umweltdynamik ist dabei eine permanente Herausforderung an eine konsequente Identitätspolitik. Nach Birkigt, Stadler & Funck, (1992, S. 18) zeichnet sich Corporate Identity durch Dynamik aus, sie soll fortschreitend sein, sie soll sich verändern (bzw. muß gezielt verändert werden), ohne jedoch als Ganzheit auseinanderzubrechen. D.h. ein Corporate Identity-Konzept ist nicht per se innovationsfeindlich. Dies muß allerdings auf einer kritischen Überprüfung und gegebenenfalls Modifikation der vorhandenen Unternehmensphilosophie und -kultur basieren, sonst besteht die Gefahr, daß es sich um eine rein kosmetische Operation handelt. Damit kann eine entsprechend formulierte und verankerte Corporate Identity einen Rahmen sowohl inhaltlicher als auch gestalterischer Natur für eine integrierte Marktkommunikation bilden. Sie zeigt, welche Identitätsaspekte (Fremd- und Selbstbilder) man in der Marktkommunikation berücksichtigen muß, bietet einen inhaltlichen Rahmen, innerhalb dessen sich die Botschaften bewegen können, ohne daß es zu Identitätsverlusten kommt, und sie gibt durch ein entsprechendes Corporate Design auch gestalterische Spielregeln vor. D.h. Marktkommunikation soll und muß bei ihren Aktivitäten auf den Bezug zur Corporate Identity achten, einen Beitrag zu dem angestrebten Corporate Identity leisten und durch eine entsprechende Gestaltung Kontinuität gewährleisten. Die Einbindung der integrierten
1.2 Corporate Identity als strategischer Ausgangspunkt
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Kommunikation in ein Konzept der Corporate Identity stellt zudem sicher, daß Kommunikation sich nicht verselbständigt, sondern Philosophie und Leitbild eines Unternehmens kommunikativ zu übersetzen und zu vermitteln hat.
1.3 Integrierte Unternehmens- und Marktkommunikation Eine integrierte Marktkommunikation, als wesentlicher Bestandteil der kommunikativen Aktivitäten einer Unternehmung, muß eingebettet sein in eine Gesamtkonzeption der Unternehmenskommunikation. Die Unternehmenskommunikation übernimmt heute in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft die Mittlerfunktion zwischen dem Unternehmen und seinem unternehmerischen Umfeld. Aufgrund der veränderten und komplexen kommunikativen Situation und der Bedeutung dieser unternehmerischen Teilaufgabe hat die Kommunikation heute eine Führungsfunktion und damit eine Managementaufgabe (Ahrens & Behrent, 1995, S. 91). Die Basis der konzeptionellen Gestaltung einer integrierten Unternehmenskommunikation bildet neben der bereits erwähnten Corporate Identity die Unternehmensstrategie. Alle bewußt gestalteten kommunikativen Prozesse sind Mittel zum Zweck einer nachhaltigen Unterstützung der strategischen Unternehmensführung und dies im Innen- und Außenverhältnis (vgl. Steinmann & Zerfaß, 1995, S. 18).
1.3.1 Begriff, Dimensionen und Ziele der integrierten Kommunikation Der Begriff integrierte Kommunikation kann einmal in einem weiteren Rahmen verstanden werden, wenn er sich auf alle kommunikativen Aktivitäten einer Unternehmung bezieht oder in einem engeren Kontext, wenn er sich insbesondere auf die kommunikativen Marktaktivitäten bezieht. Das Kommunikations-Mix besteht aus Media-Werbung, Public Relations, Sponsoring, Verkaufsförderung, Messen und Ausstellungen, persönlicher Kommunikation, Direkt Marketing, Event Marketing, Product Placement und Product Publicity. Bruhn (2003a) versteht unter Unternehmenskommunikation die Gesamtheit sämtlicher Kommunikationsinstrumente und -maßnahmen eines Unternehmens, die eingesetzt werden, um das Unternehmen und seine Leistungen bei relevanten Zielgruppen darzustellen. Damit läßt sich nach Ansicht von Derieth (1995, S. 25 ff.) Unternehmenskommunikation durch drei konstitutive Elemente charakterisieren: • Gesamtheit = Universalität (in Bezug auf die zur Verfügung stehenden Instrumente), • Bezug zu anderen Instrumenten = Relationalität (Verknüpfung der Instrumente und ihrer Wirkungen),
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1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
• bewußte Leistungsdarstellung = Intentionalität (im Hinblick auf die Absichten des Kommunikators). Integrierte Unternehmenskommunikation definiert Bruhn (2003a, S. 17; bzw. 1997, S. 96) als den Prozeß der Analyse und der Organisation, der darauf ausgerichtet ist, aus den differenzierten Quellen der internen und externen Kommunikation von Unternehmen eine Einheit herzustellen, um für die Zielgruppen der Unternehmenskommunikation ein konsistentes Erscheinungsbild zu vermitteln. Kroeber-Riel (1993a, S. 2) differenziert zwischen integrierter Marktkommunikation, verstanden als die Abstimmung aller Maßnahmen der MarketingKommunikation und allgemein der integrierten Kommunikation als die Abstimmung der gesamten Kommunikation eines Unternehmens. Damit bezieht sich die integrierte Marktkommunikation nach diesem Verständnis primär auf die externen Aktivitäten im Kommunikations-Mix des Marketing. Mit Marktkommunikation werden hier im wesentlichen die kommunikativen Aktivitäten einer Unternehmung bezeichnet, die sich auf den Absatzmarkt richten.1 Der Kommunikationsverband GWA definiert sein Selbstverständnis von integrierter Kommunikation mit folgenden Inhalten: • • • •
Strategisch, inhaltlich, formal und zeitlich abgestimmte, externe und interne Markt- und Unternehmenskommunikation zur Realisation von Konsistenz und Nutzen von Synergie-Wirkungen (GWA, 2004).
Die Marktkommunikation ist jedoch in die generelle Kommunikationspolitik einer Unternehmung zu integrieren, wenn sich für die relevanten Zielgruppen Bezüge zwischen Unternehmenskommunikation und Markt, insbesondere der Markenkommunikation herstellen lassen und hergestellt werden sollen. Dies trifft heute für immer mehr Unternehmen zu, besonders natürlich für Unternehmen mit Herstellermarken. Zudem ist ein weiterer Ansatz auch unter einer notwendigen Integration und Abstimmung zwischen interner und externer Kommunikation sinnvoll. Eine Integration der Kommunikation umfaßt dabei sowohl die Abstimmung der einzelnen kommunikativen Instrumente, als auch eine Integration der Kommunikationspartner. Unter instrumentelle Integration lassen sich die inhaltliche, formale und zeitliche Abstimmung subsumieren (vgl. hierzu Bruhn, 2003a, S. 60 ff. und Bruhn 2003b, S. 78):
1
Umfassender könnte man unter diesem Begriff jedoch auch alle kommunikativen Aktivitäten bezeichnen, die sich auf die unterschiedlichen Märkte beziehen, die für eine Unternehmung Bedeutung haben, z.B. Arbeitsmarkt, Finanzmarkt.
1.3 Integrierte Unternehmens- und Marktkommunikation
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Die formale Abstimmung und Vereinheitlichung betrifft die einheitliche Gestaltung aller Kommunikationsmaßnahmen hinsichtlich ihres äußeren Erscheinungsbildes und umfaßt sämtliche Maßnahmen, welche die Kommunikationsmittel durch Gestaltungsprinzipien miteinander verbinden und damit eine einheitliche Form des Erscheinungsbildes vermitteln. Sie besteht in der Abstimmung des formalen Marken- und Firmenauftritts. Dies wird häufig durch das Corporate Design erreicht. Die Gestaltungsprinzipien können sich beziehen auf: Unternehmens- und/oder Markenzeichen, Logos, Schrifttypen, Größen, Hausfarben, etc. Diese Integrationsform dominiert zur Zeit als Klammer für die Kommunikation. Formale Mittel leisten damit einen Beitrag zu einer Vereinheitlichung des Auftritts, sie tragen aber nicht zur Abstimmung und nur partiell zum Lernen spezifischer Kommunikationsinhalte bei. Durch die inhaltliche Integration werden die Kommunikationsmittel thematisch durch Verbindungslinien miteinander abgestimmt und damit in Hinblick auf das Ziel der Unternehmenskommunikation, ein einheitliches Bild zu vermitteln, gestaltet. D.h. die Botschaften, welche die verschiedenen Kommunikationsinstrumente transportieren, müssen in eine gleiche Richtung zielen, auf einem einheitlichen Konzept basieren und gleiche Eindrücke vermitteln, sie sollten widerspruchsfrei sein und sich gegenseitig verstärken. Die inhaltliche Integration umfaßt dabei: •
Eine funktionale Integration: Hierbei geht es um die Frage welchen gemeinsamen Beitrag können die einzelnen Kommunikationsinstrumente zur Erreichung der Ziele leisten?
•
Eine instrumentelle Integration bezieht sich auf die Abstimmung zwischen den verschiedenen Kommunikationsinstrumenten.
•
Die horizontale Integration umfaßt die Abstimmung der Kommunikationsinstrumente, die sich an eine Zielgruppe wenden.
•
Durch die vertikale Integration sollen die Kommunikationsinstrumente in mehrstufigen Märkten (z.B. Großhandel-Einzelhandel-Konsument) aufeinander abgestimmt werden (vgl. Bruhn 2003b, S. 78 ff.).
Dies kann durch einheitliche Slogans, basale Kernbotschaften und Kernargumente sowie durch Bilder, die immer wieder die Positionierung widerspiegeln, erzielt werden. Schlüsselbilder als visualisierte Kernbotschaft eignen sich für eine integrierte Kommunikation in besonderem Maße (Kroeber-Riel, 1993b). Bei der zeitlichen Integration geht es einerseits um eine Sicherstellung der zeitlichen Abstimmung zwischen den verschiedenen Instrumenten (z.B. Sponsoring mit Werbung und Öffentlichkeitsarbeit oder Direkt Marketing - Maßnahmen in der Vor- und Nachmessephase) um Synergiepotentiale zu nutzen und um angestrebte Wirkungsverknüpfungen erreichen zu können (Konsistenz). Andererseits geht es auch um die Gewährleistung der zeitlichen Kontinuität innerhalb eines Kommunikationsin-
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1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
strumentes, z.B. kein permanenter Kampagnenwechsel, denn ein häufiger Wechsel im Auftritt ist für die Etablierung eines klaren Unternehmens- oder Markenbildes denkbar ungeeignet (Kontinuität). Neben der Integration der Kommunikations-Instrumente ist auch eine erweiterte Perspektive der Kommunikationspartner (Zielgruppen- und Zielpersonen-Integration) in diese Konzeption mit zu implementieren (vgl. Raffée, 1991, S. 87 f.). Hier lassen sich zwei Stoßrichtungen differenzieren: Erstens geht es um eine häufig notwendige Zielgruppenerweiterung, also die Berücksichtigung neuer oder bisher vernachlässigter Zielgruppen im Kommunikationskonzept. Insbesondere die eigenen Mitarbeiter aber auch die lokale Öffentlichkeit oder Verbraucherinstitutionen sind in der Vergangenheit oft nicht oder nur marginal berücksichtigt worden. In vielen Unternehmungen geraten ältere Zielgruppen verstärkt in den Fokus der Aufmerksamkeit. e Z ie lg r u p p e n -E r w e it e r u n g
K o m m u n i k a ti o n sfo r m
P a r t n e r sc h a f tlic h e I n te g r a tio n
In t e g r ie r t e K o m m u n ik a ti o n
I n s tr u m e n te lle I n te g r a tio n F o r m a le In te g r a tion
In h a lt lich e In te g r a tio n
Z e it lich e In te g r a tion
Abbildung 1-7: Dimensionen der Integration Zum zweiten geht es dabei um die Art und Weise, wie mit den relevanten Zielgruppen kommuniziert wird. Es geht um die Intensivierung der Kommunikation mit den entsprechenden Zielgruppen und es geht um die partnerschaftliche Ausformung und Gestaltung der Kommunikation durch Partizipation und Dialog. Dies heißt auch, daß man den anderen (zumindest kommunikativ) als gleichberechtigten Partner definiert. Dies kann z.B. zusätzliche Informations- und Schulungsveranstaltungen für die Handelspartner umfassen, die Integration der Mitarbeiter in Pub-
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lic Relations-Aktivitäten und reicht hin bis zur Entwicklung von Händlerbeiräten, Mitglieder-Clubs oder Verbraucherabteilungen. Insbesondere neue Medien bieten hier interessante dialogorientierte Möglichkeiten. Die Entwicklung eines integrierten Kommunikations-Konzeptes für die Unternehmung soll angesichts der heute schwierigen kommunikativen Lage dazu beitragen, wesentliche Probleme in den kommunikativen Beziehungen zu den relevanten Zielgruppen/Zielpersonen zu lösen und mehr Effektivität und Effizienz in der Kommunikation zu erzielen. Ziele der integrierten Kommunikation sind im wesentlichen: • Die Differenzierung und Wettbewerbs-Profilierung am Markt durch ein klares, einheitliches Unternehmens- und/oder Markenbild. • Eine Synergieentwicklung (z.B. bessere und schnellere Wiedererkennung von Botschaften bei den Kunden) und Kostensenkung im kommunikativen Bereich bzw. eine Effizienzsteigerung des Kommunikationsetats auch durch die Vermeidung von Defiziten und Widersprüchen in der Kommunikation. D.h. Integration der Kommunikation kann als Mittel verstanden werden, um die Qualität (und Quantität) der Kommunikationskontakte zu steigern, ohne die Kommunikationskosten erheblich zu steigern. • Schaffung von Identifikationspotentialen auch bei den Mitarbeitern und eine Steigerung der Motivation. Jeder Mitarbeiter ist eine Art Pendler zwischen der Innen- und Außenwelt des Unternehmens. Der eigene Mitarbeiter kann in einer Person gleichzeitig Kunde und Mitglied einer relevanten Teilöffentlichkeit sein. Er ist zudem auch wichtiger Multiplikator des Unternehmens in seinem persönlichen Umfeld. • Schaffung von Akzeptanz, Mobilisierung von Unterstützungs- und Kooperationspotentialen bei unternehmensexternen und -internen Zielgruppen, insbesondere auch im gesellschaftlichen Umfeld durch die Erhöhung der Glaubwürdigkeit der Kommunikation. Eine Harmonie zwischen kommunikativen Aktivitäten hinsichtlich der Vertrauensbildung im Öffentlichkeitskreis und der leistungsbezogenen Darstellung der eigenen Angebote ist ein wichtiges Prinzip um das Vertrauen der Kommunikationspartner zu gewinnen (vgl. Raffée, 1991, S. 87, Weinhold-Stünzi, 1992, S. 1).
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1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
1.3.2 Das Management der integrierten Kommunikation Grundsätzlich werden als wesentliche Managementfunktionen Planung, Organisation, Führung, Durchführung und Kontrolle angesehen. Bei einem ganzheitlichorientierten Kommunikations-Management beziehen sich diese Aufgaben auf alle kommunikativen Instrumente und Maßnahmen eines Unternehmens, die zielorientiert das Unternehmen und seine Leistungen bei den relevanten KommunikationsZielgruppen darstellen. Aufgrund der Komplexität der Integrationsaufgaben und der Dynamik interner und externer Umweltentwicklungen werden an das Management einer integrierten Kommunikation hohe professionelle Anforderungen gestellt. Grundlage und wesentliche Voraussetzung dafür ist eine Verankerung dieser Aufgabe als strategische Funktion der Unternehmensleitung.
1.3.2.1 Der Planungsprozeß Der Planungsprozeß befaßt sich, basierend auf einer entsprechenden kommunikativen Situationsanalyse und der Unternehmens- und Marketingstrategie, mit den Zielen und Zielgruppen, den Kernbotschaften, Handlungsalternativen, Wirkungen, den erforderlichen Budgets sowie den Kontrollmöglichkeiten der Kommunikationspolitik. Sie schließt sowohl strategische als auch operativ-taktische Überlegungen mit ein. Dieser Planungsprozeß läßt sich als ein Phasenmodell idealtypisch darstellen (vgl. Abbildung 1-8), wobei die unterschiedlichen Dimensionen der Integration im Planungsprozeß permanent berücksichtigt werden müssen. In einem ersten Schritt ist eine strategische Plattform der unternehmerischen Kommunikationspolitik zu entwickeln. Dazu ist eine umfassende Analyse der kommunikativen Situation erforderlich (z.B. Ist-Image des Unternehmens bei den relevanten Zielgruppen, Entwicklung des Meinungsmarktes, soziale, politische, ökonomische Entwicklungen im relevanten Umfeld, kommunikative Aktivitäten des Wettbewerbs und relevanter anderer Organisationen, etc.). Auf Basis dieser Daten und in Kombination mit der angestrebten Corporate Identity sowie der Unternehmensstrategie lassen sich dann strategische Eckpfeiler der unternehmerischen Kommunikationspolitik formulieren. Mit der strategischen Planung wird die grundsätzliche und langfristige Ausrichtung sämtlicher kommunikativen Aktivitäten eines Unternehmens vorgenommen. Eine solche strategische Konzeption sollte die grundlegenden kommunikativen Ziele (angestrebte Unternehmenspositionierung/-en bzw. Markenpositionierungen), die Hauptzielgruppen und die Hauptkommunikationsinstrumente (bestimmte Kommunikationsformen, bestimmte Mediagattungen, Leitinstrumente) enthalten (vgl. Bruhn, 200 a, S. 158 ff.). Nach wie vor ist jedoch zu konstatieren, daß viele Un-
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ternehmen noch kein klares strategisches Ziel für die Kommunikation formuliert haben (Bruhn, 1996, S. 14; daran hat sich bis heute nicht viel geändert). Als allgemeine Zielgruppen einer Unternehmung lassen sich dabei differenzieren: a) die interne Zielgruppe: die eigenen Mitarbeiter und all diejenigen, die zur Kundenzufriedenheit und zum Unternehmenserfolg beitragen (bedingt u.a. durch neue arbeitsrechtliche Beziehungen), b) die Marktzielgruppe: die aktuellen und potentiellen direkten und indirekten Austauschpartner in sämtlichen Beschaffungs- und Absatzmärkten, U n t e rn e h m e n sS tr at e g ie /
K o m m u n ik a t iv e S it u a t io n sa n a ly s e
Ø
Ø
S tr a te g is c h e K o m m u n ik a ti o n s p la n u n g
S tra t eg is ch e Z iel e S tra te g is ch e Z i e lg r u p p e n S t ra te g isch e P o s it io n ie ru n g
Ø
ite ra tiv e r Iterativer P l a n u n g sp Planungsroz eß prozeß
K o m m u n i k a ti v e R ic h tl in ien
Ø O p e r a ti v e K o m m u n i k a ti o n s p la n u n g
O p e r a tiv e Z ie l e /Z ie l p e r so n en K o m m u n i k a ti o n sM a ß n a h m en K o m m u n i k a tio n sb u d g e t
Ø D u r c h fü h r u n g
Ø K o n tr o ll e
Abbildung 1-8: Phasenmodell der Planung der integrierten Kommunikation
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• die Zielgruppen in der globalen Umwelt, damit sind alle Personen, Organisationen und Institutionen angesprochen außerhalb der bearbeiteten Märkte, die direkt oder indirekt Einfluß auf das Unternehmen nehmen bzw. nehmen können (z.B. Politiker, Medien, Gewerkschaften, Bürgerinitiativen, staatliche Instanzen, etc.) (vgl. Hermanns & Püttmann, 1993, S. 27). Für diese einzelnen Zielgruppen sind die Schwerpunkte der Unternehmensstrategie zu definieren. Daraus werden die strategischen Ziele der Unternehmenskommunikation und die entsprechende Positionierung deduziert. So ist z.B. für die Mitarbeiter das Unternehmen als Arbeitgeber und dessen Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die eigene wirtschaftliche Zukunft maßgeblich, während für Kunden das Leistungsangebot im Mittelpunkt steht. Durch klar und präzise formulierte Ziele, kann sichergestellt werden, daß sich die Maßnahmen der verschiedenen Kommunikationsinstrumente in eine Richtung bewegen. Diese Ziele müssen abgestimmt sein mit den Unternehmenszielen, hierarchisch strukturiert und an den Zielgruppen orientiert sein. Zudem müssen die Ziele für die einzelnen Hauptzielgruppen in sich widerspruchsfrei sein, denn die Mitglieder der Zielgruppen zeichnen sich durch Rollenvielfalt aus, z.B. kann ein Kunde auch Mitglied einer politischen Partei, einer Bürgerinitiative, etc. sein. Diese strategische Plattform sollte zudem klären und definieren, welche Instrumente für welche Zielgruppen und Ziele geeignet sind und welche Instrumente dabei eine Leitfunktion wahrnehmen. Leitinstrumente lassen sich dadurch charakterisieren, daß ihnen eine größere strategische Bedeutung zur Erreichung der Positionierungsziele zukommt. In ähnlicher Weise definieren Steinmann & Zerfaß (1995, S. 23 ff.) Kommunikationsteilnehmer, -themen und -medien zu Kommunikationsarenen, in denen spezifische Kommunikationsteilnehmer in ihrer sozialen Rollen über spezifische Medien über bestimmte Themen sich zu einem Forum zusammenfinden. Diese Kommunikationsarenen können dabei trotz struktureller Unterschiede miteinander verflochten sein. Aus dieser strategischen Kommunikationsplanung lassen sich Richtlinien für die Unternehmenskommunikation ableiten, die den operativen Rahmen für die einzelnen Kommunikations-Fachabteilungen bilden. Nach Bruhn sollten diese Richtlinien die strategische Positionierung aufzeigen, eine Kommunikationsplattform definieren, welche die kommunikativen Leitideen, Kern- und Einzelaussagen des Unternehmens (Aussagen- und Argumentationssystem) umfassen, sowie Regeln zum Instrumenteneinsatz (Definition der Leitinstrumente und Gestaltungsprinzipien der Kommunikation, der weiteren Kommunikationsinstrumente und -mittel). Auf der operativen Planungsebene - der Ebene der Fachabteilungen, müssen die Einzelinstrumente ihre spezifische Funktion entweder im Marketing-Mix, in der internen Kommunikation oder in den Beziehungen zur globalen Umwelt erfüllen.
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Bei der operativen Umsetzung ist daher auf die Kommunikationsrichtlinien als verbindendes Element zwischen strategischer und operativer Ebene zu achten, um die Einheitlichkeit zu wahren. D.h. daß sich die einzelnen Instrumente in das strategische Gesamtkonzept der Kommunikation zu integrieren haben. Operative Kommunikations-Ziele legen z.B. im Marketing-Mix die bei den einzelnen Zielgruppen innerhalb einer bestimmten Zeit zu erreichende Zustände fest. Die Festschreibung solcher Ziele in eindeutiger und operationaler Form sind wichtige Voraussetzung für eine Ergebniskontrolle der Marktkommunikation. Abbildung 1-9 zeigt ein Anzeigenbeispiel einer Kommunikationskampagne der Sparkassen Versicherung. Wir finden ein identisches Motiv, richtigerweise mit etwas weniger Text in der Plakatwerbung, wir finden das gleiche Motiv auch auf Plakaten und Prospekten der Verkaufsförderung innerhalb der Sparkassen. Eine Vielzahl sich wiederholender Elemente und eine wiedererkennbare Gesamtgestaltung machen das Konzept zu einem erkennbaren Beispiel einer integrierten Kommunikation. Somit ist die Wiedererkennbarkeit gewährleistet. Redundanz tritt nicht auf, weil die Sparkassen Versicherung auch mit anderen Motiven wirbt. Die Headline spricht ein aktuelles Problem an und weckt vermutlich Interesse. Auffällig ist auch die stilisierte Darstellung von Steuern und eigenen Vorteilen durch Hunde. Tierdarstellungen können sehr gut die Aufmerksamkeit steigern. Durch die Tierdarstellung bleibt das gesamte Motiv dennoch freundlich, nicht abstoßend. Auf Plakaten im Außenbereich ist der Text unten links auf eine Kurzaussage reduziert. Das Logo (SV Sparkassen Versicherung) ist entsprechend des zu erwartenden Blickverlaufs unten links plaziert. In den Prospektmaterialen wird die Werbebotschaft ausführlicher erläutert.
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1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
Abbildung 1-9: Elemente eines Konzeptes integrierter Kommunikation Um diese Ziele zu erreichen, steht eine Vielzahl von Instrumenten und Möglichkeiten offen. Im Bereich der Marktkommunikation lassen sich folgende Instrumente differenzieren (Abbildung 1-10):
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MediaWerbung
VerkaufsFörderung
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Personale Kommunikation Sponsoring
Messen und Ausstellungen
MultimediaKommunikation
Instrumente der MarktKommunikation
Product Placement
Direkt Marketing Public Relations
Abbildung 1-10: Instrumente der Marktkommunikation Aus diesem Spektrum an Instrumenten der Marktkommunikation kann dann eine Auswahl bzw. eine Kombination getroffen werden, die zur Zielerreichung sinnvoll erscheint. Diese Instrumente müssen mit den anderen Marketing-Instrumenten vernetzt sein, einerseits um die Effektivität des Marketing-Mix zu gewährleisten, andererseits aber auch, weil andere Marketing-Instrumente auch kommunikative Wirkungen erzielen (z.B. Produktdesign, Preisfestsetzung, etc.). Aufbauend auf den bisher erzielten Planungsergebnissen läßt sich in einem weiteren Schritt das Kommunikationsbudget ermitteln im Sinne einer aufgabenorientierten Methode. Häufig findet sich jedoch in der Praxis eine andere Form der Budgetvorgabe (z.B. Prozent-vom-Umsatz-Methode), so daß, wenn die notwendigen Budgetmittel nicht vorliegen, im Planungsprozeß zurückgegangen werden muß auf die Kommunikations-Ziele, und diese dann entsprechend modifiziert werden müssen. Bei der Durchführung geht es darum, die Botschaften über das Unternehmen, über sein Leistungsangebot an die verschiedenen Zielpersonen zu vermitteln. Dieser Prozeßschritt umfaßt folgende Aufgabenkomplexe: Gestaltung von Botschaften, Auswahl von Medien, Produktion von Kommunikationsmitteln und deren Streuung sowie die Realisierung der persönlichen Kommunikation. Die Aufgabe der Kontrolle besteht in der Durchführung von Soll-Ist-Vergleichen. Sind die angestrebten Wirkungen erreicht worden oder nicht? Eine solche Erfolgskontrolle kann damit einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Effektivität und Effizienz künftiger Kommunikationsaktivitäten liefern, und die Ergebnisse dieser Kontrolle gehen zudem als neuer Planungsparameter (z.B. wenn Imageveränderungen erreicht worden sind) in die nächste Planung mit ein. Diese Erfolgskontrol-
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le gestaltet sich allerdings bei einer integrierten Kommunikation noch problematischer als bei einzelnen, relativ unabhängig eingesetzten Instrumenten, denn aufgrund von Synergieeffekten, der Vernetzung der Instrumente, von Rückkoppelungsprozessen ist es schwierig, Erfolgskontrollen bei einzelnen Instrumenten durchzuführen und zu bewerten. D.h. die Komplexität der Wirkungs- und Erfolgskontrolle nimmt zu. Oder „je mehr und je besser integriert wird, desto schwieriger wird eine differenzierte und exakte Wirkungskontrolle“ (Hermanns & Püttmann, 1993, S. 103). Dieser dargestellte Planungsprozeß kann nicht einfach als Top-down-Planung im strategischen Bereich und einer Bottom-up-Planung im operativen Bereich vonstatten gehen, sondern es ist auch hier eine Integration aller Beteiligten im Planungsprozeß anzustreben. Es sollte eine Vernetzung dieser Planungsprozesse erfolgen, d.h. die Planung der Gesamtkommunikation und die der einzelnen Instrumente wird kombiniert durch eine gegenseitige Abstimmung und Durchdringung im Sinne eines vernetzten ganzheitlichen Denkens. Sowohl bei der Ziel- und Zielgruppenplanung als auch bei den strategischen Überlegungen für die Kommunikation ist es notwendig, die Einzelpläne parallel zu planen und gegenseitig abzustimmen. Es ist dazu quasi ein iterativer Planungsprozeß zu implementieren (Bruhn, 1993, S. 79). Eine solche vernetzte Planung dient dabei nicht nur der Abstimmung, Koordination und Integration der kommunikativen Aktivitäten, sondern auch dazu, die beteiligten Akteure durch Partizipation zu einer Identifikation mit dem Gesamtkonzept zu bringen.
1.3.2.2 Die Organisation einer integrierten Kommunikation Eine erfolgreiche integrierte Kommunikation muß sich in der Organisationsstruktur und der Mitarbeiterführung niederschlagen. Die Managementfunktion „Organisation“ muß vor allem darauf abzielen, die geeigneten Strukturen und Kulturen zur Formulierung und Umsetzung einer integrierten Kommunikationspolitik zu schaffen. Aber gerade in der Praxis zeigen sich erhebliche Widerstände gegen eine Implementierung eines integrierten Kommunikationskonzeptes. Bruhn (2003a) differenziert aufgrund einer empirischen Erhebung zwischen: • inhaltlich-konzeptionelle, • personell-kulturelle und • organisatorisch-strukturelle Barrieren. Die inhaltlich-konzeptionellen Widerstände beruhen u.a. in einem diffusen oder auch unterschiedlichem Begriffsverständnis der integrierten Kommunikation. Damit fehlen auch Elemente in der Planung und Abstimmung und können zudem un-
1.3 Integrierte Unternehmens- und Marktkommunikation
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terschiedliche Zielvorstellungen evoziert werden. Besonders häufig wird bei Integrationsbestrebungen der Bereich der internen Kommunikation vernachlässigt, dabei wird u.a. übersehen, daß jeder Mitarbeiter als potentieller Kommunikator in der Öffentlichkeit auftritt und damit aktiv zum Fremdbild des Unternehmens beiträgt. Diese lückenhafte Zielgruppenbildung tritt auch im externen Bereich auf; neben den eigenen Mitarbeitern werden häufig auch z.B. die breite Öffentlichkeit oder relevante Meinungsführer zu wenig berücksichtigt. Das Fehlen von Konzepten für eine integrierte Kommunikation in vielen Unternehmen bedingt, daß eine gemeinsame Ausrichtung und Abstimmung nach festgelegten Regeln nicht möglich ist. Dies ist vielleicht damit zu begründen, daß die Bedeutung von Kommunikation einer solchen ganzheitlichen Konzeption als Erfolgsfaktor zur Wettbewerbsprofilierung noch nicht hinreichend erkannt wurde. Widerstände im personell-kulturellen Bereich finden sich in Form von Bereichsdenken und -egoismen, aufgrund individueller Ängste vor Kompetenzverlust, insbesondere wenn es um Entscheidungsbefugnisse und die Verteilung von Ressourcen geht. Eine integrierte Kommunikation bedeutet Veränderungen, Verlagerungen der Machtverhältnisse und andere Kontrollstrukturen in einem Unternehmen, und diese Furcht ist ein starker Widerstand gegen einen Wandel der Organisation. Auch in diesem Bereich ist ein relativ diffuses Verständnis von integrierter Kommunikation existent, und dieses Defizit wird verstärkt durch ein mangelndes Integrationsbewußtsein aufgrund fehlender Verankerung in den Unternehmensgrundsätzen. Eines der zentralen Defizite bei der Umsetzung der integrierten Unternehmenskommunikation in die Praxis liegt in der mangelnden organisatorischen Verankerung und Verantwortungszuweisung. In vielen Unternehmen besteht keine Abteilung oder keine Stelle in der Organisationsstruktur, die für die Koordination der internen und externen Kommunikationsmaßnahmen sowie für ein integriertes Konzept zuständig und verantwortlich ist. In vielen Unternehmen werden die kommunikativen Aktivitäten in unterschiedlichen Abteilungen realisiert, z.B. im Marketing-Bereich liegen die Funktionen Werbung, Verkaufsförderung und Sponsoring, in der Personalabteilung ein Großteil der internen Kommunikation. Öffentlichkeitsarbeit ist oft als Stabsstelle bei der Unternehmensleitung installiert. Verkauf und Vertrieb sind weitere eigenständige Abteilungen, die kommunikative Aktivitäten initiieren. D.h. die wesentlich für die Kommunikation zuständigen Abteilungen sind organisatorisch getrennt und auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen angesiedelt. Eine mangelnde Kooperation zwischen den Abteilungen begründet sich darauf, daß jede ihre Eigenständigkeit wahren möchte. Diese organisatorische Trennung sowie die fehlenden institutionalisierten und formellen Abstimmungsund Entscheidungsprozesse für eine integrierte Kommunikation beinhalten die Gefahr eines „Aneinander-Vorbei-Arbeitens“ in sich (vgl. Raffée, 1991). In vielen Unternehmen hat noch keine organisatorische Anpassung bzw. Veränderung stattgefunden (vgl. GWA 2004, S. 22).
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1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
Von Bedeutung in diesem Kontext für eine effiziente Umsetzung der integrierten Kommunikation ist auch das Zusammenspiel mit Agenturen, also u.a. deren Anzahl und deren Verständnis von integrierter Kommunikation. Eine Studie von Scholz & Friends bei den 250 größten Unternehmen in Deutschland zeigt, daß die Hälfte der Unternehmen mit mehr als 4 Agenturen zusammenarbeiten und daß die Bereitschaft auf Unternehmensseite relativ gering ist, eine externe Agentur mit der Koordination der verschiedenen Kommunikationsinstrumente zu beauftragen (vgl. Horizont 40, 2003, S. 27). Aus Agentursicht läßt sich der Agenturtyp der Zukunft als ein Netzwerk beschreiben, in dem eine übergeordnete Management-Einheit auf selbständige Spezialeinheiten zugreift, welche die notwendigen Leistungen abdecken. Diese Widerstände und Barrieren können die notwendige innerbetriebliche Zusammenarbeit erheblich erschweren. Deshalb ist es für ein effizientes Kommunikations-Management unbedingt erforderlich, sich um die erforderlichen organisatorischen und personellen Rahmenbedingungen zu kümmern. Im organisatorischen Bereich ist ein Zusammenspiel der verschiedenen Fachabteilungen eine unabdingbare Bedingung. Drei organisatorische Entwicklungslinien bieten sich als Lösungsmöglichkeiten an, um organisatorische Defizite und Barrieren zu reduzieren (vgl. Bruhn, 1993, S. 81): • Eine De-Spezialisierung im Funktionsbereich Kommunikation, dies bedeutet eine Zusammenführung bisher getrennter Fachabteilungen zu organisatorischen Einheiten. In der extremsten Form könnte dies auch nur eine zentrale Kommunikationsabteilung sein. • Die Schaffung von flachen Hierarchien: dies verkürzt einerseits die Kommunikationswege für Kooperation und Abstimmung im Unternehmen; andererseits reichen flache Hierarchien aus, um neben den Kommunikations-Richtlinien als zentralen Rahmenbedingungen durch eine Dezentralisierung der Kommunikation die Verantwortung vor Ort zu belassen. • Die Verstärkung der Teamorientierung der Beteiligten und Betroffenen, denn eine einheitliche Ausrichtung der Kommunikation bedeutet letztlich eine engere Kooperation zwischen den Akteuren der Kommunikation - horizontal und vertikal. Durch die Installation von Teams, dem Aufbau einer TeamOrganisation können Teilaufgaben der Integration erfüllt werden. Denkbar sind etwa Planungsteams, in denen Werbeexperten, Personalfachleute und Öffentlichkeitsarbeiter gemeinsam Grundzüge von kommunikativen Aktivitäten diskutieren und kontrollieren. Die Koordination der Arbeit dieser Teams oder Projektgruppen erfolgt durch eine entsprechende Koordinationsstelle z.B. durch eine Abteilung Unternehmenskommunikation (Steinmann & Zerfaß, 1995, S. 41). Eine solche Projektorganisation muß jedoch auf entsprechenden Fach-, Macht- und Prozeßpromotoren basieren, damit ein solches Konzept auch Chancen für eine Realisierung erhält (vgl. Bruhn, 1996, S. 14).
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Die Etablierung eines Kommunikations-Managers oder einer KommunikationsManagerin (vgl. ausführlich Bruhn, 2003 a, S. 268-281) ist ein häufiger und kontrovers diskutierter Vorschlag zur Verbesserung der organisatorischen Verzahnung und Abstimmung. Die organisatorische Verankerung dieser Position ist in Abhängigkeit zu sehen von vorliegenden organisatorischen Strukturen. Bei einer stark zentralisierten Organisation der Kommunikation ist eine Linienfunktion die zweckmäßige Lösung, bei dezentralen Strukturen sei die Verankerung als Stab mit Beratungs-, Initiativ- und Koordinationsfunktion sinnvoll (Bruhn, 1993, S. 83; vgl. aber auch die Kritik zur Stab-Linien-Organisation in Kapitel 7). Eine andere Möglichkeit einer organisatorischen Verankerung wäre zum Beispiel eine dauerhafte Projektorganisation mit Lenkungsausschuß und dem Kommunikationsmanagement als Leitung des Lenkungsausschusses. Die wesentliche Eigenschaft, die für diese Funktion eines Kommunikations-Managements verlangt wird, ist eine hohe kommunikative Kompetenz. Das Kommunikations-Management muß selbst Kommunikator sein, muß andere überzeugen und sie veranlassen, einen gemeinsamen kommunikativen Kurs einzuschlagen (Ahrens & Behrent, 1995, S. 95). Organisatorisch-strukturelle Veränderungen sind jedoch nur dann sinnvoll, wenn sie ergänzt werden durch die dauerhafte Implementierung des Integrationsgedanken, eines vernetzten Denkens in die Unternehmenskultur. Es geht darum, durch die Organisations- und Personalentwicklung ein Bewußtsein bei den Mitarbeitern für die Notwendigkeit und die Anforderung der integrierten Kommunikation zu entwickeln. Dies betrifft nicht nur die Experten in den einzelnen Fachabteilungen, sondern alle Mitarbeiter, die im Rahmen ihrer Funktion potentiell mit relevanten Kommunikationshandlungen befaßt sind. Damit kommt auch dem Personalmanagement die Aufgabe zu, die integrierte Kommunikation durch entsprechende Maßnahmen zu unterstützen. Diese Maßnahmen können bei der Auswahl neuer Mitarbeiter beginnen, die sich durch Teamfähigkeit und ganzheitliches Denken auszeichnen, über Personalentwicklungsmaßnahmen, die den Mitarbeitern die notwendigen Fähigkeiten und das Problembewußtsein für eine integrierte Kommunikation vermitteln bis hin zur Gestaltung von Anreiz- und Leistungsbeurteilungssystemen, die solche Leistungen honorieren. Notwendig ist es auch letztendlich, daß die Führungskräfte in den Kommunikationsabteilungen ihre Mitarbeiter zu einem integrativen Handeln motivieren und ermutigen. Dafür ist ein unterstützendes Führungsverhalten, Entscheidungspartizipation und eine gruppenbezogene Führung adäquater als traditionell hierarchische Strukturen (vgl. hierzu Steinmann & Zerfaß, 1995, S. 43).
1.3.2.3 Durchführung und Kontrolle Neben der Planung und Organisation zählt die Durchführung und Kontrolle zu den weiteren wichtigen Aufgaben des Kommunikations-Management. Die Aufgabenfelder der Durchführung sind bereits bei der Darstellung des Planungsprozesses
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kurz angesprochen worden. Im folgenden geht es um die Formen und Kriterien der Effektivität, Effizienz, und Kontrolle der Kommunikationsfunktion. Trotz der Probleme der Wirkungen einer vernetzten und auf Synergien abzielenden Kommunikationspolitik, ist es sinnvoll, eine pragmatisch-orientierte Kontrolle einer integrierten Kommunikation zu realisieren. Dabei ist es erforderlich, daß neben einer klassischen Erfolgskontrolle additive Methoden eingesetzt werden, um auch die strategischen Ansätze einer Überwachung zu unterziehen. Ansatzpunkte für eine solche Kontrolle sind Prozeßanalysen, Ergebniskontrollen und Auditing (vgl. hierzu Bruhn, 2003a und b; Hermanns & Püttmann, 1993; Köhler, 1993). Prozeßanalysen: Diese beschäftigen sich mit der Kontrolle der Durchführung der Kommunikationsmaßnahmen. Checklisten, Netzpläne können z.B. zur Kontrolle der Ablaufprozesse eingesetzt werden. Pretests werden eingesetzt, um die Wirkung von Kommunikationsmitteln prognostizieren zu können, sie dienen zur Selektion von alternativen Werbemitteln. Kommunikations-Assessments sollen die möglichen unbeabsichtigten Wirkungen von Kommunikationsmaßnahmen aufzeigen. Die inzwischen weit verbreiteten „In – between“ - Tests geben Anhaltspunkte über die Entwicklung der Wirkungen während der Durchführung einer Maßnahme. Bruhn (2003a, S. 320) sieht im Einsatz solcher Methoden einen Gradmesser für die Professionalisierung in der Durchführung der Kommunikation. Ergebniskontrollen: Diesen kommt die Funktion zu, die erreichten Kommunikationswirkungen zu ermitteln und sie den gesetzten Zielen gegenüberzustellen. Dabei kann zwischen Wirkungs- und Effizienzanalysen differenziert werden. Wirkungsanalysen beziehen sich auf die bei den Zielgruppen erfaßbaren Wirkungen aufgrund der eingesetzten Kommunikationsinstrumente. Es geht im wesentlichen um die Erfassung und Messung des Zielerreichungsgrades. Als Kriterien für Messungen können dazu die Wahrnehmung, Verarbeitung und Speicherung und das tatsächliche Verhalten herangezogen werden oder nach Steffenhagen (1984, S. 13) momentane Reaktionen, dauerhafte Gedächtnisreaktionen und finale Verhaltensreaktionen. Die Effizienzanalysen konzentrieren sich auf die Leistungsfähigkeit von Kommunikationsmaßnahmen unter ökonomischen Gesichtspunkten. Angesprochen wird damit die Wirtschaftlichkeit von Kommunikationsaktivitäten sowie die Wertigkeit von Kommunikationsinstrumenten im Vergleich. Es geht dabei u.a. um die Analyse der Kosten und Nutzen einzelner Kommunikationsinstrumente. Auditing: Mit Audits sollen für die kommunikativen Aktivitäten die Prämissen und Rahmenbedingungen des Handelns auf ihre Gültigkeit und Angemessenheit hin überprüft werden. Es lassen sich analog zum Marketing-Auditing vier Teilaufgaben unterscheiden: das Verfahrens-, Strategie-, Kommunikations-Mix- und OrganisationsAudit (vgl. Köhler, 1993, S. 105f.). Mit dem Verfahrens-Audit soll geprüft wer-
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den, ob die Informationsversorgung der für Kommunikationsfunktionen Zuständigen sowie die Planung, Durchführung und Kontrolle von kommunikativen Aktivitäten jeweils mit den aktuellsten und problementsprechenden Methoden geschieht (z.B. Informationen über Marktsegmente, Mediennutzungsverhalten, Nutzung von Analyse- und Planungstechniken, etc.). Das Strategie-Audit überprüft die Prämissen und die Ziele der Kommunikationsstrategie, stellt fest, ob die Konzeption den allgemeinen Vorgaben der Unternehmensleitung und gültigen Voraussetzungen entspricht. Z.B. kann die gewählte Positionierung kritisch reflektiert werden, oder die definierten Zielgruppen werden erneut in Frage gestellt. Ziel dieses StrategieAudit ist auch, daß die entsprechenden Veränderungen und Entwicklungen berücksichtigt werden (z.B. Marktveränderungen, Kundenanforderungen) und nicht an Konzeptionen festgehalten werden, wenn die Rahmenbedingungen sich gewandelt haben. Das Kommunikations-Mix-Audit untersucht in erster Linie die Frage, inwieweit ein über alle Instrumente wirklich integrierter Kommunikationsansatz vorliegt. Es geht also um die Überprüfung der verschiedenen Maßnahmen hinsichtlich ihrer Übereinstimmung und ihrer Konsistenz mit dem Positionierungskonzept. Durch das Organisations-Audit wird die vollständige und möglichst gute Verankerung der Kommunikationsaufgaben und -funktionen in der unternehmerischen Aufbau- und Ablauforganisation thematisiert.
1.3.3 Problemfelder und Erfolgsfaktoren einer integrierten Kommunikation Die Umsetzung einer integrierten Kommunikationspolitik verspricht eine Vielzahl von Chancen für das Unternehmen in einem komplexen und schwierigen kommunikativen Umfeld. Das Management einer solchen integrierten KommunikationsKonzeption muß sich auch über die Probleme und Risiken einer solchen Konzeption klar werden, um den potentiellen Gefahren und Risiken gegensteuern zu können. Nachteile oder potentielle Gefahren, die eine solche Kommunikationspolitik beinhalten, sind (vgl. Bruhn, 2003a, S. 331 ff.): • Eine zu enge und zeitlich zu starre Auslegung der Richtlinien und Vorgaben, die dann zu einer monotonen inhaltlichen und formalen Zielgruppenansprache führen. Eine solche Umsetzung reduziert die Effektivität und Effizienz der kommunikativen Maßnahmen. • Eine fehlerhafte Kommunikation, z.B. bedingt durch eine falsche Positionierung, führt dann auch aufgrund der Vernetzung zu negativen Synergieeffekten. Kontraproduktive Wirkungen treten dann nicht nur z.B. im werblichen Bereich auf, sondern auch bei Verkaufsförderungsmaßnahmen oder Public RelationsAktivitäten. Der kommunikative Fehler potenziert sich. • Zumindest latent besteht die Gefahr, daß eine solche Konzeption, die in einem Unternehmen mit viel Mühe installiert worden ist und sich organisatorisch nie-
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1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
dergeschlagen hat, zu einer bestimmten Verkrustung und Erstarrung führt. Mangelnde Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in der Unternehmenskommunikation können daraus resultieren, daß z.B. bestimmte Wertetrends nur unzulänglich erfaßt werden, neue Medien vernachlässigt werden, etc. • Organisatorische Strukturen, Abstimmungs- und Koordinationsprozesse, Richtlinien und Vorgaben im Rahmen einer integrierten Kommunikationspolitik können, wenn sie nicht flexibel und partizipativ gestaltet sind, dazu führen, daß die Kreativität der Kommunikationsexperten im Unternehmen darunter leidet. Die kreativen und innovativen Chancen, die eine integrierte Kommunikation bietet (z.B. Schaffung neuer Dialogformen, Ansprache neuer Zielgruppen) müssen verstärkt genutzt werden. • Die Mitarbeiter als Empfänger und Botschafter der Unternehmenskommunikation werden nicht ausreichend berücksichtigt. Aber fehlende Kommunikation nach innen führt zum Wirkungsverlust nach außen. Es geht darum, die Mitarbeiter für die Ziele des Unternehmens und als Identitätsträger zu gewinnen. Auf die Problematik der zunehmenden Komplexität von Wirkungsanalysen und Erfolgskontrollen bei den einzelnen Kommunikationsinstrumenten ist bereits hingewiesen worden. Um den Erfolg eines integrierten ganzheitlichen Kommunikationskonzeptes angesichts dieser potentiellen Risiken zu sichern, ist es deshalb erforderlich, bestimmte Faktoren (Erfolgsfaktoren) zu berücksichtigen (vgl. hierzu Bruhn, 1993, S. 85): • Integration von interner und externer Kommunikation, einerseits wegen Nutzung eines Multiplikatoreffektes, denn jeder Mitarbeiter ist auch Kommunikator des Unternehmens, aber auch um die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen zu fördern, und drittens kann ein Mitarbeiter aufgrund seiner vielseitigen sozialen Rollen auch anderen Zielgruppen angehören z.B. als Nachbar oder Kunde. • Permanente Kontrollanalysen, um Ansatzpunkte für die Verbesserung der gesamten Unternehmenskommunikation zu erhalten. Dazu gehört neben der Durchführung kontinuierlicher Wirkungs- und Effizienzanalysen insbesondere eine sensible Berücksichtigung und Beobachtung relevanter Entwicklungen im unternehmerischen Umfeld (Monitoring), d.h. eine integrierte Kommunikation bedarf einer fundierten Informationsbasis und Früherkennung, um wirkungsvoll sein zu können. Nur dann ist auch ein proaktives Auftreten und Wirken möglich. Unter dieser Prämisse kann sie auch wichtiger Informationslieferant für andere unternehmerische Entscheidungen sein. • Eine integrierte Kommunikationspolitik bedarf der Verankerung als wichtige Aufgabe bei der Unternehmensleitung. Nur wenn die Relevanz und der Stel-
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lenwert auch auf dieser hierarchischen Ebene anerkannt ist, lassen sich die vielfältigen dafür erforderlichen Maßnahmen realisieren. •
Ein strategisches Konzept für die Unternehmenskommunikation muß entwickelt werden und daraus abgeleitet ein kommunikativer Rahmen (Richtlinien) für alle kommunikativen Aktivitäten des Unternehmens; nur dann läßt sich eine stärkere Vereinheitlichung im kommunikativen Gesamtauftritt erreichen.
•
Organisatorische und personalpolitische Entscheidungen und Maßnahmen müssen den Anforderungen gemäß, die ein solches Konzept erfordern, umgesetzt werden. Dazu gehören auf organisatorischer Seite entsprechende Veränderungen und Modifikationen in der Aufbauorganisation (z.B. Teamworkorganisation oder Kommunikations-Manager/in, Schaffung flacher Hierarchien, Dezentralisierung der Kommunikationsaufgaben) und Ablauforganisation (z.B. iterativer Planungsprozeß). Im personalpolitischen Bereich gehören dazu Maßnahmen, die dazu dienen, ein Bewußtsein zu schaffen für die Notwendigkeit einer Integration und die Entwicklung einer Unternehmenskultur, die auf eine intensivere Zusammenarbeit ausgerichtet ist.
1.4 Exkurs: Kommunikative Markenführung In den 80er Jahren schienen angesichts erfolgreich agierender No-Names oder Generics die Bedeutung von Marken und Markenführung zu schwinden. Gerade aber in den letzten Jahren ist dieses Thema wieder in den Mittelpunkt von Marketingpraktikern und –wissenschaftlern gerückt und gilt als wichtiger oder sogar der wichtigste Erfolgsfaktor für ein Unternehmen und dies nicht nur im Konsumerbereich, sondern verstärkt auch in anderen Bereichen z.B. Dienstleistungen oder im Business-to-Business-Bereich (vgl. Fuchs 2003, S. 14). Alles kann zur Marke werden: Strom, Aktien, Romanfiguren oder virtuelle Marktplätze. Das Deutsche Marken- und Patentamt in München verzeichnet seit Jahren eine wachsende Anzahl von Markenanmeldungen (vgl. Gaiser 2003, S. 323). Die Marktkommunikation übernimmt dabei für die Markenführung wesentliche Funktionen, denn sie stellt die Stimme der Marke dar und dient dazu, Gedächtnisstrukturen für Marken bei den Zielpersonen aufzubauen und präferenzbildend zu wirken. Damit können Investitionen in die Marken- und Marktkommunikation auch eine Investition in eine Marke darstellen. Wesentliche Anforderungen an die Marktkommunikation für den Aufbau eines Markenwertes sind:
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1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
• • • •
Die Marke muß durch die Kommunikation aktualisiert werden, Starke Marken verfügen über eine klare, für die Zielpersonen relevante Positionierung, und die Kommunikationsmaßnahmen müssen integriert sein.
1.4.1 Relevanz und Verständnis von Marken Die Relevanz der Marke ergibt sich aus dem Nutzen einer Marke für die Nachfrager, den Handel und dem daraus resultierenden Wert der Marke für ein Unternehmen. So wird beispielsweise der Wert der Marke Coca Cola auf Beträge zwischen 48 Mrd. US-Dollar und 83 Mrd. US-Dollar – je nach Berechnungsmodus geschätzt und repräsentiert damit etwa 50% des gesamten Unternehmenswertes (vgl. Meffert, Burmann & Koers 2002, S. 5). Starke Marke leiten ihren Wert aus den Vorteilen und Funktionen ab, die sie Endverbrauchern, Handel und Herstellern bieten können. Abbildung 1-11 gibt hier einen Überblick:
Hersteller
Handel
Endverbraucher
- Präferenzbildung - Differenzierung vom Wettbewerb - Preispolitischer Spielraum - Kundenbindung - Plattform für neue Produkte - Segmentspezifische Marktbearbeitung - Schutz vor Handelmarken, leichtere Akzeptanz beim Handel
- Erhöhte Verbraucherakzeptanz - Höheres Gewinnpotential durch bessere Handelsspannen - Vorverkauf durch Hersteller - höheres Umsatzpotential durch Bekanntheit und Image der Produkte - Positive Ausstrahlung auf das Image des Handels
- Orientierungshilfe - Entlastungsfunktion - Qualitätssicherungs- funktion - Identifikationsfunktion - Prestigefunktion - Vertrauensfunktion
Abbildung 1-11: Funktionen und Nutzen der Markenbildung für Unternehmen (vgl. Gaiser 2003, S. 327, Meffert, Burmann & Koers, 2002, 10ff, Esch & Wicke, 2000, S. 12) Unternehmensmarken (Corporate Brands) weisen neben diesen absatzmarktlichen Vorteilen zudem weitere relevante Funktionsfelder auf: • • •
Arbeitswelt: Attraktivität als Arbeitgeber, Motivation für Mitarbeiter, Medienwelt: Akzeptanz und Glaubwürdigkeit der Unternehmensaussagen und Finanzwelt: Steigerung des Unternehmenswertes.
1.3 Integrierte Unternehmens- und Marktkommunikation
33
Trotz der anerkannten Relevanz von Marken gibt es ein sehr vielschichtiges Verständnis des Markenbegriffs. Das klassische Verständnis umfaßt als Marke lediglich ein physisches Kennzeichen für die Herkunft eines Markenartikels. Dieses juristisch geprägte Verständnis fokussiert die Marke als ein geschütztes Rechtsgut (gewerbliches Schutzrecht). Eine merkmalsbezogene Sicht von Marken versteht Marken als die Träger von bestimmten Eigenschaften (z.B. gleichbleibende bzw. verbesserte Qualität, Ubiquität und eine Verkehrsgeltung). Erfüllt eine Ware die vorgegebenen Kriterien so gilt sie als Marke. Ein teleologisch geprägtes Verständnis fokussiert die Orientierungs- und Profilierungsfunktion von Marken, bezieht sich also darauf, welchen Beitrag Marken für Unternehmen aber auch für Verbraucher zur Erreichung ihrer Ziele leisten. Eine kognitionspsychologische Sichtweise rückt dagegen stärker den Charakter der kognitiven Repräsentation von Marken in den Mittelpunkt. Für was steht die Marke? So antwortete David Ogilvy bereits 1951 auf die Frage: Was ist eine Marke? „the consumer’s idea of a product“. Meffert, Burmann & Koers (2002, S. 6) definieren „Marke als ein in der Psyche des Konsumenten und sonstiger Bezugsgruppen fest verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild von einem Produkt oder einer Dienstleistung“. Berekoven nannte das in einem Gespräch mit einem der Verfasser (F.U.) ein „Monopol in den Köpfen der Verbraucher“. Entscheidend für den Erfolg einer Marke sind die Vorstellungen und subjektiven Wahrnehmungen der Zielpersonen. Wichtig für eine positive Beeinflussung der anvisierten Personenkreise ist, daß diese mit der Marke einen Zusatznutzen (in der Werbesprache „added value“) verknüpfen. Um diese mit einer Marke verbundenen Vorstellungsbilder zu erfassen, ist es für das Marketing- und das Kommunikationsmanagement wichtig, an dem in den Köpfen der Zielpersonen existenten Markenwissen anzusetzen.
1.4.2 Markenmodelle Um diese Vorstellungsbilder zu erfassen, wurden verschiedene Markenmodelle und Modelle der Markenführung – auch von Kommunikationsagenturen entwickelt, die in ihrer Analyse, Interpretation und Umsetzung unterschiedliche Schwerpunkte legen. Im folgenden werden einige dieser Modelle vorgestellt (vgl. hierzu Hermann 1999, S.86 ff.). Markenkernmodell Dieser schon beinahe klassisch zu nennende Ansatz basiert im wesentlichen auf einer USP-orientierten Perspektive. Grundlage ist der Markenkern, der die eigent-
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1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
liche Substanz der Marke repräsentiert. Dabei verfügt die Marke über eine klare, auf wenige Aussagen reduzierte Persönlichkeit, die in der Werbepraxis mit den Begriffen: Essence, Personality, Values, Benefits und Attributes beschrieben wird. Dieser Grundgedanke einer Markenpersönlichkeit wird in der Praxis relativ häufig in Markenführungsmodellen z.B. im Brand Stewardship von Ogilvy oder Brand Navigator von Wilkens umgesetzt. Abbildung 1-12 verdeutlicht dieses Modell am Beispiel von Nivea. Der Begriff der Markenpersönlichkeit ist im Marketing weit verbreitet, er kann nicht bedeuten, daß Konzepte der Persönlichkeitswahrnehmung auf Produkte oder Unternehmen übertragbar sind. Kritisch läßt sich an diesem Modell anmerken, daß es sich auf einen einzigen Kern reduziert, eher statisch angelegt ist, den Einbezug von Wettbewerbern und Referenzfeldern vernachlässigt.
Essence (Körperpflege)
Personality (jung, frisch, fröhlich) Values (Reinheit, Pflege, Qualität)
Benefits (Abgestimmtes Pflegesortiment, Gutes Aussehen) Attributes (Blau/Weiss, Ubiquität, für jeden Bedarf)
Abbildung 1-12: Markenkernmodell Distanzmodelle Dieses Modell ist eng mit dem Kernmodell verknüpft, greift aber einen der Kritikpunkte auf, denn es bezieht den Wettbewerb in die Analyse mit ein. Der Fokus liegt bei diesem Ansatz in der Differenzierung vom Wettbewerb. Demnach soll eine Marke möglichst weit weg von den Wettbewerbern positioniert sein, um einen eindeutigen Konkurrenzvorteil in der Wahrnehmung der Zielgruppen erreichen zu können. Dieser Ansatz findet sich in den meisten räumlich ausgerichteten Positionierungsansätzen wieder (vgl. hierzu auch Kapitel 2.1.2). Auch hier besteht die Gefahr, daß Marken relativ schnell auf wenige Eigenschaften eingeschränkt werden, auch in diesem Modell werden Referenzfelder nicht mit eingeschlossen, potentielle neue Positionierungsdimensionen und Veränderungen außerhalb des marktlichen Wettbewerbsumfeldes bleiben unberücksichtigt.
1.3 Integrierte Unternehmens- und Marktkommunikation
Service
Fluggesellschaft A
Fluggesellschaft B
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Idealposition Flugatmosphäre
Fluggesellschaft C
Fluggesellschaft D Zuverlässigkeit
Abbildung 1-13: Distanzmodell
Schwarzer Panther dynamisch
solide FULDA deutsch
stark
Farbe Schwarz
AutoreifenHersteller
Abbildung 1-14: Netzmodell am Beispiel Fulda (in Anlehnung an Hermann, 1999, S. 89) Netzmodelle Dieser Ansatz versteht Marken als Verbundgröße, die sich aus verschiedenen Eigenschaften zusammensetzt. Damit weist es gegen über dem Distanzmodell den Vorteil auf, daß es Marken als komplexe Phänomene abbildet und somit den unter dynamische Umweltbedingungen erforderlichen wichtigen Kriterium der Multiattributivität gerecht wird (vgl. Hermann 1999, S. 89). Durch die Berücksichtigung einer Vielzahl von Bezugsfeldern ist eine differenzierte Betrachtung existierender und potentieller neuer Referenzfelder möglich. Problematisch ist jedoch, daß in der Praxis dieser Anspruch der differenzierten Betrachtung nur bedingt umgesetzt
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1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
wird, denn aufgrund einfacher Markenassoziationen lassen sich die Unterschiede zu Wettbewerbsmarken nur schwer darstellen und damit auch ungenügend steuern. Auch größere Kommunikationsagenturen haben eigene Markenmodelle und Modelle zur Markenführung entwickelt. Zwei Modelle der Werbeagenturen Young & Rubicam und BBDO werden im folgenden noch kurz vorgestellt. Der Brand Asset Valuator von Young & Rubicam legt den Schwerpunkt auf die Beziehung zwischen Marke und den Konsumenten. Basis für dieses Modell sind umfangreiche Marktstudien. In über 40 Ländern werden 19.000 Marken analysiert und alle drei Jahre in breit angelegten Befragungen aktualisiert. Marken werden anhand von 4 Dimensionen analysiert: • • • •
Differentation (Unterscheidung zum Wettbewerb), Relevance (Bedeutung für Rezipienten), Esteem (Bewertung) und Knowledge (Für was steht die Marke?).
Lebenszyklus einer Marke Markenkraft 100 (Differenzierung und Relevanz)
Ungenutztes Potential
Neu /Unfokussiert
0
Dominanz
Erosionsgefahr
Markenstatur (Ansehen und Vertrautheit)
100
Abbildung 1-15: Der Brand Asset Valuator (www.wunderman.de/bav2.php, Zugriff 25.3.2004) Die beiden Komponenten Differenzierung und Relevanz werden zur Markenkraft zusammengefaßt, die Komponenten Ansehen und Vertrautheit bilden die Markenstatur. Die Markenstatur gibt Auskunft über die derzeitige Position der Marke, sie vermittelt die Vertrautheit der Menschen mit der Marke und welches Ansehen sie genießt. Die Markenkraft beschreibt das Wachstumspotential einer Marke, welche Bedeutung die Marke für die Konsumenten hat, und wie stark sie sich von Wettbewerbern differenziert.
1.3 Integrierte Unternehmens- und Marktkommunikation
37
Die Bewertung anhand dieser beiden Dimensionen ermöglicht Aussagen über den Zustand und die Zukunft einer Marke und gibt Hinweise für die strategische Markenführung. Damit kann dieses Tool sowohl zur Analyse als auch zur Diagnose eingesetzt werden. Der Ansatz von BBDO unterscheidet 5 Stufen im Rahmen der Markenführung von der Markenware bis zur mythischen Marke. Eine Marke steigt dabei mit zunehmender Markenstärke in höhere Entwicklungsstufen. Es ist ein hierarchisches Modell, denn eine Marke muß demnach erst eine niedrigere Stufe durchlaufen, um zu nächsthöheren zu gelangen. Für die Erreichung der jeweiligen Stufen werden verschiedene Treiber innerhalb der einzelnen Stufen differenziert.
Markenartikel
Markenware FunktionsStatus
Marktstatus
Positionierte Marke
Psychogr. Status
Identitätsstiftende Marke
IdentitätsStaus
Mythische Marke
MythosStatus
Treiber (Beispiele) Markenschutz, wahrgenommene Qualität
Bekanntheitsgrad, Distribution
Markenpersönlichkeit, einzigartige Assoziationen
Markenliebe brand community Markentreue
Abbildung 1-16: 5-stufiges Modell der Markenführung von BBDO
Vermittlung von individ. Werten, Zeitlosigkeit, Sehnsucht
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1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
1.4.3 Implikationen für die kommunikative Markenführung Die Marktkommunikation hat eine zentrale Bedeutung für die Markenführung. Sie kann einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, Marken in den Köpfen der Zielpersonen zu verankern, stabile Beziehungen zwischen den Marken und ihren Konsumenten zu etablieren und dem Angebot eine starke und einzigartige Persönlichkeit zu verleihen. Wesentliche Anforderungen an eine markenführende Kommunikation sind: •
Schaffung und Etablierung einer eindeutigen, attraktiven und differenzierenden Definition der Marktposition.
•
Kontinuität in der Markenführung und damit in der Kommunikation. Eine Marke muß jedoch auch variable Merkmale aufweisen, die dem Bedürfnis der Zielpersonen nach Abwechselung entsprechen. Eine Marke darf kein starres Gebilde sein, sie muß sich gesellschaftlichen Entwicklungen, Veränderungen im Konsumentenverhalten und dem technischen Fortschritt anpassen. Verlangt wird damit ein Balanceakt zwischen kontinuierlicher Markenführung und Anpassung an sich verändernde Umfeldbedingungen.
•
Glaubwürdige Markenkommunikation, um Vertrauen, Orientierung und Identifikation bei den Zielpersonen aufzubauen.
•
Integration aller Kommunikationsinstrumente, d.h. alle Äußerungsformen der Marke ergeben ein in sich konsistentes Markenbild entsprechend der definierten Marktposition. Grundsätzlich müssen alle präferenzbildenden marketingpolitischen Instrumente zu einem widerspruchsfreien, integrierten Marketing-Mix zusammengeführt werden.
Als häufig gemachte Fehler in der kommunikativen Markenführung lassen sich nennen: •
Fehlende oder unscharfe Definition der Marktposition bzw. des Markenkerns. Damit ist oft auch eine fehlende attraktive Einzigartigkeit verbunden. Solche Marken wirken deshalb schwach, weil ihnen eine entsprechende Individualität fehlt.
•
Die Marke vermittelt ein diffuses Bild; ihre Kommunikation, der Preis, der Vertriebskanal passen nicht zusammen. Ein inkongruentes Marketingund Kommunikations-Mix sind dafür wesentliche Ursachen.
1.3 Integrierte Unternehmens- und Marktkommunikation
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•
Eine fehlende Kontinuität in der Marktkommunikation schwächt die Marke. Ursachen dafür können u.a. häufige Wechsel der Markenmanager oder auch der Kommunikationsagenturen sein.
•
Die Kommunikation paßt in Tonality (ihrem Gestaltungsstil), in ihrer Sprache und ihren visuellen Gestaltungsmitteln nicht zu dem gefühlten und empfundenen Markenbild.
Dawn und Garbarino (2002) untersuchen die Eignung von Begriffstypen für Markennamen und können zeigen, daß Phantasie-Begriffe als Markennamen empfehlenswert sind, wenn die Produkte von Verbrauchern aus einer Vielzahl von Wettbewerbsprodukten ausgewählt werden, was typisch für SB-Märkte ist.
1.5 Marktkommunikation im Marketing-Mix Marketing ist eine Konzeption marktorientierter Unternehmensführung. D.h. das Unternehmen soll so geführt werden, daß die Unternehmensziele durch die Befriedigung der Kundenwünsche erreicht werden sollen. Die American Marketing Association betont zudem besonders den transaktionalen Gesichtspunkt; sie versteht unter Marketing „the process of planning and executing the conception, pricing, promotion and distribution of ideas, goods, and services to create exchanges that satisfy individual (customer) and organizational objectives“ (Bennet, 1995). Zudem ist jedoch in den letzten Jahren der Aspekt des Aufbaus langfristiger Beziehungen zu Kunden in den Mittelpunkt der Marketingaktivitäten gerückt (Customer Relationship Management, CRM), man spricht sogar von einem Paradigmenwechsel im Marketing (vgl. Wehrli & Wirtz, 1996, S. 26). Die Erhaltung und Steigerung der Kundenzufriedenheit und damit eine langfristige Kundenbindung stellt in zunehmend gesättigten Märkten mit differenzierten Kundenansprüchen eine zentrale Herausforderung dar (Fuchs, 2000, S. 11). Soweit es sich um am Gewinn orientierte Organisationen handelt, wird vom ProfitMarketing gesprochen. Auch Organisationen aus dem Non-Profit-Bereich können Marketing betreiben (z.B. das Rote Kreuz) - hier stehen kommerzielle Interessen (wenigstens vordergründig) nicht an erster Stelle. Soll ein Unternehmen, eine Organisation - gleichgültig ob aus dem kommerziellen oder Non-Profit Bereich konsequent marktorientiert geführt werden, dann sind alle Bereiche der Organisation, wie z.B. die Beschaffung, die Personalführung oder die Produktion dieser Konzeption unterzuordnen.2 D.h. ein solcher genereller Ansatz bezieht sich sowohl auf Märkte des Absatzes als auch der Beschaffung. Damit beinhaltet eine solche 2
Allerdings ist der unternehmerische Erfolg abhängig vom Zusammenspiel mehrerer Führungskonzeptionen. Intensiver Wettbewerb und Absatz als Engpaßfaktor sprechen jedoch für eine prominente Bedeutung des Marketing (Busch, Dögl & Unger, 2001, S. 26f).
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1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
Marketing-Konzeption auch eine übergeordnete betriebliche Managementfunktion. Diese betrifft die relevanten betriebsinternen Prozesse und die entsprechenden Transaktionen zwischen dem Unternehmen und seinen Märkten, deren Ausrichtung auf das Unternehmensziel und deren Koordination (Berndt, 1993, S. 6). Die Marketing-Ziele – als Teil der Marketingplanung – sind in eine unternehmerische Zielhierarchie eingebettet. Die oberste Zielebene umfaßt die Unternehmensziele, ihnen nachgeordnet sind die Ziele der einzelnen betrieblichen Funktionsbereiche. Die dritte Zielebene definiert im Bereich des Marketing, die Ziele der einzelnen Marketing-Instrumente, z.B. kommunikationspolitische Ziele. Weiter können die Ziele einzelner Kommunikationsinstrumente definiert werden. Die Ziele – insbes. im kommunikationspolitischen Bereich – müssen vernetzt und ganzheitlich definiert werden. Marketing-strategische Überlegungen definieren den Weg zur Erreichung dieser Ziele. Die konkrete, operativ geprägte Ausgestaltung der strategischen Konzeption manifestiert sich im Marketing-Mix. Das Mix der MarketingInstrumente stellt die Handlungsalternativen dar, zwischen denen das Unternehmen wählen kann, um die Ziele auf den Märkten zu erreichen. Unternehmensziele (z.B. Gewinnziele, Wachstumsziele, etc.)
Bereichsziele
Produktionsziele
Marketingziele
Finanzierungsziele
Ziele einzelner Marketing-Instrumente
Kontrahierungspolitische Ziele
Produktpolitische Ziele
Distributionspolitische Ziele
Kommunikationspolitische Ziele
Ziele einzelner Kommunikationsinstrumente
Werbeziele
Public RelationsZiele
Ziele der Verkaufsförderung
Abbildung 1-17: Unternehmerische Zielhierarchie
Ziele des Sponsoring
Messeziele
1.3 Integrierte Unternehmens- und Marktkommunikation
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Im Unternehmen muß also die Frage beantwortet werden, welche Instrumente mit welcher Intensität eingesetzt werden sollen, um die anvisierten Ziele bestmöglich zu erreichen. Die Problematik dieses Entscheidungsprozesses liegt darin begründet, •
daß eine Vielzahl von Kombinationen der einzelnen Ausprägungen der einzelnen Kommunikationsinstrumente möglich ist und
•
daß die einzelnen Marketing-Instrumente in verschiedenen Beziehungen zueinander stehen können, von vollkommen substituierbar bis hin zu vollkommen komplementär.
1.5.1 Die einzelnen Marketing-Instrumente Die im absatzbezogenen Marketing eingesetzten Aktivitäten werden üblicherweise in vier Instrumentalbereiche unterteilt: • • • •
Produktpolitik, Preispolitik (Kontrahierungspolitik), Vertriebspolitik (Distributionspolitik), Kommunikationspolitik.
Die Produktpolitik betrifft den zentralen Bereich des Marketing, nämlich die am Markt anzubietenden Produkte und Dienstleistungen. Im Sinne der MarketingKonzeption sind diese Angebote Problemlösungen für die Abnehmer. Ausgangspunkt aller Marketingbemühungen sind nicht organisationsinterne Fähigkeiten, sondern die Bedürfnisse am Markt; oder Probleme der potentiellen Abnehmer. Welchen Nutzen bringt das Angebot den Konsumenten? Die Nutzenorientierung steht im Vordergrund. Diese Bedürfnisse zu finden und durch angemessene Angebote als Problemlösungen zu befriedigen, ist eine Maxime erfolgreicher Marketing-Aktivitäten. Um Probleme optimal zu lösen, sind die Produkte mit adäquaten Qualitätseigenschaften auszustatten. Qualität mißt sich an der Eignung der Produkte zur Bedürfnisbefriedigung oder zur Problemlösung. Die Qualitätspolitik ist damit ein wesentlicher Bestandteil der Produktpolitik. Weitere Instrumente der Produktpolitik sind die Sortimentspolitik, die Kundendienstpolitik, die Verpackungspolitik und die Markenpolitik. Im Konsumgüterbereich kommt der Kommunikationswirkung der Verpackung und speziell der Marke eine prominente Bedeutung zu. Insbesondere im immer noch zunehmenden Selbstbedienungshandel muß die Verpackung sich gegen den Wettbewerb durchsetzen, die zentralen Produktvorteile kommunizieren und zum Kauf überzeugen. Dies gelingt um so eher, wenn diese Überzeugung bereits durch andere Instrumente des Marketings, wie z.B. Werbung und Verkaufsförderung vorbereitet worden ist. Dazu ist es aber unabdingbar, daß Konsumenten die Produkte aus der Werbung in den Geschäften wiedererkennen
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1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
und die in der Werbung gelernten Eigenschaften eindeutig dem „richtigen“ Produkt zuordnen. Dieses zu gewährleisten, ist ein Ziel der Markenpolitik. Auch der Kundendienst hat vor allem im „after sales business” eine nicht zu unterschätzende kommunikative Funktion. So gesehen hat die Produktpolitik auch eine wesentliche kommunikative Bedeutung. Die Kontrahierungspolitik umfaßt die Gesamtheit vertraglicher Vereinbarungen über das Leistungsangebot, sie betrifft das Ausmaß der für das Angebot verlangten Gegenleistungen. Sie beinhaltet die Instrumente Preispolitik, Rabattpolitik, die Zahlungs- und Lieferbedingungen und die Kreditpolitik. In vielen Märkten dient der Preis als Qualitätsindikator. Konsumenten schließen häufig aus dem Preis auf bestimmte Qualitätsausprägungen. Der Preis wird insbesondere dann als Qualitätsindikator herangezogen, wenn eine geringe Produktkenntnis vorliegt, unzureichende Produktinformationen vermittelt werden, das Produkt komplex ist, ein hohes Kaufrisiko empfunden wird und die Urteilssicherheit gering ist (vgl. Nieschlag, Dichtl & Hörschgen, 2002, S. 337). Für die Produktakzeptanz sind häufig sog. Preisschwellen von Bedeutung. Diller (2000, S. 106 ff.) zeigt, daß die Größe der Preisschilder die Preisbeurteilung beeinflußt. Daher weist auch die Kontrahierungspolitik eindeutig eine kommunikative Komponente auf. Der Distributionspolitik kommt die Funktion zu, die Kontakte zu den gewünschten Marktpartnern herzustellen und die entsprechenden Transaktionen zu ermöglichen. Sie bezieht sich auf die Fragen des Absatzweges vom Erzeuger zum Endverbraucher. Einerseits geht es um Entscheidungen über die Vertriebskanäle, also über den Aufbau des Außendienstes - Reisende oder Handelsvertreter - der Wahl der Absatzwege - z.B. Direktvertrieb, Großhandel, Einzelhandel, Kauf- und Warenhäuser, Versandhandel. Andererseits geht es auch darum, die Probleme der physischen Distribution zu lösen, d.h. die gewünschten Produkte und Dienstleistungen in der gewünschten Menge zur richtigen Zeit und zu optimalen Kosten anzuliefern. Dies betrifft Entscheidungen über die entsprechenden Transportmittel, die Lagerhaltung, Lieferfristen, etc. Das bedeutet, daß im Mittelpunkt der Distributionspolitik die Funktion steht, das Angebot dem Markt verfügbar zu machen. Die kommunikative Komponente ist in der Distributionspolitik besonders stark ausgeprägt, realisiert durch Verkaufsgespräche, Prospektmaterialien und andere Präsentationsmittel. Im Rahmen der Kommunikationspolitik sollen die direkten Marktpartner, aber auch alle anderen für die Unternehmung relevanten Personen, Organisationen und Institutionen, über Angebot und Ziele der Organisation informiert und positiv beeinflußt werden. Die Marktkommunikation hat also zwei wesentliche Komponenten; eine informierende und eine beeinflussende, wobei die eine ohne die andere kaum denkbar ist. In diesem Kontext wird häufig die Frage diskutiert, ob das Marketing durch den Einsatz der Marktkommunikation erst Wünsche weckt, die es anschließend durch entsprechende Produkte befriedigt. Dahinter steckt der Vorwurf, Marketing würde Bedürfnisse kreieren und den Konsumenten durch persuasive
1.3 Integrierte Unternehmens- und Marktkommunikation
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Kommunikation zu unnötigem Konsum verführen. Es ist sicher davon auszugehen, daß es infolge des extremen Ausmaßes kommunikativer Beeinflussung, welcher Konsumenten täglich ausgesetzt sind, es für den einzelnen Anbieter kaum möglich sein dürfte, die Bedürfnisstrukturen seiner Zielgruppe zu verändern. Dazu kann sich das einzelne Unternehmen im Gesamtkonzert der Kommunikationsmaßnahmen, die auf den Endverbraucher einfließen, nicht genügend Gehör verschaffen. D.h. eine einzelne Organisation wird nicht dazu in der Lage sein, Bedürfnisse zu kreieren; mit entsprechendem finanziellen Aufwand wird es jedoch möglich sein, gegenüber bestimmten Abnehmerkreisen (Zielgruppen) die Dringlichkeit einzelner Bedürfnisse zu verändern. So können eine bestimmte Ernährungsweise, eine bestimmte Form der Freizeitgestaltung oder das Umweltbewußtsein in seiner Dringlichkeit verändert werden. Da Konsumenten in entwickelten Volkswirtschaften die Wahl haben, z.B. Einkommen für eine Urlaubsreise, eine Wohnzimmereinrichtung oder für Bekleidung auszugeben, besteht die Funktion der Marktkommunikation nicht nur darin, das eigene Angebot von dem der Konkurrenz abzuheben, sondern auch darin, bestimmte Formen des Konsums hervorzuheben (generische Werbung). Andererseits kann hinter höchst unterschiedlichem Konsum das gleiche Bedürfnis stehen. Durch die Marktkommunikation können verschiedene Möglichkeiten der Befriedigung dieses Bedürfnisses aufgezeigt werden. Das Bedürfnis nach Unterhaltung kann z.B. durch ein Buch, eine CD, einen Konzertbesuch, einem PCSpiel befriedigt werden. Dieses Bedürfnis wurde nicht durch Marketing geschaffen, wohl aber eine Möglichkeit seiner Befriedigung. Auch wenn daher mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, daß eine einzelne Unternehmung keine Bedürfnisse kreieren kann, so ist wohl anzunehmen, daß die Marketing-Maßnahmen innerhalb einer Gesellschaft insgesamt dazu in der Lage sind, den Erwerb von Bedürfnissen durch Sozialisation zu beeinflussen, ja auch Einfluß auf Wertestrukturen besitzen. So ist z.B. von einem Einfluß der Werbung auf die Akzeptanz sexuell bedingten Rollenverhaltens auszugehen. „There is evidence that children accept the stereotyped roles shown in television advertising, select them as appropriate for males and females in general, and select stereotyped careers for themselves“ (Courtney & Whipple, 1983, S. 58). So gesehen ist die Frage, ob Werbung nur ein Spiegelbild der Gesellschaft ist oder die Gesellschaft mitprägt bzw. im Extrem der gesellschaftlichen Entwicklung vorangehe und Trends verstärke virulent. Die Marktkommunikation und das Marketing bleiben in ihrer gesellschaftlichen Verantwortung für Kollektivschäden, die durch das Marketing hervorgerufen werden können. Das Ausmaß der Marktkommunikation insgesamt, dem Konsumenten ausgesetzt sind, bleibt nicht ohne Einfluß auf die gesamten Wertstrukturen innerhalb der Gesellschaft. In diesem Zusammenhang ist die Forderung nach einem gesellschaftsfreundlichen Marketing (Raffée, 1979; Kotler & Bliemel, 2001, S. 7) zu sehen, d.h. einem Marketing, welches sich neben der ökonomischen Verantwortung auch einer gesellschaftlichen Verantwortung stellt. Die Berücksichtigung langfristiger und kollektiver Bedürfnisse innerhalb der Gesellschaft ist vermutlich eine notwendige Maxime für erfolg-
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reiches zukünftiges Marketing und nicht nur auf die Marktkommunikation zu beziehen. Die konkrete Kombination dieser Instrumentenbündel wird allgemein als das Marketing-Mix bezeichnet und stellt die operative Ebene in der Marketingkonzeption dar. Dabei hat – wie dargelegt – nicht nur das Kommunikations-Mix kommunikative Funktionen, sondern auch die anderen Teilbereiche beinhalten wichtige kommunikative Komponenten, die zu berücksichtigen sind und in die Kommunikationsplanung zu implementieren sind.
1.5.2 Das Kommunikations-Mix Die Teilbereiche der einzelnen Instrumente im Marketing-Mix bilden ihrerseits Submixes. Wesentliche Instrumente des Kommunikations-Mix sind: • • • • • • • • • • •
Massenmediale Werbung, Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations), Verkaufsförderung, Persönlicher Verkauf, Messen und Ausstellungen, Sponsoring, Product Placement, Product Publicity, Direkt Marketing, multimediale Kommunikation und Event Marketing.
Diese Begriffe sind nicht trennscharf und werden in der Literatur unterschiedlich behandelt und zugeordnet. So werden z.B. von einigen Autoren Messen/Ausstellungen und Direkt Marketing partiell unter Verkaufsförderung subsumiert. Welchen Stellenwert die einzelnen Kommunikationsinstrumente haben und wie sie in den einzelnen Unternehmen zugeordnet werden, ist abhängig von der spezifischen Situation der einzelnen Organisation und dem sich daraus resultierenden Stellenwert. Wesentlich für den Erfolg der Marktkommunikation ist dabei nicht lediglich die Optimierung der einzelnen Elemente im Kommunikations-Mix, sondern in besonderem Maße auch deren aufeinander abgestimmter, integrierter Einsatz über einen längeren Zeitraum hinweg. Der Werbung kommt primär die Informations- und Kommunikationsfunktion über die Produkte der Unternehmung durch den Einsatz der Massenmedien hinsichtlich der potentiellen Kunden zu. Eine Besonderheit ist die Handelswerbung. Diese
1.3 Integrierte Unternehmens- und Marktkommunikation
45
kann jedoch nicht losgelöst von der an Endabnehmern orientierten Werbung bzw. der allgemeinen Marktkommunikation sein. Verkaufsförderung ist hinsichtlich vieler ihrer Ziele wesentlich enger am Umsatz orientiert, als dies bei der Werbung der Fall ist. Verkaufsförderung kann sich dabei auf den eigenen Außendienst und Vertrieb, auf den zwischengeschalteten Handel und den Endverbraucher richten. Verkaufsförderung kann sich auf verschiedene Produkte oder Produktgruppen beziehen und kann zu verschiedenen Zeitpunkten stattfinden. Verkaufsförderung hat in den letzten Jahrzehnten erheblich an Bedeutung im Kommunikations-Mix gewonnen, nicht zuletzt aufgrund eines erstarkten Handels. Auch Verkaufsgespräche sind im Rahmen einer übergreifenden Strategie zu führen. Einmal wenn der Vertrieb über den Handel läuft, um hier entsprechende Markenpolitik und -strategie erläutern zu können. Zum anderen, um z.B. bei direktem Vertrieb auf der kommunikativen Vorarbeit anderer Instrumente aufbauen zu können. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Eine professionelle Bürotelefonanlage wird in entsprechenden Fachzeitschriftenanzeigen beworben. Die Interessenten können in einem zweiten Schritt vertiefendes Informationsmaterial anfordern oder gleich den Besuch mit einem Außendienstmitarbeiter vereinbaren oder dies erst als dritten Schritt tun. Dann ist es sinnvoll, daß im persönlichen Verkaufsgespräch auf die Kernaussagen der anderen Instrumente aufgebaut wird. Der direkten, personalen Kommunikation wird eine hohe persuasive Wirkung zugeschrieben. Diesem hohen Wirkungsgrad stehen in der Praxis auch relativ hohe Kosten gegenüber. Bei der Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) geht es primär um den Aufbau und die Erhaltung glaubwürdiger und vertrauensvoller Beziehungen zu den relevanten Teilöffentlichkeiten, dazu zählen auch die eigenen Mitarbeiter. Hier steht im wesentlichen nicht das Produkt im Vordergrund, sondern das ganze Unternehmen mit seiner gesellschaftlichen Verantwortung. Dafür steht ein vielfältiges Instrumentarium zur Verfügung. Problematisch ist die Einordnung der sogenannten Product Publicity. Hier findet eine konkret produktbezogene Kommunikation statt, jedoch nicht in Form der Werbung, bei der für Leser deutlich wird, daß eine gezielt beeinflussende Botschaft vorliegt, sondern es wird versucht, die Botschaft als redaktionellen Beitrag erscheinen zu lassen. Messen und Ausstellungen nehmen in verschiedenen Branchen und Unternehmen insbesondere im Investitionsgüterbereich einen prominenten Platz im Kommunikations-Mix ein. Messen und Ausstellungen verlieren zunehmend ihren primär aktuellen Kauf- und Ordercharakter, sie wandeln sich verstärkt zu Informations-, Kommunikations- und Kontaktbörsen mit Erlebnischarakter. Messen und Ausstellungen stellen selbst quasi ein instrumentalles Sub-Mix dar. Es geht um eine Optimierung von Standgestaltung, Exponatpräsentation, personaler und medialer Kommunikation. In den letzten Jahren sind zu diesen klassischen Instrumenten der Marktkommunikation neue und interessante Instrumente dazugekommen, die in manchen Unternehmen eine wichtige Rolle im Kommunikations-Mix einnehmen und welche die
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1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
Palette an Optionen zur Ansprache der Zielgruppen wesentlich erweitert haben. Neben dem bereits erwähnten Sponsoring gehören Direkt-Marketing-Aktivitäten ebenso dazu wie das Product Placement. Weitere Möglichkeiten der Zielgruppenansprache bieten die verschiedenen Anwendungsformen der Multimediakommunikation (Off- und Online-Medien).D.h. Unternehmen verfügen heute über ein breites und facettenreiches Instrumentarium für ihre Marktkommunikation und damit auch zur Ansprache ihrer Zielgruppen. Abbildung 1-18 zeigt, daß potentielle und de facto-Konsumenten auf vielen, unterschiedlichen Kanälen angesprochen werden kann und dies in der Praxis auch getan wird. Deshalb ist auch im Rahmen der Marktkommunikation ein abgestimmtes, vernetztes Vorgehen erforderlich, um synergetische Wirkungen zu erreichen und um ein Höchstmaß an Effizienz zu realisieren. Die langfristige Koordination und Integration aller kommunikativen Aktivitäten ist ein wesentlicher Schlüssel zur Realisation erfolgreicher Marketingstrategien. Direkt Marketing
Ausstellungen
Messen
Großhandel
Hersteller
Außendienst
Einzelhandel
Merchandising
Konsument
Verkaufsförderung
Werbung
Sponsoring
Product Placement
Öffentlichkeitsarbeit/Product Publicity
Abbildung 1-18: Wesentliche potentielle Kommunikationskanäle der Marktkommunikation
1.5.3 Problembereiche im Management der Marktkommunikation Vermutlich existieren drei wesentliche Tatbestände, die Managementprobleme bei der Realisation der Marktkommunikation entstehen lassen:
1.3 Integrierte Unternehmens- und Marktkommunikation
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• fehlende sozialtechnische Kompetenz, • defizitäre Organisationsstrukturen, • Defizite in der Systematik durch fehlende Zielsysteme und persönliche Karrierepläne. ad fehlende sozialtechnische Kompetenz: Marktkommunikation ist eine Sozialtechnik, d.h. vorhandenes kommunikationstheoretisches Wissen wird aus den verschiedenen Bereichen in die Praxis transferiert und wird dort zweckmäßig eingesetzt oder könnte dort zweckmäßig eingesetzt werden, insbesondere zur Beeinflussung von Menschen. Kroeber-Riel und Esch (2000, S. 128) sehen insbesondere bei Praktiker der Kommunikationsarbeit eine Dominanz in der Bewertung praktischer Erfahrung und Intuition und eine Ignorierung wissenschaftlicher Erkenntnisse: „Viele Praktiker treiben Verhaltensbeeinflussung ohne zu wissen, welche Sozialtechniken zur Verfügung stehen”. Die Ursachen für diese Problematik sind häufig in den vorhandenen Organisationsstrukturen- und Entscheidungsabläufen mitbegründet. Über den Einsatz der Marktkommunikation (bzw. des gesamten Marketing-Mix) entscheidet in den nach wie vor dominierenden Linieninstanzen Geschäftsführung oder Marketingleitung, fallweise unter Hinzuziehung und Zusammenarbeit mit Produktmanagern, Werbeleitern, etc. Häufig liegt jedoch die letzte Entscheidung bei der Geschäftsführung. Und bei dieser Instanz ist am ehesten mit fehlender sozialtechnischer Kompetenz zu rechnen, denn sowohl im Konsumgüterals auch im Business-to-Business-Sektor sind solche Karrieren durchaus ohne Expertenwissen im Bereich der Kommunikation möglich. Eine ähnliche Argumentation gilt auch für Marketingleiter und den Bereich des Produktmanagements. Marketing-Strategien sind nicht zwangsläufig auch Experten in Fragen der Marktkommunikation. ad defizitäre Organisationsstrukturen: Diese organisatorischen Probleme beruhen zum einen darauf, daß in vielen Unternehmen die einzelnen kommunikativen Aktivitäten in unterschiedlichen Abteilungen und Bereichen angesiedelt sind; so z.B. Werbung und Sponsoring im Marketing, Verkaufsförderung im Vertriebsbereich und Öffentlichkeitsarbeit als Stabsstelle beim Vorstand angesiedelt ist und koordinierende Instanzen fehlen oder mit zu geringen Kompetenzen ausgestattet sind. Durch diese organisatorische Struktur ist ein integriertes Management der Marktkommunikation nur sehr eingeschränkt möglich. Zum anderen tritt in vielen Unternehmen mit Stab-Linien-Organisation das Problem der dadurch entstandenen Trennung zwischen Kompetenz und Verantwortung auf. Stabstellen oder -abteilungen sollen dazu dienen, die quantitative und qualitative Entscheidungskapazität von Linieninstanzen zu erhöhen (Bühner, 1992, S. 117), formal behält sich jedoch die Linie die Entscheidungskompetenz vor; der Stab hat überwiegend Informations- und Beratungsfunktion. In vielen Unternehmen nehmen jetzt aber gerade Kommunikationsabteilungen Stabsfunktionen
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1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
(auch Werbeagenturen können in diesem Sinne interpretiert werden) ein. So ist es auch in diesem Bereich möglich, daß nach hierarchischen Kriterien und nicht nach Kompetenzkriterien entschieden wird. ad fehlende Systematik und individuelle Karriereorientierungen: Vielfach findet sich in der Marketing-Praxis eine nicht explizite Differenzierung und Elaborierung der Zielhierarchie. Zielsysteme, in denen Kommunikationsziele deduzierte Unterziele der Marketingziele sind, scheinen eher die Ausnahme zu sein. Fehlende oder unzureichende Zielsysteme dürften eine der Ursachen dafür sein, daß die Instrumente im Rahmen der Marktkommunikation häufig in nicht ausreichender Form aufeinander abgestimmt zum Einsatz kommen. Ein weiterer Problembereich ist ferner die Tatsache, daß Maßnahmen der Marktkommunikation vermutlich zu kurzfristig eingesetzt werden, bzw. daß Änderungen zu häufig erfolgen. D.h. Kontinuität in der Werbestrategie kann zu außerordentlich positiven Resultaten führen oder wie Krum & Culley (1984, S. 63) meinen: „Creating a campaign with long-run appeal and sticking with it is the essence of great advertising”. Auch Kroeber-Riel fordert ein längerfristiges visuelles Leitmotiv, bei zu häufigen Wechseln kommt es seiner Meinung nach zu einem uneinheitlichen und widersprüchlichen und damit wenig wirksamen kommunikativen Auftritt (1991, S. 194). Häufig ist ein solcher ineffizienter Kampagnenwechsel die Folge der Personalpolitik innerhalb der Marketingabteilung. Die Tatsache ist bekannt, daß bei einem Wechsel im Top-Management es einerseits sehr häufig zu einem Agenturwechsel und damit zu einem Kampagnenwechsel kommt oder andererseits wenn es nicht zu einem Agenturwechsel kommt, dann doch auch häufig die Agentur beauftragt wird, eine neue Kampagne zu entwickeln. Ziel ist es, das neue Management dadurch zu profilieren, denn es ist meist einfacher sich in der Szene durch neue spektakuläre kommunikative Auftritte bekannt zu machen, als durch das Bewahren langfristiger Strategien.
1.5.4 Grundsätzliche Aufgaben der Marktkommunikation Welche basalen Aufgaben können durch kommunikative Aktivitäten von Unternehmen übernommen werden? Vereinfacht lassen sich vier Aufgabenfelder der Marktkommunikation unterscheiden: • • • •
Bedürfnisse beeinflussen, Nachfrage erzeugen und intensivieren, Kundenbindung/-loyalität aufbauen und pflegen sowie Imageaufbau und Imagepflege.
Ein grundlegendes Aufgabenfeld es kann sein, latente Bedürfnisse und Motive erst zu wecken und zu aktivieren. Dabei handelt es sich dann um eine kommunikative Grundlagenarbeit. Dies kann z.B. durch den Marktführer geschehen, der eine Innovation (z.B. ein Handy mit integrierter Kamera) auf den Markt bringt und ver-
1.6 Management der Marktkommunikation als Entscheidungsprozeß
49
sucht, die Zielpersonen von dieser neuen Problemlösung zu überzeugen. Damit leistet ein solches Unternehmen generische Kommunikation für dieses neue Angebot. Besteht bereits ein Bedürfnis nach einem Angebot, kann es darum gehen, die Nachfrage auf das eigene Angebot zu fokussieren. Weitere Aufgabenfelder in diesem Zusammenhang können sein, den Verbrauch bei den Zielpersonen zu intensivieren oder die Nachfrage vom Wettbewerb auf das eigene Angebot abzuziehen. Durch zunehmende Relevanz der Beziehungspflege im Marketing gewinnt auch die Aufgabe der Kundenbindung an Stellenwert. Kundenbindungsprogramme (z.B. Kundenzeitschriften, Kundenkarten, Kundenklubs) und adäquate After SalesKommunikation sollen einen Beitrag zur kommunikativen Zufriedenheit leisten. Es geht darum, durch kommunikative Aktivitäten einen Beitrag zu leisten, um aus attraktiven Erstkäufern Wiederholungskäufer und Empfehlungskäufer zu machen. Imageaufbau und Imagepflege sind ein weiteres wichtiges kommunikatives Aufgabenfeld für die Marktkommunikation, denn Kaufentscheidungen werden zunehmend unter Imageeinflüssen getroffen nicht nur im Business-to-Consumer-Bereich, sondern auch im Business-to-Business-Segment.
1.6 Management der Marktkommunikation als Entscheidungsprozeß Wesentliche Managementfunktionen der Marktkommunikation sind analog den allgemeinen Funktionen des Managements die Bereiche Analyse, Planung, Kontrolle, Organisation und Führung aller in Bezug zielgerichteter auf den Markt gerichteter kommunikativen Aktivitäten strategischer und operativer Art. Dazu zählen nicht nur die Maßnahmen, die als Adressaten primär die potentiellen Nachfrager des Angebotes und sonstigen Personen und Institutionen, die auf die Austauschprozesse am Markt Einfluß nehmen können, sondern auch - neben dieser außengerichteten Kommunikation - jene Aktivitäten, die die internen Zielgruppen ansprechen, welche bedeutsam für den Markterfolg sind (vgl. hierzu Köhler, 1993, S. 95), in dem sie dazu beitragen eine Integration der Kunden- und Mitarbeiterorientierung zu erreichen (vgl. Bruhn 1999, S. 234). Dabei ist diese Managementfunktion der Marktkommunikation eingebettet in ein Feld von interagierenden Organisationen und Institutionen, die alle in diesem Kommunikationsprozeß eine Rolle spielen, ihn beeinflussen oder Optionen eröffnen, etc. (vgl. hierzu Aaker, Batra & Myers, 1992, S. 1 ff.). Im Fokus steht dabei das kommunizierende Unternehmen. Für Träger dieser Managementfunktion ist das Unternehmen mit seinen Zielen, insbesondere mit seinen Marketing-Zielen, die erste und wichtigste Bezugsgröße. Die Unternehmensphilosophie- und -politik set-
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1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
zen und definieren einen Rahmen innerhalb dessen sich das KommunikationsManagement bewegen kann.3 KontrollInstitutionen
Unterstützende Institutionen
Werberecht
Agenturen Unternehmen:
Freiwillige Selbstkontrolle
Management der Marktkommunikation
Medien Marktforschung
Wettbewerb
Märkte und Konsumentenverhalten
Abbildung 1-19: Wichtige Institutionen im Feld der Marktkommunikation (in Anlehnung an Aaker, Batra & Myers, 1992, S. 2). Neben diesen internen Rahmenbedingungen setzen externe Kontrollinstanzen wie z.B. die Gesetzgebung, freiwillige Selbstkontrollen und der Wettbewerb bestimmte Eckdaten und Vorgaben, welche das Management der Marktkommunikation beeinflussen und reglementieren. Im Rahmen der Entwicklung und der Realisierung von Kommunikationskampagnen arbeitet das Kommunikations-Management mit einer Vielzahl von Organisationen und Institutionen zusammen wie z.B. unterschiedlichen Agenturen (z.B. Werbe-, Public Relations- oder Verkaufsförderungsagenturen), den lokalen, regionalen, nationalen oder internationalen Mediensystemen und entsprechenden Forschungsinstitutionen (Werbewirkungs- und Medienforschung sowie Markt- und Meinungsforschung, etc.). Diese Institutionen unterstützen das Kommunikationsmanagement bei der Planung, Realisierung und Kontrolle ihrer Kampagnen. Die Märkte und Konsumenten, welche die Adressaten der Marktkommunikation sind, können auch als externe Individuen, Gruppen oder Organisationen, etc. betrachtet werden. Ihre Zusammensetzung, ihr Mediennutzungsverhalten, ihre Einstellungen, etc. setzen für das Kommunikationsmanagement weitere Rahmendaten und sind prominent in den Entscheidungen mit zu berücksichtigen. 3
Das Verhältnis zwischen Unternehmenszielen, -politik und -philosophie und Management der Marktkommunikation ist nicht so einseitig. Das Management der Marktkommunikation kann durch seine exponierte Schnittstelle zum Markt und seinen dadurch vorhandenen Kenntnissen über Entwicklungen im Markt und der Gesellschaft auch auf die Unternehmensziele und –politik Einfluß nehmen.
1.6 Management der Marktkommunikation als Entscheidungsprozeß
51
In diesem komplexen Aufgabenfeld operiert das Kommunikations-Management und muß entsprechend den Zielen, den vorhandenen Informationen und Ressourcen und den entsprechenden Rahmendaten auf allen Stufen der Kommunikationskonzeption und -realisierung Entscheidungen treffen. Der Entscheidungsprozeß beginnt mit dem Auffinden von Problemen, der Auswahl relevanter Probleme und endet mit der nachträglichen Kontrolle realisierter Problemlösungsalternativen und ggf. als Anlaß für neue Entscheidungsprozesse.
Problemdefinition
Ö
Informationsbeschaffung
Ö
Produktion von Alternativen zur Problemlösung
Ö
Bewertung der Alternativen
Ø Kontrolle
Õ
Realisation der ausgewählten Alternative
Õ
Auswahlentscheidung
Abbildung 1-20: Allgemeingültiger Entscheidungsprozeß Dieser Entscheidungsprozeß läßt sich in jeder einzelnen Phase wiederum als ein vollständiger Entscheidungsprozeß mit abschließenden Entscheidungen interpretieren. Probleme sind z.B. nicht „naturgegeben“, sondern wir entscheiden in Anbetracht vorhandenen Wissens und Nicht-Wissens, und unserer Betrachtungsperspektive, welche Gegebenheiten wir als lösungsbedürftiges Problem auffassen; auch Informationsbeschaffung ist ein eigenständiges Problem, das aus einem als problematisch empfundenen und nicht immer objektiv gegebenen Informationsdefizit resultiert. D.h. aber auch die Entscheidungen in einer Phase determinieren jeweils die Entscheidungsfindung in den folgenden Phasen. Eine weitere Konsequenz dieser Komplexität ist zudem, daß ein „Letztentscheider“ niemals unabhängig entscheiden kann, sondern, daß er in erheblichem Maße abhängig ist von anderen involvierten Personen und Organisationen. Damit ist eine relevante Frage für das Management der Marketing-Kommunikation, wie die Entscheidungsprozesse strukturiert werden sollen. Wer soll wann, wie stark und in welchem Umfang an diesem Entscheidungsprozeß beteiligt werden. Singuläre Instanzen erscheinen angesichts der Komplexität und Vielschichtigkeit überfordert zu sein; die Etablierung einer Gruppe von Spezialisten als entscheidungsfindende und -tragende Instanzen bietet hierfür eine Lösung. In der Management-Praxis scheint man sich ideologisch eher auf Individualentscheidungen beziehen zu wollen, obwohl kaum eine Instanz in irgendeiner Organisation Entscheidungen unabhängig von anderen Instanzen treffen kann. Die Teamentscheidung ist vorherrschende Realität, sie wird lediglich offiziell nicht als sol-
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1. Ganzheitliche Unternehmens- und Marktkommunikation
che getragen. Die Annahme individueller Verantwortung ist eine Ideologie, die der Realität nicht angemessen gerecht wird. Eine solche Aussage beinhaltet keine grundsätzliche Ablehnung von Individualentscheidungen. Diese mögen durchaus ein bestimmten Fällen gerechtfertigt sein, die vorherrschende Betonung individueller Verantwortung entspricht jedoch nicht den real bestehenden Abhängigkeiten innerhalb von Organisationen.
2. Situationsanalyse Die Analyse der Marketingchancen einer Unternehmung (vgl. Kotler & Bliemel, 2001, S. 189 ff.) ist von permanenter Bedeutung für die Planung und Realisation aller Marketing-Maßnahmen. Dies gilt auch in besonderem Maße für die Marktkommunikation. Sich verändernde Bedingungen • im eigenen Unternehmen - z.B. neue Patente und Entwicklungen, Kooperationen, Fusionen, • in der aufgabenbezogenen Umwelt - z.B. Konzentrationsprozesse im Handel oder Veränderungen im Markt und im Konsumentenverhalten, • in der konkurrierenden Umwelt - z.B. in Form neuer, globaler Konkurrenz oder neuer aggressiver Kampagnen wichtiger Wettbewerber, • in der externen Umwelt der Interessengruppen - z.B. in Form neuer Gesetze oder Richtlinien und • in der Makroumwelt z.B. in der Form sich wandelnder Wertvorstellungen können erhebliche Auswirkungen auf die Kommunikationspolitik eines Unternehmens haben. Zudem ist es ohne Kenntnis des Ist-Zustandes kaum möglich zu beurteilen, welcher Soll-Zustand anzustreben ist, und welche Botschaft an welches Zielpublikum mit Hilfe welcher Instrumente und Medien gerichtet werden soll (Schweiger & Schrattenecker, 2001, S. 52). Daraus ergibt sich für die Kommunikationsarbeit die Aufgabe, sich über die aktuelle Situation und über neue Entwicklungen zu informieren und sie in der Planung und Exekution zu berücksichtigen. Ausgangspunkt der Werbeplanung und Durchführung ist die Unternehmensstrategie. Ein Element strategischer Unternehmensplanung ist die Festlegung der Produkt-Marktsegmente, in welchem Markt Investitionen als sinnvoll angesehen werden und in welchem Ausmaße diese erfolgen. Ansätze für derartige strategische Basisentscheidungen liefern: • Produkt-Lebenszyklen, möglicherweise auch Markt-Lebenszyklen, letztere setzen sich aus mehreren Produkt-Lebenszyklen zusammen, • Analysen bezogen auf Wettbewerber und Marktentwicklungen, • Analysen sogenannter kritischer Erfolgsfaktoren,
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2. Situationsanalyse
• Umweltchancen- und Umweltbedrohungsanalysen, in Verbindung mit Stärken und Schwächen als SWOT-Analyse bekannt, • Szenariotechniken. Partiell laufen die hier genannten Ansätze auf die bekannten Portfolio-Analysen hinaus. Keine der hier genannten Analysen kann für sich alleine betrachtet eine sichere Entscheidungsgrundlage für die Auswahl zu bewerbender Produkte liefern, aber durch die Nutzung einer Vielzahl denkbarer Analyseansätze läßt sich eine relativ solide Entscheidungsgrundlage schaffen. Die Situationsanalyse ist ein integrierter Teil der meisten Kommunikationspläne. Sie faßt die relevanten Informationen über das Unternehmen, den Markt, die auszuwählenden Werbeobjekte und die Gesellschaft insgesamt zusammen. Wichtig ist die Relevanz der Daten, es müssen und sollen nur jene Daten Berücksichtigung finden, die Bezug zu der kommunikativen Aufgabe haben, sonst besteht die Gefahr, daß man in einer Vielzahl von Daten die wesentlichen Informationen übersieht. Die Auswahl relevanter Informationen stellt einen eigenständigen problematischen Entscheidungstatbestand dar. Dadurch sollen die wichtigsten Fakten für die Konzeption der Marktkommunikation herausgearbeitet werden. Die Marktkommunikation kann nur kommunikative Probleme lösen, andere Probleme lassen sich auch durch ein noch so hohes Kommunikationsbudget nicht lösen. Die Situationsanalyse soll z.B. Antwort auf Fragen aus folgenden Bereichen geben: Produkt: Was sind die Produkt/Angebots-Eigenschaften? Wodurch unterscheidet sich das eigene Angebot von dem des Wettbewerbs? Worin liegt der Wettbewerbsvorteil? Gibt es neue Entwicklungen? In welchem Stadium des Produkt-Lebens-Zyklus befindet sich das Angebot? Markt: Wie stellt sich der Markt aktuell dar (wert- und mengenmäßig) für das Angebot, für das eigene Unternehmen und den Wettbewerb? Wie wird sich der Markt entwickeln? Wie sieht die Verteilung der Marktanteile (wert- und mengenmäßig) aus? Kommunikation: Wie hat und wie stellt sich das Unternehmen und die Mitbewerber kommunikativ dar? Welches Budget wird aktuell von den Anbietern für dieses Angebot aufgebracht. Welche Positionierungen werden eingenommen? Welche Instrumente und Medien werden eingesetzt? Welcher Kommunikationsstil prägt den Markt?
2.1 Situationsanalyse als Grundlage strategischer Planung
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Distribution: Welche Vertriebskanäle/Absatzmittler werden eingesetzt? Wo kaufen die Menschen das Produkt? Wie ist die Struktur der Vertriebskanäle (Anzahl, Größe der Absatzmittler)? Wie ist der Absatz organisiert? Preis: Wie sieht die aktuelle Preissituation aus? Wie hat sie sich entwickelt? Wie wird sie sich entwickeln? Konsumenten: Wer kauft das Produkt (Käufer- und Verwenderstruktur)? Wie sieht die Kaufentscheidung aus? Wie ist der Informationsbedarf? Wie nehmen sie die eigene Marke, das Angebot wahr und das der Wettbewerber? Wie ist bei den Kaufentscheidern und potentiellen Beeinflussern das Image? (Vgl. hierzu Wells, Burnett & Moriarty, 1992, S. 205, Pepels, 1994, S. 41 ff.) Je aussagekräftiger diese und andere relevanten Daten beschafft, ausgewertet und interpretiert werden, desto besser sind die Voraussetzungen für eine effektive und effiziente Marktkommunikation. Dabei ist das Maß an Genauigkeit anzustreben, daß für die anstehenden Entscheidungen auch benötigt wird. In der Praxis wird der Anspruch an Genauigkeit gelegentlich unangemessen überhöht. Grundsätzlich sollte - so banal es auch klingt - explizit der Anlaß, der Grund für kommunikative Aktivitäten angeführt werden. Anlässe für Maßnahmen der Marktkommunikation können z.B. sein: Markteinführungen neuer Produkte, Sortimentserweiterungen, Produkt-Relaunch, aktuelle Anlässe wie z.B. eine Messe oder Reaktionen auf Mitbewerberaktivitäten, etc. Die Antwort auf diese Frage bildet die Grundlage für weitere Fragen und Entscheidungen im Rahmen des Kommunikationskonzeptes. Im Folgenden sollen einige dieser Analyseansätze dargestellt werden.
2.1 Situationsanalyse als Grundlage strategischer Planung Auf zwei Analysekonzeptionen soll hier eingegangen werden, die strategische Implikationen haben sowohl für das gesamte Marketing-Mix als auch besonders für die Marktkommunikation. Bei der Portfolioanalyse geht es um die Festlegung, in welche Produkt-Markt-Segmente es sinnvoll ist zu investieren; sie gibt also Auskunft darüber, welche Werbeobjekte in einem Mehr-Produkt-Unternehmen kommunikativ fokussiert werden sollen. Die Positionierungsanalyse zeigt für einzelne Angebote/Produkte deren Einordnung im Markt aus Sicht der Zielgruppen und gibt damit Hinweise auf mögliche kommunikative Positionierungsstrategien.
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2. Situationsanalyse
2.1.1 Die Portfolioanalyse Die Portfolioanalyse ist ein strategisches Planungsinstrument, das in Analogie zur Bestimmung eines optimalen Wertpapierportefeuilles im Finanzbereich - ein Unternehmen als ein Portfolio auffaßt, d.h. als eine Gesamtheit von Strategischen Geschäftseinheiten (SGE) (vgl. Nieschlag, Dichtl & Hörschgen, 2002, S. 118 ff.). Ferner lassen sich aus einer Portfolioanalyse Hinweise für die Steuerung der Finanzströme im Unternehmen ableiten. Es soll gezeigt werden, in welche Geschäftsbereiche investiert werden soll, und aus welchen anderen Geschäftsbereichen die Mittel dazu stammen sollten. Das zentrale Thema der Portfolioanalyse ist es, die Situation und die strategische Zukunft von Produkten und Geschäftsfeldern zu untersuchen, damit das Management die begrenzten Ressourcen so auf die verschiedenen Tätigkeitsfelder zuweist, daß sich das Unternehmen erfolgreich entwickeln kann. Vorteil dieser Analysetechnik ist, daß sie es ermöglicht, komplexe strategische Probleme einer Unternehmung gedanklich zu strukturieren und auch zu visualisieren. Zudem eignet sich die Portfolioanalyse als eine Art Denkraster zur Generierung von Norm-Strategien. Jede SGE wird bezüglich zweier Dimensionen beurteilt, einer marktbezogenen und einer unternehmensbezogenen. Man fragt erstens, wie attraktiv der Markt ist, in dem sich die jeweilige SGE befindet, und zweitens wie stark die eigene Position in diesem Markt ist.
2.1.1.1 Bildung Strategischer Geschäftseinheiten (SGE) Eine Strategische Geschäftseinheit ist ein Geschäftsbereich einer Unternehmung, für den es möglich ist, weitgehend unabhängig von anderen Bereichen, eigene Marktstrategien zu realisieren. Es gibt keine absolut „wahre“ oder einzig richtige Unterteilung von SGEs. Jedoch definieren Unternehmen häufig ihre SGEs anhand der Produkte, die sie herstellen. Levitt hat bereits 1960 darauf hingewiesen, daß es für ein Unternehmen sinnvoller ist, diese anhand der Märkte zu definieren, die es bearbeiten will, statt anhand der Produkte, die es produziert. D.h. entscheidend ist es, bei der Bildung von SGEs von den Problemen und Bedürfnissen der Abnehmer auszugehen, die mit den anzubietenden Produkten gelöst werden sollen. Dadurch kann die spätere Wettbewerbsanalyse auch auf konkurrierende Anbieter ausgeweitet werden, die Substitute anbieten. Um Strategische Geschäftseinheiten bilden zu können, muß ein Unternehmen seine Geschäftsfelder eindeutig definieren und voneinander abgrenzen. Geschäftsfelder lassen sich anhand von drei Dimensionen definieren:
2.1 Situationsanalyse als Grundlage strategischer Planung
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• die Kundengruppen, an die es sich wendet, • die Kundenbedürfnisse, die es befriedigt und • die Technologie zur Erfüllung dieses Zweckes (vgl. Abell, 1980). Nach Kotler und Bliemel (2001, S. 117) sollten SGE folgende Merkmale aufweisen: • Die SGE umfaßt ein einzelnes oder mehrere verwandte Geschäftsfelder, für die getrennt von dem Rest des Unternehmens eine eigene Planung erstellt werden kann. • Für jede SGE existiert ein eigener Kreis von Wettbewerbern, mit denen sie gleichziehen oder die sie ausstechen möchte. • Eine Führungskraft leitet die SGE, welche für die strategische Planung und die Ergebnisse verantwortlich ist und welche die meisten ergebnisrelevanten Faktoren der SGE steuert.
2.1.1.2 Das Marktwachstums-Marktanteils-Portfolio Dieser von der Boston Consulting Group entwickelte Ansatz stellt die älteste Portfolio-Konzeption dar. Sie vermittelt die grundlegende Denkrichtung von Marktportfolios. Zwei Bewertungsdimensionen fließen in die Analyse ein, einerseits das Marktwachstum (vertikale Achse) und der relative Marktanteil (horizontale Achse). Diese Konzeption basiert hauptsächlich auf dem Produkt-Lebenszyklus (für die Dimension Marktwachstum) sowie der Erfahrungskurve (relevant für die Dimension relativer Marktanteil). Der Lebenszyklus charakterisiert das Wachstumspotential und die Stabilität einer SGE oder einer Branche. Abbildung 2-1 zeigt den idealtypischen Verlauf einer Produkt-Lebenszykluskurve.1
1
Eine Kritik an diesem Lebenszyklus-Modell ist, daß es zeitlich zu kurz faßt. Dieses Modell umschreibt nur den Marktzyklus eines Produktes und vernachlässigt zeitlich vorgelagerte (Beobachtungs- und Entstehungszyklus) und nachgelagerte Phasen (Entsorgungszyklus). Aber gerade in diesen Phasen werden häufig Entscheidungen mit erheblicher Tragweite getroffen. Als Ergänzung oder Erweiterung der Analyse bietet sich das Technologie-Portfolio an. Die Technologie-Portfolio-Analyse umfaßt als Zeithorizont dagegen den gesamten Prozeß und bietet damit ein Mehr an Informationen (vgl. hierzu Busch, Dögl & Unger, 2001, S. 96 ff.). Eine weitere Perspektive ermöglicht auch die Einbeziehung des Technologie- und Bedürfniszyklus in die Analyse.
58
2. Situationsanalyse
Umsatz Gewinn/ Verlust Umsatz Gewinn
Zeit
Verlust
P h a se I
P h a se I I
Einführung
Wachstum
P h a se I I I
Reife
P h a se I V
Alter
Abbildung 2-1: Der Produkt-Lebenszyklus Nach diesem Modell durchlaufen die Produkte bestimmte differierende Phasen. Nach Abschluß der Entwicklungs- und der Erprobungsphase (in der Kosten, aber keine Erlöse anfallen) wird das Produkt eingeführt. Es folgt die Einführungsphase. Diese Phase ist durch steigende Marktinvestitionen charakterisiert, gefolgt von der Wachstumsphase, in der sich der Absatz stark ausweitet, so daß die Phase positiver Deckungsbeiträge erreicht werden kann. Der Wendepunkt der Absatzkurve markiert den Übergang zur Reifephase. In der Sättigungsphase kommt das absolute Wachstum zum Stillstand. In dieser Stagnation oder Sättigungsphase sind die Deckungsbeiträge dennoch auszuweiten. Das wird durch den Erfahrungskurveneffekt begründet, wonach sich bei zunehmender Produktionserfahrung Kostensenkungspotentiale erschließen. Bei stagnierendem Markt erfolgt die Ergebnisverbesserung nicht über Umsatzsteigerung, die nur über einen Verdrängungswettbewerb zu erzielen ist (im stagnierenden Markt ist eigenes Wachstum nur zulasten anderer Wettbewerber möglich), sondern durch Kostensenkung bei Halten des Umsatzniveaus. In der Degenerationsphase sinken die Absätze, und es stellt sich ein Verfall der Deckungsbeiträge ein. In vielen Märkten ist es aber auch dann möglich, durch gezielte Maßnahmen noch lange profitabel zu agieren. Entsprechend der Phase, in der sich die strategische Einheit befindet, d.h. in einem wachsenden oder schrumpfenden Markt, wird es in der vertikalen Achse positioniert.
2.1 Situationsanalyse als Grundlage strategischer Planung
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Der Erfahrungskurveneffekt postuliert, daß sich mit steigender Produktionsmenge die Stückkosten reduzieren. Dieses Kostensenkungspotential basiert u.a. auf der Degression der Fixkosten, Preiszugeständnissen der Lieferanten bei Abnahme höherer Stückzahlen, verbesserten Produktionsverfahren und insbesondere Lerneffekten. Empirische Studien (Henderson, 1984) haben ergeben, daß sich die Stückkosten mit Verdoppelung der kumulierten Produktionsmenge um 20 bis 30% reduzieren lassen, sofern alle sich bietenden Kostensenkungspotentiale genutzt werden. Konsequenterweise folgt daraus, daß der Anbieter mit der höchsten kumulierten Menge auch gegenüber seinen Mitbewerbern einen Kostenvorteil aufweisen kann. Der relative Marktanteil ist ein Indikator für diesen Zusammenhang. Je größer der Marktanteil, desto größer sind auch die Kostensenkungspotentiale und desto größer sind auch die zu erwirtschaftenden Deckungsbeiträge. Neben der Relevanz des Marktanteils gewinnt auch der Aspekt des Marktwachstums unter diesem Gesichtspunkt an Bedeutung, denn in wachsenden Märkten läßt sich relativ einfach die kumulierte Produktionsmenge verdoppeln, während es in stagnierenden oder schrumpfenden Märkten länger dauern kann. Daher ist eine Verschärfung des Wettbewerbes zu befürchten, verbunden mit erhöhten Kosten für die Marktanteilsausweitung (Henderson, 1984). Die Anbieter mit Kostenvorteilen sind aber in dieser Phase am ehesten dazu in der Lage, auch den Preiswettbewerb profitabel zu gestalten. Je nach Ausprägung des eigenen Marktanteils in Relation zu dem wichtigsten Wettbewerber werden die SGEs in der horizontalen Dimension eingetragen. Wenn der relative Marktanteil einer SGE beispielsweise 0,1 beträgt, bedeutet dies, daß der Umsatz nur 10% des Marktführers ausmacht. Ein Wert von 10 dagegen bedeutet, daß der Umsatz 10mal so hoch ist wie der des stärksten Wettbewerbers. Das Marktwachstums-Marktanteil-Portfolio gliedert sich als Matrix in vier Felder (vgl. Abbildung 2-2). Die Kreise symbolisieren die Position der jeweiligen SGE. Die Fläche eines jeden Kreises repräsentiert den Umsatz und damit die Größe der entsprechenden SGE. Anhand dieser Matrix lassen sich vier Typen von SGEs differenzieren, für die sich in der Praxis die folgenden Begriffe eingebürgert haben: „Question-Marks“ oder Fragezeichen: Dies sind SGE, die in Wachstumsmärkten operieren, selbst aber nur über einen geringen Marktanteil verfügen. Die meisten SGE sind in ihrer Anfangsphase dieser Kategorie zuzuordnen. Diese SGE bedürfen noch hoher Investitionen. Die Unternehmensleitung muß sich entscheiden, ob sie weiterhin investieren will oder den fraglichen Markt verlassen will.
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2. Situationsanalyse
„Stars“, Sterne oder Hoffnungsträger: Dies sind SGE, die in Wachstumsmärkten operieren und einen hohen relativen Marktanteil aufweisen. Die Stars können, müssen aber nicht bereits Gewinne abwerfen. In sie muß investiert werden, um mit dem Marktwachstum Schritt zu halten und um Angriffe der Wettbewerber abwehren zu können. Ein Unternehmen ohne „Stars“ muß sich um seine Zukunft Sorgen machen. „Cash Cows“ oder Melkkühe: Sie weisen einen hohen relativen Marktanteil auf, bei einem nur noch niedrigen Wachstum. Eine Melkkuh erwirtschaftet hohe Erträge, denn sie erfordert jetzt weniger Investitionen, nachdem das Marktwachstum sich verlangsamt hat. Die Milchkühe liefern die Mittel, um die Stars, die Fragezeichen und die armen Hunde zu unterstützen. Das wird insbesondere bei Nutzung von Erfahrungskurveneffekten ermöglicht. „Poor Dogs“ oder Arme Hunde: Ihre Kennzeichen sind ein niedriger relativer Marktanteil bei niedrigem Marktwachstum. Sie erwirtschaften üblicherweise niedrige Gewinne oder erwirtschaften Verlust. Sanierung oder Stillegung sind die angemessenen Strategien.
“Question Marks”
Markt-
“Stars”
hoch
wachs“Poor Dogs“
tum
“Cash Cows”
niedrig
niedrig
hoch
Relativer Marktanteil Abbildung 2-2: Marktwachstums-Marktanteil-Portfolio
2.1 Situationsanalyse als Grundlage strategischer Planung
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Nachdem das Unternehmen seine SGE in diese Matrix eingetragen hat, muß man analysieren, ob das Portfolio ausgeglichen ist. Das wäre z.B. nicht der Fall, wenn in der Matrix zu viele „Arme Hunde“ oder „Fragezeichen“, bzw. zu wenige „Milchkühe“ oder „Stars“ existieren. Der Zyklus aller Geschäftsfelder muß derart synchronisiert werden, daß stets genügend „Nachwuchs“ für die Zukunft heranwächst. Zur Strategiebestimmung ist es deshalb sinnvoll, ein Ist-Portfolio zu erstellen und daraus ein Ziel-Portfolio abzuleiten. In diesem läßt sich veranschaulichen, wie, wohin und bis wann sich die festgestellten Ist-Positionen der analysierten SGE entwickeln sollen. Ein weiterer Schritt ist die Entscheidung, welches Ziel mit den einzelnen SGE angestrebt werden soll. Hierfür haben sich bestimmte Normstrategien entwickelt: Ausbauen: Ziel des Unternehmens ist es, den Marktanteil der Geschäftseinheit zu vergrößern, auch wenn dafür kurzfristig auf Gewinn verzichtet werden muß. Diese Strategie gilt besonders für erfolgversprechende Fragezeichen, diese müssen Marktanteile hinzugewinnen, um zu „Stars“ heranzuwachsen. Auch für „Stars“ sind Wachstumsstrategien anzustreben. Erhalten: Hier geht es darum den gegenwärtigen Marktanteil zu halten. Diese Strategie empfiehlt sich bei lukrativen Milchkühen, die auch weiterhin Überschüsse erwirtschaften sollen. Für „Stars“ gilt in späten Wachstumsphasen, vor dem Übergang zur Stagnationsphase die Strategie des Haltens der Position. Ernten: Bei diesem Vorgehen möchte das Unternehmen kurzfristig liquide Mittel aus der SGE ohne Rücksicht auf die langfristigen Auswirkungen abziehen. Eine solche Strategie ist bei schwachen Milchkühen mit schwachen Perspektiven angebracht. Auch bei „Fragezeichen“ und „Armen Hunden“ kann abgeerntet werden. Dabei sind auch die Kosten des Marktaustritts in diese Entscheidung mit einzubeziehen (Meffert, 2000, S. 264). Eliminieren: In diesem Fall entschließt sich das Unternehmen dazu, die SGE zu veräußern bzw. aufzugeben. Denn die dadurch frei werdenden Ressourcen können anderswo sinnvoller und effektiver eingesetzt werden. Diese Vorgehensweise wird häufig gewählt, wenn es um „Arme Hunde“ und nicht erfolgversprechende „Fragezeichen“ geht (vgl. hierzu Kotler & Bliemel, 2001, S. 119). Ein Unternehmen mit zuwenig „Cash Cows“ muß häufig auch „Question Marks“ aufgeben. Der Vorteil dieses Marktwachstums-Marktanteils-Portfolios liegt vor allem in seiner einfachen Handhabung, da die wesentlichen Daten – Marktwachstum und Marktanteile - einfach zu erfassen sind. Jedoch weist dieses Modell auch einige
62
2. Situationsanalyse
Schwächen auf. Einerseits dadurch, daß nur zwei Kriterien berücksichtigt werden. Empirische Studien2 haben zwar die Relevanz dieser beiden Faktoren auf den Erfolg einer SGE bestätigt, aber auch auf weitere Variablen hingewiesen. Andererseits bietet auch die Vier-Felder-Matrix nur sehr eingeschränkte Differenzierungsmöglichkeiten. Diese Kritikpunkte führten zu verschiedenen Weiterentwicklungen dieses Ansatzes.
2.1.1.3 Das Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteile-Portfolio Diese Portfolio-Konzeption, die von McKinsey und General Electric Company entwickelt wurde, ist eine in der Praxis häufig eingesetzte Weiterentwicklung. Zusätzliche Faktoren werden in die Analyse mit eingeführt. Formal unterscheidet sich diese Analyse durch eine differenzierte Strukturierung in Form einer NeunFelder-Matrix. Inhaltlich werden die Positionen der Strategischen Geschäftseinheiten auf den beiden Achsen durch Faktorenbündel innerhalb der Kategorien Marktattraktivität und relative Wettbewerbsvorteile bestimmt. Für beide Dimensionen wurden Kriterienkataloge entwickelt.3 Die Marktattraktivität setzt sich aus den Variablenbündeln Marktwachstum und Marktgröße, Marktqualität, Energie- und Rohstoffversorgung und sonstiger Umfeldsituationen zusammen. Der relative Wettbewerbsvorteil wird ebenfalls durch mehrere Kriterien erhoben. Dieses Bündel umfaßt im wesentlichen die relative Marktposition, das relative Produktionspotential, das Forschungs- und Entwicklungspotential im Vergleich zum Wettbewerb und die relative Qualifikation der Führungskräfte und Mitarbeiter. Ein besonders relevanter Faktor ist die relative Finanzkraft, da diese letztlich die Möglichkeiten der Unternehmung determiniert, Wettbewerber anzugreifen oder auf Wettbewerbsaktivitäten zu reagieren. Auch technologische Aspekte können in die Analyse einfließen. In der Auswahl der Beurteilungskriterien liegt ein wesentliches Problem jeglicher Portfolio-Analyse. Hier wird nämlich deutlich, daß auch die Resultate einer scheinbar sehr objektiven Analyse das Ergebnis von Entscheidungen sind und nicht unvoreingenommen wahrgenommener Tatsachen. Niemals „sprechen Fakten für sich“. Je nach Gewichtung und Ausprägung der einzelnen Kriterien wird meist über ein Punktebewertungsverfahren ein Wert für die jeweilige Achsenposition ermittelt, der dann in einem der Felder stark, mittel oder schwach bzw. hoch, mittel, gering zu liegen kommt. D.h. die Matrix ist in neun Felder unterteilt, die wiederum in drei 2
3
Die PIMS-Studie (PIMS = Profit Impact of Market Strategies) hat zwar die Relevanz dieser beiden Größen bestätigt, aber auch noch auf eine Vielzahl weiterer Einflußfaktoren hingewiesen, wie z.B. Produktqualität, Marketingaufwendungen, etc. (vgl. hierzu Neubauer, 1992, S. 283 ff.; Buzell & Gale, 1987). Beispiele für diese Kriterienkataloge finden sich bei Nieschlag, Dichtl & Hörschgen (1994, S. 112 f.) oder Kotler & Bliemel (2001, S. 119).
2.1 Situationsanalyse als Grundlage strategischer Planung
63
Gruppen zuzuordnen sind (vgl. Abbildung 2-3). Die drei Felder, die diagonal von links unten nach rechts oben verlaufen, beinhalten diejenigen Geschäftseinheiten, deren Attraktivität mittelmäßig ist, hier empfiehlt sich eine selektive Strategie, die im wesentlichen auf Gewinnerzielung achtet. In dem Bereich unten rechts sind die weniger attraktiven Geschäftseinheiten. Hier gilt es zu ernten oder zu deinvestieren. In den Feldern links oben sind die starken, attraktiven SGE angesiedelt, solche Positionen sollte das Unternehmen mit Hilfe von Investitionen ausbauen. Es sei auch hier erwähnt, daß die Gewichtungen auf Entscheidungen beruhen, die vielleicht begründet werden können, aber niemals gegeben sind. Auch keine Gewichtung einzuführen, ist eine mehr oder weniger subjektiv getroffene Entscheidung, eben die, alle Beurteilungsfaktoren als gleich bedeutend einzustufen. Mit diesen Ausführungen soll lediglich das Wesen jeglicher menschlicher Analyse herausgestellt werden. Kotler & Bliemel (2001, S. 122) empfehlen zudem, daß eine Projektion erfolgen sollte über die voraussichtliche Position in den nächsten drei bis fünf Jahren unter Berücksichtigung des Produkt-Lebenszyklus, der Konkurrenzstrategien, neuer Technologien, der wirtschaftlichen Entwicklung, etc. Diese antizipierten Trends können dann als Vektorpfeile in die Matrix aufgenommen werden.
Relative Wettbewerbsvorteile
Marktattraktivität
stark
Investieren/ Ausbauen
mittel
schwach
hoch
mittel
niedrig
Selektiv handeln/ Gewinnorientierung
Abbildung 2-3: Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteil-Portfolio
Ernten/ Desinvestition
64
2. Situationsanalyse
Auch bei diesem Portfolio ist es erforderlich, daß die Unternehmensleitung für jede SGE eine Strategie erarbeitet. Dieser Portfolioansatz bietet im Vergleich zu dem Basismodell bei gleicher Anschauung den Vorteil einer differenzierten Analyse und einer realitätsgerechteren Evaluation. Allerdings ist eine Vielzahl von Daten zu erheben, und nicht immer ist die Operationalisierbarkeit dieser Daten (z.B. Professionalität der Führungskräfte oder Verhaltensstabilität der Abnehmer) unproblematisch; ebenso ist auch hier die Gefahr von Subjektivismen nicht zu leugnen. Auch dieses Verfahren führt nicht zu unvereingenommenen Ergebnissen, aber das kann kein Analyseverfahren anbieten. Ein grundsätzliches Problem dieser beiden vorgestellten Markt-Portfolioanalysen liegt in ihrer Fokussierung auf den Marktzyklus, auf konstante Trends in der Technik und damit in einer ungenügenden Berücksichtigung des Zeitfaktors. Ein Marktsegment kann aber eine hohe Innovationsdynamik haben (z.B. Gentechnik). In solchen Bereichen sind Entwicklungssprünge in der Technologie nicht unwahrscheinlich. Ein Unternehmen, das hier nur auf die aktuelle Marktsituation achtet, läuft Gefahr, Entwicklungen nicht rechtzeitig zu erkennen und vom Wettbewerb überholt zu werden. Um diese analytischen Grenzen zu überwinden, können z.B. Technologie-Portfolios eingesetzt werden, die nicht nur den Marktzyklus eines Produktes umfassen, sondern eine integrierte Lebenszyklus-Betrachtung des Produktes und der relevanten Technologien leisten.
2.1.1.4 Implikationen für die Marktkommunikation Die Portfolio-Analyse trägt dazu bei, daß immer die Unternehmung als Ganzes berücksichtigt wird und verhilft zu einem zukunfts- und strategieorientiertem Denken. Nur im Zusammenhang mit unternehmungsstrategischen Analysen und deren Konsequenzen auf Marketing-Strategien ist die Marktkommunikation sinnvoll plan- und realisierbar. Aus der Portfolioanalyse lassen sich insbesondere Anforderungen an das Budget ableiten. Auch von dem einfachen Basismodell – dem Marktwachstums-Marktanteils-Portfolio – ausgehend,4 lassen sich bestimmte Schlußfolgerungen für die Kommunikation ziehen. Ist für „Question Marks“ die Entscheidung für eine wachstumsorientierte Strategie gefallen, dann bedeutet dies auf jeden Fall, daß im Vergleich zu den Wettbewerbern überdurchschnittliche Marketinginvestitionen notwendig sind. Dies gilt auch für die Kommunikationsbudgets. SGE in diesem Feld müssen ein stärkeres Wachstum erzielen als mögliche Wettbewerber, da das strategische Ziel auf jeden Fall eine deutliche Verbesserung der aktuellen Marktposition ist.
4
Diese Überlegungen lassen sich auch auf das Marktattraktivitäts-WettbewerbsvorteilsPortfolio übertragen.
2.1 Situationsanalyse als Grundlage strategischer Planung
65
Die „Stars“ sollen weiteres Wachstum erzielen, d.h. auch in diesem Fall kann es durchaus sinnvoll sein, die strategische Position weiter zu verbessern. In diesem Fall wären mindestens im Wettbewerbsvergleich durchschnittliche Kommunikationsbudgets erforderlich. SGE im Bereich der „Cash Cows“ sind in ihrer Position zu halten, d.h. die Budgets sind so zu bemessen, daß die erreichte starke Position gegenüber den Wettbewerbern aufrechterhalten werden kann.
Junge Märkte
Alte Märkte
„Question Marks“ Höchste Marktinvestition Intensiver Einsatz von Werbung, Verkaufsförderung und Öffentlichkeitsarbeit (Product Publicity).
„Stars“ Hohe Marktinvestition Werbung zur weiteren Durchsetzung. Markenbekanntheit als wichtiges Ziel. Noch Öffentlichkeitsarbeit.
„Poor Dogs“ Keine Investition Sehr selektiver Einsatz der Marktkommunikation (ggf. Verzicht auf Werbung), letzte Konsequenz: Aufgabe.
„Cash Cows“ Marketing in Relation zum Wettbewerb Marktkommunikation, um Position zu halten. Werbung: kaum mehr informativ, Verkaufsförderung zunehmend zur Reaktualisierung.
Schwache eigene Postition
Starke eigene Postition
Abbildung 2-4: Portfolio mit kommunikationsstrategischen Inhalten Für die „Poor Dogs“ sind reduzierte Kommunikationsbudgets denkbar und sinnvoll. Im Rahmen einer selektiven Entwicklung kann sogar der Verzicht auf Werbung zugunsten ausschließlich der Verkaufsförderung möglich sein. Wenn Werbung betrieben wird, dann ist eine selektive Auswahl der Zielgruppen denkbar, um eine ausgewählte Marktnische abzusichern.5 5
Grundsätzlich handelt es sich bei diesen Implikationen um Normstrategien. Es kann durchaus im Einzelfall notwendig sein, zu anderen Gewichtungen zu kommen, z.B. wenn eine SGE im Bereich der „Poor Dogs“ angesiedelt ist, ihre Produkte aber für das Image des Unternehmens einen hohen Stellenwert haben, kann es durchaus sinnvoll sein, hier auch kommunikativ zu investieren.
66
2. Situationsanalyse
Hinsichtlich der anzusprechenden Zielgruppen ergeben sich analoge Schlußfolgerungen. Für die SGE in den Bereichen „Question Marks“ und „Stars“ sind infolge der als sinnvoll anzusehenden Wachstumsstrategien neben den vorhandenen Verwendern intensiv auch neue Verwender zu erreichen. Für die SGE im Bereich „Cash Cows“ dürfte die Priorität in der Ansprache vorhandener Verwender liegen. Diese sollen nach Möglichkeit in ihrem Konsumverhalten bestätigt und damit als Verwender gehalten werden. Aus dem Modell des Produkt-Lebenszyklus lassen sich weitere Hinweise für den Einsatz der Kommunikations-Instrumente finden.6 Die Phase der Einführung ist charakterisiert durch massive Versuche, das Produkt am Markt durchzusetzen. Die Verkaufsförderung dient in dieser Phase der Schulung und Motivation des eigenen Außendienstes sowie der Bekanntmachung des Produktes beim Handel. Auch gegenüber den Konsumenten kann verstärkt Verkaufsförderung eingesetzt werden, z. B. durch entsprechend attraktive und aufmerksamkeitsstarke Plazierungen im Handel oder Probeaktionen. Werbung dient in erster Linie der Bekanntmachung des Produktes. Bei besonders innovativen Produkten können auch in dieser Phase zuerst bestimmte Zielgruppen wie z.B. die Innovatoren angesprochen werden. Inhaltlich kann in dieser Phase ein möglicherweise vorhandener Produktvorteil deutlich herausgestellt und erklärt werden. Für die „Product Publicity“ ist diese Phase die wichtigste, da der Neuigkeitsaspekt in den Mittelpunkt gerückt werden kann. In der Wachstumsphase steigt die relative Bedeutung der Werbung, „Product Publicity“ verliert an Aktualität und damit an Bedeutung. Die Marktkommunikation konzentriert sich in dieser Phase auf die Durchsetzung des Produktes und argumentiert im wesentlichen mit seinen rationalen und emotionalen Vorteilen. In der Phase der Reife steigt wieder die Bedeutung der Verkaufsförderung. Durch entsprechende Aktivitäten wie Zusatzpackungen, Preisausschreiben, Sonderpreisaktionen wird versucht, das Produkt/Angebot zu reaktualisieren. Das Produkt selber ist bekannt, daher sind Maßnahmen „um das Produkt herum“ jetzt eher angebracht. Werbemaßnahmen dienen oft verstärkt dazu, die Position am Markt zu halten. In zunehmendem Maße sind die vorhandenen Verwender als Zielgruppen anzusehen, die es zu bestätigen gilt. Möglicherweise werden neue Verwendungsmöglichkeiten des Produktes aufgezeigt, um Sättigungserscheinungen am Markt auszugleichen. Die Degenerationsphase ist durch Umsatzrückgänge und häufige Preiskämpfe charakterisiert. Die Werbung kann dann erheblich zugunsten einer konsumentenorientierten Verkaufsförderung verlieren.
6
Vgl. hierzu Abschnitt 3.2.2 zum Diffusionsprozess von Innovationen.
2.1 Situationsanalyse als Grundlage strategischer Planung
67
2.1.2 Angebots-Positionierungsanalyse Ein weitere wichtige Entscheidung des Marketing-Managements betrifft die Positionierung eines Geschäftsfeldes oder eines vorhandenen oder neuen Angebotes in seinem entsprechenden Markt bzw. Marktsegment. Bei der Positionierung geht es darum, das Angebot des Unternehmens so zu gestalten, daß es im Bewußtsein des Zielkunden einen besonderen und geschätzten Platz einnimmt. Aufgrund der zunehmenden Dynamisierung des Wettbewerbs, verkürzter Lebenszyklen der Produkte, gesättigter Märkte in vielen Bereichen, ist jedes Unternehmen gefordert, sein Absatzprogramm ständig zu optimieren, d.h. neue Produkte zu entwickeln, eingeführte zu verbessern und erfolglose vom Markt zu nehmen. Der Erfolg eines Produktes kann wesentlich erhöht werden, wenn die Art wie es angeboten wird (Angebotsmodalität - z.B. Distribution, Service, Entgelt, Information) und das Produkt selbst (Angebotsmittel) von den Nachfragern positiv bewertet werden und im Vergleich zu den Angeboten des Wettbewerbers günstiger erscheinen (vgl. Mayer, 1984, S. 20). Nach Kotler und Bliemel (2001, S. 467) sind in dem Falle dieser Wettbewerbssituation im wesentlichen zwei Möglichkeiten gegeben. Einerseits wird auf eine Angebotsdifferenzierung verzichtet, dann werden die meisten Nachfrager anhand des Preises die Angebote auswählen. Als Alternative zu dieser reinen Preisstrategie kann ein Unternehmen versuchen, sein Angebot von der Konkurrenz zu differenzieren, d.h. daß sinnvolle Unterschiede in das Design und allgemein in die Qualität eines Produktangebotes integriert werden, um so das eigene Angebot vom Angebot der Wettbewerber abzuheben. Diese Präferenz-Strategie verfolgen im Normalfall viele Anbieter von Markenartikeln. Bei der Angebotspositionierung geht es also darum, das eigene Angebot aus Sicht der Kunden/Verbraucher positiver erscheinen zu lassen, als das der Konkurrenz, sich also vom Wettbewerb günstig zu differenzieren. Diese Differenzierungsmöglichkeit besteht (neben der Preisdifferenzierung) einerseits hinsichtlich des Grundnutzens, d.h. des stofflich-technischen Nutzen in Hinsicht auf die Funktion des Produktes, andererseits hinsichtlich des persönlich empfundenen seelisch-geistigen Nutzens (Zusatznutzen), der z.B. Gefühle, Prestige, soziale Anerkennung umfaßt. Im folgenden wird insbesondere auf den ersten Aspekt eingegangen, wie sich das Produkt durch produkt-technische Features (Ausstattungselemente, Leistung, Haltbarkeit, Zuverlässigkeit, etc.) und Serviceleistungen (Zustellung, Installation, Kundenschulung und -beratung, etc.) von anderen Konkurrenzangeboten differenziert. Es geht also um den sogenannten USP (Unique Selling Proposition). Besteht für ein Unternehmen eine solche Möglichkeit, dann kann diese Alleinstellungsposition auch in der Marktkommunikation ausgelobt werden. Fehlt dagegen ein solcher USP sind andere Strategien erforderlich. Alleinstellung kann auch auf der Grundlage emotionaler Aspekte erfolgen. Abbildung 2-5 zeigt eine, für einen PKW ungewöhnliche Positionierung: Elegance, Sinnlichkeit und Erlebnisorientierung für den VW-Beetle.
68
2. Situationsanalyse
Abbildung 2-5: Positionierung VW-Beetle
2.1 Situationsanalyse als Grundlage strategischer Planung
69
Die ungewöhnliche Positionierung ist damit eigenständig. Entscheidend für den Erfolg ist es, ob durch diese Positionierung eine genügend große Zielgruppe positiv angesprochen wird. Ein Teil-Aspekt der Positionierung stellt primär ein intern zu entscheidendes strategisches Planungsinstrument dar, um zu analysieren, wie ein Produkt in einem neuen oder bereits existierenden Markt oder Marktsegment plaziert werden soll, oder in welche Richtung bei der Produktneuentwicklung zu arbeiten ist. Insbesondere bei der Produktneuentwicklung sind solche strategischen Überlegungen sinnvoll. Denn es geht darum, dem Produkt bei einer fest umrissenen Zielgruppe und in Relation zu den Konkurrenzprodukten eine erfolgversprechende Bedeutung zu verschaffen. Es geht um die Beantwortung der Fragen: • Wo und wie kann ein Produkt/Angebot anhand der Produktmerkmale im Vergleich zu den Wettbewerbern am Markt eingeordnet werden? • Welche Ansprüche zu diesem Zweck werden akzentuiert? • Auf welchem Niveau sollen die einzelnen Ansprüche (durch entsprechende Merkmalsgestaltung) befriedigt werden? (Vgl. Mayer, 1984, S. 27.) Dazu ist es notwendig, Informationen sowohl über die Nutzenerwartungen tatsächlicher und potentieller Abnehmer zu haben, als auch Informationen über die Angebotsprofile der Konkurrenzprodukte zu beschaffen (Scharf, 1995, S. 5). Durch Analyse der Produktpositionierung können sich folgende Vorteile ergeben: -
eine bessere Einschätzung der Marktchancen aufgrund der intensiveren Kenntnis der Marktstrukturen und der Austauschbeziehungen,
-
es können sich Hinweise auf Marktlücken ergeben, Bedürfnisse von Zielpersonen, die noch nicht oder nur unbefriedigend erfüllt werden,
-
eine höhere faktische Qualität kann erzielt werden, durch die präzisere Anpassung der Produkt- und Vermarktungs-Mix-Gestaltung an die Anspruchsstruktur der Zielgruppen,
-
durch die gezielte Ausrichtung an die zu befriedigenden Ansprüche der Zielpersonen können die Marketing-Ressourcen effizienter eingesetzt werden,
-
durch die Ermittlung der Positionen von bereits etablierten Produkten und die Analyse ihrer Stärken und Schwächen können gegebenenfalls notwendige Korrektur-Maßnahmen abgeleitet werden und
70
-
2. Situationsanalyse
die kurzfristigen, operativen Maßnahmen werden an den strategischen Zielen orientiert (vgl. Mayer, 1984, S. 34 ff.).
2.1.2.1 Vorgehensweise Der erste Schritt beginnt mit der Abgrenzung des relevanten Marktes. So kann das Bedürfnis nach Unterhaltung nicht nur durch Fernsehprogramme abgedeckt werden, sondern auch durch PC-Spiele, Theater, etc. Bei einer zu engen Marktdefinition können Konkurrenzprodukte außer acht gelassen werden, bei einer zu weiten Marktdefinition besteht dagegen die Gefahr der Verwässerung der Aussage. Grundsätzlich sollten jene Produkte in die Analyse mit einbezogen werden, die aus Sicht des Konsumenten realisierbare (Handlungs-) Alternativen darstellen. Der zweite Schritt bezieht sich auf die Kriterien für die Positionierung. Maßgebend dafür ist die Sicht der Zielpersonen und nicht die Sicht der Produzenten oder Anbieter. So positioniert sich z.B. das Westin Stamford Hotel in Singapur mit der Aussage, das höchste Hotelgebäude der Welt zu besitzen, dieses Kriterium spielt aber für Touristen und Geschäftsreisende keine Rolle oder wird sogar als störend empfunden (vgl. Kotler & Bliemel, 2001, S. 495). Der nächste Analyseschritt umfaßt die Ermittlung der Anbieter in diesem Markt. Es geht darum, welche Positionen die Wettbewerber mit ihren Angeboten hinsichtlich der relevanten Kriterien einnehmen. Die Daten dazu können über Marktforschungsinstitute und aus eigener Analyse der Marktkommunikation der Wettbewerber (z.B. Werbung, Messeauftritt, Verkaufsförderung, etc.) erhoben werden. Dabei kann man sich auf die relevanten Wettbewerber konzentrieren. Diese Eingrenzung der Zahl der Wettbewerber kann durch eine Evoked Set-Analyse erfolgen. Diese Daten können in einem Positionierungsmodell zusammengefaßt werden. Dies kann einerseits auf Basis quantitativer Methoden erfolgen (z.B. Faktorenanalyse, multiple Diskriminanzanalyse oder multidimensionaler Skalierung) (vgl. hierzu Mayer, 1984). Oft wird jedoch auf diese mathematische Exaktheit verzichtet und man entscheidet sich für ein heuristisches Vorgehen. Dies kann einerseits auf eine systematische Art und Weise geschehen, um sicherzustellen, daß alle relevanten Aspekte des Produktes aufgenommen werden und nicht erfolgversprechende Alternativen der Produktpositionierung vernachlässigt werden. Andererseits kann dies aber auch auf der Basis von Managementurteilen basieren. Solche nach Intuition erstellten Positionierungsräume werden in der Praxis häufig eingesetzt, sind aber nicht unproblematisch, denn das Management hat oft einen anderen Blickwinkel als die Abnehmer und die Gefahr von Fehlurteilen darf nicht unterschätzt werden. Zur graphischen Darstellung kann man zweidimensionale, mehr-
2.1 Situationsanalyse als Grundlage strategischer Planung
71
dimensionale oder mehrachsige Koordinationssysteme verwenden (vgl. hierzu die Abbildungen 2-6a bis 2-6c). Neben den Positionen der Wettbewerber und der eigenen Position ist, wenn möglich, auch die Idealposition aus Zielpersonen-Perspektive einzutragen, denn je näher die Position an dieser Idealposition liegt, desto größer sind die Chancen, daß man in der Präferenzhierarchie der Zielpersonen einen oberen Rangplatz einnimmt. In diesem Zusammenhang ist zu fragen, ob man sich bei seiner Positionierung nur auf einen oder mehrere Nutzenvorteile konzentrieren sollte. Ries und Trout (1982) plädieren dafür, daß man eine Produkteigenschaft bestimmen sollte und nur diese sollte kommuniziert werden. Jedoch sind auch neben dieser EinfachNutzen-Positionierung, Zwei- und Dreifach-Nutzen-Positionierungen möglich. Dies kann dann sinnvoll sein, wenn zwei oder mehr Wettbewerber beanspruchen, bei der gleichen Eigenschaft am besten zu sein und wenn die Zielpersonen ein Nutzenpaket wünschen. Die Gefahr bei einer solchen Mehrfach-Nutzen-Strategie ist jedoch, daß die Glaubwürdigkeit und eine klare Positionierung verloren gehen können. Andererseits ist eine Konzentration auf eine Eigenschaft auch eher gefährdet. Es ist von Vorteil, wenn bei einer Mehrfach-Nutzen-Strategie eine Beziehung zwischen den verschiedenen Eigenschaften hergestellt werden kann, die eine solche Positionierung aufgrund von Mehrfachnutzen plausibel erscheinen läßt. Das Ergebnis dieser Analyse zeigt dann Markträume, die partiell dichter bzw. weniger dicht besetzt sind.
S ta r k e r , r e ic h e r G esch m a ck
P rodu k t A
I d e a l p o s itio n Produkt B
E in fa c h e H andhabung
K o m p le x e r e H and hab ung
Produkt C
S ch w a ch er G esch m ack
Abbildung 2-6a: Zweidimensionales Positionierungsmodell
72
2. Situationsanalyse
H oh e Q u a lität A u s b a u f ä h ig
A n w e n d e r f re u n d lic h
T eu er
M od e r n
L ü ck e F le xi b e l
U m w e ltg e re c h t
D e si g n or i e n ti er t
P ro d u k t A P ro d u k t B P ro d u k t C
Abbildung 2-6b: Mehrdimensionales Positionierungsmodell (Spider Web) Veraltet
Modern
Kompliziert
Einfach
Begrenzt
Ausbaufähig
Teuer
Billig
Flexibel
Unflexibel
Eigenes Angebot Angebot Wettbewerber A Angebot Wettbewerber B
Abbildung 2-6c: Mehrachsiges Positionierungsmodell Aus dieser graphischen Umsetzung kann man dann auch erkennen, ob noch sinnvolle unbesetzte Marktpositionen (Marktlücken) existieren, die das Unternehmen mit seinem Angebot oder durch gezielte Produktentwicklung bzw. -variation oder durch Kommunikation besetzen kann. Die Besetzung von solchen Marktlücken ist
2.1 Situationsanalyse als Grundlage strategischer Planung
73
jedoch nur dann sinnvoll, wenn diese Lücken (Position) für die Zielpersonen Relevanz aufweisen. So bot vor Jahren ein IT-Unternehmen einen Öko-PC an, die Dimension Ökologie hatte jedoch für das anvisierte Marktsegment keinerlei Bedeutung und das Angebot fand nur geringe Nachfrage am Markt. D.h. aus diesen Positionierungsräumen können Anhaltspunkte für den Einsatz des absatzpolitischen Instrumentariums gewonnen werden, z.B. • das Angebot sollte verändert werden, wenn z.B. die von den Zielpersonen wahrgenommenen Mängel tatsächlich vorhanden sind. • Einführung eines neuen Angebotes, wenn entsprechende lukrative Marktlücken unbesetzt sind.
2.1.2.2 Implikationen für die Marktkommunikation Aus dieser produktbezogenen Positionierung lassen sich für die Marktkommunikation und speziell für die kommunikative Positionierung einige Konsequenzen ableiten. Grundsätzlich gilt, daß ein Unternehmen nicht nur eine eindeutige Positionierungsstrategie entwickeln muß, sondern es muß diese Strategie auch auf eine effektive Weise kommunikativ unterstützen. Allerdings muß diese Positionierung nicht allein kommunikativ getragen werden, alle Instrumente des Marketing-Mix können diese gewählte Position vermitteln und unterstützen. Eine kommunikativ vermittelte Qualitätspositionierung kann z.B. durch eine Vielzahl von Sonderangeboten unterminiert werden. Die Produkt/Angebotspositionierung ist Ausgangspunkt für sämtliche Kommunikationsüberlegungen, auch wenn für das Kommunikations-Management nicht der Produktmarkt im Mittelpunkt steht, sondern der Meinungsmarkt und demzufolge andere Positionierungskriterien genutzt werden, wie psychologische Faktoren, Angebotsnutzen, Kauf- und Verhaltensmotive. Hat ein Unternehmen für sein Angebot einen solchen relevanten funktionalen USP festgestellt, dann kann es diesen auch in seiner Marktkommunikation herausheben und fokussieren. Wichtig ist, daß dieser USP relevant für die Zielpersonen ist, und die Zielpersonen auch an diesem Produkt interessiert sind, also ein hohes Involvement aufweisen. Ist dagegen ein solch ausgeprägtes Involvement nicht vorhanden, dann ist fraglich, ob eine solche funktionale Positionierung effektiv ist. Als Alternative dazu bietet sich dann an, eine emotionale, erlebnis-orientierte Positionierungsstrategie zu wählen.
74
2. Situationsanalyse
Die Forderung nach einem USP - einer produktbezogenen Alleinstellung - ist heute angesichts oft vorzufindender Ähnlichkeit der Produkte nur noch schwierig durchzusetzen, insbesondere im Konsumgüterbereich, denn in vielen Branchen sind die lohnenden USPs bereits besetzt. Im Investitionsgüterbereich bestehen hierfür vielleicht noch verstärkt Möglichkeiten, da hier insbesondere rational- und kostenorientierte Argumente entscheidungsrelevant sind. Zudem besteht einerseits die Gefahr, daß noch vakante funktionale UniquePositionen wenig Bedeutung für die Zielgruppen haben und somit wenig Effizienz in der Marktbearbeitung aufweisen und andererseits werden vakante Positionen durch die sich verkürzenden Lebenszyklen immer schneller obsolet; dies kann zu einer permanenten Modifikation der gewählten Positionierung führen (vgl. Pepels, 1994, S. 110 f.). Daraus folgt, daß immer seltener die Positionierung eines Produktes allein durch seine Funktion und durch sein Design zu bestimmen ist (also durch seinen Grundnutzen) und immer häufiger der emotionale Nutzen (Zusatznutzen) virulent wird. Deshalb erscheint eine kommunikative Positionierung, die sowohl auf Aspekte des Grundnutzens als auch auf Dimensionen des Zusatznutzens zurückgreifen kann, sinnvoller und wirkungsvoller zu sein. Je nach Produkt/Angebot, Produktinteresse, Zielpersonenperspektive, Wettbewerbssituation etc. ergeben sich dann Möglichkeiten, sich von der Konkurrenz zu differenzieren, denn letztendlich bestimmt nicht die Realität das Kaufverhalten, sondern die Vorstellungen und Erwartungen (Images) die Zielpersonen vom Angebot haben (Peter, 1991, S. 181). Die vom Unternehmen gewählte Positionierung muß allerdings einen Bezug zur Realität haben, d.h. sie muß sich in Wort und Tat widerspiegeln. Bei der Positionierung sind vier Fehler - auch kommunikativ- zu vermeiden: • Unterpositionierung: d.h. daß bei den Zielpersonen nur unklare, diffuse Vorstellungen über das Unternehmen und sein Angebot vorhanden sind; es wird nur als eines von vielen gesehen. • Überpositionierung: in diesem Fall wird das Unternehmen, sein Angebot von den Zielpersonen zu eng gesehen und damit bestimmte Nachfragerpotentiale ausgegrenzt. • Unklare Positionierung: hier entwickeln die Zielpersonen konfuse, partiell widersprüchliche Vorstellungen über das Angebot. • Zweifelhafte Positionierung: in diesem Fall zweifeln die Zielpersonen die kommunizierte Positionierung an (vgl. Kotler & Bliemel, 2001, S. 497).
2.1 Situationsanalyse als Grundlage strategischer Planung
75
Generell können aus der Analyse der funktionalen Positionierung eines Angebotes also Chancen und Probleme möglicher Nutzenargumente abgeleitet werden, die dann später in der Marktkommunikation eingesetzt werden können.
2.2 Situationsanalyse als Grundlage operativer Maßnahmenplanung Aus den strategischen Basisentscheidungen leitet sich die operative Planung ab. Während die strategischen Entscheidungen die wichtigsten Ziele zum Inhalt haben, die langfristig angestrebt bzw. realisiert werden sollen, betrifft die operative Planung die Entscheidungen über den Weg zu den angestrebten Zielen, also die notwendigen Maßnahmen. Vielfach wird in der Praxis das Kommunikationsmanagement ausschließlich mit der Maßnahmenplanung konfrontiert. Aufgrund der Marktnähe, der Sensibilisierung für Entwicklungstrends im sozialen und ökonomischen Umfeld, sollte das Kommunikationsmanagement stärker in die strategische Planung involviert werden. Dies würde vermutlich zu einer höheren Effizienz führen, u.a. auch weil dadurch das Verständnis für einzelne Maßnahmen bei allen Beteiligten steigen würde. Aus der strategischen Planung ist abzuleiten, welche Teilmärkte für die Marktkommunikation relevant sind. Es muß nicht immer der gesamte relevante strategische Markt auch für die Zielgruppenselektion im Rahmen der operativen Marktkommunikation relevant sein. Man kann z.B. entscheiden, daß bestimmte Marktsegmente ausschließlich über Zweitmarken zu bearbeiten sind. Eine andere Möglichkeit ist die Belieferung des Handels mit Handelsmarken, vielleicht wird sogar ein Wettbewerber beliefert, der ein bestimmtes Marktsegment distributiv eher erreicht als die eigene Unternehmung. Alles dies kann dazu führen, daß nicht der gesamte strategisch relevante Markt auch kommunikationsstrategisch relevant ist. Andererseits ist zu beachten, daß für die Marktkommunikation weitere Zielgruppen hinzukommen können, die in den einzelnen Marktsegmenten wichtige Kommunikationsfunktionen innehaben. Dies können z.B. Meinungsführer oder Beeinflusser sein, die im Entscheidungsprozeß für ein bestimmtes Produkt wesentlichen Einfluß ausüben können, oder Multiplikatoren wie z.B. Journalisten, die in vielen Fällen wichtige Mittlerfunktionen übernehmen können. Im folgenden soll auf die notwendige Informationsbasis zur operativen Planung der Marktkommunikation eingegangen werden. Folgende Informationsbereiche sind hier von Bedeutung:
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• • • • •
2. Situationsanalyse
Entwicklung und Prognose des relevanten Marktes Stärken und Schwächen gegenüber den wichtigsten Wettbewerbern, Nachfrage und Verbrauch (Konsumentenperspektive), Handel und Vertrieb, Entwicklungen im Makroumfeld.
2.2.1 Entwicklung und Prognose des relevanten Marktes Als erste Frage ist zu klären, was als relevanter Markt bestimmt wird, in dem das Unternehmen operiert. Hier geht es darum, den Markt, den man bearbeiten will, so exakt wie möglich zu definieren. Diese Festlegung hat vielfache Auswirkungen auf die Kommunikationsarbeit, z.B. auf die Konkurrenzbetrachtung, auf die Auswahl der Personen der Zielgruppe, auf Budgetfragen, etc. Es ist sinnvoll, den Markt problemorientiert zu bestimmen und nicht von vorhandenen technischen Problemlösungen und Fertigungsverfahren auszugehen. Es kommt darauf an, zu erkennen, mit welchen Produktarten die betreffenden Probleme am Markt zu lösen sind und auf welche Akzeptanz diese jeweils stoßen und stoßen werden. So ist z.B. sportliche Betätigung möglich durch Radfahren (Rennrad, Mountain Bike, Tourenrad), Rudern, Jogging, „Nordic Walking“ etc. Werden vielleicht manche dieser sportlichen Aktivitäten durch Veränderungen in der gesellschaftlichen Wertestruktur tangiert? Auch derartige Fragen allgemeiner Akzeptanz, vorhandener und zukünftiger Produkte gehören zu dieser Analyse. Denn daraus kann sich die Aufgabe für die Marktkommunikation ergeben, bestimmte Produkt/Angebotsformen hinsichtlich ihrer allgemeinen Akzeptanz zu beeinflussen. Möglicherweise ergibt sich aus einer derartigen Analyse auch die Notwendigkeit einer Gemeinschaftswerbung aller Anbieter der gleichen Produkte, ehe an Einzelmaßnahmen gedacht wird (z.B. die gemeinsame Werbung der Chemischen Industrie hinsichtlich ihrer Umweltverantwortung). Manche Märkte hängen in ihrer Entwicklung ganz einfach von der leicht zu berechnenden Bevölkerungsstruktur ab (z.B. Zunahme der Gruppe der Senioren). Zweitens ist zu fragen, wie dieser Markt zu bearbeiten ist. Grundsätzlich stehen dazu zwei strategische Optionen offen: Die erste Möglichkeit besteht darin, den relevanten Gesamtmarkt nicht zu differenzieren, sondern mit einer Gesamtmarktstrategie (undifferenziertes Marketing) auf allen möglichen Teilmärkten (regional, international, kulturell, soziodemographisch, psychographisch, Kaufverhalten, etc.) gleichzeitig und gleichartig zu agieren. Hierbei konzentriert man sich nicht auf die Unterschiede, sondern sucht das allen Käufern Gemeinsame. Coca Cola praktizierte in den Anfängen diese Strategie: Ein Getränk, ein Geschmack für alle, abgefüllt in immer gleicher Menge in immer derselben Flasche. Dies bedeutet, daß man - auch kommunikativ - mit allen Wettbewerbern zugleich konfrontiert wird. Die kommunikative Positionierung
2.2 Situationsanalyse als Grundlage operativer Maßnahmenplanung
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kann aufgrund der breiten und vielleicht auch partiell inhomogenen Zielgruppe häufig auf nicht-spezifische Bedürfnisse zugeschnitten sein, sie muß das Allen Gemeinsame suchen. Damit besteht die Gefahr, daß sie diffus und unklar bleibt. Zunehmend gewinnt aber seit Jahrzehnten die zweite Option an Bedeutung: die Segmentierung von Märkten. Die Gründe dafür sind vielfältig. Insbesondere die quantitative Sättigung vieler Märkte führte zu einem verschärften Wettbewerb und damit verbunden zu Preiskämpfen. Unternehmen, die sich diesen Marktentwicklungen entziehen wollen, müssen verstärkt einen höheren Grad der Bedürfnisbefriedigung als vergleichbare Massenprodukte anbieten. Dies ist durch ein intensiveres Eingehen auf die Bedürfnisse der Verbraucher zu erreichen, und damit ist eine stärkere Individualisierung auf spezifische, in sich homogene Teilmärkte erforderlich. Nichts anderes ist mit Marktsegmentierung gemeint. Unter Marktsegmentierung wird die Aufteilung eines (uneinheitlichen) Gesamtmarktes für ein Produkt in möglichst homogene Teilmärkte (Segmente) verstanden und deren gezielte Bearbeitung durch ein maßgeschneidertes Marketing-Mix, im Extremfall bis hin zu einem One-to-One-Marketing. Diese Marktsegmentierung kann anhand von geographischen, demographischen oder psychographischen Variablen durchgeführt werden. Die Kriterien für eine sinnvolle Marktsegmentierung müssen bestimmte Anforderungen erfüllen: • Kaufverhaltensrelevanz: die Kriterien müssen von ausschlaggebender Bedeutung für das Kaufverhalten sein. • Die Ausprägungen dieser Merkmale sollten einen Ansatzpunkt für die gezielte Marktbearbeitung bieten. • Die einzelnen Kundengruppen sollten über bestimmte Kommunikations- und Distributionskanäle erreicht werden können. • Die Ausprägung der Merkmale sollte mit den Instrumenten der Marktforschung erfaßbar sein. Sie sollten im Zeitverlauf eine gewisse Stabilität haben. • Die Wirtschaftlichkeit muß gegeben sein, d.h. die Bearbeitung der einzelnen Marktsegmente muß sich für das Unternehmen lohnen (vgl. Schweiger & Schrattenecker, 2001, S. 50 f.). In solchen Marktsegmenten hat man es meist mit weniger Wettbewerbern zu tun als in einer Gesamtmarktstrategie; und hier sind auch kommunikative Positionierungen möglich, die speziell auf die einzelnen Marktsegmente zugeschnitten sind. Im Rahmen dieser Marktsegmentstrategie kann sich das Unternehmen jetzt noch entscheiden, ob es nur ein Marktsegment konzentriert bearbeiten (konzentriertes Marketing) oder mehrere Marktsegmente differenziert (differenziertes Marketing) bearbeiten will. Ein Sonderfall der Marktsegmentierungsstrategie ist das Marktni-
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2. Situationsanalyse
schenkonzept, in dem man als Anbieter als erster in eine noch unbesetzte Marktnische tritt (z.B. Polaroid). Für die operative Maßnahmenplanung ist die Entwicklung des jeweils relevanten (Teil-) Marktes von der Vergangenheit bis zur aktuellen Situation sowie der Prognose über die künftige Entwicklung sowohl wert- als auch mengenmäßig von Bedeutung. Auch von außen auf den Markt einwirkende Einflüsse sind zu berücksichtigen. Das können konjunkturelle Einflüsse sein, aber auch demographische Entwicklungen (z.B. Zunahme der Single-Haushalte), sich verändernde Wertstrukturen in der Bevölkerung oder sich abzeichnende Mode- und Konsumtrends. Die beiden letzten Aspekte können auch die inhaltliche Gestaltung der Werbeaussagen beeinflussen. Dabei sind auch regional oder kundenspezifisch unterschiedliche Entwicklungen relevant. Wichtige Schlüsselwerte sind: • Marktbreite (Anzahl möglicher Verwender) und Marktpotential (ergibt sich aus dem Bedarf je Verwender), • Marktvolumen wert- und mengenmäßig, ggf. segmentiert nach Kundengruppen, Regionen oder Vertriebskanälen, • Marktanteile wert- und mengenmäßig in der Entwicklung der letzten Jahre, • Marktanteile der wichtigsten Wettbewerber ebenfalls in der Entwicklung der letzten Jahre. Unter Marktbreite versteht man die Anzahl der potentiellen Interessenten, also derjenigen Personen, die das Produkt nachfragen würden, unter der Voraussetzung, daß sie über die ausreichende Kaufkraft verfügen, und daß ihnen ihre Bedürfnisse bewußt wären. Durch mögliche Zugangsbarrieren kann diese Marktgröße noch weiter reduziert werden, z.B. wenn ein Motorradhersteller seine Produkte in bestimmte Länder nicht exportieren dürfte. Das Marktpotential kann als Obergrenze der Gesamtnachfrage verstanden werden, wenn die branchenweiten Marketingaufwendungen auf dem höchsten machbaren Niveau liegen und zwar bei einem gegebenen Umfeld (vgl. Kotler & Bliemel, 2001, S. 241). Damit stellt das Marktpotential letztendlich eine fiktive Größe dar, die allerdings einen wichtigen Orientierungswert besitzt. Die Größe der potentiellen Abnehmergruppen beeinflußt vor allem die Zielgruppenplanung, die Höhe des erforderlichen Budgets und kann auch die kommunikative Positionierung tangieren. So kann z.B. die Darstellung als Prestige- und Statusobjekt bei einer großen Marktbreite wenig adäquat sein.
2.2 Situationsanalyse als Grundlage operativer Maßnahmenplanung
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Das Marktvolumen gibt dagegen die Gesamtheit aller realisierten Absatzmengen (Absatzerlöse) für einen bestimmten Produkt- oder Branchenmarkt an. Das Marktvolumen ist dabei abhängig von der Anzahl der Nachfrager und deren durchschnittlichem Bedarf. Der Marktanteil drückt das Verhältnis des jeweiligen Absatzvolumens der einzelnen Anbieter am Gesamtmarktvolumen in Prozent aus. Als marketingstrategische Zielgröße ist der Marktanteil besonders geeignet, denn eine Umsatzsteigerung kann z.B. auch auf günstige Umfeldbedingungen (z.B. Konjunkturaufschwung) basieren; aus einer positiven Veränderung des Marktanteils kann dagegen direkt auf die Qualität des eigenen Marketings im Vergleich zur Konkurrenz geschlossen werden. Bei der Entwicklung der Marktanteile sind „Gain and Loss“ - Analysen von besonderer Bedeutung, aus denen hervorgeht, an wen welche Anbieter welche Marktanteile verloren und von wem sie welche Marktanteile gewonnen haben. Aus der Haushaltspanelforschung ist relativ einfach ersichtlich, wie sich bestimmte Käufergruppen im Konsumgüterbereich über längere Zeiträume hinweg verhalten haben. Kenntnisse über die Stabilität oder Wanderungsbewegungen im Konsumentenverhalten ist für die Marktkommunikation bedeutsam, denn die Stabilisierung des Kaufverhaltens erfordert andere kommunikative Aktivitäten als die Gewinnung von Neukunden. Die Prognose kann als die Antizipation dessen gesehen werden, was die Käufer oder Kunden unter bestimmten Bedingungen voraussichtlich tun werden. Zur Schätzung der Nachfrage können Unternehmen unterschiedliche Vorhersagemethoden einsetzen z.B. Umfeldprognosen, Ermittlung der Käuferabsichten, Expertenmeinungen, Zeitreihenanalysen, Szenariotechniken, etc. Die Prognose des Gesamtmarktes ist jedoch in starkem Maße davon abhängig, ob mit dem Entstehen ganz anderer Problemlösungen zu rechnen ist, bzw. welche Entwicklungen vorhandene andere Problemlösungen voraussichtlich nehmen werden.
2.2.2 Stärken und Schwächen gegenüber den wichtigsten Wettbewerbern Die Planung und die Entscheidungen der Marktkommunikation werden erheblich durch die Wettbewerbssituation beeinflußt. Insbesondere bei der kommunikativen Positionierung, aber auch bei der Mediaplanung und der Botschaftsgestaltung sind die Wettbewerbs-Aktivitäten zu berücksichtigen. Die genaue Bestimmung und Beschreibung der wichtigsten Wettbewerber geht über die Stärken- und Schwächen-Analyse im Rahmen der strategischen Planung hinaus. Dort wird lediglich geprüft, in welchen erfolgsrelevanten Dimensionen Vor- und/oder Nachteile gegenüber den Wettbewerbern bestehen. Jetzt ist auch
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2. Situationsanalyse
nach Gründen für diese Tatbestände zu fragen und stärker auch auf kommunikative Gegebenheiten abzustellen. Man kann hier zwei Betrachtungsweisen differenzieren: • Welches sind spezifische Vor- und Nachteile in einer eher objektiv-orientierten Perspektive? • Wie werden Qualitäts-Vorteile und -Nachteile aus Abnehmersicht wahrgenommen und beurteilt?
2.2.2.1 Stärken und Schwächen aus quantitativer und qualitativer Perspektive Hier ist das gesamte Marketingprogramm des Wettbewerbs zu analysieren. Wie verhält sich der Markt in Hinblick auf die Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik? Für die eigene Kommunikationsstrategie sind dabei sowohl qualitative als auch quantitative Daten für die Analyse des Wettbewerbs erforderlich, insbesondere natürlich hinsichtlich der Marktkommunikation der Wettbewerber. Qualitative Daten beziehen sich vor allem auf die Inhalte der Botschaften der relevanten Wettbewerber. Wie positionieren sie sich am Markt, wie gestalten sie ihre Botschaften? Dies zu wissen ist notwendig, um für das Unternehmen die entsprechende kommunikative Positionierungsstrategie wählen zu können. Dafür kann eine Copy-Analyse durchgeführt werden. Dadurch soll ermittelt werden, welche Positionen der Wettbewerb mit seinen Produkten und Marken im Markt anvisiert und welche Copy-Strategien dafür eingesetzt werden. Kernbestandteile einer solchen Wettbewerbs-Analyse sind: • • • • •
Positionierung des Angebots, Consumer Benefit/Kernbotschaft, Reason Why, Tonality, und Zielgruppe.
Weiterhin können Umsetzungsaspekte in der Copy-Analyse Berücksichtigung finden. Welche Claims und Slogans werden eingesetzt? Gibt es Konstanten im Corporate Design und hinsichtlich der Schlüsselreize in der Kommunikation (Key Visuals)? Welche Headlines/Sublines und damit Kernaussagen werden benutzt?
2.2 Situationsanalyse als Grundlage operativer Maßnahmenplanung
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Sinnvolle Aussagen lassen sich allerdings nur dann treffen, wenn mehrere Kommunikationsmittel (also keineswegs nur die Werbung) in die Analyse mit einbezogen werden (vgl. Schnettler & Wendt, 2003). Quantitative Daten beziehen sich insbesondere auf die Höhe der Kommunikationsausgaben des Wettbewerbs und der Branche, den eingesetzten Instrumenten und benutzten Medien und deren zeitlicher Einsatz. Der Werbedruck im Vergleich zur Konkurrenz wird in der Praxis anhand dreier Vergleiche realisiert:7 • „Share of Advertising“ (SOA), • „Share of Voice“ (SOV), • „Share of Mind“ (SOM) (vgl. hierzu Unger et al., 2003, S. 52 ff., und Unger & Dögl, 1995, S. 134 ff.). Der „Share of Advertising“ beschreibt den Anteil des eigenen Werbeetats am Gesamtvolumen der Wettbewerber im relevanten Markt. Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß die Kommunikationswirkung – hier speziell die Werbewirkung – nicht nur das Ergebnis des eigenen Werbeaufwandes ist, sondern auch durch die kommunikativen Aktivitäten des Wettbewerbes beeinflußt wird. Tabelle 2-1: Share of Advertising
Eigenmarke Wettbewerber A Wettbewerber B Wettbewerber C Gesamtmarkt
Werbeausgaben in Mio. € 2,00 3,00 1,50 1,00 7,50
Prozentualer Anteil 27 40 20 13 100
Relativer SOA der Eigenmarke 0,675
Ergänzend zu dem prozentualen Anteil des eigenen Werbeaufwandes kann zusätzlich und sinnvollerweise auch ein relativer SOA errechnet werden (ähnlich wie bei der Beurteilung von Marktanteilen), denn ein Prozentsatz von 20% kann sehr viel sein, wenn sich viele Wettbewerber relativ stark in der Werbung engagieren, kann aber auch sehr wenig sein, wenn z.B. der Marktführer über 60% Anteil hat. Den 7
Die Analyse des Werbeaufwands der Konkurrenz ist relativ einfach möglich; hier kann man auf Daten von Marktforschungsinstituten zurückgreifen oder durch eigene Erhebungen zumindest relativ exakte Schätzungen über die Werbeintensität der Wettbewerber erhalten. Wesentlich schwieriger ist die Erhebung solcher Daten bei anderen Kommunikationsinstrumenten wie bei Verkaufsförderung, Sponsoring, Direct Marketing und speziell bei Product-Placement-Aktivitäten.
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2. Situationsanalyse
relativen SOA setzt man dann in Relation zum größten Wettbewerber. Ist z.B. ein Nicht-Marktführer SOA-Führer, so kann daraus auf eine aggressive MarketingStrategie geschlossen werden. Diese Analyse empfiehlt sich besonders dann, wenn das Kommunikationsmanagement über mehrere Budgets zu befinden hat. Der eingesetzte Werbeaufwand allein ist noch kein ausreichender Indikator für eine erfolgreiche Mediaplanung. Deshalb kann zur Analyse des erzielten Werbedruckes auf den „Share of Voice“ zurückgegriffen werden. Er bezieht sich auf die Summe aller Werbekontakte (Bruttoreichweite) innerhalb der Zielgruppe. Der SOV kann genauso in Anteilswerten ausgewiesen werden wie der SOA. Er gibt an, wieviel Prozent der insgesamt erzielten Kontaktchancen das eigene Unternehmen bzw. die einzelnen Wettbewerber erreicht haben. Mit diesen Kennzahlen kann kontrolliert werden, wie effizient das Werbebudget im Vergleich zur Konkurrenz eingesetzt wird. Jedoch ist dabei zu bedenken, daß hier die eigene Zielgruppe, das eigene selektierte Marktsegment als Basis dient. Es kann jedoch durchaus der Fall sein, daß Wettbewerber eine andere Zielgruppendefinition haben und unsere eigene Zielgruppe daher weniger tangieren. Auch bei dieser Analyse ist es sinnvoll, einen relativen SOV auszuweisen, der den Wert des eigenen SOV in Relation zum wichtigsten Wettbewerber ausdrückt. Tabelle 2-2: Share of Voice
Eigenmarke Wettbewerber A Wettbewerber B Wettbewerber C Gesamtmarkt
Kontaktchancen in Mio. 11 18 7 9 45
Prozentualer Anteil am SOV 24 40 16 20 100
Relativer Anteil am SOV 0,6
Da der SOV sich aus der Multiplikation von Reichweite mit durchschnittlicher Kontaktzahl ergibt, kann es durchaus sein, daß die eigene Werbung weniger intensiv wirkt, nämlich dann, wenn sich der höhere SOV-Wert aus einer hohen Zielgruppenreichweite in Verbindung mit einer relativ niedrigen Kontaktzahl ergibt. Dies gilt vor allem in solchen Situationen, in denen bei den Zielgruppen von einem niedrigen Involvement auszugehen ist. Deshalb ist es sinnvoll, eine weitere Kennziffer einzuführen, den „Share of Mind“. Er zeigt an, wie sich der Werbedruck auf die einzelnen Personen verteilt, es werden die durchschnittlichen Kontaktchancen (OTC-Werte) miteinander verglichen. Der Werbedruck im Konkurrenzvergleich läßt sich natürlich zum Zeitpunkt der Planung noch nicht exakt bestimmen, man ist angewiesen auf Vergangenheitsdaten und Hypothesen über das augenblickliche und zukünftige Verhalten der Konkurrenz.
2.2 Situationsanalyse als Grundlage operativer Maßnahmenplanung
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Tabelle 2-3: Share of Mind
Eigenmarke Wettbewerber A Wettbewerber B Wettbewerber C Gesamtmarkt
Durchschnittliche Kontaktchancen pro erreichte Person 6,5 5,7 5,1 4,8 22,1
Prozentualer Anteil am SOM
Relativer Anteil am SOM
29 26 23 22 100
1,12
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Frage, welche Instrumente des Kommunikations-Mixes der Wettbewerb nutzt, und wie intensiv diese Instrumente eingesetzt werden. So kann sich z.B. ergeben, daß der Marktführer überhaupt keine Mittel in die Werbung investiert, sondern primär über einen überaus ausdifferenzierten Außendienst (Direktverkauf) mit seinen Kunden kommuniziert (z.B. Vorwerk im Bodenpflegemarkt) oder aus verstärkten Verkaufsförderungsaktivitäten des Wettbewerbs ergibt sich die Notwendigkeit, auch dieses Instrument verstärkt zu nutzen. Zudem sollten die einzelnen eingesetzten Instrumente näher analysiert werden. So wäre z.B. für die Werbung zu fragen, in welchen Medien Spots- oder Anzeigen geschaltet werden. Vielleicht ergeben sich daraus für die eigene Mediaplanung Möglichkeiten, andere Medien zu belegen, um nicht in direkte kommunikative Konkurrenz mit dem Wettbewerb zu treten (Ausweichstrategie) oder gerade die andere Option, mit dem Wettbewerb sich direkt kommunikativ zu messen und die gleichen Medien zu belegen. Auch die Analyse des zeitlichen Einsatzes der Kommunikations-Instrumente des Wettbewerbs kann wichtige Hinweise für die eigene Kommunikationsstrategie liefern. So ist es z.B. sinnvoll, den Werbeaufwand im Jahresverlauf zu betrachten. Hier können sich z.B. bestimmte Schwerpunkte und Lücken der Werbeaufwendungen in bestimmten Monaten zeigen, die zu einer sinnvollen Verlagerung der eigenen Werbeaufwendungen führen können. Die dargestellte Kurve (Abbildung 2-7) zeigt eine fiktive8 zeitliche Verteilung der Werbeaufwendungen in einer Branche. In den Sommermonaten gehen die Werbeaufwendungen erheblich zurück (das sogenannte Sommerloch). Handelt es sich dabei um ein Produkt ohne saisonale Einflüsse, so ist in einem solchen Fall es durchaus möglich, seine Werbemittel verstärkt in diesen Monaten einzusetzen, um
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Solche oder ähnliche Verteilungen finden sich durchaus in der Realität, insofern ist die Fiktivität eine beschränkte.
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2. Situationsanalyse
damit eine relative kommunikative Alleinstellung zu haben.9 Ähnliche Analysen lassen sich auch für andere Instrumente wie z.B. Verkaufsförderung durchführen.
Werbe- Werbeaufwend ungen pro aufwendungen Monat in Mio. DM pro Monat in Mio. €
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
8. 9. 10. 11. 12.
Monate
Abbildung 2-7: Fiktive zeitliche Verteilung der Werbeaufwendungen einer Branche Sicherlich ist für das augenblickliche Marktverhalten ausschließlich die Sichtweise der Zielpersonen maßgeblich, dennoch liefern objektive Beschreibungsmerkmale vielleicht Ansatzpunkte für die Prognose des Abnehmerverhaltens in Zukunft oder sie bieten Ansatzpunkte für eigene offensive Kommunikationsstrategien.
2.2.2.2 Qualitäts-Vorteile und -Nachteile aus Konsumentensicht Die Kenntnisse darüber, wie Kunden und potentiell Interessierte die Produkte am Markt bewerten, hat entscheidenden Einfluß auf das Verständnis des Kaufverhaltens. In der Marketing-orientierten Forschung dominieren hier vor allem multiattributive Modelle, bei denen die Gesamteinstellung gegenüber einem Produkt/Angebot nicht nur die Einschätzung einzelner Produktattribute zuläßt, sondern darüber hinaus die „Instrumentalität“ dieser Attribute zu erfassen sucht (Wiswede, 1988, S. 233). Dafür sind verschiedene Modelle entwickelt worden. Grob lassen sich diese Modelle in zwei Kategorien einteilen: kompensatorische und nicht-kompensatorische Modelle. Bei den kompensatorischen Modellen können schlechtere Beurteilungen einer Qualitätsdimension durch bessere Beurteilun9
Es besteht häufig noch immer der Glaube, daß in den Sommermonaten ein Großteil der Bevölkerung im Urlaub ist und medial nicht zu erreichen sei. Dies läßt sich anhand von empirischen Daten klar widerlegen. Zudem ist zu überlegen, ob die Zielpersonen nicht gerade im Urlaub Zeit für Mediennutzung haben.
2.2 Situationsanalyse als Grundlage operativer Maßnahmenplanung
85
gen auf anderen Dimensionen ausgeglichen werden, d.h. kompensiert werden. Dieser Ausgleich ist im Falle der nichtkompensatorischen Modelle nicht gegeben. Kompensatorische Modelle: Ein wichtiges, einstufiges Verfahren ist das Einstellungsmodell von Fishbein (1963, 1966). Dem Ansatz von Fishbein liegt die Überlegung zugrunde, daß jeder Meinungsgegenstand bestimmte Merkmale hat, die für die Einstellungen ihm gegenüber bestimmend sind und daß diese Einstellung sich aus der Kenntnis dieser Merkmale (kognitiv) und ihrer Bewertung (affektiv) ergibt. Danach läßt sich die Gesamteinstellung des Konsumenten gegenüber der jeweiligen Marke durch eine Wertzahl darstellen. Formal läßt sich dies in der Formel n
A ij = ∑ B ij k × a ij k k=1
ausdrücken, wobei Aij
= Berechneter Wert der Gesamteinstellung des Konsumenten k zu Marke j,
Bijk
= Wahrscheinlichkeit, mit der Person i das Merkmal k an Objekt j für vorhanden hält,
aijk
= Bewertung des vorhandenen Merkmals k an Objekt j durch Person i.
Diese Wertezahl ergibt sich, indem man für alle relevanten Merkmale deren Einschätzung und Gewichtung durch den Konsumenten miteinander multipliziert und die entstehenden Teilwerte zum Gesamtwert addiert. D.h. die Einstellung einer Person, bezogen auf ein Produkt wird um so höher ausfallen, je mehr als wichtig angesehene Eigenschaften vermutet werden, und um so wichtiger deren Vorhandensein eingeschätzt wird. In der Marketing-Praxis findet sich häufig eine leicht vereinfachte Variante dieses Modells (vgl. Unger, 1997, S. 84):
E =
n
∑A i=1
i
× gi
Dabei steht E für die Gesamteinstellung der befragten Personen, Ai für die von der Person vermuteten Merkmalsausprägung und gi für die jeweilige Gewichtung. Auch hierbei erhält die Produktalternative, die am meisten präferiert wird, den
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2. Situationsanalyse
höchsten Einstellungswert. Fishbein & Ajzen (1980, S. 154) kritisieren an diesem Modell, daß es leicht zu Verzerrungen führt, da die Merkmalsausprägungen bei wichtigen Eigenschaften leicht über- bzw. unterschätzt würden. Ein ähnliches Modell entwickelten Ginter (1974) und Trommsdorff (1975). Dieses besagt, daß Konsumenten das Bild einer idealen Marke vor Augen haben und die tatsächlich existierenden Marken mit diesem Idealbild vergleichen. Je kleiner der Abstand (Distanz) zwischen Idealbild und dem tatsächlichen existierenden Angebot, desto stärker wird die Präferenz für diese Marke ausgeprägt sein. Die Gesamteinstellung ergibt sich aus folgender Formel: n
E = ∑ Ai − A i =1
A steht für die wahrgenommene, Ai für die als ideal angesehene Ausprägung eines Qualitätsmerkmals. D.h. bei diesem Modell wird die Alternative mit dem geringsten Wert als die günstigste gesehen. Aus beiden Modellen lassen sich für die Kommunikationsarbeit verschiedene Vorgehensweisen ableiten. Kommunikationsziel kann es einmal sein, die Wahrnehmung einzelner Produktmerkmale des eigenen Produktes durch die Abnehmer zu verändern, um so eine bessere Gesamtbeurteilung zu erreichen. Eine andere Möglichkeit ist es, die Bedeutung einzelner Komponenten zu verändern. Selbstverständlich können einem Produkt auch völlig neue Eigenschaften hinzugefügt werden, faktisch und kommunikativ. Nicht-kompensatorische Modelle und Mischformen: Das „Disjunktive Modell“ geht davon aus, daß die Abnehmer bezüglich einiger weniger wichtigen Merkmale ein bestimmtes Anspruchsniveau definieren. Eine Alternative kommt dann in die engere Auswahl, wenn wenigstens eine Merkmalsausprägung das jeweilige Anspruchsniveau erfüllt. So könnte jemand beschließen, nur einen Computer mit großem Speicher oder guter Graphikfähigkeit in die nähere Auswahl zu nehmen. Höhere Bewertungen bei den anderen Variablen führen nicht dazu, daß die entsprechenden Alternativen in die Endauswahl kommen. Dieses Modell führt nicht zwangsläufig zu einer Auswahlentscheidung, vielmehr besteht die Möglichkeit, daß ein „Evoked Set“ gebildet wird.10 In einem zweiten Schritt kann dann erst die endgültige Selektion erfolgen. 10
Das „Evoked Set“ kann als die Summe der bekannten und als akzeptabel eingestuften Alternativen verstanden werden. Diese Kategorie wird bei Kotler & Bliemel (2001, S. 357) als „Accept Set“ bezeichnet. Dieses resultiert aus verschiedenen Selektionsstufen. Den Ausgangspunkt bildet das „Total Set“, welches aus der Gesamtmenge der zur Auswahl stehenden Marken besteht, daraus wird aber durch die Interessenten nur ein
2.2 Situationsanalyse als Grundlage operativer Maßnahmenplanung
87
Für das Kommunikationsmanagement ist es deshalb von überragender Bedeutung zu wissen, welche Eigenschaften von welchen Abnehmergruppen (den jeweiligen Marktsegmenten) beurteilungsrelevant sind. Diese müssen dann auch kommunikativ herausgestellt werden, um so das eigene Angebot im „Evoked Set“ der Zielgruppe zu plazieren. Daran schließt sich als weitere Frage an, wie sich diese Personengruppe innerhalb dieses „Sets“ entscheidet. Der relativ einfache kognitive Aufwand, der betrieben wird für die Bildung des „Evoked Set“, deutet darauf hin, daß es sich nicht um wichtige Produkte für den Kunden handelt (Low Involvement-Produkte). Dieser Tatbestand spricht möglicherweise dafür, daß von einer sogenannten „First Rule“ ausgegangen werden kann. D.h., daß die erste Alternative, die dem Anspruchsniveau genügt, auch erworben wird. Eine weitere Mischform zwischen kompensatorischen und nicht-kompensatorischen Modellen ist das zweistufige „Konjunktive Modell“. Hierbei bewerten die Konsumenten die zur Auswahl stehenden Alternativen, indem Mindestanforderungen an die Merkmale gestellt werden. Eine Alternative kommt dann in die engere Auswahl, wenn alle Mindestanforderungen wenigstens erfüllt werden.11 Dies kann sowohl dazu führen, • daß nur eine Alternative diesen Selektionskriterien genügt, • daß keine Alternative diesem Anforderungskatalog entspricht oder • daß dies auf mehrere Angebote zutrifft. D.h. nicht zwangsläufig wird eine Auswahl getroffen, es besteht die Möglichkeit, einen sogenannten „Evoked Set“ zu bilden. In einem zweiten Schritt erfolgt dann die Selektion. Für das Management kommt es darauf an, kommunikativ zu verdeutlichen, daß das eigene Produkt dem Anspruchsniveau innerhalb des ausgewählten Marktsegments entspricht. Wenn es nach diesem Modell auch zu einem „Evoked Set“ kommt, ist aufgrund des relativ hohen Anspruchsniveaus anzunehmen, daß es sich eher um wichtige Produkte
11
Teil zur Kenntnis genommen („Awareness Set“ - Set der bekannten Marken). Daraus wird wiederum nur ein Teil näher betrachtet („Processed Set“), denn von einer Teilmenge hat die Zielperson nur eine diffuse Vorstellung, dieser Teil wird in einem sogenannten „Foggy Set“ ausselektiert. Bei den näher analysierten Marken, werden einige von vornherein ausgeschieden („Reject Set“), andere in die engere Wahl genommen („Accept Set“) und wiederum andere Marken in das „Hold Set“ aufgenommen, das sind Marken, die von vornherein weder verworfen noch als akzeptabel angesehen werden, sie sind im Prinzip irrelevant. Die Auswahl der relevanten Eigenschaften und deren jeweilige Anspruchsniveaus können durchaus von Abnehmergruppe zu Abnehmergruppe differieren; dies bedeutet wiederum einen Ansatz zur Marktsegmentierung.
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2. Situationsanalyse
handelt. Dies spricht dafür, daß in der zweiten Bewertungsstufe statt der erwähnten „First Rule“ eine vollständige kompensatorische Vorgehensweise denkbar ist. In diesem Fall werden die verbleibenden Produktalternativen vollständig und kompensatorisch beurteilt. Ein weiteres nicht-kompensatorisches Modell ist das Lexikographische Modell. Hier geht man davon aus, daß die Abnehmer die Attribute nach ihrer Wichtigkeit ordnen und die zur Auswahl stehenden Alternativen dann anhand des wichtigsten Merkmals vergleichen. Ist eine Alternative nach diesem Attribut allen anderen überlegen, so wird diese ausgewählt. Werden zwei oder mehrere Alternativen auf dieser wichtigsten Eigenschaftsdimension als gleich beurteilt, oder erscheinen die gefundenen Unterschiede nicht als wesentlich, dann wird der Selektionsprozeß auf der zweitwichtigsten Dimension fortgesetzt, usw. bis eine Auswahl getroffen wird. Es ist ferner denkbar, daß einzelne Schlüsselreize von vornherein für die Gesamtbeurteilung ausschlaggebend sind. Dann kommt es darauf an genau hinsichtlich dieser Eigenschaft bei den möglichen Kunden im Vorteil gesehen zu werden. Diese Modelle zeigen, daß die Käufer/Kunden auf einer Reihe von Wegen zu Produktpräferenzen gelangen können. Je nach spezifischer Situation und bestimmter Produktklasse kann es sich dabei um kompensatorische oder nichtkompensatorische Vorgehensweisen handeln. Es ist z.B. möglich, daß Personen beim Kauf eines teuren Objektes zunächst mit Hilfe des konjunktiven Verfahrens eine Vorauswahl zwischen den zahlreichen Alternativen treffen, die endgültige Entscheidung dann aber mit einem kompensatorischen Modell vornehmen. Letztendlich geht es bei allen genannten Modellen um die Frage, welche Positionierung der eigenen und der Wettbewerbsprodukte sich aus Verbraucher- und Käuferperspektive ergibt. Ziel ist dabei immer zu erkunden, mit welchen Wettbewerbsprodukten das eigene Produkt von den Abnehmern verglichen wird, die aus Konsumentensicht relevanten Wettbewerber herauszubekommen und zu erfahren, wie bei diesem Vergleichsprozeß vorgegangen wird, um daraus Ansatzpunkte für die kommunikative Beeinflussung (und andere Gestaltungsmöglichkeiten im Marketing-Mix) abzuleiten.
2.2.3 Nachfrage und Verbrauch Auch die Analyse der Nachfrage und des Verbrauchs basiert sowohl auf quantitativen als auch qualitativen Daten. Bei der quantitativen Analyse des Kaufverhaltens geht es um die Beantwortung der Fragen: Wer kauft wo und wann, welche Produkte zu welchem Preis? Dabei geht es in erster Linie darum, nicht nur den Gesamtmarkt als eine globale Größe in
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seiner Entwicklung zu beobachten, sondern auch darum, seine innere Struktur und marktinterne Verschiebungen im Zeitablauf zu verfolgen. Ansätze zur Beantwortung dieser quantitativen Fragen bieten die Daten von Verbraucherpanels, z. B. Panels privater Haushalte. Dadurch können Entwicklungen erfaßt werden, die z.B. durch Konkurrenzaktivitäten oder durch Präferenzänderungen der Konsumenten auftreten. Paneluntersuchungen sind dadurch gekennzeichnet, daß ein gleichbleibender Kreis von Untersuchungseinheiten in regelmäßigen Abständen zu einem bestimmten Untersuchungsgegenstand befragt wird (vgl. zur Paneluntersuchung allgemein Raab, Unger & Unger (2004, Kap. 2) Mit Haushaltspanels12 läßt sich die Frage beantworten, wie sich der Markt einer Warengruppe insgesamt auf verschiedene Verwendergruppen aufteilt. Im Konsumbereich werden Haushalte bzw. Personen dabei u.a. nach folgenden Kriterien differenziert: -
Haushaltsnettoeinkommen, Berufstätigkeit und Ausbildung, Alter, Haushaltsgröße, einschließlich der Anzahl der Kinder und Wohnort und Wohngröße.
Erfaßt werden folgende Konsumkriterien: - Art der gekauften Produkte, einschließlich Marken- und Herstellernamen, - Art der Packung, nach Gewicht, Größe und Preis, - Einkaufsstätte und Geschäftsart und - Datum des Einkaufs. Zudem werden die Geschäftstypen unterschieden in: 12
Kauf- und Warenhäuser, Diverse Fachgeschäfte, Drogeriemärkte, Traditioneller Lebensmittelhandel, Verbraucher- und Supermärkte, Discounter, Großhandel und Sonstige Einkaufsstätten.
Solche nationalen Haushaltspanels werden z.B. durch die GfK Panel Services mbH Nürnberg oder A.C. Nielsen GmbH in Frankfurt durchgeführt. Sie sind die bekannteste Form der Verbraucherpanel.
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2. Situationsanalyse
Durch diese Panelforschung lassen sich Informationen gewinnen über den Gesamtmarkt (z.B. Marktanteile und deren Veränderung im Zeitablauf, Anzahl der durchschnittlich einkaufenden Haushalte, Durchschnittspreise, Menge und finanzielle Aufwendungen im Durchschnitt pro Haushalt, etc.), Unterschiede im Kaufverhalten der Haushaltungen (z.B. Haushaltsgröße, Altersgruppe der einkaufenden Personen, Ortsgrößen, soziologische Gruppen, etc.) und im produktspezifischen Kaufverhalten (z.B. Einkaufshäufigkeiten, Markentreue, Durchschnittsgröße pro Kaufakt, etc.) (vgl. hierzu auch Nieschlag, Dichtl & Hörschgen, 2002, S. 455 f.). Aus diesen Daten lassen sich weitergehende Analysen durchführen. So interessiert z.B. nicht nur der Durchschnittspreis, sondern auch die Häufigkeitsverteilung der Preise. Aus Häufigkeitsverteilungen in Kombination mit soziodemographischen Daten lassen sich häufig Kriterien für die Marktsegmentierung und damit möglicherweise unterschiedliche Vorgehensweisen in der kommunikativen Beeinflussung ableiten. Eine andere Differenzierung, die sich aus diesen Daten ableiten lassen kann, ist die Differenzierung in Markentreue und Markenwechsler. Für die Kommunikation ist es durchaus ein Unterschied, ob die kommunikative Aufgabe lautet, Markenwechsler in ihrem Markenverhalten zu stabilisieren oder ob Markenloyale in ihrem Verhalten bestärkt werden sollen. Ein weiterer Aspekt betrifft die unterschiedliche Einkaufshäufigkeit, Einkaufsintensität und deren Bedeutung am Gesamtmarkt. Daraus lassen sich häufig Intensivkäufer und Wenigkäufer differenzieren. Ist dies der Fall, ist zu entscheiden, ob die Intensivkäufer in ihrem Verhalten bestätigt werden sollen, oder ob verstärkt die Wenigkäufer in den Focus der Kommunikationsarbeit rücken sollen. Die Möglichkeit einer unterschiedlichen Bearbeitung von solchen divergierenden KäuferHaushalten ist daran geknüpft, daß sich Beschreibungsmerkmale finden, nach denen sich diese Käuferhaushalte zusätzlich differenzieren und unterschiedlich ansprechen lassen. Lassen sie sich z.B. durch soziodemographische Variablen unterscheiden, dann kann dies in der Mediaplanung Berücksichtigung finden, da die Media-Analysen die Mediennutzerschaften ebenfalls soziodemographisch unterscheiden. Neben der rein quantitativen Analyse ist auch die Frage nach psychologischen und soziologischen Merkmalen von Bedeutung. Hier sind Käufermerkmale interessant, die auf das Kaufverhalten von Konsumenten einwirken. Abbildung 2-8 gibt einen Überblick über wichtige solcher Merkmale. Über entsprechende Analysen im Rahmen der psychologischen Marktforschung lassen sich z.B. folgende Fragen beantworten:
2.2 Situationsanalyse als Grundlage operativer Maßnahmenplanung
91
•
Welche Einstellungen emotionaler und rationaler Art hat die Mehrzahl der Verbraucher: - zur Warengruppe? - zum speziell interessierenden Produkt? - zu den Konkurrenzmarken?
•
In welcher Interessenebene ist die Warengattung anzusiedeln? (ProduktInvolvement)
•
Welches sind die entscheidenden Produkterwartungen?
•
Gibt es Kaufhemmnisse?
•
Welche Erwartungen stellt die Mehrzahl der Verbraucher an Produkte der relevanten Kategorie?
•
Welche Erwartungen können Nichtverwender veranlassen, Produkte dieser Art zu verwenden, bzw. welche Gründe sind maßgebend für die Ablehnung
Fragen aus soziologischer Sicht sind z.B.: •
Handelt es sich um Produkte, die zum sozialen Umfeld zu zählen sind?
•
Signalisieren oder sollen sie einen bestimmten sozialen Status signalisieren (z.B. Prestigeprodukte)?
•
Gibt es spezifische, soziale Kaufeinflüsse? Wirken Bezugsgruppen, Familien, Meinungsführer oder andere Beeinflusser auf Kaufentscheidungen ein?
•
Wer ist an der Kaufentscheidung beteiligt, z.B. im Investitionsgüterbereich das sogenannte Buying Center?
•
Wirken sich kulturelle Komponenten auf die Kaufentscheidung aus?
92
2. Situationsanalyse
Kulturelle Faktoren (Werte, Wertesysteme, Subkulturen, etc.)
Soziale Faktoren (Bezugsgruppen, Normen, Familie, Rollen, sozialer Status, etc.)
Personale Faktoren (Alter, Lebenszyklusphase, Beruf, wirtschaftliche Verhältnisse, etc.)
Psychologische Faktoren (Motivation, Einstellungen, Persönlichkeit, etc.)
Käufer
Abbildung 2-8: Relevante auf das Kaufverhalten der Konsumenten einwirkende Merkmale (in Anlehnung an Kotler, 1982, S. 143) Nutzenanalyse Sinnvoll ist es, explizit den Nutzen des Angebotes für die anvisierte Zielgruppe herauszuarbeiten. Es geht verstärkt darum – angesichts des „Information Overload“ und des oft damit verbundenen kurzen und oberflächlichen Kontaktes mit dem Werbemittel – den Nutzen des Produktes (Benefits) und nicht nur Merkmale darzustellen, denn diese müßten erst dekodiert werden. Damit ist gemeint, daß für potentielle Verbraucher bei der Nennung von Merkmalen noch nicht deutlich wird, welchen Nutzen sie daraus ziehen könnten. Der Schluß von Merkmalen auf möglichen Nutzen müßte erst selber gezogen werden, d. h. die Merkmale müssen „dekodiert“ werden. Diesen Schritt kann die Marktkommunikation übernehmen und von vornherein Nutzen in den Mittelpunkt der Kommunikation stellen. Der Nutzen kann anschließend durch Nachweis bestimmter Merkmale plausibel und glaubwürdig begründet werden. Der Schwerpunkt liegt aber auf dem Nutzen. Wichtig ist es, die Vorteile, Bedürfnisbefriedigungen und Benefits verbal und visuell herauszustellen. Dafür müssen die Angebotsmerkmale in entsprechenden Kundennutzen transformiert werden. Es ist erforderlich, die Merkmale des Angebotes mittels der Kundenerwartungen, -bedürfnisse, -motive in einen Kundenutzen zu transformieren. So kann z.B. das Produktmerkmal „Hohe PS-Zahl“ bei einem Automobil mittels der Kundenerwartung/-interesse „schnelles Beschleunigen“ in den Kundennutzen
2.2 Situationsanalyse als Grundlage operativer Maßnahmenplanung
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„Höhere Sicherheit durch kurze Überholvorgänge“ oder „Fahrspaß“ (vgl. Hartleben, 2001, S.60f) transformiert werden.
Kundenerwartung, interessen, -motive, und -präferenzen
Merkmale des Angebotes Transformation
Kundennutzen eines Angebotes
Abbildung 2-9: Ermittlung des Kundennutzen (in Anlehnung an Hartleben 2001, S. 60)
2.2.4 Handel und Vertrieb Informationen über Handel und Vertrieb bieten insbesondere die notwendige Basis für die Planung und Realisierung kommunikativer Aktivitäten mit und an den Handel und hinsichtlich des eigenen Außendienstes. Quantitative Daten lassen sich mittels der Erfassung der Verkäufe in Geschäften, der Handelspanel-Forschung gewinnen, wobei insbesondere die Einzelhandelspanels13 eine besondere Bedeutung erlangt haben. Für das Kommunikationsmanagement sind dabei vor allem folgende Aussagen wesentlich: • Distributionsanalysen erfassen, wie viele und welche Geschäfte die betreffenden Warengruppen überhaupt führen und welche Veränderungen sich im Zeitverlauf ergeben. • Bevorratungslücken zeigen auf, wie viele Geschäfte, welche die Produkte „eigentlich“ führen, zeitweise ohne Vorrat sind (out of stock). Hohe Bevorratungslücken sind häufig ein Zeichen mangelhafter Vertriebssteuerung oder nachlassender Bereitschaft des Handels, die betreffenden Produkte zu führen. 13
Bei der Einführung eines neuen Produktes werden beispielsweise die Daten monatlich oder im Abstand von zwei Wochen erhoben. Die verstärkte Implementierung von Scannerkassen erlaubt einerseits die artikelgenaue Datenerfassung am Point of Sale (POS), andererseits eine Aktualisierung der Daten, denn die Daten sind praktisch in beliebiger zeitlicher Detaillierung abzurufen.
94
2. Situationsanalyse
• Der durchschnittliche Abverkauf gibt an, wieviel Stück eines bestimmten Artikels in einer spezifischen Geschäftskategorie in einem definierten Zeitraum (meistens monatlich) von Konsumenten gekauft worden sind. • Dem Abverkauf wird der durchschnittliche Hineinverkauf gegenübergestellt. Damit läßt sich die Einkaufstätigkeit des Handels beschreiben. Höherer Hineinverkauf als Abverkauf deutet auf Lageraufbau im Handel, höherer Abverkauf als Hineinverkauf auf Lagerabbau hin. • Die Bevorratungszeit wird meistens getrennt ausgewiesen; man kann sie durch Division des Lagerbestandes durch den Abverkauf pro Zeiteinheit errechnen. Für das Management ist es wichtig zu wissen, welcher Anteil der bevorrateten Ware sich im Verkaufsraum befindet, wieviel davon in Zweit- oder Sonderplazierungen präsentiert wird und welcher Anteil der Ware sich im Lagerraum befindet. • Auch der durchschnittliche Abverkaufspreis pro Artikel wird angegeben. Daraus lassen sich Zusammenhänge zwischen Preispolitik und Konsumentenakzeptanz ableiten. • Durch Spezialanalysen lassen sich Informationen gewinnen zur Laden- und Händlerwerbung. Diese Daten sind vor allem für die Planung bzw. Reaktionen im Bereich der Verkaufsförderung von besonderer Bedeutung. Alle Daten der Handelspanel-Forschung sind für die eigene Unternehmung und die entsprechenden Konkurrenzanbieter erhältlich. Die Auswertung umfaßt Daten zum Gesamtmarkt, zu einzelnen Marken, zu Packungsgrößen, differenziert nach Regionen, Geschäftstypen und Ortsgrößenklassen. Handelspanels gibt es für die verschiedenen Absatzmittlergruppen (z.B. Parfümerien und Drogerien, Lebensmittelhandel, etc.). Diese Daten können sinnvollerweise ergänzt werden durch Berichte des eigenen Außendienstes, die neben den Verkaufszahlen auch Informationen z.B. zu Verkaufsförderungsaktivitäten der Konkurrenz, Wünschen und Kritik des Handels, Möglichkeiten der Kooperation enthalten können. So können etwa Informationen zur Gestaltung und Größe der Verkaufsräume der Händler Optionen für bestimmte Verkaufsförderungsaktivitäten eröffnen (z.B. Displays, Shop-in-Shop-Systeme) oder von vornherein ausschließen. Durch den Außendienst gut gepflegte Kundendateien erlauben neben der adäquaten Besuchsplanung für den Außendienst auch kommunikative Unterstützungsaktionen z.B. durch Direkt Marketing-Aktivitäten. Diese primär quantitative Analysen können durch qualitative Informationen ergänzt werden. Zum einen ist zu fragen, welche Einstellungen der Handel zu bestimmten Produktgattungen, Herstellern und Marken hat. Dabei ist es sinnvoll,
2.2 Situationsanalyse als Grundlage operativer Maßnahmenplanung
95
differenziert - bezogen auf die Funktionsbereiche des Marketings – vorzugehen. Differenziert zu berücksichtigen sind beispielsweise Einstellungen in Hinsicht auf die Qualität der Produkte und des Vertriebes, der Marktkommunikation (z.B. Werbung, Verkaufsförderung) oder die Frage, wie der Handel die Einstellungen der Abnehmer einschätzt. Alle diese Aspekte sind sowohl auf das eigene Unternehmen als auch im Hinblick auf den Wettbewerb relevant. Daraus kann sich z.B. die Notwendigkeit ergeben, seine eigenen kommunikativen Aktivitäten an und mit dem Handel zu verstärken, Entscheidungen hinsichtlich der Gestaltung des vertikalen Marketing zu treffen (vgl. Irrgang, 1989). „Trademarketing“, das Marketing des Herstellers an den Handel, gewinnt hier nach Ansicht von Frey (1997, S. 113 ff., Czech-Winkelmann 2002) weiterhin an Bedeutung, auch als eine Reaktion auf das handelseigene Marketing. Weitere qualitative Fragen können sich darauf beziehen, ob bestimmte Vertriebswege für einzelne Produkte mehr oder weniger geeignet sind. Die Frage hängt zusammen mit notwendigen Produkterklärungen durch das Verkaufspersonal oder mit notwendiger Präsentationsform der Ware, aber auch mit der Konkurrenzsituation. Hängt beispielsweise der Erfolg eines Produktes von der optischen Präsentation ab, scheiden bestimmte Vertriebskanäle aus (z.B. Verbrauchermärkte, in denen lediglich eine Stapelung der Ware im Regal möglich ist. In solchen Fällen erscheint der Fachhandel der angemessenere Vertriebsweg zu sein). Beratungsintensive Produkte sind ebenfalls an den Fachhandel geknüpft oder an Spezialabteilungen im Selbstbedienungshandel. Andererseits können aber auch bestimmte Vertriebskanäle bereits stark durch andere Anbieter besetzt sein, so ist die Suche nach potentiellen Alternativen erforderlich. Stellt ein Unternehmen z.B. fest, daß der Drogerie- und Parfümeriebereich für sein neues Hautpflegemittel bereits durch den Wettbewerb besetzt ist, kann es versuchen, das Produkt als Pflegeprodukt über Apotheken zu vertreiben. Aus Daten über den Handel lassen sich konkrete kommunikative Aktivitäten ableiten (z.B. welche Kernbotschaften sollen in der Werbung an den Handel transportiert werden), und es ergeben sich Hinweise auf den Umfang und die Gestaltung von Aktivitäten im Rahmen der Verkaufsförderung (z.B. mit wie vielen eingesetzten Displays ist bei einer Verkaufsförderungsaktion zu rechnen). Auch der eigene Vertrieb kann zum Gegenstand einer qualitativen Analyse werden. Der Vertrieb als Schnittstelle zwischen Hersteller und Handel bzw. Käufer14 (bei Direktvertrieb) repräsentiert das Unternehmen und fungiert mit als Transmissionsriemen der Marketingstrategien. An fehlerhafter Einstellung im Vertrieb 14
Insbesondere in der Business-to-Business-Kommunikation stellt der direkte Kontakt zwischen Hersteller und Kunden ein entscheidendes Instrument der Marktkommunikation dar (vgl. Fuchs, 2003, S. 126).
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2. Situationsanalyse
gegenüber den eigenen Marketing-Maßnahmen können diese Maßnahmen scheitern. Der Vertrieb muß bei seinen Verhandlungen gegenüber dem Handel das gesamte Marketing-Mix überzeugend darstellen können. Diese Thematik kann Gegenstand eines Internen Marketing und damit interner Kommunikation sein. Diesbezüglich können folgende Fragen relevant sein: Wie beurteilt der eigene Vertrieb Produkte, Märkte und die Einstellungen des Handels bzw. des Kunden? Setzt der Vertrieb die angebotenen Maßnahmen im Sinne des Marketingmanagements um? Wie beurteilt der Vertrieb die eigenen Kommunikationsmaßnahmen? Bei fehlerhaften Einstellungen und/oder Motivationsdefiziten sind Aktivitäten und Maßnahmen des Managements notwendig. Es dürfte offensichtlich sein, daß innere Ablehnungen und Widersprüche des Vertriebs für seine Transmissionsfunktion nur schädlich sein können und daher vorher durch Information und Überzeugung durch das Marketing-Management abgebaut werden sollten.
2.2.5 Analyse des Umfeldes der Marktkommunikation Gesellschaften zeichnen sich heute durch eine zunehmende Dynamik und Komplexität aus. Sozialer Wandel ist ein Kennzeichen unserer Gesellschaft. Veränderungen im Makroumfeld können und haben auch Auswirkungen auf das Management der Marktkommunikation. Aus diesen Veränderungen im Marketingumfeld entstehen neue Chancen für die Marktkommunikation (z.B. durch die Ausdifferenzierung des Mediensystems), aber auch Risiken (z.B. zunehmende Informationsüberflutung der Zielpersonen). Deshalb ist es für das Kommunikationsmanagement relevant, hier die wichtigsten Entwicklungen und Veränderungen im Auge zu haben. Zukunftsforscher wie Naisbitt versuchen, „Megatrends“ zu skizzieren, die aufzeigen, in welche Richtung sich Gesellschaften entwickeln werden. Megatrends sind für diesen Autor breite, wirtschaftliche, politische und technologische Entwicklungen, die sich langsam bilden und relativ lange von Einfluß sind. Solche Megatrends sind für Naisbitt (1982 und 1990) z.B.: • • • • • • •
von der Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft, von nationaler zur internationalen Wirtschaftseinbindung, vom kurzfristigen zum langfristigen Denken, von hierarchischen Strukturen zur Vernetzung, Ende des Wohlfahrtsstaates, Veränderungen im Rollenverhalten der Geschlechter, zunehmende Individualisierung, etc.
2.2 Situationsanalyse als Grundlage operativer Maßnahmenplanung
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Eine aktuelle Delphi-Studie nennt folgende basalen Wertorientierungen als besonders relevant: • Balancing: Balancen zwischen den unterschiedlichen Anforderungen von Beruf und Privatleben, ganz allgemein wird eine Balance zwischen verschiedenen Rollen angestrebt, die eine Person wahrnimmt. • Resourcing: Bewußte Pflege der inneren Ressourcen, das ist mit dem allgemeinen Gesundheitstrend vereinbar. • Archaisierung: Revitalisierung von Elementen aus der Vergangenheit, • Respiritualisierung: Spiritualität als Kraftquelle gewinnt an Relevanz, in vielen Bevölkerungskreisen beobachten wir eine Abwendung von Rationalität. • Entgrenzung: Selbstverständlich erachtete Grenzen verlieren an Bedeutung (z.B. Natur und Kultur), • New Ludism: Die Spielräume der Realität werden zunehmend auch als Räume zum Spielen entdeckt, • Neuordnungen im Geschlechterverhältnis: Weibliches Denken findet zunehmend Beachtung (matriarchial swing), • Mobilität und Futurität (Vgl. Barz, Kampik, Singer & Teuber, 2003, S.15ff). Das Erkennen solcher Entwicklungen erhöht wesentlich die Chancen für die Wirksamkeit von Marketingprogrammen und auch der Marktkommunikation. Welche konkreten Bereiche sind hier in die Analyse mit einzubeziehen? Sechs Komponenten sind zu beachten (vgl. Kotler & Bliemel, 2001, S. 286 ff): • • • • • •
die demographische Entwicklung, ökonomische Aspekte (volkswirtschaftliche Komponente), naturgegebene Komponente, technologische Trends und Veränderungen, politisch-rechtliche Dimension und die kulturelle Komponente.
Soziodemographischer Bereich: Wesentliche Veränderungen in diesem Bereich sind z.B. für die Bundesrepublik Deutschland:
98
2. Situationsanalyse
• Änderungen in der Altersstruktur, insbesondere Zunahme bei den Senioren und Verluste bei den Kindern und Jugendlichen (z.B. zunehmende Bedeutung des Seniorenmarketing), • Veränderungen in der Familienstruktur (z.B. rückläufige Kinderzahl, Anstieg des Heiratsalters) und Zunahme der Nichtfamilienhaushalte, • Höherer Bildungsstandard, was die Formalbildung betrifft, tatsächlich kann die Hinwendung zu immer kürzeren Hochschulabschlüssen und die Abwendung von Wissen um seiner selbst willen, d. h. die zunehmende Bedeutung der Frage nach dem Nutzen, der Verwertbarkeit von Wissen eher Anlaß zur Sorge sein. • Verschiebungen in der ethnischen Bevölkerungsstruktur, Mitteleuropa und insbesondere Deutschland werden zu Einwanderungsregionen. Diese Daten sind relativ einfach zu erhalten und die Prognose kann im kurz- und mittelfristigen Bereich als zuverlässig betrachtet werden. Aus diesen Entwicklungen können sich z.B. für das Kommunikationsmanagement wesentliche Veränderungen in seiner Zielgruppenplanung ergeben. Volkswirtschaftliche Komponente: Auch die Kaufkraft ist eine wichtige Voraussetzung für das Wirtschaftsleben. Relevante Größen sind hier die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die Einkommensverteilung, die Sparquote und das Nettogeldvermögen, die Entwicklung der Realeinkommen, die Arbeitslosenquote, die Wachstumsraten, etc. Durch eine entsprechende positive ökonomische Entwicklung können z.B. auch größere Bevölkerungsteile wenigstens teilweise am gehobenen bis luxeriösen Konsum teilnehmen. Bei negativen Tendenzen wird vielleicht das Preisargument relevanter (z.B: die aktuelle Diskussion um die „Aldisierung“ der Gesellschaft, gemeint ist der Trend zum Discount oder zu Fastfood, „McDonaldisierung“). Diese gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen können Einfluß haben u.a. auf Zielgruppenbildung oder Inhalte der Botschaft. Derzeit ist wohl von einer stärkeren Teilung der Gesellschaft auszugehen: einerseits zunehmender Luxus, andererseits zunehmend knappe Kaufkraft. Naturgebundene Komponente: Bei der naturgebundenen Komponente hat sich vor allem seit den 80er Jahren das zunehmende Umweltbewußtsein in der Bevölkerung gravierend auf das Marketing ausgewirkt und Marketingentscheidungen der Unternehmen beeinflußt. Zudem haben eine Vielzahl von staatlichen Vorgaben und Verordnungen (z.B. die Verpackungsordnung) konkrete Umsetzungen in den Unternehmen erfordert. In der Marktkommunikation sind eine Vielzahl von Bio-Labels und ökologischorientierten Argumenten eingesetzt worden. Auch daraus ergeben sich für das Unternehmen Chancen und Risiken. So hat die AEG im Haushaltsgerätebereich
2.2 Situationsanalyse als Grundlage operativer Maßnahmenplanung
99
mit seinem Öko-Lavamat als erstes Unternehmen in diesem Bereich eine ökologische Positionierung bezogen. Technologische Komponente: Grundsätzlich wird der Markt und die Marktentwicklung von technologischen Veränderungen entscheidend mit geprägt. Jede neue Technologie hat oder kann Auswirkungen auf bereits vorhandene Technologien, auf das Wirtschaftswachstum, auf die Gesellschaftsstruktur, etc. haben. Auffallend ist die Akzelleration in der Entwicklung neuer Technologien, die Zeitabstände zwischen innovativen Ideen und Marktumsetzung werden immer kürzer. Auch auf das Konsumverhalten und die Marketingsysteme ergeben sich daraus erhebliche Konsequenzen. Für die Marktkommunikation ist in diesem Zusammenhang die Entwicklung neuer medialer Systeme von besonderem Interesse. Sie bieten ihr neue Möglichkeiten zur Kommunikation mit den Zielpersonen. Aktuelle Entwicklung z.B. in der Mobile Communication (UMTS-Standard) eröffnen neue Chancen zur Kommunikation mit speziellen Zielgruppen. Diese neuen technischen Optionen müssen in die konzeptionellen Überlegungen mit einbezogen werden. Politisch-rechtliche Komponente: Die Marketing-Praxis wird wesentlich durch Entwicklungen im politischrechtlichen Bereich beeinflußt. Auch für das Kommunikationsmanagement ergibt sich aus einer Vielzahl von Gesetzen (z.B. Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, Warenzeichengesetz) ein Rahmen für Aktivitäten. Einen wachsenden Einfluß haben auch internationale Gesetze, insbesondere in der Europäischen Union. Hier zeigen sich durch nationale Angleichungsprozesse Veränderungen ab. So beabsichtigt z.B. die EU-Kommission gesundheitsbezogene Werbeaussagen wie „Calzium verbessert die Knochendichte“ nur nach eine Bewertung durch eine EUBehörde und anschließender Genehmigung durch die EU-Kommission zu zulassen (ZAW 2003, S. 87). Soziokulturelle Komponente: Die Gesellschaft, die Kultur in der ein Mensch aufwächst, prägen seine Werte, seine Überzeugungen und seine Normen. Er internationalisiert bis zu einem gewissen Grade ein bestimmtes Weltbild. Und dieses Weltbild beeinflußt sowohl sein Konsumverhalten als auch sein kommunikatives Verhalten. Bestimmte Werte verlieren an Bedeutung (z.B. Fleiß, Pflichtbewußtsein), neue gewinnen an Relevanz (Umweltschutz, Selbstentfaltung, Genuß, schneller Konsum), Lebensstile verändern sich, etc. Diese Veränderungen und Trends im soziokulturellen Bereich haben gravierende Auswirkungen auf die Zielgruppendefinition, auf Positionierung, auf Media-Entscheidungen, d.h. auf viele Bereiche der Kommunikationskonzeption. Deshalb ist es dringend notwendig, daß der Kommunikationsmanager über solche Entwicklungen aktuell informiert ist.
100
2. Situationsanalyse
2.2.6 Schlußfolgerungen für das Management Ohne eine derart umfassende Analyse können die Maßnahmen in die falsche Richtung zielen. Die Kombination dieser Daten und ein integratives, vernetztes Interpretieren der Situationsanalyse sind eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Kommunikationsarbeit, denn ein wirkungsvoller Output bedingt einen qualifizierten Input. Durch eine solche Analyse ist es auch möglich, die Kommunikationsaufgabe sinnvoll zu definieren, Entscheidungen über Kommunikationsziele besser zu begründen und Zielgruppenbeschreibungen angemessen umzusetzen. Die Situationsanalyse ist damit die Basis für die gesamte konzeptionelle und strategische Ausrichtung der Marktkommunikation. So liefert die Kombination der Kennziffern über die Distribution, den Abverkauf und den Hineinverkauf begründete Vermutungen hinsichtlich der Ursachen von Umsatzentwicklungen und damit angemessene Reaktionen auch in der Marktkommunikation. Umsatzeinbußen können beispielsweise lediglich auf Distributionsabbau bei gleichem Abverkauf zurückzuführen sein. Dann hat sich an der Verbraucherakzeptanz nichts geändert, sie ist jedoch möglicherweise zu niedrig, um den Handel nach wie vor zu veranlassen, die Produkte in gleicher Form wie in der Vergangenheit zu führen. Die beschriebene Situation verlangt nur dann nach endverbraucherorientierten Aktivitäten, wenn begründet die Vermutung besteht, daß durch eine Pullstrategie dieser Distributionsabbau beseitigt werden kann. In diesem Fall wäre vielleicht auch eine Intensivierung der Kommunikation an den Handel das sinnvollere Vorgehen. Ist dagegen ein Umsatzrückgang mit nachlassendem Abverkauf in Verbindung zu bringen (und konstanter Bevorratungspolitik des Handels), dann liegt ein Problem vor, daß in allererster Linie durch am Abnehmer orientierte Maßnahmen zu lösen ist. Damit ist allerdings noch nichts über die Ursache des rückläufigen Verkaufs gesagt. Diese können in allen Funktions-Bereichen des Marketings zu finden sein. Jedoch ist bei einer Änderung der Marketing-Maßnahmen oft auch eine Änderung in der Marktkommunikation als begleitende Maßnahme in der Regel erforderlich, wenn auch die Kommunikationspolitik selber nicht als ursächlich für die Fehlentwicklungen angesehen wird. Diese Aussagen verdeutlichen die Notwendigkeit einer umfassenden Situationsanalyse.
3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung In Anlehnung zum modernen strategischen Marketing beinhaltet auch die Marktkommunikation die Aspekte Marktsegmentierung (Segmenting), Zielmarktfestlegung (Targeting) und Positionierung (Positioning) nur in Bezug auf kommunikative Aufgabenbereiche (vgl. Kotler & Bliemel, 2001, S. 468). Modifiziert für Marktkommunikation bedeutet dies die Definition und Festlegung der entsprechenden kommunikativen Zielgruppen, die Entscheidung, welche dieser Zielgruppen angesprochen werden soll und welche Ziele bei diesen Zielgruppen angestrebt werden sollen. Es geht also um die Beantwortung der Frage: Was soll bei wem in welcher Zeit erreicht werden?
3.1 Zielformulierung Grundsätzlich lassen sich die Zielinhalte von Unternehmen in zwei Gruppen unterteilen. Einmal die Formalziele. Sie betreffen die Art der Ziele, und lassen sich als Metaziele verstehen, die abstrakte Steuerungsvorgaben beinhalten wie z.B. Sicherung des Überlebens der Unternehmung, Umweltschutz, Unabhängigkeit, etc. Diese Ziele werden als sogenannte „Mission Statements“ immer bedeutsamer. Zum anderen die Sachziele, die quasi als faktisches Handlungsprogramm dienen, das sich primär auf Kosten und Leistungen bezieht. Diese beiden Zielarten stehen in einem konditionalen Verhältnis zueinander, die Sachziele sind nicht Selbstzweck, sondern Mittel zur Erreichung der Metaziele. Ziele haben im modernen Management mehrere Funktionen. Die Koordinationsund Kommunikationsfunktionen von Zielen sollen dazu dienen, daß alle Handlungen innerhalb einer Organisation systematisch auf den gewünschten Zustand hin orientiert werden. Nur so ist ein effektives Handeln in einer Unternehmung möglich. Eine zweite Funktion von Zielen bezieht sich auf die Entscheidungsfindung. Wenn z.B. zwischen zwei alternativen Kampagnen entschieden werden muß, ist eine Zielorientierung ein objektiveres (i.S. von nachvollziehbar) Kriterium als die ästhetische Impression eines Managers. Eine weitere Funktion umfaßt die Evaluation der Resultate. Anhand des Vergleichs zwischen vorgegebenem Ziel und erreichtem Ist-Zustand, können die durchgeführten kommunikativen Aktivitäten bewertet werden (vgl. Aaker, Batra & Myers, 1992, S. 79 f.). Kommunikations-Ziele sind eingebettet in eine Zielhierarchie.1 Aus den strategischen Unternehmenszielen werden Marketing-Ziele deduziert, daraus lassen sich wiederum für alle Funktionsbereiche des Marketings Unterziele ableiten, u.a. auch 1
Vgl. hierzu Punkt 1.3.2
102
3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
für den Kommunikationsbereich. Innerhalb dieses Funktionsbereichs lassen sich wiederum Ziele für die einzelnen Kommunikationsinstrumente wie Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, Verkaufsförderung, Sponsoring, etc. ableiten. In einer Zielhierarchie kann differenziert werden zwischen Ober-, Zwischen- und Unterzielen. Zwischen diesen Zielen bestehen Mittel-Zweck-Beziehungen (vgl. hierzu Heinen, 1972, S. 104). Kommunikationsziele sind in der Hierarchie der Unternehmensziele abgeleitete Unterziele oder anders formuliert: Subziele. Die Realisation eines Unterziels dient der Realisation eines Zwischenziels, und dessen Realisation dient wiederum der Erreichung übergeordneter Ziele. Die Konstruktion derartiger Zielbeziehungen ist für ein effizientes Management außerordentlich wichtig. Letztlich ist noch auf die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenzielen hinzuweisen. Damit ist lediglich die unterschiedliche Wichtigkeit einzelner Zielbereiche angesprochen, die ebenfalls offengelegt werden sollte. Die Berücksichtigung der hier angesprochenen Anforderungen an die Zielformulierung erlaubt nicht nur ein effizienteres Handeln in allen Organisationsbereichen, sondern soll auch dazu dienen, daß sich Konflikte auf objektiverer Basis in angemessener Weise lösen oder managen lassen. Angemessen bedeutet hier im Sinne der wichtigen Oberziele der Unternehmung. Durch die Vorgabe anzustrebender Größen werden die Kommunikationsziele zu Orientierungs- und Richtgrößen des kommunikativen Handelns einer Unternehmung. An diesen Zielen richten sich alle weiteren kommunikativen Entscheidungen aus, z.B. das erforderliche Budget, der Kommunikationsdruck, der Einsatz der Instrumente und die Gestaltung der Kommunikationsmittel. Die Bestimmung der Ziele der Marktkommunikation ist damit Kernvoraussetzung eines jeden strategischen Kommunikationsansatzes (vgl. Pepels, 1995, S. 476). Damit die Kommunikationsziele diese gewünschte Steuerungskraft haben, müssen sie gewissen Anforderungen genügen: • Die Zielinhalte müssen eindeutig präzisiert sein. Sie müssen für alle Beteiligten möglichst eindeutig interpretierbar sein. Da Mißverständnisse in Unternehmen sicherlich niemals gänzlich auszuschließen sind, ist diese Anforderung möglicherweise nur tendenziell realisierbar, um so größere Aufmerksamkeit sollte ihr zuteil werden. Präzise und vollständige Werbezielformulierungen sollten folgende Zieldimensionen umfassen: Angabe einer Zielart (z.B. Produkt-Bekanntheit), Angabe des angestrebten Ausmaßes einer Zielart (Steigerung der Bekanntheit um 10%), - Angabe des Zeitbezugs der angestrebten Zielerreichung (z.B. innerhalb eines Jahres), -
3.1 Zielformulierung
103
Angabe des Objektbezugs der angestrebten Zielerreichung (für das Produkt XY), - Angabe der Zielgruppe (Frauen zwischen 20 – 49 Jahren mit besonderem Interesse an Badezimmermöbeln) und - Angabe zum räumlichen Bezug (in der Bundesrepublik Deutschland) -
Ein operationales Werbeziel könnte beispielsweise lauten: ‘Erhöhe innerhalb eines Jahres in der Zielgruppe XY in der Bundesrepublik Deutschland die aktive Markenbekanntheit für Z von derzeit 20% auf 30% (vgl. hierzu Steffenhagen & Siemer, 1996).2 • Ziele müssen möglichst operational formuliert sein. Operationalisieren heißt grundsätzlich Aufgaben, Ziele und Prozesse meß- und vergleichbar zu gestalten. Dazu gehört eine Reihe von besonderen Eigenschaften wie Meßbarkeit, Realisierbarkeit, Aktualität, Durchsetzbarkeit und Transparenz (vgl. Rogge, 2004, S. 56 f.). Dem Kriterium der Meßbarkeit ist unter Einbezug der Daten aus der Marktforschung relativ leicht Rechnung zu tragen. Damit wird die Bestimmung des Zielerreichungsgrades ermöglicht, der als Koeffizient von tatsächlich erreichtem Ausmaß und angestrebtem Ausmaß berechenbar ist. Realisierbarkeit bedeutet, daß Kommunikationsziele so formuliert werden müssen, daß die Möglichkeit der Zielerreichung wahrscheinlich ist und keine utopischen Wunschzustände formuliert werden. Aktualität der Kommunikationsziele stellt darauf ab, daß aktuelle Entwicklungen und Informationen berücksichtigt werden. Zielplanung ist danach ein permanenter Prozeß mit ständigen Rückkopplungen in den Gesamtplanungsprozess.3 Ziele müssen hinsichtlich Ausmaß der gewünschten Zielerreichung und der Zeit, innerhalb der das Ziel zu erreichen ist, operationalisiert werden. • Ziele müssen aufeinander abgestimmt als Zielsystem gebildet werden (Zielkompatibilität bzw. Zielverträglichkeit). Zwischen Zielen können Konflikte bestehen. Werbeziele für zwei Produktbereiche stehen zueinander in einer Konkurrenzbeziehung, wenn das zur Verfügung stehende Budget für die Realisation beider Ziele nicht ausreicht. Die Probleme der Zielkonkurrenz bzw. der negativen Folgen müssen durch Offenlegung, Kooperation der Beteiligten und Kompromissfindung soweit als möglich gemildert werden. Es ist jedoch auch denkbar, daß Werbemaßnahmen für einen Produktbereich auch auf andere Produktbereiche positive Ausstrahlungen haben (Wirkungstransfer). Dies ist oft zu berücksichtigen bei Unternehmen mit einer Dachmarke. Deshalb ist es 2
3
Steffenhagen & Siemer (1996) kamen bei einer Untersuchung von Werbezielformulierungen zu dem Ergebnis, daß über 50% der von ihnen analysierten Zielformulierungen gewissen Mindestanforderungen nicht genügen und deshalb zur Steuerung eines Werbeplanungsprozesses untauglich sind. Ein drastisches Beispiel war die Einführungskampagne der A-Klasse von MercedesBenz, deren Ziele sicherlich durch die Publizität des sogenannten „Elchtests“ eine Aktualisierung der Ziele erforderlich machte.
104
3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
wichtig, bei der Zielplanung möglichst alle Wirkungen, die von einer kommunikativen Maßnahme ausgehen, zu berücksichtigen. In der Literatur ist es üblich, die kommunikationspolitischen Ziele in ökonomische und außerökonomische Zielbereiche zu unterscheiden. Auch hierbei kann ein konditionales Verhältnis unterstellt werden, d.h. die außerökonomischen/psychographischen Ziele sind den ökonomischen vorgelagert, erstere dienen damit zur Erreichung letzterer, d.h. die ökonomischen Ziele sind den psychographischen Zielen nachgelagert.4
3.1.1 Ökonomische Ziele Insbesondere in der Werbung wird diese Zielkategorie angesprochen. Von Bidlingmaier (1970) stammt die Differenzierung der Werbeziele in ökonomische und außerökonomische Werbeziele (vgl. Beeskow, Dichtl, Finck & Müller, 1983). Unter ökonomischen Werbezielen versteht er Zielvariablen, die sich auf ökonomische Größen wie Umsatz, Marktanteil und Gewinn beziehen. Er differenziert hierbei noch Werbeziele, die auf eine Wahrung oder Verbesserung der Gewinn- oder Umsatzsituation gerichtet sind und Werbeziele, die auf Kostenersparnis gerichtet sind. Typische Zielformulierungen dieser Art sind z.B. ganz allgemein Steigerung des Marktanteils, Umsatzerhöhung, etc.; aber auch spezifischere Formulierungen sind möglich wie z.B. Gewinnung neuer Kunden für das Produkt XY, Intensivierung des Konsums bei vorhandenen Verwendern, etc.5 Die Verwendung solcher ökonomischer Kommunikationsziele ist jedoch höchst problematisch.6 Denn diese ökonomischen Größen werden • von allen Marketinginstrumenten (Preis, Produkt, Distribution und Kommunikation) beeinflußt, und werden nicht primär durch das kommunikationspolitische Instrumentarium realisiert. Hierbei handelt es sich also um Marketingziele, weniger um Kommunikationsziele. • Zudem werden diese auch durch externe Einflüsse wie aktuelle wirtschaftliche Trends, Aktivitäten der Konkurrenz, konjunkturelle Entwicklung beeinflußt. Das gilt allerdings – wenn auch in geringerem Maße – auch für die Realisierung von Kommunikationszielen. 4
5
6
Als weitere Differenzierungskriterien für Kommunikationsziele führt Pepels (1994a, S. 44 ff.) u.a. die Gewichtung von Werbezielen an (von zentraler Bedeutung bis hin zur marginalen Bedeutung), die Raumerstreckung von Werbezielen (z.B. regional, national und supranational), Richtung der Werbeziele (expansive und kontraktive Ziele). Rogge (1996, S. 59) führt als drittes Kriterium noch die Kontaktwirkung an. Im folgenden wird diese jedoch unter den kommunikativen Zielen subsumiert. Für bestimmte Kommunikationselemente und -maßnahmen - insbesondere im Bereich der Verkaufsförderung - können partiell ökonomische Ziele sinnvoll sein.
3.1 Zielformulierung
105
• Außerdem können wegen der Zeitverschobenheit von Kommunikationsdurchführung und -wirkung (Time-Lag-Effekt) Kommunikationswirkungen ohnehin immer nur schwer den Werbeaufwendungen bestimmter Aktionsperioden zugerechnet werden, da sie fast immer über diese hinauswirken (Carry OverEffekte). Da Kommunikationsziele primär eine selektive Steuerungskraft hinsichtlich der realisierenden kommunikativen Handlungen aufweisen sollen, setzt dies Ziele voraus, die von den jeweiligen Entscheidungsträgern im KommunikationsManagement unmittelbar zu beeinflussen sind (bereichsadäquate Ziele bzw. funktionsadäquate Ziele). Denn nur dann sind entsprechende Erfolge bzw. Mißerfolge den entsprechenden Entscheidungsträgern anzurechnen. Es stellt sich damit die Frage, welche Arten von Zielen dem Kriterium der Bereichsadäquanz gerecht werden. Dies können nur Ziele sein, die durch Marktkommunikation erreicht werden können (vgl. hierzu Steffenhagen & Siemer, 1996, S. 46). Andererseits zeigt diese Problematik, wie unangemessen das Bereichsdenken in Organisationen sein kann (vgl. zu einer ausf. Diskussion Kap. 3 bei Busch, Dögl & Unger, 2001). Da letztlich alle Zielerreichungen mehr oder weniger miteinander verknüpft sind, lassen sich Wirkungen schwer auf bestimmte Bereiche zurückführen.
3.1.2 Kommunikative Ziele Das Problem operationaler Kommunikationsziele ist sehr eng mit der Frage nach den Kommunikationswirkungen verknüpft. Kommunikative Ziele können sehr gut an den angenommenen Wirkungsmechanismen jeglicher kommunikativer Beeinflussung orientiert sein.7 In Anlehnung an Irle (1975, S. 30 ff.) lassen sich insgesamt sechs mögliche Wirkungsbereiche differenzieren: • Wahrnehmung von Botschaften, • kognitive Verarbeitung und Bewertung von Botschaften, • Bildung von Entscheidungen von Wünschen.
7
In der Vergangenheit sind zur Analyse der Kommunikationswirkungen verschiedene Stufenmodelle entwickelt worden. Das bekannteste ist das sogenannte AIDA-Modell (A=Attention, I=Interest, D=Desire, A=Action). Die verschiedenen Wirkstufen dieses Modells müssen hintereinander durchlaufen werden. An diesen Stufenmodellen ist erhebliche Kritik geübt worden, weil sie zielgruppen-, werbemittel-, werbeträger-, werbeobjekt- und situationsspezifische Merkmale vernachlässigen. So können z.B. Interessen, Kaufabsicht und sogar Kaufhandlung nicht Folge der Aufmerksamkeit für eine Werbebotschaft sein, sondern können - gerade erst die Aufmerksamkeit auf eine Information lenken (vgl. hierzu detaillierter Kapitel 8).
106
3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
Diese Wirkungsbereiche stehen in permanenter Wechselbeziehung mit zwei weiteren Bereichen, nämlich: • der Verankerung im Gedächtnis sowie • Einstellungen, Motiven, Werten. Aus diesem Informationsverarbeitungsprozeß resultieren dann möglicherweise konkrete Handlungen; diese führen zu einer • Rückbewertung eigenen Handelns, beispielsweise nach erfolgtem Kauf oder Produktverwendung. Marktkommunikation als persuasive Kommunikation zielt primär auf das (konsumtive) Verhalten der Menschen ab. Diesem Verhalten geht aber ein psychischer Prozeß voraus, der sich im Menschen abspielt - die kommunikative Botschaft muß aufgenommen, verarbeitet und gespeichert werden. Wenn man diesen Prozeß zugrunde legt, dann wird klar, daß die Gewinnung von Aufmerksamkeit für die eigene Botschaft ein erstes und grundlegendes Ziel darstellt. Dies ist eine notwendige aber keine hinreichende Bedingung für die Realisation von Kommunikationswirkungen, denn das, was nicht wahrgenommen worden ist, kann auch nicht gelernt werden, zudem ist der Lernerfolg um so größer, je intensiver die Wahrnehmung bzw. je größer die Aufmerksamkeit ist. Für diesen Wahrnehmungsprozeß sind drei Dimensionen von Relevanz: Aktivität, dies bedeutet, daß Wahrnehmung durch den Grad der Aktivierung der Zielperson entscheidend beeinflußt wird. Subjektivität bedeutet, daß gleiche Objekte individuell abweichend wahrgenommen werden können. Selektivität bezieht sich darauf, daß infolge der Informationsüberlastung nur ein kleiner Ausschnitt aller einfließenden Reize durch den Menschen verarbeitet werden kann. Er selektiert dabei nach verschiedenen Kriterien wie Interesse, persönlicher Relevanz, Bevorzugung angenehmer Botschaften einerseits und Ablehnung unangenehmer Botschaften andererseits. Neben allem steht die Reizintensität als die selektive Wahrnehmung steuernder Faktor. Diese Selektion gilt in besonderem Maße für werbliche Botschaften, da nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Konsumenten aus sich selbst heraus dazu motiviert sind, sich Werbebotschaften intensiv zuzuwenden. Diese Wahrnehmungsschranke kann durch besondere Aufmerksamkeitsstärke (kreative Umsetzung) oder besondere Kontaktintensität (Penetration) überwunden werden. Die Selektivität in der Wahrnehmung wird auch durch die Hypothesentheorie der Wahrnehmung erklärt (vgl. ausführlich Lilli & Frey, 1993; Raab & Unger, 2001, S. 15 – 29). Danach nehmen Personen die Realität niemals unvoreingenommen wahr. Vielmehr wird die Wahrnehmung durch die
3.1 Zielformulierung
107
bestehenden Vorab-Annahmen über die Realität (Hypothesen) gesteuert. Die Erwartungen über die Realität beeinflussen neben der Realität auch die Wahrnehmung bei der Verarbeitung des Wahrgenommenen.
Umgebung Person 1. Subjektive Hypothesen 2. Objektive Reizgegebenheiten
3. Wahrnehmung = f (1,2)
Abbildung 3-1: Hypothesentheorie der Wahrnehmung Ein weiterer Schritt umfaßt die Verarbeitung der Botschaft. Eine entsprechende Aussagengestaltung soll es den Zielpersonen leicht machen, die wesentlichen Punkte der Aussage rasch und richtig zu verstehen. Das Lernen von Botschaften ist ein weiteres denkbares kommunikatives Ziel. Wesentliche Lerninhalte können z.B. sein: • Markenbekanntheit und • Produkt- und Markenwissen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die bereits im Gedächtnisspeicher vorhandenen Inhalte die Wahrnehmung späterer Botschaften erleichtern. In irgendeiner Form soll eine persuasive Wirkung erreicht werden. Dies kann sowohl auf kognitiver Ebene als auch auf affektiver Ebene – entsprechend des Kommunikationszieles – erfolgen. Beispielhaft seien hier folgende Ziele genannt: Abbau psychologischer Kaufhemmnisse, Aufbau von Erlebniswelten, allgemeine Sympathie, Produktkenntnis etc. Ein besonders wichtiges Ziel ist bei der in vielen Märkten geringen Möglichkeiten der Differenzierung durch Produkteigenschaften die Assoziation von Produkten oder Marken mit angenehmen Erlebnissen, Eindrücken oder Erinnerungen. Hier sei auf die bereits behandelten Modelle der Produktbeurteilung durch den Konsumenten hingewiesen (vgl. Abschnitt 2.2.2.2). Wenn bekannt ist, welches Modell annäherungsweise im betreffenden Markt gilt, lassen sich daraus Ansätze für Kommunikationsziele finden. Dieser Verarbeitungsprozeß rekrutiert dabei häufig auf gespeichertes Wissen, greift also auf das Gedächtnis zurück. D.h. Erfahrungen, Wissen etc. beeinflussen den aktuellen Verarbeitungsprozeß.
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3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
Das Ergebnis dieses Verarbeitungs-Prozesses, der nach Mühlbacher (1982) entsprechend eines Drei-Speicher-Modells im Kurzzeitspeicher abläuft8, soll im Gedächtnis abgespeichert werden. Die Marktkommunikation soll dazu beitragen, daß der potentielle Kunde eine positive Sicht, eine positive Einstellung zum Produkt, zur Marke und zum Unternehmen entwickelt. Ob in der Entscheidungssituation dann tatsächlich das beworbene Produkt gekauft wird, ist jedoch nicht nur abhängig von den kommunikativen Aktivitäten, sondern hängt auch noch von einer Reihe anderer situativer (z.B. Verfügbarkeit des Produktes, Beeinflussung durch Dritte) und monetären Einflußfaktoren ab (z.B. Preispolitik, finanzielle Ressourcen). Oft vernachlässigt, aber extrem wichtig auch als kommunikatives Ziel ist die Nachkaufphase, also die eintretende Rückbewertung eigenen Handelns durch die Zielperson. Stabilisierung von Verhaltensweisen, Aufbau von Markentreue ist daher ein wichtiges Kommunikationsziel. Es kommt also darauf an, bei den kommunikativen Aktivitäten auch diejenigen Konsumenten zu berücksichtigen, die bereits Produkterfahrungen gemacht haben und ggf. nach Bestätigung ihrer Entscheidung suchen (Reduzierung der Nachkaufdissonanz) (vgl. Felser 1999, S.94). Dieser Tatbestand ist der geradezu klassische Anwendungsfall der Theorie kognitiver Dissonanz nach Festinger (1957). Beispiele für Kommunikationsziele Informationsziele
Einstellungsziele
Erhöhung des Bekanntheitsgrades eines Produktes oder einer Marke Ein neues Produkt vorstellen Neue Produktanwendungen vorstellen Funktionsweise eines Produktes erläutern Serviceangebot bekannt machen Etc.
Präferenz für eine Marke aufbauen Zum Markenwechsel ermutigen Einstellungswandel Einstellungsstabilisierung Kognitive, emotionale und konative Komponenten verändern Änderung der Konsumgewohnheiten Verbraucherängste abbauen Etc.
Abbildung 3-2: Beispiele für Kommunikationsziele (in Anlehnung an Schnettler & Wendt 2003, S.37
8
Vgl. hierzu Mühlbacher (1982, S. 137 ff.), der auch auf neuere Modelle der Gedächtnisspeicherung eingeht. Die Speichermodelle (sensorischer Speicher, Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis) erfreuen sich in der Marketing-Literatur großer Beliebtheit, sind jedoch in der Grundlagenforschung umstritten. So stellt Engelkamp (1990, S. 49-55) sehr unterschiedliche Gedächtnissysteme dar und problematisiert insbesondere die Aufteilung in ein Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis.
3.1 Zielformulierung
109
Als Fazit kann man sagen, daß die Definition von kommunikativen Zielen von drei Faktoren bestimmt wird: • durch ihre Mittel-Zweck-Beziehung in der unternehmerischen Zielhierarchie, • durch ihre Bereichsadäquatheit, verstanden als kommunikative Wirkungen und • durch die betriebswirtschaftlich relevanten Anforderungen nach Eindeutigkeit, Operationalität und Kompatibilität (vgl. Meyer & Hermanns, 1981, S. 78).
3.2 Bestimmung der Kommunikationszielgruppen und Segmentierung Bei der Festlegung der Zielgruppen kann ein Unternehmen im wesentlichen zwischen drei Strategien wählen. Erstens kann es versuchen, mit seinem Angebot und damit auch mit seiner Kommunikation den größten Teil des Marktes zu bearbeiten und damit ein undifferenziertes Marketing zu betreiben. Wesentlich häufiger finden sich jedoch Strategien die von einer Segmentierung des Marktes ausgehen. Dabei kann man zwischen einem differenzierten Marketing, d.h. das Unternehmen bedient mit unterschiedlichem Angebot und Marketing-Mix mehrere Marktsegmente und einem konzentrierten Marketing unterscheiden. Hierbei fokussiert das Unternehmen sein Angebot und sein Marketing-Mix auf ein oder wenige Marktsegmente. Die Bestimmung dieser Marktsegmente ist eine der wesentlichen strategischen Entscheidungen, denn alle Maßnahmen im Marketing-Mix richten sich nach den Merkmalen der gewählten Zielgruppen. Auch für die Marktkommunikation ist die Festlegung und Definition der Zielgruppenpersonen von entscheidender Bedeutung, denn die Merkmale der Zielgruppe bestimmen u.a. die Ansprachetechnik (Kernbotschaft, Inhalte und Gestaltung) und die Wahl der Kommunikationsinstrumente (Mittel und Streumedien). Auch für die Zielgruppendefinition gelten bestimmte Anforderungskriterien. Sie sollten: • Segmentbildungseigenschaft aufweisen, d.h. die Zielgruppe sollte in sich homogen bzgl. des gewünschten Angebotes und des zugrundeliegenden Entscheidungsprozesses (Verhaltensrelevanz hinsichtlich des Kaufes bzw. der Verwendung) und gleichzeitig trennscharf zu den Nichtmitgliedern sein, • wiedererkennbar sein, d.h. durch eine klare Sprache definiert sein, so daß alle an der Marktkommunikation Beteiligten darunter das gleiche verstehen. Deshalb ist es sinnvoll, Zielgruppen möglichst mittels objektiver, d.h. auch überprüfbarer Merkmale zu beschreiben,
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3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
• sich durch Realisierbarkeit auszeichnen, d.h. daß die mit bestimmten Merkmalen deskriptierten Zielgruppen sowohl faktisch existieren als auch auffindbar sein müssen. Denn durch die Kombination verschiedener Merkmale besteht die Gefahr, daß man Idealtypen konstruiert, die aber keine ausreichende Entsprechung in der Realität mehr finden, • die Möglichkeit der Zielkonkretisierung aufweisen, dies bedeutet, daß Zielgruppen Bestandteil der Zielformulierung sind und sich damit in bestimmten kommunikative Maßnahmen niederschlagen (vgl. hierzu Rogge, 2004, S. 109). Zielgruppen bzw. Zielpersonen sollten als Dialogpartner verstanden werden und nicht als purer Empfänger von Botschaften. Nach Ansicht von Wernerfelt (1996) führt eine solche Perspektive langfristig zu einem besseren Markterfolg. Um eine solche Dialogperspektive einnehmen zu können, muß das Unternehmen seine Kommunikationspartner kennen. Dabei geht es in einem ersten Schritt darum, aus den unterschiedlichen Deskriptionskriterien (soziodemographisch, geographisch, Besitz- und Konsummerkmalen und psychographischen Merkmalen) die Kommunikationszielgruppe zu bestimmen; dabei steht der Mensch, seine Motive und Bedürfnisse, sein Denken und Empfinden im Vordergrund. In einem zweiten Schritt ist zu fragen: wie das Informations- und Kaufentscheidungsverhalten abläuft. Gibt es Beeinflussung durch Dritte, sind es Individualoder Gruppenentscheidungen. Muß der Zielpersonenkreis dadurch erweitert werden, und wie sehen diese additiven Zielgruppen aus? In einem letzten Schritt ist dann zu fragen, was konkret bei den Zielpersonen erreicht werden soll, z.B. welche Einstellungen verändert, aufgebaut, stabilisiert werden sollen.
3.2.1 Deskriptionsmerkmale der Kommunikationszielgruppe Die wichtigsten Kriterien zur Bestimmung von Zielgruppen werden im folgender Abbildung dargestellt. Bei verhaltensdisponierende Merkmale kann auf ein bestimmtes zukünftiges Verhalten geschlossen werden, durch verhaltensdeskriptive Merkmale wird das tatsächliche Kauf- und Konsumverhalten beschrieben.
3.2 Bestimmung der Kommunikationszielgruppen und Segmentierung
111
Zielgruppenmerkmale
Verhaltensdisponierende Merkmale
Soziodemografische Merkmale
Geografische Merkmale
Verhaltensdeskriptive Merkmale
Psychografische Merkmale
Besitz- und Konsummerkmale
Abbildung 3–3: Merkmale zur Zielgruppenbeschreibung (in Anlehnung an Schnettler & Wendt, 2003b, S.60)
3.2.1.1 Soziodemographische Merkmale Die soziodemographischen Kriterien sind die klassischen Beschreibungskriterien für Zielgruppen. Merkmale wie Alter, Geschlecht, Ausbildung, Tätigkeit, Familienlebenszyklus, Herkunft nach Region und Ortsgröße sind hierfür Beispiele. Der Familienlebenszyklus (family life cycle) beschreibt die Phasen, die ein Individuum in zeitlicher Folge in einem eigenständigen Haushalt durchläuft. Der Familienzyklus wird gewöhnlich durch eine Kombination verschiedener demographischer Merkmale ausgedrückt. Die hierfür wichtigen Merkmale sind Alter, Familienstand, Berufstätigkeit und Anzahl der im Haushalt lebenden Kinder. Der Familienzyklus beginnt mit der Phase, in der junge Menschen erstmals das Elternhaus verlassen, um einen eigenen Haushalt zu gründen. Oft wohnen sie möbliert; sie geben einen relativ großen Anteil des Einkommens für Kleidung, Unterhaltung und Auto aus. Als zweite Phase folgen die jungen verheirateten Paare ohne Kinder. Diese ist durch besonders hohen Wohnbedarf charakterisiert. Wenn beide Partner berufstätig sind, verfügt der Haushalt über einen erheblichen Teil frei verfügbaren Einkommens. Es folgt als dritte Phase die jungen Paare mit kleinen Kindern (Volles Nest 1 - jüngstes Kind unter 6 Jahren). Jetzt sinkt das frei verfügbare Einkommen beträchtlich, oft hört ein Partner mit der Berufstätigkeit auf. In dieser Phase spricht diese Zielgruppe besonders stark auf preisorientierte Marketing-Maßnahmen an. Die vierte und fünfte Phase (Volles Nest 2 - jüngstes Kind 6 Jahre und älter und volles Nest 3 - Ehepaare mit abhängigen Kindern) schließt sich daran an. In der sechsten Phase (Leeres Nest 1) sind ältere Kinder vorhanden, die teilweise schon über eigenes Einkommen verfügen. Häufig sind wieder beide Ehe-
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3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
partner berufstätig, damit steigt das Einkommen in Relation zum Konsumbedarf. Zudem verfügen diese Haushalte über erhebliche Konsumerfahrungen, das Anspruchsniveau steigt generell an. Es folgt als weitere Phase der Haushalt ohne Kinder. Der sich aus diesen Haushalten ergebende Seniorenmarkt stellt ein wachsendes Markt-Potential dar. Seniorenhaushalte werden zunehmend als wichtige Marketing-Zielgruppe erachtet. Diese „jungen“ Alten sind vermehrt aufgeschlossen, aktiv, beweglich und neugierig und sie haben zudem erhebliche monetäre Mittel, sie verfügen über ein überdurchschnittliches Ausgabenpotential (vgl. hierzu Kayser, 1996). Als weitere Phase können noch die Witwer-Witwenphasen herangezogen werden. Empirische Untersuchungen konnten den Einfluß des Familienzyklus auf das Kaufverhalten nachweisen, so werden z.B. praktische Wohneinrichtungen in den ersten Jahren nach der Hochzeit gekauft, in späteren Phasen wird dagegen in neuere, teurere Möbel investiert (vgl. auch Schweiger & Schrattenecker, 2001, S. 52 f.). Dieses klassische Model des Familienzyklus ist jedoch entsprechend neuerer Entwicklungen zu modifizieren und weiter zu entwickeln. So hat z.B. die Anzahl der Single-Haushalte erheblich zugenommen, ebenso die ZweiPersonen-Haushalte ohne Kinder. Aus derartigen Sozialstrukturen resultieren spezifische Konsumbedürfnisse (z.B. kleinere Hausgeräte, andere Verpackungsgrößen im Foodbereich) und kommunikative Ansprechmöglichkeiten. Möglicherweise ist das Modell des Familienlebenszyklus ganz aufzugeben. Es dürfte angemessener sein, von Familiensituationen auszugehen, in denen eine Person oder ein Haushalt sich gerade befinden. Ein typischer Prozeß wird immer weniger wahrscheinlich, Die Normalfamilie wird zur Minderheit. Vorteile dieser soziodemographischen Merkmale und Daten sind ihre leichte Zugänglichkeit und häufig ihre kostengünstige Beschaffung. Meist ist genügend sekundärstatistisches Material in Form von Media- und Verbraucheranalysen vorhanden, die zudem aufzeigen, wie diese nach soziodemographischen Merkmalen definierte Zielgruppe zu erreichen ist. Andererseits darf die beschränkte Aussagefähigkeit nicht übersehen werden. Es läßt sich zwar leicht und repräsentativ sowie relativ exakt erfassen, wer (beschrieben nach der Soziodemographie), wann und wo welche Produkte kauft und welche Medien nutzt. Es sind jedoch keinerlei Rückschlüsse auf Kaufmotive, z.B. die Auswahl einer bestimmten Marke, also die eigentlichen Ursachen des Konsums möglich, d.h. ihr wesentlicher Nachteil liegt in der oft vorliegenden mangelnden Relevanz für das Kaufverhalten, weil sie keine Erklärungsansätze für Konsumentscheidungen geben. Ebensowenig sind Aussagen über die qualitative Intensität der jeweiligen Mediennutzung möglich, bzw. über die zugrunde liegende Motivation der Mediennutzung. Wir können lediglich sagen, welche Personen (nach Soziodemographie beschrieben), welche Medien wann und wie oft nutzen, nicht aber wie intensiv. Dazu fehlen bei primär soziodemographischer Beschreibung Informationen über Interessen, bevorzugte Lebensstile usw. Auch wenn auf soziodemographischen Merkmalen aufgebaute Panel-Forschung Rückschlüsse auf das Markenwahlverhalten zulassen (Markenwechsler versus Markentreue), ist damit nichts über die tatsächliche Ausprägung von Präferenzen gesagt. Markentreue kann ein Zeichen echter, ausgeprägter Markenloyalität sein,
3.2 Bestimmung der Kommunikationszielgruppen und Segmentierung
113
ein Zeichen von Risikovermeidung, Systemgebundenheit, Gewohnheit oder von leichten Präferenzen.
3.2.1.2 Geographische Merkmale Diese Merkmale beziehen sich vor allem auf die Region, den Wohnort und die Ortsgröße (Bevölkerungsdichte, Gebietsstruktur und Kaufkraft). Sie sind einmal für kleinere und mittlere Unternehmen relevant, welche ihr Absatzgebiet von vorneherein nur lokal oder regional definiert haben. Aber auch national operierende Unternehmen können für ihr Marketing und ihre Marktkommunikation regionale Schwerpunkte setzen oder regional unterschiedliche Ziele verfolgen. Zudem gewinnen geographische Merkmale natürlich auch an Bedeutung für international orientierte Unternehmen für die Ausrichtung und Gewichtung der MarketingMaßnahmen und Aktivitäten und den Einsatz der Marktkommunikation in den einzelnen Ländermärkten. Regional differenzierte Marketing- und Kommunikationsziele bedingen zwangsläufig auch den Einsatz regional differenziert einsetzbarer Medien. So sind für regional oder lokal definierte Absatzgebiete auch nur regional oder lokal differenzierbare Medien adäquat. Z.B. scheiden damit die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für lokale Anbieter häufig aus, es sei denn, daß der regionale Markt der regionalen Reichweite der Rundfunkanstalten ungefähr entspricht. Das wichtigste regional differenziert einsetzbare Medium ist die Tageszeitung und zunehmend auch die privaten Hörfunkanstalten. Die regionale Bedeutung der Tageszeitung erschwert es jedoch andererseits für national tätige Unternehmen, die Tageszeitung als nationales Medium einzusetzen. Durch den Verbund zu Anzeigenringen bietet sich jedoch die Möglichkeit, den organisatorischen Aufwand wesentlich zu verringern. Geographische Merkmale sind, wie oben erwähnt, auch durch Wohnortgrößen ausdrückbar. Im Rahmen der Mikrogeographie versuchen z.B. Adressverlage Wohngebiete nach verschiedenen Milieus zellenartig zu erfassen. Aus den so gewonnenen mikrogeographischen Datenbanken werden unterschiedliche Konsumgewohnheiten der Bewohner abgeleitet. Dieses Mikromarketing basiert auf dem Nachbarschaftsprinzip, also auf der Annahme, daß in kleinen räumlichen Einheiten Menschen mit einem ähnlichen Lebensstil und vergleichbarem Konsumverhalten leben (Mikrosegmentierung) (vgl. Kloss, 2000, S. 439). Für die praktische Kommunikationsplanung ist jedoch zu bedenken, daß der Wohnort (insbesondere bei kleinen Ortsgrößen) nicht unbedingt mit dem Kaufort zusammenfällt. Selektive geographische Kommunikationsmaßnahmen spielen für national tätige Unternehmungen noch aus zwei weiteren Gründen eine Rolle:
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3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
• Ausgleich regionaler Absatzschwankungen, u. a. um kulturell bedingte Unterschiede, die auch innerhalb regionaler Märkte eine Rolle spielen können, auszugleichen; • Durchführung von Testmärkten zur Überprüfung unterschiedlicher Marketingund/oder Kommunikationsstrategien.
3.2.1.3 Besitz- und Konsum-Merkmale Das besondere an diesen Kriterien ist, daß sie nicht bestimmende Faktoren für das Kaufverhalten sind, sondern dessen Ergebnis. Diese Beschreibungen beziehen sich auf bereits abgeschlossene Verhaltensweisen; Marktkommunikation richtet sich jedoch primär auf zukünftiges Verhalten. Es kommt also darauf an, aus BesitzMerkmalen auf Ersatzbedarf zu schließen oder auf Verbundbedarf, also aus Besitz ableitbarem anderen Bedarf. Verhaltensbeschreibende Merkmale sind immer dann geeignet, wenn davon ausgegangen werden kann, daß das Verhalten stabil bleibt, d.h. extrapoliert werden kann. Unter diesem Aspekt lassen sich Zielgruppen in einem ersten Schritt in zwei Hauptkategorien einteilen: Käufer/Nichtkäufer und Verwender/Nichtverwender, die sich dann weiter kombinieren lassen. Käufer
Nichtkäufer
Verwender Nichtverwender Beispiele für die Zielgruppen aus den Bereichen: Käufer/Verwender: Käufer/Nichtverwender: Nichtkäufer/Verwender: Nichtverwender/Nichtkäufer:
Produkte des täglichen Bedarfs Geschenkartikel Geschenke, Mitarbeiter in Unternehmen Berater, Gatekeeper
Daraus lassen sich z.B. folgende Marketingziele ableiten : - Intensivierung des Kaufens/Verwendens der Käufer und Verwender, - Gewinnung neuer Käufer und Verwender, - Ansprache von Käufern und Verwendern (z.B. Mutter und Kinder). Dabei kann es bei diesem zweiten Ziel darum gehen, einerseits neue Verbraucher zu gewinnen, welche die betreffende Produktgattung bisher nicht kaufen/verwenden oder andererseits darum, Kunden zu gewinnen, die bisher Konkur-
3.2 Bestimmung der Kommunikationszielgruppen und Segmentierung
115
renzprodukte präferierten. Grundsätzlich ist es wesentlich schwieriger, neue Käufer und Verwender zu akquirieren, als markentreue Käufer und Verwender in ihrem Konsumverhalten zu stabilisieren. Je nachdem, wie stark die Markentreue ausgeprägt ist, sind unterschiedliche Kommunikationskonzeptionen erforderlich, denn es ist ein Unterschied, ob treue Kunden in ihrem Verhalten bestärkt werden sollen, oder ob Kunden von Wettbewerbern von den Vorteilen der eigenen Marke überzeugt werden sollen. Eine weitere bedeutsame Differenzierung der Zielgruppen besteht hinsichtlich ihres Kaufvolumens. In vielen Märkten kann man Personen nach ihrer Verbrauchsintensität in Intensivverwender, sog. „heavy user“ und in Personen mit mittlerem bzw. schwachem Verbrauch, die sogenannten „light user“, unterscheiden. Um z.B. das Segment der Intensivnutzer gezielt bearbeiten zu können, ist es erforderlich, Merkmale zu ermitteln, in denen sich diese Personen ähnlich sind, z.B. besondere Interessen, Persönlichkeitsmerkmale, Mediennutzung. Die Besitzer von bestimmten Produkten sind insofern auch von Interesse, weil mit dem Konsum oft die in Inanspruchnahme anderer Güter und Dienstleistungen wahrscheinlich oder notwendig ist. So benötigt ein Waschmaschinenbesitzer auch Waschpulver, ein Automobilbesitzer eine Versicherung, etc. (cross selling) (vgl. Fuchs, 2000, S. 80) Besitzmerkmale werden teilweise zusammen mit MediaAnalysen erfaßt. Aus Korrelationen zwischen Besitzmerkmalen und dem Mediaverhalten lassen sich relativ sichere Kriterien für die Media-Entscheidung ableiten. Zielgruppen können auch nach dem Preisverhalten differenziert werden. Aus der Beobachtung dieses am Preis orientierten Entscheidungsverhaltens kann man Schlüsse für die Gestaltung des Marketinginstrumentariums und auch für die Gestaltung der Marktkommunikation ableiten. Wichtig ist es auch für das Unternehmen zu wissen, in welchen Einkaufsstätten, in welchen Betriebsformen des Handels die Käufe getätigt werden, um die Zielgruppen durch entsprechende Aktivitäten am Point of Sale zu erreichen. Durch die Daten der Medianutzung kann geklärt werden, wie die Zielgruppen kommunikativ ohne große Streuverluste zu erreichen sind. Freter (1974, S. 66) nennt als weitere Konsummerkmale für die Zielgruppenbeschreibung: • Art des Einkaufens (gezielt, geplant, zufällig) oder • Grad der Auseinandersetzung mit dem Produktbereich. Für viele Marketingentscheidungen, insbesondere dann, wenn sie den Verbrauch langlebiger Güter betreffen, ist jedoch nicht der Besitz, sondern die Kaufabsicht entscheidend. In diesem Fall ist die Analyse von Kaufabsichten wesentlich und
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3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
deren Korrelation mit dem Mediaverhalten. Verschiedene Studien liefern Angaben zu den Kaufabsichten, z.B. die Verbraucheranalyse (VA) und die regelmäßig erscheinende „Typologie der Wünsche“ (TdW) des BURDA-Verlages. Man erhält so bei der „Typologie der Wünsche“ nach soziodemographischen Gesichtspunkten differenziert Informationen darüber, welche Personengruppe welche Konsumneigungen haben und welche Medien von ihnen präferiert werden. Keine Informationen erhält man jedoch über die Kaufmotive, die Gründe, warum bestimmte Marken gekauft werden und andere Marken abgelehnt werden. Insgesamt liefern die Besitz- und Konsummerkmale nur partiell Ansatzpunkte für eine wirksame Botschaftsgestaltung. Zudem bleibt problematisch, daß das Mediaverhalten oft als ein individuelles Verhalten zu sehen ist, das Konsumverhalten, insbesondere wenn es langlebige Konsumgüter betrifft, häufig auf Familien bzw. Kollektive bezogen werden muß. Media- und Konsumverhalten können hier auseinanderfallen. Deshalb ist es sinnvoll diese Merkmale gleichzeitig mit psychographischen und/oder soziodemographischen Merkmalen heranzuziehen.
3.2.1.4 Psychographische Kriterien Psychologische Kriterien der Zielpersonen, wie Motive, Präferenzen, Involvement, Einstellungen, Verhaltensstile und Persönlichkeitsmerkmale, weisen eine größere Nähe zur ökonomisch erwünschten Handlung auf. Deshalb sind diese Merkmale wesentliche Kriterien für die Wirkung von Botschaften. So lassen sich die meisten Konsumgüter nach einer Reihe von Merkmalsdimensionen beschreiben. Nahrungsmittel können z.B. gut schmecken, wertvolle Nahrung darstellen, biologisch angebaut sein, mit Vitaminen angereichert sein, für Diäten geeignet sein, teuer oder billig sein, bequem zu nutzen sein, etc. Für bestimmte Konsumentengruppen sind jeweils einzelne dieser Dimensionen überdurchschnittlich, andere unterdurchschnittlich wichtig und damit mehr oder weniger ausschlaggebend für den Kauf oder Konsum. Daher ist es relevant herauszufinden, welche Zielpersonen (Konsumentengruppen) welchen Eigenschaften (oder Qualitätsmerkmalen) besondere Beachtung schenken. Falls sich solche Gruppen finden lassen, dann können alle Produkteigenschaften und Kommunikationsinhalte auf deren Präferenzen zugeschnitten und ein gruppenspezifisches Marketing-Mix realisiert werden. Jedoch lassen sich diese Merkmale im einzelnen viel schwieriger bestimmen und erfordern oft relativ aufwendige, kostspielige Erhebungen. Zudem bieten diese Kriterien häufig kaum Anhaltshaltspunkte für die Mediennutzung und damit für die Planung der Kontaktaufnahme. In vielen Märkten ist eine psychologische Marktsegmentierung heute fast unabdingbar. Denn wenn qualitativ praktisch identische Produkte bei gleichen soziodemographischen Zielgruppen beworben werden, dann führt eine Hervorhebung von Qualitätsmerkmalen zu einer praktisch austauschbaren Kommunikation; das
3.2 Bestimmung der Kommunikationszielgruppen und Segmentierung
117
Ziel der Kommunikation, nämlich das eigene Produkt zu profilieren, ist damit nicht erreichbar. Ein erster Schritt könnte die Frage nach der unterschiedlichen Bedeutung objektiver Qualitätsmerkmale sein, um diese Eigenschaften zielgruppenadäquat herauszustellen. Häufig bietet aber dieser Ansatz aufgrund der Produktähnlichkeit nur geringe Chancen, sich vom Wettbewerb zu profilieren, d.h. verschiedene Anbieter konkurrieren in einem Marktsegment mit gleichen Qualitätsansprüchen, und die Gefahr einer inhaltlich und auch gestalterisch austauschbaren Kommunikation ist relativ groß. Als weiterer Schritt ist dann eine Marktsegmentierung nach unterschiedlichen emotionalen Komponenten möglich und notwendig. Nach Ansicht von Hefter (1996) ist eine effektive Endverbraucher-Kommunikation dort anzusetzen, wo die größte Wirkung erzielt wird, beim persönlichen emotionalen Nutzen oder Benefit für den Endverbraucher. Dabei kann der subjektive emotionale Nutzen einer Kategorie auf unterschiedlichen Ebenen liegen und differenziert kommuniziert werden. Er unterscheidet zwei erfolgversprechende Grundformen: • Ein emotionaler Endbenefit, der aus einer stimmigen Argumentation abgeleitet wird. Beispiel: Kitekat: „Ist die Katze gesund, freut sich der Mensch“. • Ein emotionaler Benefit in der Form, daß die Marke dem Verbraucher positive und relevante Eigenschaften oder Images hinzu addiert. Beispielsweise: „FAZ: Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“. Es ist allerdings auch in diesem emotionalen Bereich möglich, daß zwei Anbieter vergleichbare emotionale Komponenten oder Erlebniswelten herausstellen und damit das gleiche (auf diese Komponenten reagierende) Marktsegment bearbeiten. Dennoch eröffnet eine eigenständige gestalterische Umsetzung die Chance, daß sie bei den Zielpersonen nicht als austauschbar empfunden werden. Emotionen bieten oft vielfältigere Umsetzungsmöglichkeiten in der Kommunikation als sachliche Produkteigenschaften. Kommen eigene Studien und Marktforschungsanalysen nicht in Betracht, so bieten Typologien aus an deren Studien eine Entscheidungshilfe für eine psychologische Zielgruppendefinition. Sie bieten den Vorteil, daß sie ein Bündel von Merkmalen umfassen und so das Defizit der Schwerpunktlegung auf einzelne Merkmale umgangen werden kann. Bei diesen Typologien handelt es sich quasi um vorsegmentierte Märkte. Solche Typenkataloge, die das Resulat multivariater Statistikverfahren (z.B. Faktoren- und Clusteranalyse) sind, werden meist von großen Medienunternehmen oder Forschungsinstitutionen angeboten. Zu erwähnen ist beispielsw. die bereits genannte jährlich erscheinende „Typologie der Wünsche“ von BURDA, in der Konsum-Motivationen hinsichtlich einer Reihe von Konsumbereichen dar-
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3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
gelegt werden.9 Tiefergehende Analysen finden sich auch für einzelne Konsumbereiche, so bringt z.B. der Spiegel-Verlag (1994, S. 33) für den Markt für Damenmode die Studie „Outfit“ heraus. Für diesen Marktbereich wurden eine Reihe von Konsumtypen entwickelt, die recht illustrativ folgendermaßen benannt wurden: Die Altmodische Die Nonkonformistin Die Geltungsbedürftige Die Lockere Die Konventionelle Die Anspruchsvolle Die Modebegeisterte
(10%) (9%) (14%) (22%) (12%) (17%) (16%)
Die hier beschriebenen Konsumtypen unterscheiden sich in ihrer jeweiligen Einstellung zu dem jeweiligen (spezifischen) Konsumbereich. Das erlaubt eine zielgruppengerechte Ansprache in der Marktkommunikation. Eine ausschließlich auf soziodemographischen Merkmalen beruhende Zielgruppenbeschreibung (beispielsweise: Frauen älter als 50 Jahre, einfache bis mittlere Bildung mit einem kleinen bis mittleren Einkommen) umfaßt unterschiedliche Typen und erlaubt damit keine zielgruppengerechte Gestaltung der Botschaft. Erst eine genaue Zielpersonenbestimmung erlaubt eine bedürfnisgerechte Ansprache. Werte beeinflussen in starkem Maße Lebens- und damit wiederum die Konsumstile. Werte lassen sich als die von einer Gruppe, einer Schicht oder einer Gesellschaft geteilten Auffassungen des Wünschenswerten, Erstrebenswerten verstehen, welche die Auswahl unter möglichen Handlungsalternativen und - zielen beeinflußt und beschränkt (vgl. Hartfiel, 1976, S. 700). Wertewandel ist ein Thema, das zunehmend auch in die Marketingpraxis eingedrungen ist Maßnahmen beeinflußt hat. Verschiedene Studien zeigen10, daß seit Beginn der 80er Jahre ein stetiger Wertewandel stattgefunden hat. Insbesondere das Umweltbewußtsein, der Wunsch nach Individualisierung und die Wellness-Orientierung haben erheblich an Bedeutung gewonnen. Diese Entwicklungen verlaufen nicht homogen über die gesamte 9
10
Allgemeine Untersuchungen dieser Art weisen jedoch ein wesentliches Methodenproblem auf. Derartige allgemeine Erhebungen zu einer Vielzahl von Produktbereichen und dem gesamten Medienverhalten stoßen hinsichtlich des Interviewumfangs an die äußerste Grenze des Vertretbaren, überschreiten sie vermutlich gelegentlich. Andererseits sind diese Untersuchungen relativ preiswert verfügbar. Im konkreten Fall können sie Ansatzpunkte für firmeneigene, auf das jeweilige Produkt zugeschnittene Untersuchungen liefern. Allerdings ist zu beachten, daß die deskribierten Merkmale oft nicht für eine konkrete Aufgabenstellung adäquat sind, da die psychologischen Merkmale in ihrer Relevanz für unterschiedliche Produkte, Anwendungsbereiche, Kaufsituationen, etc. nicht einheitlich sind. Eine Auflistung von Vor- und Nachteilen von Typologien findet sich bei Rogge (1996, S. 117). Vgl. hierzu z.B. die Doppelstudie von Dialoge 1 und 2 (vgl. Raffée & Wiedmann, 1983 und 1987) sowie Gruner + Jahr (1990).
3.2 Bestimmung der Kommunikationszielgruppen und Segmentierung
119
Gesellschaft; in bestimmten Gruppierungen sind unterschiedliche Werteausprägungen zu finden. Auch eine einzelne Person kann in unterschiedlichen Situationen ein differenziertes (Konsum-) Verhalten aufweisen. Ein Schlagwort in diesem Kontext ist der hybride Konsument, d.h. ein Konsument der beispielsweise einerseits sehr markenbewußt oder gesundheitsbewußt agiert, andererseits aber auch in einer anderen Situation und/oder Konsumbereich sehr preisorientiert handelt. Dieser Tatbestand verdeutlicht die Vielschichtigkeit des Konsums bzw. eine gewisse „Widersprüchlichkeit“. Für die unterschiedlichen Märkte und die unterschiedlichen Segmente sind demnach unterschiedliche Wertestrukturen von Bedeutung. Werte-Studien liefern Kriterien zur Zielgruppenbestimmung im Marketing und in der Marktkommunikation. Aus diesen unterschiedlichen Wertemustern in Kombination mit Interessen und Aktivitäten lassen sich verschiedene Lebensstiltypen11 entwickeln. Der Lebensstil (Lifestyle) versucht, die Art und Weise darzustellen, in der Menschen leben, ihre Zeit verbringen, ihr Geld ausgeben, usw. Bekannte Beispiele für solche LebensstilTypen sind: • „Yuppies“ (Young urban professionells), • „Dinks“ (Double income, no kids), • „Woopies“ (Well-off older people). Derartige Begriffe geraten schnell in Mode und werden genauso schnell wieder vergessen. Es ist viel wichtiger, die dahinter befindlichen Lebenssituationen und Werte zu kennen und im Marketing zu berücksichtigen. Hier also a) junge aufstrebende Karrieristen, Paare ohne Kinder, die beide berufstätig sind, aktive ältere Personen als Zielgruppe. Andere Studien (Dialoge Gruner + Jahr) beschreiben stärker, die aus Lebenssituationen und Werten ableitbaren Lebensstile. 11
Soziokulturell Engagierte, Lifestyle-Pioniere, Sorglose Wohlstandskinder, Zaungäste, Familienzentrierte Tüchtige, „Kleine Krauter“.
Lebensstil-Studien lassen sich durch mehrere Ansätze operationalisieren. Einmal durch das Konsumverhalten; der Lebensstil wird dabei als Summe aller konsumierten Produkte angesehen (buying style segmentation), eine andere Methode fokussiert psychographische Merkmale (AIO-Ansatz - activities, interests, opinions), Plummer (1974, S. 34) ergänzt diesen AIO-Ansatz durch die Erfassung soziodemographischer Merkmale.
120
3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
Die in der Marketing-Praxis verbreiteten Begrifflichkeiten verwundern manchmal und könnten vielleicht Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen sein. Beschreibungen wie „Zaungäste“ mögen soziale Notstände eher verharmlosen. Hinter einem Begriff wie „Kleine Krauter“ verbirgt sich eine abwertende Einstellung der im Marketing aktiven Entscheidungsträger gegenüber bestimmten Lebensstilen. Hier ist nicht der Ort, dieses unter moralischen Aspekten zu erörtern. Dahinter verbirgt sich aber die Gefahr, bestimmte mögliche Zielgruppen eher mit Vorurteilen zu sehen, aus erheblicher Distanz. Das ist ein echtes Problem des Marketing: Die Distanz der im Marketing-Management Tätigen gegenüber Zielgruppen, die oft sehr abstrakt hinter einer Vielzahl statistischer Analysen verborgen wird. Als Beispiel sollen hier kurz die „sorglosen Wohlstandskinder“ porträtiert werden. Sie sind eine genußorientierte Zielgruppe, die noch keine materielle Not kennengelernt oder bislang kaum etwas hart erarbeitet hat. Sie zeichnen sich durch eine gute Schulbildung, Kreativität, Unabhängigkeit, neue Erfahrungen, Freiheit aus. Ein spezifischer Lebensstil spielt keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Ein Beispiel für eine recht genaue Analyse liefert die Darstellung in obiger Tabelle 3-1, auch wenn die Begrifflichkeiten, die in dieser Studie für die Zielgruppenbeschreibungen verwendet werden, auch nicht vollkommen überzeugen. Im wesentlichen beruhen solche Deskriptionen auf psychologischen Merkmalen, es finden sich jedoch auch soziodemographische Korrelate. So sind die „sorglosen Wohlstandskinder“ im wesentlichen jüngeren Alters. Pepels (1994b, S. 178-180) stellt ebenfalls eine in der Agenturszene populäre Verbrauchertypologie dar: a) Traditionelle Lebensstile, 37% - Die aufgeschlossene Häusliche, 10% - Der Bodenständige, 13% - Die bescheidene Pflichtbewußte, 14% b) Gehobene Lebensstile, 20% - Die Arrivierten, 7% - Die „neue“ Familie, 7% (Gekennzeichnet u.a. durch partnerschaftliches Familienleben, Gesellschaftliches Engagement, „alternative“ Herkunft/Vergangenheit) - Junge Individualisten, 6% c) Moderne Lebensstile, 42% - Aufstiegsorientierte, 8% - Die „fun-orientierten“ Jugendlichen, 7% - Die „Angepaßten“, 8% - Der „Coole“, 7% - Die Geltungsbedürftigen, 7%
3.2 Bestimmung der Kommunikationszielgruppen und Segmentierung
121
Tabelle 3-1: Beispiel für eine Typologie - Outfit 3: „Die Altmodische“ (10%) (Spiegel-Verlag, 1994, S. 34-36) Einstellung zu Kleidung und Mode Stellenwert des Outfits - von Bescheidenheit geprägte, anti-hedonistische Grundhaltung der äußeren Erscheinung gegenüber - nur 5% geben an, daß Kleidung für sie „sehr wichtig“ ist
Orientierung beim Kauf
Lebenswelt
Einstellung zum Kauf - vorsichtiges, zögerndes Kaufverhalten: man kauft gezielt nur das, was benötigt wird - Orientierung an einfacher und mittlerer Qualität sowie an preisgünstigen Angeboten
Einstellung zur Kleidung - Kleidung soll unauffällig und schlicht sein; Festhalten an alten Gewohnheiten, Angst aufzufallen - traditionelle Sparsamkeit und Bedürfnislosigkeit prägen das Verhalten - die Kleidung muß vor allem sauber und ordentlich sein
Marktorientierung - geringes Markenbewußtsein, wenig Kenntnis der Markenlandschaft - wenig Interesse an exklusiven und aktuellen Marken und Scheu, sich durch die Wahl exklusiver Marken zu exponieren
Grundorientierung - Festhalten an traditionellen Werten: Pflichterfüllung, Verläßlichkeit, Ordnung, Anstand - Wunsch nach materieller Sicherheit: Befriedigender Lebensstandard, gesichertes Alter - intakte, private Lebensräu me, harmonisches Familien leben, anerkannt sein
Einstellung zur Mode - Desinteresse an Mode: man hat es aufgegeben, sich mit der Mode zu beschäftigen - keine Anpassung an die aktuelle Mode, sondern Festhalten am Bewährten Bevorzugter Kleidungsstil - zeitlos zurückhaltend, dezent/konservativ/seriös - korrekt/ordentlich, gepflegt
Konsumorientierung - Bescheidenheit und Beschränkung auf das Notwendige, Ablehnung übertriebener Konsumansprüche - Bevorzugung solider und haltbarer Produkte, Skepsis gegenüber modischen Neuerungen
Kaufverhalten - wichtigste Kriterien sind der Preis sowie die Haltbarkeit und Strapazierfähigkeit der Produkte - bevorzugte Einkaufsstätten: Lebensstil Kauf- und Warenhaus, BekleiFreizeitinteressen dungshaus, Versandhandel, Verbrauchermarkt, SB-Markt - häusliche Tätigkeiten: Handarbeiten (Häkeln, Stricken, Nähen), Pflanzen Soziale Millieus, pflegen/sich mit Haustieren Demographie beschäftigen Millieu-Schwerpunkte - intensive Mediennutzung: zur Unterhaltung Zeitung - traditionelles Arbeitermillieu und Illustrierte lesen, Fern- kleinbürgerliches Millieu sehen/Radio hören - familiäre Kontakte pflegen: Demographisches Profil Verwandte, Kinder besu- ältere Frauen ab 50 Jahre chen/etwas mit Kindern/ - einfache Bildung (VolksEnkeln unternehmen schule/Hauptschule) - kleine bis mittlere EinkomSportaktivitäten men (Schwerpunkt unter 3000 DM) - keine sportlichen Ambitio- überwiegend nicht berufstätig nen (mehr) Musikinteressen - Deutsche Volksmusik, Blasmusik/deutsche Schlager, Evergreens - Tanz- und Unterhaltungsmusik/Operette
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3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
Solchen Typologien fehlt oft die empirische Basis. Durch ihre im Marketing vorhandene Popularität schaffen sie aber im Marketing-Management eine Realität, die sich ganz im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung selbst bestätigen kann. Sie werden erfolgreich, wenn genügend Menschen an sie glauben. Häufig werden auch die Sinus-Milieus von Sinus Sociovision für eine Zielgruppenbestimmung herangezogen. Dieses Zielgruppenbestimmung orientiert sich an der Lebensweltanalyse in einer Gesellschaft. Die Sinus-Milieus gruppieren Menschen, die sich in ihrer Lebensauffassung und Lebensweise ähneln. Dem Wertewandel in der Gesellschaft folgend wurde das Milieumodell 2001 komplett überarbeitet und es wurde zum erstenmal ein gesamtdeutsches Modell entwickelt, das insgesamt 10 Milieus beinhaltet. Abbildung 3-4 zeigt die aktuellen Milieus für das Jahr 2004. Dieses Modell hat den Vorteil empirisch fundierter Aussagen.
Abbildung 3-4: Sinus-Milieus (Quelle: Sinus Sociovision 2004 www.sinus-milieus.de, 28.4.2004) Anhand zwei zentraler Dimensionen •
nach sozialer Lage in Schichten auf der Grundlage von Alter, Bildung, Beruf und Einkommen
3.2 Bestimmung der Kommunikationszielgruppen und Segmentierung
•
123
und Wertegrundorientierung von in der Gesellschaft als traditionell bis postmodern beschriebenen Lebenseinstellungen
werden die Milieus bestimmt. Oben sind die gesellschaftlichen Leitmilieus angesiedelt, am linken Rand die traditionellen Milieus, in der Mitte der Abbildung die Mainstream Milieus und am rechten Rand die hedonistischen Milieus. So lassen sich z.B. •
die Etablierten als selbstbewußtes Establishment, geprägt durch ErfolgsEthik, Machbarkeitsdenken und ausgeprägte Exklusivansprüche,
•
die bürgerliche Mitte als statusorientierter Mainstream, Streben nach beruflicher und sozialer Etablierung, nach gesicherten und harmonischen Verhältnissen,
•
Hedonisten als spaß-orientierte moderne Unterschicht/untere Mittelschicht, Verweigerung von Konventionen und Verhaltenserwartungen der Leistungsgesellschaft charakterisieren.
Nach Bruhn (2003, S. 162) lassen neben den allgemein persönlichkeitsbezogenen Typologien die Studien differenzieren in: -
themenbezogene Typologien (bezug zu einem speziellen Thema – „z.B. Wasser- und Seife-Typ), kaufverhaltens- bzw. produktartspezifische Typologien, einkaufsstättenbezogene Typologien und kommunikationsverhaltensbezogene Typologien.
Solche Lifestyle-Konzepte besitzen für die eigene Kommunikationskonzeption einen um so größeren Aussagewert, je größer ihr Bezug zu den spezifischen Produkten ist. Dann lassen sich daraus Ansatzpunkte deduzieren, wie die Zielpersonen angesprochen werden sollen. Die Erhebung des Lebensstils ist jedoch sehr aufwendig. Durch die Vielzahl von Statements, die abgefragt werden müssen, werden die Grenzen der Befragung erreicht; zudem sind solche Studien mit erheblichen Kosten verbunden (vgl. Schweiger & Schrattenecker, 2001, S. 55). Der angesprochene Wertewandel ist für das Marketing Chance und Risiko zugleich. Denn auf der einen Seite sind Anpassungsstrategien erforderlich, auf der anderen Seite ergeben sich daraus erhebliche Innovationspotentiale. Viel wichtiger als die Kenntnis dieser oder anderer allgemeiner Typologien ist aber die Erkenntnis, daß es darauf ankommt, in einem konkreten Markt durch gezielte Marktforschung zu erfahren, nach welchen Merkmalen sich dort Konsumtypologien beschreiben lassen.
124
3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
3.2.1.5 Mehrdimensionale Zielgruppenbestimmung Für die Marketing-Praxis kommt letztendlich nur eine mehrdimensionale, mehrere Kriterien umfassende Zielgruppenbestimmung in Betracht. Quantitative Aussagen liefern Informationen darüber, welche Personengruppen sich durch bestimmte beobachtbare Kaufverhaltensweisen beschreiben lassen. Das liefert Ansatzpunkte für ökonomisch meßbare Marketingziele. Außerdem liefern sozio-demographische Merkmale Informationen, welche Personengruppen welche Medien und damit welche Werbeträger nutzen. In Verbindung mit psychographischen Merkmalen, Lifestyle-Analysen oder Wert- und Einstellungsstrukturen, läßt sich erkunden, welche Konsum- bzw. Investitions-Motive in bestimmten, wiederum soziodemographisch beschreibbaren Personenkreisen existieren. Daraus lassen sich Informationen über die am Empfänger orientierte Gestaltung von Botschaften ableiten. Bei Bedarf lassen sich diese Kriterien noch mit Besitz- und/oder Konsummerkmalen kombinieren. Häufig findet sich in der Praxis nur eine - zwar umfassende – Aufzählung der Merkmale der potentiellen Zielpersonen. Aus einer Aneinanderreihung von Merkmalen resultiert aber noch kein konkretes Bild eines Menschen mit dem das Unternehmen kommunizieren möchte. Kommunikationszielgruppen sollten möglichst plastisch einen Menschentypen charakterisieren.
Soziodemographische Merkmale Geografische Merkmale
Organisationale Merkmale
Kommunikationszielgruppe 1 Transformationsprozeß (abhängig von den Zielen und den entscheidenden Merkmalen – häufig aus dem psycho-graphischen Bereich)
Kommunikationszielgruppe 3
Psychografische Merkmale
Kommunikative Merkmale
Kommunikationszielgruppe 2
Beeinflussende Dritte
Abbildung 3-5: Von der Zielgruppenbeschreibung zur Zielgruppenidentifikation
3.2 Bestimmung der Kommunikationszielgruppen und Segmentierung
125
Ausgangspunkt ist sicherlich eine umfassende Deskription der potentiellen Zielpersonen. Dieser Personenkreis ist aber in der Regel nicht homogen, sondern unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht. In einem zweiten Schritt ist es erforderlich die wesentlichen differenzierenden Merkmale herauszuarbeiten – je nach Kommunikationsziel und Situation. Entscheidend ist es dabei das ausschlaggebende Interesse oder die Kernmotive, welche die Personen in Bezug auf das zu vermarktende Angebot haben, zu kennen. Diese Kernmotive sind die Basis für die Entwicklung einer Transformationsregel, die es dann erlaubt, die bis dahin relativ unstrukturierte Personengruppe in ganz konkrete Kommunikationszielgruppen bzw. -personen umzuwandeln. Oft handelt es sich dabei nur um ein einziges Kernmotiv. Verhalten wird aber in aller Regel durch mehr als ein Motiv ausgelöst. Personen mit unterschiedlichen Kerninteressen und Motiven müssen auch kommunikativ unterschiedlich angegangen werden. Die Relevanz eines Kernmotivs ist, dass alle Zielpersonen, die über die gleichen psychographischen und/oder Verhaltensmerkmale verfügen später in gleicher Weise angesprochen werden können. Das Ergebnis sollte es sein, daß die Zielgruppen bei den Kernmotiven eine möglichst geringe Überschneidung aufweisen. Jedoch ist in diesem Kontext auch darauf hinzuweisen, daß eine extreme Differenzierung (im Extremfall eine One-toOne-Kommunikation) – so wünschenswert diese auch aus kommunikativer Sicht wäre – auch immer unter Effizienzgesichtspunkten zu sehen und zu bewerten ist. D.h. es ist auch immer zu prüfen, ob es aus Kostengesichtspunkten noch sinnvoll ist, die Zielgruppen weiter zu differenzieren oder es nicht notwendig ist eine Bündelung vorzunehmen. Das ist ein klassischer Optimierungsfall. Einerseits erzeugt eine immer genauere Zielgruppensegmentierung eine immer besser Kundenansprache, andererseits entstehen damit immer höhere Kosten. In einem Optimierungsfall würde man das Optimum suchen, in welchem die Grenzkosten mit dem Grenznutzen identisch sind. In der Realität wird dieser Bereich heuristisch zu ermitteln sein. Nachdem die einzelnen Kommunikationszielgruppen identifiziert worden sind, ist in einem letzten Schritt festzulegen, welche dieser Zielgruppen angesprochen werden sollen. D.h. es kann dann normalerweise eine Priorisierung von Zielgruppen vorgenommen werden. Gründe für die Ausgrenzung von Zielgruppen können z.B. sein: -
-
Sie passen in Persönlichkeits- und Motivstruktur nicht zur Vermarktungsstrategie (z.B. Risikoscheue bei innovativen Produkten), aufgrund situativer Restriktionen sind sie gar nicht oder nur sehr schwer zu motivieren (z.B. hoher Anschaffungspreis bei finanziell eingeschränkten Unternehmen), sie sind für den Vermarktungserfolg von relativ geringer Bedeutung (z.B. nur wenige Unternehmen bzw. Personen), Einstellungen und Verhaltensgewohnheiten sprechen dagegen (z.B. überzeugte Wettbewerbskunden) oder auch
126
3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
-
spezifische Motiv- und Interessenlagen können durch das Angebot nicht entsprechend abgedeckt werden (vgl. Hartleben, 2001, S. 106).
Sinnvoll ist es sich auf solche Zielpersonen zu konzentrieren, die für eine erfolgreiche Kommunikation erforderlich und ansprechbar sind. Nach dieser Priorisierung ist es erforderlich diese Zielgruppen so konkret und so plastisch wie möglich zu beschreiben denn ein Zielgruppennamen – wie z.B. „Dr. Technik“ – drückt zwar das Kernmotiv aus, sagt aber darüber hinaus nichts über den Menschen, sein Zeitbudget, sein Informationsverhalten aus. Dafür kann man auf die bereits angeführten Merkmale der Zielgruppenbeschreibung zurück greifen. Ein fiktives Beispiel soll dieses Vorgehen kurz erläutern: Vermarktet werden soll ein neuer Herzschrittmacher. Potentielle Nachfrager sind vor allem Internisten und Kardiologen in Krankenhäusern mit mehr als 200 Betten in der Bundesrepublik Deutschland. Die Patienten selber haben keinen Einfluß auf den Entscheidungsprozeß. Als Kernmotive bei den Ärzten sind die Motive: Wohl des Patienten, Nutzung des technischen Fortschritts, Erhöhung des Einkommens festgestellt worden.
Deskriptionsmerkmale der Zielpersonen: Internisten und Cardiologen in Kliniken mit mehr als 200 Betten in der BRD. Primär männlich, Alter zwischen 40 und 60 Jahren, geringer Einfluß durch Krankenkassen und Krankenhausverwaltungen, Motive: Wohl des Patienten, technische Orientierung, Einkommen.
Kommunikationszielgruppe 1: Dr. Altruismus
Transformationsregel: Kernmotive
Journalisten medizinischer Fachzeitschriften
Kommunikationszielgruppe 2: Dr. Technik
Kommunikations zielgruppe 3: Dr. Euro
Kommunikationszielgruppe 4: Informanten
Abbildung 3-6: Beispiel für Zielgruppenbildung
3.2 Bestimmung der Kommunikationszielgruppen und Segmentierung
127
Abschließend können dann die Zielgruppen priorisiert werden; vielleicht ist die Zielgruppe 3 nur relativ schwach vertreten, dann könnte man festlegen, daß nur die Zielgruppen 1, 2 und 4 angesprochen werden sollen.
3.2.2 Kauf- und Informationsbeeinflussung durch Dritte Für die Kommunikations-Konzeption ist es entscheidend, auch diejenigen Personengruppen zu berücksichtigen, die auf Informations- und Entscheidungsprozesse der Zielpersonen direkt oder indirekt Einfluß nehmen. Solche sogenannte „Behindthe-Scene“-Mitentscheider können durch ihre Funktion, ihre Rolle, ihr Verhalten die Zielpersonen in ihrer Entscheidungsfindung erheblich beeinflussen; dies können z.B. Berater, Experten, Freunde und Bekannte, Lehrer oder Journalisten sein.
3.2.2.1 Das Meinungsführerkonzept Entwickelt wurde dieses Konzept von Katz & Lazarsfeld (1955), nach dem sie bereits 1940 bei der Untersuchung des Wahlkampfes für die Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten feststellten, daß die Medien keine direkte und kurzfristige Beeinflussung bewirkten („Peoples Choice“-Studie), vielmehr zeigte sich, daß der persönliche Einfluß anderer Personen bei der Entscheidung die bestimmenden Kräfte gewesen waren. So wurde man auf die sogenannten „Meinungsführer“ (opinion leader) aufmerksam. Auch für die Marktkommunikation stellt sich die Frage, ob diese direkt wirkt oder Berater und insbesondere die Meinungsführer Einfluß nehmen. Sowohl im privaten als auch im Business-to-Business-Bereich dürfte in vielen Produktfeldern eine solche Beeinflussung eine erhebliche Bedeutung haben. Wenn solche Meinungsführer festzustellen sind, dann haben sie für die Marktkommunikation eine erhebliche Bedeutung, insbesondere aufgrund ihrer Glaubwürdigkeit. Gelingt es, diesen Personenkreis zu erreichen, so geben sie ihre Erfahrungen in ihrer „Gefolgschaft“ weiter und verstärken durch ihre Glaub- und Vertrauenswürdigkeit den Einfluß der Massenmedien. Damit prägen diese Experten mit ihrer Meinung und ihrem Wissen, ihren Vorurteilen und ihrem Image, mit ihrer vorhandenen oder vermuteten Kompetenz den Informations- und Entscheidungsprozeß sowohl von Individuen als auch von Gruppen. Man spricht in diesem Kontext auch von einem mehrstufigen Kommunikationsprozeß.12 In einem einstufigen Prozeß fließen die Aussagen der Massenkommunikation in die Gesellschaft, bzw. zu den einzelnen Gruppierungen. Der Persuasions-Prozeß findet dagegen zweistufig statt. Meinungsführer werden durch Exper12
Katz & Lazarsfeld gingen zuerst von einem zweistufigen Prozeß aus (two-step-flow-of communication), später wurde diese These dahingehend modifiziert, daß die Annahme von nur zwei Stufen als unzureichend und irreführend betrachtet wurde; sie wurde in eine multi-step Hypothese abgewandelt.
128
3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
ten beeinflußt, die Angehörigen der Gefolgschaft durch ihre Meinungsführer. Bei den Inaktiven handelt es sich um Personenkreise, die nur sehr gering in ein soziales Netzwerk integriert sind und daher nicht oder nur in sehr geringem Maße durch Dritte beeinflußt werden. Wobei es sich nicht, wie ursprünglich gedacht, um einen einseitigen Prozeß handelt, indem der Meinungsführer nur Informationen weitergibt und ein „non-leader“ ausschließlich Informationen empfängt, sondern es ein wechselseitiger Prozeß ist. Problematisch ist die Charakterisierung von Meinungsführern. Generell läßt sich sagen, daß Meinungsführer • in allen sozialen Schichten anzutreffen sind und überwiegend zum sozialen Umfeld der Zielpersonen gehören, der Einfluß erfolgt also horizontal, •
kommunikationsfreudiger als der Durchschnitt sind, sie haben mehr Kontakt zu ihren Mitmenschen, Einstufiger Informationsfluß
Zweistufige Beeinflussung
Experten, Professional Intermediaries
Informationsdefizit, Kontaktsuche
Aussagen der Massenkommunikation
Beeinflussung (Persuasion)
Erste Stufe
Meinungsführer
Psychische Inkonsistenzen, Kontaktsuche
Beeinflussung
Angehörige der Gefolgschaft
Inaktive
Inaktive
Abbildung 3-7: Kommunikationsflüsse und Beeinflussung
Zweite Stufe
3.2 Bestimmung der Kommunikationszielgruppen und Segmentierung
129
• vorwiegend auf ein bestimmtes Thema/Gebiet spezialisiert sind und dort besser informiert sind als andere, • aktiv nach Informationen über bestimmte Themen suchen, häufig Nutzer von Fachmedien sind. Allerdings ist es schwierig, Meinungsführer zu identifizieren, d.h. sie durch entsprechende soziodemographische oder psychographische Merkmale von den Meinungsfolgern zu differenzieren.13 Die Berücksichtigung von Meinungsführern ist oft bei Produkteinführungen erklärungsbedürftiger oder High-Interest-Produkten von Relevanz, und wenn Handelsmittler angesprochen werden. Insbes. beim beratungsintensiven Fachhandel kommt das Modell zum Tragen. Ähnlich ist die Situation bei Zulieferern von Großprojekten. Hier geht es häufig darum, Architekten kommunikativ zu beeinflussen, weil diese wiederum den Bauträger beeinflussen.
3.2.2.2 Die Diffusion von Innovationen Für neue, innovative Produkte und Angebote sind die sogenannten Innovatoren eine wichtige Zielgruppe. Da sie die ersten sind, die neue Produkte und Ideen übernehmen, kommt ihnen eine entscheidende Bedeutung für die Diffusion von Innovationen zu. Der Diffusionsprozeß14 beschreibt idealtypisch, in welchem zeitlichen Verlauf ein neues Angebot vom Markt angenommen wird und sich verbreitet (Nachfrageentwicklung). Dabei lassen sich fünf Phasen unterscheiden, denen entsprechende Nachfragetypen zuzuordnen sind: • Einführungsphase: Innovatoren, sie zeichnen sich durch Risikofreudigkeit aus und verfügen oft über entsprechende finanzielle Ressourcen, sie sind im gesellschaftlichen Leben aktiv und verfügen über einen hohen Informationsstand. • Wachstumsphase: Frühe Übernehmer (Frühadaptoren) sind auch durch einen überdurchschnittlichen Informationsstand und hohen sozio-ökonomischen Sta-
13
14
Drei Ansätze sind gebräuchlich, um Meinungsführer zu ermitteln (Kumpf, 1983, S. 327 ff. und Brüne, 1989, S 46 ff.): Der soziometrische Ansatz, der graphisch versucht, Kommunikationsflüsse innerhalb von sozialen Gebilden zu erfassen. Menschen (in der Terminologie dieses Ansatzes Knoten), die durch eine weit überdurchschnittliche Anzahl von Nennungen charakterisiert werden, werden als Meinungsführer interpretiert. Der Schlüssel-InformantenAnsatz geht davon aus, Personen zu befragen, die einen besonders guten Überblick über die Gruppe haben. Diese sollten dann angeben, wer ihrer Meinung nach Meinungsführer ist. Der Selbsteinschätzungsansatz geht von einem subjektiven Punktebewertungsverfahren aus, das mutmaßliche Kennzeichen von Meinungsführern umfaßt. Rogers (1962) hat diese Forschungsrichtung entscheidend geprägt. Eine Übersicht über die einschlägige neuere Literatur findet sich bei Gatignon & Robertson (1985).
130
3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
tus zu charakterisieren, sie übernehmen neue Ideen frühzeitig, aber vorsichtig. Oft finden sich in diesem Personenkreis Meinungsführer. Diese beiden Gruppierungen bilden für die Verbreitung von wirklich innovativen Produkten praktisch einen Brückenkopf zu den wichtigen Mehrheiten im Markt, deshalb sind sie für das Marketing eine strategisch wichtige Kontaktstellen. Sie sollten in einer ersten Kommunikationsphase angesprochen werden.
Abbildung 3-8: Idealtypischer Verlauf des Diffusionsprozesses (vgl. Rogers, 1962, S. 162) • Reifephase: Die frühe Mehrheit wartet die Erfahrungen der anderen ab und handelt wohlüberlegt. Diese Gruppe übernimmt neue Ideen zwar früher als der Durchschnittsverbraucher, aber sehr selten als erste. Die Mitglieder dieser Gruppe stehen häufig mit anderen Personen in Kontakt, nehmen oft allerdings keine führende Position ein. • Sättigungsphase: Die späte Mehrheit verwendet die Innovationen erst, nachdem überdurchschnittlich viele Personen im sozialen System diese bereits übernommen haben; verursacht u.a. durch sozialen Druck. Die späte Mehrheit verfügt durchschnittlich über weniger Informationen, über ein relativ geringes Einkommen und steht Neuerungen mit Skepsis gegenüber. Diese frühe und späte Mehrheit sind aufgrund ihrer quantitativen Ausprägung für die Erreichung entsprechender Stückzahlen von entscheidender Bedeutung. • Rückgangs- oder Auslaufphase: Die Nachzügler sind Individuen, die in ihrer sozialen Umgebung relativ isoliert sind, sie sind traditionsgebunden, Kontakt besteht primär zu Gleichgesinnten. Die Übernahme von Innovationen findet meist erst dann statt, wenn diese bereits überholt sind oder in ihrem Umfeld inzwischen in einem gewissen Maße traditionell erscheinen.
3.2 Bestimmung der Kommunikationszielgruppen und Segmentierung
131
Entsprechend dieser Klassifizierung sind für die Marktkommunikation bei Innovationen die beiden ersten Typen von besonderer Relevanz. Die nachgelagerten Typen müssen entsprechend ihrer anderen Merkmale auch durch eine anders umgesetzte Kommunikation angesprochen werden (z.B. Betonung des Sicherheitsmotivs). Es ist aber nicht immer einfach, diese Typen in der Realität auszumachen. Auch hier besteht die Möglichkeit zu einem hybriden Verhalten, d.h. daß ein Mensch in einem Bereich besonders innovationsfreudig ist, in einem anderen Feld dagegen eher als Nachzügler zu charakterisieren sein mag.
3.2.2.3 Multiplikatoren Multiplikatoren sind Verbreiter und Vervielfältiger von Informationen. Bewußt oder unbewußt wirken sie damit auf Einstellungen und Images, auf Meinungen, Verhalten und Kaufentscheidungen ein. Sie tun dies aktiv im Rahmen einer beruflichen Funktion (z.B. Journalisten und Lehrer), einer gesellschaftlichen Funktion (z.B. Politiker) oder im Rahmen einer sozialen Institution (z.B. gemeinnützige Stiftungen, Institutionen). Insbesondere für die Öffentlichkeitsarbeit haben diese Multiplikatoren eine prominente Bedeutung. Multiplikatoren gelten als glaubwürdiger, da sie oft als unabhängig empfunden werden. Multiplikatoren informieren sich aktiv, wollen aber oft - ähnlich wie Meinungsführer - frühzeitig informiert werden. Dabei sind sie allerdings häufig nicht so sehr an fachlicher Tiefe interessiert15, ihr Wissen ist in vielen Fällen produkt- und themenübergreifend. Für die Marktkommunikation sind sie als Verstärker und Vervielfältiger von Botschaften von besonderem Interesse - speziell in den ersten Phasen des Diffusionsprozesses.
3.2.3 Kaufentscheidungen in Gruppen Kaufentscheidungen werden in vielen Bereichen nicht von einer einzelnen Person getroffen, sondern häufig sind mehrere Personen beteiligt. Diese Personenkreise sind in der Marktkommunikation zu berücksichtigen und kommunikativ zu bearbeiten. Dies kann dazu führen, daß mehrere Zielgruppen gleichzeitig definiert werden müssen und in der Kommunikation sowohl hinsichtlich der Aussagen als auch in Bezug auf die Kontaktaufnahme differenziert angegangen werden müssen.
3.2.3.1 Familienentscheidungsprozesse In vielen Familien findet sich eine Art Rollenteilung, die sich auch auf die Konsumentscheidungen beziehen. Ein Modell zur Abbildung dieser Rollenverteilung 15
Diese allgemeine Aussage muß im einzelnen Fall überprüft werden; viele Multiplikatoren, z.B. Fachjournalisten sind selbstverständlich auch an tiefergehenden Informationen interessiert.
132
3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
haben Davis und Rigeaux (1974) entwickelt.16 Dazu haben sie analysiert, wie häufig Entscheidungen gemeinsam von Ehepartnern getroffen werden und welcher Partner dabei einen dominierenden Einfluß hat. Daraus leiten sie vier Typen von Entscheidungen ab: • • • •
Entscheidungen, bei denen die Frau dominant ist, Entscheidungen, die wesentlich durch den Mann geprägt werden, Entscheidungen, die beide Partner gemeinsam treffen, Entscheidungen, die einmal die Frau, ein anderes Mal der Mann jeweils autonom treffen.
Frau Reinigungsmittel Haushaltswaren
Frau
Kinderkleidung Damenbekleidung Dekoration der Wohnung Frau dominant Freiverkäufliche Medikamente
Ferien Schule
Kosmetika
Kinderautonom Geräte spielzeug Instandhaltung der Möbel Wohnung Herrenkleidung FreizeitAlkoholische gestaltung Getränke Wohnungsfragen Gartengeräte synkratisch Sparen Fernsehen Auto
Relativer
Relativer Einfluß Einfluß derder Ehepartner Ehepartner
Mann dominant Versicherungen
Mann
Ausmaß der Rollenspezialisierung (Prozentsatz gemeinsam getroffener Entscheidungen)
Abbildung 3-9: Rollenverteilung zwischen Mann und Frau bei Kaufentscheidungen verschiedener Produkte (Davis & Rigeaux, 1974, zitiert nach von Rosenstiel & Kirsch, 1996, S. 219)
16
Zitiert nach von Rosenstiel & Kirsch (1996, S. 218). Die folgenden Überlegungen orientieren sich an diesen Autoren.
3.2 Bestimmung der Kommunikationszielgruppen und Segmentierung
133
Diese doch bereits ältere Studie zeigt, daß sich Mann und Frau durchaus nach gängigen Vorstellungen die Konsumentscheidungen aufteilen. Allerdings ist zu beachten, daß durch den stattgefundenen Wertewandel und den damit verbundenen Veränderungen im Rollenverhalten sich heute andere Muster abzeichnen dürften. Neben den Eltern spielen natürlich auch Kinder eine nicht zu vernachlässigende Rolle in familiären Entscheidungsprozessen (z.B. bei Reisen). Jedoch sind Kinder vor allem für die Anregung von Käufen verantwortlich, während die eigentliche Entscheidung bei den Eltern liegt. Eine Studie des Springer-Verlages (1997) zeigt, daß in vielen Haushalten auch bei Gütern des täglichen Bedarfs mehrere Haushaltsmitglieder als Mitentscheider den Entscheidungsprozeß erheblich mitgestalten (vgl. Tabelle 3-2). Tabelle 3-2: Beispiele für Mitentscheidungsprozesse in Haushalten (in Anlehnung an Springer-Verlag, 1997, S. 23) In Verwender-Haushalten sind:
Mineralwasser Sekt/Champagner Käse Kaffee/Tee Fertiggerichte Haut- und Handpflegemittel
Verwender %
Mitentscheider %
Käufer %
93 87 96 97 86 90
80 77 79 78 73 72
57 56 55 57 52 55
3.2.3.2 Organisationale Entscheidungsprozesse Im Investitionsgüterbereich sind vor allem die Entscheidungsabläufe und Beteiligten in Organisationen von besonderem Interesse. Insbesondere bei komplexen, umfangreichen und investitionsintensiven Beschaffungen sind mehrere Personen involviert. Grundsätzlich wird das Einkaufsverhalten in Unternehmen durch folgende Faktoren schwerpunktmäßig beeinflußt: • Merkmale des beschaffenden Unternehmens (z.B. Unternehmensgröße, Ziele, Unternehmensgrundsätze, Beschaffungsorganisation), • Art bzw. Typ des Kaufvorganges ( z.B. erstmaliger Kauf oder Wiederholungskauf, Investitionshöhe, Innovationsgrad des Produktes),
134
3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
• Umweltfaktoren (z.B. rechtliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen, Wettbewerbssituation, Nachfrageniveau), • Zusammensetzung der am Kaufprozeß beteiligten Personen und Instanzen (Buying Center) (vgl. Backhaus, 2003). Entscheidungsprozesse, die innerhalb von Buying Centern ablaufen, erfordern die Berücksichtigung der unterschiedlichen kaufrelevanten Interessen der Beteiligten sowie deren individuellen und interpersonellen Merkmale. Ein Buying Center beinhaltet im wesentlichen folgende idealtypische Funktionen bzw. Personen: • Entscheidungsvorbereiter (Informationsselektierer, Gatekeeper): Dies sind häufig Experten, die ein Angebot auf Eignung und Problemlösungsfunktion hin faktenmäßig prüfen und beurteilen. Sie sind häufig stark sachorientiert und für Detailinformationen offen. Sie können Macht ausüben durch Informationszurückhaltung oder gezieltes Beschaffen von Informationen. • Benutzer/Anwender (User): Sie verwenden die einzukaufenden Produkte und üben von daher aufgrund ihrer Erfahrung und Referenzen Einfluß aus. Sie sind oft primär an guten Arbeitsergebnissen und leichter Bedienbarkeit interessiert. Von ihnen kommt häufig die Anregung zum Kauf. • Einkäufer (Buyer): Sie können als formale Entscheidungsträger aufgrund ihrer Funktion Macht ausüben. Es ist aber auch denkbar, daß sie nur ausschließlich ausführende Organe darstellen. Sie sind häufig für die günstigen Konditionen einer Anschaffung verantwortlich und achten deshalb besonders auf ein vorteilhaftes Preis-Leistungsverhältnis. • Experten/Einflußnehmer (Influencer): Dies können interne und/oder externe Berater bei wichtigen Entscheidungsprozessen sein. Sie gelten als besonders glaubwürdig und kompetent. Um dieser Rolle gerecht zu werden, sind sie an frühzeitiger und umfassender Information interessiert. • Entscheider (Decider): Entscheidungsträger sind diejenigen Mitglieder des Buying Centers, die aufgrund ihrer Macht und Position letztendlich über die Auftragsvergabe entscheiden. Sie haben zumindest formal das letzte Wort. Dieser Personenkreis ist häufig prestige- und machtorientiert und ist dem Erfolg und der Zukunft des Unternehmens verpflichtet. Ergänzend kann noch der Typus des Initiators eingeführt werden,dies ist die Person, die den Kaufprozess in Gang setzt. Die Größe und Zusammensetzung solcher Buying Centers schwanken in jeder Organisation und je nach Art der Anschaffung. Köcher-Schulz (1997) kommt bei einer in Österreich realisierten Studie über Kaufentscheidungsprozesse bei Trans-
3.2 Bestimmung der Kommunikationszielgruppen und Segmentierung
135
portverpackungen zu dem Ergebnis, daß in Klein- und Mittelbetrieben das Buying Center meist aus 2-4 Personen besteht. In Großbetrieben können dagegen bis zu zehn Personen beteiligt sein. In den kleineren Betrieben sind dabei häufig die Geschäftsführung mit ein oder zwei zusätzlichen Abteilungen (Einkauf, Produktion oder Technik) involviert, in größeren Unternehmen kommen additiv vor allem das Marketing, aber auch Umweltschutzbeauftragte, Rechtsabteilung oder Versand zu Wort. Die Marktkommunikation eines Unternehmens ist umso erfolgreicher, je spezifischer sie auf die kaufrelevanten Interessen der einzelnen Mitglieder des Buying Centers ausgerichtet ist. Deshalb ist eine multiple Ansprache des Buying Centers erforderlich.
3.2.3.3 Ansätze einer gruppenbezogenen Marktkommunikation Die Marktkommunikation kann die Erkenntnisse gruppengeprägter Entscheidungsprozesse nutzen. Sie muß dazu feststellen, welche Mitglieder an der Entscheidungsfindung beteiligt sind (ob in der Familie oder einer Unternehmung) und in welcher Phase, und sie muß weiter analysieren, welche spezifischen Interessen, Motive, Bedürfnisse, etc. für das Mitglied in diesem Entscheidungsprozeß relevant sind. Aufgrund dieses Wissens kann sie dann gezielt die einzelnen Beteiligten sowohl inhaltlich, zeitlich und auch medial ansprechen. Konkret kann dies z.B. so aussehen, daß sich ein Automobilhersteller primär an Männer als Hauptentscheidungsträger richtet, Frauen aber in spezifischen Medien über Ausstattungsfragen informiert werden, da sie in diesem Bereich einen besonders hohen Einfluß verfügen (vgl. von Rosenstiel & Kirsch, 1996, S. 221 f.). Ebenso ist es möglich, daß einzelne Mitglieder ein Veto gegen ein Angebot einlegen. Hier geht es dann darum, bei diesem Mitglied konkret die entsprechenden Hemmfaktoren abzubauen.
3.3 Kommunikative Positionierung und Copy Strategie Das Zielgruppenkonzept im Rahmen einer Marktsegmentierung erfordert die Entscheidung, bestimmte Zielgruppen bzw. Zielpersonen anzusprechen, ebenso erfordert das Konzept der kommunikativen Positionierung die Entscheidung bestimmte Aspekte des Angebotes, der Marke zu betonen und andere nicht. Diese beiden Entscheidungen hängen eng miteinander zusammen. 3.3.1 Das Positionierungskonzept Die Positionierung bezieht sich auf die Abgrenzung eines Angebotes zu den Wettbewerbern und seiner Hervorhebung gegenüber den Abnehmern. Ries & Trout (1986, S. 19) verstehen Positionierung als das, „was man in den Köpfen der Ad-
136
3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
ressaten anstellt“. D.h., man plaziert oder positioniert, ein Produkt in den Köpfen der potentiellen Kunden.17 Eine Angebotspositionierung ist also ein Set an Assoziationen, welches Konsumenten oder besser die Zielpersonen mit diesem Angebot verbinden sollen (vgl. Aaker, Batra & Myers, 1992, S. 131). Aufgrund der Informationsüberflutung und der in vielen Märkten beobachtbaren Produkt- und Qualitätsangleichung ist heute eine klare kommunikative Positionierung ein entscheidender Beitrag für eine effiziente Marktkommunikation, zugleich ist sie auch eine wesentliche Voraussetzung für die konkrete Gestaltungsstrategie.18 Man kann auch sagen, daß die Positionierung den (kognitiven) Standort eines Angebotes beschreibt (Weinhold-Stünzi, 1996), in Relation zum Standort möglicher Wettbewerber. Die kommunikative Positionierung kann auf die Ergebnisse der AngebotsPositionierungsanalyse zurückgreifen (vgl. Abschnitt 2.1.2) und, wenn sich hier ein Differenzierungspotential zeigt, dies in die kommunikative Positionierung einfließen lassen. Damit wird der USP (Unique Selling Proposition) oder primär der Grundnutzen in den Vordergrund gerückt. In vielen Märkten ist dies heute aufgrund der Ähnlichkeit der Angebote nicht mehr sinnvoll, oder es handelt sich um solche USPs, die keine oder nur eine geringe Relevanz für die Zielgruppe haben. Deshalb ist es oft sinnvoller, eine Unique Advertising Proposition (UAP) oder wie dies Töpfer (1986, S. 266) nennt, eine Unique Communication Proposition (UCP) anzustreben.19 Das kann auf eine emotionale Alleinstellung hinauslaufen. Es ist aber auch möglich, neue Nutzenbündel zu kreieren, also aus Abnehmersicht sinnvolle Kombinationen wichtiger Nutzen. Andererseits erschwert eine Mehrzahl von Nutzenaspekten die Kommunikation. In diesem Dilemma bewegt sich die moderne Marketing-Kommunikation. Grundsätzlich soll die kommunikative Positionierung das Angebot so darstellen, daß es:
17
18
19
Für das Positionierungskonzept ist die Kommunikation wesentlicher Teil im Marketing-Mix, erfordert jedoch auch die strategische Ausrichtung und aufeinander abgestimmte Gestaltung der anderen Sub-Mix-Bereiche (vgl. Töpfer, 1986, S. 266). Eine Fülle von Positionierungsbeispielen findet sich bei Ries und Trout (1986) und Trout und Rivkin (1996). Nach Buchholz & Wördemann (1996) lassen sich auch ohne USP Produkte erfolgreich bewerben. Sie unterscheiden vier mögliche strategische Grundmuster solcher Kommunikationskampagnen ohne USP: - Relevanz-Strategien, die das Bedürfnis nach einem Produkt gezielt vergrößern sollen, - Inkonsistenz-Strategien, die bestimmte moralische Normen der Zielgruppe ansprechen, um bestimmte Kaufhandlungen auszulösen, - Konditionierungsstrategien, hierbei werden für das Produkt unvorteilhafte gegen positive Wahrnehmungsschablonen ausgetauscht und - Affektstrategien, damit sollen bei den Zielpersonen eine starke emotionale Beziehung zu einer Markenpersönlichkeit aufgebaut werden.
3.3 Kommunikative Positionierung und Copy Strategie
137
•
in den Augen der Zielgruppe(n) attraktiv ist und
•
sich gegenüber konkurrierenden Angeboten so abgrenzt, daß es ihnen vorgezogen wird (vgl. Kroeber-Riel & Esch, 2000, S. 47).20
•
Eine langfristige Orientierung erlaubt, den angesichts der Informationsüberflutung bei den Konsumenten müssen kommunikative Positionierungen über einen längeren Zeitraum eingesetzt werden können, um Gedächtnisspuren bei den Zielpersonen zu hinterlassen.
Die Attraktivität für die Zielgruppen resultiert dabei primär daraus, daß man nicht von den Produkteigenschaften ausgeht, sondern vom Produktnutzen oder dem Problemlösungspotential des Angebotes für die Zielgruppe.21 Die angestrebte Positionierung muß, da sie mittel- bis langfristig anzulegen ist, zukunftsorientiert sein. Sie soll den Interessen und Wünschen der Konsumenten auch in Zukunft entsprechen. Deshalb ist es wichtig, die vergangenheitsgeprägten Ergebnisse der Marktforschung durch die Antizipation von zukünftigen Marktsituationen zu ergänzen (vgl. Kroeber-Riel & Esch, 2000, S. 51 f.). Pickert formuliert dies so „schaffe die Position von morgen, die auch heute schon Bestand hat und Wohlwollen erfährt“ (1994, S. 77). Positionierung erfolgt immer in Relation zu den entsprechenden Wettbewerbern am Markt. D.h. die zweite wichtige Anforderung an eine Positionierung ist die Abgrenzung des Angebotes gegenüber konkurrierenden Angeboten. Krober-Riel und Esch (2000, S. 53 ff.) kritisiert in diesem Kontext, daß dieser Forderung in der Kommunikationsarbeit - insbesondere in der Werbung - zu wenig Rechnung getragen wird. Zwei Formen der Austauschbarkeit führt er hierzu an: • Die formale Austauschbarkeit: Die Kommunikationsbotschaften gleichen sich zu stark in der äußeren Gestaltung (z.B. das beliebte Motiv junger dynamischer Menschen), so daß es den Empfängern schwerfällt, diese einer bestimmten Marke oder einem Unternehmen zuzuordnen. Solche stereotypen Auftritte verwenden in Wort und Bild weit verbreitete Klischees. Dadurch reduziert sich die Auffälligkeit und Einprägsamkeit der Kommunikation.
20
21
Eine Studie von Young & Rubicam, das Brand Asset Valuator Project, die in 24 Ländern unter 34000 Konsumenten über 8500 Marken durchgeführt wurde, kommt auch zu dem Ergebnis, daß Differenzierung und Relevanz entscheidend für den Erfolg einer Marke sind. Zwei weitere Faktoren werden darin zudem als relevant für das „Wohl und Wehe“ einer Marke genannt, Ansehen und Kenntnis der Marke (vgl. Agres & Dubitsky, 1996a und 1996b). Viele Anbieter neigen immer noch dazu, primär von den Produkteigenschaften auszugehen. Oft ist es jedoch besser, im sozialen und psychischen Bereich, nach Positionierungsoptionen zu suchen als im technischen Bereich.
138
3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
• Die inhaltliche Austauschbarkeit: Es werden von den Wettbewerbern gleiche informative oder emotionale Botschaften an die Empfänger versandt, so daß es auch hier für den Empfänger problematisch ist, den Absender der Botschaft zu erkennen und zuzuordnen. Anlässe für die Positionierung ergeben sich anhand der beiden Dimensionen Produkt und Position (vgl. Pepels, 1994a, S. 104 ff.):
Produkt bestehend
Neu
alt
Positionsverstärkung
Positionsaktualisierung
neu
Umpositionierung
Neupositionierung
Position
• Bei der Positionsverstärkung geht es darum, für ein bestehendes Produkt seine Positionierung im Markt zu verstärken, dies entspricht der wichtigen Erfordernis der Markenpflege, damit die Marken-Profilierung erhalten bleibt. • Die Positionsaktualisierung bezieht sich auf ein neues Produkt und eine vorhandene Position. Die neuen Angebotsversionen dienen dann dazu, die vorhandene Position am Markt zu aktualisieren. • Bei der Umpositionierung wird für ein vorhandenes Produkt eine neue Positionierung gesucht. Da das Angebot oft unverändert bleibt, erfolgt die Umpositionierung primär über kommunikative Aktivitäten. Eine solche Umpositionierung soll ein Angebot neu erleben lassen. Läßt sich die Angebotspositionierung nicht ändern, so kann versucht werden, die Einstellung der Zielperson zur gegebenen Position zu modifizieren indem z.B. neue leistungsbezogene oder emotionale Aspekte des Angebotes gezeigt werden, die bisher noch nicht bekannt war (z.B. Punica vom Fruchtsaft zum Durstlöscher). Relaunch kann aber auch bedeuten, daß ein vorhandenes Produkt durch ein gleichartiges neues Produkt abgelöst wird, um einen neuen Produktlebenszyklus zu initiieren. Dafür muß das Angebot von den Konsumenten als neu empfunden werden. Dies erfordert Produktvariationen (z.B. Up grading), die dann kommunikativ neu ausgelobt werden. • Die Neupositionierung (Launch) bietet mit einem neuen Produkt und einer neuen Positionierung die größten Chancen, erfordert aber auch eine sorgfältige Planung der Positionierung, denn spätere Korrekturen sind nur schwer revidierbar. Die Option mit einer neuen, konsumentenrelevanten Positionierung als
3.3 Kommunikative Positionierung und Copy Strategie
139
erster in den Markt zu gehen, bietet die größten Chancen in die Gedankenwelt der Zielpersonen zu gelangen.22 Bei Positionierungsentscheidungen muß auch der Positionsumfang (vgl. Pepels, 1994a, S. 112 ff.) bestimmt werden. Hierbei geht es darum, zu entscheiden, ob die Positionierung einerseits möglichst breit angelegt wird, um eine breite Palette an Bedarfen abzudecken. Damit wird zwar ein Zugewinn an Zielgruppenbreite erreicht, aber zugleich auch eine relativ unscharfe Profilierung und Positionierung am Markt. Ein Beispiel dafür ist vermutlich die Marke Melitta. Andererseits besteht die Option, eine Angebotsfokussierung anzustreben, um sich besser am Markt profilieren zu können. Das gelingt mit Einzelproduktmarken. Häufig wird zwischen diesen beiden Dimensionen ein Kompromiß geschlossen. Allgemein kann festgehalten: Je eigenständiger, je kaufrelevanter die eigene Position ist, desto stärker wird auch die dem Angebot zugeteilte Präferenz sein, und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, eine Kaufentscheidung zu Gunsten des eigenen Unternehmens zu erreichen.
3.3.2 Positionierungsstrategien Für die kommunikative Positionierung am Markt stehen verschiedene strategische Optionen offen, die sich konkret aus der Nutzenanalyse des eigenen und des Konkurrenzangebotes und den Erwartungen, Motive, Einstellungen der Zielpersonen ableiten lassen. Allgemein kann man zwischen zwei Möglichkeiten unterscheiden. Erstens den Differenzierungsstrategien, die darauf abzielen, sich von den kommunikativen Botschaften der konkurrierenden Unternehmen abzuheben und zweitens den Me-Too-Strategien, die im wesentlichen mit gleichen oder ähnlichen Botschaften wie der Wettbewerb operieren. Differenzierungsstrategien - Emotional-informative Positionierung - Informative Positionierung - Emotionale Positionierung - Positionierung durch Aktualität - Re-Positionierung
Me-Too-Strategien -„ Mitläufer-Positionierung“ - „Trittbrettfahrer“-Positionierung - „Power“-Positionierung
Abbildung 3-10: Strategische Optionen der kommunikativen Positionierung 22
Diese Chancen werden deutlich, wenn man sich ein paar Fragen stellt: Wer überflog als erster den Atlantik? Charles Lindbergh. Wesentlich problematischer ist die Frage, wer als zweiter den Atlantik überflog. Oder: Wie heißt der höchste Berg der Welt? Mount Everest. Wie heißt der zweithöchste Berg? Die erste Person, der höchste Berg, etc., wer oder was diese Position im Gehirn einnimmt, ist nur äußerst schwer zu verdrängen (vgl. Ries & Trout, 1986, S. 38).
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3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
3.3.2.1 Differenzierungsstrategien Kroeber-Riel und Esch (2000, S. 59 ff.) unterscheiden vier Positionierungsstrategien, die im wesentlichen dazu geeignet sind, sich von der Konkurrenz abzuheben.23 a) Positionierung durch emotionale und informative Positionierung: Das Grundmuster dieser Positionierungsstrategie geht in einem ersten Schritt von dem emotionalen Appell an ein Bedürfnis aus und zeigt in einem zweiten informativen Schritt Eigenschaften des Angebotes, die dazu geeignet sind, dieses Bedürfnis zu befriedigen. Dabei kann man sich sowohl auf der emotional, appellativen Seite wie auch auf der informativen Seite sich so wie die Konkurrenz verhalten oder sich unterscheiden. Eine solche gemischte emotionale und informative Positionierung ist in vielen Marktsituationen umsetzbar. Wichtig ist jedoch, auf die Wechselwirkungen zwischen emotionaler und informativer Beeinflussung zu achten. Werden genau die Bedürfnisse angesprochen, welche durch die sachlichen Produkteigenschaften befriedigt werden können? b) Informative Positionierung: Diese Strategie zielt darauf ab, auf informative Weise über Angebotseigenschaften zu berichten, welche die besondere Eignung des Angebots zur Bedürfnisbefriedigung unterstreichen. Diese Strategie entspricht der traditionellen Form der Positionierung. Eine solche Strategie eignet sich heute nur noch für wenig entwickelte Märkte; für die Kommunikation von wirklich neuen Produkten mit innovativen Eigenschaften, wenn hinreichend starke Bedürfnisse angesprochen werden und für High-Involvement-Angebote.24 Auch bei diesem Ansatz muß man davon ausgehen, daß die Zielpersonen unter Informationsüberlastung leiden, deshalb ist es auch hier erforderlich, einerseits den Umfang der Botschaft knapp zu bemessen und zweitens eine Gestaltung zu wählen, die die Aufnahme und gedankliche Verarbeitung erleichtert. c) Emotionale Positionierung: Bei der emotionalen Positionierung wird das Sachprofil durch ein Erlebnisprofil ersetzt. Die Marktkommunikation übernimmt die Funktion, das Angebot in der emotionalen Erfahrungs- und Erlebniswelt der Zielgruppen zu verankern. Ein
23
24
Verschiedene Autoren kommen auch zu unterschiedlichen, strategischen Positionierungsoptionen; so führen z.B. Aaker, Batra und Myers (1992, S. 131) insgesamt sieben Positionierungsansätze auf. Pickert (1994, S. 70 ff.) differenziert bei seinen Positionierungsmöglichkeiten zwischen marktlicher Objektpositionierung, werblicher Objektpositionierung und ganzheitlicher Anbieterpositionierung. Selbst im Business-to-Business-Bereich sind nicht allein Angebotsinformation für den Entscheidungsprozeß von Bedeutung, sondern auch hier spielen Imagefaktoren eine nicht unerhebliche Rolle.
3.3 Kommunikative Positionierung und Copy Strategie
141
solcher Ansatz ist sinnvoll in gesättigten Märkten mit austauschbaren Produkten25, wenn Informationen über das Angebot trivial sind und die Zielpersonen kaum oder nur gering involviert sind. Auch bei einer emotionalen Kommunikation ist es wichtig, daß sie andere Erlebnisse vermittelt als der Wettbewerb. Notwendig ist zudem, daß nicht nur durch die Marktkommunikation eine solche emotionale Erlebniswelt aufgebaut wird, sondern eine konsistente Einbeziehung dieser Erlebnisvermittlung im gesamten Marketing-Mix erfolgt. Eine wirksame Vermittlung von solchen Erlebniswelten ist weitgehend an die Verwendung von Bildern gebunden, die in der Lage sind, bei den Empfängern „innere Erlebnisbilder“ zu erzeugen.26 Im Zeitalter der Informationsüberlastung und bei gesättigten Märkten ist das eine angemessene Form der Positionierung. d) Positionierung durch Aktualität: Ziel dieser Strategie ist es, durch einen auffallenden und aufmerksamkeitsstarken Auftritt des Markennamens die Aktualität der Marke zu erhöhen. Diese Form der Kommunikation enthält kaum Informationen und bietet auch keine besonderen emotionalen Erlebnisse. Als Wirkung wird angestrebt, daß die Marke bei den Konsumenten gedanklich präsent ist, und sie sich mit der Marke beschäftigen. Dieser Positionierungsansatz basiert auf Überlegungen der „Agenda Setting“These der Massenkommunikationsforschung. Nach dieser These liegt die Wirkung der Massenmedien weniger darin, Meinungen und Einstellungen zu beeinflussen, als darin, das Publikum dazu zu bringen, sich gedanklich mit bestimmten Themen (Agenda) zu beschäftigen. Es geht also nicht um die Frage, wie die Menschen über etwas denken, sondern worüber sie denken und sprechen. Ziel ist es dabei, die aktive Markenbekanntheit zu erhöhen und der Marke eine hohe Aktualität zu verschaffen. Aktualität gewinnt vor allem dann an Relevanz, wenn von einem sehr geringen Involvement der Zielpersonen ausgegangen werden muß. Oder wenn langfristig eine Aufgabenteilung im Marketing-Mix geplant ist und z.B. die Werbung die Aktualitätsfunktion übernimmt, und andere Kommunikationsmaßnahmen Aufgaben der informativen Positionierung wahrnehmen. Um diese höhere Aktualität zu erreichen, ist ein auffälliger Auftritt erforderlich, der die Marke in den Mittelpunkt rückt sowie einprägsam und leicht zu erinnern ist.
25
26
Ausdrücklich weist Kroeber-Riel (1991, S. 68) darauf hin, daß die Qualität eine notwendige Bedingung ist; diese wird aber in vielen Märkten als eine Selbstverständlichkeit erachtet. Zur Bedeutung der Bildkommunikation vgl. Kroeber-Riel (1993).
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3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
Eine weitere Möglichkeit der Positionierung ist e) die Re-Positionierung:27 Re-Positionierung bedeutet, eine bei den Zielpersonen vom Wettbewerb besetzte Position auf der Präferenzskala freizumachen, um dafür das eigene Angebot zu verankern. D.h. die höhere Wertschätzung von Konkurrenzangeboten mit kommunikativen Mitteln zu reduzieren, zu relativieren und deren angenommene Präferenzposition zu untergraben. Bei den meisten Positionierungsstrategien fließen die Wettbewerber implizit in die eigene Positionierung mit ein. Bei dieser Positionierungstrategie dagegen werden die Wettbewerber quasi explizit angegriffen. In Märkten, die durch ein relativ scharfes Werberecht charakterisiert sind, kann dies durch die subtile Methode der Umkehrargumentation umgesetzt werden. Beispiel: Bei der Markteinführung von Vivil wurde der Slogan „Vivil ohne Zucker“ benutzt. Damit erzeugt man den Eindruck, alle anderen hätten Zucker und damit einen gewissen Produktnachteil, denn sonst würde man ja nicht damit werben, selbst keinen Zucker zu haben. Fazit: Das neue Vivil ist besser und gesünder. Oder die Aussage „Der XY-PC - ein wirklich kompatibler PC“ suggeriert nur durch das Wort wirklich, daß alle anderen, die sich bisher als kompatibel bezeichnet haben, dies nicht sind. In Märkten, in denen vergleichende Werbung erlaubt ist, kann direkt auf den Wettbewerb bezug genommen werden, indem Aussagen über das Wettbewerbsprodukt gemacht werden, welche die Zielpersonen veranlaßt, seine Meinung darüber zu ändern. Beispiel: Die Botschaft „Royal Doulton: Das Porzellan von Stoke-on-Trent, England gegen Lennox. Das Porzellan aus Pomona, New Jersey’’. Damit wurde das Lennox-Porzellan repositioniert, ein Produkt von dem viele Käufer annahmen, es sei aus England importiert (vgl. Ries & Trout, 1986, S. 91). Ein anders klassisches Beispiel war die Kampagne von Avis „We ‘re only number 2. We try harder“. Mit dieser Headline wurde suggeriert, daß Hertz so groß ist, daß sie nicht mehr hart arbeiten müssen.28 Es sei darauf hingewiesen, daß vergleichende Werbung nach US-Erfahrungen dann besonders erfolgreich sein kann, wenn sie auf nachvollziehbaren Aussagen aufbaut. Das ist bei den oben genannten Beispielen im wesentlichen der Fall. Zuckerfreiheit kann nachgeprüft werden, ebenso die Herkunft der Produkte. Das Avis-Konzept gewinnt an Glaubwürdigkeit, weil eine scheinbare eigene Schwäche einbezogen wird: nur die Nr. 2 zu sein. Aber diese Schwäche wird in einen Vorteil umgekehrt, nämlich härter zu arbeiten. 27
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Verschiedene Autoren verstehen unter Repositionierung auch nur eine Umpositionierung des Angebotes, der Marke, vgl. hierzu z.B. Schütz (1997). Reine, vergleichende Werbung mit Aussagen wie „nur größer“, „besser“, etc., die den Wettbewerb nur als Meßlatte für die eigene Marke verwenden, entspricht nicht diesem Konzept, denn es fehlt der Aspekt der Repositionierung der Konkurrenz.
3.3 Kommunikative Positionierung und Copy Strategie
143
3.3.2.2 Me-Too-Strategien Auch für diesen Strategietyp kann man verschiedene Varianten unterscheiden: a) Die „Mitläufer“-Variante: Bei dieser Variante wird die gleiche Positionierung benutzt wie bei wesentlichen Mitbewerbern: Kern der Botschaft „Wir haben es auch“. Diese Strategie wird auch eingesetzt, um Zeit zu gewinnen, z.B. bis ein besseres Produkt marktreif ist. b) Die „Trittbrett“-Variante: Dieser Ansatz ist wesentlich anspruchsvoller, er versucht von den Mitbewerberaktivitäten zu profitieren. Versucht beispielsweise der Marktführer intensiv, bei einer Zielgruppe ein Problembewußtsein zu schaffen, indem er für ein innovatives Angebot eine generische Werbung betreibt (z.B. Down Hill als neue Radsportart), dann kann man versuchen, von diesen Vorleistungen zu profitieren, indem man sein Angebot bereits als Problemlösung kommuniziert. c) Die „Power“-Variante: Hierbei geht es um die Demonstration von Stärke durch einen hohen Kommunikationsdruck. Dies soll den Eindruck souveräner Marktführerschaft suggerieren und auf eine entsprechend hohe Angebotsqualität schließen lassen. Damit wird versucht, einen Wettbewerbsvorteil durch Quantität zu erreichen.29 Grundsätzlich muß die kommunikative Positionierung zur Produktpositionierung, zur jeweiligen Kommunikationszielgruppe und zu den angestrebten Zielen passen. Die Vorgehensweise zur Entwicklung der kommunikativen Positionierung kann dabei analog zum Vorgehen der Produktpositionierung nur mit Fokussierung der kommunikativ-relevanten Eigenschaftsdimensionen realisiert werden (vgl. hierzu Abschnitt 2.1.2).
3.3.3 Die Copy Strategie Die definierte Positionierung gibt quasi einen Kurs für die gesamte Marktkommunikation vor. Sie dient dazu, die vielen Einzelaktivitäten in diesem Aufgabenfeld aufeinander abzustimmen, so daß die Zielpersonen alle Maßnahmen der jeweiligen Unternehmung bzw. Marke zuordnen. Der aufeinander abgestimmte Einsatz einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen fördert nämlich die Lernleistung und ist damit eine wesentliche Voraussetzung zur Wirkungssteigerung der Marktkommunikation. Konkretisiert wird diese grobe Marschrichtung der Positionierung in der Copy Strategie. Die Copy Strategie baut auf der Positionierung auf und definiert, wie sich diese Positionierung argumentativ und kommunikativ überzeugend transportieren läßt. Sie ist damit die Vorstufe zur Verbalisierung und Visualisierung der 29
Dieser Ansatz geht auch in Richtung einer Aktualisierungs-Positionierung.
144
3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
Marktkommunikation (vgl. Huth & Pflaum, 1991, S. 95) Sie kann als Argumentations- und Gestaltungsstrategie verstanden werden. Die Copy Strategie setzt sich aus vier Elementen zusammen:30 • Kommunikationsziel: Hier gilt es, präzise und in wenigen Sätzen ein langfristig gültiges Kommunikationsziel zu definieren, bezogen auf eine genau definierte Zielgruppe. • Das Produktversprechen (Consumer Benefit): Hier wird der wesentliche, für die Zielpersonen relevante Produkt/Angebotsnutzen herausgestellt, ohne daß dabei schon die konkrete Aussage formuliert werden soll. • Die Begründung (Reason Why): Ein Versprechen alleine ist eine Behauptung, die zumindest in der Durchsetzungsphase einer Kommunikation zu begründen ist. Sie muß glaubwürdig gemacht werden. • Tonality: Damit ist gemeint, daß die gewünschte Art der Kreativität fixiert wird; der Stil der gesuchten Marktkommunikation. Diese Vorgehensweise ist notwendig, will man die Aussagen der verschiedenen Kommunikationsinstrumente über einen längeren Zeitraum bei geringfügiger Variation einzelner Elemente optimieren. Die Copy-Strategie fokussiert den Kern, das Typische dieser Aussagen, die Gestaltung wird aber damit direkt noch nicht festgelegt. Dennoch ergibt sich aus der konsequenten Umsetzung der „Copy-Strategie“ bald auch eine Konstanz im Gestalterischen. Innerhalb des gestalterischen Rahmens wird eine leichte Wiedererkennbarkeit aller Kommunikationsmaßnahmen und synergetische Wirkungseffekte angestrebt. Das Produktversprechen (Kernbotschaft, Consumer Benefit) bringt die kommunikative Positionierung als „Versprechen an die Zielgruppe“ auf den Punkt. Es ist die Dachaussage für alle wesentlichen Argumente für das Angebot und formuliert so den gemeinsamen Nenner der Botschaften. Es bezieht sich auf die aus Zielpersonensicht wesentlichen Angebotsvorteile. In gesättigten Märkten mit technisch vergleichbaren, austauschbaren Produkten kann der entscheidende Nutzen sehr subtiler, emotionaler Art sein. Dann wird die Vermittlung emotionaler Angebotser30
In der Literatur besteht darüber keine Einheitlichkeit. Manche Autoren vermeiden das Kommunikationsziel als Element der Copy-Strategie mit einzubeziehen (beispielsweise Huth & Pflaum, 1991, S. 95 ff.). Manche Copy-Strategien grenzen die Tonality aus, mit der Begründung, daß dadurch die Kreativität zu stark eingeschränkt wird. Einer dieser Autoren (F.U.) hat viele Jahre mit dem Vier-Komponenten-Modell in der Praxis erfolgreich gearbeitet.
3.3 Kommunikative Positionierung und Copy Strategie
145
lebnisse zum zentralen Angebotsnutzen. Diese Kernbotschaft muß kurz und präzise sein und soll nicht alle möglichen Nutzenaspekte thematisieren, denn sonst besteht die Gefahr, daß man „alles für alle“ kommunizieren möchte und damit niemanden effektiv anspricht. Wesentlich ist, daß dieses Versprechen tatsächlich einen von den Zielpersonen gesuchten Nutzen wiedergibt. Bei mehreren Kommunikations-Zielgruppen und/oder mehrstufigen Kommunikationsstrategien müssen auch verschiedene Kernbotschaften entwickelt werden, sie verkörpern dann die jeweiligen kommunikativen Positionierungen. Dabei muß darauf geachtet werden, daß sich die unterschiedlichen Kernbotschaften nicht widersprechen, denn es ist nicht auszuschließen, daß eine Zielgruppe auch von Botschaften erreicht wird, die gar nicht für sie, sondern für eine andere Zielgruppe gedacht war. Deshalb müssen die verschiedenen Botschaften, die medial und zeitgleich an die verschiedenen Zielgruppen gehen können, zueinander widerspruchsfrei sein. Die Begründung („Reason Why“) dient dazu, eine Behauptung, ein Nutzenversprechen glaubhaft zu machen. Dies geschieht durch gute Argumente, welche die Zielpersonen von der Leistung des Angebotes überzeugen können. Entscheidend für die Art der Beweisführung ist die Wichtigkeit eines Angebotes für die Zielpersonen. Bei geringem Involvement ist eine emotionale Begründung durchaus angebracht, auch wenn diese nicht rational nachvollzogen werden kann. Mit zunehmendem Involvement kann die Bedeutung rational nachvollziehbarer Argumentation steigen. Aber auch bei starkem Involvement ist an die Informationsverarbeitungskapazität der Empfänger zu denken. Auch in diesem Fall gilt „weniger ist häufig mehr“, und deshalb sind die entscheidenden Argumente einer möglichen Argumentation herauszuarbeiten und den „Reason Why“ auf sehr wenige, jedoch zentrale Aussagen einzugrenzen. Für die Gestaltung von Maßnahmen im Rahmen der Marktkommunikation wird ein eigenständiger, emotional ansprechender und überzeugender Auftritt verlangt. Die „Tonality“ legt fest, welche Stimmungen, Atmosphären oder Emotionen, Anmutungsqualitäten durch die gesamte Marktkommunikation angesprochen werden soll. Sie sagt etwas darüber aus, wie das „Was“ mitgeteilt werden soll. Nach Ansicht von Pickert (1994, S. 83) muß die Tonality einerseits den Grundton kultivieren und unverwechselbar prägen, andererseits muß sie die Variabilität von Aussagen innerhalb eines eingeschränkten Kreativspielraums gewährleisten.31 Die „Tonality“ beschreibt Gestaltungsrichtlinien, die teilweise auch auf die Festlegung von Schlüsselreizen bildlicher Art hinauslaufen, sog. Key Visuals (vgl. Vergossen, 2004, S. 65).
31
Zudem ist nicht zu vergessen, daß auch durch ein vorhandenes Corporate Design bestimmte Einschränkungen vorgegeben sind.
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3. Zielformulierung und kommunikative Positionierung
Die „Copy-Strategy“ wird in der Praxis nicht uneingeschränkt befürwortet. Tests und Überprüfung der Marktkommunikation anhand strategischer Richtlinien werden als Einengung der Phantasie empfunden (in der Praxis besonders populär: Séguéla, 1983, S. 38). Phantasie und Kreativität dienen jedoch in der Marktkommunikation konkreten kommunikativen Zielen und sind nicht Selbstzweck. Marktkommunikation ist primär als Sozialtechnik zu verstehen mit ökonomisch meßbaren Aufgaben und Zielen; daß sie dabei zur Kunst werden kann, Kunst beeinflussen kann oder Kunstrichtungen widerspiegelt ist durchaus möglich und nicht abzustreiten. Kreative in Werbeagenturen können nicht einerseits mangelhafte Aufgabenstellungen (Briefings) beklagen und sich andererseits über eine angebliche Einengung ihrer Kreativität durch ungeliebte Kommunikationsstrategen auf Kundenseite (im Marketing-Management) beklagen.
4. Das Kommunikations-Programm Das Kommunikations-Programm betrifft die Optionen an Instrumenten, Mitteln und Maßnahmen, die zur Erreichung kommunikativer Ziele durch ein Unternehmen eingesetzt werden können. Die einzelnen Instrumente und Aspekte der Verknüpfung werden in den folgenden Abschnitten dargelegt.
4.1 Das Kommunikations-Mix Das Kommunikations-Mix ist in seiner Ausgestaltung die konkrete Zusammensetzung an Instrumenten und deren Ausprägung, die ein Unternehmen für die Bewältigung seiner speziellen kommunikativen Aufgaben einsetzt. Er ist das Ergebnis von komplexen Entscheidungsprozessen. Für die Bewältigung und Erfüllung der Aufgaben der Marktkommunikation steht ein vielfältiges und elaboriertes Instrumentarium zur Verfügung. Dynamische Entwicklungen sowohl bei den klassischen Medien (z.B. neue Werbeformen im TV-Bereich) als auch bei den Neuen Medien (z.B. Kommunikation im Internet) eröffnen neue Chancen, für ein Unternehmen mit seinen Zielgruppen zu kommunizieren. Zudem werden und wurden neue Instrumente (z.B. Event Marketing) entwickelt, um den veränderten Anforderungen der Zielpersonen gerecht zu werden. Damit steht das KommunikationsManagement vor der Anforderung, sich permanent über diese medialen und sozialen Entwicklungen zu informieren und die sich daraus ergebenden Optionen im Kommunikations-Mix zu berücksichtigen.
4.1.1 Selektion und Integration der Instrumente Die Herausforderung für das Management der Marktkommunikation besteht darin, aus dem Instrumentenpool die effektivsten und effizientesten Instrumente und Instrumentenkombinationen einschließlich der entsprechenden Einsatzdosierung für die jeweils spezifischen Kommunikationsziele und -aufgaben auszuwählen. Die Komplexität dieser Herausforderung resultiert nicht nur aus der Vielzahl der vorhandenen Instrumente - wie Werbung, Verkaufsförderung (VKF), Public Relations, Product Placement, Sponsoring, Messen und Ausstellungen, etc. – sondern darum, daß es für jedes Instrument zahlreiche Ausführungsformen gibt. Tabelle 41 gibt hier nur für einige Instrumente einen Überblick. Zudem sind die vielfältigen Wechselbeziehungen bei einem kombinierten Einsatz der Instrumente zu berücksichtigen und synergetische Effekte sowie Kostensenkungspotentiale anzustreben. Eine Möglichkeit, um die Beziehungen zwischen den Kommunikationsinstrumenten zu verdeutlichen ist eine Cross-Impact-Analyse, die den Einfluß und die Beeinflußbarkeit von Kommunikationsinstrumenten in Matrixform zu bestimmen versucht. Das Ergebnis einer solchen Analyse ist eine Kategorisierung von Kommunikationsinstrumenten nach ihrer Einflußnahme und Beeinflußbarkeit (vgl.
148
4. Das Kommunikations-Programm
Bruhn, 1997, S. 128 f.; 2003b, S. 93 f.). Gleichzeitig wird aber Kommunikation nicht nur durch die speziellen Kommunikationsinstrumente bewirkt. Auch Produkt- und Verpackungsdesign, Preis, Kundendienst und andere Serviceleistungen wirken bei den Zielgruppen kommunikativ. Zur Erzielung größtmöglicher kommunikativer Wirkungen müssen daher nicht nur die Kommunikationsinstrumente im Sinne einer ganzheitlichen, integrierten Kommunikation aufeinander abgestimmt werden, sondern alle Elemente im Marketing-Mix. Tabelle 4-1: Unterschiedliche Ausprägungsformen einiger Kommunikationsinstrumente Werbung
Verkaufsförderung
Public Relations
Sponsoring
Persönlicher Verkauf
- Anzeigen/Beilagen in Tageszeitungen Publikumszeitschriften Fachzeitschriften
- Preisausschreiben
- Pressemitteilung
- Sportsponsoring
- Verkaufsgespräche
- Zugaben
- Pressefoto
- ÖkoSponsoring
- Verkaufskonferenzen
- Proben
- Pressekonferenz
- KulturSponsoring
- Verkaufspräsentation
- Plakate/ Außenwerbung
- Sonderpreise
- Journalistenreisen
- SozioSponsoring
- Telefonverkauf
- Veranstaltungen
- Tag der offenen Tür
- Vorführungen
- Fachmessen
- TV-Spots - Displays
- Seminare
- Hörfunkwerbung
- Verpackung
- Vorträge
- Kinowerbung
- Prospekte
- PRBroschüren
- Handzettel - PR-Filme - Mitarbeiter zeitschrift
Belz (1995, S. 10) geht davon aus, daß die neuen, sogenannten „Nicht-Klassiker“ der Marktkommunikation die klassische Werbung nicht ersetzen werden, denn deren Kommunikationswirkung läßt sich nur wenig mit der klassischen Werbewirkung vergleichen. Sie sind Spezialitäten kreativer Kommunikation. Nicht ganz einfach stellt sich die Beantwortung der Frage dar, was denn als Nicht-Klassiker
4.1 Das Kommunikations-Mix
149
zu gelten habe. Wir wollen uns teilweise Bruhn (2003a, S. 59 ff.) anschließen und zwei Definitionsansätze vorstellen: • Definition durch Negativabgrenzung. Danach werden als Klassiker Mediawerbung, Verkaufsförderung, Öffentlichkeitsarbeit, Mitarbeiterkommunikation, Messen und Teile des Sponsoring bezeichnet. Alles andere sind NichtKlassiker. • Definition durch konstitutive Merkmale wie: - Hoher Neuigkeitsgrad in der Branche, - Nutzung von Medien der Individualkommunikation, - Einsatz der Kommunikation in spezifischen Kundensituationen, - hohe Zielgruppengenauigkeit und - Diskontinuierlicher Einsatz. Von den in dieser Abhandlung dargestellten Kommunikationsinstrumenten wollen wir die folgenden als „Nicht-Klassiker“ verstehen: Product Publicity, Product Placement und Sponsoring. Ferner zählen dazu u.a. Kundenclubs, Event Marketing und Szenen Marketing. Das Ziel einer ganzheitlichen Markt-Kommunikation setzt Wissen sowohl über die Wirkungen einzelner Instrumente als auch über die Wirkungen eines kombinierten Einsatzes voraus. Bruhn zeigt auf, welche möglichen Beziehungen zwischen den einzelnen Kommunikationsinstrumenten in funktionaler, zeitlicher und hierarchischer Hinsicht bestehen (zu den folgenden Ausführungen vgl. Bruhn, 1992, S. 51 ff.).
4.1.1.1 Funktionale Beziehungen zwischen den Kommunikationsinstrumenten Grundsätzlich lassen sich komplementäre, konditionale, konkurrierende, substituierende und indifferente Beziehungen unterscheiden. Bei komplementären Beziehungen ergänzen und unterstützen sich die Instrumente gegenseitig. Komplementarität liegt immer dann vor, wenn von einem Instrument ein Thema oder eine Botschaft in den Mittelpunkt gestellt wird (z.B. TVWerbung) und von anderen Kommunikationsinstrumenten (z.B. Verkaufsförderung) eine begleitende Unterstützung mit anderen Mitteln (z.B. Display) oder anderen Medien (z.B. Spots über den Ladenfunk) vorgenommen wird. Oft übernimmt in einem solchen Fall ein Instrument die Führungs- oder Leitfunktion. Konditionale Beziehungen sind dadurch charakterisiert, daß die Wirkung eines Instrumentes den Einsatz eines anderen Instrumentes voraussetzt. Z.B. kann die Beteiligung an einem Sponsorship nur dann sinnvoll sein, wenn bestimmte Maß-
150
4. Das Kommunikations-Programm
nahmen der Öffentlichkeitsarbeit oder der internen Kommunikation genutzt werden. Auch in diesem Fall kann ein Kommunikationsinstrument eine Führungsfunktion übernehmen und ein oder mehrere Instrumente eine vor- und/oder nachbereitende Aufgabe wahrnehmen. Eine solche Beziehung ist in der Regel bei solchen Kommunikationsaufgaben der Fall, die in einer zeitlichen und/oder sachlichen Abfolge eingesetzt werden. Substituierende Relationen liegen dann vor, wenn die Wirkung eines Instrumentes auch durch ein anderes Instrument erreicht werden kann. Dies ist u.a. davon abhängig, wie ähnlich die Funktionen der Instrumente sind, um Ziele wie z.B. Bekanntheit, Image, Produktwissen, usw. zu erreichen. So kann z.B. Sponsoring von sportlichen Großveranstaltungen in einer solchen Beziehung zur klassischen Mediawerbung stehen, da durch beide Aktivitäten Mediakontakte erzielt werden. Substituierende Beziehungen deuten auf einen Wettbewerb der Instrumente hin. Bei konkurrierenden Beziehungen beeinträchtigen sich die eingesetzten Medien in ihrer Wirkung negativ. Eine solche Situation wird sich vor allem dann ergeben, wenn die Kommunikationsinhalte in den einzelnen Instrumenten widersprüchlich oder nicht formal und zeitlich aufeinander abgestimmt sind. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Produkt in der klassischen Werbung im Premiumbereich positioniert wird und andererseits am Point of Sale (POS) mit vielfältigen Sonderpreisaktionen angeboten wird. Bei indifferenten Beziehungen bestehen zwischen den Instrumenten keine sachlichen Beziehungen. Diese Relationsausprägung findet sich allerdings zwischen Kommunikationsinstrumenten nur sehr selten. Dies ist nur dann zu erwarten, wenn durch die einzelnen Maßnahmen sehr unterschiedliche Personen angesprochen werden; z.B. eine Direct Mailing-Aktion mit einem Spezialangebot für Senioren und eine Fachmesse für gewerbliche Abnehmer. Bei der Analyse der funktionalen Beziehungen zwischen Kommunikationsinstrumenten muß berücksichtigt werden, daß nicht immer alle Wirkungsinterdependenzen a priori eingeschätzt werden können.
4.1.1.2 Zeitlicher Einsatz der Kommunikationsinstrumente Damit werden zeitliche Aspekte – wie Wirkungsverzögerungen und Wirkungsübertragungen – in die Analyse der Beziehungen der Instrumente mit einbezogen. Auch hier lassen sich unterschiedliche Formen des Instrumenteneinsatzes differenzieren. Bei einem parallelen Einsatz werden verschiedene Instrumente gleichzeitig eingesetzt. Eine solche Vorgehensweise ist oftmals eine notwendige Voraussetzung für
4.1 Das Kommunikations-Mix
151
Wirkungsinterdependenzen zwischen den Instrumenten. Deshalb ist eine sorgfältige Planung und Abstimmung erforderlich. Ein Beispiel hierfür ist der gleichzeitige Einsatz von POS-Aktivitäten, der klassischen Werbung in Print oder TV und Product Publicity als Maßnahmen bei der Neueinführung eines Produktes. Bei einem sukzessiven Einsatz werden die Instrumente zeitlich versetzt eingesetzt. So können bei Response-Anzeigen Interessierte anschließend mit gezielten Direct Mails angesprochen werden, bevor es in einem weiteren Schritt zu einem Verkaufsgespräch kommt. Ein intermittierender Instrumenteneinsatz liegt vor, wenn ein Instrument fortlaufend eingesetzt wird, während andere Instrumente nur phasenweise, also mit zeitlichen Unterbrechungen, genutzt werden. Z.B. der permanente Einsatz einer Kampagne im Fernsehen, unterstützt durch intermittierende VKF-Aktionen. Ein häufig zu findendes Beispiel ist die zeitweilige (!) Ergänzung einer TV-Kampagne durch Anzeigen in Zeitschriften. Bei einem ablösenden Einsatz wird ein Instrument durch ein anderes abgelöst. Solche ablösenden Beziehungen zwischen den Instrumenten sind durch Fragestellungen nach der Wertigkeit und Effizienz von Kommunikationsinstrumenten charakterisiert. So kann es sich z.B. nicht mehr lohnen, für ein Produkt, das am Ende seines Lebenszyklus steht, die relativ teuere klassische Werbung einzusetzen, es werden dann vielleicht Sonderpreis-Aktionen am POS realisiert.
4.1.1.3 Hierarchische Beziehungen zwischen den KommunikationsInstrumenten Es ist nicht möglich, generelle hierarchische Beziehungen zwischen den Kommunikationsinstrumenten festzulegen in der Form z.B., daß man sagt, die klassische Werbung sei wichtiger als Verkaufsförderung oder Sponsoring. Für das einzelne Unternehmen in seiner jeweils spezifischen Situation und den damit verbundenen entsprechenden kommunikativen Aufgabenstellungen lassen sich jedoch Orientierungshilfen geben. Als Kriterien für eine Rangordnung können herangezogen werden: • die zwingende Komplementarität von Kommunikationsinstrumenten und • der Anteil an strategischen und taktischen Komponenten von Kommunikationsinstrumenten. Bezüglich dem Grad der Komplementarität kann man fragen:
152
4. Das Kommunikations-Programm
• ob es Instrumente gibt, die zwingend notwendig sind (konstitutive Instrumente), oder • ob Instrumente eher eine unterstützende und ergänzende Funktion im Kommunikationsmix aufweisen (akzessorische Instrumente). Die Beantwortung dieser Fragen ist außerordentlich schwierig und komplex. Bei Massenmärkten im Konsumgüterbereich haben sicherlich oft Mediawerbung, aber auch Verkaufsförderung und Public Relations eher konstitutiven Charakter; im Investitionsgüterbereich haben eher der persönliche Verkauf und Messen eine besondere Bedeutung. Bezüglich des strategisch-taktischen Charakters von Kommunikationsinstrumenten scheint es sinnvoll, die strategische Bedeutung von Kommunikationsinstrumenten daran zu messen, wie groß ihre Fähigkeit ist, die strategischen Marketing-Ziele bei den Zielpersonen bzw. im Markt zu bewirken. Ferner kann danach gefragt, werden wie lang- oder kurzfristig die ausgelöste Wirkung sein kann (vgl. Abbildung 4-1). Gering Hoch Strategische, langfristige Bedeutung Interne Kommunikation Öffentlichkeitsarbeit Klassische Mediawerbung Sponsoring Messen/Ausstellungen Interne Kommunikation Persönliche Kommunikation Direct Marketing Verkaufsförderung Event Marketing Taktische, kurzfristige Bedeutung Hoch Niedrig Abbildung 4-1: Strategische und taktische Bedeutung von Kommunikationsinstrumenten im Vergleich (abgewandelt nach Bruhn, 1992, S. 68). In einem ersten Entscheidungsschritt bezüglich der konkreten Ausgestaltung und Zusammensetzung des Kommunikations-Mixes muß das Management entscheiden, welche Instrumente in welcher Kombination zum Einsatz kommen sollen. In einem zweiten Schritt geht es dann darum, welche Ausführungsformen in welcher Intensität eingesetzt werden sollen, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Im wesentlichen sind dabei folgende Fragen zu beantworten:
4.1 Das Kommunikations-Mix
153
• Welche Kommunikationsinstrumente, -mittel und -maßnahmen sind am besten geeignet, die angestrebten Ziele und Zielpersonen zu erreichen? • Über welche Kommunikationsmedien können die angestrebten Wirkungen am effektivsten und effizientesten erreicht werden? • Welche Mittel und Maßnahmen eignen sich für welche Inhalte in welcher Kommunikationsstufe am besten? • Wie ergänzen und unterstützen sich die Aktivitäten gegenseitig am besten? Welchen Beitrag leisten einzelne Instrumente zur Unterstützung des Leitinstrumentes? • Welche Überschneidungen ergeben sich in der Ansprache einzelner Zielgruppen durch den Einsatz der Instrumente, und welche Konsequenzen können sich daraus ergeben? Im Mittelpunkt der Entscheidungen stehen im wesentlichen die Interessens-, Erwartungs- und Motivprofile der Kommunikationszielgruppen und deren mediale Erreichbarkeit. Auch in diesem Entscheidungsbereich ist Kreativität und manchmal unkonventionelles Denken gefordert, denn ungewöhnliche Mittel und Maßnahmen, auf die Bedürfnisse der Zielpersonen zugeschnittene Kommunikationswege und -inhalte, machen Kommunikation aufmerksamkeitsstärker und effizienter. Denn auch durch sinnvoll unübliches kann man eine erhöhte Wertschätzung am Markt erreichen. Bei einem Konzept der integrierten Kommunikation sind die verschiedenen Instrumente der Marketing-Kommunikation gestalterisch und zeitlich aufeinander abzustimmen (vgl. Bruhn, 1997, S. 352, 2003b, S. 337 ff.). Werbung kann beispielsweise den Einsatz der Verkaufsförderung vorbereiten. Konsumenten nehmen in Verbrauchermärkten Vertrautes eher wahr als Unbekanntes. Das setzt voraus, daß die Werbung der Verkaufsförderung zeitlich vorgelagert ist und gestalterische Elemente aufweist, die auch in der Verkaufsförderung eingesetzt werden. Das können zentrale Bildmotive auf Plakaten sein, die vorher im TV oder in Zeitschriftenanzeigen erschienen sind; es kann sich auch um Musikteile handeln, die in der Funkwerbung oder im TV eingesetzt wurden, und nunmehr in Ladendurchsagen auftauchen. Gesponserte Sportler, Künstler oder andere Persönlichkeiten können als Präsenter in der Werbung auftauchen, ebenso kann im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit die Kooperation herausgestellt werden. Product Publicity, also die Darstellung von Produkten in den Medien im Rahmen „neutraler“ redaktioneller Berichterstattung, kann zeitlich der Werbung vorausgehen. Wenn in der Werbung später wesentliche Aussagen in verdichteter Form
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4. Das Kommunikations-Programm
auftauchen, so kann das die Glaubwürdigkeit steigern, weil derartige Aussagen ja vorher als neutrale Informationen den Medien entnommen worden sind. Event Marketing kann in der Werbung angekündigt werden, oder es kann anschließend im Rahmen der Publicity in den Medien darüber berichtet werden. Das Direct Marketing kann permanent durch Werbung, Publicity, Sponsoring oder Event Marketing unterstützt werden. Alle Synergie-Effekte innerhalb des Kommunikations-Mix sind aber an eine gestalterische Koordination der einzelnen Aussagen und Instrumente gebunden.
4.1.2 Konsumgüter- und Business-to-Business-Kommunikation Die prominente Stellung der Marktkommunikation, als Instrument zur Angebotsund Leistungsdarstellung, steht branchenübergreifend außer Frage. Sie dient zunehmend auch als Erfolgsfaktor für ein Unternehmen. Zwischen der Marktkommunikation für die Konsumgüterindustrie und im Business-to-Business-Bereich speziell im Investitionsgüterbereich - bestehen jedoch insbesondere hinsichtlich des Instrumenteneinsatzes, des Kommunikations-Mixes partiell erhebliche Unterschiede. Diese tendenziell unterschiedlichen Schwerpunkte werden im folgenden kurz dargestellt. Unter Business-to-Business (BtB)-Kommunikation sollen hierbei die werblichen und informatorischen Aktivitäten von Unternehmen im Verkehr mit anderen Unternehmen verstanden werden (vgl. Merbold, 1994, S. 7). Damit steht nicht das private Individuum mit seinen subjektiven Bedürfnissen, Einstellungen und Motiven im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern der Mensch als Mitglied eines Unternehmens, der eingebunden ist in betriebliche Regeln und Abläufe. Nach Ansicht von Busch, Dögl und Unger (2001, S. 353) kommt aufgrund des relativ geringen Informationsniveaus auf der Verbraucherseite der manipulativen Funktion der Marktkommunikation im Konsumgüterbereich eine weit größere Bedeutung zu als im Produktivgütersektor. Zudem ist auch die Beeinflussung von Bedürfnisstrukturen im Konsumgüterbereich von Relevanz; weit geringer oder gar nicht ist dies im Investitionsgüterbereich der Fall, da hier der Bedarf nach Produktivgüter immer ein abgeleiteter Bedarf ist. In diesem Bereich geht es um eine Veränderung von Bedarfen, also um die Darstellung von Alternativen zur Deckung gegebener Bedarfe. Dies schließt allerdings die Schaffung von Nachfrage nicht grundsätzlich aus. Dies kann durch das Aufzeigen von neuen Kostensenkungspotentialen ebenso realisiert werden wie durch das Aufzeigen von neuen Angeboten z. B. zur Qualitätssicherung. Vereinfacht kann gesagt werden: Im Konsumgüterbereich übernimmt die Marktkommunikation stärker eine beeinflussende Funktion, während im Produktivgüterbereich die informierende Funktion von prominenter Bedeutung ist.
4.1 Das Kommunikations-Mix
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Betrachtet man zuerst den Stellenwert der Kommunikationspolitik im Vergleich zwischen Konsumgüter- und Investitionsgüterbereich, so zeigt sich nach Einschätzung von Merbold (1994, S. 11) ein deutlicher Unterschied. Zwar ist in beiden Aufgabenfeldern der produktpolitische Bereich eindeutig an erster Stelle, für den Konsumgüterbereich schätzt er das Aktionsbündel von Distribution und Kommunikation an zweiter Stelle; dagegen liegt für ihn für den Investitionsgüterbereich die Faktorkombination Service und Preis an dieser Position. Grundsätzlich werden an eine erfolgreiche Marktkommunikation im Business-to-Business-Bereich die gleichen konzeptionellen und kreativen Anforderungen gestellt wie für alle anderen wirtschaftlichen Bereiche. Business-to-Business-Kommunikation (BtB) zeichnet sich jedoch im allgemeinen durch einige Unterschiede von der Kommunikation für Ge- und Verbrauchsgüter aus. Zielpersonen/Ziele: Häufig ist im BtB-Bereich die Anzahl der Zielpersonen eher klein; bei größeren und wichtigeren Entscheidungen sind oft mehrere Beteiligte in den Prozeß involviert (Buying Center), häufig sind Kaufentscheider und Produktanwender verschiedene Personen; in vielen Fällen überwiegen rationale Entscheidungsmotive, die auf Leistungssteigerung und Rationalisierung im Betrieb und damit auf die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen abzielen. Jedoch darf auch hier der Imagefaktor des Anbieters bei Entscheidungen nicht vernachlässigt werden. Die Beziehung zu dem Angebot ist eher unpersönlich, da es sich um ein betriebliches Gut handelt. Der Informationsbedarf ist groß und langfristig orientiert sowie verstärkt auf rationale Informationen mit Begründungscharakter abgestellt. Der emotionale Bedarf ist dagegen geringer ausgeprägt. Die Produktkenntnis ist eher hoch einzuschätzen, da oft Fachleute beteiligt werden. Im Konsumgüterberich ist dagegen der Zielpersonenkreis oft groß und offen. Die Entscheidungsmotive sind häufig eine Mischung aus emotionalen und rationalen Motiven, ein eher subjektiv geprägter „Benefit“ steht im Vordergrund. Die Beziehung zu dem Angebot ist im Konsumgüterbereich eher persönlich, da hier oft eine Eigenutzung bzw. ein eigener Konsum zugrundeliegt. Der informationelle Bedarf ist gering, aktivierend und kurzfristig orientiert. Rationale und emotionale Informationen mit Aufforderungscharakter werden bevorzugt eingesetzt. Bedingt auch durch die Informationsüberflutung ist eine zunehmende emotionale Ansprache erforderlich. Vielfach ist bei den Zielpersonen keine ausgeprägte Produktkenntnis vorhanden. Kommunikative Botschaften/Inhalte: Im BtB-Bereich wird oft differenziert, informativ-orientiert kommuniziert mit relativ geringer Verbreitung der Botschaft. Die angebotene Informationsmenge ist bei komplexen Produkten und Systemen und der damit verbundenen Erklärungsnotwendigkeit groß. Ein wichtiger Bestandteil der Kommunikation ist die „Before and After-Sales“- Argumentation, da dies häufig zum zentralen Grundnutzen gehört. Kommunikationsbasis ist primär die Unternehmens- und Anbieter-Identität.
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4. Das Kommunikations-Programm
Dagegen steht bei Ge- und Verbrauchsgütern die Marken- bzw. Produkt-identität im Vordergrund. Hier sind die Botschaften relativ offen, häufig stark emotionalisiert (Erlebniswelten) und für eine weite Verbreitung angelegt. Die angebotene Informationsmenge ist eher gering, da die Nutzenversprechen weniger komplex sind. Programm/Medien: Das Programm ist bei der BtB-Kommunikation relativ breit und vielschichtig angelegt. Das eingesetzte Set an Mitteln und Maßnahmen ist sehr vielfältig. Insofern kann man sagen, daß das Kommunikations-Mix durch eine ausgeglichene Akzentuierung von Kommunikationsinstrumenten charakterisiert ist. Dies resultiert u.a. auch daraus, daß die beruflich-geprägten Zielpersonen oftmals mehrere Informationsquellen nutzen, und daß unterschiedliche Personen an den Entscheidungsprozessen beteiligt sind. Im BtB-Bereich ist der relativ hohe Anteil an Instrumenten im Bereich der personalen und der gemischt personal-medialen Kommunikationsformen charakteristisch. Dieser Anteil dürfte hier wesentlich höher sein als im Konsumgüterbereich. Typisch eingesetzte Medien sind z.B. Messen und Ausstellungen (die einen prominenten Stellenwert haben), Druckschriften, Direkt Marketing und Anzeigen in Fachzeitschriften. Einen relativ hohen Stellenwert hat die Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen der Marktkommunikation industrieller Hersteller, vor allem in Branchen, die unter kritischer Beobachtung der Öffentlichkeit stehen (z.B. die chemische Industrie oder Mineralölindustrie). Zudem kommt der Fachpressearbeit eine besondere Bedeutung zu. Andere Schwerpunkte finden sich dagegen im Konsumgüterbereich. Hier überwiegt aufgrund auch der Zielgruppengröße die mediale Kommunikation. Typische Medien sind hier Fernsehen, Anzeigen in Publikumszeitschriften und Special Interest Publikationen, Funk und Plakate. D.h. die Mediawerbung hat auch heute noch den größten Stellenwert. Zur Erreichung taktischer Ziele haben VKF-Maßnahmen eine große Bedeutung. Zunehmend werden auch die neueren Kommunikationsinstrumente wie Sponsoring, Event Marketing und Direct Marketing für die Erreichung kommunikativer Ziele eingesetzt. Ähnlich weist auch in der Dienstleistungsbranche die Media-Werbung den größten Stellenwert im Kommunikations-Mix auf. Jedoch haben interaktiv ausgerichtete Instrumente, anders als bei den Konsumgütern, im Kommunikations-Mix von Dienstleistungsunternehmen eine besondere Bedeutung für eine zielorientierte kommunikative Marktbearbeitung (vgl. Bruhn, 1997, S. 69). Budget: Im BtB-Bereich ist der Werbeaufwand gemessen am Umsatz relativ gering, teilweise weniger als 1% des Umsatzes werden für Werbung ausgegeben; dagegen kann er im Konsumgüterbereich je nach Branche zweistellige Prozentzahlen erreichen.
4.1 Das Kommunikations-Mix
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Nach Merbold (1994, S. 33) lassen sich drei grundsätzliche Anforderungen an die BtB-Kommunikation stellen: • Konsistenz in werblicher Aussage und Auftritt, • Kontinuität in der medialen Darbietung und • Breite im einzusetzenden Kommunikations-Mix. Insbesondere durch den letzten Punkt hinsichtlich der Breite des einzusetzenden Instrumentariums und der Gewichtung der einzelnen Instrumente unterscheidet sich die BtB-Kommunikation von der Kommunikation im Konsumgüterbereich.
4.2 Werbung 4.2.1 Werbung in informationsüberlasteten Gesellschaften Man kann die Werbung wohl zu Recht als das klassische Instrument innerhalb des Kommunikationsmix zählen. Werbung ist im Gegensatz zu manchen NichtKlassikern der Marketingkommunikation wie dem „Product Placement“, der „Publicity“ und auch der Öffentlichkeitsarbeit sofort von Außenstehenden als zielgerichtetes Instrument der Kommunikation einer Organisation erkennbar. Bruhn (200b, S. 277) definiert Mediawerbung wie folgt: „Mediawerbung ist der Transport und die Verbreitung werblicher Informationen über die Belegung von Werbeträgern mit Werbemitteln im Umfeld öffentlicher Kommunikation gegen ein leistungsbezogenes Entgelt, um eine Realisierung unternehmensspezifischer Kommunikationsziele zu erreichen.“ Bruhn (ebenda) fährt fort: „Die Mediawerbung ist • • • • • • •
eine Form der unpersönlichen Kommunikation, eine Form der mehrstufigen, indirekten Kommunikation, welche sich öffentlich und ausschließlich über technische Verbreitungsmittel (den Medien) einseitig, mittels Wort-, Schrift- und/oder Tonzeichen an ein disperses Publikum richtet.“
Werbung dient der Realisation spezifischer Kommunikationsziele wie Bekanntheit, Produkt- oder Markenkenntnis, Sympathiegewinn, Veränderung von Einstellungen bzw. Images unter dem Einsatz von Medien (im wesentlichen Massenmedien). Der Einsatz der Medien (Werbeträger) erfolgt geplant gegen Bezahlung. Werbetreibende Organisationen bestimmen Inhalt und Gestaltung der Botschaften
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4. Das Kommunikations-Programm
bis ins Detail vollständig. Die möglichen Medien bzw. Werbeträger werden in der Praxis zu sogenannten „Mediagattungen“ zusammengefaßt. Als solche gelten: Fernsehen, Publikums- und Fachzeitschriften, Zeitungen (unterteilt in Tages- und Wochenzeitungen), Funk/Radio, Plakat, Verkehrsmittel oder Kino. Werbung steht vor einer Reihe besonderer Probleme: • Empfängern von Werbebotschaften sind die höchst eigennützigen Ziele der werbetreibenden Organisation bekannt. Das schränkt die Glaubwürdigkeit der Werbung ein. Dies kann durch eine extreme Ausrichtung der Botschaft an bestehenden Interessen und Bedürfnissen der jeweiligen Zielgruppe teilweise ausgeglichen werden. • Wie alle Kommunikationsinstrumente im Marketing steht auch die Werbung vor dem Problem einer zunehmenden Informationsüberlastung der Empfänger. Das trifft sowohl auf Konsumenten als auch auf professionelle Entscheidungsträger in der Gesellschaft und Wirtschaft zu. Werbung scheint das Phänomen der Informationsüberlastung jedoch besonders hart zu treffen. • Normalerweise kann nicht davon ausgegangen werden, daß sich die Empfänger von Werbebotschaften für deren Inhalt in besonderem Maße interessieren. Vielleicht scheint es nicht einmal besonders pessimistisch, wenn von der These ausgegangen wird, daß das Interesse, welches die Empfänger der Werbung gegenüber aufzubringen bereit sind, nicht unterschätzt werden kann. Pessimistisch formuliert ist Werbung also eine Information ohne besondere Glaubwürdigkeit, der kein besonderes Interesse entgegengebracht wird, im Zeitalter der Informationsüberlastung. Wenn die Antwort auf die von Jones (1989) gestellte Frage, ob es sich bezahlt macht zu werben, dennoch positiv ausfällt, dann nur unter der Voraussetzung, daß die Gestaltung aller Werbebotschaften eben dieser Problematik Rechnung trägt. Alle hier genannten Aspekte wirken zusammen. Die Informationsüberlastung wird einerseits als ein Streßfaktor gesehen, der die Informationsverarbeitung eingehender Botschaften erschwert. Andererseits führt sie dazu, daß die Empfänger Botschaften selektieren und nur einen Teil der sie erreichenden Botschaften tatsächlich aufnehmen. Die Frage, wie dieser Selektion der Botschaftsempfänger entgegen gewirkt werden kann, führt zur gleichen Konsequenz wie das bestehende Desinteresse und die fehlende Glaubwürdigkeit gegenüber der Werbung. Dieser Gesamtproblematik kann dadurch entgegengewirkt werden, daß eine Botschaft gestaltet wird, die vorhandenen Bedürfnissen, Einstellungen oder Wünschen der Zielgruppe entspricht. Die Folge ist die Notwendigkeit einer „besonders aufmerksamkeitsstarken (aktivierenden), einfach und bildbetont gestalteten, an den vorhande-
4.2 Werbung
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nen Einstellungen und Bedürfnissen ausgerichteten Werbebotschaft“ (Busch, Dögl & Unger, 2001, S. 381). Wells, Burnett und Moriarty (1992, S. 386) schlußfolgern aus dieser Problematik vier Erfolgsfaktoren für Werbemaßnahmen: (1) Erkennbare Relevanz für die Zielgruppe durch die Gestaltung, (2) ausgedrucktes Verständnis für Gefühle, Emotionen und Bedürfnisse der Zielgruppe, (3) ein hohes Maß an Originalität und (4) das Einhalten einer langfristigen Strategie. Nichtkonforme Gestaltungselemente, und seien sie noch so kreativ, sind danach auf jeden Fall zu vermeiden. Konert (1986) stellt die Bedeutung sogenannter emotionaler Erlebniswerte für Werbemaßnahmen heraus. Emotionale Erlebniswerte werden von Weinberg & Konert (1984, S. 313) als „sinnliche Produkterlebnisse oder emotionale Konsumerlebnisse" verstanden, „die in der Gefühls- und Erfahrungswelt des Konsumenten verankert sind und einen realen Beitrag zur Lebensqualität leisten“. Lebensqualität ist nichts anderes als ein subjektives Ausmaß an Lebenszufriedenheit. Es wird davon ausgegangen, daß die gestalterische Berücksichtigung von Werten, die damit in Zusammenhang stehen, die Aufmerksamkeit erhöhen. Es wird davon ausgegangen, daß derartig erlebnisbezogene Kommunikation nicht nur die augenblickliche Aufmerksamkeit steigert, sondern auch langfristig bleibende Eindrücke bei den Konsumenten hinterlassen (Busch, Dögl & Unger, 2001, S. 384). Diese bleibenden Eindrücke sollen die Vorstellungen gegenüber Marken oder Produkte beeinflussen. Bei allem bleibt dennoch nicht klar, was in der Literatur konkret unter emotionalen Erlebniswerten verstanden wird, es sei denn, man gelangt zu einer expliziten Liste möglicher emotionaler Erlebniswerte (vgl. Tabelle 4-2). Wenn wir Emotionen als gedankliche Interpretation empfundener Erregtheit von Personen interpretieren (nach der Emotionstheorie von Schachter & Singer, 1962) dann geht es letztendlich um nichts anderes als um Werbeinhalte, die Erregungen verursachen, also Aufmerksamkeit auslösen, und die dadurch ausgelösten gedanklichen Interpretationen. Es kommt dann primär darauf an, im Vorfeld zu erkunden, welche Werbeinhalte bei welcher Zielgruppe in besonderem Maße dazu geeignet sind, Aufmerksamkeit auszulösen, d. h. mit anderen Worten, welche Werbeinhalte hohe Wertrelevanz besitzen.
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4. Das Kommunikations-Programm
Tabelle 4-2: Mögliche emotionale Erlebniswerte (Neibecker, 1990, S. 165 f.) Abenteuer Abwechslung Aktiv sein Ausgeglichenheit Attraktivität Ausgewogenheit Begeisterung Behaglichkeit Dankbarkeit Dynamik Eifersucht Eigenwilligkeit Entspannung Erholung Erleichterung Erotik Erschöpfung Exklusivität Exotik Extravaganz Familienglück Fortschritt Freiheit Frische
Fürsorge Geborgenheit Gemütlichkeit Genuß Geselligkeit Gesundheit Heimweh Hochmut Humor Kummer Lebensfreude Lebenskraft Leidenschaft Mitgefühl Mut Natürlichkeit Niedergeschlagenheit Nostalgie Phantasien Prestige Romantik Ruhe Schadenfreude Sehnsucht
Selbstverwirklichung Sicherheit Spannung Spaß Stärke Tradition Traumwelt Traurigkeit Trautes Heim Treue Tropen Überlegenheit Übermut Unabhängigkeit Urlaub Urwüchsigkeit Verachtung Verehrung Verlangen Vertrautheit Verzweiflung Wärme Zufriedenheit
Erlebnisbetonte Kommunikation kann sich auch auf Märchen, Mythen, Sagen, Legenden oder Fabeln beziehen (Dieterle, 1992, S. 102 f.). Märchen haben phantastischen und fiktiven Charakter. Sie haben mit realen Geschehnissen kaum etwas zu tun. Mythen sind vom Irdischen losgelöst, sie sind auch zeitlos. Zentrale Figuren der Mythen sind göttliche oder wenigstens überirdische Wesen. Sagen beinhalten den Anspruch auf realen Vorgängen zu beruhen, obgleich auch hier die „Helden bzw. Heldinnen“ zu überirdischen Figuren und Mächten werden. In der Legende werden die Helden meistens erhöht, sie werden (fast) zu Heiligen, mit überirdischen Eigenschaften ausgestattet. Fabeln unterscheiden sich von den vorangegangenen Erzählungsformen dadurch, daß Tiere oder auch Pflanzen die vorherrschenden Figuren sind. Wichtig ist, daß all diese Erzählungen einen sehr starken Bezug zur Kultur aufweisen. Kulturen dürfen hier aber nicht als einheitliche, homogene Strukturen aufgefaßt werden, sie bestehen aus einem System von Subkulturen mit spezifischen Mythen, Märchen usw. Dieser Aspekt steht einer länderübergreifenden, europa- oder gar weltweiten Standardisierung von Werbeaussagen entgegen. Gerade kulturspezifische Erzählungen liefern eine Fülle möglicher
4.2 Werbung
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spezifischer Gestaltungsformen für die Werbung. Die Möglichkeiten einer kulturübergreifenden, standardisierten werblichen Gestaltung sind möglicherweise doch beschränkter als bisher angenommen. Es kommt in viel stärkerem Maße darauf an, kulturspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen. Kulturübergreifende, standardisierte Werbung läuft Gefahr austauschbar zu sein, da auch Wettbewerber mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem beschränkten Fundus kulturneutraler werblicher Gestaltungsmöglichkeiten auf ähnliche Gestaltungsformen zurückgreifen können. Dieterle (1992, S. 114) hält den möglichen Einwand, daß die oben angesprochenen Formen der Volksdichtung für die Werbung zu altmodisch seien, entgegen, daß die zentralen Motive durchaus aktualisiert und modern dargestellt werden können. „Dornröschen“ kann zur „schlafenden Schönen im erotischen Outfit“ verwandelt werden. Musik hat in der Funk- und Fernsehwerbung in diesem Zusammenhang ebenfalls eine besondere Bedeutung. Sie ist ebenfalls dazu geeignet, Aufmerksamkeit zu wecken und gegebenenfalls angenehme Assoziationen auszulösen. Somit trägt auch die Musik zur Aktivierung der Empfänger von Werbebotschaften bei. Musik kann bei entsprechender Gestaltung Stimmungen auslösen, bzw. durch charakteristische Gestaltung auch die Einzigartigkeit einer Werbebotschaft hervorheben. Überhaupt kann man sagen, daß Emotionen auslösende Werbeinhalte in besonderem Maße dazu geeignet sind, die Werbung eigenständig zu gestalten. Sachliche Argumente sind in vielen Konsumgütermärkten dazu nicht mehr geeignet, da die Produkte an sich austauschbar sind. Hier liegt die zunehmende Bedeutung der Marketingkommunikation innerhalb des Konsumgütermarketing. Werbebotschaften lassen sich sehr eng an spezifische Klangerlebnisse binden. Tauchnitz (1990, S. 4) nennt neben der Gewinnung von Aufgaben folgende weitere Aufgaben der Musik in der Marketingkommunikation: • Gliederung der Textaussagen, • Erleichterung der Aufnahme und Verarbeitung sprachlicher und sinnlicher Reize, • Anpassung an das Werbeumfeld, • Differenzierung der Werbung, • Schaffung von Unterhaltungswert, • Eigenständigkeit im werblichen Auftritt realisieren und • Schaffung von Klangbildern. Musik beinhaltet, wie alle kreativen aufmerksamkeitsfördernden Elemente (z.B. Erotik) die Gefahr, daß die Aufmerksamkeitsgewinnung zwar erreicht wird, jedoch von der eigentlichen Werbebotschaft ablenkt. Es kommt also darauf an, Musik wie alle kreativen Elemente optimal mit der eigentlichen Werbebotschaft zu verbinden. Schürmann (1984) hält dominierende Musikelemente lediglich als Einstieg in Werbespots als sinnvoll. Die Wirksamkeit musikalisch untermalter Werbung hängt
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4. Das Kommunikations-Programm
auch davon ab, in welchem Maße es gelingt, die Präferenzen der Zielgruppe zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Wirksamkeit musikalisch untermalter Werbung finden sich sehr widersprüchliche Experimentelle Befunde. Haley, Richardson und Baldwin (1984) finden eine negative Korrelation von Musik und positiver Einstellungsänderung. Stout und Leckenby (1988) finden bei einem Vergleich von 40 TV-Werbespots mit und 10 TV-Werbespots ohne Musik hinsichtlich verschiedener Dimensionen der Werbewirkung (Recall, Kaufabsicht, Lernleistung, Über-sättigung) keine signifikanten Unterschiede. Aaker und Bruzzone (1981) zeigen, daß musikalisch unterlegte Werbung als weniger störend enpfunden wird als Werbung ohne Musik. Hagemann und Schürmann (1988) belegen empirisch, daß musikalische Untermalung der Hörfunkwerbung zwar keinen Einfluß auf die Erinnerungsleistung hat, dennoch Einstellungen und möglicherweise Sympathiewirkung positiv beeinflußt. Tauchnitz (1990, S. 155 ff.) zeigt experimentell, daß durch unterschiedliche Musik unterschiedliche gefühlsmäßige Markeneindrücke entstehen, so daß durch musikalische Gestaltung der Werbung auf affektiver Basis eigenständige Marken- und Produktprofilierungen möglich sind. Nach Tauchnitz (1990, S. 177) ist insbesondere Hintergrundmusik dazu geeignet, positive Einstellungen zur Werbung und dadurch möglicherweise auch zum Produkt zu realisieren. Tauchnitz (1990, S. 25) kommt zu dem Ergebnis, daß Werbung die Verarbeitung sprachlicher Informationen eher erschwert. Wir können allerdings davon ausgehen, daß Werbung dafür die Einstellungen gegenüber einer Marke insgesamt positiv beeinflussen kann. Insbesondere in Low Involvement-Situationen kann musikalische Untermalung die Aufmerksamkeit erhöhen. Musikalische Werbe-Elemente sind daher vermutlich dann besonders geeignet, wenn die Veränderung von Gesamteinstellungen oder Sympathiegewinn als wesentliches Werbeziel definiert sind. Geht es um die Vermittlung konkreter Produktaussagen, dürfte Musik eher hinderlich sein. Da sich mit Musik unterschiedlichste Stimmungen auslösen lassen, ist die Integration in einer an Erlebniswerten ausgerichtete Werbebotschaft in besonderem Maße möglich (Busch, Dögl & Unger, 2001, S. 386). Die assoziativen Verbindungen von Produkten, Marken oder auch Werbebotschaften mit angenehmen Stimmungen kann durch Musik erreicht werden. Gerade bei austauschbaren Produkten lassen sich durch Musik spezifische Erlebniswerte vermitteln. Wir müssen also insgesamt als Fazit festhalten, daß die Wirkung der Musik in der Werbung unsicher ist. Aufmerksamkeit und emotionale Ansprache lassen sich steigern, gedankliche Beeinflussungen sind keineswegs sicher. Musikalische Elemente in der Werbung sollten daher auf jeden Fall in der Werbewirksamkeitsforschung überprüft werden.
4.2 Werbung
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4.2.2 Die Bedeutung bildbetonter Gestaltung in der Werbung Die bestehende Informationsüberlastung führt dazu, daß die Menschen der meisten Industrienationen nur einen Bruchteil der Informationen aus ihrem Umfeld verarbeiten können. Dazu kommt das Desinteresse, das werblichen Botschaften normalerweise entgegengebracht wird. So müssen wir davon ausgehen, daß ein großer Teil der Werbespots nur sehr oberflächlich wahrgenommen wird, daß Anzeigen nur wenige Sekunden lang betrachtet werden und dieses gilt selbst für interessierte Leser von sogenannten „Special Interest Zeitschriften“ oder Fachzeitschriften gilt. Kroeber-Riel (1988, S. 182 f.) kommt zu dem Ergebnis, daß Ärzte in Fachzeitschriften Anzeigen im Durchschnitt nur rund 3 Sekunden betrachten. Man kann derartigen Durchschnittsaussagen entgegenhalten, daß es nicht darauf ankommt, wie lange Anzeigen insgesamt im Durchschnitt betrachtet werden, sondern vielmehr darauf, wie lange Anzeigen, die für eine bestimmte Zielgruppe konzipiert worden sind, eben von dieser Zielgruppe betrachtet werden. Dennoch ist hinsichtlich der Betrachtungs- und Wahrnehmungsintensität von Werbemitteln eher Pessimismus angebracht. Folglich kommt es darauf an, die Botschaft so zu gestalten, daß ihr Inhalt leicht aufzunehmen und zu verarbeiten ist. Die Konsequenz daraus ist eine stark bildbetonte Kommunikation. Bilder weisen eine Reihe von Vorteilen auf: Sie wecken Aufmerksamkeit, werden besser als Textinformationen behalten und auch bei geringem Interesse eher verarbeitet. Einer intensiv gestalteten Bildkommunikation kann man sich weniger entziehen als einer Textinformation. D.h. auch bei vorhandenem Desinteresse wirkt ein starkes Bild eher als ein Text mit gleichem Informationsgehalt. Dazu kommt, daß Bilder auch dazu in der Lage sind, sachliche Informationen zu transportieren. In der Praxis der Marketingkommunikation wird die Bereitschaft zur Informationsaufnahme innerhalb der Zielgruppe seitens des Marketing-Managements häufig überschätzt. Informativ sind viele Werbemittel überlastet, was zur Folge hat, daß bei geringer Aufnahmebereitschaft nur ein Teil der Informationen tatsächlich wahrgenommen und verarbeitet wird. Dieser Teil muß nicht unbedingt die aus Sicht des Marketing wesentlichen Bestandteilen der Botschaft beinhalten. Dem gegenüber berücksichtigen Bilder, die kurze, oberflächliche Betrachtungszeit von Anzeigen. Bilder werden automatisch wahrgenommen, insbesondere dann, wenn sie starke Schlüsselreize beinhalten (Kroeber-Riel, 1993, S. 31). Schlüsselreize sind solche Reize, die automatisch und sofort in einer ganz bestimmten Art und Weise verarbeitet werden. Innerhalb eines Kulturkreises treten, durch Schlüsselreize ausgelöst, sehr schnell und immer wiederkehrend die gleichen Assoziationen auf. In den vergangenen Jahren hat sich das Augenmerk in der Werbeforschung und -praxis folgerichtig zunehmend auf die „Imagery“-Forschung gerichtet. „Imagery“ bezieht sich auf innere Bilder, die Menschen gedanklich produzieren. Das können Gedächtnisbilder, also gelernte Wahrnehmungsbilder, oder aktuelle Wahrnehmungsbilder, also gerade visuell präsente und von den Personen im Augenblick wahrgenommene Bilder sein. Die Verbindung von Werbereizen mit sogenannten „inneren Bildern" bezieht sich allerdings nicht zwangsläufig nur auf
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4. Das Kommunikations-Programm
visuelle Bilder, es ist ebenfalls möglich, musikalische, klangliche, geschmackliche Vorstellungen zu bilden und sich „bildhaft“ vorzustellen. Die gedankliche Verarbeitung und Speicherung innerer Bilder werden durch äußere Reize auch nichtbildlicher Art (Wortsymbole) hervorgerufen. Die inneren Bilder der Menschen führen zu einem wichtigen Mechanismus der Werbewirkung, nämlich dem Zusammenspiel von augenblicklich wahrgenommenen und vorhandenen Gedächtnisinhalten. Je enger die „Wahrnehmungsbilder“ mit den „Gedächtnisbildern“ korrespondieren, um so leichter wird die Werbebotschaft verarbeitet. Die gedankliche Entstehung, Verarbeitung und Speicherung von inneren Bildern wird als Imagery bezeichnet (Kroeber-Riel, 1986, S. 81). Die Verarbeitung von Wahrnehmungsund Gedächtnisbildern erfolgt nach den gleichen Mechanismen. Die Verarbeitung wird in beiden Fällen durch Farbigkeit, Lebendigkeit, Intensität und die Struktur der Bildelemente beeinflußt. Auch Begriffe können Bildassoziationen auslösen. Denken wir nur an „Matterhorn“ oder „Lila Kuh“. Die Wirksamkeit der Bilder ist aber vermutlich höher als die der Sprache, weil Bilder wie die Wirklichkeit selbst wahrgenommen und verarbeitet werden, während die Sprache Informationen über die Wirklichkeit transportiert. Die Realität ist sozusagen verschlüsselt und muß erst decodiert werden. In Anlehnung an die Arbeiten von Paivio (1971, 1975, 1977) werden zwei Codierungssysteme unterstellt, die in drei Stufen arbeiten: a) Bilder werden im nonverbalen Code, linguistische Reize im verbalen Code verarbeitet. Diese beiden Codesysteme sind relativ unabhängig voneinander. b) Zwischen beiden Codes bestehen in der zweiten Stufe Interdependenzen dergestalt, daß Bilder verbal benannt werden und Verbalien zu einer bildhaften Vorstellung führen. c) In der letzten Stufe werden beide zu einer assoziativen Einheit zusammengefaßt. Dabei wird von der Überlegenheit der Bildverarbeitung gegenüber dem verbalen Lernen insbesondere hinsichtlich möglicher Gedächtnisleistung und Beeinflussungsmöglichkeiten ausgegangen. Die Basis dieses Modells ist die Annahme zweier Informationsverarbeitungssysteme; einem für das nonverbale Lernen zuständigen, sogenannten „Imagery“-System und einem für das verbale Lernen zuständigen sogenannten linguistischen System. Diese beiden Systeme (Codes) sind nach dem Modell von Paivio (1971, 1975, 1977) einerseits miteinander verbunden, d. h. ein Code kann in einen anderen transformiert werden. So kann ein Bild eine verbale Codierung hervorrufen, das Bild wird benannt. Worte können geistige Bilder, sogenannte „Imageries“ hervorrufen. Andererseits können die beiden Codesysteme (nach Paivio) durchaus auf verschiedene Reize unterschiedlich stark reagieren, sie werden unterschiedlich stark aktiviert. Die stärkste Wirkung geht von Reizen aus,
4.2 Werbung
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die beide Systeme berühren, also die verbale und bildliche Verarbeitung gleichermaßen betreffen, da sich die beiden Systeme ergänzen. In einer Weiterentwicklung des Modells von Paivio führen Percy und Rossiter (1983, S. 172 f.) visuelle und verbale Verstärkung ein und stellen zudem eine Verbindung zum „Cognitive-Response“-Ansatz dar, auf den wir an andeer Stelle noch eingehen. Wird ein verbal anwesender Stimulus als angenehm dekodiert, dann entspricht das einer verbalen Verstärkung im Sinne der Lerntheorie von Skinner (1938). Wird ein visuelles Vorstellungsbild mit angenehmen Reizen assoziiert, dann kann man gleichfalls eine, in diesem Fall visuelle, Verstärkung annehmen. Da sich Menschen überwiegend bevorzugt mit angenehmen Dingen beschäftigen, auch gedanklich, ist in Folge davon eine intensive Informationsverarbeitung derartig verstärkter Reize zu erwarten, was entsprechend des „CognitivResponse“-Ansatzes zu intensiverer und längerfristig wirkender Beeinflussung führt.
visuelle Elemente
InitialResponse
FolgeResponse
visuelles Vorstellungsbild
visuelle Verstärkung
WerbeStimulus
zunehmende „Cognitive Responses“ verbale Elemente
verbales Verständnis
verbale Verstärkung
Abbildung 4-2: Werbe-Response-Modell nach Percy & Rossiter (1983, S. 172) Es wird angenommen, daß zwischen emotionalem und visuellem Lernen starke Zusammenhänge bestehen. Mitchell (1983, S. 29) unterscheidet einen verbalen Kanal der Informationsverarbeitung und einen visuell-emotionalen Kanal, die in Abbildung 4-3 dargestellt sind. Es erscheint offensichtlich, daß der verbale Kanal dem „High Involvement“-Lernen entspricht, während der visuelle Kanal dem „Low Involvement“-Lernen entspricht. Man vermutet außerdem, daß die Beeinflussung durch Bilder dazu geeignet ist, Widerstände gegen wahrgenommene Beeinflussung zu reduzieren: „... lösen Bilder
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4. Das Kommunikations-Programm
vergleichsweise wenig kognitive Aktivität insbesondere Gegenargumente gegen ein Objekt aus. Die Konsumenten sind bereit, die visuell präsentierten Produktinformationen leichter zu akzeptieren.“ (Konert, 1986, S. 69).
Verbaler Kanal
Visuell-Emotionaler Kanal Werbung
Reizanalyse
Bildung von Überzeugungen bezogen auf die Botschaft
Bewertung
Attitüden bezogen auf die Werbung
Bildung und Veränderung von Überzeugungen bezogen auf die Marke Bildung und Veränderung von Attitüden bezogen auf die Marke
Abbildung 4-3: „Dual Channel Processing“ of advertising information (Mitchell, 1983, S. 29) Vielleicht sollte man besser formulieren, daß Bilder die zu erwartende dominante kognitive Reaktion unterdrücken. Ist diese negativ (vorhandener Widerstand gegen die Botschaft), dann erhöht das die Beeinflußbarkeit, ist diese jedoch positiv (es sollen Argumente gelernt, verarbeitet und behalten werden), dann reduziert (!) das möglicherweise die Beeinflußbarkeit. Ähnlich argumentiert Petty (1977) hinsichtlich der Auswirkungen möglicher Ablenkungen während der Beeinflussung. Bei Widerstand gegen die Beeinflussung kann ein nicht zu großes Maß an Ablenkung, beispielsweise durch Musik, die Beeinflußbarkeit steigern. Bei vorhandener Bereitschaft zum Lernen oder Akzeptieren der Boschaft reduziert Ablenkung die angestrebt Wirkung.
4.2 Werbung
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Es wird angenommen, daß die rechte Gehirnhälfte stärker auf Bilder und Emotionen reagiert während die linke Gehirnhälfte stärker auf Texte und kognitive Verarbeitungen spezialisiert sei. Der Mensch lernt (auch), indem er Bilder im Gedächtnis speichert und bei Bedarf abruft. Nach dem Stand empirischer Forschung geht Kroeber-Riel (1983, S. 156 f.) davon aus, daß Bildinformationen bei geringem Involvement effizienter aufgenommen und verarbeitet werden als verbale Informationen. Außerdem sei auch die aktive und bewußte (!) Informationsaufnahme durch Bildinformationen wesentlich zu erleichtern. Die Verarbeitung eines Bildes erfordert vergleichsweise weniger Aktivierung und Zeit als die einer Textinformation mit gleichem Informationsgehalt. Man geht davon aus, daß Bilder zwar kognitiv und emotional verarbeitet werden, daß zwischen Emotion und Bildverarbeitung jedoch engere Beziehungen bestehen als zwischen Emotion und verbaler Verarbeitung. Auch Kroeber-Riel (1986, S. 84) hebt den Zusammenhang zwischen visueller Bildverarbeitung und emotionaler Beeinflußbarkeit in der Werbung hervor: „Die hervorragende, emotionale Wirkung von Gedächtnisbildern spricht dafür, daß innere Bilder ganz besonders auf die emotionalen Komponenten des Verhaltens einwirken. Sie werden insbesondere dann zur Geltung kommen, wenn Einstellungen und Präferenzen gegenüber Marken und Geschäften weniger durch kognitive Verarbeitung und Informationen als durch emotionale Eindrücke zustande kommen.“ Außerdem sei auf eine Untersuchung von Mitchell und Olson (1981) verwiesen, wonach emotionale Bildelemente auch die sachliche Produktbeurteilung positiv beeinflussen (neben der von vornherein zu erwartenden emotionalen Beurteilung). Damit ist nicht gesagt, daß grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, daß emotionale Bilder jeglicher Art immer und überall zu einer positiven sachlichen Produktbeurteilung führen. Die gewählten Bilder müssen auch einen Bezug zum Produkt aufweisen. Zur Absicherung der Richtung durch emotionsgeladene Bildelemente ausgelöster Produktbeurteilung bedarf es in der Werbung einer experimentellen Überprüfung im Rahmen der Werbewirkungsforschung. Nicht nur Präferenzen, auch Produktpositionierungen am Markt lassen sich durch bildhafte Kommunikation erreichen. Aus einer Reihe von Studien geht hervor, daß Bildmaterial zu stärkeren Erinnerungsleistungen führt als verbales Material (Childers & Houston, 1984, Holbrook & Moore, 1981, seien beispielhaft genannt; einen umfassenden Überblick vorliegender Studien liefert Konert, 1986, S. 78-81). Ausgehend von der insgesamt als abgesichert geltenden Überlegenheit des Bildgedächtnisses, können wir mit Kroeber-Riel (1986, S. 92) zu folgendem Fazit kommen: „Unter diesen Kommunikationsbedingungen ist die Vermittlung von inneren Bildern ein wirksamer Weg, um als aktuelle Kaufalternative wahrgenommen zu werden und gedanklich präsent zu sein. Innere Bilder, d. h. visuelle Vorstellungen, die mit einem Angebot verbunden sind, sorgen dafür, daß dieses Angebot besonders gut behalten wird. Sie werden durch ihre gedächtnisfördernde Wirkung zu gedanklichen Präsenzsignalen, die es dem Konsumenten erleichtern, an ein be-
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stimmtes Produkt oder an eine Dienstleistung zu denken“. Allerdings kann bildbetonte Kommunikation auch die gedankliche Auseinandersetzung mit der Werbebotschaft reduzieren. Es kommt zu einer eher oberflächlichen Verarbeitung. Wir stehen somit allerdings vor der Alternative, entweder bei einer stark textbetonten, informativen Werbung von vornherein selektiert zu werden oder die eher oberflächliche Verarbeitung von Bildbotschaften zu akzeptieren. Abgesehen davon führt die eher oberflächliche Verarbeitung auch dazu, daß die Betrachter weniger Gegenargumente entwickeln, weniger kritisch sind und so die Beeinflussung erleichtert wird. Jetzt müssen wir uns die Frage stellen, welche Reize es denn sind, die eindeutige, klare und prägnante Bilder auslösen! Nach dem klassischen Ansatz von Paivio sind Bilder Wortreizen auf jeden Fall überlegen. Konkrete Wortreize sind abstrakten Wortreizen überlegen. Konkrete Wortreize sind Bus, Katze, Haus, weniger konkret sind Begriffe wie Fahrzeug, Tier oder Gebäude, also allgemeinere Begriffe. Am wenigsten konkret sind abstrakte Wortreize wie Gerechtigkeit. Da trotz der sicherlich sinnvollen Bildbetonung in der Werbung auch mit verbalen Reizen gearbeitet wird, sind diese Aussagen auch für die bildbetonte Kommunikation wichtig. Um die Lernwirkung zu erhöhen, sollten Markennamen daher am besten mit konkreten Worten verbunden werden. Das gilt in um so stärkerem Maße als Marken häufig Kunstworte sind, die selber erst noch gelernt werden müssen. Besser ist seba med „Frische Dusche“, Kneipp „Dusch Balsam“ und nicht Lipton Aquaé Vital (ein Tee-Getränk) oder Garnier Jade Re-density. Die ideale Strategie nach Schrattenecker (1987, S. 184) ist die Weckung von Assoziationen mit wünschenswerten Produkteigenschaften durch den Markennamen: ALPINA (für Sportbrillen, insbes. Skibrillen) verbindet die gewünschte Assoziation zu Alpen mit dem Markennamen, ebenso ALPIA. Hier wird Alpenmilch assoziiert. Assioziationen zwischen ALPINA (für Farben) sind weit weniger vorhersagefähig. Es ist selbstverständlich möglich, auch Markennamen mit Kunstworten zu verbinden und durchzusetzen. Dadurch wird allerdings der notwendige Werbeaufwand erhöht, da neben dem Markennamen ein weiteres Kunstwort gelernt werden muß. Bei großen Werbeetats (wir sollten dabei von Werbeetats von mindestens 5 Mio. Euro per anno ausgehen) ist auch die Kommunikation mehrerer Kunstbegriffe möglich.. Einfache Begriffe sind leichter kommunikativ durchzusetzen als komplexe, abstrakte Begriffe. Andererseits kommt es darauf an, ein hohes Maß an Eigenständigkeit zu besitzen. Das gelingt häufig eher durch Kunstbegriffe. Große Bedeutung kommt der Auswahl der Bildmotive zu. Es sollen Bilder mit klar verständlicher, symbolischer Bedeutung gewählt werden, welche die Eigenschaften des Angebotes zum Ausdruck bringen. Bilder bzw. Bildelemente, „Die leicht in ein Wahrnehmungsschema der Empfänger eingeordnet werden können“, unterstützen das Verständnis einer Werbebotschaft (Kroeber-Riel, 1993, S. 133 und 150). Dabei ist die Ansprache unbewußter Mechanismen nach Freud möglich, ebenso die Ansprache von Archetypen nach Jung oder die Ansprache symbolischer Sinn-
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formeln (vgl. Dieterle, 1992, S. 20-55). Unter Archetypen verstehen wir Urbilder oder Urvorstellungen, die seit Urzeiten weitergegeben und allen Menschen gemeinsam sind. Sie sind Inhalte des phylogenetisch erworbenen „kollektiven Unbewußten“. Derartige urtümliche Bilder weisen bestimmte Bedeutungsgehalte auf, die zu allen Zeiten und in allen Völkern lebendig sind. Derartige Archetypen werden in Märchen, Mythen, Religionen weitergegeben, sie sind oft in der Kunst wiederzufinden (vgl. Genius, 1993). Unter symbolischen Sinnformeln werden die Gesamtheit des theoretischen Wissens, welches sich in Form von Moralvorstellungen, Werten, Glaubensgrundsätzen, Sprichwortweisheiten, Märchen, Legenden und Mythen verstanden, welche sich in einer Kultur niederschlagen (Dieterle, 1992, S. 47). Es wird davon ausgegangen, daß die Ansprache derartiger symbolischer Sinnformeln menschliches Verhalten beeinflussen, steuern kann. „Für existentielle Probleme wie z.B. Angst vor dem Tod, Sinnfindung im Leben, Überwindung von Abhängigkeiten, geben insbesondere Märchen Lösungshinweise, indem sie Identifikationspersonen offerieren, die erfolgreich solche in symbolhafter Form dargestellten Probleme lösen...“ (Dieterle, 1992, S. 48). Bildhafte Darstellung alleine ist allerdings noch kein Erfolgsgarant. Es kommt darauf an, durch Bildkommunikation klare Vorstellungsbilder beim Konsumenten zu schaffen. „Der geringe Erfolg von vielen erlebnisbetonten Marketingmaßnahmen läßt sich direkt auf Versäumnisse beim Aufbau von inneren Marken und Firmenbildern zurückführen“ (Kroeber-Riel, 1986, S. 92). Attribute von Vorstellungsbildern, die zu einer besseren Behaltensleistung führen, sind vermutlich: Lebendigkeit, Sympathiereizintensität zur Erhöhung der Aufmerksamkeit, Reichhaltigkeit, Eigenständigkeit, Strukturiertheit und Neuartigkeit (ebenda, S. 83). Irle (1986, S. 135) hebt ferner die Bizarrheit und die figürliche Konfiguration, also die Interaktion verschiedener Bildkomponenten miteinander hervor. Es kommt darauf an, daß die verschiedenen Bildbestandteile in einen Zusammenhang gebracht werden. Je eigentümlicher dieser ist, um so besser ist wieder die zu erwartende Lernleistung. Mit anderen Worten: Eigenständigkeit läßt sich dadurch erzielen, daß ungewöhnliche Formen der Darstellung gewählt werden. So mögen Größenverhältnisse verzerrt werden, Perspektiven verändert oder auch ungewöhnliche Beziehungen zwischen den Bildelementen hergestellt werden. Die meisten Personen hätten erhebliche Schwierigkeiten, sich über einen längeren Zeitraum hinweg folgende Objekte zu merken: Fahrrad, Affe, Zigarre, Sonnenbrille, Sonnenschirm und Fußball. Die gleichen Personen werden vermutlich das Bild eines radfahrenden Affen, der eine Sonnenbrille trägt, in der einen Hand einen Sonnenschirm schwenkt, auf dem Gepäckträger einen Fußball mit sich führt und gleichzeitig eine Zigarre raucht, relativ leicht behalten können. Das gilt um so mehr, als die verschiedenen Objekte jeweils noch spezifische ungewöhnliche Eigenschaften haben können. Je klarer, angenehmer und vertrauter visuelle Vorstellungsbilder sind, um so eher ist mit erfolgreicher Marktkommunikation zu rechnen. So kann es als Aufgabe der Werbung angesehen werden, positive innere Gedächtnisbilder zu schaffen. Sind Markenbilder bzw. die damit verbundenen Gedächtnisbilder unklar und diffus, so sind die Vorstellungen, die mit der Marke verbunden werden, austausch-
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4. Das Kommunikations-Programm
bar, sie können nicht eindeutig einer Marke zugeordnet werden, was auf jeden Fall den Werbezielen entgegenläuft. Abbildung 4-4 zeigt eine vermutlich eigenständig wirkende Werbung.
Abbildung 4-4: Alleinstellung durch emotionale, eigenständige Bildgestaltung
4.2 Werbung
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Die Bildgestaltung ist gekennzeichnet durch erotische Emotion, verbunden mit Frische und edler, luxusartiger Markenanmutung, was dadurch erreicht wird, daß Wasserperlen als echte perlenartige Elemente dargestellt werden. Alleinstellung wird also auch durch Verfremdung erreicht. Die Wirksamkeit der Bildkommunikation läßt sich testen, indem gemessen wird, wie reichhaltig die durch Bilder ausgelösten Assoziationen sind. Die Anzahl und Vielfalt von Assoziationen, die ein Bild auslöst, ist ein guter Indikator für seine Eindruckstärke. „Die höhere Gedächtnisleistung für assoziationsreiche Bildmotive wird darauf zurückgeführt, daß eine verstärkte gedankliche Verarbeitung erreicht wird. Das dargebotene Bildmotiv wird besonders stark mit den vorhandenen Vorstellungen der Empfänger verknüpft“ (Kroeber-Riel, 1993b, S. 77). Bilder können Begriffe wie Frische, Abenteuer, Natur, jugendlich konkretisieren. In der Vergangenheit wurde gelegentlich die These vertreten, aufgrund der intensiven kommunikativen Wirkung von Bildreizen könne man auf Text verzichten. Diese Annahme halten wir für falsch. Verbale und visuelle Reize werden vermutlich in verschiedenen Codierungssystemen des Menschen verarbeitet, wobei deren Interaktion zu einer insgesamt intensiveren Kommunikationswirkung führt. Sinnvollerweise werden Bilder daher mit verbalen Reizen kombiniert, wobei davon ausgegangen werden soll, daß Bilder die zentrale Botschaft vermitteln sollen, unterstützt durch verbale Informationen. Nach Schrattenecker (1987, S. 184) ist die Lernleistung bei der Reihenfolge Bild – Text höher als umgekehrt. Das deckt sich mit den Resultaten der Bildaufzeichnung, aus denen abgeleitet werden kann, daß Bildunterschriften besser gelernt werden als Bildüberschriften. Der Blick läuft meistens bei Anzeigen von oben nach unten. Dieser Blickverlauf führt bei Bildunterschriften zur besser zu lernenden Reihenfolge Bild - Text. Die bildbetonte Verarbeitung der Werbung korrespondiert also mit der verbalen Reizverarbeitung. Eine optimale Verarbeitung von Werbebotschaften ist dann gegeben, wenn Werbereize sowohl in textlicher als auch in bildhafter Form dargeboten werden. Die Wirkung wird gesteigert, wenn diese Kombination von Textund Bildbotschaften mit vorhandenen Gedächtnisinhalten korrespondiert. Aufgrund des hier beschriebenen Zusammenspiels von Text und Bildbotschaften während der Verarbeitung kann trotz Überlegenheit bildhafter Werbegestaltung nicht dazu geraten werden, auf Textelemente zu verzichten. Diese können vielmehr die bildhafte Verarbeitung im Sinne der Werbeziele steuern. Auch eine Kommunikation, die ausschließlich auf Bildreize aufgebaut ist, läuft Gefahr mißverstanden zu werden. In der Werbepraxis finden sich gelegentlich Argumente für eine Beeinflussungstechnik, bei der zwischen Bild- und Textbotschaften Widersprüchlichkeiten hergestellt werden, also zum Bild unpassende Texte geliefert werden, um so die Aufmerksamkeit zu steigern. Das scheint eher problematisch. Aufgrund der oberfläch-
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4. Das Kommunikations-Programm
lichen Reizverarbeitung ist eher damit zu rechnen, daß derartig widersprüchliche Reize selektiert und nicht weiterverarbeitet werden. Winterhoff-Spurk und Schmitt (1985, S. 146) kommen aufgrund empirischer Arbeiten ebenfalls zu dem Schluß, daß Bilder redundant betextet werden sollten. Das bedeutet, daß Texte gewählt werden, die dem Bildinhalt entsprechen. Hagge (1994) zeigt empirisch, daß die Verbesserung von Textverständlichkeit nicht zu einer Beschleunigung der Informationsverarbeitung führt, wohl aber eine zusätzliche Bebilderung der Information. Das heißt, die Textverarbeitung kann durch zusätzliche Bilder verbessert werden. Andererseits fand Hagge, daß sich in seinen Untersuchungen die Erklärungskraft von Bildern als ausreichend erwies, so daß hier auf zusätzliche Texte verzichtet werden konnte. Dennoch ist normalerweise aufgrund der dualen Informationsverarbeitung von Bild- und Textbotschaften im Gehirn davon auszugehen, daß bei gänzlichem Verzicht auf Textbotschaften mögliche Synergieeffekte nicht genutzt werden. Bei einer ausschließlich bildhaft gestalteten Werbebotschaft (also ohne Text) sollte die Verständlichkeit und Verarbeitungsrichtung in einem Werbemitteltest überprüft werden. Angesichts der Vielzahl werbewissenschaftlicher Studien, die die Vormachtstellung des Bildes als Element werblicher Gestaltung hervorheben, scheinen die Ausgangsthesen der Arbeit von Baumgart (1992, S. 4 ff.) geradezu provokant: „Der Primat des Bildes wird also immer mehr zu Gunsten einer mächtiger werdenden verbalen Bildersprache zurückgedrängt.“ Dieses scheint durch die Suche nach archetypischen und kulturspezifischen Elementen innerhalb der Werbesprache gekennzeichnet. In der Tat findet sich in der Werbepraxis eine Vielzahl geradezu berühmt gewordener Slogans, die zumindest aufzeigen, daß es auch möglich ist, durch eine starke sprachliche Gestaltung der Werbung ausreichend Wirkung zu erzielen: „Alle reden vom Wetter...“; „Er läuft und läuft und läuft ...“; „Es gibt viel zu tun – packen wir´s an!“ und vieles mehr. Entscheidend sind Slogans, die innerhalb der Zielgruppe ohne Aufwand verstanden und aufgenommen werden können. Die Sprache kann ebenso wie das Bild Assoziationen auslösen, erlebnisbetont sein, Stimmungen auslösen, an Märchenmythen und Sagen anknüpfen. Voraussetzung für wirksame Werbetexte sind kurze Sätze und einfache Satz-gefüge. Die Bedeutung sprachlicher Formulierungen zeigt sich auch daran, daß die Sprache in der Werbung die Menschen nicht nur in Produkt- und Markenwertungen beeinflußt, sondern sogar in die Alltagssprache hineinwirken kann: „Man gönnt sich ja sonst nichts“; „Gib Aids keine Chance“; „Nicht immer, aber immer öfter“. Die Resultate der Imagery-Forschung können sowohl in der Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und Verkaufsförderung als auch in der Markenpolitik genutzt werden. Für die Markenpolitik gibt es drei Möglichkeiten der Bildkommunikation (vgl. Alesandrini, 1983):
4.2 Werbung
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• die direkte Übersetzung eines Wortes in ein Bild (Beispiel: Eichbaum/Bier), • die kombinierte Darstellung des Markenschriftzuges (Logo) in Verbindung mit einem Bild (Beispiel: Wella, Schwarzkopf), • die bildhafte Darstellung eines Schriftzuges oder einzelner Buchstaben (Beispiel: Der Schriftzug Coca Cola). Die Erinnerung an einzelne Bestandteile der Werbebotschaften läßt sich steigern, indem diese gestalterisch zu einer integrativen Einheit verschmelzen. Schmitt, Tavassoli und Millard (1993) konnten das experimentell bei Anzeigen für Markenbezeichnung, Text- und Bildbestandteile nachweisen. Wenn aber Textaussagen wichtig sind, dann sollten diese gestalterisch mit Bildelementen vereint werden, weil Bilder in der Werbung normalerweise mehr Wirkung als Texte zeigen.
4.2.3 Nonverbale Gestaltungselemente in der Kommunikation „Unter nonverbaler Kommunikation werden all die menschlichen Ausdrucksformen verstanden, die weder schriftlich noch durch das unmittelbar gesprochene Wort übertragen werden“. (Bekmeier, 1989, S. 11). Nonverbale Kommunikation kann durch Mimik, Gestik, eine besondere Präsentation von Objekten oder durch Instrumentalmusik bzw. andere Klangelemente erfolgen. Nonverbale Kommunikation hat insbesondere im Bereich der Fernsehwerbung hohe Bedeutung. Das liegt einfach daran, daß viele Elemente der nonverbalen Kommunikation gerade in Filmen dargestellt werden können, während sie auf Fotos in Anzeigen doch nur eine untergeordnete Rolle spielen können. Die Beziehung zwischen nonverbaler Kommunikation und verbaler Kommunikation ist analog wie die zwischen Textund Bildinformationen zu sehen. So kann nonverbale Kommunikation die verbale Kommunikation theoretisch vollständig ersetzen, sie kann sie unterstützen oder auch im Widerspruch dazu stehen. Analog zur Argumentation hinsichtlich der möglichen Kombination von Bild- und Textinformationen kommt man auch hier zu dem Schluß, daß der vollständige Ersatz der verbalen Kommunikation durch nonverbale Kommunikation nicht empfohlen werden kann. Ebenso dürften widersprüchliche Elemente zwischen verbaler und nonverbaler Kommunikation problematisch sein. Am wirksamsten dürfte die Unterstützung verbaler durch nonverbale Kommunikation sein. In der Fernsehwerbung können insbesondere Mimik, Gestik und Körperhaltung als Element der nonverbalen menschlichen Kommunikation eingesetzt werden. Bekmeier (1989) thematisiert außerdem die Objektkommunikation. Darunter versteht Bekmeier solche Elemente, die „in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Körper, der Person stehen, wie beispielsweise Kleider, Schmuck oder Produkte aller Art.“ Bekmeier (1989) bestätigt folgende Hypothesen:
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4. Das Kommunikations-Programm
• „Wenn in der TV-Werbung mittels Gesichts- und Körpersprache kommuniziert wird, dann ist das aktivierender, als wenn ausschließlich materielle Gegenstände dargeboten werden“ (S. 176). • „Wenn in der TV-Werbung mittels Gesichts- und Körpersprache kommuniziert wird, dann ist die Filmanmutung höher, als wenn ausschließlich materielle Gegenstände dargeboten werden“ (S. 179). • „Wenn in der TV-Werbung mittels Gesichts- und Körpersprache kommuniziert wird, dann speichert der Rezipient mehr Informationen als wenn ausschließlich materielle Gegenstände dargestellt werden“ (S. 184). Die in Hypothese 2 angesprochene höhere Filmanmutung drückt sich in höherer Sympathie, höher wahrgenommenem Informationsgehalt, stärkerer Vertrautheit und Akzeptanz aus. Es läßt sich zeigen, daß die nonverbale Kommunikation insbes. den ersten Eindruck einer Werbebotschaft beeinflußt. Dieser wiederum steuert die darauf folgende Reizverarbeitung und so die Verarbeitung wahrgenommener verbaler Reize. Die Bedeutung bildbetonter und nonverbaler Kommunikation gilt bei niedrigem als auch bei hohem Produktinvolvement. Sowohl bei hohem als auch bei geringem Involvement werden bildhafte Elemente in der Werbung bevorzugt wahrgenommen und verarbeitet. Bei hohem wie bei geringem Involvement wird der Textteil eher oberflächlich betrachtet. Auch die kurze Betrachtung von Anzeigen findet sich sowohl bei hohem als auch bei niedrigem Involvement. Tabelle 4-3: Universalien in menschlicher Mimik sowie Universalien in menschlicher Gestik (Dieterle, 1992, S. 80f, die fett geschriebenen Emotionen entsprechen dem Modell nach Izard, 1994),
Emotion
Gestik / Mimik
Freude:
Fältchen in den Winkeln der zeitweise geschlossenen Augen, angehobene Mundwinkel, geöffneter Mund, angehobene Wangen angehobene Augenbrauen, weit geöffnete (aufgerissene) Augen, Mund offen zu einem „O“ geformt leicht angehobene Augenbrauen, offener und fixierender Blick durch Anheben der unteren Augenlider Gerunzelte Stirn, innere Ecken der Augenbrauen gesenkt, obere Augenlider gesenkt, auf der Unterlippe beißend, gesenkter Kopf Blick senken oder abwenden, Lippen vorstrecken („Schnute ziehen"), gesenkter Kopf
Überraschung:
Interesse:
Scham:
Schmollen:
4.2 Werbung
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Tabelle 4-3: Fortsetzung Ärger:
Angst:
Traurigkeit:
Ekel:
Freundliche Zuwendung:
Freundliches Grüßen: Freundliches Schäkern oder Necken:
Flirten: In-Frage-Stellen, Zweifeln, Entrüstung: Ablehnung:
Zärtlichkeit: Flirten: Freundlichkeit, Trost oder Schutz:
Verlegenheit (Fremdenfurcht): Demut (Unterwerfung): Wut: Erschrecken:
gesenkte, zusammengezogene Augenbrauen, offene und fixierende Augen mit verengter Pupille, angespannte untere Augenlider, zusammengepreßte Lippen zusammengezogene Stirn, angehobene Augenbrauen, weit offene und starrende Augen, offener Mund, nach unten und zurückgezogene Mundwinkel innere Ecken der Augenbrauen angehoben, zusammengezogene Augenbrauen, untere Augenlider angehoben, offener Mund mit nach unten gezogenen Winkeln teilweise geschlossene Augen aufgrund der gerümpften Nase, hochgezogene Oberlippe (oder offener Mund mit nach unten herausgestreckter Zunge), angehobenes Kinn Öffnen des Gesichts, d. h. Augenbrauen anheben, Augen weit öffnen, Mund öffnen mit nach oben gezogenen Mundwinkeln schnelles Anheben der Augenbrauen (1/6 Sek.), leichtes Lächeln, mit dem Kopf nicken Zunge herausstrecken (die Zunge kann dabei auf die Oberlippe gelegt werden), angehobene Augenbrauen mit der Zunge kurz über die Lippen lecken anhalten bzw. längeres Anheben der Augenbrauen Verschließen des Gesichts, d. h. Augenbrauen runzeln, Augen zusammenkneifen, Lippen aufeinander pressen, Nase rümpfen oder Zunge nach unten herausstrecken in Verbindung mit Spuckbewegungen Küssen (Ursprung ist das ritualisierte Füttern von Mund zu Mund) Heben der Hand, wobei die offene Hand dem Gegenüber zugewandt ist streicheln, tätscheln, kraulen, die flache Hand auf den Körper des Gegenübers auflegen, umarmen (Ursprung ist das Signal-Repertoire zwischen Mutter und Kind) Ambivalenz zwischen Zuwendung und Abwehr mittels Blickkontakten und Wegschauen sich verbeugen oder auf die Knie fallen mit dem Fuß aufstampfen Schultern anhaltend hochziehen, um den Hals zu schützen
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4. Das Kommunikations-Programm
Tabelle 4-3: Fortsetzung Abwehr: Drohen („Paß auf“): Zeigen, hinweisen („Schau“): Nahrungsaufnahme („Essen“):
Wegspreizen der offenen Hände, Hände abschütteln senkrecht erhobener Zeigefinger den ausgestreckten Zeigefinger auf etwas richten die Hand zum Mund führen
Ein wichtiger Aspekt der nonverbalen Kommunikation ist die Körpersprache. Diese betrifft sowohl die Gestik als auch zum Teil angeborenes mimisches Verhalten. Teilweise ist dieses genetisch bedingt, interkulturell identisch. Es finden sich aber auch kulturspezifische Unterschiede, die einer Standardisierung in der Gestaltung der Marketingkommunikation entgegenstehen. Universalien in der menschlichen Mimik und Gestik stellt Dieterle (1992, S. 80 und 83) einer Reihe von Emotionen gegenüber (vgl. Tabelle 4-3). Angeborene Verhaltensmuster werden kognitiv nicht gesteuert, ihr Einsatz in der Werbung unterliegt aber gerade aufgrund der Universalität der Gefahr der Austauschbarkeit. Gerade interkulturell identische angeborene Mimik und Gestik beinhaltet sehr wenige Möglichkeit eigenständiger Gestaltung. Andererseits können durch „Mimik, Gestik und Körperhaltung ... Emotionen veranschaulicht werden, welche mit dem werblichen Angebot in Verbindung gebracht werden sollen“ (Dieterle, 1992, S. 85). Müller (1997) weist auf einige interkulturelle Besonderheiten bildbetonter Kommunikation hin. Zunächst gilt es, ein Mißverständnis auszuräumen: Werbung ist nicht identisch mit der Kultur eines Lebensraumes. Sie reflektiert vielmehr die Vorstellung der Kultur seitens der Werbetreibenden. Müller (1997, S. 11 ff.) weist darauf hin, daß viele als interkulturell geltende Segmente, die danach auch kulturübergreifend standardisiert angesprochen werden können, dennoch kulturspezifische Unterschiede aufweisen. „Das gleiche demographische oder sogar psychographische Marktsegment kann in unterschiedlichen Kulturen durchaus unterschiedliche Kaufmotive haben“ (S. 12). Auch wenn beispielsweise Topmanager in verschiedenen Kulturen in bestimmten Dingen große Ähnlichkeiten aufweisen, so unterscheiden sie sich doch hinsichtlich ihrer Wertvorstellungen kultureller Normen, Mythen und Geschichten gravierend voneinander. Die wenigen kulturübergreifend gleich aufgenommenen Bildmotive erlauben keine eigenständige Werbestrategie, da diese häufig von sehr vielen Wettbewerbern verwendet werden. Die Nutzung universeller Appelle führt dazu, daß eine ausreichende Differenzierung von Wettbewerbern schwierig bzw. unwahrscheinlich wird (S. 17). So wird beispielsweise der Begriff Orient bzw. das Attribut orientalisch in den Vereinigten Staaten auf den Fernen Osten bzw. den asiatischen Raum bezogen, in Deutschland auf den nahen Osten, beispielsweise Ägypten. In England thematisiert Bierwerbung in der Regel soziales Zusammentreffen in Pubs oder sonstigen Lokalitäten, in den USA werden Typen zur Identifikation herausgestellt. Gleiche Bilder
4.2 Werbung
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werden unterschiedlich assoziiert. Die Assoziationen von Reizen erfolgt kulturspezifisch. „Die durch Bilder kommunizierte Bedeutung ist sehr stark kulturbedingt, und ein universelles Verständnis ist deshalb höchst unwahrscheinlich“ (Müller, 1997, S. 71).
4.2.4 Gestaltungsmerkmale erfolgreicher Marktkommunikation Erfolgsfaktoren für die Marketingkommunikation sind wohl in erster Linie eine einzigartige und kreative Gestaltung der Werbebotschaft. Das gilt in besonderem Maße, wenn sich die Werbebotschaft auch noch auf ein einzigartiges Produkt bezieht, also auf ein Produkt, das sich erkennbar von Wettbewerbsprodukten abheben kann. Unabdingbar für den Erfolg der Marketingkommunikation ist ein ausreichendes Budget. Mangelnder Werbedruck kann durch bessere Gestaltung nicht kompensiert werden. Gleiches gilt für die optimale Auswahl der Werbeträger. Auch in dieser Hinsicht lassen sich Fehler nicht durch bessere Gestaltung kompensieren. Die Gestaltung löst in erster Linie Sympathie, Glaubwürdigkeit, Attraktivität, Akzeptanz, Vertrautheit von Produkten aus. All dieses ist jedoch nicht oder nicht in gewünschtem Ausmaße erreichbar, wenn der Werbedruck nicht ausreicht oder Fehler bei der Auswahl der Werbeträger eingetreten sind. Ray (1982, S. 212 ff.) nennt folgende Kriterien für die erfolgreiche Gestaltung von Kampagnen: Strategieentsprechnung, Zielgruppenentsprechung, Ausrichtung auf das gesamte Marketing-Mix, Einfachheit, Einzigartigkeit, mediengerechte Gestaltung und ausreichende Konstanz im werblichen Auftritt. Die von vielen Autoren hervorgehobene Bedeutung der strategischen Ausrichtung werblicher Gestaltung wird von vielen Praktikern nicht geteilt. Hierin wird in der Praxis eher eine Einschränkung kreativer Freiräume gesehen. Wir sehen in dieser Einschränkung jedoch eine Notwendigkeit kommerzieller Kommunikation. Kreativität stellt in der Marketingkommunikation keinen Selbstzweck dar, sie dient langfristigen Marketingzielen, denen die Kommunikationsstrategie untergeordnet wird. Der Erfolg langfristiger Strategien gegenüber häufigem Kampagnenwechsel wurde in der Vergangenheit in Theorie und Praxis immer wieder gezeigt. Die hervorragende Bedeutung der Kommunikationsstrategie betonen Wells, Burnett und Moriarty (1992, S. 336) besonders deutlich: „If it doesn´t conform to strategy, reject it.“ Der Erfolg langfristiger Marktkommunikation liegt darin, eine hervorragende kreative, einzigartige und dennoch einfache Botschaft zu entwickeln und diese langfristig beizubehalten. Schweiger und Schrattenecker (2001, S. 173 ff.) betonen die Erfolgsfaktoren Aufmerksamkeit, Sympathie und Prägnanz. Aufmerksamkeit wird danach, wie bereits besprochen, durch besonders intensive erlebnis- und bildbetonte Gestaltung erzielt, außerdem durch eine starke persönliche Ansprache bezogen auf die Zielgruppe, die sich insbesondere durch Herausstellung persönlicher Nutzenstiftung für die Konsumenten ausdrückt. Sympathie läßt sich nach Schweiger und Schrattenecker ferner durch eine Botschaft gewinnen, die vorhandenen Einstellungen und
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4. Das Kommunikations-Programm
Erwartungen entspricht. Persönliche Relevanz und Nutzenstiftung sollten also in der Werbung besonders herausgestellt werden. Ming-Hui (2004) stellt die Hypothese auf, daß romantische Themen in der Werbung positive Gefühle und Urteile auslösen, während reine Sexualität lediglich eine unspezifische Erregung auslöst. Die Darstellungen unterschieden sich wie folgt: a) Romantik: küssendes Paar, bekleidet, weitere Utensilien: Ringe, Hochzeitskleid b) Sexualität: unbekleidetes Paar in „eindeutiger Situation“
Abbildung 4-5: Erotische Darstellung entsprechend der Hypothese nach Ming- Hui (2004) Ming-Hui kann ihre Hypothese bestätigen, was sie zu der Empfehlung veranlaßt, insbesondere bei älteren Zielgruppen eher auf Romantik zu bauen um positive Bewertungen auszulösen. Explizite sexuelle Darstellungen bedürfen weiterer Hin-
4.2 Werbung
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weise, um positive Bewertungen von Produkt, Marke oder Aussage auszulösen. Eine dieser Hypothese vermutlich entsprechende erotische Darstellung findet sich in Abbildung 4-5, wenn wohl auch auf eine eher jüngere Zielgruppe bezogen. Manche Werbepraktiker scheinen immer noch darauf zu bauen, durch eher negativ anmutende Gestaltung aufzufallen und darüber ihr Werbeziel zu erreichen. Dieser Umweg ist ein Holzweg. Menschen wenden sich lieber angenehmen Dingen zu. Dieser so einfachen wie trivialen These wird in Einzelfällen in der Praxis oft nicht entsprochen. Sowohl die theoretische Kommunikationsforschung (in den Anfängen z.B. Hovland, Janis & Kelley, 1953, später die Cognitive Response-Forschung, z.B. Petty & Cacioppo, 1984, 1985, 1986) spricht dagegen als auch die praxisbezogene Werbeforschung (z.B. Walker & Dubitzky, 1994): „At the very least, ads that are better liked are more likely to be noticed and remembered.“ Ketelaar, Vogelzang und van Gisbergen (2001) untersuchen die Wirkung von “Rätselwerbung”, das ist Werbung, die den Rezipienten Interpretationsspielraum läßt. Es gibt keine eindeutige, klar kommunizierte Botschaft. Die Autoren finden ein höheres Involvement bei Werbung mit Interpretationsspielraum. Man beschäftigt sich eingehender mit der Werbung, die somit die Aufmerksamkeit und die Informationsverarbeitung intensiviert „Allerdings muß es den Rezipienten aber auch gelingen, die Werbung zu entschlüsseln und ihr Sinn zu geben, damit sich positive Bewertungen einstellen.“ Gelingt das nämlich nicht, dann ist eine negative Bewertung die Folge (mit Sicherheit keine Reaktanz, wie die Autoren behaupten. Die Reaktanztheorie macht nur Aussagen zu den Folgen freiheitseinengender Kommunikation. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt). Der größte Fehler werblicher Gestaltung dürfte in der Austauschbarkeit zu finden sein. Viel zu häufig wird sich bei der Wahl von Motiven, graphischer Gestaltung oder gar Slogans an vorhandener Werbung orientiert. Es erscheint müßig, darüber zu diskutieren, ob mangelnde Eigenständigkeit durch fehlende Kreativität in den Werbeagenturen ausgelöst wird oder durch mangelnde Bereitschaft innerhalb des Marketingmanagements neue gestalterische Formen zu akzeptieren. So werden häufig scheinbar risikoarme, bewährte Gestaltungen bevorzugt. Oft werden gewünschte Emotionen von verschiedenen Anbietern in ähnlicher bis gleicher Form umgesetzt. Das geschieht oft unbewußt, weil in einem Kulturkreis, oft über verschiedene Kulturkreise hinweg, bestimmte Emotionen fast automatisch mit ähnlichen oder gleichen Bildern assoziiert werden. Zukunft wird beispielsweise häufig durch Computer und kleine Kinder dargestellt. In der folgenden Abbildung zeigen wir, wie im Bereich der Kosmetik ähnliche Werbebotschaften zu sehr ähnlicher „kreativer“ Umsetzung geführt haben. So ist eine eigenständige, und damit weitestgehend dem eigenen Produkt, der eigenen Marke zugute kommende Darstellung kaum möglich. Dieser Gefahr unterliegen die im folgenden dargestellten Kampagnen trotz vermutlich hoher Aktivierung, die durch emotionale Darstellung erreicht wird. Von Vorteil kann die konsequente
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4. Das Kommunikations-Programm
Übertragung in die Verkaufsförderung sein, so finden sich die Anzeigen von Gerry Weber und Clarins in exakt gleicher Form in den Schaufenstern der Fachgeschäfte als Plakat, was jedoch verbreitete Praxis ist.
Abbildung 4-6 a: Elegante, erotische Darstellung am Beispiel Chanel
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Abbildung 4-6 b: Elegante, erotische Darstellung am Beispiel Gerry Weber Auch wenn die Gestaltung vielleicht weniger emotional ist, dürfte die Abbildung 4-7 viel eher eigenständig wahrgenommen werden. Diese Anzeige folgt dem klassischen Blickverlauf: Der Blick fällt zuerst nach oben und zuerst auf Bilder, also mit höchster Wahrscheinlichkeit auf das Gesicht, das durch die Brille (einem in der Kosmetikwerbung ungewöhnlichem Bildelement) Eigenständigkeit erhält. Der
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4. Das Kommunikations-Programm
Blick geht anschließend nach unten auf die sog. „Subline“ (Bildunterschrift) und verläßt die Anzeige nach unten rechts über das Logo. Die Textverarbeitung ist für den Werbeerfolg eher unbedeutend.
Abbildung 4-7: Eigenständigkeit in der Kosmetikwerbung
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Abbildung 4-8: Erotische Darstellung von Kosmetik; Aktivierung nach austausch barem Muster
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4. Das Kommunikations-Programm
Auch die Werbung in Abbildung 4-8 folgt dem gleichen Muster, vielleicht gelingt hier die Aufmerksamkeitsgewinnung in etwas stärkerem Maße durch intensivere Darstellung, das aber ist Spekulation und müßte durch angemessene Werbewirkungsforschung (vgl. Kapitel 9) verifiziert werden. Die Gefahr der Austauschbarkeit ist durchaus gegeben. Austauschbarkeit in der Struktur des Anzeigenaufbaus wird also möglicherweise durch betont sinnliche Umsetzung kompensiert, wodurch letztlich der Produktnutzen kommuniziert wird (in diesem Fall eindeutig Sinnlichkeit). Noch mehr dürfte eigenständige Darstellung in Abbildung 4-9 gelungen sein. Diese Anzeige stellt die Marke als einfachen Blickfang dar. Das gelingt durch Berücksichtigung von sog. Figur-Grund-Beziehungen. Die Wahrnehmung wird durch die weibliche Darstellung auf der rechten Seite unterstützt.
Abbildung 4-9: Eigenständige Darstellung der Marke duch Ausnutzung von Figur Grundbeziehung und eleganter weiblicher Darstellung. Daß eine eigenständige und emotionshaltige Gestaltung auch vollkommen ohne Erotik möglich ist, zeigt das Beispiel der Werbung für die Zeitschrift Petra (Abbildung 4-10). Der „Modedschungel“ wird durch modische Produkte in DschungelGestaltung dargestellt, die Zeitschrift Petra als „Wegweiser“ für die offensichtlich verunsicherte Frau. Es kommt darauf an, Aufmerksamkeit durch Emotionen, durch Erlebnisorientierung auszulösen, die zum Produkt paßt. Das scheint in diesem Beispiel gelungen. Der Produktnutzen: „Petra als Wegweiser im Modedschungel“
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wird erlebnishaltig und emotional, also aktivierend, visualisiert. Das ist eine sehr eigenständige Kommunikation für eine Zeitschrift.
Abbildung 4-10: Erlebnishaltige Kommunikation „Mode-Dschungel“
4.2.5 Die formale Gestaltung der Werbemittel 4.2.5.1 Anzeigen Anzeigen werden in Publikumszeitschriften, Fachzeitschriften und Tageszeitungen eingesetzt. Die Unterscheidung zwischen Publikums- und Fachzeitschriften ist willkürlich. Die Gestaltung von Anzeigen in diesen beiden Werbeträgergattungen unterliegt den gleichen Richtlinien. Wesentlich ist die Unterscheidung nach dem anzunehmenden „Involvement“ der Betrachter. Hierin unterscheiden sich Konsumenten nicht von Ärzten oder Facheinkäufern bzw. Ingenieuren. Ärzte nehmen Anzeigen in Pharmazeitschriften für die „üblichen Krankheiten“ mit ebensowenig „Involvement“ wahr, wie Konsumenten Anzeigen für Güter des täglichen Bedarfs oder Ingenieure für sie bekannte Investitionsgüter oder Rohstoffe usw. Je nach Neuigkeitsaspekten und persönlicher Relevanz der Produkte variiert das „Involvement" über alle Gruppen gleichermaßen. Selbst gegenüber bedeutenden Produkten herrscht hinsichtlich der klassischen Werbung häufig über alle Gruppen hinweg relatives Desinteresse. Genauso wenig, wie sich Privatkonsumenten durch reine Anzeigenwerbung zum Kauf eines Autos „überreden“ lassen, sind Ingenieure durch Anzeigen zum Kauf eines Investitionsobjektes zu bewegen. Ob Privatfahr-
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4. Das Kommunikations-Programm
zeug oder Investitionsgut, es kann bei derartigen Produkten nur darum gehen, durch Anzeigenwerbung bekannt zu machen, emotional positiv einzustimmen, Interesse zu wecken, aber nicht Informationen für einen Kauf umfassend zu vermitteln. Für Anzeigen in Zeitschriften gibt es vielfältige Werbeformen. Die einfachste Unterscheidung ist die zwischen schwarzweißen und vierfarbigen Anzeigen. Häufig sind auch Anzeigen in schwarzweiß mit einer Zusatzfarbe. Zwar sind die Belegungskosten für schwarzweiße Anzeigen niedriger, dafür scheint die Werbewirkung normalerweise geringer. Farbige Anzeigen werden vermutlich besser behalten als schwarzweiße Anzeigen. Andererseits kann eine Anzeige in Schwarzweiß in einem sehr farbigen Umfeld (Illustrierte Zeitschrift) auch einmal besser wahrgenommen werden als eine farbige Anzeige!
a) 1/1 Format
b) ½ seitige Formate
c) ½ seitige Formate „versetzt“
d) ½ seitig Hochformat „innen“
e) ½ seitig Hochformat „außen“
f) 1/4 seitige Formate
g) ¾ seitiges und ¼ seitiges Format
h) „Junior Page“
i) Doppelseite mit ausgeklappbarer Seite
k) 1/1 Format mit Rand
Abbildung 4-11: Auswahl möglicher Anzeigenformate
4.2 Werbung
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Die zweite Gestaltungsmöglichkeit liefern unterschiedliche Formate, von denen typische Belegungsformen in den folgenden Abbildungen dargestellt sind. Auch hier gilt, daß kleinere Formate zwar geringere Belegungskosten zur Folge haben, jedoch ebenfalls normalerweise bei geringerer Werbewirkung. Nun ist es allerdings verkehrt, Anzeigenformate lediglich nach ihrer Größe zu beurteilen. Die gemessenen Relationen zwischen Anzeigengrößen und Werbewirkung sind durchaus widersprüchlich. Es finden sich sowohl progressive Verläufe, Wirkungskurven, die dem S-förmigen Lernverlauf entsprechen und sogar fast lineare Wirkungsverläufe. Lediglich bei Akzeptanz des progressiven Verlaufes kann man sagen, daß die Reduktion des Formates aufgrund überproportional fallender Werbewirkung unökonomisch ist. Durch die Verbindung mit dem redaktionellen Umfeld kann die Wahrnehmung der Anzeigenbeispiele insbesondere bei den Beispielen b, c, d, e, f, g und h gefördert werden. Es ist auch nicht unbedingt davon auszugehen, daß h gegenüber a und k im Nachteil ist, trotz des kleineren Formates. Das gilt in gleichem Maße, wenn die in Abbildung 4-11 dargestellten Beispiele lediglich einseitig genutzt werden. Bolen (1984, S. 304) beschreibt Sonderformate, die in noch stärkerem Ausmaß nicht lediglich nach ihrer Größe beurteilt werden können (Abbildung 4-12).
, Abbildung 4-12: Ungewöhnliche Anzeigenformate erhöhen die Aufmerksamkeit Weitere Möglichkeiten bieten mehrere Anzeigen unterschiedlichen Formats in einer Zeitschrift. Eine solche „Anzeigenserie“ kann dazu führen, daß der Betrachter wie in einem Film auf ein wichtiges Detail hingeführt wird. Man stelle sich in der Abbildung 4-13 eine Frau vor, die in a noch von weitem zu sehen ist, in b schon näher kommt und in c wird das Gesicht im Großformat gezeigt, mit der Headline „ABC macht schön.“
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4. Das Kommunikations-Programm
a
b
c
Abbildung 4-13: Folge von Anzeigen unterschiedlicher Formate in einer Ausgabe einer Zeitschrift Ausschlagbare Seiten; in den Varianten links und/oder rechts ausschlagbar. Da die ausschlagbaren Seiten auf der Vorder- und Rückseite zu gestalten sind, liefert eine Belegung einer Doppelseite, links und rechts ausschlagbar, insgesamt sechs gestaltbare Anzeigenseiten. Die ausschlagbaren Seiten müssen zudem nicht ganzseitig sein. Dann kann die Werbebotschaft so gestaltet werden, daß durch Auf- und Zuschlagen jeweils ein eigenständiges Anzeigenmotiv entsteht. Beide Möglichkeiten sind in Abbildung 4-14 dargestellt.
Anzeigen mit ausschlagbarer Halbseite; links aufgeschlagen, rechts zugeschlagen, mit gestalteter Rückseite
Anzeige mit Postkarten
Abbildung 4-14: Ausschlagbare Seiten und Postkartenanzeigen
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Abbildung 4-15 zeigt das Beispiel mit ganzseitig ausklappbaren Seiten. Dabei kann mit einer herausklappbaren Seite entweder rechts- oder linksseitig gearbeitet werden, es können auch zwei Seiten herausklappbar gestaltet werden (vgl. Abbildung 4-16). Die ausklappbare Seite ist jeweils auf der Vorder- und Rückseite gestaltbar. So kann ein kleiner Prospekt aus wenigstens 6 Seiten entstehen.
4
2
1
3
Abbildung 4-15: Ausklappbare Seite rechtsseitig (nicht abgebildet, linksseitig)
1
6
3 2
4
5
Abbildung 4-16: Ausklappbare Seiten beidseitig Sonderformate: also Anzeigen, die nicht den anzeigentariflichen Format-Tabellen zu entnehmen sind, wie z.B. sog. Inselanzeigen, sind gleichfalls möglich. „Ad-a-card“: damit sind Postkarten im Endlosdruck gemeint, die maschinell während der Zeitschriftenherstellung auf eine Anzeige geklebt werden und vom Leser leicht abgenommen werden können. „See and write“: bezeichnet ebenfalls die Kombination von Anzeige mit Postkarten. Im Unterschied zu „Ad-a-card“ werden die Postkarten einzeln eingeklebt, was eine größere Gestaltungsvielfalt erlaubt, jedoch zu höheren Kosten und größerem Zeitaufwand führen kann. Statt Postkarten können auch Briefumschläge mit Inhalt (Verlosaktionen) eingeklebt werden.
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4. Das Kommunikations-Programm
Postkarten-Beihefter: werden in Verbindung mit Anzeigen mitgeheftet. Daran können sich auch mehrere Werbetreibende beteiligen (Partner-Postkartenaktion), das gilt insbesondere für Handelsanzeigen mit Beteiligten aus verschiedenen Branchen, die also nicht direkt konkurrieren, sich aber ergänzen können. Beihefter: bezeichnet fertig anzuliefernde Prospekte, die in der Regel in die Heftmitte eingearbeitet werden. Printpromotion: bezeichnet einen Beihefter, bei dem der Prospekt ein kleineres Format hat als die Anzeige. Beilagen: Blätter, Karten oder Prospekte, die Zeitschriften lose beigefügt werden. Sonderfarben: neben dem üblichen Vierfarbdruck besteht die Möglichkeit, bei entsprechend höheren Kosten, Sonderfarben einzusetzen. Bestimmte Farbtöne (z.B. Orange) sind aus dem Vierfarbdruck nur schwer zu erzielen. Wenn eine solche Farbe wichtig ist, z.B. als Markenfarbe, empfiehlt sich diese Farbe als Zusatzfarbe. Gleiches gilt für Metallfarben oder Leuchtfarben. Prospektanzeigen: Anzeigen, denen ein mehrseitiger Prospekt beigeheftet wird. Warenproben: sind gleichfalls eine Ergänzung zu üblichen Anzeigen. Viele Produktproben eignen sich dazu, in Zeitschriften eingearbeitet zu werden. Parfums, Haarspülungen, Haushaltsschwämme (gepreßt auf Papierstärke, die bei Nässe wieder zum üblichen Schwammformat aufquellen), Stoffe, Cremes, u.v.m. eignen sich als Warenproben. Man kann Duftproben auch direkt auf die bedruckte Anzeige aufbringen. Durch leichtes Reiben mit den Fingerspitzen entfaltet sich der Duft. Anzeigen-Split: bezeichnet als regionaler Split die Belegung einer Zeitschrift, bei der jedoch in verschiedenen Teilausgaben unterschiedliche Motive geschaltet werden. Diese Vorgehensweise ist national bei regionalen werblich unterstützten Testmärkten denkbar oder bei internationalen Zeitschriften z.B. innerhalb Europas, in verschiedenen Länderausgaben. Derartige Vorgehensweisen werden vermutlich innerhalb der EU an Bedeutung zunehmen, da sich die Werbepraxis inzwischen dem unheilvollen Gespenst der Globalisierung von Werbeaussagen über Kulturen und Nationalitäten hinweg zu einem großen Teil abgewandt hat. Außerdem kennen wir den mechanischen Split, bei dem drucktechnisch in einer Ausgabe unterschiedliche Motive dargestellt werden. Teilbelegungen: sind Belegungen eines Teils der Gesamtauflage einer Zeitschrift, bei nationalen Titeln z.B. nach Nielsengebieten oder bei internationalen Zeitschriften nach Länderausgaben. Wichtige Gestaltungselemente für Anzeigen sind:
4.2 Werbung
• • •
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Bild („Artwork“), Überschrift („Headline“ ggf. als „Subline“), Textteil („Copy“).
Man geht davon aus, daß Bilder bevorzugt wahrgenommen und verarbeitet werden, gefolgt von Über- und Unterschriften, an letzter Stelle steht der übrige Text. Im Zweifel ist davon auszugehen, daß Bilder und „Head-/Subline“ dazu in der Lage sein müssen, die zentrale Botschaft zu kommunizieren. „Headlines“ werden besser unter dem Bild positioniert. Texte werden dann häufiger erfaßt, wenn sie unter oder rechts neben dem Bild stehen. Die Marke, der Absender oder ein zusätzlicher Slogan werden häufig unten rechts angebracht, da man vermutet, daß der „letzte Blick“ möglicherweise beim Umblättern noch einmal darauf fällt und daß dieser letzte Eindruck ebenfalls haften bleibt. Man kann somit zunächst als „natürliche“ Betrachtungsreihenfolge annehmen: • Artwork/Bild, • „Headline“, besser „Subline“, • „Copy“, • Absender/Marke. Daraus ergibt sich für den vertikalen Anzeigenaufbau diese klassische Reihenfolge. Abbildung 4-17 stellt die in dieser Hinsicht aufgebaute Anzeigenstruktur dar. 1
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3
3
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1 = Headline
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2 = Artwork 3 = Copy Text
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4 = Logo Produktabbildung 5 = Baseline
Abbildung 4-17: Typische Elemente im Anzeigenaufbau
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4. Das Kommunikations-Programm
Abbildung 4-18: Anzeige mit den Elementen eines „typischen“ Anzeigenaufbaus.
4.2 Werbung
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Abbildung 4-18 zeigt alle Elemente eintes „typischen Anzeigenaufbaus“. Diese Anzeige ist durch die „übliche“ Darstellung eines weiblichen Gesichtes aber möglicherweise nicht eigenständig genug gestaltet. Dazu kommt, daß der umfangreiche Text möglicherweise nicht wahrgenommen wird. Die Anzeige setzt eigentlich voraus, daß die Marke Priorin als Mittel für „Gesundes Wachstum der Haare“ bekannt ist. Mangelnde emotionale Darstellung, hoher Lesebedarf, keineswegs ungewöhnliche Darstellung sprechen eher für eine nicht ausreichend hohe Durchsetzungskraft. Genau hierin liegt ein Problem de Werbegestaltung. Es gibt scheinbar bestimmte Gesetze der Wahrnehmung von Werbung, an denen die Gestaltung auszurichten sei. Wenn jedoch zu viel Gestaltungen daran ausgerichtet werden, ist austauschbare Gestaltung die Konsequenz Andererseits läßt sich der Blickverlauf durch Blickfänge innerhalb einer Anzeige auch gezielt verändern. Stark ansprechende „Headlines“ können durchaus auch vor dem Blick Beachtung finden. Man sollte daher nicht unbedingt an der Annahme eines natürlichen Blickverlaufes festhalten. Bolen (1984, S. 209) beschreibt alleine 10 typische Möglichkeiten (vgl. Abbildung 4-19).
Abbildung 4-19: Typische Blickverläufe nach Bolen (1984, S. 209) Diese mögliche Vielfalt spricht in starkem Maße dafür, den tatsächlichen Blickverlauf im konkreten Fall in Form eines Pretests zu erfassen.
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4. Das Kommunikations-Programm
Auch die übliche Annahme, daß eine Anzeige lediglich wenige Sekunden lang fixiert wird, ist nicht grundsätzlich gültig. Eine „Copy“ setzt allerdings eine „Headline“ voraus, die in starkem Maße ein Informationsbedürfnis weckt und den potentiellen Leser zum Weiterlesen motiviert. Dazu dient auch die persönliche Ansprache in der „Headline“. Außerdem muß die „Copy“ in so einem Fall graphisch so gestaltet sein, daß sie leicht lesbar ist. Da Anzeigen zunächst auf jeden Fall nur oberflächlich beachtet werden, ist es notwendig, den Produktnutzen bzw. die zentrale Botschaft in den Mittelpunkt zu stellen. Diese müssen auf den ersten Blick erkennbar sein, um überhaupt die notwendige Aufmerksamkeit zu wecken. Das bedeutet, daß die zentrale Botschaft besonders aktivierend gestaltet sein muß. Sie muß auf wichtige Bedürfnisse des Betrachters abgestimmt sein. Die zweite Möglichkeit besteht darin, das Problem in den Mittelpunkt einer aufmerksamkeitsstarken „Headline“ zu stellen. Das kann Interesse wecken und somit sogar zum Lesen einer längeren „Copy“ veranlassen. Wenn wir infolge zu erwartender kurzer Betrachtungsdauer normalerweise davon ausgehen müssen, daß nur wenige Informationen vom Betrachter wahrgenommen und verarbeitet werden, muß sich der Inhalt einer Anzeige auf die wesentlichsten Aussagen konzentrieren. Je weniger zusätzliche Elemente in einer Botschaft enthalten sind, um so prägnanter wird die Darstellung und Verarbeitung der eigentlichen Aussage. Das bedeutet, wir müssen durch Plazierung, Farbigkeit, Einsatz von Bildern und gegebenenfalls Hervorhebung im Text in Verbindung mit emotionaler Ansprache dafür sorgen, daß die für die Werbebotschaft wichtigsten Elemente bevorzugt wahrgenommen und erinnert werden. Bei Anzeigen mit großem Textteil sollte das gewünschte Leseverhalten immer in einem Test überprüft werden. Text bezieht sich immer auf zwei Bereiche, nämlich einmal auf die Überschrift und zum anderen auf den längeren Werbetext (die sogenannte „Copy“). Wir können davon ausgehen, daß Überschriften in Anzeigen eher wahrgenommen werden als der Text. Da das zuerst Wahrgenommene die Verarbeitung des Folgenden in starkem Maße bestimmt, könnte die Aussage eines Praktikers zutreffen: „The headline is the most important element in most advertisements“ (Dunn & Barban, 1986, S. 453). Dem Text kommt häufig lediglich die Funktion der Erläuterung der Überschrift oder des Bildteiles zu. Die erste Aufgabe der Überschrift ist es, Aufmerksamkeit zu wecken. Dies gelingt durch Dialektik (Argumentation), durch die Ansprache von Bedürfnissen der Zielgruppe, durch Weckung von Interesse, Weckung von Informationsbedürfnissen, möglicherweise durch persönliche Ansprache der Zielgruppe oder auch durch witzige Aussagen. Aufgrund der oberflächlichen zunächst desinteressierten Betrachtungen von Anzeigen empfehlen sich Rätselüberschriften (das sind Überschriften, die nicht sofort, sondern erst nach Beschäftigung mit dem Copy-Text klar verständlich sind.) nicht. Nur in wenigen Fällen werden sie die Wirkung erzielen, wonach die Betrachter sich aufgrund des Rätsels oder der Fragestellung in der Überschrift mit dem Inhalt der Anzeige in-
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tensiver beschäftigen. Auf jeden Fall sollte der Versuch, durch derartige Überschriften die Aufmerksamkeit auf das folgende zu lenken, in einem WerbemittelPretest getestet werden. Die Überschrift sollte kurz genug sein, um auf den ersten Blick verstanden zu werden, sie sollte mit den Bildelementen in Einklang stehen. Der gelegentliche Versuch, durch öffentliche Widersprüche zwischen Bild und Überschrift Aufmerksamkeit zu wecken, erweist sich in der Regel als fragwürdig. Wir kennen folgende Eigenschaften effektiver Überschriften (ebenda, S. 467): • • • • • • •
Aufmerksamkeit stärken, Lesbarkeit, Verständnis – auch bei oberflächlicher Betrachtung, Bedürfnissprache bzw. Versprechen einer Bedürfnisbefriedigung, sorgfältige Auswahl der Worte hinsichtlich Signalwert/Symbolwert, auf einen Blick verständlich, Einzigartigkeit und Nichtaustauschbarkeit, im Einklang mit allen andern Gestaltungselementen befindlich.
Für Zeitungen gibt es einige Besonderheiten, denn die Situation für Anzeigen in Zeitungen unterscheidet sich etwas von der in Zeitschriften. Wir haben ein völlig anderes Umfeld vorliegen, die Leser erwarten bestimmte Informationen. Farbigkeit beeinflußt die Aufmerksamkeit scheinbar weniger als in Publikumszeitschriften. Das gilt vermutlich nur solange, wie das Erscheinungsbild der Tageszeitung und anderer Zeitungen sich gegenüber dem derzeit in der BRD üblichen Erscheinungsbild nicht wesentlich verändert. In einer Tageszeitung wie USA TODAY hat diese Aussage keine Berechtigung. Bei einer Formatsteigerung in Zeitungen steigt die allgemeine Anzeigenbetrachtung unterproportional. Auch die Textbeachtung ist von der Anzeigengröße nicht in starkem Maße abhängig. Farbigkeit in Zeitungen bringt ebenfalls lediglich einen geringen Zuwachs an Beachtungswerten. Unterschieden werden muß zwischen Markenartikel- und Einzelhandelsanzeigen. Einzelhandelsanzeigen erzielen in regionalen Abonnementzeitungen wesentlich bessere Werte hinsichtlich aller Beachtungsmaßstäbe als Markenartikelwerbung und sind für Markenartikelwerbung kaum geeignet. Auch Zeitungen erlauben einige zusätzliche Insertionsmöglichkeiten. Zunächst bestehen verschiedene Möglichkeiten hinsichtlich Format und Plazierungen; wir unterscheiden: Textteilanzeigen sind Anzeigen, die an drei Seiten mit redaktionellem Text umgeben sind und so die Wahrnehmungswahrscheinlichkeit steigern.
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4. Das Kommunikations-Programm
Blatthohe Anzeigen gehen über das gesamte Seitenformat und sind an einer Seite durch redaktionellen Text begrenzt. Die Größe der Anzeige und die Nähe des redaktionellen Textes erhöhen ebenfalls die Wahrnehmungswahrscheinlichkeit. Anzeigen im Querformat sind ebenfalls nur an einer Seite von redaktionellem Text begrenzt. Sie unterscheiden sich von der Blatthohen Anzeige nur durch das Querformat. Eck-Anzeigen gleichen den Textteilanzeigen, sind jedoch nur an zwei Seiten mit redaktionellem Text umgeben. Panorama-Anzeigen versuchen lediglich durch Größe die Aufmerksamkeit zu steigern. Es handelt sich um doppelseitige Anzeigen, die über den Rand gehen. Hinsichtlich der Farbqualität gibt es angesichts moderner Druckverfahren heute auch in Tageszeitungen keine Probleme mehr. Schließlich sind auch bei Zeitungen Prospektbeilagen in starkem Maße üblich.
4.2.5.2 Fernsehwerbung 4.2.5.2.1 Konzeption der Fernsehwerbung Die Gestaltung und Konzeption der Fernsehwerbung ist in besonderem Maße an zwei Aspekte zu orientieren. Einmal gilt es, das Desinteresse des Fernsehpublikums zu überwinden, das dieses der Werbung im allgemeinen entgegenbringt und möglicherweise auch mit anderen Dingen beschäftigt ist, während das Werbefernsehen läuft. Außerdem sind die Besonderheiten fernsehgerechter Werbung zu berücksichtigen. Ein 7 bis 60 Sekunden (das ist der Rahmen üblicher TVWerbefilme, die meisten weisen eine Dauer von 20 Sekunden auf) dauernder TVWerbefilm verlangt einen genaueren Zeitplan als jeder Kurzfilm. Das führt dazu, daß TV-Werbung häufig nicht in Zeiteinheiten geplant wird, man zählt die Anzahl der Bilder pro Szene (25 Bilder pro Sekunde). TV-Werbung ermöglicht es allerdings auch, Details oder scheinbare Nebensächlichkeiten in den Mittelpunkt zu stellen. Ein einziges „sprödes Haar“ kann dramatischer wirken als eine unschöne Frisur. Details groß herauszustellen, kleine Produkte zum „TV-Helden“ zu machen, ist eine der Möglichkeiten ungewöhnlicher und damit eigenständiger TVWerbung. Ausgangspunkt jeder guten TV-Werbung ist eine fernsehgerechte Idee. Es kommt nicht nur darauf an, etwas sachlich richtig zu gestalten und in die richtige Bild- und Tonabfolge zu bringen, sondern darauf, die Botschaft fernsehgerecht zu kommunizieren. Dabei sollte man sich möglichst auf eine einzige Idee pro TV-Werbefilm
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konzentrieren. Es gibt eine Reihe von TV-Werbefilmen, die durch zu viele Ideen überladen sind, kaum einen, in dem zu wenig geschieht. Die Konzentration auf eine wichtige und zentrale Botschaft bringt wesentlich mehr. Viel wichtiger als eine Reihe von Informationen ist die fernsehgerechte Umsetzung. So wird beispielsweise aus der sachlich richtigen Aussage: „Dolormin extra wirkt sehr schnell“ die TV-Umsetzung: „Schnelligkeit ist unsere Stärke“ Aus einer „exzellenten Baufinanzierung“ wird die Umsetzung: „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause“ Die Fahrt eines Autos auf einer Skischanze hinauf (!) bleibt besser im Gedächtnis haften als jede noch so überzeugende und glaubwürdige Erklärung von Motorleistungen. Gute TV-Umsetzungen können zu geradezu sprichwörtlichen Redensarten werden (entsprechendes Budget vorausgesetzt). Aus der „Geschichte der Werbung kennen wir: „Alle reden vom Wetter, wir nicht.“ „Und läuft und läuft und läuft.“ „Wer wird denn gleich an die Decke gehen, greife lieber zur HB.“ (letzteres, als Zigarettenwerbung im Fernsehen noch erlaubt war) „Haribo macht Kinder froh – und Erwachsene ebenso“ (bis heute aktuell). Andere TV-gerechte Ideen waren die „Erfindung“ der „MILKA-Kuh“ oder die direkte Übertragung eines Markensymbols in eine Werbefigur: der „Teddy“ von BÄRENMARKE. Aktuell (im Jahre 2004) bekannte TV-Slogans sind: „Wohnst Du noch oder lebst Du schon?“ (IKEA) „Nichts ist unmöglich“ (Toyota) „Manchmal muß es eben Mum sein“ „Heute ein König“ Erst eine originelle Idee bietet zudem die Möglichkeit einer wirklich eigenständigen Werbung. Werbung benötigt – wie bereits ausgeführt – ein hohes Maß an Konstanz. Originelle Werbung geht dem Zuschauer langfristig gesehen weniger auf die Nerven, sie kann zu erheblichem Sympathiegewinn führen. Werbung kann bis zu einem gewissen Maß sogar unterhaltend wirken, wird es in Zukunft immer mehr müssen. Zunehmende Programmvielfalt und die Möglichkeit des Umschaltens ohne Anstrengung (Fernbedienung) zwingen dazu, interessante Werbung zu kreieren. TV-Werbung ist also unbedingt ausgehend von einer TV-gerechten Idee zu gestalten. Hierin ist möglicherweise mehr Zeit und Kreativität zu investieren als in die
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ablaufende Bild- und Tonfolge. Fernsehen ist das vielfältigste Medium (neben dem Kino). Bewegte Bilder und gesprochenes oder gesungenes Wort machen den grundlegenden Teil aus. Fernsehwerbung kann aber noch mehr. Gute Fernsehwerbung vermittelt auch akustisch die gewünschte Sympathie und Atmosphäre. Gesundheit, Glück, Ruhe, Anerkennung, Sorge, Geschwindigkeit, Frische, praktisch alle Emotionen lassen sich in akustische Signale übertragen. Dem „Sound" in der Fernsehwerbung ist erhebliche Beachtung zu schenken. Akustische Signale können es sein, die überhaupt erst dazu führen, einen Werbefilm zu beachten, vom „Kreuzworträtsel aufzublicken“. „Nur eine akustisch ausgelöste Aktivierung bietet die Chance, potentielle Zuschauer in der Nähe des Fernsehens anzusprechen“ (von Keitz, 1983a, S. 344). Fernsehwerbung wird vielfach zunächst gar nicht gesehen, sondern gehört. Manche große Marke verdankt ihren Durchbruch auch der Akustik in der Fernsehwerbung. Im übrigen läßt sich derartige Fernsehwerbung besonders gut in die Funkwerbung übertragen. Dramaturgisch scheinen die ersten und letzten Sekunden von besonderer Bedeutung. Der Anfang ist wichtig, weil es hier darum geht, das notwendige Interesse zu wecken. Der (potentielle) Betrachter muß sich persönlich angesprochen fühlen, ja, er sollte das Gefühl haben, etwas verpassen zu können. Der Schluß kann einen letzten Eindruck vermitteln, der im Gedächtnis verbleibt. Während des gesamten TV-Films muß das Interesse immer wieder neu geweckt werden. Durch gezielte Ansprache verschiedener Emotionen kann die Aufmerksamkeit zeitweilig (punktuell) immer wieder neu entfacht werden. Dazu sind geeignet: • • • • • • •
überraschende ungewöhnliche Darstellung, Szenenwechsel (auch in rascher Folge), akustische Signale, Humor, Erotik, Kinder und Tiere (vgl. auch von Keitz, 1983b, S. 29).
Zu beachten ist, daß die Aufmerksamkeit wechselnder Elemente nicht zum Selbstzweck wird und dabei die eigentliche Botschaft untergeht. Die Botschaft selber bedarf am stärksten einer die Aufmerksamkeit fördernde Gestaltung. Aus den Untersuchungen, die von Keitz (1983b) durchführt, lassen sich folgende Gestaltungsansätze ableiten: Je stärker bestimmte Elemente in einem TV-Werbefilm Aktivierung auslösen, d.h. Aufmerksamkeit auf sich ziehen, um so besser ist die eintretende Erinnerungsleistung. Diejenigen Elemente lösen nun die stärkste Aktivierung aus, die besonders
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intensiv und emotionsbeladen sind. Ein Film wird insgesamt besser erinnert, wenn er mit einem überdurchschnittlich aktivierenden Reiz beginnt, das wirkt sich auf das Lernen der folgenden Aussagen aus. Außerdem kann empirisch bestätigt werden, daß die Integration der aktivierenden Elemente die Lernleistung positiv beeinflußt. Je besser die aktivierenden Elemente in die zu lernende Botschaft integriert sind, um so besser ist die eintretende Lernleistung. Weiter ist zu beachten, daß der Betrachter den Film nicht „zurückdrehen kann“. Eine nicht richtig verstandene Aussage ist nicht wiederholbar, eine nicht aufmerksam genug verfolgte Szene ist unwiederbringbar verloren – bis zur nächsten Ausstrahlung. Das Aufkommen privater Fernsehanstalten hat die Vielfalt der TV-Werbung erweitert. TV-Werbung kann programmgerecht gestaltet werden, kann in bestehende Programme integriert werden. Dazu kommt die Möglichkeit, ganze Programmteile zu sponsern.
4.2.5.2.2 Die Entstehung der Fernsehwerbung Wie bereits ausgeführt, steht am Beginn die Idee. Direkt daraus läßt sich die erste Stufe im Entstehungsprozeß TV-Werbung ableiten. Das Exposé beschreibt den späteren Handlungsablauf in einem TV-Film, ohne dabei auf einzelne Szenen oder Satzfolgen einzugehen. Im anschließenden „Treatment“ wird der Film in einzelne Szenen gegliedert. Jede Szene wird in Ton und Bild beschrieben. Die vollständige Beschreibung des Werbefilms erfolgt im anschließenden Drehbuch. Dabei wird nicht nur jede Szene beschrieben, sondern jede Kameraeinstellung detailliert festgelegt. Beim Drehbuch wird nicht nur jede Szene, sondern jedes Detail in Bild und Ton beschrieben, das später zu sehen bzw. hören sein soll. Da die spätere Produktion (der „Dreh“) erhebliche Vorbereitungen verlangt, ist dem Drehbuch entsprechend große Aufmerksamkeit zu schenken. Das Drehbuch entscheidet im Grunde genommen über Erfolg und Mißerfolg des späteren Werbefilms. Natürlich gilt das nur unter der Voraussetzung, daß in den späteren Phasen keine Fehler mehr gemacht werden. Die Wahrscheinlichkeit dafür sinkt jedoch mit einem guten Drehbuch. Andererseits kann ein schlechtes oder auch nur durchschnittliches Drehbuch durch noch so gute Folgearbeiten kaum mehr ausgeglichen werden. Oft werden TV-Ideen, die von Agenturen präsentiert werden, von deren Kunden, dem Marketing-Management mißverstanden. 1 1
Weitere mögliche Präsentationsformen, um dieses Problem zu lösen, ist der sogenannte Layoutfilm, den es in unterschiedlichen Formen gibt: Animatic (gezeichnete Bilder), Fotomatic (fotografierte Bilder),
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Die Präsentation der Fernsehvorschläge durch die Agentur erfolgt beim Kunden meistens durch „Storyboards“. Das „Storyboard“ ist ein Instrument, um den Agenturkunden das Drehbuch anschaulich zu erläutern. Dieser Phase muß die Agentur meistens erhebliche Aufmerksamkeit schenken. Die Kunden der Agentur haben in aller Regel erheblich weniger TV-Erfahrung als diese, sie sind häufig inkompetent. Während es schon gewisse Schwierigkeiten bereiten mag, Anzeigenentwürfe in später gedruckte Anzeigen gedanklich zu übertragen, so ist das Problem bei TV noch gravierender. In Ergänzung zum Drehbuch ist jetzt jede Szene als Zeichnung oder „Layout-Foto“ dargestellt. Die gedankliche Umsetzung einer Reihe von Standbildern in einem Film verlangt Erfahrung. Die Agentur muß daher die Erklärung dieses Entwurfes kundengerecht planen und gestalten. Niemals sollten „Storyboards“ beim Kunden ohne Erläuterung durch die Agentur verabschiedet werden. Dem Marketing-Management fehlt in aller Regel die TV-Erfahrung, um sich aus einer Reihe von Bildern einne TV-Spot vorstellen zu können. Ein wesentliches Problem für das Verständnis der Betrachter von „Storyboards“ besteht darin, daß es eben doch nur ein Hilfsmittel ist und noch nicht den fertigen Film darstellen kann, und daß ein späterer Regisseur trotz aller erdenklicher Vorarbeit noch kreativen Freiraum benötigt. Es gibt verschiedene Techniken (Bekmeier, 1989, S. 56 f.; Dunn & Barban, 1986, S. 495 ff) der Umsetzung von TV-Ideen in der Werbung. Wir wollen nun einige spezifische Gestaltungsaspekte ansprechen: • „Slice-of-life“-Technik; darunter wird eine „Geschichte“ aus dem wahren Leben verstanden. Denkbar sind Familienszenen, Dialoge zwischen Freunden, Bekannten usw. • Präsenter-Technik; darunter versteht man die Präsentation von Produkten durch bekannte Schauspieler oder andere Persönlichkeiten. • Testimonial-Werbung; darunter versteht man scheinbar mit Konsumenten durchgeführte Interviews, bei denen diese meistens zu einem Produkttest überredet werden. • „Produktdemonstration“; hierbei wird die Leistungsstärke des Produktes an „Problembereichen“ demonstriert. Wir kennen derartige Werbetechniken insbesondere aus dem Bereich der Haushaltsreinigung. • Dialogwerbung; darin versteht man eine Produktdarbietung in glaubhaften Gesprächen. -
Lifematic (Rohversion des Spots mit bewegten Bildern).
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• Jingle-Werbung; hierbei spielen einprägsame Musikstücke eine besondere Rolle im Rahmen der Werbung. Slogans werden in Musikform dargeboten. • Zeichentrick-Werbung; kann Kindheitserlebnisse oder Kinder direkt ansprechen. Zeichnerische Freiräume können mehr Kreativität entfalten als ein an der Realität ausgerichtetet Film. • Dramatisierung von Produktleistungen oder anderer Aussagen der Werbung werden in bewußt überzogener Weise dargestellt. Diese Werbung versteht sich von vornherein als „Kunst der Übertreibung“. Eine klassische Vorgehensweise bei der Gestaltung des TV-Spots besteht beispielsweise aus folgender Reihenfolge (Busch, Dögl & Unger, 2001, S. 401 f.): a) Darstellung eines Problems (schmutzige Wäsche), möglicherweise in Verbindung mit einem ungeeigneten Produkt; b) Auftauchen der Problemlösung in Form des „richtigen Produktes“; c) Demonstration der Problemlösung (die Wäsche ist sauber); d) anschließend, am Schluß, erfolgt die soziale Belohnung durch Zeigen zufriedener, glücklicher Menschen, möglicherweise Anerkennung der Hauptdarsteller im Spot, die das richtige Produkt verwenden (Modell-Lernen). Nach Verabschiedung eines Agenturvorschlages wird die Agentur beauftragt, eine Produktionsfirma auszuwählen; in aller Regel werden von einigen Firmen Kostenvoranschläge eingeholt. Problematisch ist es allerdings, die Auswahl ausschließlich anhand der Kostenvoranschläge zu treffen. Es mag durchaus möglich sein, den gleichen TV-Film einmal für 190.000,-- Euro und einmal für 220.000,-- Euro produziert zu bekommen. Die Unterschiede wirken sich jedoch meistens direkt auf die Qualität aus. Wer an den Produktionskosten sparen will, der spart wahrscheinlich an völlig falscher Stelle. Eine einzige Schaltung weniger in den TV-Sendern erspart oft mehr als die zusätzlichen Produktionskosten. Es ist besser, in allen Sendern lediglich 49mal zu schalten, in einer hervorragenden TV-Version, als 50mal in mittelmäßiger Qualität. Daher sollten auf jeden Fall auch Empfehlungen der Agentur berücksichtigt werden. Zudem ist es durchaus möglich, daß eine Produktionsfirma das Drehbuch oder „Storyboard“ nicht richtig nachvollzogen hat und so zu einem günstigeren Angebot gekommen ist. Es hat keinen Zweck, diese Firma auf das günstige Angebot hin zu binden. Natürlich wird der Film dann entsprechend „kostengünstiger“ gedreht, bei entsprechendem Qualitätsverlust. Die erforderliche künstlerische Qualität läßt sich schließlich nicht per „Mängelrüge“ durchsetzen. Auch „Dumpingpreise“ nicht ausgelasteter Produktionsfirmen sind aus gleichen Gründen nicht unbedingt empfehlenswert.
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Nach Auswahl der Produktionsfirma steht das sogenannte „Pre-ProductionMeeting“ (PPM) an. Das ist die entscheidende Vorbesprechung zwischen Werbeagentur, Agenturkunden und dem Regisseur der nun ausgewählten Produktionsfirma. An diesem Gespräch nehmen von Agenturseite in der Regel die Etatdirektion und Personen aus dem Bereich der Agenturkundenberatung teil, seitens der Agenturkunden diejenigen Instanzen, die später den Werbefilm zu verantworten haben, also normalerweise Produktmanagement und Marketingleitung. Anläßlich des PPM werden sämtliche Details für den Werbefilm festgelegt; Kleidung, Requisiten, gewünschte Schauspielertypen, die sogenannte „Location“ (das sind die Räumlichkeiten oder bei Außenaufnahmen das Umfeld). Sämtliche Kamerafahrten und –einstellungen werden jetzt festgelegt, da diese bei den späteren Vorbereitungen zu berücksichtigen und nicht kurzfristig veränderbar sind. In dieser Phase kann der Regisseur durchaus noch Verbesserungsvorschläge am „Storyboard“ einbringen, die gegebenenfalls berücksichtigt werden. Es wird jede einzelne Szene in allen Einzelheiten durchgesprochen. Im PPM fällt die Entscheidung darüber, ob es der Produktionsfirma gelingt, den Werbefilm so umzusetzen, wie es Agentur und Kunde erwarten. In der folgenden Phase wird die Besetzung mit Schauspielern festgelegt, das sogenannte „Casting“. Die Glaubwürdigkeit jedes Werbefilms wird entscheidend durch die Auswahl der richtigen Schauspieler geprägt. Technisch ist die richtige Vorgehensweise die, zunächst die Produktionsfirma und Schauspieler, die in die engere Wahl kommen, auszuwählen und mit diesen jeweils eine Schlüsselszene aufzunehmen. Dabei läßt man bereits bestimmte Schauspieler gemeinsam auftreten, die später auch im Film gemeinsam in Erscheinung treten sollen (Mutter und Tochter müssen zueinander passen). Anhand des Probefilms ergeht die Entscheidung über die endgültige Auswahl. Der Probefilm wird gemeinsam zwischen Agentur, Kunden und Regisseur besprochen, und die Schauspieler werden dabei ausgewählt. Wer über genügend Erfahrung bei der Schauspielerauswahl verfügt, kann gegebenenfalls auch einmal auf ein vorhandenes, für ein anderes Produkt produziertes „Casting“ zurückgreifen. Wichtig ist, daß in die Auswahlentscheidung auch die Erfahrungen des Regisseurs einfließen. Entscheidend ist, daß die gewählten Schauspieler später den Zuschauern gefallen müssen, nicht den Experten aus der Werbung oder dem Marketing-Management. Die Beurteilung von Menschen durch Menschen ist außerordentlich schwer zu prognostizieren. Es erscheint daher notwendig, in die Auswahlentscheidung auch einen Konsumententest einfließen zu lassen. Dazu ist dann allerdings auf jeden Fall die Erstellung eines eigenen „Castings“ notwendig. Zeitaufwand und Kosten für „Casting“ und Test stehen jedoch in außerordentlich engem Verhältnis zu dem Nutzen, den ein besserer TV-Werbefilm bringt bzw. zu der schwächeren Werbewirkung, die aus einem weniger guten TV-Werbefilm resultiert.
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Die Produktion selber ist im wesentlichen eine Angelegenheit zwischen Werbeagentur und Produktionsfirma. Dennoch sind wir der Ansicht (im Gegensatz zu Fechler, 1982, S. 1365), daß auch das Management des Kunden beim Dreh anwesend sein sollte. Das verlangt allerdings erhebliche Selbstdisziplin. In der Tat versuchen zu viele Marketingmanager „ihren Film“ zu produzieren, statt sich während des Drehs mit Kommentaren und Anweisungen vollständig zurückzuhalten (hier stimmen wir mit Fechler überein). Andererseits kann ein einziger guter Tip an die Agentur (der Regisseur ist für den Kunden tabu), den diese, falls sie zustimmt, an den Regisseur weitergibt, die Anwesenheit rechtfertigen. Trotz aller Vorbereitungen kann manchmal eine Selbstverständlichkeit (aus Kundensicht) vergessen werden, vielleicht gerade, weil ein bestimmter Aspekt trivial erschien. Ein „geplatzter Dreh“ kostet nicht nur Geld. Es ist vor allen Dingen dann häufig nicht mehr möglich, einen freien Termin bei guten Produktionsfirmen so rechtzeitig zu bekommen, daß der Film dem Sender rechtzeitig zukommen kann. Im Anschluß an den Drehtermin erfolgt der Zusammenschnitt des Filmmaterials zum endgültigen Werbefilm, wobei, wie bereits erwähnt, die einzelnen Szenen nach Anzahl von Bildern bemessen werden. Trickaufnahmen werden häufig getrennt produziert, zunehmend elektronisch erstellt. Nach Abschluß der Filmarbeiten erfolgt die Vertonung, der Werbefilm bekommt den gewünschten „Sound". Sprachaufnahmen erfolgen in den allermeisten Fällen mit anderen Sprechern. Fast alle Werbefilme sind heute synchronisiert. Damit ist die Produktion des TV-Films abgeschlossen. Nach erfolgter Verabschiedung beim Auftraggeber kann der Pretest durchgeführt werden. Die Produktion von Werbefilmen für Kinowerbung erfolgt analog. Zu berücksichtigen ist lediglich die mögliche Zeit. Für die Kinowerbung können wesentlich längere Werbefilme eingesetzt werden. Das ermöglicht einen größeren künstlerischen Freiraum. Außerdem ist der Kontakt zum Werbefilm im Kino intensiver als bei Fernsehwerbung. Es kommt nicht in erster Linie darauf an, ein desinteressiertes Publikum aufmerksam zu machen; der Leinwand im Kino kann man sich praktisch nicht entziehen. Es kommt also darauf an, durch Kreativität und Einfallsreichtum zu überzeugen.
4.2.5.3 Funkwerbung Funkwerbung wird in der Regel in Form von 20 bis 30 Sekunden langen sogenannten Funkspots ausgestrahlt, die ähnlich wie beim Fernsehen zu Blöcken in den ARD-Sendern zusammengefaßt werden. Neben den üblichen Spots sind noch einige Sonderformen möglich. Neben den Werbeblöcken bieten einige ARD-Sender, sowie die privaten Anstalten ganze Werbesendungen in unterhaltender Form an, in die Funkwerbung eingebaut wird. Die einfachste Form der Werbung in diesen Sendungen stellt der sogenannte
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anmoderierte Spot dar, bei dem der Sprecher besonders auf die Werbung hinweist, vielleicht irgendeinen Bezug zur Sendung herstellend. In diesen speziellen Werbefunk-Sendungen werden die Spots häufig auch zwischen Musikteilen eingeblendet, sogenannten Tandem-Spots. Dabei werden 2 Spots, durch einen kurzen Musiktitel (2 bis 3 Minuten) getrennt, nacheinander geschaltet. Gestalterisch kann dabei der eine Spot auf den anderen aufbauen. Es ist wenig sinnvoll, dabei zweimal exakt den gleichen Spot zu senden. Ähnlich ist die Vorgehensweise bei Einsatz von Vor- und Hauptspot. Dabei hat der (meist kürzere) Vorspot die Funktion, auf den anschließenden Hauptspot aufmerksam zu machen. Aber auch die umgekehrte Vorgehensweise kann sich als sinnvoll herausstellen: Im Hauptspot wird das Produkt in üblicher Form angepriesen, nach einigen weiteren Werbespots anderer Marken folgt ein Kurzspot: „Sie wissen doch…….(und es folgt eine Kurzaussage zum vorangegangenen Hauptspot)“. Der Doppelspot, bestehend aus zwei identischen Spots, ist in den üblichen Werbeblöcken häufig. Dabei kann es sich als sinnvoll erweisen, den gleichen Spot zweimal zu schalten. Nach der ersten Ausstrahlung folgen 2 bis 3 andere Werbespots, dann wird der erste Spot wiederholt. Man kann erwarten, daß die Hinwendung zum Programm bei Sendungen, die Werbung im Rahmen von Unterhaltungen anbieten, wesentlich höher ist, als bei reinen Werbeblöcken. Daher wird der Doppelspot in reinen Werbeblöcken zur Steigerung der Wahrnehmung eingesetzt. Veser und Fahr (2002) können zeigen, daß Tandemspots sowohl besser beachtet als auch besser erinnert werden, als es bei Solospots der Fall ist, das gilt insbes. für ungestützte Erinnerung. Das bezieht sich jedoch nur auf die Erinnerung an den Spot insgesamt. Details werden bei Tandem- und Solospots gleichermaßen erinnert. Das gilt vermutlich für Funk- und TV-Werbung. Abschließend sei noch auf die Möglichkeit von Live-Durchsagen, „SalesPromotion“ in Verbindung mit Funkwerbung oder sogenannter Blockwerbung (Werbespots mehrerer Werbetreibender oder mehrerer Produkte in einem Werbeblock zusammengefaßt als eine Sendung) hingewiesen. Live-Durchsagen sind Kurzreportagen über besondere Aktivitäten („Sales-Promotion“ oder Verkaufsförderung), vorzugsweise in Verbrauchermärkten. Gewinnspiele oder Starauftritte können durch mehrere derartige Durchsagen unterstützt werden. Diese Art der Werbung setzt eine lokale Steuerung voraus und wird daher möglicherweise bei weiterer Verbreitung privater Funksender an Bedeutung zunehmen. Diese Sonderformen haben im wesentlichen die Funktion, sich von üblichen Standard-Formen abzuheben und dadurch zusätzliche Aufmerksamkeit zu erzielen. Bei der Konzeption der Funkwerbung ist in erster Linie die auf akustische Gestaltungsmöglichkeiten beschränkte Darbietungsform zu berücksichtigen. Aufgrund des zu erwartenden sehr flüchtigen Kontaktes mit der Werbung bedarf es bei der
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Konzeption einer wesentlichen Konzentration auf klanglich sehr intensiv wirkende Signale. Diese müssen prägnant herausgestellt werden. Zu viele Informationen führen dazu, daß die wesentlichen Aussagen überlagert werden. Beschränkung ist bei dem Medium Funk in ganz besonderem Maße notwendig. Neben der sachlichen Richtigkeit spielt die Anmutungsqualität in klanglicher Hinsicht eine wesentliche Rolle. Der „Sound“ wird zum entscheidenden, wesentlichen Erfolgsfaktor der Werbung. Die geringe Konzentration des Hörers bedarf einer häufigen Wiederholung. Damit die Botschaften auch vom Hörer identifiziert werden können, sind intensive Hinweisreize von wesentlicher Bedeutung: Erkennungsmelodien, bekannte Markenslogans und ähnliche Darbietungen erkennt der Hörer wieder, was zu erhöhter Wahrnehmung führen kann. Hinsichtlich des Aufbaus, der Dramaturgie des Spots, gibt es zwei klassische Vorgehensweisen: starke Hinweisreize zum Beginn des Spots, um die Aufmerksamkeit sofort und nachhaltig für die ganze Spotlänge zu fesseln. Dabei besteht dennoch die Gefahr, daß der Anfang nicht richtig vom Hörer wahrgenommen und/oder verstanden wird. Das kann durch häufige Wiederholung des gesamten Spots, wie auch durch Wiederholung wichtiger Inhalte und Aussagen innerhalb des Spots ausgeglichen werden. Die zweite dramaturgische Möglichkeit ist der spannungssteigernde Aufbau, der die zentrale Botschaft zuletzt präsentiert. Zum Aufbau von Spannung können sogenannte Spannungssteigerer eingesetzt werden wie Reizworte, aber auch Pausen, Stimmlagen, Tempoveränderungen, Lautstärke, Wortveränderungen, Musikeffekte. Wesentliche Gestaltungselemente für die Funkwerbung sind neben der Stimme alle denkbaren Geräuscheffekte und natürlich Musik und Melodien in jeder Form. Manche dieser Elemente unterliegen auch Modetendenzen in der Werbung. Gesang ist manchmal mehr oder weniger „in“. Gute Werbung ist sehr langfristig angelegt und emanzipiert sich von derartigen Erscheinungen. Eigenwillige Klangeffekte können die Identifizierung einer bestimmten Werbung durch den Hörer wesentlich erleichtern. Ein besonders beliebtes Gestaltungselement ist ein „Jingle“, in der ein Marken- oder Produktslogan gesungen wird. Einer der bekanntesten „Jingles“, die im Jahre 2004 ausgestrahlt wurden, betrifft Funk selber: „Eins gehört gehört, SWR 1“. Eine Alternative zum „Jingle“ ist auch der Einsatz von Instrumentalmusik. Man kann diese eigens kombinieren oder aber auch bekannte Melodien aus der Unterhaltungsbranche einsetzen. Hierbei ist genauestens zu überprüfen, ob die gewählte Melodie wirklich zum Produkt paßt. Wird einmal das eigene Produkt mit einer bekannten Melodie assoziiert, kann das selbstverständlich ein erheblicher Vorteil für die Gesamtwirkung sein. Aktuell sehr bekannt ist die Telekom-Werbung mit wenigen Klingeltönen, die jedoch sehr charakteristisch und eigenständig anzuhören sind.
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4. Das Kommunikations-Programm
Hinsichtlich der Entwicklung eines Funkspots weist Kaloff (1982) auf ein wesentliches Problem hin. Gerade die klangliche Anmutung eines Funkspots läßt sich im schriftlichen Entwurf niemals darstellen. Gestaltungstiefe geht daher häufig in den Entscheidungshierarchien der Werbetreibenden verloren, wenn diese ohne Hinzuziehung der kreativen Fachleute entscheiden. Häufig gelingt die optimale Gestaltung erst im Studio. Es ist für die Wirkung der Funkwerbung nicht entscheidend, ob eine Aussage sachlich richtig dargestellt wird, sondern ob sie glaubwürdig gestellt wird. Man kann die klangliche Anmutung eines Funkspots nicht danach beurteilen, ob die Aussagen sachlich der „Copy Strategy“ entsprechen, ob die Marke oft genug genannt wird, sondern danach, ob die verbalen und akustischen Signale stimmungsgemäß passen. Das kann man nur im Studio probieren, natürlich bei Einhaltung der strategischen Kommunikationsziele.
4.2.5.4 Plakatwerbung Das Plakat weist gewisse Parallelen zur Anzeigenwerbung auf, das gilt auf jeden Fall für die Präsentation durch die Agentur und die anschließende Produktion. Hinsichtlich der Konzeption gelten teilweise andere Regeln. Wenn man bei Anzeigen noch davon ausgehen kann, daß bei Intensivierung eines Informationsbedürfnisses auch komplexe Informationen transportierbar sind, so scheidet diese Möglichkeit bei der Plakatwerbung aus. Wir müssen auf jeden Fall von einem äußerst kurzen oder oberflächlichen Kontakt ausgehen. Das bedeutet, daß folgende Gestaltungsregeln einzuhalten sind: • extreme Prägnanz, höchste Verdichtung der Botschaft auf die wesentlichen Aussagen, • extreme Bevorzugung des Bildes als Kommunikationselement, • besonders kurze und klar verständliche „Headlines“, in diesem Fall sollte die „Headline“ eher im oberen Bereich zu finden sein, da dieser Bereich bei Plakaten eher wahrgenommen wird, • ein konstanter Absender, auch in Verbindung mit einer konstanten „Subline“ kann bei gegebenem Seriencharakter auch im unteren Bereich positioniert sein; wird eine Plakatserie prägnant genug gestaltet, so daß die Wiedererkennbarkeit gewährleistet ist, dann genügt es, wenn derartige konstante Elemente vom Betrachter gelegentlich wahrgenommen werden, • die „Copy“ verliert praktisch an Bedeutung,
4.2 Werbung
207
• ein plakatspezifisches Problem ist die produktionstechnisch bedingte Zusammensetzung des Plakates aus mehreren Einzelteilen. Das kann beim Plakatanschlag zu leichten Verschiebungen führen. Bestimmte Bildelemente, wie Augen und Mund von Personen, das Markensymbol oder ein anderes wichtiges Bildelement sollten nicht über Schnittstellen laufen. Auch Plakatwerbung lebt von Konstanz einerseits und Variation innerhalb des kommunikations-strategisch gegebenen Rahmens zur Vermeidung von Redundanz andererseits. Natürlich kann in einem konkreten Fall zur Vermittlung einer aktuell wichtigen Botschaft einmal ein einziges Plakat gestaltet und über einen bestimmten Zeitraum eingesetzt werden. Anlässe dazu können u. a. Einladungen zu einer Veranstaltung sein, aktuelle Probleme im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, die durch ein bestimmtes Ereignis aufgetreten sind, auf das jetzt mit Plakatkommunikation geantwortet wird, möglicherweise auch politische Kampagnen. Langfristige Kampagnen machen sich die Möglichkeit Serien zu gestalten zunutze. Besondere Bedeutung in der Außenwerbung haben beleuchtete Plakate errungen (City Light Poster – CLP). Diese sind zu allen Jahreszeiten gut wirksam und aufgrund der Standorte (häufig in den Verkaufszonen der Großstädte) für den Handel besonders geeignet. City Light Poster haben das Bild der Einkaufszonen in den letzten zehn Jahren grundlegend mitgestaltet.
4.3 Verkaufsförderung 4.3.1 Verkaufsförderung im Marketing-Mix 4.3.1.1 Definition und Stellenwert Ein einheitliches Verständnis darüber, was Verkaufsförderung (VKF) bedeutet, welchen Umfang und welche Aufgaben dazu gehören, sowie welche Aktivitäten und Maßnahmen darunter zu subsumieren sind, und ob es zu einer oder mehreren Instrumtengruppen des Marketing-Mix gehört, existiert derzeit nicht. Das Verständnis-Spektrum verdeutlichen die folgenden Definitionen: „Verkaufsförderung beinhaltet alle Maßnahmen der Unternehmung zur Unterstützung und Beeinflussung ihrer Absatzhelfer und Absatzmittler durch einen zielkonformen Einsatz der mit der Verkaufsförderung beauftragten Akquisiteure“ (Birkigt, 1983, S. 26). „Die Verkaufsförderung umfaßt alle Maßnahmen zur Unterstützung der Werbung, zur Unterstützung und Beeinflussung der Verkäufer des Unternehmens und der in den Vertriebsweg eingeschalteten Händler“ (Döppner, 1977, S. 38).
208
4. Das Kommunikations-Programm
„Verkaufsförderung ist die Summe aller Maßnahmen, die das Produkt/ Dienstleistung, etc. durch punktuelle Maßnahmen bzw. auch Aktionen beim Absatzorgan (eigener Außendienst), Absatzmittler (Handel) oder Endverbraucher über die Logistikkette zum Endverbraucher drückt (= „push-Strategie)“ (Großklaus, 1982, S. 16). Eine neuere Definition von Bruhn (2003b, S. 280) beschreibt Verkaufsförderung als die Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle meist zeitlich begrenzter Aktionen mit dem Ziel, auch bei nachgelagerten Vertriebsstufen durch zusätzliche Anreize die Kommunikationsziele des Unternehmens zu erreichen. In vielen Definitionen findet sich ähnlich wie bei Bruhn diese Charakterisierung als zeitlich eher kurzfristig und aktionistisch geprägt (Kotler & Bliemel, 2001, S. 988, Nieschlag, Dichtl & Hörschgen, 2002, S. 992). Ein umfassenderer Definitonsversuch stammt von Disch (1981, S. VIII): „Verkaufsförderung ist das planvolle Bemühen, die kommunikativen Vorgänge bei Verkäufern und Käufern im unmittelbaren Zusammenhang mit dem VerkaufsKauf-Prozeß zu beeinflussen. Dabei versteht sich Verkaufsförderung als ein Teil integrierter Kommunikationsarbeit und leistet einen Beitrag zur Erreichung gesetzter Kommunikations- und Marketingziele indem sie sowohl ad hoc (Aktionen) als auch permanent (strategische VKF) für eine Verkaufs-Kauf-Entscheidung stimulierende Beeinflussung eigener Verkaufsorgane, der Absatzmittler sowie der Verbraucher/Verwender sorgt. Verkaufsförderung also als Verkäufer-Förderung, als Abverkaufsförderung und als Kaufförderung.“ Verkaufsförderung läßt sich damit im wesentlichen durch folgende Tatbestände charakterisieren: • Im wesentlichen handelt es sich kommunikative Vorgänge, • Nähe zum Kauf/Verkaufs-Prozeß, • meist operativ angelegt, aber auch Maßnahmen mit längerfristigem Horizont (Cristofolini, 1989, S. 459, Geisthövel, 1981), • Hauptzielgruppen: Eigene Verkaufsorgane, Handel und Endverbraucher. Die Bedeutung der Verkaufsförderung gemessen an ihrem Anteil am gesamten Kommunikationsbudget ist beträchtlich und ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten deutlich angestiegen. Wir gehen von einer weiter zunehmenden Bedeutung dieses Instrumentes aus (Fuchs & Unger, 2003). In der Bundesrepublik Deutschland fließt circa ein Drittel des Kommunikationsbudgets in VKF-Aktivitäten, die anderen zwei Drittel werden für Absatzwerbung und Public Relations aufgewendet
4.3 Verkaufsförderung
209
(vgl. Pflaum, Eisenmann & Linxweiler, 2000, S. 24).2 In den Vereinigten Staaten ist das Verhältnis zwischen klassischer Werbung und Verkaufsförderung (Sales Promotion) gerade umgekehrt, hier werden für Sales Promotions-Aktivitäten weit über 60% ausgegeben (mit dem Schwerpunkt auf handelsbezogenen Maßnahmen) (vgl. Aaker, Batra & Myers, 1992, S.303). Aber auch in Deutschland gibt es Unternehmen, die ihre kommunikativen Aktivitäten auf die Verkausförderung fokussieren. Der Heidelberger SchreibgeräteHersteller Lamy wendet nur noch ein Drittel seines Kommunikationsbudgets für die klassische Werbung auf und zwei Drittel für die Verkaufsförderung. Das Unternehmen startet pro Jahr über 100 Aktionen mit sehr unterschiedlichem Umfang. Frey (1997, S. 13) sieht bereits jetzt für Deutschland eine Angleichung an diese amerikanischen Relationen zwischen klassischer Werbung und Verkaufsförderung. Zudem fließen nach Pflaum, Eisenmann und Linxweiler (2000, S. 24) die Mittel für das Verkaufsförderungsbudget nicht nur aus dem Kommunikationsetat sondern auch aus anderen Budgets wie z.B. aus den Vertriebsbudgets der Unternehmen. Trotz der gestiegenen Bedeutung der Verkaufsförderung sind nur in jedem fünften Unternehmen eigene Verkaufs-förderungsabteilungen etabliert worden; in den meisten Fällen wird dieses Aufgabenfeld entweder durch die Werbeabteilung oder das Produkt-Management mitbetreut (Frey & Beaumont-Bennett, 1993, S. 20). Die Gründe für den zunehmenden Stellenwert der Verkaufsförderung im Kommunikations-Mix sind u.a.: • Das verschlechterte Preis-Leistungsverhältnis in den klassischen Werbemedien: Eine Vielzahl von Angeboten wird mit immer größerem Aufwand in immer mehr Medien beworben; die Informationsüberflutung bei den Zielgruppen steigt an. • Der weitere Wandel von Verkäufermärkten zu Käufermärkten: Nicht zufällig fällt in Deutschland der erste spürbare Beginn der Verkaufsförderung in die späten 50er Jahre, als der Wandel immer unverkennbarer wurde. Daraus resultiert von seiten der Hersteller der Versuch einer zunehmenden Erweiterung der Absatzmaßnahmen, um weiter in die Nähe der Verbraucher vorzudringen. • Die Tendenz zur Angebotsdifferenzierung nimmt zu, entsprechend häufiger müssen die Neuheiten bei den eigenen Absatzorganen als auch beim Handel bekanntgemacht und promotet werden.
2
Eine genauere Festlegung ist schwierig, da wie bereits angedeutet, es nicht eindeutig festgelegt ist, welche Maßnahmen der Verkaufsförderung zuzurechnen sind. Manche Autoren subsumieren z.B. Direkt Marketing - Aktivitäten und Messen auch unter dieses Instrument.
210
4. Das Kommunikations-Programm
• Die zunehmende Bedeutung der Selbstbedienung: Daher können die Hersteller nicht mehr damit rechnen, daß die Händler und ihr Verkaufspersonal auf die Angebote hinweisen und über sie ínformieren, sondern sie müssen so weit als möglich diese Aufgabe selbst übernehmen. • Das wachsende Gewicht des Handels bzw. die Handelskonzentration. Der Handel ist aus der Rolle des Verteilers herausgewachsen und erhebt einen deutlichen Anspruch auf die Mitgestaltung des Marktes. Der Handel betreibt verstärkt ein dynamisches Handelsmarketing (z.B. Instore Marketing, Local-storeMarketing-Systeme). Daraus resultiert zunehmend die Notwendigkeit die herstellereigene Point-of-Sale-Strategie in das spezifische Handelsmarketing zu integrieren. Eine weitere Konsequenz ist zudem, daß die Hersteller immer stärker aufgefordert sind, individuellere Maßnahmen (Tailormades3) zu entwickeln. • Teilweise gesättigte und rückläufige Märkte. • Gestiegene Erwartungshaltungen der Kunden und verändertes Verbraucherverhalten schaffen multifraktionelle Märkte. Immer kleinere Marktsegmente können mit gezielten auf die Zielgruppen zugeschnittenen Verkaufsförderungsbzw. Direkt Marketing-Maßnahmen abgedeckt werden. Die bessere Planbarkeit und Effizienzgesichtspunkte spielen dabei eine wichtige Rolle (vgl. hierzu auch Frey & Beaumont -Bennett, 1993, S. 27). Diese veränderten Rahmenbedingungen haben dazu beigetragen, daß Instrumente entwickelt worden sind, welche die Schlagkraft der eigenen Verkaufsaktivitäten stärken sollen und am Point of Sale (POS) zu einer verbesserten Präsenz der eigenen Angebote führen sollen. Es gibt jedoch auch kritische Stimmen, die gegen eine Verschiebung der Budgetmittel zu Gunsten der Verkaufsförderung und zu Lasten der klassischen Werbung sprechen. Insbesondere Promotionaktionen, die mit Sonderpreis arbeiten, bewirken oft einen deutlichen Rückgang auf der Ertragsseite (vgl. Jones, 1991). Hamilton (1996) weist z.B. darauf hin, daß für Marktführer klassische Werbung oft sinnvoller ist als Preispromotions.
4.3.1.2 Verkaufsförderung im Marketing- und Kommunikations-Mix Klassischerweise wird das Instrument der Verkaufsförderung im Marketing-Mix der Kommunikationspolitik zugeordnet (vgl. z.B. Cristofolini & Thies, 1979, S. 42, Meffert, 2000, S.684, Nieschlag, Dichtl & Hörschgen, 2002, S. 992). Betrachtet man aber die unterschiedlichen Maßnahmen der Verkaufsförderung (z.B. Son3
Tailormades sind individuell auf den einzelnen Handelspartner zugeschnittene Aktivitäten.
4.3 Verkaufsförderung
211
derpreisaktionen, Probierpackungen, Anreizssysteme im Vertrieb oder Verpackungsgestaltung und Sondergrößen), so wird deutlich, daß Verkaufsförderung auch in andere Marketing-Mix-Bereiche hinreicht, wie das auch von Pflaum, Eisenmann und Linxweiler, (2000, S. 13 f.) dargestellt wird. Eine differenzierte Perspektive des Marketing-Mix haben Waterschoot & Van den Bulte (1992, S. 90) entwickelt. Sie unterscheiden bei den einzelnen Politikbereichen noch zwischen einem Basis-Mix und einem vollständigen Promotion-Mix (vgl. hierzu Abbildung 4-20 und Fuchs & Unger, 2003, S. 12 ff.). Gerade in diesem Promotion-Mix mit seinem kurzfristigen Ansatz finden sich viele Verkaufsförderungs-Maßnahmen. Marketing-
Produkt-
Preis-
Distributions-
Mix
Mix
Mix
Mix
Mix der Massenkommunikation
Mix der persönlichen Kommunikation
Mix der indirekten Kommunikation
z.B. TVWerbung, Mediastrategische Entscheidungen z.B. Plakate in den Märkten, CouponAnzeigen, DirectResponse TV
z.B. Wahl der Mitarbeiter im Vertrieb
z.B. Public Relations u. Pressekonferenzen
z.B. Aktionsschulungen des Außendienstes
z.B. Product PublicityAktionen
Basis-Mix
z.B. Marke, Qualität
z.B. Listenpreise, Preisdifferenzierung
z.B. Vertriebskanalentscheidung, Außendienstorganisation
PromotionMix
z.B. Sonderverpackungen
z.B. Sonderpreise
z.B. Außendienstwettbewerbe
Kommunikations-Mix
Abbildung 4-20: Klassifikation der Marketing-Funktionen nach van Waterschoot & Van der Bulte (1992) Aus Marketing-Sicht kann die Verkaufsförderung für unterschiedliche Zwecke eingesetzt werden, sie soll u.a. sorgen: • für eine Erweiterung der numerischen und gewichteten Distribution, • für die Erschließung neuer Vertriebskanäle, • für den verstärkten Ausbau von Zweitplazierungen und • für die Gewinnung neuer Kunden am Point of Sale (vgl. Bürger & Wilkes, 1985)
212
4. Das Kommunikations-Programm
• und generell dazu beitragen, eine positive persuasive Wirkung für das Angebot zu erzielen. Eine Studie belegt z.B., daß mehr als 70% aller Markenkaufentscheidungen am POS getroffen werden (Däuber, 1996). Im Rahmen des Kommunikations-Mix und einer ganzheitlichen Kommunikation soll die Verkaufsförderung zusammen mit den anderen KommunikationsInstrumenten durch ein adäquates Zusammenspiel synergetische Effekte auf die Zielgruppen ausüben. Dabei kann die Verkaufsförderung sowohl über das Angebot informieren als auch durch entsprechende Maßnahmen Interesse am Angebot wecken und zum Kauf motivieren. Dadurch, daß z.B. Maßnahmen am Point of Sale auch imagebeeinflussende Auswirkungen haben, trägt die Verkaufsförderung auch zum Image der Marke oder des Herstellers bei. Man kann somit, in Anlehnung an Koinecke & Großklaus (1985) sagen, die Hauptaufgaben der Verkaufsförderung liegen in einer verkaufsverstärkenden Wirkung - hier steht ein kurzfristiger Aspekt im Vordergrund - sowohl was das Hineinverkaufen als auch das Herausverkaufen in die nächste Stufe des Distributionskanal umfaßt, als auch gleichzeitig und längerfristig orientiert in einer imageforcierenden Wirkung. Die Abgrenzung der Verkaufsförderung von den anderen Instrumenten im Kommunikations-Mix ist nicht trennscharf, sondern fließend, und man kann nur tendenzielle Aufgabenschwerpunkte der einzelnen Instrumente im Vergleich mit der Verkaufsförderung feststellen. Aufgabenschwerpunkte von „Above the line“- Aktivitäten wie klassische Werbung und Öffentlichkeitsarbeit dienen der Etablierung des Images einer Marke. Viele „Below the line“-Aktivitäten wie Direkt Marketing und Verkaufsförderung dienen verstärkt dazu, einen zusätzlichen Impuls vor allem am Point of Sale für die Kaufentscheidung zu bieten (vgl. Frey, 1993, S. 591). Alle marktkommunikativen Instrumente dienen der Förderung des Absatzes und der Unterstützung der Verkaufsorgane, jedoch unterscheiden sie sich hinsichtlich ihres Aufgabencharakters. Vereinfacht formuliert kann man sagen: Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) dient primär dazu, ein positives Image für das Unternehmen zu erzielen. Aufbauend auf dieser Vorarbeit soll durch die Werbung ein positives Image für das Angebot geschaffen werden und durch die Verkaufsförderung am Verkaufs/Kaufsort ein letzter entscheidender Stimulus gesetzt werden. Eine unterstützende Funktion bietet die Verkaufsförderung durch Information, Schulung, und Motivation bei dem persönlichen Verkauf. In dieser Form versuchen Sales Promotions die Leistungsfähigkeit und Leistungsmotivation von Verkaufspersonal aufzubauen, zu erhalten und zu steigern.
4.3 Verkaufsförderung
213
4.3.2 Entscheidungsfelder im Verkaufsförderungsbereich Bevor auf die einzelnen Entscheidungsfelder eingegangen wird, sollen einige grundsätzliche Anforderungen an die Planung von Verkaufsförderungsaktionen dargestellt werden. Angemessenheit: Der Verkaufsförderungsplan muß den Zielen, Strategien und damit der spezifischen Ausgangslage des planenden Unternehmens angemessen sein. Eine Aktion, die z.B. eine über die Produktionskapazität hinausgehende Nachfrage initiiert, erfüllt nicht die Anforderung der Angemessenheit. Auch ist zu fragen, ob Aktionen zur Strategie, zum Image eines Unternehmens oder einer Marke passen. Vollständigkeit: Damit ist die umfassende und detaillierte, alle wesentlichen Aspekte der Kampagne berücksichtigende Beschreibung der Aktion angesprochen. Es sollten alle Einzelmaßnahmen fixiert sein, mögliche Probleme und ihre Auswirkungen antizipiert werden und die Koordination mit den internen und externen Beteiligten gewährleistet sein. Durchführbarkeit: Es muß geprüft werden, ob das Maßnahmen-Bündel realistischerweise auch durchgeführt werden kann. Diese Überprüfung umfaßt die Sicherstellung der finanziellen und personellen Ressourcen, der rechtlichen Zulässigkeit, der zeitlichen Synchronisation und Koordination der Beteiligten sowie die Gewährleistung der Unterstützung der Aktion durch die eigenen Verkaufsorgane und Absatzkanäle. Neben organisatorischen Entscheidungen geht es in diesem Bereich im wesentlichen um folgende Entscheidungstatbestände: Ziele und Zielgruppen, kommunikative Positionierung, Selektion der Instrumente, Pretest und juristische Überprüfung sowie Durchführung und Kontrolle. Diese Entscheidungen basieren einerseits auf einer sorgfältigen Situationsanalyse und den vorgegebenen Marketingzielen und andererseits auf der Abstimmung mit dem Einsatz der anderen Marketinginstrumente. Die Situationsanalyse, als Basis für VKF-Konzeptionen, umfaßt insbesondere im Hinblick auf dieses Instrument: • die Unternehmensanalyse (u.a. Vertriebsdefizite, Kommunikationsdefizite), • die Kundensituation (z.B. Einkaufsverhalten, Interessen, etc.), • Marktsituation (z.B. Marktaufteilung, Sättigungsgrade, Marktvolumen, technolo-gischer Wandel, etc.),
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4. Das Kommunikations-Programm
• Konkurrenzsituation (Art und Intensität der Verkaufsförderungsaktivitäten, Anlässe für Aktionen, Erfolg verkaufsfördernder Aktionen, etc.), • Handelssituation (Konzentrationsprozesse, Beziehungen zum Handel, Einkaufsverhalten, Regalgestaltung, Struktur der Vertriebskanäle, Stellenwert des Produktes im Sortiment, technologische Ausstattung, etc.).
4.3.2.1 Ziele, Zielgruppen und Positionierung Die Verkaufsförderungsziele leiten sich aus den übergeordneten Marketing- und Kommunikationszielen ab. Mittels der unterschiedlichen und vielschichtigen VKFAktionen kann eine Vielzahl von Zielen angestrebt werden. Deshalb ist es notwendig, daß das Management klare Vorstellungen darüber entwickelt, was mit der Verkaufsförderung generell und mit speziellen Maßnahmen erreicht werden soll (Cristofolini & Thies, 1979, S. 54). Diese Ziele müssen eindeutig, präzise, realistisch und operational definiert werden. Die Bestimmung von Zielen ist eine wesentliche Voraussetzung für eine effektive Planung der Verkaufsförderung und für die Erfolgskontrolle. In die Zielvorgaben muß auch konkret einfließen, welches Angebot (z.B. Einzelprodukte, Warengruppen) oder welche Unternehmen oder Verbundgruppen promotet werden sollen, es muß also eine Objektanalyse in die Zielformulierung mit einfließen. Wichtig in diesem Kontext ist auch, ob das Unternehmen seine Ziele autonom bestimmen kann. Ganz anders ist die Situation, wenn z.B. auf Kooperationspartner Rücksicht genommen werden muß, wie es bei Verbundaktionen der Fall ist (Birkigt, 1981, S. 634). Grundsätzlich sind bei der Festlegung der Verkaufsförderungsziele durch den Hersteller die Erwartungen und Ziele der eingeschalteten Absatzmittler mit einzubeziehen, um potentielle Zielkonflikte zu vermeiden. Für den Erfolg vieler Verkaufsförderungsaktivitäten ist es erforderlich, daß sie positive Image- und Umsatzeffekte sowohl für den Hersteller als auch den Händler bieten müssen. Dies kann angestrebt werden, indem eine Vernetzung des Verkaufsförderungs-Mix mit den relevanten Bestandteilen eines Handelsmarketings erfolgt.4 Auch in der Verkaufsförderung ist es sinnvoll, zwischen strategischer Zielplanung und taktischer Zielplanung zu differenzieren. Erstere entwickelt den längerfristigen Horizont, definiert Leitlinien für einen überschaubaren Zeitrahmen. Erst das Vorliegen einer solchen längerfristigen Perspektive eröffnet die Möglichkeit auch für ein kurz- und mittelfristig zielbewußtes Vorgehen. Im Rahmen der Zielplanung ist zudem zu entscheiden, über welchen Zeitraum die konkreten Maßnahmen laufen
4
Auf die Verzahnung zwischen dem Verkaufsförderungs-Mix mit den strategischen Überlegungen des Herstellers hinsichtlich der Ausprägung seines vertikalen Marketings kann hier nur verwiesen werden (vgl. hierzu Irrgang, 1989).
4.3 Verkaufsförderung
215
sollen, um das Ziel zu erreichen oder in welchem Verkaufsgebiet bzw. in welchen Vertriebskanälen. Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Vielzahl der potentiellen Ziele zu strukturieren. Eine Möglichkeit ist zwischen Informations-, Beeinflussungs- und Erinnerungszielen zu differenzieren. Eine solche Strukturierung orientiert sich dabei an der Vorrangigkeit einzelner Verkaufsförderungsziele in den Phasen des Produktbzw. Sortiments-Lebenszyklus. Eine weitere Klassifizierungs-Möglichkeit der Verkaufsförderungsziele ist eine Unterteilung in direkte und indirekte Handlungsziele. Direkte Handlungsziele sollen bei den jeweiligen Zielgruppen zu einer sofortigen Aktion führen, z.B. eine Zweitplazierung vorzunehmen, einen Coupon einzuschicken. Indirekte Handlungsziele dienen zur Hinstimmung auf ein Angebot, z.B. durch die Penetrierung des Namens bzw. der Marke oder der Festigung von Kundenbeziehungen. Eine weitere Alternative zur Strukturierung von Verkaufsförderungszielen ist die Orientierung an den Zielgruppen. In der Definition der Verkaufsförderung sind drei Hauptzielgruppen unterschieden worden: Eigene Verkaufsorgane, der Handel und die Endverbraucher. Nach der Kommunikationsrichtung und damit nach den verschiedenen Aktionsebenen bzw. Kernzielgruppen und in Verknüpfung mit den Informations- und Beeinflussungszielen sowie den direkten und indirekten Handlungsziele lassen sich z.B. folgende Absichten verfolgen (vgl. Fuchs & Unger, 2003, S. 60 ff.) • Aktionsebene „eigene Verkaufsorganisation“: Erhöhung der Angebotskenntnis Verbesserung der Verkaufs- und Argumentationstechnik Steigerung der Motivation und Stimulierung der Verkaufsanstrengungen über entsprechende Anreizssysteme • Aktionsebene „Handel“: Neuaufnahme von Angeboten in das Sortiment Distributionsniveau umsatzmäßig und numerisch erweitern Bessere qualitative und quantitative Präsentation der Angebote am POS (Sonderplazierungen, Facings, etc.) Verbesserung/Stabilisierung des Unternehmensimage beim Handel Markenbekanntheit Gewinnung neuer Vertriebskanäle Unterstützung des Handels bei seiner Profilierung gegenüber den Kunden Festigung von Kundenbeziehungen und Gewinnung neuer Kunden • Aktionsebene „Endverbraucher“: Bekanntmachung eines Angebotes und Überzeugung von den Angebotsvorteilen Kauf eines Produktes Markenbekanntheit
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4. Das Kommunikations-Programm
-
Einstellungen/Image Probierkäufer zu Stammkäufern machen Konsumintensität eines Angebotes steigern Änderung von Kaufabsichten (vgl. hierzu Cristofolini & Thies, 1979, S. 54 ff. und Großklaus, 1982, S.109)
Diese Auflistung kann nur beispielhaft sein, je nach Unternehmen und dessen Ziel, der Branche, der Konkurrenzsituation, der Struktur der Absatzkanäle, etc. können die Schwerpunkte der Verkaufsförderungsaktivitäten unterschiedlich gelagert sein. Die Definition der Zielgruppen legt fest, wer mit den Verkaufsförderungsaktivitäten angesprochen werden soll. Als erste Kernzielgruppe sind dies die eigenen Verkaufsorgane. Je nach Struktur ( z.B. Handelsreisende oder Handelsvertreter, Key Account Manager), nach Stufigkeit der Distribution (Direktverkauf, einstufig oder zweistufig Distribution) und soziodemographischer und psychographischer Charakterisierung der Absatzorgane ergeben sich unterschiedliche Ansatzpunkte für den Einsatz der einzelnen Verkaufsförderungs-Instrumente. Als weitere Zielgruppe ist der Handel mit seinen verschiedenen Organisationsformen und Vertriebsschienen zu betrachten. Bei den Handelsunternehmen kann es sich z.B. um Einzelbetriebe und deren Mitarbeiter, regionale bzw. nationale Verbundgruppen bzw. regionale Filialisten (z.B. die Firma Nanz in Stuttgart) oder auch nationale Filialisten handeln. Es kann sich aber auch auf die unterschiedlichen Formen des Großhandels mit ihren eigenen Außendienstmitarbeitern (z.B. freier Fach-Großhandel, System-Großhandel, Einkaufsgenossenschaften) beziehen. Für die Definition der Zielgruppe sind in diesem Fall u.a. folgende Daten relevant: Einkaufsgewohnheiten, Spannenpolitik, Regalorganisation, präferierte Promotions, existente Warenwirtschaftssysteme, Größe und Struktur der Verkaufsräume, Position im Markt, etc. Die dritte Kernzielgruppe ist, separat oder in Verbindung mit den anderen beiden, der Endverbraucher. Endverbraucher können nach soziodemographischen, psychographischen Merkmalen sowie Kauf- und Konsumverhalten definiert werden (vgl. hierzu Abschnitt 3.2.1). Durch die zunehmende Erlebnisorientierung auf Verbraucherseite stehen bei vielen verbraucherorientierten VerkaufsförderungsAktionen der erlebnisorientierte Mensch und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt. Es sind durch die neuen elektronischen Medien weitere attraktive Möglichkeiten (z.B. interaktive POS-Kioske oder elektronische Salesfolder) für die Verkaufsförderung geschaffen, die auch in Zukunft vermutlich verstärkt eingesetzt werden
4.3 Verkaufsförderung
217
(vgl. Frey & Beaumont-Bennett, 1993, S. 98).5 Diese erlauben eine teilweise vollkommen neue Ansprache der Kernzielgruppen, nämlich durch Interaktion.
Konsum-/Investitionsgüterhersteller Konsum-/Invetitionsgüterhersteller
Verkaufsorganisation 1. Aktionsebene Großhandel 2. Aktionsebene Außendienst des Großhandels
Einzelhandel
Endverbraucher 3. Aktionsebene
Abbildung 4-21: Kernzielgruppen der Verkaufsförderung Ähnlich wie in der klassischen Werbung müssen auch für Verkaufsförderungsmaßnahmen eine kommunikative Positionierung und eine entsprechende CopyStrategie entwickelt werden. Bei vielen Sales Promotion-Aktivitäten kann dabei auf bereits entwickelte und verabschiedete Positionierungen zurückgegriffen werden, oder diese werden gemeinsam im Rahmen einer integrierten Kommunikation entwickelt (vgl. hierzu Abschnitt 3.3) und müssen dann nur noch für die entsprechenden VKF-Maßnahmen adäquat umgesetzt werden. Positionierung und CopyStrategie bilden die Grundlage für die Verbalisierung und Visualisierung von Verkaufsförderungskonzepten.
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Einen Überblick über die Möglichkeiten der interaktiven Verkaufsförderung bietet Segerer (1996).
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4. Das Kommunikations-Programm
4.3.2.2 Selektion der Instrumente und Budgetierung Im Rahmen der Selektion der Instrumente sind u.a. folgende Entscheidungen zu treffen: • Welche der generell zur Verfügung stehenden Instrumente sollen eingesetzt werden? • Wie sollen diese Instrumente qualitativ gestaltet werden, und in welcher quantitativen Intensität sind sie einzusetzen? Hier geht es um das Ausmaß des Anreizes; ein gewisser Mindestanreiz ist erforderlich. Ein höheres Anreizniveau wird zwar weitere Auswirkungen haben, jedoch mit abnehmender Zuwachsrate (Grenznutzen). Zudem sind die Teilnahmebedingungen zu spezifizieren, sollen die Anreize einer breitangelegten Zielgruppe offeriert werden oder spezifischen Zielpersonen? • In welcher Kombination zu anderen absatzwirtschaftlichen Maßnahmen sollen sie wirken?6 • Wie sind die Maßnahmen zeitlich einzusetzen (Timing)? (Cristofolini & Thies, 1979, S. 156 f.) Generell sollte die Gesamtwirkung des Verkaufsförderungs-Pakets gegenüber der Optimierung einzelner Instrumente im Vordergund stehen. Für die Erreichung der Tabelle 4-4: Überblick Verkaufsförderungsinstrumente Aktionsebenen
Mögliche Instrumente (Beispiele)
Aktionsebene „Eigene Absatzorgane“ („Staff Promotion“)
Informationssysteme für den Außendienst („News Letter“, Informationsveranstaltungen, Events) Schulung (z.B. Produktschulung, Verkaufsschulung) Außendienstwettbewerbe Prämien, Provisionen Salesfolder Tagesberichte
Aktionsebene „Handel“ („Trade Promotion“)
Instrumente mit Schwerpunkt „Hinverkauf“ -
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Händlerkonferenzen Händlerbefragungen Schulungsprogramme Informationsdienste
Nach der Studie von Frey & Beaumont-Bennett (1993, S. 30) werden in circa 50% der Unternehmen Verkaufsförderungsmaßnahmen in Kombination mit anderen Instrumenten des Kommunikations-Mix eingesetzt, um Synergieeffekte zu erzielen. Aber jeder zweite Befragte der Studie gab auch an, daß Verkaufsförderungsmaßnahmen nur selten bzw. gar nicht mit anderen Kommunikations-Instrumenten verknüpft werden.
4.3 Verkaufsförderung
219
Tabelle 4-4: Fortsetzung - Preisausschreiben für Händler und Wiederverkaufspersonal - Ordersatzeindrucke Instrumente mit Schwerpunkt „Rausverkaufen“ - Displays (Deckenhänger, Regalstopper, Thekendisplays, etc.) - Zweitplazierungen - Prospekte, Kataloge - Degustationen - Give-Aways - Lautsprecherdurchsagen - interaktive POS-Systeme - Verpackungen/Pachaging - Tragetaschen Aktionsebene „Konsument“ („Consumer Promotion“)
Preisausschreiben Zugaben Gutschein-Aktionen Warenproben Hauswurfsendungen Konsumentenmailings Einkaufsratgeber Money-Back-Aktionen Lehrveranstaltungen Self-Liquidating-Angebote Verpackungen mit Zweitnutzen
Verkaufsförderungsziele steht eine Vielzahl von Instrumenten zur Verfügung. Tabelle 4-4 kann nur einen Überblick über mögliche Instrumente geben, denn die taktischen Instrumente der Verkaufsförderung sind derart vielgestaltig, daß hier nur einige aufgeführt werden können.7 Zudem werden durch die neuen elektronischen Medien weitere attraktive Möglichkeiten geschaffen und auch in Zukunft verstärkt eingesetzt werden (vgl. Frey & Beaumont-Bennett, 1993, S 98). Denkbar sind interaktive POS-Kioske oder elektronsiche Salesfolder. Die Entscheidung für oder gegen die Durchführung einer bestimmten Verkaufsförderungsmaßnahme ist von der Prüfung abhängig, ob diese geeignet ist, das jeweilige Marketingproblem zu lösen bzw. das formulierte Ziel zu erreichen. Dabei können folgende Entscheidungskriterien herangezogen werden: • Verkaufswirksamkeit der Maßnahme (wie stark, wie schnell, in welchem Zeitraum),
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Eine Vielzahl von konkreten und erfolgreichen Beispielen für den unterschiedlichen Instrumenteneinsatz findet sich bei Koinecke & Großklaus (1985 und 1987).
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4. Das Kommunikations-Programm
• Einsatzhäufigkeit (oft oder nur selten eingesetztes Instrument, Innovativität der Maßnahme), allgemeine Vor- und Nachteile (u.a. Auswirkungen auf Deckungsbeitrag, nur zeitliche Verschiebung des Kaufs, rechtliche Beschränkungen8, aufwendig für den Handel, logistischer Aufwand, etc.), • Imageauswirkungen (längerfristige Auswirkungen der Maßnahme auf Produktoder Unternehmensimage, z.B. können häufige Sonderpreisaktionen dem Markenimage schaden), • Zielbezogenheit (ist das Instrument zum Erreichen des gesetzten Zieles prädestiniert?) (vgl. Cristofolini & Thies, 1979, S.157), • Wechselwirkungen mit den anderen Marketing-Instrumenten (z.B. Auslobung als Premiumprodukt in der klassischen Werbung und Sonderpreisaktion am POS). Ein optimaler Einsatz der Instrumente und damit auch eine optimale Ressourcenallokation setzt voraus, daß das Management über umfassende und empirisch gesicherte Kenntnisse bzgl. der Wirkung einzelner Instrumente sowie der möglichen Kombination von Maßnahmen bei den Zielpersonen im Hinblick auf die angestrebten Ziele verfügt (vgl. Bruhn, 1997, S. 445, 2003b, S. 263). Grundsätzlich kann eine steigende Akzeptanz solcher VKF-Aktivitäten beobachtet werden, die auf kundenspezifische bzw. kanalspezifische Besonderheiten eingehen (vgl. Günther, 1996). Nach Festlegung der Instrumente und deren quantitativer und qualitativer Fixierung ist idealerweise das Budget dafür zu veranschlagen. Diese aufgabenorientierte Methode ist leider in der Praxis relativ selten zu finden (vgl. hierzu auch Kapitel 5 und Knupper, 1981). Im wesentlichen kann man bei der Budgetierung zwischen einer mittelfristigen Planung unterscheiden, hier werden die Budgetzahlen für die Verkaufsförderung für den Zeitraum von circa einem Jahr fixiert und einer kurzfristigen Planung, hier geht es um die Kostenplanung von einzelnen Aktionen und Maßnahmen. Problematisch ist noch immer, daß in vielen Unternehmen kein expliziter Etat für Verkaufsförderung ausgewiesen wird und häufig als Unteretat z.B. des Werbebud-
8
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es eine Vielzahl von juristischen Restriktionen für Verkaufsförderungsaktivitäten. Problematisch ist zudem, daß es kein Verkaufsförderungsgesetz gibt. Neben dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen kommen hier u.a. auch das Rabattgesetz, Zugabenverordnung, Gebrauchsmusterschutzgesetz, Geschmacksmustergesetz, das Warenzeichengesetz und zahlreiche Sonderbestimmungen und Gerichtsentscheidungen zum Tragen (vgl. Wehrmann, 1981).
4.3 Verkaufsförderung
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gets angesiedelt ist.9 Pflaum, Eisenmann & Linxweiler (2000, S. 22 f.) plädieren dafür, das Verkaufsförderungsbudget gleichberechtigt neben den Budgets für Werbung, Sponsoring und Public Relations zu etablieren. Das Budget für eine Verkaufsförderungsaktion errechnet sich aus • den Kosten im Bereich der eigenen Verkaufsorgane (z.B. Kosten für Außendienst-Wettbewerbe, Gehaltskosten für Verkaufsförderer, Kosten für Außendienst-Ansprache, etc.). • den Kosten im Bereich Absatzmittler/Handel (z.B. Warenpräsentationskosten, Prospektkosten, Displaykosten, etc.). • den Kosten im Bereich Verbraucher (z.B. Kosten für Zugaben, Probeverteilung, Preisausschreiben, etc.). Additiv zu diesen Kosten kommen die Kosten für die Verkaufsförderungsabteilung bzw. anteilige Kosten, wenn die Verkaufsförderungsfunktion in eine andere Abteilungen integriert ist, Kosten für Agenturen (wenn noch nicht bei den einzelnen Maßnahmen eingerechnet) sowie Kosten für die Marktforschung (Pretests, Erfolgskontrolle) und juristische Überprüfung (vgl. Fuchs & Unger, 2003, S. 88 – 95).
4.3.2.3 Kreative Umsetzung, Pretests und juristische Überprüfung Im Rahmen der kreativen Umsetzung ist zunächst zu klären, wer für diese kreative Umsetzung verantwortlich zeichnet. Hier kann man auf Verkaufsförderungsagenturen oder Verkaufsförderungsabteilungen von Werbeagenturen zurückgreifen.10 In einem entsprechenden, qualifizierten Briefing wird dann die konkrete Aufgabenstellung an den externen Partner übermittelt. Als Bestandteil einer ganzheitlichen Kommunikation ist es auch für die Verkaufsförderung wichtig - trotz ihrer häufig sehr aktionistischen Ausrichtung – sich im Rahmen der Kommunikationsrichtlinien des Unternehmens zu bewegen.
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Als Ursache dafür nennt Birkigt (1981, S. 223 f.), daß keiner weiß, was Verkaufsförderung ist und kann, was Verkaufsförderung eigentlich kostet, wieviel Arbeit Verkaufsförderung macht und ob eine Kostenart auf die Kostenstelle Verkaufsförderung oder Werbung entfällt. Daran scheint sich bis heute wenig geändert zu haben. Die Auswahl einer entsprechenden Verkaufsförderungsagentur oder Werbeagentur sollte mit entsprechender Sorgfalt betrieben werden. Hier bieten sich ähnliche Kriterien an, wie für die Auswahl eines entsprechenden externen Partners bei der Werbung. Diese können u.a. sein: Leistungsangebot der Agentur, Agenturphilosophie, Größe der Agentur, Standort, Kundenliste, Personal, etc.
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4. Das Kommunikations-Programm
Ausgewählt werden sollte die Umsetzungsidee, welche die Zielsetzung am wirkungsvollsten signalisiert. Auch für die Verkaufsförderung gilt es, kreative, innovative und zielorientierte Ideen zu generieren, um die sich herum eine Aktion entwickelt; denn je einzigartiger die Idee, desto größer sind die Erfolgschancen der Aktion. Me-too-Promotions und die darin erkennbare mangelnde Kreativität führen zu einer relativen Erfolglosigkeit (vgl. hierzu Haisch, 1995). Nach Frey (1993, S. 583) sind bei der kreativen Umsetzung folgende Aspekte zu berücksichtigen: • Jederzeitige Integration in die Marketingplanung, bei der Planung von Promotions besteht oft die Gefahr, langfristige Ziele gegenüber kurfristiger Umsatzrealisation zu vernachlässigen; • visuell und verbal ist die Aktionsidee in ein zielgruppenadäquates Thema umzusetzen, dieses ist mit anderen Kommunikationsinstrumenten zu verbinden. • Die Kraft der anderen Kommunikationsinstrumente (speziell der Werbung) soll durch dieses Konzept der integrierten Kommunikation genutzt werden. • Dramatisierung des Aktionsnutzens ist zu realisieren, das entspricht der Aktivierung nach Kroeber-Riel, • einfache, deutliche und direkte Ansprache sollen ebenfalls der bestehenden Informationsüberlstung Rechnung tragen, • eine Aufforderung zum Handeln soll vermittelt werden, • entsprechende Reichweiten und Frequenzen sollen geschaffen werden, beide sind Voraussetzung, ausreichende Absatzzahlen zu realisieren. • Die Aktionsrichtung sollte stets auf den Verwender zielen, das ist letztlich die Realisation von Marketing. • Ein längerfristigerer Impact auf die Verbraucher soll bewirkt werden, um auch Promotions nicht nur auf kurzfristige Wirkung auszurichten, • zusätzlich sollten auch Durchführungsaspekte bei der Bewertung mit einfließen z.B. Mitwirkungswahrscheinlichkeit des Handels, Plazierungsmöglichkeiten, Handlungsanforderungen, Handling im Vertrieb etc. Anhand entsprechender Tests soll vor Realisierung einer Kampagne die Wirksamkeit der Aktionsidee und deren Realisierungsmöglichkeit geprüft werden. Dafür bieten sich u.a. folgende Testmethoden an:
4.3 Verkaufsförderung
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• Händlerbefragung: Die Händler können nach der Akzeptanz der Aktion befragt werden oder zu ihrer Einstellung nach verschiedenen Verkaufsförderungssystemen. Die Händler können eine Prioritätenliste erstellen. • Verbraucherbefragung: Beurteilung der Aktionen (z.B. Zugaben, Preisausschreiben, Give aways) und ihre Einstufung nach dem Grad der Beliebtheit durch die Verbraucher. • Kaufbereitschaftstest: Mehrere gleichartige Stichproben erhalten die verschiedenen zu testenden Maßnahmen vorgeführt oder/und einer Kontrollgruppe wird lediglich das Angebot ohne Aktion präsentiert. Anschließend werden die Resultate verglichen. • Regionaler Testmarkt zur Überprüfung der Gesamtkonzeption: In einem solchen räumlich abgegrenztenTestmarkt wird eine naturgetreue Durchführung der Verkaufsförderungsaktion realisiert unter Einbeziehung aller Beteiligter. • Rücklauftest: Möglich bei Aktion mit Response-Charakter (z.B. Coupons, Sweepstakes11),z.B. durch Hochrechnung von Rücklaufquoten bei Testpersonen auf die Grundgesamtheit, um so den Grad des Interesses an einer Aktion zu ermitteln. Für viele Verkaufsförderungsmaßnahmen lassen sich diese Tests relativ schnell und zu geringen Kosten durchführen (Strang, 1976, S. 120). Im Anschluß an die Testphase ist dann zu entscheiden, welche der Alternativen durchgeführt werden soll oder welche Korrekturen bzw. Modifikation noch integriert werden sollen. In dieser Phase ist auch zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt die eigenen Verkaufsorgane und der Handel in die Planung zu involvieren sind. Sollen die Beteiligten bereits in der Umsetzungsphase informiert und potentiell am Entscheidungsprozeß beteiligt werden, oder sollen sie erst nach Verabschiedung über die Aktion informiert werden? Großklaus (1982, S. 113) empfiehlt, den Außendienst nach dieser Testphase über die Verkaufsförderungskonzeption zu informieren. Die juristische Überprüfung der Kampagne umfaßt u.a. folgende Fragestellungen: • Sind die geplanten Verkaufsförderungsmaßnahmen rechtlich zulässig? • Verstößt sie gegen freiwillige Selbstbeschränkungen (z.B. Verbands- oder Branchenrichtlinien?12
11
Sweepstakes sind Quasi-Preisausschreiben, bei denen bereits vor Ausgabe der Teilnahmescheine die Gewinner(-nummer) bereits gezogen worden sind.
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4. Das Kommunikations-Programm
• Bei Gefahr einer Abmahnung bzw. einer einstweiligen Verfügung: Ist die Kampagne möglicherweise bereits abgeschlossen, welche Auswirkungen hätte dies auf die Durchführung? • Kann man bei Erhalt einer Abmahnung bzw. einer einstweiligen Verfügung die Aktion ohne zu hohe Mehrkosten oder Wirkungsverlust modifizieren? (vgl. Birkigt, 1983, S. 237 f.) Im Rahmen der Maßnahmenplanung sollten diese Fragen durch Experten überprüft werden, dadurch lassen sich juristische Fehler rechtzeitig finden und korrigieren. Zudem sollte durch entsprechende Analyse ermittelt werden, welche Störversuche es in der Vergangenheit gegeben hat. Daraus kann man erkennen, wie stark konkurrierende Interessen ausgeprägt sind, und ob häufig die Tendenz besteht, Gegenmaßnahmen einzuleiten.
4.3.2.4 Durchführung und Kontrolle Grundsätzlich sollten für jede Verkaufsförderungsaktion Durchführungs- und Kontrollpläne erstellt werden. Bei der Durchführungs-Planung muß man die Vorlaufzeit (von der Vorbereitung bis zur Einführung des Programmes) und die eigentliche Laufzeit der Aktion berücksichtigen. Bei vielen dieser Kampagnen ist eine Vielzahl von kleineren Aktivitäten und Ereignissen zeitlich in den Griff zu bekommen. Wichtig ist, daß alle erforderlichen Schritte und Aktivitäten erfaßt werden, um nicht den Erfolg der Gesamtaktion z.B. dadurch in Frage zu stellen, daß versäumt wurde, die Versandkartons für das Display-Material zu bestellen. Relevant für den reibungslosen Ablauf einer Kampagne ist zudem, daß eine klare Delegation der Verantwortung für die einzelnen Stufen oder die ganze Kampagne festgelegt wird. In der Praxis finden sich dafür nicht selten unterschiedliche Zuständigkeiten, in manchen Fällen ist dies die Werbeleitung, in anderen Fällen das Product Management oder in anderen Unternehmen die Verkaufsleitung. Im Extremfall sind für eine Kampagne mit ihren einzelnen Aktionsebenen unterschiedliche Funktionsträger zuständig. In der Durchführungsphase wird die gesamte Konzeption wirksam. Den eigenen Verkaufsorganen kommt hier eine entscheidende Bedeutung zu. Sie sind quasi der Transmissions-Riemen für die Umsetzung beim Handel. Sie sind diejenigen, welche die Konzeption mit den entsprechenden Handelspartnern verwirklichen müssen. Ein engagierter Außendienst trägt entscheidend zum Erfolg einer Aktion bei. Es ist sinnvoll, für diese Durchsetzungsphase einen „Alarmplan“ für Eventualitäten und Probleme zu erarbeiten. Er soll Auskunft darüber geben: 12
Hierzu gehören u.a. auch neben der Arbeit des Deutschen Werberates die von der Internationalen Handelskammer (ICC) verabschiedeten „Internationalen Regeln für die Werbepraxis“ und der „International Code of Sales Promotion Practice“ (vgl. Cristofolini & Thies, 1979, S. 170).
4.3 Verkaufsförderung
225
• Welche möglichen Probleme können auftreten? • Wie können diese Probleme überwunden werden? • Welche Maßnahmen müssen eingeleitet werden? Im Mittelpunkt dieses „Alarmplanes“ stehen die definierten Alternativmaßnahmen, deren Aufgabe es ist, Problemsituationen mit möglichst geringen Auf-wendungen zu beheben (vgl. Großklaus, 1982, S. 114 ff.). Mit zunehmender Bedeutung der Verkaufsförderung und damit auch mit zunehmendem Mitteleinsatz stellt sich vermehrt die Frage, wie man den Erfolg messen kann. Diese Kontrolle kann sich dabei auf ökonomische Größen beziehen (z.B. Absatz [Menge], Umsatz [Wert], Durchschnittsabverkaufswerte, Erweiterung der Distribution, etc.) oder/ und auf psychologische Größen (z.B. Einstellung des Handels zum Unternehmen, Produktkenntnis bei den Verbrauchern, Bekanntheitsgrad, etc.) – je nach den gesetzten Zielen (Soll-Ist Vergleich). Grob lassen sich die Meßinstrumente nach den Kategorien intern/extern und quantitativ/qualitativ unterteilen (vgl. Abbildung 422). Das eine generelle Verfahren zur Erfolgskontrolle auf allen drei Aktionsebenen gibt es nicht. Es ist in Abhängigkeit der jeweiligen Aufgabenstellung und unter Einschätzung der Qualität der verschiedenen Methoden zu entscheiden, ob man zur Überprüfung ein einzelnes Verfahren isoliert einsetzt oder mehrere Meßmethoden in Kombination verwendet. Potentielle Meßinstrumente Qualitativ
Quantitativ
Intern Befragung/Bericht des Außendienstes eigene Beobachtungen, Storechecks Eigene Umsatz/ Kostenanalysen, Deckungsbeitragsrechnungen, Soll-Ist-Vergleiche, Wirkungs-Messung mittels CAS-Systemen (ComputerAided-Selling), Response-Messung (Direct Marketing-Aktionen, Teilnahmekarten)
Extern Befragungen von Konsumenten (z.B. vor Ort, Recall) und Handel Scanning-Verfahren, Handelspanels, Single-Source-Services, Medienspiegel
Abbildung 4-22: Überblick wichtiger Meßinstrumente in der Verkaufsförderung13 13
Durch Scanning-Analysen des Handels lassen sich folgende Auswirkungen von Verkaufsförderungsaktionen messen: Mehrumsatz durch Preisveränderungen, Änderungen
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4. Das Kommunikations-Programm
Ähnlich wie bei anderen Kommunikationsinstrumenten ergeben sich bei der Erfolgsmessung drei grundsätzliche Probleme: • Der Erfolg eines Angebotes läßt sich nicht präzise auf den Einsatz eines einzelnen Marketing-Instrumentes, hier der Verkaufsförderung zurechnen. • Neben den eigenen Aktivitäten beeinflussen weitere Variablen (z.B. Wettbewerbsaktivitäten) den Erfolg eines Produktes. • Verkaufsfördernde Aktivitäten haben auch längerfristige imagebildende Funktionen (Thies, 1981, S. 704). In der Praxis findet eine Konzentration auf quantitative Instrumente statt und hierbei vor allem durch die Erhebung unternehmensinterner Daten wie Kosten-, Umsatz- und Absatzanalysen. Extern erhobene Daten werden dagegen nur von circa 20% der Unternehmen genutzt. Jedes zweite Unternehmen ergänzt diese quantitativen Mittel durch qualitative Instrumente. Auch bei den qualitativen Instrumenten werden ebenfalls interne Quellen bevorzugt genutzt, insbesondere die Befragung des Außendienstes (vgl. Frey & Beaumont-Bennett, 1993, S. 88 ff.), was infolge der persönlichen Betroffenheit dieser Personen höchst problematisch ist.
4.3.2.5 Organisatorische Entscheidungen Organisatorische Entscheidungen im Bereich der Verkaufsförderung konzentrieren sich im wesentlichen auf drei Tatbestände: • Organisatorische Eingliederung der Funktion der Verkaufsförderung in das Unternehmen, • Koordination der akquisitorischen Funktionen und • Implementierung der Verkaufsförderungsfunktion in die Außendienstorganisation. Eine ideale organisatorische Verankerung der VKF-Funktion, die für alle Unternehmen gültig ist, kann es nicht geben, da je nach Unternehmen sehr unterschiedliche Bedingungslagen (z.B. branchenspezifische Unterschiede, Ziele und Größe der Unternehmung, Struktur der relevanten Distributionskanäle, etc.) vorliegen.
der Plazierung, Auswirkungen zusätzlicher Verkaufsförderungsmittel (z.B. Displays, Deckenhänger, etc.), Beeinflussung des Aktionsartikels auf den Absatz benachbarter Listenartikel.
4.3 Verkaufsförderung
227
Geht man von der Notwendigkeit einer VKF-Funktion für ein Unternehmen aus, so sind folgende Entscheidungen zu treffen: • Ausübung der Funktion durch das Unternehmen oder durch Outsourcing (z.B. Einschaltung einer VKF-Agentur), • Ausübung dieser Funktion durch bereits existierende Abteilungen (z.B. Werbeabteilung, Productmanagement, Vertrieb) oder eigenständige organisatorische Verankerung, • bei einer eigenständigen Abteilung muß man dann entscheiden, in welcher Form (Stabs- oder Linienstelle), und wie diese Einheit in die hierarchische Struktur des Unternehmens einzugliedern ist (z.B. Gleichstellung, Über- oder Unterordnung zu den anderen organisatorischen Einheiten wie Werbeabteilung, etc.) (vgl. hierzu Birkigt, 1981, S. 90). Pflaum, Eisenmann und Linxweiler (2000, S. 28 ff., vgl. auch Cristofolini & Thies, 1979, S. 51) empfehlen eine gleichberechtigte, organisatorische Eingliederung der Verkaufsförderungs-Abteilung in das Marketing neben anderen MarketingFunktionen. In der Praxis zeigt sich jedoch, trotz der gewachsenen Bedeutung, daß es nur in jedem fünften Unternehmen eine eigene Abteilung für Verkaufsförderung gibt. In vielen Unternehmen wird diese Funktion durch andere Marketingabteilungen mitbetreut, primär durch die Werbeabteilungen oder durch das ProduktManagement. Relativ selten ist die VKF-Funktion beim Vertrieb angesiedelt (vgl. Frey & Beaumont-Bennett, 1993, S. 20 f.). Günther (1996, S. 149) plädiert für die Integration der VKF-Funktion in die in einigen Unternehmen sich etablierende Trade-Marketing-Einheit, die das handelsorientierte Marketing repräsentiert. Die Verkaufsförderung sollte dazu ergänzt werden um die Funktion Sales Services, die sich primär um die an Relevanz gewinnenden Themen der Regaloptimierung/Space Management, um eine Funktion, die den Informationsaustausch zwischen Hersteller und Handel sichert und betreut sowie um eine Funktion Trade Services, die handelsspezifische Verkaufsförderungskonzepte entwickelt. Die akquisitorischen Funktionen einer Unternehmung (u.a. Werbung, Verkaufsförderung, persönlicher Verkauf) müssen aufeinander abgestimmt und optimiert werden, dafür ist insbesondere bei größeren Unternehmen eine Koordination notwendig. Diese Koordination kann zum einen durch Selbstkoordination erfolgen, indem eine Abstimmung von Führungsentscheidungen informal auf kollegialem Weg vorgenommen wird oder durch Etablierung von Teamstrukturen und der verstärkten Implementierung von ganzheitlichem Denken, zum anderen in Form der Fremdkoordination, indem die Abstimmung durch eine übergeordnete Instanz angeordnet und notfalls erzwungen wird. Je stärker die Arbeitsteilung und differenzierter das Unternehmen seine akquisitorischen Funktionen gestaltet hat und je
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4. Das Kommunikations-Programm
individueller die Betreuung wichtiger Handelspartner (z.B. durch Key Account Manager) ist, desto stärker ist die Notwendigkeit einer Koordination erforderlich, um das Zusammenspiel zwischen den einzelnen Funktionsträgern so effizient wie möglich zu gestalten. Durch die unternehmerische Entscheidung, Verkaufsförderung zu betreiben, ergeben sich auch Konsequenzen für die Außendienstorganisation, denn das Aufgabenfeld für diese Mitarbeiter wird dadurch erweitert. Die klassische Funktion der Außendienst-Mitarbeiter als reine Verkäufer wird u.a. um Beratungsleistungen für den Handel oder um die Übernahme von Merchandisefunktionen ergänzt. Birkigt, (1981, S. 116 ff.) unterscheidet drei potentielle Wachstumsmöglichkeiten der Absatzorganisation durch Verkaufsförderung: • Horizontale Erweiterung der Außendienstorganisation: Außendienstmitarbeiter übernehmen zusätzlich VKF-Funktionen. Als Konsequenz daraus ergibt sich eine zahlenmäßige Erhöhung der AußendienstMitarbeiter. • Vertikale Erweiterung der Außendienstorganisation mit homogener Vertiefung: Der bisherige Außendienst wird durch VKF-Spezialisten ergänzt, die alle Kunden betreuen. • Vertikale Erweiterung mit heterogener Vertiefung: Zusätzlich zu den VKF-Spezialisten werden noch Aktions-Verkaufsförderer implementiert, die selektierte Händler im Rahmen von Sonderaktionen unregelmäßig besuchen.
4.3.3 Trends in der Verkaufsförderung Es ist auch in Zukunft davon auszugehen, daß die Verkaufsförderung einen weiterhin steigenden Stellenwert innerhalb des Marketing-Mix einnehmen wird. Insbesondere in Relation zu der klassischen Mediawerbung werden die Ausgaben für VKF überproportional steigen (vgl Fuchs & Unger, 2003, S. 215 – 224). Handelsindividuelle Promotions werden aufgrund der wachsenden Marktkonzentration auf Handelsseite an Stellenwert gewinnen. Auch in der Verkaufsförderung werden nach Ansicht von Frey (1997, S. 162) integrierte Marktbearbeitungskonzepte isolierte Einzelmaßnahmen verdrängen. Eine intensive Zusammenarbeit zwischen allen Stufen der Warenflußkette auf der Basis genauer Kenntnisse des Abnehmerverhaltens wird zu einer wichtigen Bedingung für den Erfolg von Verkaufsförderungskampagnen. Das Efficient Consumer
4.3 Verkaufsförderung
229
Response (ECR) - Konzept versucht auf die relativ schnell stattfindenden Veränderungen in der Kundenachfrage rascher reagieren zu können und gleichzeitig das Angebot und den Service für Hersteller, Handel und Konsumenten zu verbessern. Dies soll durch eine Optimierung aller Elemente des Wertschöpfungsprozesses erreicht werden; aber nicht getrennt nach Hersteller und Handel, sondern in enger Kooperation (vgl. von der Heydt, 1997). Eng damit verknüpft ist ein weiterer von Frey (1997, S. 165) prognostizierter Trend: Das Marketing des Handels wird im Fokus der Hersteller stehen. „Die partnerschaftliche Zusammenarbeit kann sich dabei von der einseitigen Berücksichtigung vertriebslinenspezifischer Besonderheiten durch die Industrie über zeitlich befristete Koop-Aktionen bis hin zur Vereinbarung langfristig ausgerichteter Co-Marketing-Ziele und -Strategien zwischen Hersteller und Handel erstrecken“ (ebenda, S. 165). Diese veränderte Beziehungsstruktur zwischen Hersteller und Handel wird auch zu einer Veränderung der Aufgabenstruktur des Außendienstes führen. Die Unterstützung des Handels beim Hinausverkauf wird zu einem noch wichtigeren Ziel für den Außendienst als bisher werden. Damit avanciert der Außendienst teilweise zum Marketingberater des Handels. Die neuen elektronischen Medien werden als Verkaufsförderungsmittel in allen Zielgruppenebenen verstärkt eingesetzt werden und zu einem Erfolgsfaktor der Verkaufsförderung anvancieren. Die Gründe hierfür sind im wesentlichen die Interaktivität dieser Medien, ihre Selektionsmöglichkeiten, ihr Potential für die Ansprache neuer Zielgruppen und die Möglichkeit mit diesen neuen Medien auch neue Vertriebsformen zu etablieren. Eine Konsequenz aus dieser Entwicklung wird sein, daß eine Fokussierung auf nur eine der Zielgruppen der Verkaufsförderung wenig sinnvoll ist. Nur durchgängige über alle drei Zielgruppen der VKf – Außendienst, Handel und Endverbraucher – konzipierte Maßnahmen werden erfolgreich sein. Damit wird nach Ansicht von Bruhn (1997, S. 479) es auch für die Verkaufsförderung erforderlich, sich vom traditionellen inside-out-Ansatz zu verabschieden und die Ausrichtung verkaufsfördernder Aktivitäten ausschließlich von den Bedürfnissen der Zielgruppen abhängig zu machen (outside-in-Ansatz).
4.4 Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) und Publicity Unternehmen sind heute eng mit ihrem Umfeld verflochten. Sie stehen verstärkt unter Legitimationszwang und vor Akzeptanzproblemen und -notwendigkeiten. Der wachsende ökonomische Wettbewerb verstärkt zudem die Notwendigkeit zur Transparenz von Unternehmen, zur Schaffung von Öffentlichkeit und zum Dialog mit den relevanten Teilöffentlichkeiten. Ein elaborierter „Basis Good Will“ eines Unternehmens ist ein Erfolgsfaktor in einer solchen verschärften Wettbewerbssituation. Durch diese geänderten Rahmenbedingungen erlangt das Aufgabenfeld
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4. Das Kommunikations-Programm
Öffentlichkeit (synonym dazu Public Relations) für Unternehmen einen wachsenden Stellenwert. „Für die Unternehmensführung ist die Sicherung des notwendigen Vertrauens, Verständnisses und Wohlwollens der relevanten gesellschaftlichen Umwelt zu einer Existenzfrage geworden“; so deutlich stellt Pauli (1993, S. 13) die Relevanz von Öffentlichkeitsarbeit dar. Die gesellschaftliche Verantwortung eines Unternehmens oder einer Organisation ist der Ausgangspunkt für Öffentlichkeitsarbeit. Sie kann nicht aus punktuellen Aktionen bestehen, sondern bedarf eines kontinuierlichen Dialoges. Der englische Begriff Public Relations (PR) spiegelt diesen Sachverhalt besser wider als die deutsche Bezeichnung Öffentlichkeitsarbeit.
4.4.1 Verständnis von Öffentlichkeitsarbeit und Stellung im Kommunikations-Mix Public Relations als Ausdruck wurde erstmals 1882 von dem Rechtsanwalt Dorman Eaton gebraucht, der ihn mit „to mean relations for the general good“ erklärte. Einen ersten Aufschwung für Öffentlichkeitsarbeit ergab sich Ende des 19. Jahrhunderts als die amerikanischen Kohle-, Eisenbahn- und Mineralölmagnate von kritischen Journalisten wegen ihrer bedenklichen Praktiken heftig angegriffen worden sind. John D. Rockefeller senior engagierte darauf hin einen Journalisten als Berater und Verteidiger, der in einer „Declaration of Principles“ der Öffentlichkeit mitteilte: „Unser Plan ist, kurz und offen, die Presse und die Bevölkerung schnell und genau über die Tatsachen zu unterrichten, die für sie von Wert und Interesse sind.“ Eine weiterer wesentlicher Schritt in der Geschichte der Public Relations ist die Etablierung des „Committee of Public Information“ durch USPräsident Wilson 1914 mit der Aufgabe „der Bevölkerung die Ziele der Regierung klarzumachen, Widerstand dagegen im voraus als unmoralisch bloßzustellen und zu einer breiten Unterstützung aufzurufen.“ Ein Mitglied dieser Arbeitsgruppe hielt 1923 an der New York University die erste PR-Vorlesung und im selben Jahr erschien das erste PR-Buch auf dem Markt. Carl Hundhausen gebrauchte diesen Begriff als erster in Deutschland. Die dahinterstehende Philosophie war dagegen schon länger bekannt und umgesetzt. So setzte z.B. bereits 1894 der Staatssekretär des Reichsmarineamtes, Alfred von Tirpitz, durch, daß auf allen größeren Schiffen der Kriegsmarine ein Offizier mit Fragen der Information und des Besucherempfanges betraut wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann in Deutschland jedoch mit der Währungsreform und dem Arbeitsbeginn des ersten Bundestages die eigentliche Öffentlichkeitsarbeit (vgl. hierzu Oeckl, 1993 und 1994). Trotz dieser doch schon längeren Entwicklungsgeschichte der Öffentlichkeitsarbeit existiert noch keine einheitlich verbindliche Auffassung darüber, was Öffentlichkeitsarbeit ist. In den extremsten Formen reicht das Verständnis von Schleichwer-
4.4 Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) und Publicity
231
bung bis hin zur Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung durch Unternehmen. Zwei relativ umfassende Definitionen sollen hier das Begriffsfeld Public Relation charakterisieren. Die erste hat Harlow 1976 (S. 36) nach einer umfassenden Analyse von PR-Definitonen entwickelt: „Public relations is a distinctive management function which helps establish and maintain mutual lines of communication, understanding, acceptance and cooperation between an organisation and its publics; involves the management of problems or issues; helps management to keep informed on and responsive to public opinion; defines and emphasizes the responsibility of management to serve the public interest; helps management to keep abrest of and effectively utilise chance, serving as an early warning system to help anticipate trends; and uses research and sound and ethical communication techniques as ist principle tools.“ Dieses PR-Verständnis unterstreicht die Mittlerfunktion, die Schnittstellenposition von PR zwischen Unternehmen bzw. Organisationen und seinen relevanten Teilöffentlichkeiten. Harlow versteht Öffentlichkeitsarbeit nicht nur als ein Aussenden von Botschaften, sondern auch als ein Empfangen und Integrieren von Impulsen und Botschaften von den relevanten Teilöffentlichkeiten in das Unternehmen (beratende Funktion für die Unternehmensleitung). Naundorf (1993, S. 597) charakterisiert Öffentlichkeitsarbeit anhand drei Dimensionen: • Gestaltungsgegenstand: - Interne und externe Kommunikationsbeziehungen von Organisationen, also von erwerbswirtschaftlichen Unternehmen und Non-Profit-Organisationen, die sich nicht unmittelbar auf die Anbahnung von Geschäften oder konkreten Handlungen richten. • Ziele: - Erreichen selbständiger Kommunikationsziele, wie z.B. Verbreitung von Wissen über ein Produkt, - Bilden, Erhalten oder Verändern von Images, - Unterstützen anderer Aufgabenbereiche, - Schaffen von Vertrauen und Interessenausgleich, - Wahrnehmung und Begrenzen von Konflikten, - Bewältigung von Krisen. • Nutzen für die Organisation: - Förderung übergeordneter Ziele der Organisation, - Schaffen, Erhalten und Erweitern von Entscheidungsspielräumen, - Nutzen von Entwicklungspotentialen, - Abbau von potentiellen Konfliktbereichen. Explizit wird in dieser Charakteristik auch das wichtige Aufgabenfeld der internen Kommunikation (Human Relations) zu den Mitarbeitern angesprochen. Long und
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4. Das Kommunikations-Programm
Hazleton (1993) entwickelten ein systemtheoretisches Modell des Public Relation - Prozesses. Sie gehen dabei von folgender Definition aus: „Public relations is a communication function of management through which organizations adapt to, alter, or maintain their environment for the purpose of achieving organizational goals“ (S. 227). Sie verstehen den Public Relations-Prozeß als offenes System, das aus einem multi-dimensionalen Umweltsystem und den drei Subsystemen Organisations-, Kommunikations- und Zielpublikum-Subsystem besteht. Das Umwelt-Super-System, das die Dimensionen Politik/Legislative, Kultur/Soziales, Ökonomie, Technologie und Wettbewerb umfaßt, gibt allen drei Subsystemen differenzierten Input. Das Subsystem Organisation/Unternehmen erhält aus dieser Umwelt Input, der Einfluß nimmt auf Organisationsziele und -strukturen, Ressourcen und Managementphilosophie. Die Inputvariablen werden in diesem Subsystem durch den PREntscheidungsprozeß, der Problemidentifikation, Forschung und Analyse sowie Lösungsansatz beinhaltet, in einen Output transformiert, der neben den Zielen der Öffentlichkeitsarbeit und ihren Zielgruppen, Strategie und Realisierung eines Programmes umfaßt. Umweltsystem mit den Dimensionen: -
Politik Kultur/Sozial Ökonomie Technologie Wettbewerb
Organisations-
Kommunikations-
Zielpublikums-
Subsystem
Subsystem
Subsystem
Input (Org.-Ziele, Strukturen, Ressourcen, Unternehmensphilosophie) - Transformations Output (PR-Ziele, Zielgruppen, PR-Strategie und Aktion)
Input (PR-Programm) Transformation (Kommunikationsprozess) Output (Botschaftsstimulus)
Input (BotschaftsStimuli) Transformation (Publikumsprozesse) Output (Ergebnisse)
Abbildung 4-23: Systemtheoretisches Modell des Public Relations-Prozesses (in Anlehnung an Long & Hazleton, 1993)
4.4 Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) und Publicity
233
Dieses Outputprogramm der Organisation ist wiederum eine Inputvariable für das Kommunikationssubsystem. Das Kommunikationssystem „provides a boundaryspanning function among the environment, organization and target audience subsystem" (Long & Hazleton, 1993, S, 232) mit der Funktion der Produktion und Verteilung von Botschaften. Dieser Transformationsprozeß des Kommunikationssystems insbesondere die Botschaftsselektion durch die Medien, wird beeinflußt durch die Umwelt, der Funktion für die Zielgruppen, Kosten, Raum- und Zeitbegrenzungen, etc. Der Output dieses Systems sind die Botschaften, die es an das Zielpublikum aussendet. Diese Botschaften sind der Input für die Zielgruppen. Diese werden, unter der Voraussetzung, daß sie anhand der Informationsüberflutung die Zielpersonen auch erreichen, individuell oder in Gruppen bewertet. Als Resultat dieses Evaluationsund Verarbeitungsprozesses kann dies dann zu Veränderungen bzw. Beibehaltung von kognitiven, emotionalen und verhaltensmäßigen Mustern führen. Dieses Ergebnis im Subsystem der Zielgruppen kann als Output verstanden werden, der wiederum als Input sowohl das Umweltsystem als auch die beiden anderen Subsysteme Organisation und Kommunikationssystem beeinflussen kann. Diese modellhafte Analyse verdeutlicht die Komplexität, die vielschichtigen Wechselwirkungen und Interdependenzen, die bei dem Public Relationsprozess auftreten und zu berücksichtigen sind. Je nach Perspektive resultiert ein sehr divergentes Verständnis über die Aufgaben und Funktionen von Öffentlichkeitsarbeit. Aus Sicht des Absatzmarketings geht es primär darum, eher kurzfristig bei potentiellen Kunden und wichtigen Beeinflussern Bekanntheit und Präferenzen für das Unternehmensangebot aufzubauen. Aus einer solchen Sichtweise heraus kann Public Relations Beiträge leisten zur Erfüllung folgender Aufgaben: • • • • •
Unterstützung bei der Einführung neuer Produkte, Hilfe bei der Repositionierung eines reifen Produktes, Weckung des Interesses an einer Produktkategorie, Beeinflussung bestimmter Zielgruppen, Verteidigung von Produkten, die in der Öffentlichkeit auf Kritik gestoßen sind und • Aufbau eines Unternehmensimage, welches sich positiv auf die Bewertung der Produkte eines Unternehmens auswirkt (vgl. Kotler & Bliemel, 2001, S. 1002 f.). Eine erweiterte Perspektive ergibt sich aus Sicht des strategischen Marketing. Hier ist die Schwerpunkt-Funktion der Öffentlichkeitsarbeit bei den Austauschpartnern am Markt mittel- und langfristig Widerstände gegen Austauschbeziehungen abzubauen oder Anreize für Austauschbeziehungen zu bieten. Aus einer eher übergeordneten Perspektive geht es bei Public Relations darum, die gesellschaftliche
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4. Das Kommunikations-Programm
Integration des Unternehmens durch Information, Anpassung und Vertrauensbildung langfristig zu etablieren (vgl. Naundorff, 1993, S. 603).14 Grundsätzlich kann man verschiedene Arten und Schwerpunkte von Öffentlichkeitsarbeit differenzieren. Naundorf (1993, S. 605 ff.) unterscheidet anhand der Merkmale • „Nutznießer“ (z.B. Produkt- und Dienstleistungs-PR, Unternehmens- bzw. Organisations-PR, Branchen- und Verbands-PR und Regierungs- und Verwaltungs-PR), - es geht also um die Zielobjekte der PR; • „Inhalte“ (z.B. Krisen-, Standort, Finanz-, Öko-PR) – es geht hier um die Themen der PR; • „Zielgruppen“ (z.B. Medien- und Pressearbeit, Mitarbeiter-PR, Meinungsführer-PR, Investor-Relations) verschiedene Arten von Öffentlichkeitsarbeit, die in der Regel mit verschiedenen Phänomenen verbunden sind. Traditionell wird Öffentlichkeitsarbeit in das Kommunikations-Mix und damit in das Marketing-Mix eingeordnet. Eine solche Einordnung entspricht aber nur bedingt den unterschiedlichen Perspektiven der Öffentlichkeitsarbeit. Im Mittelpunkt vieler Unternehmen soll Öffentlichkeit primär den gesellschaftlichen Bezug des Gesamtunternehmens verdeutlichen und das ganze Unternehmen nach außen und innen mitpräsentieren. Sie ist das Kommunikations-Instrument mit dem das ganze Unternehmen in einen Dialog mit der Öffentlichkeit bzw. den entsprechenden Teilöffentlichkeiten tritt. Mit dem Ziel der Integration des Unternehmens in die Gesellschaft soll das Vertrauen der Öffentlichkeit gewonnen und langfristig gesichert werden und damit ein Basis-Goodwill erreicht werden. Ein solcher Vertrauensvorschuß dient auch der Erreichung von Marketing-Zielen.
4.4.2 Entscheidungsfelder von Public Relations Plant man den Einsatz von Public Relations-Aktivitäten zur Unterstützung von Marktzielen, erfordert dies Entscheidungen zur Bestimmung der angestrebten Ziele und anzusprechenden Zielgruppen sowie der Auswahl der PR-Botschaften, die Selektion der PR-Instrumente, die Integration in das Kommunikations-Mix und 14
Neben diesen aus Unternehmenssicht geprägten unterschiedlichen Ansätzen zur Analyse von Public Relations fragt die Kommunikationswissenschaft nach der Funktion und Wirkungsweise dieses Instrumentes auf und für die gesellschaftliche Kommunikation (vgl. Ronneberger & Rühl, 1992).
4.4 Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) und Publicity
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der Realisierung sowie eine Bewertung der PR-Ergebnisse. Ausgangspunkt für strategische Entscheidungen im PR-Bereich ist auch hier eine umfassende analytische Phase. Aus der Vielzahl von Daten werden die Symptome der Situation erarbeitet, dadurch zeichnet sich ein Bild der Stärken und Schwächen, der Chancen und Risiken ab. Zunehmende Bedeutung in diesem Kontext gewinnt das IssueMonitoring, verstanden als die regelmäßige Beobachtung und Analyse und Interpretation gesellschaftlicher Meinungsbildungsprozesse zu strategisch relevanten sozialen und ökologischen Themenstellungen. Ziel eines solchen Issue-Monitoring ist es, Risikopotentiale, die durch die Veränderungen der Umfeldbedingungen entstehen und aus denen Probleme erwachsen können, bereits frühzeitig erkennen zu können und damit auch entsprechend agieren bzw. reagieren zu können (vgl. Dahle & Häßler, 1996, S. 28).
4.4.2.1 Strategische Entscheidungsfelder Zu den strategischen Entscheidungsfeldern gehören: • die Ziele als inhaltlich und zeitlich definierte Endpunkte einer Entwicklung, • die Zielgruppen oder Dialogpartner, • die Botschaften und Positionierungen; sie legen fest, welche Inhalte kommuniziert werden und • die strategische Umsetzung/der Kräfteeinsatz; definieren, welche Maßnahmenpakete eingesetzt werden und in welcher Art und Weise mit den Zielgruppen kommuniziert wird (vgl. Dörrbecker & Fissenewert-Goßmann, 1996, S. 47 ff.). Auch für die Ziele der Öffentlichkeitsarbeit gelten die bereits in Abschnitt 2 genannten Anforderungen wie z.B. präzise Definition, Operationalisierung, Meßbarkeit und Zeithorizont. Sinnvoll ist die Ziele in zweifacher Hinsicht zu differenzieren: zwischen strategischen und operationalen Zielen, sowie in kurz-, mittel- und langfristig. Für die Marktkommunikation kann die Öffentlichkeitsarbeit folgende Ziele unterstützen: • Bekanntheit aufbauen: Durch PR-Maßnahmen können direkt oder über Mitteilungen in den Medien ein Produkt, eine Dienstleistung, eine Person, ein Unternehmen oder eine Idee bekannt gemacht werden. • Glaubwürdigkeit und Vertrauen aufbauen: Durch Öffentlichkeitsarbeit kann z.B. die Glaubwürdigkeit einer Botschaft dadurch erhöht werden, daß sie in einem journalistischen Kontext angeboten wird. • Motivation der Mitarbeiter (speziell auch des Außendienstes) und des Handels: So kann z.B. durch eine frühzeitige Pressearbeit der Handel bereits über Fach-
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4. Das Kommunikations-Programm
medien über ein neues Produkt informiert werden Dies kann die Arbeit des Außendienstes erheblich erleichtern. • Kosten der Absatzförderung niedrighalten: PR ist ein relativ günstiges Instrument im Vergleich zu den anderen absatzfördernden Kommunikationsinstrumenten. Je geringer das Budget eines Unternehmens ist, desto mehr spricht für den Einsatz von PR, um kommunikative Ziele bei den Zielpersonen zu erreichen (vgl. Kotler & Bliemel, 2001, S. 912 f. u. S. 1010). • Unterstützung anderer Kommunikationsinstrumente: Durch Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit können die Wirkungen anderer Instrumente insbesondere z.B. Sponsoring und Eventmarketing gesteigert werden. Aus einer eher allgemeinen Perspektive von Öffentlichkeitsarbeit könnten u.a. die Ziele sein: Erleichterung der Kapitalbeschaffung, höhere Motivation und Loyalität der Mitarbeiter, größere Akzeptanz im regionalen Umfeld und Kommunizieren der Identität eines Unternehmens (vgl. Reineke & Eisele, 1994, S. 86 f.) Ein weiterer und strategisch entscheidender Schritt ist die Bestimmung der relevanten Teilöffentlichkeiten bzw. Dialoggruppen. Zentrale Frage ist: Mit welchen Teilöffentlichkeiten trete ich in Beziehung, um die Ziele der Unternehmung und in diesem Fall insbesondere die marketingpolitischen Ziele zu erreichen. Zur Identifizierung kann man allgemein von sogenannten Dialogfeldern ausgehen, die eine Orientierungshilfe darstellen. Dies können sein: • mitarbeiterbezogene Kommunikationspolitik (Human Relations), • organisationsinterne, z.B. verbandsinterne Kommunikationspolitik (Internal Relations), • Medien, • Kommunikationspolitik im lokalen Umfeld (Standort-PR), • Kommunikationspoltik gegenüber Behörden und anderen öffentlichen Institutionen (Governmental Relations), • marktgezielte Kommunikationspolitik (Product Publicity), • Finanz-Kommunikation (Financial Relations), • personenbezogene Kommunikationspolitik (Personality Relations), • identitätsfördernde Kommunikation (Corporate Identity) • und breite externe Kommunikation (vgl. Dörrbecker & Fissenewert-Goßmann, 1996, S. 61 f.). Eine marketingorientierte Öffentlichkeitsarbeit wird sich dabei primär auf jene Teilöffentlichkeiten konzentrieren, die direkten oder indirekten Einfluß auf den Absatz haben. Dies sind natürlich insbesondere Kunden und potentielle Kunden, aber darüber hinaus z.B. auch Interessengruppen, die das Image oder direkt die
4.4 Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) und Publicity
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Marktstellung positiv oder negativ beeinflussen können und/oder Multiplikatoren, Experten und Meinungsführer. Die identifizierten relevanten Dialoggruppen müssen möglichst genau beschrieben werden. Dazu können soziodemographische, geographische, sozialpsychologische und Lifestyle-Kriterien herangezogen werden. Jede dieser definierten Teilöffentlichkeiten braucht eine spezifische Form der Ansprache sowohl auf der kognitiven als auch der affektiven Ebene. Reineke und Eisele (1994, S. 88) nennen einige wichtige Fragestellungen bei der Auswahl von Teilöffentlichkeiten: Soll informiert oder kommuniziert werden? Welche Gruppen sind beteiligt, welche nicht? Spreche ich die Teilöffentlichkeiten direkt an oder über Meinungsbildner? Gibt es Prioritäten bei den Teilöffentlichkeiten und kann ich bestimmte Dialoggruppen zusammenfassen? Welche Teilöffentlichkeiten unterstützen mich, wer ist Gegner meiner Überzeugungstrategie? Insbesondere bei der Medienarbeit ist es von Bedeutung zwischen primären und sekundären Zielgruppen zu differenzieren. Da die Medien primär als Verbreitungsinstrument von Botschaften gesehen werden, ist zu klären, welche Dialoggruppen mit welchen Medien erreicht werden können. In einem weiteren Schritt ist dann auf die Bedürfnisse der einzelnen Medien einzugehen. Ein undifferenziertes Vorgehen würde nur die Beziehungen zu den Medien gefährden und nicht zum Erreichen der angestrebten Ziele beitragen. Jedes Unternehmen befindet sich in einer individuellen Situation, und deshalb müssen auch die Dialoggruppen individuell aus dem Beziehungsspektrum einer Unternehmung ausgefiltert und nach ihren Potentialen angepaßt werden. In engem Zusammenhang mit der Definition der Zielgruppen geht die inhaltliche Positionierung einher. Die entsprechende Positionierung und Public RelationsBotschaften legen fest, welche Inhalte kommuniziert werden sollen und welches Bild der Unternehmung oder des Angebotes sich in den Köpfen der Dialogpartner festsetzen soll. Diese Botschaften müssen auf die Adressaten zugeschnitten sein, einerseits hinsichtlich ihrer kommunikativen Kompetenz, um eine Verständigung erst zu ermöglichen und zu erleichtern, andererseits in Bezug auf ihre Erwartungen, Interessen und Motivation. Klenk (1996) bemängelt jedoch, daß sich PRVerantwortliche in der Praxis bis dato kaum mit diesem wichtigen strategischen Faktor der Unternehmens-Positionierung auseinandergesetzt haben, obwohl seiner Ansicht die Notwendigkeit einer differenzierenden Positionierung in immer wettbewerbsintensiveren Märkten zunimmt. Aufbauend auf den ersten drei strategischen Schritten Zielformulierung, Festlegung der Dialogpartner und Definition der inhaltlichen Positionierung kann in einem vierten Schritt an die strategische Umsetzung gegangen werden. Bei diesem Schritt wird festgelegt, mit welchen Maßnahmenpaketen und in welcher Art und
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4. Das Kommunikations-Programm
Weise mit den Dialoggruppen kommuniziert werden soll. Die Festlegung des Kräfteeinsatzes bestimmt die Transportmittel für die Botschaften und formuliert den Weg zur Erreichung der Ziele. Hier findet eine Konzentration auf die entscheidenden zielführenden Maßnahmenbündel statt, es geht noch nicht um Entscheidungen über Einzelmaßnahmen. Reineke und Eisele (1994, S. 89) unterscheiden in diesem Kontext zwischen kommunikativen Global- und Detailstrategien. Die Globalstrategien bestimmen nach ihrer Sichtweise den grundlegenden Inhalt und die allgemeine Form der Kommunikation, wie z.B. regionale Orientierung, Art des Umgangs mit der Öffentlichkeit, Einsatz kreativer Instrumente, während die Detailstrategie schon konkret den Charakter einzelner Maßnahmen bestimmt. Dieser strategische Rahmen bildet damit eine Klammer zwischen den Zielen und der operativen Ebene, der Taktik. Man kann die Kommunikationstaktik als den strategiegerechten Gebrauch von einzelnen in Projekte oder Teilprojekte gegliederte Maßnahmen verstehen.
4.4.2.2 Selektion der Instrumente Öffentlichkeitsarbeit verfügt heute über eine Vielzahl von Instrumenten, mit denen Kommunikationsprozesse mit den Dialoggruppen/Zielpersonen angestoßen und in Gang gehalten werden können. Die Selektion orientiert sich dabei an den strategischen Rahmenanforderungen und auch an den vorgegebenen finanziellen und personellen Ressourcen eines Unternehmens oder für eine spezielle PR-Aktion. Die Auswahl der Instrumente ist mitentscheidend dafür, wie intensiv der Dialog mit den Zielgruppen geführt werden kann. Obwohl die Bedeutung einer dialog- und erlebnisorientierten Kommunikation an Bedeutung gewinnt, hat dennoch auch heute noch die Presse- und Medienarbeit einen hohen Stellenwert. Medien haben im System der Massenkommunikation eine zentrale Rolle. Im redaktionellen Teil plazierte Botschaften von Massenmedien haben eine relativ hohe Akzeptanz bei den Mediennutzern, denn von der Öffentlichkeit werden die Medien im wesentlichen als neutrale und objektive Instanz gesehen und genießen im Vergleich zur Werbung eine wesentlich höhere Glaubwürdigkeit. Voraussetzung für eine professionelle Medienarbeit ist die genaue Kenntnis der Medienlandschaft und ihrer Strukturen sowie der journalistischen Arbeitsweise. Bei der Zusammenarbeit mit den Journalisten und Redakteuren ist deren Arbeitsweise und Selektionsverhalten zu berücksichtigen. Sie sollten als professionelle Gesprächspartner gesehen werden. Wichtig ist vor allem auf die sechs Nachrichten-W’s einzugehen: • • • •
Wann: Wo: Wer: Was:
- Aktualität - Nähe - Öffentliche Bedeutung - Folgenschwere, Dramatik, Kampf
4.4 Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) und Publicity
• Wie: • Warum:
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- Kuriosität - Liebe, Gefühl, Fortschritt (vgl. Pauli, 1993, S. 103).
Journalisten erhalten eine Vielzahl an Informationen: Aktualität und Relevanz der Themenangebote sind u.a. wichtige Selektionskriterien für sie. Bei der Planung und dem Einsatz der einzelnen Instrumente der Pressearbeit sind eine Vielzahl von Regeln, Organisationsabläufen und inhaltlichen Aspekten zu berücksichtigen (vgl. hierzu u.a. Förster, 1991, Fetscherin, 1990). Neben dem Weg über die Medien steht der Öffentlichkeitsarbeit eine Reihe von schriftlichen und audiovisuellen Kommunikationsmitteln zur Verfügung, die in eigener Regie herausgegeben werden. Beispiele dafür sind u.a. Geschäftsberichte, Kundenzeitschriften, Imagebroschüren etc. Dadurch können Informationen ungefiltert an die Zielgruppen weitergegeben werden. Zudem lassen sich Streuverluste weitgehend reduzieren, da oft die Adressaten genau bestimmt sind. Auch durch die zunehmende Verbreitung von privaten Hörfunk- und Fernsehanbietern gewinnen die audiovisuellen Medien (AV) für die Public Relations-Arbeit zunehmend an Bedeutung. Die Produktion von Rundfunk- und TV-Beiträgen als eine Form der redaktionellen Ansprache nimmt immer mehr Raum ein, dies trifft auch für DiaShows, Videoclips oder Imagefilme zu. Viele Unternehmen nutzen auch die neuen Medien, um PR-Botschaften zu verbreiten. Dies kann in Form einer CD-ROM sein, die Informationen über das Unternehmen enthält oder den Geschäftsbericht interaktiv aufbereitet oder durch eine Homepage im Internet. Ein weiteres Aktionsfeld der Öffentlichkeitsarbeit ist die Aktions- und Veranstaltungskommunikation. Sie erlaubt eine unmittelbare Ansprache der Dialoggruppen. Seminare, Symposien, Ausstellungen, Präsentationen oder Podiumsdiskussionen, Kongresse oder „Tage der offenen Tür“ sowie aktionsorientierte Formen wie Wettbewerbe sind hierfür Beispiele. Diese Instrumente sind jedoch sehr zeit- und organisationsintensiv. Veranstaltungen, z.B. Betriebsversammlungen, Feiern, stellen auch im Rahmen der internen Kommunikation einen bedeutenden Faktor dar. Klassisches Medium der internen Kommunikation (Human Relations) ist die Mitarbeiterzeitschrift. Sie soll einem reibungslosen Informationsfluß im Unternehmen dienen. Auch für dieses Instrument ist die Glaubwürdigkeit von zentraler Bedeutung. Sachliche Information, Themenvielfalt und eine an den Mitarbeitern orientierte Gestaltung und Sprache bilden die handwerkliche Basis dieses Mediums. Nach wie vor ist auch das „Schwarze“ Brett ein Mittel für den schnellen Informationsfluß. Auch im Bereich der internen Kommunikation hat die personale Kommunikation einen hohen Rang. Sie ermöglicht einen unmittelbaren und auf direkten Meinungsaustausch angelegten Dialog. Dieses überwiegend klassich geprägte Instrumentarium bildet die Basis für die Maßnahmenplanung. Es kann durch neue, kreative Ideen und ungewöhnliche Zusammenstellungen bekannter PR-Instrumente erweitert und situationsspezifisch
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4. Das Kommunikations-Programm
angepaßt werden. Hilfsmittel für die Zuordnung von PR-Instrumenten bzw. Mitteln und Maßnahmen zu den jeweiligen Dialoggruppen ist eine Kommunikationsmatrix. Sie zeigt übersichtlich, welche Instrumente welche Dialoggruppen ansprechen sollen.
Externorientierte
Presseund Medienarbeit
- Pressekonferenz - Pressemitteilung/Pressefoto - Journalistenreise - Redaktionsbesuch - Interview - Leserbriefe - PR-Anzeigen
Kommunikation mit Print- und AV-Medien
- Geschäftsbericht - Imagebroschüren - Unternehmensfilme - Unternehmens-CD-ROM - Internet-Präsenz - Kundenzeitschriften
Aktions- und Veranstaltungskommunikation
- Tag der offenen Tür - Ausstellungen - Events - Diskussionsveranstaltungen - Messe-PR - Einweihungen
Instrumente
Internorientierte Instrumente
- Mitarbeiterzeitung - Informationen für einzelne Mitarbeitergruppen - Intranet-Angebot - Hausmitteilungen - Das Schwarze Brett - Firmenbroschüren für neue Mitarbeiter und Angehörige - Mitarbeitergespräche - Betriebsversammlungen
Abbildung 4-24: Ausgewählte Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit
4.4 Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) und Publicity
241
Dialoggruppen Kommuni-
Journalist
Mitarbeiter
Aktionäre
Kunden
Politiker
Messebesucher
kationsmittel
Pressekonferenz Podiumsdiskussion Geschäftsbericht Ausstellung Mitarbeiterzeitschrift Imagebroschüre Image-Anzeigen Tag der offenen Tür
Abbildung 4-25: Beispiel für eine Kommunikations-Matrix im PR-Bereich Bei der Budgetierung von PR-Aktivitäten sind im wesentlichen folgende Kosten zu berücksichtigen: • Aktionskosten (z.B. für Pressekonferenzen, Tag der öffenen Tür), • Produktionskosten (z.B. für Broschüren, Imagefilme), • Mediaschaltungskosten (z.B. für Imageanzeigen, Versand von Presseinformationen), • Kreativ- und Beratungskosten, • Reisekosten, Spesen und Bewirtung, • Dokumentation und Marktforschung, • Kontinuierliche Kosten (z.B. Zeitschriftenabos, Ausschnittdienst), • Verwaltungs- und Bürokosten.
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4. Das Kommunikations-Programm
4.4.2.3 Integration und Realisierung PR als Instrument sowohl der Unternehmensdarstellung als auch im Dienst einer produkt-orientierten Öffentlichkeitsarbeit muß in das gesamte KommunikationsMix einer Unternehmung integriert werden im Sinne einer ganzheitlichen Präsentation nach innen und außen. Diese Integration und Koordination mit den anderen Instrumenten muß vor allem im thematischen Bereich und in zeitlicher Hinsicht erfolgen. Bruhn (1997, S. 589 ff., 2003b, S. 370 u. 375) unterscheidet hierbei zwei Ebenen der Integration. Die interinstrumentelle Integration umfaßt die Koordination mit den anderen Kommunikationsinstrumenten, die intrainstrumentelle Integration bezieht sich auf die Integration der Einzelmaßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit. Die interinstrumentelle Integration gliedert sich dabei nach Bruhn (ebenda) in drei Schritte: a) Ermittlung des Stellenwertes der PR im Kommunikations-Mix, b) Darlegung des funktionellen und zeitlichen Zusammenhangs mit den anderen Kommunikationsinstrumenten, c) Integration der PR mit den anderen Instrumenten. Insbesondere aufgrund der vielfältigen Maßnahmen der Public Relations kommt auch der intrainstrumentellen Integration eine besondere Bedeutung zu, um ein einheitliches Erscheinungsbild des Unternehmens in der Öffentlichkeit sicherzustellen. Zwei Entscheidungsdimensionen sind hierbei zu berücksichtigen: • die konzeptionell-inhaltliche Dimension und • die gestalterische Dimension. Mit der Realisierung beginnt die praktische PR-Arbeit, und diese muß sehr sorgfältig realisiert werden. Auch der Durchführung muß die gleiche Aufmerksamkeit gewidmet werden, wie der sorgfältigen Planung. PR-Fachleute benötigen ein gutes Gespür für das Detail und für schnelle Lösungen, wenn etwas nicht planmäßig verläuft. Insbesondere eine permanente Anpassung an sich veränderte endogene oder exogene Faktoren kann zu einer Modifikation der Ursprungsplanung führen und erforderlich machen. Exemplarisches Beispiel hierfür war die Situation bei Shell. Dieses Unternehmen startete gerade eine Imagekampagne, um seine gesellschaftliche Verantwortung zu kommunizieren. Durch die äußerst erfolgreiche PR-
4.4 Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) und Publicity
243
Kampagne von GREENPEACE hinsichtlich der Versenkung einer Ölplattform in der Nordsee, mußte die Planung und Umsetzung kurzfristig modifiziert werden.15 Eine wesentliche Aufgabe in der Durchführungsphase besteht darin, die festgelegten Kommunikationsinhalte in richtiger Verpackung an exakt definierte Zielgruppen zu vermitteln. In diesem Kontext ist dann zu fragen, welche dieser Aufgaben durch das Unternehmen übernommen werden sollen und welche sollen an externe Dienstleister – PR-Agenturen – delegiert werden. Das Leistungsspektrum derartiger Dienstleister ist sehr unterschiedlich. Es gibt auf der einen Seite freie Berater, die einzelne und isolierte Dienstleistungen aus dem PR-Bereich anbieten. Auf der anderen Seite gibt es PR-Agenturen, die das gesamte Spektrum der PR anbieten, von der strategischen und konzeptionellen Beratung bis zur Übernahme sämtlicher PR-Aufgaben. Bei der Auswahl externer Partner für das Aufgabenfeld Öffentlichkeitsarbeit können folgende Kriterien herangezogen werden: • Leistungsangebot: Entspricht das Tätigkeits- und Arbeitsgebiet der Agentur den Anforderungen des Unternehmens? • Erfahrung: Welche Referenzen kann die Agentur vorweisen? • Service: Stehen Beratungsangebot und PR-Aufgabe in einem angemessenen Verhältnis? • Glaubwürdigkeit: Weist die Agentur einerseits die angemessene Kritikfähigkeit auf und andererseits auch das notwendige Maß an Solidarität mit den Interessen des Unternehmens. In Tabelle 4-5 werden Vor- und Nachteile des Einsatzes externer PR-Spezialisten gegenüber gestellt.
15
Ein anderes dramatisches Beispiel ist die Auswirkung, die der sogenannte „Elch-Test“ und die damit verbundene umfangreiche Publizität auf die Einführungskampagne der A-Klasse von Mercedes-Benz hatte.
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4. Das Kommunikations-Programm
Tabelle 4-5: Vor- und Nachteile interner und externer PR-Spezialisten (nach Pauli, 1993, S. 194) Potentielle Vorteile Interner PR-Spezialist
Potentielle Nachteile
- Detaillierte Kenntnisse vom Unternehmen
- Fehlende Distanz zu den Inhalten der Berichterstattung (Hofberichterstattung)
- Kontinuität in der PR-Arbeit
- Geringere apparative Möglichkeiten
- Kurze Informationswege
- Abhängigkeit von der Unternehmenshierarchie - Mangelnde Akzeptanz gegenüber Journalisten Externer PR-Spezialist
- Distanz zu internen Hierarchien und Abläufen - Optimale personale und apparative Ausstattung - Weitläufige Kontakte zur Medienszene
- Oft mangelnde Einbindung in den Informationsfluß - Die Identifikation mit dem Unternehmen und seinen Angeboten ist nicht gesichert
- Anerkennung in der Branche
4.4.2.4 Erfolgskontrolle Die Erfolgskontrolle oder Evaluation ist der Bereich in der PR-Praxis, der derzeit mit vielen Fragezeichen behaftet ist. Dies läßt sich einerseits auf Versäumnisse in der Planungsphase zurückführen, wie etwa das Fehlen formulierter operationaler Zielen oder einer genauen Definition von Teilöffentlichkeiten, andererseits liegt das Problem jedoch auch in der Schwierigkeit, Wirkungen zuordnen zu können und sozialwissenschaftliche Methoden zu entwickeln, welche diese Wirkungen isoliert messen können (vgl. Kirchner, 1996, S.51). In der Praxis beschränkt sich die Erfolgskontrolle häufig auf das Sammeln von Zeitungsausschnitten (Clippings).
4.4 Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) und Publicity
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Tabelle 4-6: Dokumentation der PR-Tätigkeit (Quelle DPRG-Mitgliederumfrage 1990, zitiert nach Pauli, 1993, S. 186) Vorgehensweise Presse-Clippings mit Auflagenberechnung Presse-Clippings ohne Auflagenberechnung Allgemeine Berichte Überhaupt nicht Keine Angabe
%-Angaben 26,2 % 26,0 % 56,6 % 9,6 % 10,0 %
Dieses Evaluationsdefizit läßt sich partiell anhand folgender Aussagen, die sich in der Realität finden, begründen: • Viele PR-Praktiker sind möglicherweise unsicher hinsichtlich des Ergebnisses der Messung und fassen diese unbewußt als unangemessene Kontrolle auf.. • Die Wirkungen der Public Relations-Programme können angeblich (nach Praktikersicht) nicht gemessen werden. • Traditionelle Formen des Messens wie Clipping und Plazierung sollten die gängigsten Wege bleiben, um PR-Programme zu evaluieren. • Die Kosten der Messung gelten als das größte Hindernis. Ein Modell zur Evaluation von Public Relations hat Macnamara entwickelt, das hier in Anlehnung an Noble vereinfacht dargestellt wird (Macnamara, 1992, Noble, 1995). Anhand einer Pyramide werden drei unterschiedliche Meßebenen differenziert. Inputs bezeichnet die Stufe der Evaluierung, in der meßbare Erfolgskriterien spezifiziert werden und die Angemessenheit der Sprache, Verständlichkeit, etc. überprüft wird (formative Evaluierung). Auf der Ebene des Outputs geht es um die Überprüfung der Reichweiten in den anvisierten Teilöffentlichkeiten, sie gibt jedoch noch keine Auskunft darüber, welche Wirkung dies auf die Teilöffentlichkeiten bzw. Dialoggruppen hat. Die Ergebnisebene, die sogenannten Results, stellt die Spitze der Pyramide dar. Hier stellt sich die Frage, wie man die Wirkung von externen Faktoren isolieren kann, um die Wirkung des eigenen Programms erfassen zu können. Ähnlich differenziert auch Lindenmann (1993) drei Ebenen auf denen Wirkungen gemessen werden können. Notwendige Voraussetzung dafür sind erstens die Definition der Ziele für die PR-Arbeit, um dann festzulegen, auf welcher Ebene die Erreichung der Ziele kontrolliert werden soll. Auf der Output-Ebene (Basic Level) wird dokumentiert, was man getan hat (z.B. Besuch der Pressekonferenz, Plazierung von Pressemitteilungen). Auf der zweiten
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4. Das Kommunikations-Programm
Ebene, den Outgrowths (Intermediate Level), wird analysiert, ob den Botschaften Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde, ob die Inhalte verstanden, aufgenommen und gemerkt wurden. Auf der letzten Ebene, den Outcomes (Advanced Level), geht es um Einstellungs-, Meinungs- und Verhaltensänderung (vgl. hierzu auch Naundorf, 1996).
Ziel erreicht Anzahl der Personen, die das gewünschte Verhalten zeigen Ergebnisse Anzahl der Personen, die ihre Einstellung ändern Anzahl der Personen, die die Botschaft wahrnehmen bzw. darüber nachdenken Anzahl der erreichten Personen Output Anzahl der plazierten Botschaften, die die Ziele unterstützen Anzahl der in einem Medium plazierten Botschaften Anzahl der ausgesandten Boschaften Input Qualität der Präsentation der Botschaften Eignung des Mediums Angemessenheit der Hintergrund-Informationen, des Wissens und der Forschung
Abbildung 4-26: Evaluationspyramide von Macnamara (in Anlehnung an Kirchner, 1996)
4.4 Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) und Publicity
247
Die systematische Prozeßkontrolle (formative PR-Evaluation) und Soll-IstVergleiche unter Effizienz- und Effektivitäts-Aspekten (summative PREvaluation) sind wichtige Teilaufgaben der PR-Evaluation. Ergänzend zu einer solchen Evaluation kann auf Aspekte des Kommunikations-Audit zurückgegriffen werden. Ein solch elaboriertes Kontrollsystem hat zumindest drei zentrale Funktionen: a) Monitorfunktion: dem Auftraggeber und sich selbst ein Bild des erzielten Ergebnisses zu geben; b) Steuerungsfunktion: Zwischenergebnisse im Fortgang der Arbeit zu markieren; c) Trainingsfunktion: sich und andere ständig weiterzubilden (Reineke & Eisele, 1994, S. 108). Neuerdings wird auch versucht über Benchmarking die Prozesse und Ergebnisse im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit zu verbessern (vgl. hierzu Lawrence & Braun, 1996) Ob die Öffentlichkeitsarbeit oder das Public Relations-Management in der Realität einer langfristig angelegten Kommunikation über die gesamte Unternehmung bei höchst möglicher Offenheit tatsächlich gerecht wird, ist eher fraglich. Es ist immerhin auffallend, daß in dem wohl weltweit bekanntesten und am meisten verbreiteten Marketing-Lehrbuch: Kotler und Bliemel (2001) die Public Relations zusammen in einem Kapitel mit der Verkaufsförderung behandelt werden. Es gibt kaum zwei Marketing-Instrumentalbereiche, die sich von der Zielsetzung so sehr unterscheiden: die Verkaufsförderung ist ein ausschließlich an kurzfristigen Marktreaktionen ausgerichteter Aktionsbereich. Ziel im kommerziellen Marketing ist die kurzfristige Realisation von zusätzlichem Umsatz. Öffentlichkeitsarbeit oder Public Relations sind an langfristiger Imagepolitik ausgerichtet und haben kaum einen direkten Bezug zur Umsatzerzielung. Soweit die wohl weit verbreitete Lehrmeinung. In der Marketing-Realität werden Public Relations wohl häufig auf Publicity verkürzt (vgl. Kapitel 4.4.3 und 4.4.4).
4.4.2.5 Strategien der Krisen-PR Auslöser einer intensiven Auseinandersetzung mit Krisen-PR waren u.a. die Tylenol-Krise der amerikanischen Unternehmung Johnson & Johnson im Jahr 1982 und der Brand 1986 bei der Basler Sandoz AG. Durch die zunehmende öffentliche Exponiertheit von Unternehmen müssen heute Manager aus nahezu allen Branchen mit potentiellen krisenhaften Entwicklungen rechnen. Krisen können an Anlehnung an Krystek (1989, S. 6) als ungeplante und ungewollte Prozesse von begrenzter Dauer und Beeinflußbarkeit sowie mit ambivalentem Ausgang beschrieben
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4. Das Kommunikations-Programm
werden. Sie sind in der Lage, den Fortbestand des gesamten Unternehmens substantiell und nachhaltig zu gefährden oder sogar unmöglich zu machen. Krisenmanagement ist grundsätzlich die Bewältigung der Unternehmenskrise per se, Aufgabe der Krisen-PR - als integralem Bestandteil des Krisenmanagements ist es, die flankierende öffentliche Vertrauenskrise zu verhindern oder zu überwinden (Hauser, 1994 S.12). Sie ist darauf ausgerichtet „Glaubwürdigkeit zu bewahren - wenn sie noch vorhanden ist - oder - und dies ist die viel schwierigere Aufgabe - zurückzugewinnen“ (Lambeck, 1992, S. 9). Die Krisen-PR wird dabei geprägt von der Auseinandersetzung zwischen sogenannten Krisen-Intensivierern (z.B. Interessengruppen, Medien) und dem PR-Management des betroffenen Unternehmens. Dabei kann die entscheidende Anfangsphase differenziert werden in: • Phase des Schocks/der Bestürzung/der Überraschung, • Phase der ungenügenden Information (der Unternehmung/der Öffentlichkeit), • Phase des Eskalierens der Ereignisse (Beginn der Medienrecherche) (vgl. Schneider, 1989, S. 120). In dieser Phase ist die Entscheidung über die zu wählende Strategie der Krisen-PR als Bestandteil der allgemeinen Krisenstrategie zu treffen. Generell lassen sich zwei Strategie-Typen unterscheiden. Die zurückhaltend-defensive Strategie geht von der Annahme aus, daß jeder weitere Impuls zu einer Verstärkung des Themas in der Öffentlichkeit führt und deshalb zu vermeiden ist. Die zweite Strategie geht dagegen davon aus, die Krise aufzubereiten und den relevanten Dialoggruppen die Ursachen und Konsequenzen dieser Krise zu verdeutlichen. Hauser (1994, S. 61) kommt zu dem Ergebnis, „daß ausschließlich offene, unverblümte Krisen-PR-Strategien, welche neben ethischen die Grundsätze der Offenheit, Wahrheit und Vollständigkeit verinnerlichen, imstande sind, Vertrauensschäden zu begrenzen und der elementaren Forderung aller modernen Verhaltensstrukturen nach Öffentlichkeit zu entsprechen.“
Krisen-PR-Strategien
zurückhaltend, defensiv, „Tauchstation“
offensiv, Aufbereitung
Abbildung 4-27: Krisen-PR-Strategien (in Anlehnung an Hauser, 1994, S. 15)
4.4 Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) und Publicity
249
In ähnlicher Weise charakterisiert Pauli (1993, S. 169) fünf schwerwiegende Fehler im Rahmen einer Krisen-PR: a) Pure Information statt Kommunikation, b) Kosmetische und nicht wahrheitsgemäße Information, c) Verschleierungstaktik durch nicht verständliche und begreifbare Fachtermini, d) Beschönigen, Herunterspielen statt Ehrlichkeit, e) „Alles im Griff-Mentalität“ an Stelle von Bescheidenheit.
4.4.3 Publicity Publicity kann sich auf die gesamte Organisation beziehen. Es werden Anlässe geschaffen, um Medien zu veranlassen, über die Organisation zu berichten. Dann haben wir einen engen Bezug zu Public Relations und zum Event Marketing. Wir kennen auch die Spielart der „Product-Publicity“, die man von Public Relations trennen sollte; sie steht in engerem Bezug zur Werbung. Im Rahmen einer Product-Publicity findet eine konkret produktbezogene Kommunikation statt, jedoch nicht in der Form der Werbung, bei der für die Leser deutlich wird, daß eine gezielt beeinflussende Botschaft vorliegt. Im Rahmen der Product-Publicity werden im Umfeld eines Produktes Ereignisse „geschaffen“, über die die Medien berichten. So wurde beispielsweise die Schweizer Markenuhr „SWATCH“ dadurch in ihrer Einführungsphase unterstützt, daß an einem bekannten Frankfurter Bankhaus eine überdimensionale SWATCH-Uhr angebracht wurde. Dieses geschah in einer dermaßen publikumsträchtigen Weise, daß darüber in den Medien berichtet wurde. Eine abgemilderte Form dieser Publicity ist die Zusendung von Produktinformationen an die Redaktionen der Publikumszeitschriften, die in der Regel auf Ratgeberseiten oder in ähnlichen Rubriken veröffentlicht werden. Die Redaktionen erhalten dazu Produktinformationen allgemeiner Art, um zur Veröffentlichung anzuregen; dazu einen Textvorschlag und in der Regel einige Produktaufnahmen zur Veröffentlichung. Je besser Textvorschlag und Fotos den Belangen der jeweiligen Zeitschrift angepaßt werden, um so größer ist die Möglichkeit, den Text mit wenig oder keinen Änderungen erscheinen zu lassen. In die Pressetexte werden häufig bereits die späteren Werbeaussagen integriert. Für die Leser erscheinen diese Informationen als neutrale, redaktionelle Bestandteile der Zeitschriften. In einer Frauenzeitschrift stößt eine Verbraucherin unter der Überschrift „Cosmetic News“ auf einen kleinen Bericht über ein neues Präparat der Firma „X“, das eine Reihe interessanter Eigenschaften aufweist: Sie erfährt dort, daß der Alterungsprozeß der Haut durch die Zerstörung von Hautzellen unter täglicher Belas-
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4. Das Kommunikations-Programm
tung eingeleitet wird. Normalerweise regenerieren sich Hautzellen, insbesondere in Phasen der Ruhe unter Ausschluß äußerer Reize, also tatsächlich im Schlaf. Die natürliche Regenerationsfähigkeit der Haut läßt jedoch mit zunehmendem Alter, bei der Frau ab etwa 30 Jahren, nach. Das neue Produkt der Firma „X“ besteht aus einer Tinktur, die dazu in der Lage ist, die Regenerationsfähigkeit der Haut in den Ruhepausen zu stimulieren. Abends vor dem Schlaf aufgetragen, trägt es so zu einer Regeneration zerstörter Hautzellen bei. Das Produkt unter der Bezeichnung „XY“ wird näher erläutert, seine Wirkung plausibel erklärt, außerdem ist die Flasche mit der Emulsion abgebildet. Die Textinformation schließt mit dem Hinweis, daß das Präparat unter der Bezeichnung „XY“ zum Preis von ca. 35,-- Euro in Kürze in Drogerien und Parfümerien erhältlich sein wird. Dieser Artikel dürfte von einer Vielzahl interessierter Frauen aufmerksam gelesen werden, betrifft sein Inhalt doch ein aus deren Sicht wichtiges Thema. Zudem wird dem Bericht relativ hohe Glaubwürdigkeit zugeschrieben, da er offensichtlich die Meinung der vermutlich kompetenten Kosmetikredaktion der „eigenen“ Frauenzeitschrift widerspiegelt, die kaum ein kommerzielles Interesse an diesem Produkt haben dürfte. Was die Verbraucherin nicht weiß und vermutlich nicht wissen kann, ist die Tatsache, daß diese Informationen in der Marketing-Abteilung oder Werbebzw. „Public Relations“-Agentur der Firma „X“ entstanden ist. Von dort aus wurde die Information an die Redaktionen wichtiger Frauenzeitschriften (der Frauenzeitschriften, die von der Zielgruppe genutzt werden, also möglicherweise Frauen zwischen 30 und 50 Jahren, mit einem bestimmten Einkommen und überdurchschnittlichem Interesse an Kosmetik) mit der Bitte um Veröffentlichung verschickt. In den Fachredaktionen der betreffenden Zeitschriften wird die Information lediglich danach beurteilt, ob sie für die Leserschaft von Interesse ist. Diese Frage dürfte bei dem hier angesprochenen Kosmetikprodukt für Frauenzeitschriften auf jeden Fall positiv zu beantworten sein. Somit bestehen für „X“ gute Chancen, daß die Botschaft einschließlich einer Produktabbildung, wenn auch vielleicht mit einigen redaktionellen Veränderungen, erscheint. Ein weiteres Entscheidungskriterium zur Veröffentlichung ist für die Redaktionen das Image des Absenders (also der Firma „X“) den Redaktionen selbst gegenüber, also Erfahrungen aus der Zusammenarbeit in der Vergangenheit. Waren die Informationen, die man in der Vergangenheit erhalten hat, seriös, gab es dort negative Reaktionen seitens der Leserschaft, welchen Ruf hat die Werbe- oder Public Relations-Agentur? Die Beantwortung dieser Fragen kann gleichfalls die Veröffentlichung beeinflussen. Teilweise werden Veröffentlichungen dieser Art auch vom Hersteller honoriert und erscheinen dann unter einer Sammelüberschrift für mehrere derartige Veröffentlichungen wie „Promotions“, „Public Relations“ oder auch „Anzeigen“ oder „Werbung“. Dabei bleibt dennoch ein redaktioneller Charakter der Botschaft erhalten. Es ist wohl eher eine Frage der Etikettierung, ob diese Form der Marktkommunikation noch als „Public Relations“, als „Product Publicity“ oder schon als eine Form der Werbung angesehen wird.
4.4 Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) und Publicity
251
Für Verbraucher erscheint diese Art der Berichterstattung als relativ frei von ökonomischen Interessen und daher als glaubwürdig (in dem zuletzt angesprochenen Fall mit entsprechender Kennzeichnung, reduziert sich dieser Effekt entsprechend) meistens auch als ausreichend kompetent, insgesamt also als wahr. Redaktionelle Informationen werden zudem weit intensiver gelesen als Anzeigen, eignen sich also in stärkerem Maße zur Erläuterung komplexer Sachverhalte. Das gewählte Beispiel wäre damit in besonderem Maße für diese Art der Kommunikation geeignet. Trotz relativ hoher Glaubwürdigkeit und intensiverem Lesen muß das Management davon ausgehen, daß auch diese Botschaft nach einmaligem Lesen wieder ein wenig in Vergessenheit gerät. In der nächsten Ausgabe der Zeitschrift und vielleicht auch in einer anderen Zeitschrift findet die Verbraucherin jedoch Anzeigen für das Produkt „XY“. Diese werden nun ohne jeden Zweifel als Werbung erkannt. Dennoch haben diese Anzeigen wesentlich höhere Chancen, akzeptiert zu werden, als wenn die Betrachter „unvorbereitet“ auf diese Werbung gestoßen wären. Entscheidend dafür ist, daß die Leserinnen der Anzeige erkennen, daß ihr Inhalt im wesentlichen mit einer vorher erhaltenen Information übereinstimmt, und daß die Identität der in beiden Botschaften beschriebenen Produkte erkannt wird, unabhängig davon, daß die Botschaft in der Anzeige in starkem Maße auf das wesentliche komprimiert wurde (wir werden noch zeigen, daß ein wesentliches Merkmal wirksamer Anzeigenwerbung die Reduktion, die Verdichtung von Informationen auf ihren wesentlichen Kern ist). Wenn die Betrachter der Anzeige den Zusammenhang mit der vorher intensiv gelesenen Product Publicity (auch wenn nicht als solche erkannt) erkennen, dann bestehen gute Chancen dafür, daß durch die Anzeige die vorher umfassendere Botschaft wieder in Erinnerung gerufen wird. Diese gewünschte Assoziation kann durch einige Maßnahmen gefördert werden: Eine leicht erlernbare und charakteristische, unverwechselbare Produktbezeichnung „XY“ oder eine besondere charakteristische und unverwechselbare Gestaltung der Produktverpackung, in diesem Fall der Flasche mit besagter Emulsion. Es ist deshalb nicht ratsam, in Werbung und Product Publicity identische Fotos zu verwenden, da sonst der kommerzielle Charakter der Product Publicity offensichtlich wird. Bei besonders charakteristischen Merkmalen der abgebildeten Produkte ist die Wiedererkennung jedoch auch bei unterschiedlichen Fotos gewährleistet. Entsprechen die Aussagen der Werbung im wesentlichen (wenn auch stark verkürzt) denen der als neutral eingestuften Berichte und werden die Produkte wiedererkannt, dann kann also durch die Product Publicity eine erhebliche Unterstützung der Werbewirkung eintreten. In der Realität wird die Plazierung der Publicity oft durch spätere Buchung von Werbung erreicht. Das geschieht durch stillschweigende Übereinkünfte und nicht durch vertragliche Vereinbarungen. In den letzten Jahren ist die einfache Form der Product Publicity sehr schwierig geworden, nämlich den Medien Artikel oder kurze Filmbeiträge mit Markennennung zukommen zu lassen. Markennamen werden in den Redaktionen häufig ge-
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4. Das Kommunikations-Programm
strichen (Holscher, 1993, S. 699), da seit 1985 Product- bzw. Markennennungen von den Gerichten häufig als rechtswidrig angesehen werden. Product Publicity gilt als gesetzwidrig, wenn eine Werbewerbsabsicht des Absenders erkennbar ist. Nach Leipziger (1991) gilt Product Publicity als sittenwidrig, wenn ein Artikel den Wettbewerb mit Konkurrenten „unlauter“ beeinflußt. Möglich sind Artikel mit werblichem Inhalt dann, wenn eine Informationsabsicht als erkennbar angesehen wird. Das wird als gegeben unterstellt, wenn Produktneuheiten vorgestellt werden, über Firmen- bzw. Markenjubiläen berichtet wird oder über andere Ereignisse. Unternehmen werden daher eher künstlich Ereignisse schaffen, um darüber berichten zu lassen (Event Marketing). Auch wenn sich unser Beispiel auf den Zeitschriftenbereich bezieht, so ist diese Publicity auch im Beispiel elektronischer Medien insbesondere im TV denkbar.
4.4.4 Product Publicity im Kommunikations-Mix Neben den klassischen Werbeträgern steht Product Publicity als ein Kommunikationsinstrument mit eigenen Gesetzen. Diese ergeben sich allein aus der Tatsache, daß bei Print-TV- und Funkwerbung die Beeinflussungsabsicht des Werbetreibenden für den Empfänger derartiger Botschaften offensichtlich ist. Die Botschaft wird als gezielte Beeinflussung erkannt. Das Ziel derartiger Beeinflussungsversuche ist in jedem Fall, bei den Empfängern ein Verhalten zu bewirken, welches dem Sender der Botschaft, dem Werbetreibenden, zur Gewinnrealisation verhilft. Hieraus ergibt sich ganz zwangsläufig eine Hemmschwelle bezüglich der Beeinflußbarkeit i.S. der erfolgten Kommunikation infolge geringerer Glaubwürdigkeit. Die Resultate einer Reihe von Forschungsarbeiten zu dieser Frage werden von McGuire folgendermaßen zusammengefaßt: „In general, they found that sources who stood to profit from the subject’s being persuaded were judged as being less far, and sended to produce significantly less opinion change.“ (McGuire, 1969, S. 183). Product Publicity erscheint den Botschaftsempfängern als Berichterstattung über neue Produkte in den Medien ohne direkt erkennbare Beeinflussungsabsicht.
4.4.4.1 Unterschiedliche Wirkungen von Product Publicity und klassischer Werbung Genau hierin unterscheidet sich die werbliche Botschaft in der Gestalt von Product Pubicity. Hier ist aus der Sicht des wahrnehmenden Empfängers die jeweilige Zeitung oder Zeitschrift (oder auch TV-bzw. Funksender) der Sender der erfolgten Botschaft und nicht die Unternehmung, um deren Produkte es sich handelt. Häufig wird eine vom Werbetreibenden erwünschte Botschaft bezüglich angestrebter Verhaltensweisen im Rahmen der Product Publicity Kommunikation nicht explizit zum Ausdruck gebracht. Selbst wenn eine Verhaltensbeeinflussung deutlich er-
4.4 Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) und Publicity
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kennbar ist, dann dient ein Befolgen derartiger „Handlungsanweisungen“ vordergründig nicht den ökonomischen Zielen des Senders der jeweiligen Botschaft. „Vordergründig“ deswegen, da in der Wahrnehmung der Empfänger dieser Botschaften das jeweilige Medium, und nicht die dahinter stehende Product Publicity (Werbung) betreibende Organisation als Absender angesehen wird. Das von den Empfängern der Botschaften in dieser Form als Sender fungierende Medium selbst erzielt aus dem Befolgen angestrebter Verhaltensweisen keinen eigenen Profit. Die o.g. Hemmschwellen bezüglich des Befolgens erwünschter Verhaltensweisen entstehen nicht, zumindest nicht in gleicher Intensität. Die im Rahmen derartiger Botschaften genannten Argumente wirken daher von vornherein glaubwürdiger und haben somit eine größere Wahrscheinlichkeit der Akzeptanz. In der wissenschaftlichen Kommunikationsforschung wurde zeitweise die Relevanz der Glaubwürdigkeit bezüglich der Einstellungsfolgen nach Kommunikation in Frage gestellt. Es gibt aus den 50er Jahren Untersuchungen, aus denen hervorzugehen scheint, daß auch unglaubwürdige Kommunikatoren dazu in der Lage sind, erwünschte Einstellungsänderungen zu bewirken (Hovland, Janis & Kelly, 1953; Hovland & Weiss, 1951). Wenn Derartiges heute kaum noch akzeptiert wird, so bleibt doch die Erkenntnis, daß die reine Glaubwürdigkeit in ihrer Bedeutung oft überschätzt wird. Dabei ist ein weiterer Punkt zu beachten: Wenn die Glaubwürdigkeit überhaupt jemals als relevanter Beeinflussungsfaktor in Frage gestellt wurde, dann war es die Kompetenz der Informationsquelle, welcher gegenüber der Glaubwürdigkeit Bedeutung zugemessen wurde (McGuire, 1969, S. 183). Ein extrem hohes Maß an Kompetenz kann den Beeinflussungserfolg tatsächlich in Frage stellen. Botschaftsempfänger fühlen sich ausgeliefert, zu sehr unterlegen. Moderate Komeptenz ist vorteilhaft. Unter diesem Aspekt ist beispielsweise die Redaktion einer Konsumentenzeitschrift im Vorteil. Es ist aus Verbrauchersicht vermutlich genau das richtige, moderate Niveau an Kompetenz vorhanden,. das sich günstig auf die Beeinflussung auswirkt, verbunden mit scheinbarer Neutralität. Wir fassen zusammen: Im ersten Fall stellt die Botschaft eine erkennbare Verhaltensbeeinflussung dar, deren Befolgen im Interesse des erkennbaren Senders liegt. Im zweiten Fall ist die Verhaltensbeeinflussung nicht direkt erkennbar, der Sender hat scheinbar kein Eigeninteresse an dem Befolgen der sich aus der Botschaft ergebenden Verhaltensweisen. Dies ist der entscheidende Unterschied zwischen Product Publicity und klassischer Werbung, d.h. werblichen Botschaften, welche auch als solche erkennbar sind und dementsprechend wahrgenommen werden. Die verhaltensrelevanten Konsequenzen kommunikativer Maßnahmen hängen von sehr unterschiedlichen Faktoren ab. Vor allem bestimmte Dimensionen der Kommunikationsobjekte sind in mannigfaltiger Hinsicht verschieden. Da ist zunächst die Frage zu stellen, ob es sich um Produkte handelt, deren Ursprung Profit- oder Nonprofit-Organisationen sind (Produkte können hier auch Dienstleistungen sein, wie beispielsweise kulturelle Angebote von Museen, etc.). Hiermit wird noch
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4. Das Kommunikations-Programm
einmal die Notwendigkeit deutlich, sich mit Kommunikationsinhalten auseinanderzusetzen, um die Botschaften i.S. des Senders zu verstehen. Bei dieser Dimension ist ausschließlich die Betrachtung aus der Empfängerperspektive von Interesse. Ein Produkt mag beispielsweise in seiner Funktion komplizierte chemische Prozesse beinhalten. Wenn diese aus der Sicht des Konsumenten in dem Gebrauch des Produktes nicht relevant sind oder nicht nachvollzogen werden müssen, dann ist das Produkt aus dieser Sicht nicht erklärungsbedürftig. Andere Produkte mögen in objektiver Sicht in der Anwendung höchst einfach sein, wenn dieses jedoch z.B. neue Verwendungsgewohnheiten impliziert, dann kann es sich um ein sehr erklärungsbedürftiges Produkt handeln. Wir haben jetzt drei für unsere Analyse relevante Dimensionen aufgezeigt, die sich graphisch, wie in Abbildung 4-28 aufgezeigt, im dreidimensionalen Raum darstellen lassen. Low
Involvement
High
Profit
Organisation
Nonprofit
leicht
schwer
Verständlichkeit
Abbildung 4-28: Darstellung der drei relevanten Kommunikations-Dimensionen
4.4 Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) und Publicity
255
4.4.4.2 Die Interessens-Dimension Bei Produkten der Low-Involvement-Kategorie kann nicht erwartet werden, daß die Empfänger dahingehend motiviert sind, sich mit werblichen Botschaften intensiv auseinanderzusetzen. Anzeigen haben eine relativ kurze Wahrnehmungszeit im Vergleich zu redaktionellen Beiträgen. Dadurch ist die Aufnahmekapazität von Informationseinheiten erheblich begrenzt. Wir müssen davon ausgehen, daß die Betrachter in aller Regel nur wesentliche Elemente von Anzeigen, d.h. Bildteile und die Headline wahrnehmen. Wir haben bei der Wahrnehmung von Anzeigen und den kognitiven Folgen ganz bestimmte Mechanismen zu beachten, deren Vorhandensein die Anzeigenwirkungen erheblich einschränken. Bei Presseartikeln kann durch die Gestaltung von Überschriften eine höhere Motivation zum Lesen ausgelöst werden.
4.4.4.3 Die Erklärungsbedürftigkeit Demgegenüber werden redaktionelle Beiträge in Zeitungen und Zeitschriften vergleichsweise intensiver gelesen. Damit erhöht sich die Möglichkeit, umfangreiche Botschaften zu übermitteln, erheblich. Während in der Anzeigenwerbung nur wenige klar formulierte Informationseinheiten wirksam werden, eignen sich redaktionelle Informationen dazu auch, komplexere Botschaften zu übertragen. Auch bei High-Involvement Produkten, z.B. elektronischen Artikeln, besteht bei Anzeigen keine ausreichend hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß technische Informationen, bzw. allgemein gesagt, ausführliche Produktinformationen beachtet werden. Wenn Produkte ein hohes Maß an Erklärungsbedürftigkeit aufweisen, dann ist es offensichtlich, daß der produktbezogenen Kommunikation seitens vorhandener und potentieller Verwender Aufmerksamkeit entgegengebracht werden muß, wenn diese von dem Produkt überzeugt werden sollen. Die Massenkommunikation im herkömmlichen Sinne eignet sich jedoch nicht dazu, komplexe Strukturen zu vermitteln. In diesem Fall kann die Product Publicity große Dienste leisten. Redaktionellen Artikeln, vor allem speziellen Rubriken wie Verbraucherberatung (z.B. ein spezieller Kosmetikteil in Frauenzeitschriften), wird von vornherein stärkere Aufmerksamkeit entgegengebracht als Anzeigen. Vor allem wird hier auch der Textteil genutzt. Gerade hiervon kann, wie ausgeführt, bei Anzeigen nicht ausgegangen werden. Produkterklärungen werden in diesem Fall durch den Leser auch als solche verstanden und sind nicht mit dem Vorbehalt des offensichtlichen Beeinflussungsversuches bei Anzeigen behaftet. Man kann sich aufgrund dieser Überlegungen durchaus eine Vorgehensweise vorstellen, bei welcher durch intensive Publicity-Maßnahmen die ausführliche Produkterklärung erfolgt und daraufhin zu Anzeigenwerbung übergegangen wird,
256
4. Das Kommunikations-Programm
welche die Produkterklärung dann nur noch schlagwortartig in besonders komprimierter Form enthält. Wenn eine Produkterklärung einmal gelernt ist, dann genügt diese Vorgehensweise als Erinnerungs-Kommunikation. Selbst bei Produkten der High-Involvement Kategorie (bei welcher auch Anzeigen ein stärkeres Interesse entgegengebracht wird) kann durch Publicity-Maßnahmen die Produkterklärung intensiviert werden, da in diesem Fall die Werbeaussagen von „neutraler“ Seite bestätigt werden. 4.4.4.4 Produkte von Profit- oder Nonprofit-Organisationen Nonprofit-Organisationen stehen vor einer völlig anderen Situation. Aufgrund des nicht vorhandenen Profitstrebens reduziert sich die Problematik der Glaubwürdigkeit bei Beeinflussungsversuchen. Zumindest in diesem Punkt sind derartige Organisationen im Vorteil gegenüber nach Profit strebenden Marketing-Organisationen. Das bedeutet auf der einen Seite, daß Anzeigenwerbung unter diesem Aspekt eine höhere Akzeptanzwahrscheinlichkeit hat. Diese Ausführungen sollen nicht in dem Sinne mißverstanden werden, daß die Kommunikation für NonprofitOrganisationen wesentlich einfacher sei, als dies der Fall bei Profit-Organisationen ist. Gerade dieses darf aber nicht dazu führen, die Qualität der Berichterstattung nicht in gleichem Maße zu gewährleisten, wie dies bei Profit-Organisationen zwangsläufig geschehen muß, um überhaupt in die redaktionellen Teile der Medien aufgenommen zu werden. Da Nonprofit-Organisationen diesbezüglich auf geringeren Widerstand stoßen, besteht hier eine Gefahr. Gerade weil Publicity auf der anderen Seite für diese Organisationen von besonders ausgeprägter Bedeutung ist, besteht die Erfordernis einer professionellen qualitativ hochwertigen Publicity. Nonprofit-Organisationen haben hier ein Marketinginstrument zur Verfügung, dessen systematischer und geplanter Einsatz eine gezielte Kommunikationsarbeit ermöglicht, in den Folgen durchaus vergleichbar mit kommerzieller Werbung der Profit-Organisationen.
4.4.4.5 Ein Fazit für das Marketing Werbung realisiert durch mehrmalige Wiederholung der gleichen Botschaft in erster Linie Markenbekanntheit und Produktassoziationen. Produkterklärungen sind in dieser Form weitaus schwieriger zu kommunizieren. Außerdem besteht das Problem der Redundanz, der Glaubwürdigkeit, und in Verbindung damit die erkennbare Beeinflussungsabsicht. Publicity realisiert durch die intensivere Beschäftigung der Botschaftsempfänger mit redaktionellen Botschaften auch die Vermittlung von Produktwissen bei Vermeidung oder wenigstens Reduzierung der oben genannten Nachteile. Aussagen bezüglich der Produkteigenschaften werden leicht
4.4 Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) und Publicity
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akzeptiert. Werbemaßnahmen mit dem Ziel, Markenbekanntheit zu schaffen, können durch Publicity unterstützt werden. Eine Imagedurchsetzung durch Publicity-Maßnahmen hängt von der Intensität des Einsatzes dieses Instrumentariums ab. Publicity ist zweifellos imagewirksam, insbesondere auch infolge des redaktionellen Anteils innerhalb der jeweiligen Kommunikation, der nicht direkt produktorientiert ist, sondern darüber hinausgehende Informationen liefert. Daraus folgt das Erfordernis, die Publicity-Maßnahmen bestehenden Images anzupassen, oder andererseits bei der Durchsetzung von Produkt- oder Unternehmungsimages die Wirkung und dementsprechend bei der Gestaltung zu berücksichtigen. Das Zusammenspiel beider Kommunikationsinstrumente führt dazu, daß die Gesamtwirkung der Kommunikationsmaßnahmen intensiviert wird. Bei bestehender Bekanntheit erfolgt erhöhte Wahrnehmung redaktioneller Botschaften (Bekanntes wird eher wahrgenommen als Unbekanntes), aber auch: Vorbereitung von Werbekampagnen oder Unterstützung derselben durch glaubwürdige Zusatzinformationen. Publicity-Aussagen bewirken, daß spätere oder gleichzeitig übertragene Werbebotschaften dann eher als glaubwürdig empfunden werden. Dies setzt eine enge Abstimmung der Gestaltung von klassischer Werbung und der Publicity-Maßnahmen voraus.
4.5 Direkt Marketing 4.5.1 Die Entwicklung des Direkt Marketing Der Begriff Direkt Marketing hat sich im Laufe der Jahre gewandelt. Ausgangspunkt des modernen, systematischen Direkt Marketings waren die Werbebriefe und Versandhauskataloge. Das Direkt Marketing kann als eine Weiterentwicklung der Direktwerbung verstanden werden. Zur Direktwerbung (Direct Mail Advertising) zählen die Zustellung adressierter und nichtadressierter Sendungen durch die Post und die Verteilung von Werbematerial (Prospekte, Warenproben, etc.) durch private Verteilerfirmen. Das begann sich in den 50er und 60er Jahren in Amerika durchzusetzen. Dienstleister profitierten von diesen zunehmenden Aktivitäten, und aus den Adressen-Schreibstuben entwickelten sich allmählich Full-ServiceUnternehmen mit Database-, Produktions- und Versandservice wie z.B. in Deutschland AZ Bertelsmann oder Schober (vgl. hierzu Fischer, 1995). Als zusätzlich dann auch das Telefon und andere Medien zur direkten Ansprache und zum Verkauf an Endkunden genutzt wurden, erweiterte sich das Begriffsverständnis. Ein einheitliches Verständnis jedoch darüber, was unter Direkt Marketing verstanden wird, liegt nicht vor. Nach Wundermann (1989) umfaßt Direkt Marketing alle Aktivitäten, welche sich direkter Kommunikation und/oder direkten Vertriebes bedienen, um die Zielgruppen in Einzelansprache zu erreichen. Zudem umfaßt es Aktivitäten, die eine mehrstufige Kommunikation nutzen, um einen direkten,
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4. Das Kommunikations-Programm
individuellen Kontakt herzustellen. Nach einer anderen Definition umfaßt Direkt Marketing alle strategischen und operativen Zielsetzungen und Maßnahmen des Marketing bei adressierter Ansprache des Absatzpartners. Es basiert auf einem systematisch ausgewerteten Feedback. Seine wesentlichen Komponenten sind dabei: Interaktivität, Datenbasis und Akzeptanz (Weinhold-Stünzi & Plammer, 1987, S. 36). Nach Pepels (1996, S.173) bedeutet Direkt Marketing die Kommunikation, die sich an individuelle Adressaten richtet bzw. bei disperser Kontaktaufnahme, eine Reaktion gegenüber dem Sender mittels eines Reaktionsmittels oder auf eine andere definierte Art erfolgt und sich auf ein Angebot bezieht. Die Direct Marketing Association (DMA) versteht unter Direkt Marketing ein interaktives System des Marketing, in dem ein oder mehrere Werbemedien genutzt werden, um eine meßbare Reaktion bei den Zielpersonen und/oder Transaktionen mit den Kunden zu erzielen, die man jedoch an jedem beliebigen Ort erreichen kann (vgl. Kotler & Bliemel, 2001, S. 1186). Diese Definitionsansätze verdeutlichen, daß die direkte und individuelle Ansprache wesentliches Merkmal des Direkt Marketings sind, es aber auch alle Maßnahmen mit einbezieht, die erst zu einer solchen direkten Ansprache und der daraus resultierenden Beziehung führen können. Ein Unterschied zur klassischen Werbung liegt in der gezielten Ansprache mehr oder weniger ausgewählter Empfänger. Unter diesem Instrument werden damit u.a. subsumiert: • das Direct Mail (Zustellung adressierter und nichtadressierter Sendungen durch die Post, Verteilung von Werbematerial an bestimmte Personengruppen durch private Verteilerfirmen), • Pressemarketing, insbesondere Responseanzeigen, spielt im Produktiv-GüterSektor eine wichtige Rolle. • Direct Response TV (DRTV) und Direct Response Radio (DRR), deren Bedeutung scheint in letzter Zeit zuzunehmen, • Telefon-Marketing: Behandlung eingehender Anrufe (passives Telefonmarketing) und eigene Anrufe (aktives Telefonmarketing), • Direkt Marketing im Off- und Onlinebereich (z.B. Angebote im Internet oder Compuserve, Kiosk-Shopping), • persönlicher Kontakt: Aktivitäten von Außendienstmitarbeiter oder Vertretern, auf Messen und Ausstellungen.
4.5 Direkt Marketing
259
Direkt Marketing gewinnt im Kommunikations- und Marketing-Mix immer mehr an Bedeutung. Mehr als 50% aller Werbetreibenden nutzen Direkt MarketingAktivitäten, und die Tendenz ist weiter steigend. In dynamischen, wettbewerbsgeprägten Märkten steigert sich dieser Prozentsatz auf bis zu 75%. In 2002 wurden insgesamt rund 29 Mrd. Euro für Direkt-Marketing in der BRD ausgegeben. Davon entfielen rund 11,2 Mrd. Euro auf postalischen Versand 4,5 Mrd. Euro auf Telefon-Marketing und 3,7 Mrd. Euro auf Internet-Werbung. Im das Jahr 2003 wurden von insgesamt 29,5 Mrd. Euro für Direkt-Marketing ausgegeben. Nach Angaben des ZAW (2004, S. 320)) gaben Dienstleistungsunternehmen mit 15,8 Mrd. Euro am meistgen für Direkt-Marketing aus. Der ZAW (2004, S. 320) gibt ebenfalls an, daß nur in 43 % der Unternehmen eine Erfolgskontrolle durchgeführt wird, obwohl sich Direkt-Marketing besonders gut für Erfolgskontrollen eignet. Derzeit finden Lobby-Bemühungen statt, die Möglichkeiten des Telefon-Marketing zu „liberalisieren“ (ebenda), mit anderen Worten, den Verbraucherschutz zu reduzieren. Die Gründe für die Bedeutung des Direkt Marketing für viele Unternehmen liegen im wesentlichen: • an der zunehmenden Imformationsüberflutung der Rezipienten und der damit einhergehenden Inflationierungstendenz in der klassischen Werbung. Direkt Marketing bietet die Chance, näher am Abnehmer zu sein und schneller und konkreter auf seine Bedürfnisse reagieren zu können; • neue technische Optionen und Innovationsfähigkeit der Branche, z.B. neue Medien wie Internet, verbesserte EDV-Potentiale zum Aufbau von Adreßdateien (Databased-Marketing) und zur personalisierten Ansprache der Empfänger; • Verfügbarkeit besserer Adressenlisten mit verfeinerten Selektionsmöglichkeiten; • wachsende Bedeutung des direkten Dialogs mit den Verbrauchern und dem Bestreben neben der individuellen Ansprache eine längerfristige Verbindung zwischen Unternehmen und Interessenten/Kunden aufzubauen und • zunehmende Fragmentierung der Märkte. Direkt Marketingaktivitäten werden heute in vielschichtiger Funktion eingesetzt, sowohl als Einzelinstrument als auch in Kombination mit anderen Marketinginstrumenten (z.B. im Rahmen eines integrierten Direkt Marketing). Ein wesentliches Einsatzgebiet ist der direkte Verkauf von Gütern und Dienstleistungen. Insbesondere gilt dies für Versandhäuser, Verlage und Dienstleistungsunternehmen. Neben den Direct Mail sind hier in den letzten Jahren verstärkt Telefonmarketing, Online-Aktivitäten, Direct Response TV und Teleshopping als additive Medien getreten. Die Gewinnung von Interessenten ist ein weiteres wichtiges Einsatzfeld.
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4. Das Kommunikations-Programm
Direkt Marketing dient hier vor allem dazu, im Rahmen eines integrierten Vorgehens den Außendienst zu entlasten bzw. zu unterstützen, indem man qualifizierte Adressen für den Außendienstbesuch gewinnt oder den Besuch des Mitarbeiters entsprechend vorbereitet. Viele Maßnahmen des Direkt Marketing dienen aber auch der Neukundengewinnung. Dabei geht es darum, aus einer bestimmten Zielgruppe des Marktes neue Kunden zu gewinnen. Dies ist einerseits notwendig, um den Kundenstamm in seiner bisherigen Größe zu erhalten (verlorene Kunden zu ersetzen), andererseits aber auch darum, ein bestimmtes Wachstumsziel zu erreichen. Vor allem Direct Mails sind ein häufig eingesetztes Instrument, um z.B. für Messen, Modeschauen, Ausstellungen oder Produktdemonstrationen persönliche Einladungen an die entsprechenden Zielgruppen zu verschicken. Die Kundenbindung, Kundenaktivierung und das Nachkaufmarketing sind weitere relevante Einsatzfelder des Direkt Marketings. Das nachkauforientierte DirektMarketing kann dabei verstanden werden als von den Unternehmen initiierte Kundenkontakt- bzw. Betreuungsprogramme, die zur Pflege dauerhafter Kundenbeziehungen dienen und die Gefahr von Kundenabwanderungen zu Wettbewerbern reduzieren sollen (vgl. Jeschke, 1995, S. 240). Zudem geht es darum, eine umfangreiche Potentialabschöpfung aktueller Kunden anzustreben, indem abgestimmt nach Kauf- und Konsumverhalten der Kunden, Angebote und Informationen übermittelt werden, um die Wahrscheinlichkeit von Wiederholungs- und Folgekäufen zu erhöhen. Schließlich wirkt sich das Direkt Marketing auf die Produktion aus. Computerintegrierte Produktion erlaubt es in immer stärkerem Maße auch in Bereichen, die bisher der Massenproduktion vorbehalten waren, individuelle Kundenwünsche zu berücksichtigen. Einige Versandhändler individualisieren Kataloge und stellen sie für jeden Empfänger nach seinem bisherigen Kaufverhalten zusammen (selection electronic catalogue).
4.5.2 Hauptentscheidungen des Direkt Marketing Aufbauend auf einer Situationsanalyse müssen bei der Realisierung einer Direkt Marketingkampagne Entscheidungen getroffen werden über die Ziele, Zielgruppen, Angebotsstrategien und die Einsatz- und Erfolgsbeurteilung.
4.5.2.1 Zielebene Primäres Ziel vieler Direkt Marketing-Kampagnen ist die Auslösung einer konkreten Reaktion bei den angesprochenen Interessenten. Diese unmittelbaren
4.5 Direkt Marketing
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Handlungen der Zielpersonen können eine Kaufreaktion sein, aber auch andere Reaktionsmuster, als Zwischenschritte hin zum Ziel eines Verkaufsabschlusses, können angestrebt werden. Beispiele hierfür sind u.a.: Durch Einladungen zu Messen oder anderen Events sollen die Interessenten zu einem Standbesuch und einer Terminvereinbarung animiert werden; durch entsprechende Informationsangebote und die Reaktion von Zielpersonen, sollen Interessenten für weitere Kontakte herausgefiltert werden. Lange konzentrierte sich die Erfolgsmessung für Direkt Marketing-Aktivitäten auf die konkret erfaßbaren Reaktionsraten. Zunehmend werden jedoch auch die kommunikativen Wirkungen bei Nicht-Reagieren berücksichtigt. Vögele (1995, S. 34 f.) spricht in diesem Kontext von der unsichtbaren Direkt Marketing-Wirkung. Denn viele der Nicht-Reagierer nehmen doch die Botschaften dieser Kampagnen wahr. Dies kann zu Veränderungen im kognitiven und emotionalen Bereich hinsichtlich des Angebots und der Unternehmen bei den Zielpersonen führen, positiv wie auch negativ. Zudem fokussieren manche dieser Aktivitäten gerade solche Ziele. Unternehmen schicken z.B. an Kunden zu deren Geburtstag Glückwünsche oder versenden an wichtige Kunden kleine Aufmerksamkeiten. D.h. Direkt Marketing-Kampagnen können und sollen positiv auf Markenbekanntheit und Image einwirken. Die Ziele der Direkt-Marketing-Kampagne, im unmittelbaren Reaktionsbereich und im Nicht-Reagiererbereich, müssen im Vorfeld möglichst klar und operationalisiert formuliert werden.
4.5.2.2 Zielpersonen Ein weiterer wichtiger Entscheidungstatbestand des Direkt Marketing bezieht sich auf die Definition und Selektion der Zielpersonen. Die Auswahl und entsprechende Ansprache der Interessenten ist mitentscheidend für den Erfolg der Aktion. Nach Ansicht von Vögele (1995, S. 87 ff.) ist die Zielgruppenentscheidung relevanter als die Ausgestaltung des kommunikativen Auftritts.16 Zur Identifikation der Zielgruppen können neben soziodemographischen Kriterien, Konsum- und Verhaltensmerkmale, Lifestyle und psychographische Merkmale (soweit verfügbar) und auch Situationsanalysen herangezogen werden. So sind z.B. werdende Mütter besonders interessiert an Babyartikeln, Berufseinsteiger sind ansprechbar für Versicherungen und Jungverheiratete an Wohnungseinrichtungen, Haushaltsgeräten etc. interessiert. Nach Spezifizierung des Zielmarktes ist es in vielen Fällen erforderlich, Namen und Adressen potentieller Kunden innerhalb des Zielmarktes zu eruieren. Die Gewinnung entsprechenden Adressenmaterials und der Selektion ist deshalb ein entscheidender Schritt bei der Durchführung solcher Kampagnen. Folgende Mög16
„Ein schlecht gestaltetes Mailing an die besten Adressen verschickt, bringt mehr als das schönste Mailing an die falschen Adressen“ (Vögele, 1995, S. 88).
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4. Das Kommunikations-Programm
lichkeiten zur Adressengewinnung stehen zur Verfügung (vgl. Huth & Pflaum, 1991, S. 219): • Interne Unterlagen: Die unternehmenseigene Kunden- und Interessentendatei ist in diesem Kontext die wichtigste Adressendatei (sogenannte ‘heiße’ Adressen). Die zunehmende Bedeutung solcher Daten für das Unternehmen hat in den letzten Jahren zum Databased-Marketing geführt. Stone & Shaw (1987, S. 13) definieren das Databased-Marketing „.. as an interactive approach to marketing communication, which uses adressable communications media (...) to extend help to ist target audience, to stimulate their demand, and to stay close to them (....)“.17 Die Datenbank für das Direkt Marketing ist mehr als nur eine Kundenliste, die lediglich Namen, Adressen, Telefonnummern und vielleicht frühere Aufträge umfaßt, sie ist vielmehr eine systematisch organisierte Sammlung von Daten über einzelne Kunden, Interessenten oder potentiellen Interessenten und kann u.a. neben produktunabhängigen Daten (z.B. Name, Adresse), produktgruppen- und zeitpunktbezogene Bedarfspotentialdaten (z.B. bisherige eigene Lieferungen), Aktions- und Reaktionsdaten (z.B. spezifische Kundenverhaltensweisen) bis hin zu persönlichen Daten (z.B. Geburtstag, Hobbys, etc.) umfassen. Charakteristisch für eine Markt-Datenbank sind folgende Eigenschaften: -
Adressierbarkeit: Das Potential die Zielpersonen persönlich zu erreichen;
-
Meßbarkeit: Das Wissen über die Kaufhistorie des Kunden;
-
Flexibilität: Die Möglichkeit, auf heterogene Anforderungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu reagieren;
-
Berechenbarkeit: Die Fähigkeit, qualitative Fakten aus jeder Marketingaktivität und über jeden einzelnen Kunden ableiten zu können (vgl. Sattler, 1996, S. 30).
• Eine solche Datenbasis bietet die Chance, Wettbewerbsvorteile durch individuelle und schnelle Kundenansprache zu erlangen. Diese Adressen und Daten können auch durch Verkaufsförderungs- und Werbeaktionen gewonnen werden. So wurde z.B. bei der Einführung der E-Klasse von Mercedes Benz in der klassischen Werbung eine 0130-Telefonnummer integriert. Diese verbesserte nicht nur den Kontakt zu den Stammkunden, sondern diente gleichzeitig zur Neukundenakquisition. Jede Adresse wurde durch weitere Daten wie der17
Je nach Sichtweise unterschiedlicher Autoren wird die Database als ein Bestandteil innerhalb des Direkt Marketing gesehen, oder die Instrumente des Direkt Marketing gelten als Bestandteil eines Databased Marketing (vgl. Schleuning, 1995, S. 64).
4.5 Direkt Marketing
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zeitiges Auto, Zufriedenheit mit diesem Fabrikat, geplanter Termin der Neubeschaffung zusätzlich qualifiziert (vgl. Potje, 1995). • Externe Unterlagen: Adressen können auch aus Adreßbüchern, Branchenverzeichnissen, Fach- und Exportadreßbüchern, Kreis- und Stadtadreßbüchern, Telefonbüchern oder entsprechenden CD-ROMs gewonnen werden. • Adressenverlage: Die Adressenverlage (z.B. Schober Direkt Marketing oder AZ Direct Marketing Bertelsmann), die heute oft Full-Service Agenturen des Direkt Marketing sind, offerieren eine Vielzahl von Adressenkollektionen, die praktisch alle Berufsgruppen, Wirtschaftszweige und Privatadressen umfassen, und die nach den verschiedensten Selektionskriterien strukturiert werden können. Das Angebot der Adreßverlage umfaßt ca. 4 Mio. Berufsadressen (Business-Adressen) sowie ca. 27 Mio. Privatadressen. Sie stammen aus allgemein zugänglichen Quellen wie Telefonbüchern, Branchenverzeichnissen, Handelsregistern, Geschäftsberichten und der Wirtschaftspresse (vgl. Zehetbauer, 1997). Diese Adressen können von Unternehmen von den Adressenverlagen gemietet werden. Ein Angebot darf an die gemietete Adresse nur einmalig verschickt werden; in die eigene Kundendatei kann aufgenommen werden, wer auf die Aktion positiv reagiert. • List Broking: Unternehmen können ihre Kunden- und Interessentenadressen an nicht konkurrierende Unternehmen vermieten. Diese Vermietungen laufen häufig über Adressenmittler, sogenannte „Broker“. Der Kauf externer Dateien (sogenannte kalte Adressen) weist jedoch auch potentielle Schwachstellen auf, z.B. die Adressendupliziät, unvollständige oder veraltete Adressen. D.h. erfolgreiche Direkt Marketing-Aktivitäten erfordern Kenntnisse im Erwerb, im Umgang und mit der Pflege der entsprechenden Adressenlisten.
4.5.2.3 Angebotsstrategie Ein weiterer wichtiger Entscheidungstatbestand betrifft die Definition einer effektiven Angebotsstrategie. Nach Nash (1986, S. 16) umfaßt eine Angebotsstrategie folgende Elemente: Produkt, Offerte, Distributionsmethode und kreative Durchführung. Diese einzelnen Elemente können in Pretests auf ihre Wirksamkeit getestet werden; z.B. kann die Konzeption eines Mailings dadurch geprüft werden, daß mehrere Alternativen parallel an einen kleineren Adressenkreis versendet werden und erst dann nach Beurteilung die Großaussendung erfolgt. Dies kann auch in Kombination mit einem Test der Adreßlisten durchgeführt werden (vgl. Schefer, 1995). Für jedes Medium sind die entsprechenden Regeln für den Einsatz anders. Im folgenden soll kurz auf das klassische Direct Mail und das Telefonmarketing eingegangen werden. Das klassische Direct Mail (Mail order package) besteht aus Versandkuvert, Werbebrief, Produktprospekt und Antwortkarte/Bestellschein.
264
4. Das Kommunikations-Programm
Jede Komponente kann die Reaktionsrate positiv oder negativ beeinflussen. Von zentraler Bedeutung für den Erfolg sind die ersten ca. 20 Sekunden des Kontaktes mit dem Kommunikationsmittel. Dabei lassen sich drei Phasen unterscheiden: Phase 1: Betrachten des Kuverts und Suchen nach der Öffnung (Dauer ca. 8 Sekunden). Phase 2: Öffnen des Kuverts und Entnahme des Inhalts (Dauer ca. 4 Sekunden). Phase 3: Entfaltung des Inhalts und flüchtige Betrachtung von Headlines und Bildern (Dauer ca. 8 Sekunden). Diese ersten Phasen entscheiden darüber, ob es zu einer weiteren differenzierten Auseinandersetzung mit dem Werbemittel kommt oder nicht. In der Praxis gelten einige allgemeine Erfahrungsregeln für eine angeblich effektive Gestaltung von Mailings.: AIDA: Attention (Aufmerksamkeit), Interest (Interesse), Desire (Wunsch, Verlangen) und Action (Handlung), KISS:
Keep It Simple and Stupid („gestalte so einfach wie möglich“) und
RIC:
Readships Involvement Committement (Leser in Probleme verwickeln).
Oft stellen solche „Konzepte“ jedoch Übervereinfachungen dar. AIDA ist als Kommunikationsmodell vollkommen überholt (es ist über 100 Jahre alt, vgl. Kap. 8.2 in diesem Band). KISS („so einfach wie möglich“) stellt ein Minimierungsforderung dar. Man möge selber fragen, ob das so gemeint ist. Wird mit extremer Vereinfachung tatsächlich immer die Mehrheit angemessen erreicht? RIC würden wir nicht als „den Leser in Probleme verwickeln“ ansehen, vielleicht eher als einen Hinweis darauf verstehen, daß Empfänger von Botschaften problembewußt gemacht werden, in ihnen ein Bedürfnis nach Information geweckt werden kann. Vögele (1995, S. 39) empfiehlt, die Direkt Marketing-Instrumente wie persönliche Verkaufsgespräche zu gestalten und entwickelte hierfür die Dialogmethode. Das Mailing wird dabei als Ersatz bzw. Ergänzung für den persönlichen Dialog zwischen Verkäufer und Kunde betrachtet. Er geht davon aus, daß der Empfänger Fragen hat, wenn er ein Mailing erhält: „Wer schreibt mir, warum schreibt er mir, was bietet er an, was ist das Besondere daran, welchen Vorteil bringt es mir, was muß ich tun“, etc. Diese unausgesprochenen Leserfragen müssen durch das Mailing möglichst schnell beantwortet werden, insbesondere der Nutzen für die Zielpersonen sollte bereits bei einem ersten Überfliegen des Kommunikationsmittels deutlich werden.
4.5 Direkt Marketing
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Das Versandkuvert signalisiert in seiner klassischen Funktion, daß die Botschaft allein für den Empfänger bestimmt ist. Die Aufmachung des Kuverts entscheidet mit, ob es geöffnet wird oder nicht. Im Konsumgütermarkt ist eine Kuvertgestaltung sinnvoll, die dem Empfänger einen bestimmten Anreiz zum Öffnen gibt. Dies kann in Form eines Ersparnisversprechens, der Ankündigung eines Gewinnspiels, etc. erfolgen. Individualisiert wird das Kuvert zudem durch die Benutzung von Sonderbriefmarken, handschriftlicher Adresse und Sonderformaten der Größe. Im Business-to-Business-Bereich sind dagegen in der Regel Umschläge ohne Werbeaufdrucke effektiver. Der Brief sollte individualisiert sein und nicht den Eindruck erwecken, daß er an eine Vielzahl von Personen geschickt wird. Um das Lesen zu erleichtern sollte er durch Absätze strukturiert sein, in kurzen, leicht verständlichen Sätzen geschrieben werden und nicht zu lang im Umfang sein. Durch den Einbau von sogenannten Verstärkern (z.B. Name des Empfängers, Unterstreichungen, Bilder, Post Skriptum, etc.) soll der Leser involviert werden zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Werbemittel. Wichtig ist, daß der Empfänger schnell erkennen kann, welchen Vorteil er von dem Angebot hat, welchen Nutzen er daraus ziehen kann. Der Brief sollte eine Reaktions-Aufforderung enthalten (z.B. „Bestellen Sie innerhalb von 10 Tagen zu besonders günstigen Konditionen“). In dem beiliegenden Prospekt wird dem Leser das konkrete Angebot unterbreitet, er steht stellvertretend für das Produkt und den Verkäufer und muß deren Funktion soweit als möglich übernehmen. Er sollte klar die „Unique selling proposition“, die Verbraucher- und Produktvorteile darlegen (vgl. Huth & Pflaum, 1991, S. 214 ff.). Wie der Brief so vermittelt auch der Prospekt durch seine Anmutung (in der Gestaltung, Papierauswahl, Druckqualität) den Eindruck von Qualität. Die Form des Reaktionsmittels für den Empfänger sollte in Abhängigkeit des Inhaltes gewählt werden. Eine Antwortkarte ist ausreichend, wenn es sich z.B. um die Teilnahme an einem Gewinnspiel handelt. Ein Bestellschein oder Antwortkarte mit Rückkuvert sollte verwendet werden, wenn persönliche Daten (z.B. aus dem Finanz- oder Versicherungsbereich) berührt werden. Eine frankierte oder gebührenfreie Antwortkarte oder ein Bestellschein kann die Reaktionsrate erheblich steigern. Grundsätzlich sollte die Reaktion für den Empfänger so einfach wie möglich gemacht werden, indem z.B. auch auf dieses Kommunikationsmittel gleich die Adresse des Empfängers eingedruckt wird. Auch der Zeitpunkt und die Frequenz des Mailing-Einsatzes sind relevante Erfolgsfaktoren. Einsatzzeitpunkt und Frequenz sind u.a. abhängig von den angestrebten Zielen (z.B. Einladung zur Messe, Neukundengewinnung), dem Status der Zielgruppen (z.B. Kunden, Interessenten, Zielpersonen mit denen man bisher keinen Kontakt hatte) und dem Einsatz anderer Kommunikationsinstrumente (z.B. Außendienstbesuche, etc.). Bei der Umsetzung eines Direct Mails sind auch die postalischen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, insbesondere sind die Portokosten von der Größe und dem Gewicht des
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4. Das Kommunikations-Programm
Direct Mails abhängig. Diese Faktoren sind in der Planung zu berücksichtigen, um die Portokosten zu minimieren.
Adressen - Selektion - Qualität
Inhalte (Produkte, USP, Offerte, Kundennutzen)
Direct Mail
Aufmachung - Anmutung - Gestaltung
Zeitpunkt/ Frequenz
Abbildung 4-29: Erfolgskomponenten des Direct Mail Immer mehr Unternehmen nutzen das Telefon für einen Dialog mit ihren Zielpersonen. Das Telefonmarketing folgt dabei anderen Regeln wie das Direct Mail. Der Erfolg des Telefonmarketings ist u.a. von den eingesetzten Telefonisten, oder besser formuliert der Telefonistinnen, denn Frauen überwiegen in diesem Berufsfeld, einem integrierten Hard- und Softwaresystem und einer entsprechenden Kapazität auf Unternehmenseite (speziell unter dem Gesichtspunkt der Erreichbarkeit), hier insbesondere der sogenannten Call Center18, abhängig. Generell kann man zwei Arten des Telefonmarketing unterscheiden: Passives Telefonmarketing (Inbound-Telefonmarketing) umfaßt alle Telefonaktivitäten, die vom Kunden bzw. den Interessenten ausgehen. Eingeblendete Telefonnummern in den anderen Kommunikationsmitteln (Anzeigen, TV-Spots, auf Plakaten, etc.) bieten bei Anruf weitere Informationen an. Unter aktivem Telefonmarketing (OutboundTelefonmarketing) werden alle Telefonaktivitäten subsumiert, die vom Anbieter ausgehen. In Deutschland unterliegt diese Form des Telefonmarketings erhebliche rechtliche Beschränkungen. So ist es im privaten Bereich dem Hersteller nur er18
Call Center sind ein Instrument zur Organisation der Kunden- und Marktkommunikation mit Mitteln der Telekommunikation. Als eine oft eigenständige Einheit bildet sie den Rahmen für die professionelle Betreuung, Beratung und Service von und für Kunden. Unternehmen stehen dabei vor der Entscheidung, solche Call Center in eigener Regie zu betreiben oder eine Outsourcing-Lösung anzustreben. Diese Frage ist vor dem Hintergrund zu beantworten, welche Ziele das Unternehmen verfolgt und welchen Beitrag das Call Center für den Unternehmenserfolg leisten soll und kann (vgl. Schnitzer, 1997).
4.5 Direkt Marketing
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laubt, regelmäßige Kunden anzurufen oder wenn sich die Zielpersonen ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten (konkludent) vorab mit dem Anruf einverstanden erklärt haben. Auch im gewerblichen Bereich ist die Telefonwerbung grundsätzlich unzulässig, es sei denn, es kann nach den Umständen davon ausgegangen werden, daß der Gewerbetreibende einverstanden ist (vgl. Siegert, 1996). Die Auswahl, Schulung und Motivation der Telefonisten ist ein entscheidender Faktor für die Effektivität des Telefonmarketings. Eine angenehme Stimme und eine positive Grundhaltung sind wichtige Kriterien für die Auswahl der Telefonisten. Die Schulung der Telefonisten sollte anhand eines vorgegebenen Skriptes erfolgen, das dann mit steigender Erfahrung durch eine situationsadäquate Improvisation aufgelockert werden kann. Die Einstiegsphase in das Telefonat ist kritisch. Kurze Sätze und gute Fragen sollten das Interesse des Angesprochenen wecken. Aktives Zuhören, Verständnis bei Reklamationen, eine modulierte Stimme sind weitere Anforderungen an den professionellen Telefonisten. Partiell werden heute schon Computer für diese Aufgabe eingesetzt, um bei Standardauskünften die Personalressourcen zu entlasten. Der Einsatz von solchen ComputerDialogsystemen ist dann zweckmäßig, wenn der Grund des Anrufes klar definiert ist, die meisten Dialoge in ähnlicher Form ablaufen und nur ein begrenztes Vokabular erforderlich ist. Je höher die Variabilität der Anfragen, desto schwieriger ist es, die Abläufe zu automatisieren (vgl. Sexauer, 1997). Um die angestrebte Erreichbarkeit zu gewährleisten und um die eingehenden Gespräche erfassen und bearbeiten zu können, sind neben einer bestimmten personellen Kapazität entsprechende Hard- und Softwarekonfigurationen erforderlich. Dazu gehört eine moderne Telekommunikationsanlage, die u.a. über eine Automatic Call Distribution-Funktion19 verfügt, die Integration des Com-puters zur Unterstützung des Telefons (Computer Supported Telephony)20 u.a. mit der Option der flexiblen Datenübernahme und -auswertung.
4.5.2.4 Einsatz- und Erfolgsbeurteilung Jeder Einsatz eines Direkt Marketings-Instruments ist gleichzeitig quasi auch ein Wirksamkeitstest unter realen Marktbedingungen. Dabei können allerdings mit den Reaktionsraten im wesentlichen nur spätere Wirkungsstufen des Kommunikationsprozesses, wie z.B. die Kaufentscheidung, ermittelt werden. Die intentierte 19
20
Die Automatic Call Distribution Funktion (ACD) verteilt die eingehenden Anrufe automatisch an die einzelnen Telefonarbeitsplätze je nach Auslastung. Mit einer optimal abgestimmten ACD-Anlage und einer ausreichenden Anzahl von Mitarbeitern sollten innerhalb von 15 Sekunden über 80% der Anrufe entgegengenommen werden können. Computer Supported Telephony (CTS) ermöglicht es, daß alle Anwendungen, die der Telefonist für die Kundenanfragen braucht, automatisch gestartet werden. Das System hält angebots- oder kundenspezifische Informationen an den Abfrageplätzen bereit.
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4. Das Kommunikations-Programm
Aktivierung zeigt sich anhand von Telefonanrufen, Rückläufen von Antwortkarten, Coupons und Kaufakten. Die Kaufreaktionsraten auf einzelne Aktivierungsimpulse liegen im Direkt Marketing fast immer im einstelligen Prozentbereich. Die Rentabilität der eingesetzten Instrumente kann mit Kennziffern wie Cost per Contract (CPC) bzw. Cost per Order (CPO) und Cost per Interest (CPI) ermittelt werden. Der Aufwand dividiert durch die Anzahl der Aufträge ergibt z.B. den Faktor Cost per Order. Durch den Vergleich mit dem geplanten CPO-Wert und der Ermittlung der sog. Break-Kauf-Reaktionsrate kann das Unternehmen feststellen, ob die Maßnahme hinsichtlich Produktangebot, kommunikativer Zielgruppenorientierung, der Media- bzw. Adreßauswahl, der eingesetzten Anreizsysteme und auch der Zeitpunkt der Maßnahme effizient war oder nicht (vgl. Daut, 1995). Durch sorgfältige Analysen der Kampagnen können die Leistungen zukünftiger Kampagnen kontinuierlich verbessert werden. Zudem ist zu berücksichtigen, daß der Dauerwert eines Kunden für ein Unternehmen nicht durch die Reaktion des Kunden während einer einzelnen Direkt Marketing-Aktion bestimmt wird. Der Dauerwert ergibt sich aus den erzielten Gewinnen aus allen Käufen, die ein Kunde im Laufe der Zeit bei einem Unternehmen tätigt.21 Neben der unmittelbaren Kunden- und Interessenaktivierung können sich durch Direkt Marketing-Aktivitäten auch längerfristige Wirkungen einstellen, u.a. im Bereich der Markenbekanntheit, Einstellungen zum Produkt oder Unternehmen oder im Imagebereich, die erst zu einem späteren Zeitpunkt virulent werden für eine Kaufentscheidung. Deshalb ist es oft sinnvoll, durch Marktforschung auch den Einfluß von diesen Maßnahmen auf Markenbekanntheit, Kaufabsicht, Einstellungen, etc. zu erfassen.
4.5.3 Integriertes Direkt Marketing Es bestehen unterschiedliche Möglichkeiten und Kombinationen, die Direkt Marketing-Instrumente einzusetzen (vgl. hierzu Kotler & Bliemel, 2001, S. 1223 ff.). Das einfachste Verfahren ist die sogenannte Einfach-Einmal-Vorgehensweise. Hier wird nur ein Direkt Marketing-Instrument, z.B. ein Mail Order Package eingesetzt und damit nur ein Anstoß gegeben. Hierbei handelt es sich um „Einzelschüsse“, um die Zielgruppe zu erreichen und Reaktionen auszulösen. Beim Einfach-Multischritt-Verfahren wird mit einem Medium wiederholt ein Anstoß bei den Zielpersonen gegeben, um eine Reaktion auszulösen. Dieses Verfahren bietet sich z.B. bei Neukundengewinnung an, wenn die Wahrscheinlich21
Schleuning (1995, S. 160 ff.) unterscheidet drei Dimensionen des Kundenwertes: Informatorischer Wert (verwertbare Informationen, die dem Unternehmen durch den Kunden zufließen), kommunikativ/akquisitorischer Wert (insbesondere Mund-zuMund-Werbung) und monetärer Kundenrentabilitätswert (Rentabilität des einzelnen Kunden für das Unternehmen).
4.5 Direkt Marketing
269
keit, daß es gleich bei einem ersten Kontakt bereits zu einer Kaufentscheidung kommt, sehr gering ist. Dann ist eine Strategie der kleinen Schritte sinnvoll, um zuerst das Unternehmen und sein Angebot bekannt zu machen (vgl. Vögele, 1995, S. 116). Noch differenzierter ist das Multimedien-Multischritt-Verfahren. Hierbei werden unterschiedliche Medien in mehreren Schritten eingesetzt. Dies kann in einer einfachen Form dermaßen gestaltet sein, daß unterschiedliche Direkt MarketingMedien miteinander integriert werden. Häufig eingesetzt wird eine Kombination von Telefonmarketing und Direct Mail. So kann z.B. durch Telefonmarketing zuerst eine Qualifizierung der Adressen erfolgen, indem man in Unternehmen anruft und die adäquate Ansprechperson ermittelt und in einem zweiten Schritt ein Mailing an diese qualifizierte Adresse schickt und dann wiederum telefonisch nachfaßt (vgl. Nolte, 1997). Aber auch ein anderer Aufbau ist bei dieser Kombination möglich wie dies z.B. Schwan-STABILO bei der Einführung eines neuen Produktes realisiert hat. Hier war der erste Schritt ein Mailing an 100.000 Interessenten. Dieses Mailing enthielt ein leeres wiederauffüllbares Schreibgerät. Angehängt an den Brief war ein Fax-Coupon, mit dem die Zielpersonen das Nachfüllfäßchen und als zusätzlichen Stimuli, dreimal kostenlos ein Nachrichtenmagazin bestellen konnten. Als weitere Reaktionsoptionen standen noch Telefon und Antwortschein zur Auswahl. Die Reagierer auf dieses Mailing erhielten innerhalb kurzer Zeit das Nachfüllfäßchen mit einem weiteren Schreibgerät und weiteres Informationsmaterial. Der beigelegte Faxbestellschein enthielt zudem die Adresse des entsprechenden Händlers. Bei den Reagierern, die nach diesem zweiten Anstoß nicht bestellten, wurde in einem dritten Schritt per Telefonmarketing nachgefaßt. Diese telefonische Nachfaßaktion brachte bei den angesprochenen 18.000 Adressen eine Bestellquote von 10%. Noch umfassender ist die Kombination von Direkt Marketing-Instrumenten mit anderen Kommunikationsinstrumenten. So kann z. B.. die klassische Werbung mit Anzeigen Produktkenntnis schaffen und Anfragen erzeugen. Diese Anfragen werden dann mit Mailings verschickt. Anschließend wird telefonisch nachgefaßt. Dies kann direkt zu Aufträgen oder dem Wunsch nach einem persönlichen Gespräch führen. Mit Kunden und Interessenten wird die Kommunikation kontinuierlich fortgesetzt. Diese integrierte Vorgehensweise, die schrittweise Verdichtung der Reaktionen der Zielpersonen soll dabei höhere zusätzliche Verkäufe ermöglichen und die dazu benötigten höheren Aufwendungen mehr als ausgleichen. Insbesondere bei einer Verknüpfung des Direkt Marketings mit anderen KommunikationsInstrumenten ist eine interinstrumentelle Integration erforderlich, um durch eine gemeinsame Planung und Ausrichtung synergetische Effekte zu erreichen.
270
4. Das Kommunikations-Programm
Klassische Werbung
Anzeige mit ResponseFunktion
Direct Mail
Dialogkommunikation (kontinuierlich)
Persönliches Verkaufsgespräch
Telefonmarketing
Abbildung 4-30: Integriertes Direkt Marketing (in Anlehnung an Kotler & Bliemel, 2001, S. 1223)
4.5.4 Vorteile und Problembereiche des Direkt Marketing Das Direkt Marketing bietet im Vergleich zu anderen Kommunikationsinstrumenten spezifische Vor- aber auch Nachteile. Zu den Vorteilen dieses Instrumentes gehört die Möglichkeit der selektiven Ansprache der Zielpersonen und deren Individualisierung. Verbunden mit dieser persönlichen Ansprache und der Dialogorientierung wird auch eine größere Beeindruckung (Impact-Stärke) erwartet. Dies wird noch dadurch begünstigt, daß das Kommunikationsmittel nicht in unmittelbarer Konkurrenz steht mit kommunikativen Auftritten des Wettbewerbs und einem redaktionellen Umfeld.22 Insbesondere das Direct Mail zeichnet sich durch eine große Flexibilität hinsichtlich des zeitlichen Einsatzes (Timing, z.B. Erscheinungstermine von Publikationen) und der Kurzfristigkeit des Einsatzes aus, die Aufmachung, und der Platz zur Gestaltung von Inhalten und Botschaften ist frei verfügbar.
22
Pickert (1994, S. 92) moniert gerade das Fehlen eines redaktionellen Umfeldes als Nachteil dieses Instrumentes.
4.5 Direkt Marketing
271
Gegenüber den Wettbewerbern ist eine bessere Geheimhaltung von Angeboten möglich, als in den Medien der klassischen Werbung, d.h. viele Direkt MarketingAuftritte sind für die Konkurrenz nicht sofort sichtbar. Im Direkt Marketing können leicht Tests und Kontrollmöglichkeiten bei unterschiedlichen Medien oder Offerten und Botschaften (Überschriften, Eröffnungsthemen, Preise, etc.) durchgeführt werden, um die effektivste Alternative zu suchen. Ineffizienzen können damit frühzeitig erkannt werden. So kann z.B. geprüft werden, ob bei einem hochpreisigen Gut Teilzahlung oder Zahlung per Nachnahme zu einem besseren Ergebnis führt. Vor allem bei der Ansprache kleinerer Zielgruppen und im Business-to-BusinessBereich weist das Direkt Marketing Kostenvorteile auf. Hintergrund dafür sind im Businessbereich die relativ hohen und weiter wachsenden Kosten des Kundenbesuchs durch den Außendienst. So kann ein Außendienstbesuch zwischen 50,- und 250,- Euro kosten, dagegen liegen die Kosten für Direkt Marketing-Kontakte deutlich darunter (zwischen ca. 2-, und 10,- Euro, je nach Instrument). Direkt Marketing-Instrumente werden deshalb häufig dazu benutzt, vielversprechende Interessenten zu identifizieren und den Kontakt mit dem Außendienstmitarbeiter vorzubereiten, bevor der direkte persönliche Kontakt stattfindet. Andererseits ist jedoch im Vergleich zu anderen herkömmlichen absatzfördernden Kommunikationsinstrumenten das Direkt Marketing auch nicht immer kostengünstig und mühelos zu realisieren. Für die Ausführung benötigen die Unternehmen oft mehr eigenes Personal als bei herkömmlichen Strategien der Marktkommunikation. Zunehmend entwickeln sich aber auch hier für die einzelnen Instrumente des Direkt Marketing Fullservice-Agenturen, so daß ein großer Teil der Aufgabe nach Außen gegeben werden kann. Grundsätzlich verlangen jedoch eigene Aktionen ein hohes Maß an Koordination und Qualität in Details der Exekution. Problematisch ist zudem - auch von der Kostenseite - die Ansprache von breiten Zielgruppen im Konsumgüterbereich, hier fehlt es auch oft an der notwendigen gerichteten Aufmerksamkeit. Bei Direct Mails mit gekauften, sog. kalten Adressen ist die Adressenqualität oft problematisch und damit Ursache für Fehlstreuungen und Rückläufer. Durch den zunehmenden Einsatz von Direct Mails und anderer Direkt MarketingInstrumente kann es zur Ablehnung bei den Zielpersonen kommen, insbesondere bei aufdringlichen Angeboten (z.B. Anrufe von Direktverkäufern am Abend). Manche der Empfänger fühlen sich auch dadurch in ihrer Privatsphäre belästigt, was infolge der subjektiv wahrgenommenen Freiheitseingengng auch psychologische Reaktanz auslösen kann. Durch die Aufnahme in die sogenannte Robinsonliste besteht für den Einzelnen die Möglichkeit, sich von der Zusendung von Direct Mails auszuschließen.
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4. Das Kommunikations-Programm
4.6 Persönliche Kommunikation Persönliche Kommunikation umfaßt Verkaufs- und Informationsgespräche sowie Gespräche im Rahmen der Personalführung. Letzteres klammern wir hier aus. Die Ziele der persönlichen Kommunikation können durchaus die gleichen sein, wie die der Massenkommunikation: Bekanntmachung, Informationsvermittlung und Imageprofilierung, Abgrenzung vom Wettbewerb, Erschließung neuer Zielgruppen, Kontaktanbahnung oder Kundenbindung (Bruhn, 1997, S. 688). Persönliche Kommunikation richtet sich nicht nur an Kunden, sie ist gleichermaßen von Bedeutung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit gegenüber Medienvertretern oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Dann kommt es darauf an, daß die Inhalte der persönlichen Kommunikation mit den Zielen und Aussagen der Medienkommunikation in Einklang stehen. Welcher Bereich der Kommunikation dann im Vordergrund steht, persönliche oder Medienkommunikation, kann nicht allgemeingültig gesagt werden, sondern hängt von Unternehmung und Kommunikationssituation ab. Man kann Verkaufsgespräche danach unterscheiden, welche Art von Kunden als Gesprächsteilnehmer angesprochen werden. Wir unterscheiden einmal danach, ob das Gespräch gegenüber dem Handel oder den Verwendern geführt wird. Im Handel ist zwischen Gesprächen auf der Ebene von Handelszentralen und der Ebene des Einzelhandels zu unterscheiden. Im Einzelhandel unterscheiden wir zwischen den selbständig entscheidenden Einzelhändlern und den Filialen von Handelszentralen. Bei letzteren ist die Entscheidungsbefugnis mehr oder weniger stark eingeschränkt. Im Großhandel haben wir es meistens mit selbständig entscheidenden Gesprächsteilnehmern zu tun. Das Verkaufsgespräch unterliegt daher in etwa den gleichen Gesetzen wie bei selbständig entscheidenden Einzelhändlern. Bei Verwendern unterscheiden wir zwischen Endverbrauchern und industriellen Verwendern. Endverbraucher nutzen das Produkt direkt, während industrielle Verwender es weiterverarbeiten oder als Handelsware in ihr Programm einbauen. Endverbraucher unterscheiden wir danach, ob es sich um private Konsumenten oder nicht-private Großverbraucher wie Krankenhäuser, Kommunen usw. handelt. Bei nicht-privaten Endverbrauchern und industriellen Verwendern können wir noch danach differenzieren, ob das Verkaufsgespräch gegenüber einer Einzelperson stattfindet oder vor einem Einkaufsgremium. Diese Systematik ist in Abbildung 4-31 dargestellt.
4.6 Persönliche Kommunikation
273
Teilnehmer auf Kundenseite im Verkaufsgespräch
Handel
Verwender/Verbraucher
a) Zentralen von Großbetriebsformen im Handel
b) abhängiger Einzelhandel (Filialist)
Endverbraucher
c1) selbständig enttscheidender Einzelhandel
c2) selbständig entscheidender Großhandel
d) privat
industrieller Verwender
nicht-privat
e) Einzelperson auf Kundenseite
g) Gremium auf Kundenseite
h) Einzelperson auf Kundenseite
f) Gremium auf Kundenseite
Abbildung 4-31: System der Gesprächsteilnehmer im Verkaufsgespräch auf Kundenseite Auch auf der Anbieterseite ist eine Unterscheidung sinnvoll, allerdings lediglich danach, ob auf Anbieterseite eine Person oder ein Verkaufsgremium aktiv wird. Verkaufsgremien sind immer dann sinnvoll, wenn auch auf Kundenseite ein Gremium anwesend ist, also gegenüber Zentralen von Großbetriebsformen des Handels oder gegenüber Einkaufsgremien bei nicht-privaten Endverbrauchern oder industriellen Verwendern. Wenn gegenüber Einzelpersonen auf Kundenseite ein Verkaufsgremium auftritt, sollte es dafür sehr gute Gründe geben. Häufig fühlen sich Einzelpersonen auf Kundenseite einem Verkaufsgremium gegenüber unterlegen und werden eher mit Abwehrhaltung reagieren. Was sind nun die Besonderheiten des Verkaufsgespräches in jeweiligen Situationen, und welche Rolle spielen sie jeweils im Kommunikationsmix? a) Bei Verkaufsgesprächen in den Zentralen von Großbetriebsformen im Handel geht es darum, Marketingkonzepte zu verkaufen. Wichtig ist, daß dabei nicht nur ein Konsumgut an den Handel verkauft wird, sondern eben das gesamte Konsumgütermarketingkonzept. Die eigentliche Endverbraucherkommunikation ist davon nur ein Bestandteil. Das gleiche gilt für die auf den Handel abgestimmte Verkaufsförderung. Handelswerbung hat wenig Bedeutung. Wir müssen bedenken, daß beispielsweise im Lebensmittelhandel acht Großbetriebsformen 80% des Gesamtumsatzes auf sich vereinigen. Die dortigen Ent-
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4. Das Kommunikations-Programm
scheidungsträger lassen sich kaum über anonyme Massenwerbung in Handelszeitschriften ansprechen. Das Marketingkonzept eines Herstellers wird am effizientesten von einem Team präsentiert, das sich aus dem Verkaufspersonal selber wie auch aus Personen aus dem Bereich des Marketingmanagement zusammensetzt. Manche Fragen, die aus dem Einkaufsgremium des Handels zum Marketing gestellt werden, können Personen aus dem Verkauf weniger kompetent beantworten. Das gilt insbesondere für Fragen der Werbestrategie (Wahl der Werbeträger, Zusammensetzung des Kommunikationsmix). Die Gesprächssituation in diesem Sektor ist insbesondere durch extrem zugunsten des Handels verlagerte Machtpotentiale gekennzeichnet. Während auf Handelsseite weniger als zehn Großbetriebsformen von Bedeutung sind, machen die wichtigsten fünf Lieferanten des Lebensmittelhandels in der BRD zusammen weniger als 10% des Gesamtumsatzes im Handel aus. Alle anderen Lieferanten liegen sogar jeweils unter 1% Marktbedeutung. Auch wenn der Handel sicher nicht auf bedeutende Markenartikel verzichten kann, so hat er doch erhebliche Vorteile in den Verkaufsverhandlungen auf seiner Seite. Es geht ja nicht nur um die Frage, ob ein Produkt im Handel geführt wird oder nicht, es geht auch um die Frage, zu welchen Preisen es ein- bzw. verkauft wird und in welcher Form eine Marke im Handel präsentiert wird. Es geht ferner um die Anzahl und Qualität zu vereinbarender Verkaufsförderungsaktionen. Hier sind die Markenartikelanbieter teilweise gezwungen, auf die Forderung des Handels einzugehen. Wichtig ist es für das Verkaufspersonal zu wissen, welches denn die wichtigsten Entscheidungskriterien für den Handel sind, ein Produkt in das Sortiment aufzunehmen (die sogenannte Listung). Listungskriterien des Handels sind: - Umschlagshäufigkeit, - Spanne für den Handel, - Verbraucherwerbung (Volumen und Art der Werbeträger), - Möglichkeit Zusatzumsatz zu erzielen, - Marktwachstum des betreffenden Marktes, - Produktnutzen (Produktvorteile), - Marktvolumen des betreffenden Marktes, - Verkaufsförderung/Abstimmung auf den Handel. Es ist interessant, daß Testmarktergebnisse, Produkttestresultate und Einzelheiten der Mediaplanung für die Entscheidung des Handels nicht maßgeblich sind. Offenkundig mißtraut der Handel diesen Daten, wenn sie von Herstellerseite präsentiert werden.
4.6 Persönliche Kommunikation
275
Da sich die Verkaufsergebnisse mit Hilfe der scannergestützten Marktforschung sehr schnell ermitteln und darstellen lassen, gewinnen aktuelle Daten aus der Marktforschung heute zunehmend an Bedeutung. Mit Hilfe der Marktforschung, die sich scannergestützt aufgrund von Daten der EAN-Kassen gewinnen läßt, ist es möglich, die Absatzerwartung pro Produktdarbietung im Regal bzw. pro belegte Regalfläche exakt zu erfassen. Es ist heute möglich, den Gesamtabsatz aus dem Verkaufsregal und den aktionsbedingten Zusatzumsatz getrennt zu erfassen und dem Handel zu präsentieren. Möglich ist es ferner, den zu erwartenden Rohertrag des Handels auf der Basis dieser Daten zu prognostizieren, ebenso den Beitrag verschiedener Instrumente des Marketing am Gesamtabsatz. Derartige Analysen werden heute von Nielsen oder der GfK angeboten und können dem Handel präsentiert werden. Derartige „harte Fakten“ werden für den Handel zunehmend als Entscheidungskriterium herangezogen. Die letztendliche Entscheidung fällt häufig nicht bei dem während einer Verkaufspräsentation anwesenden Teilnehmerkreis sondern in Gremien, in denen verschiedene Facheinkäufer, Marketing- und Verkaufsexperten sowie Personen aus dem Finanzsektor gemeinsam die Entscheidungen über die Sortimentspolitik der Großbetriebsformen im Handel treffen. Diese Gremien sind den Personen aus dem Verkaufssektor häufig nicht einmal namentlich bekannt. Es kommt dabei darauf an, am Schluß einer Verkaufspräsentation die wichtigsten Argumente in knapper und überzeugender Form in Form eines Verkaufsprospektes (Salesfolder) zu übergeben. Da in diesen Gremien in kurzer Zeit extrem viele Entscheidungen getroffen werden, wird jeder Einzelentscheidung nur wenig Zeit eingeräumt. Es ist daher von großer Bedeutung, daß diese Unterlagen auf den ersten Blick verständlich und widerspruchsfrei gestaltet sind. Es kommt ferner darauf an, den wichtigsten Entscheidungskriterien Rechnung zu tragen und die entsprechenden Fragen zu beantworten. Seitens des Konsumgütermarketing muß man sich der Tatsache bewußt sein, daß für die jeweilige Entscheidung maximal wenige Minuten veranschlagt werden. Lange ausführliche Verkaufsunterlagen werden daher kaum akzeptiert. b) Bei Verkaufsgespräche gegenüber dem von Zentralen abhängigen Einzelhandel findet kaum noch ein echtes Verkaufsgespräch statt. Die Reisenden der Markenartikel besuchen die Filialen und Verbrauchermärkte, registrieren die vorhandene Ware und ordern nach Absprache mit der Filialleitung die Nachlieferung Ware. Das wird in aller Kürze durch elektronisch gesteuerte Warenwirschaftssysteme vollständig ersetzt worden sein. Die Ware wird über Speditionen angeliefert, und die Reisenden selber oder vielmehr speziell dafür ausgebildete Hilfskräfte füllen die Waren im Regal auf. Nur dann, wenn den Filialleitungen seitens der Handelszentralen Freiheitsgrade in der Sortimentsgestaltung eingeräumt werden, bleibt Raum für Verkaufsgespräche, in denen die Reisenden ihre Produkte überzeugend darzubieten haben. Das ist zunehmend seltener der Fall. In aller Regel werden die Verkaufsförderungsmaßnahmen in den Zentralen vereinbart, deren Umsetzung obliegt den Filialleitungen. Dann hat das Verkaufspersonal der Markenartikelanbieter die Auf-
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4. Das Kommunikations-Programm
gabe, die Verkaufsförderungsmaßnahmen möglichst schnell in den Filialen zu präsentieren und auf deren Umsetzung zu beharren. Insgesamt gesehen hat die Bedeutung des Verkaufsgespräches in diesem Sektor erheblich abgenommen. Informationen der Mediawerbung spielen hier praktisch keine Rolle. Soweit Personen des Handels Entscheidungskompetenz innehaben, kommt es hier in sehr starkem Maße auf die persönlichen Beziehungen der Reisenden zu dem Personal im Handel an. Diese dauerhaft aufzubauen und zu pflegen ist Aufgabe des Verkaufs. c) Der selbständig entscheidende Einzelhandel bzw. selbständig entscheidende Großhandel ist der Bereich, in dem nach wie vor echte Verkaufsgespräche stattfinden, in denen die Reisenden die Ware zu erläutern haben und durch eigenes Verhandlungsgeschick Verkaufsergebnisse realisieren können. Dies ist der Bereich, in dem die üblicherweise dargestellten Regeln des Verkaufsgespräches tatsächlich Anwendung finden. Wenn der Handel sich aus vielen tausend Unternehmungen zusammensetzt (wir haben in Deutschland beispielsweise noch über 25.000 Apotheken), dann spielt in diesem Bereich die Handelswerbung noch eine gewisse Rolle. Diese bereitet das Verkaufsgespräch vor. Es kommt dann für das Verkaufspersonal darauf an, die in der Handelswerbung verwendeten Argumente aufzugreifen. Die Endverbraucherwerbung ist ein Verkaufsargument ebenso wie Qualitätseigenschaften der Produkte. Es ist natürlich für den Handel von Relevanz, in welchem Maße die einzukaufenden Produkte gegenüber den Endverbrauchern beworben werden. d) In dem Maße, in dem das Direkt Marketing an Bedeutung gewinnt, nimmt in vielen Konsumbereichen auch das Verkaufsgespräch gegenüber privaten Endverbrauchern an Bedeutung zu. Manche Konsumgüterbereiche werden verstärkt am Handel vorbei direkt den Verbrauchern angeboten. Das gilt insbesondere für den Getränke- und Tiefkühlkostmarkt. Über ein Drittel des Gesamtmarktes im Tiefkühlkostsektor fließt am Handel vorbei direkt zum privaten Endverbraucher. Schon lange ist der Bereich des Versicherungssektors ein Bereich des direkten Verkaufsgespräches mit dem Endverbraucher. Auch in diesem Fall sind echte Verkaufsgespräche notwendig. Der entscheidende Unterschied zum Verkaufsgespräch gegenüber dem selbständig entscheidenden Einzelhandel ist in der unterschiedlichen Kompetenz zu sehen. Private Endverbraucher sind in der Regel nicht dazu in der Lage, die Qualität der Produkte zu beurteilen. Sie sind im Prinzip auf die Argumente der anbietenden Seite oder (häufig ebenso inkompetenter) Personen aus dem privaten Bekanntenkreis angewiesen. Daher gewinnt die Art der Argumentation durch das Verkaufspersonal in diesem Fall in besonderem Maße an Bedeutung. In diesem Sektor ist auch die Massenkommunikation, insbesondere die Mediawerbung, von großer Bedeutung. Es ist müßig darüber zu diskutieren, ob das direkte intensive Verkaufsgespräch oder die Massenkommunikation von grö-
4.6 Persönliche Kommunikation
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ßerer Bedeutung ist; eine viel größere Rolle spielt die Interaktion beider Marketinginstrumente. Es kommt darauf an, über Mediawerbung das Produkt bekannt zu machen und sympathisch darzustellen und so eine generelle Kaufbereitschaft zu schaffen. Diese ist dann durch das direkte Verkaufsgespräch umzusetzen. Wichtig ist, daß die Argumente des Verkaufsgespräches auf die durch Mediawerbung vorab geschaffenen Einstellungen aufbauen. e) und f) Wird an Großendverbraucher verkauft, so haben wir sowohl eine hervorragende Bedeutung des echten Verkaufsgespräches als auch der vorab einzusetzenden Mediawerbung. Der Erfolg des Verkaufsgespräches hängt sowohl von der kundenbezogenen Argumentation während des Gespräches ab als auch von den vorab durch Massenkommunikation (Werbung und Öffentlichkeitsarbeit) geschaffenen Einstellungsstrukturen auf Kundenseite. In diesem Sektor spielen auch Produkteigenschaften eine große Rolle. Facheinkäufer von Großendverbrauchern sind im Gegensatz zu privaten Endverbrauchern sehr wohl dazu in der Lage, die Qualität der Produkte zu beurteilen. Wenn gegenüber Einzelpersonen präsentiert wird, kommt es darauf an, aussagefähige Produktunterlagen vorlegen zu können, da Einzelpersonen selten alleine über den Einkauf entscheiden. Auch hier wird die Entscheidung letztendlich häufig in Gremien getroffen (Buying Center). Diese Buying Center setzten sich aus Einkäufern, späteren Anwendern des Produktes, Finanzexperten, vielleicht der Geschäftsführung, sonstigen fachlichen Experten und durchaus auch sogenannten „grauen Eminenzen“ zusammen. Es ist für das Verkaufspersonal wichtig zu beachten „daß die verschiedenen Mitglieder des Buying Centers aufgrund unterschiedlicher Zielvorstellungen und Einstellungen häufig eine differenzierende Wichtigkeitsstruktur der kaufverhaltensbeeinflussenden Kriterien aufweisen ...“ (Backhaus, 2003, S. 65). Es kommt dabei darauf an, den unterschiedlichen Informationsbedürfnissen der Mitglieder am Einkaufsentscheidungsprozeß Rechnung zu tragen und entsprechende Informationen zu übergeben. Im Gegensatz zum vorangegangenen Fall (Einkaufsgremien im Handel) kann man hier von einer etwas ausführlicheren Beurteilung der Produktargumente ausgehen. Wie ausführlich sich mit einem Produkt beschäftigt wird bzw. wieviele Personen mit der Entscheidung betraut sein werden, hängt einmal von der Bedeutung des einzukaufenden Produktes ab und zum anderen davon, ob das Produkt zum ersten oder wiederholten Mal bzw. bereits routinemäßig eingekauft wird. g) und h) Bei industriellen Verwendern trifft im wesentlichen das gleiche zu, was bereits für den Verkauf an Großendverbraucher gesagt wurde. Auch hier ist davon zu unterscheiden, ob gegenüber Einzelpersonen oder einem Einkaufsgremium präsentiert wird, wieviele Personen letztendlich am Entscheidungsprozeß beteiligt sind, und wie intensiv man sich mit der Einkaufsentscheidung beschäftigen wird. Auch hier ist das Ergebnis eines Verkaufsgespräches in einer Interaktion von vorangegangener Massenkommunikation und
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4. Das Kommunikations-Programm
dem konkreten Verkaufsgespräch zu sehen. Dennoch bleibt hier außer Frage, daß wohl das Verkaufsgespräch größere Bedeutung hat als die Mediakommunikation. Man kann sicherlich sagen, daß sich die Frage der Bedeutung von Verkaufsgespräch und Mediakommunikation bei industriellen Verwendern und Großendverbrauchern im Vergleich zur Situation bei Konsumgütern genau umgedreht hat. Während bei Konsumgütern die Mediakommunikation von hervorragender Bedeutung ist, die nur gegebenenfalls durch direkte Verkaufsgespräche unterstützt wird, so ist die Situation hier genau umgekehrt und das direkte Verkaufsgespräch von hervorragender Bedeutung, welches durch Mediawerbung (aber nicht unwesentlich) unterstützt wird. Der Ablauf von „echten“ Verkaufsgesprächen kann anhand unterschiedlicher Merkmale in sechs Abschnitte gegliedert werden. Bekannt ist der phasenbezogene Ansatz, den wir im folgenden darstellen: Kontaktvorbereitung: Diese Phase dient dazu, den Tagesablauf und die Verkaufstouren zu planen. Verkaufsunterlagen sind zusammenzustellen, Informationen über die wahrscheinlichen Gesprächspartner zu ermitteln, Ziele des Verkaufsgespräches zu formulieren und der wahrscheinliche Ablauf des Verkaufsgespräches gedanklich durchzuspielen; insbesondere mögliche Einwände sind vorab zu bedenken und eventuelle Entgegnungen zu erarbeiten. Kontaktherstellungsphase: Damit ist die Begrüßung, eventuell die Vorstellung der Gesprächsteilnehmer, die Gewinnung von Vertrauen und die Einstimmung auf die Kundentypen gemeint. Es ist durchaus denkbar, daß die Phase der Kontaktherstellung als Phase des „ersten Eindrucks“ von größter Bedeutung für den späteren Ablauf des Verkaufsgespräches ist. Insbesondere in südwesteuropäischen Ländern spielt die Phase vor dem eigentlichen Verkaufsgespräch, in der über scheinbar belanglose persönliche Dinge gesprochen wird, eine sehr große Rolle. Klärungsphase: Hier geht es um die Analyse des Kundenbedarfes bzw. die Problemabgrenzung, die Selbstdarstellung des Kunden und die Gesprächslenkung. In dieser Phase des Verkaufsgespräches steht aktives Zuhören (z. B. durch offene und geschlossene Fragetechniken) im Vordergrund. Argumentationsphase: Diese Phase dient dazu, den eigentlichen Produktnutzen kundengerecht zu verdeutlichen, gegebenenfalls Produkte und deren Leistungen vorzuführen, Verkaufshilfen einzusetzen, Gegenargumente zu behandeln und gemeinsam Problemlösungen zu erarbeiten. Die Nutzenansprache aus Sicht des Kunden gehört zu den wichtigsten Elementen dieser Phase. In dieser Phase des Verkaufsgespräches sind
4.6 Persönliche Kommunikation
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die unterschiedlichen Methoden zur Behandlung von Einwänden von erheblichem Nutzen z.B. die bedingte Zustimmung („ja, aber ...“), die Vorwegnahmemethode (man spricht den Mangel selber an, um ihn selber sofort zu relativieren) oder auch die zweiseitige Argumentation von besonderer Bedeutung. Unter zweiseitiger Argumentation versteht man eine Argumentation, in der nicht nur (einseitig) die Vorteile eines Produktes, sondern durchaus auch Nachteile erwähnt werden. Die zweiseitige Argumentation führt dazu, daß das Verkaufspersonal als glaubwürdiger und kompetenter wahrgenommen wird. Einige Untersuchungen belegen, daß zweiseitige Argumentationen den Verkaufsabschluß begünstigen. Als besonders wirksam erweist es sich, durchaus einmal Nachteile auf unwesentlichen Bereichen darzustellen, um in der Folge um so glaubwürdiger die Vorteile herausstellen zu können. Abschlußphase: In der Abschlußphase geht es darum, den eigentlichen Verkaufsabschluß zu erzielen. Als besonderes Problem dieser Phase wird die Durchsetzung des gewünschten Preises gesehen. Um den „Preiskomplex“ zu mildern, ist eine überzeugende Argumentation erforderlich. Verkäufer haben die Möglichkeit, auf folgende Techniken zurückzugreifen: die Verzögerungsmethode sieht vor, erst nach der Darstellung des Kundennutzens über den Preis zu sprechen. Zu den wichtigsten Abschlußtechniken gehört die Direktmethode (der Verkäufer fragt direkt nach der Bestellung), die Vorgriffsmethode („nehmen wir einmal an, ...“), die Plus-MinusMethode („Soll und Haben“) oder die Anreizmethode, bei der auf Sonderwünsche eingegangen wird (vgl. Busch, Dögl & Unger, 2001, S. 311). Kaufnachbereitung: In dieser Phase wird das Verkaufspersonal für die Abwicklung des erzielten Verkaufsabschlusses zu sorgen haben und unternehmungsintern die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten haben. Ferner wird nach einem Verkaufsgespräch sinnvollerweise bereits das nächste Verkaufsgespräch vorbereitet, denn jedes Verkaufsgespräch kann wichtige Informationen für ein späteres Gespräch liefern. In immer stärkerem Maße zeigt sich in den letzten Jahren, daß es im internationalen Marketing darauf ankommt, sich auf kulturspezifische Besonderheiten der anderen Seite einzustellen. Das gilt in besonderem Maße im persönlichen Verkaufsgespräch. Selbst scheinbar ähnliches äußeres Verhalten läßt noch lange nicht auf gleiche Motivationsstrukturen, gleiche Denkweisen oder Einstellungen schließen. Das gilt sowohl für räumliche nahe Kulturen (Frankreich) als auch für Kulturen mit Menschen, die uns scheinbar sehr ähnlich sind (Amerikaner) und erst recht für räumlich sehr entfernt liegende Kulturen (Japan bzw. generell Ostasien). Wer in anderen Kulturbereichen erfolgreich kommunizieren will, kann nicht genug über dortige Besonderheiten informiert sein. In manchen Kulturen sind Verkaufsgespräche vermutlich nur dann erfolgreich abzuschließen, wenn sie gemeinsam mit Inländern geführt werden, das gilt insbesondere für den ostasiatischen
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4. Das Kommunikations-Programm
Raum. Von einem Verschmelzen der großen Kulturen kann jedenfalls zum derzeitigen Zeitpunkt keine Rede sein.
4.7 Messen und Ausstellungen 4.7.1 Charakterisierung von Messen und Ausstellungen Messen und Ausstellungen gehören zu den ältesten absatzpolitischen Instrumenten; ihr Ursprung liegt im europäischen Mittelalter. An vielen Orten wurden jahreszeitlich wiederkehrende Märkte zu Kirchenfesten abgehalten. Messen waren damals priviligierte Märkte auf Zeit; nach der Heiligen Messe wurde vor der Kirche die sogenannte „unheilige Messe“ (missa profana) gehalten.23 Auch in Deutschland entwickelten sich bereits früh, unterstützt durch verkehrsgünstige Lagen, bedeutende Messeplätze u.a. in Frankfurt am Main und Leipzig. Der Charakter der Messe wandelte sich jedoch im Verlauf der Jahrhunderte. Der eigentliche Urtypus der Messe war die Tauschmesse. Daraus entwickelten sich sukzessive die Warenmessen. Erst mit der aufkommenden Industrialisierung, die eine gleichbleibende Produktqualität sicherte, wandelte sich die Warenmesse zur Mustermesse. Aus diesen sind dann die Universalmessen hervorgegangen, auf denen das Angebot weder nach Branchen noch nach bestimmten Produktgruppen festgelegt war. Universalmessen in diesem Sinn, gibt es in Deutschland praktisch nicht mehr (vgl. AUMA, 1994, S. 28), die internationalen Messen sind heute charakterisiert durch die Einengung auf ein definiertes Angebots-Spektrum. In den letzten Jahrzehnten hat sich eine Vielzahl unterschiedlicher Messeveranstaltungen entwickelt. Dabei wird häufig nicht zwischen Messen und Ausstellungen differenziert, obwohl sie sich historisch unterschiedlich entwickelt haben. Im Titel IV der Gewerbeordnung (GewO) finden sich folgende Definitionen: „§ 64 Messen Eine Messe ist eine zeitlich begrenzte, im allgemeinen regelmäßig wiederkehrende Veranstaltung, auf der eine Vielzahl von Ausstellern das wesentliche Angebot eines oder mehrerer Wirtschaftszweige ausstellt und überwiegend auch Muster an gewerbliche Wiederverkäufer, gewerbliche Verbraucher oder Großabnehmer vertreibt. Der Veranstalter kann in beschränktem Umfang an einzelnen Tagen während bestimmter Öffnungszeiten Letztverbraucher zum Kauf zulassen.“
23
Zur Geschichte und Struktur der Messe vgl. Maurer (1973).
4.7 Messen und Ausstellungen
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„§ 65 Ausstellungen Eine Ausstellung ist eine zeitlich begrenzte Veranstaltung, auf der eine Vielzahl von Ausstellern ein repräsentatives Angebot eines oder mehrerer Wirtschaftszweige ausstellt oder vertreibt oder über dieses Angebot zum Zwecke der Absatzförderung informiert.“ Diese beiden Definitionen unterscheiden sich nur marginal. Als idealtypisches Unterscheidungsmerkmal kann die Besucherstruktur herangezogen werden. Messen wenden sich überwiegend an ein Fachpublikum, Ausstellungen wenden sich dagegen an eine allgemeine interessierte Öffentlichkeit. Zudem sind Messen theoretisch eher verkaufsorientiert, Ausstellungen dagegen verstärkt informationsorientiert (vgl. Selinski & Sperling, 1995, S. 14). Aus der Vielfalt der Art solcher Marktveranstaltungen lassen sich für Messen folgende Abgrenzungskriterien zusammenstellen: • Geografische Herkunft der Messebeteiligten (regionale, nationale, internationale Messe), • Breite des Angebotes (z.B. Universalmessen, Fachmessen, Mehrbranchenmesse), • Angebotene Güterklassen (Konsum- und Investitionsgüter, Dienstleistungen), • Beteiligte Branchen und Wirtschaftsstufen (Landwirtschaftsmessen, Handelsmessen, Industriemessen, etc.), • Hauptrichtung des Absatzes (Export- und Importmessen) und • Funktion einer Veranstaltung (Informations- oder Ordermesse) (in Anlehnung an Funke, 1986, S. 4).24 Eine exakte begriffliche Abgrenzung wird zudem erschwert durch die Option auf die Kombination von solchen Marktveranstaltungen mit Kongressen, Symposien oder Tagungen zu Kombinationsveranstaltungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten („Messe plus Kongreß“ oder „Kongreß plus Messe“). Die Bundesrepublik Deutschland hat im Weltmaßstab eine führende Position im Messe- und Ausstellungswesen. Die über 100 überregionalen Veranstaltungen verzeichnen insgesamt rund 150.000 Aussteller, davon rund 45% aus dem Ausland und über 10 Mio. Besucher, davon kamen fast 20% aus dem Ausland. Das Messewesen stellt generell auch einen nicht unerheblichen nationalen und insbesondere für die Region bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar. Aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive unterstützen diese vielen international führenden Messen und Ausstellungen den Export der verschiedensten Branchen in Deutschland sehr stark.
24
Strothmann und Roloff (1993) haben ein Merkmalsystem zur Kategorisierung von Messen entwickelt, um die real existierenden Messen hinreichend beschreiben zu können.
282
4. Das Kommunikations-Programm
Wir wollen als ausgewählte Funktionen von Messen annehmen: • Messen sind ein Marktkonzentrat und spiegeln ausgewählte Märkte wider, • Messen schaffen Markttranparenz, erlauben einen direkten Vergleich von Preis und Leistung, • Messen können neue Märkte erschließen, • sie fördern den Informationsaustausch und • Messen haben Erlebnischarakter und sprechen alle menschlichen Sinne an. Gerade dieser letzte Punkt verdeutlich auch einen der Trends im Messewesen, der für die kommunikative Umsetzung des Instruments Messe zu beachten ist. Messen werden immer stärker als Erlebnis gesehen. Die potentiellen Besucher haben große Erwartungen an die Präsentation der Aussteller, nicht nur an die Form der Darstellung der Produkte, Systeme und Leistungen, sondern auch an das Gesamtunternehmen. Neben dem Wunsch nach rationalorientierter Information tritt additiv der Wunsch nach erlebnisorientierter Präsentation und Enter- sowie Infotainment. Zudem sind Messen für viele Besucher und Interessierte nicht mehr nur ein singuläres Ereignis, das zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfindet, sondern sie sind eingebettet in eine Messe-Vor- und Messe-Nachphase - Messen besitzen also Prozeßcharakter. Bereits im Vorfeld werden Informationen gesammelt und der Messebesuch geplant. Ca. 40% der Besucher bereiten ihren Messebesuch intensiv vor (Spiegel-Verlag, 1992, S. 58). In der Messe-Nachphase erfolgt meist sehr schnell nach der Messe die Auswertung der Informationen. Die Messe kann als Kommunikations- und Wirkungsprozeß verstanden werden, der sich aus den Phasen : • selektierende Vorbereitung, • rationell gestalteter Messebesuch25 und • informationelle Nachbearbeitung zusammensetzt. Ein weiterer Trend im Messewesen ist der Wandel von der Order- oder Kaufbörse hin zur Kontakt-, Kommunikations- und Informationsbörse. Messen bieten die Chance, sich konzentriert über innovative Produkte, Leistungen und Problemlösungen zu informieren, Vergleiche zu ziehen und sich Markttransparenz zu verschaffen; es können neue Kontakte aufgebaut bzw. bestehende Kontakte stabilisiert und vertieft werden. 25
Dies trifft besonders für bestimmte Typen von Messebesuchern zu. Strothmann differenziert 4 Typen von Messebesuchern, den intensiven Messenutzer, den punktuellen Messenutzer, den Messebummler und den praxisorientierten Messebesucher (Strothmann, 1992, S. 35 ff.). Die beiden ersten Typen nutzen die Messe sehr rationell und sie schreiben diesem Instrument eine große Bedeutung zu.
4.7 Messen und Ausstellungen
283
Im Entscheidungsprozeß nehmen bei vielen Besuchern Messen eine prominente Stellung ein. Einerseits werden in vielen Fällen (Investitions-) Entscheidungen bis nach der Messe verschoben, um auf der Messe letzte und aktuellste Informationen zu erhalten und so die Entscheidung abzusichern; dadurch entsteht ein gewisser Investitionsstau, der kurz nach der Messe abgebaut wird. Andererseits werden durch Messen auch Investitionsentscheidungen initiiert, z.B. durch Informationen über neue innovative Produkte und Systemlösungen.
4.7.2 Messen im Marketing- und Kommunikations-Mix Je nach Perspektive finden sich unterschiedliche Einordnungen des Instruments Messe in das Marketing-Instrumentarium. Einige Autoren (z.B. Selinski & Sperling, 1995, S. 96) sehen aufgrund des integrierenden, aber gleichzeitig auch übergreifenden Charakters der Messe im Marketing-Mix die Notwendigkeit, dieses Instrument als eigenständiges Mix anzusiedeln. Messen sind heute nicht nur ein Instrument der Distribution, sondern sie tangieren natürlich auch den kommunikationspolitischen Bereich. Aber auch der produktpolitische Bereich wird durch Messen beeinflußt. Einerseits sind wichtige Leit-Messen oft Terminvorgaben, um innovative Produkte dem Markt vorzustellen. Andererseits kann die Akzeptanz eines solches Produktes auf einer Messe schnell getestet werden. Des weiteren kann ein Unternehmen auf Messen die Innovationen von Wettbewerbern oder auch aus anderen Branchen als Anregungspotential für neue, eigene Problemlösungen nutzen. Preis- und kontrahierungspolitisch relevante Informationen können durch Messen gewonnen werden. So kann z.B. getestet werden, ob die angestrebten Preise und Konditionen bei den potentiellen Abnehmern als angemessen erachtet werden oder nicht. Eine Einschätzung der wettbewerbsorientierten Preise kann auf Messen vor dem Hintergrund der vergleichenden Qualitäts- und Nutzeneinschätzungen der potentiellen Kunden realisiert werden. Meffert (1993, S. 77) ordnet Messen schwerpunktmäßig dem kommunikationspolitischen Instrumentarium zu, weist ihr aber hierbei einen eigenständigen Charakter neben den anderen Kommunikationsinstrumenten zu. Messen sind ein Medium, das zur ganzheitlichen Verdeutlichung der unternehmenspolitischen Konzeption befähigt ist. Betrachtet man darüber hinaus eine Messebeteiligung als integrierte Kombination von verschiedenen Einzelaktivitäten, so kann man sie durchaus als eigenständigen Sub-Mix betrachten. Messen zeichnen sich gegenüber anderen Kommunikationsinstrumenten insbesondere durch folgende Merkmale aus:
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4. Das Kommunikations-Programm
• erhöhter persönlicher Kontakt, • Besichtigungs und Begreifungsmöglichkeit (haptischer Sinn) der Produkte/Objekte, • Integration unterschiedlicher Kommunikationsinstrumente, • Ereignis- und Erlebnischarakter sowie • geringe Disponibilität (vgl. Rost, 1983, S. 37). Eine Messebeteiligung setzt sich dabei zusammen aus den Komponenten: • • • •
Stand (Standort/Plazierung, Grundform, Architektur), Exponate (Auswahl, Breite, Tiefe), Personal (Auswahl, Einsatz, kommunikative Kompetenz) und Kommunikationsmaßnahmen.
Alle diese Komponenten im Messe-Mix nehmen kommunikative Funktionen wahr oder haben kommunikative Konsequenzen: z.B. offene versus geschlossene Standarchitektur, Aussagekraft bzw. Erkärungsbedürftigkeit der Exponate.
Kommunikations-Mix der Unternehmung Öffentlichkeitsarbeit
Werbung
Verkaufsförderung
Messe
Personale Kommunikation
Direktmarketing
Weitere Instrumente (z.B. Sponsoring)
Sub-Mix Messe
Standgestaltung
Exponate
Personale Kommunikation
Mediale Kommunikation
Abbildung 4-32: Die Messe im Kommunikations-Mix Messen als Teil des Kommunikations-Mixes (vgl. Abbildung 4-32) in die GesamtKommunikations-strategie eine Unternehmung zu integrieren ist erforderlich, um ein einheitliches Auftreten, eine klare Profilierung und synergetische Effekte zu erzielen. Neben dieser Integrationsebene ist zudem eine Abstimmung und Integration der einzelnen Messekomponenten erforderlich, um zu einer Einheitlichkeit in der Präsentation zu kommen, und um so die Chancen der Zielerreichung zu erhö-
4.7 Messen und Ausstellungen
285
hen. Eine Zuordnung von Messen in den Instrumentalbereich Verkaufsförderung (vgl. hierzu z.B. Döppner, 1977, Clausen, 1997) wird nach Ansicht der Autoren der Relevanz und dem Charakter dieses Mediums nicht gerecht. Eher kann die Messe für bestimmte Branchen als wichtiges Instrument der Vertriebspolitik gesehen werden.
4.7.3 Planung der Messebeteiligung Ausgangspunkt für den Planungsprozeß ist die grundsätzlich unternehmenspolitische Entscheidung, ob Messen als Marketing- und Kommunikationsinstrument genutzt werden oder nicht. Diese Entscheidung ist abhängig von den allgemeinen Zielen und Strategien und den daraus abgeleiteten Marketingzielen und -strategien, die das Unternehmen verfolgt. Ein Beteiligungsentschluß ist eine Grundsatzentscheidung. Hierbei gilt es die Vor- und Nachteile von Messen im Vergleich mit anderen Marketing-Instrumenten abzuwägen und zu gewichten. Diese Evaluation ist abhängig von einer Vielzahl von Variablen und Einflußfaktoren (vgl. hierzu Wenge & Müller, 1993, S. 734 ff.) Während bei Großunternehmen Messen oft in Kombination mit anderen Marketinginstrumenten eingesetzt werden („Sowohl-als auch-Strategie“), stehen für kleinere und mittlere Betriebe aufgrund von finanziellen Restriktionen vor „Entweder-oder-Entscheidungen“ (vgl. hierzu Mortsiefer, 1990 , S. 12). Mit einer Messebeteiligung kann ein Unternehmen ein Bündel von Zielen verfolgen, z.B.: • Kontaktziele (z.B. bei neuen und alten Kunden, mit den Medien, mit potentiellen neuen Mitarbeitern), • Präsentationsziele/Kommunikationsziele (z.B. Sortimentsvorstellung, Produktneuheiten, Imageverbesserung, Zurückgewinnung inaktiver Kunden, Gewinnung von potentiellen Kunden), • Distributionsziele (z.B. Akquisition von Partnern und Distributoren, Erschließung neuer Absatzmärkte), • Informationsziele (z.B. Reaktion potentieller Kunden, Beobachtung von Markttrends, Wettbewerbsbeobachtung, Ermittlung der Wünsche und Anforderungen der Zielgruppe), • Verkaufsziele (z.B. Verkaufsabschlüsse, Durchsetzung neuer Konditionen) (Vgl. hierzu Selinski & Sperling, 1995, S. 110, Fließ, 1994, S. 12 ff., Clausen, 1997, S. 26 f.) .
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4. Das Kommunikations-Programm
Je nach Relevanz und Gewichtung von Messen durch ein Unternehmen kann es unterschiedliche Messestrategien umsetzen. Von einer konzentrierten Messestrategie kann man sprechen, wenn ein Unternehmen nur wenige wichtige Leitmessen beschickt. Beteiligt sich dagegen ein Unternehmen an sehr vielen und unterschiedlichen Messen, so wird von einer diversifizierten Messestrategie gesprochen. Die Selektion der geeigneten Messen ist eine komplexe Aufgabe. Im wesentlichen wird die Auswahl von Messen bestimmt durch die angestrebten Ziele der Messebeteiligung und durch Messequalitätsfaktoren. Messequalitätatsfaktoren sind u.a.: -
Struktur und Angebot der Ausstellerseite, Quantität und Qualität der Besucher, Infrastruktur, Spektrum und Qualität der Serviceleistungen für Aussteller, Image der Messe und ihre Bedeutung für den Markt, Ambiente und Qualität des Umfeldes.
Insbesondere beteiligungsunerfahrene Unternehmen stehen hier vor großen, vor allem informatorischen und organisatorischen Problemen. Nachdem die Entscheidung für die Beteiligung an bestimmten Messen gefällt worden ist, kann die konkrete Planung der Messe-Beteiligung beginnen. Unter kommunikationspolitischen Gesichtspunkten ist es wichtig, daß bei der Planung darauf geachtet wird, daß sie in Übereinstimmung mit der Gesamt-Kommunikationsstrategie erfolgt. Für die Marktkommunikation relevante Entscheidungen im Rahmen des Messeauftritts sind: • Festlegung der Kommunikationszielgruppen (z.B. Absatzmittler, Anwender, potentielle Kunden und Kunden, Medien, Lieferanten, interessierte Öffentlichkeit) und Zielwirkungen, • Verabschiedung der Positionierung und der Kernbotschaft, die das Unternehmen von anderen differenzieren und den Hauptnutzen für die Zielgruppen thematisieren sollte, • Fixierung des Programms (Taktik, Mittel und Maßnahmen) und • die Festlegung des dafür erforderlichen Budgets.
4.7 Messen und Ausstellungen
287
Daran anschließend kann an die Realisierung der einzelnen Mittel und Maßnahmen gegangen werden. Die Bestimmung des erforderlichen Messebudgets ist für Aussteller oft problematisch, da sich viele Messeaktivitäten mit laufenden Maßnahmen (vor allem mit denen aus dem Kommunikations-Mix) überschneiden. Wichtig ist es, den MesseEtat an den anvisierten Beteiligungszielen zu orientieren. Generell setzt sich das Messebudget aus folgenden Kostenbereichen zusammen (vgl. hierzu auch Selinski & Sperling, 1995, S. 202 ff.): • Kosten für den Messestand (z.B. Miete für Standfläche, Standbau, Auf- und Abbau, etc.), • Kosten in der Messe-Vorphase (z.B. Einladungs- und Informationswerbung, Schulungen, etc.), • Kosten während des Messebetriebes (z.B. Energieversorgung, Standreinigung und -service, Telefon, Fax, etc.), • Kosten für den Messebetrieb (Reisekosten, Bewirtungskosten, etc.) und • Messenachbereitungskosten und Kosten für die Erfolgskontrolle. Entsprechend des prozessualen Charakters von Messen läßt sich das kommunikative Programm in drei Phasen differenzieren: Alle drei Phasen besitzen für den Erfolg der Messebeteiligung einen entscheidenden Charakter (vgl. Fuchs, 1995a). In der Messe-Vorphase werden wesentliche Voraussetzungen geschaffen, denn viele Messebesucher planen in dieser Phase ihren Besuch, entscheiden, welche Aussteller besucht werden (vgl. Spiegel-Verlag, 1992, S. 58). In dieser Phase sind die Zielpersonen entsprechend ihren Informationsbedürfnissen und ihrer Informationsquellen anzusprechen. Dies erhöht die Chancen eines Standbesuches erheblich. Konkret bedeutet das in diesem Zeitraum die potentiellen Zielgruppen rechtzeitig, ca. einen Monat vor Messebeginn, über die Messebeteiligung zu informieren. Erfahrungen zeigen, daß eine kurze, informative Form, welche die Highlights und Innovationen der Präsentation aufzeigen und über Ansprechpartner und Standort des Standes informieren, den Erwartungen vieler Interessierter - insbesondere im Investitionsgüterbereich - entsprechen. Typisch eingesetzte Instrumente im Vorfeld sind: Persönliche Einladungen, Direct Mails an bestehende und potentielle Kunden, Anzeigen im Ausstellerverzeichnis und in der Fachpresse (vgl. Preuss, 1992).
288
4. Das Kommunikations-Programm
Kommunikative Messephasen Messe-Vorphase
Messe-Phase
Messe-Nachphase
Intern: Information und Schulung
Intern: Motivation des Standpersonals
Intern: Information an Standpersonal und Mitarbeiter
Extern: Einladungen (persönlich/medial) Anzeigen PR-Betreuung/Planung
Extern: - Messeperipherie: z.B. Plakate an zentralen Verkehrspunkten - Messegelände: z.B. Plakate, Infosysteme des Veranstalters, etc. - Messe-Stand: Personale und mediale Kommunikation, PR-Arbeit
Extern: Direkt-MarketingMaßnahmen Vertreter/Außendienstbesuch Einladungen zu regionalen Veranstaltungen
Schwerpunkt 1 Monat vor der Messe
Max. bis 3/4 Wochen nach der Messe
Abbildung 4-33: Kommunikative Messephasen mit Programmüberlegungen. Die Messephase zeichnet sich durch die Ergänzung medialer und personaler Kommunikation aus. Standarchitektur und - gestaltung, präsentierte Exponate, die kommunikativen Leistungen des Standpersonals ergänzt um mediale Kommunikation bewirken die kommunikative Wirkung während der Messephase. Die kommunikativen Aktivitäten auf dem Stand können sinnvollerweise ergänzt werden durch Maßnahmen in der Messeperipherie und auf dem Messegelände. Das Standpersonal hat in dieser Phase eine prominente Bedeutung. Die kommunikative Kompetenz, das situationsadäquate Agieren und Reagieren ist hier entscheidend. Entsprechende Bedeutung hat die Schulung und Motivation der Standbesatzung, dennoch bestehen gerade hier noch erhebliche Defizite bei vielen Ausstellern (vgl. z.B. Holzheu, 1993, Schwachulla, 1991). Wichtig ist in diesem Kontext, auch im Hinblick auf eine spätere Erfolgskontrolle, die Gespräche mit Standbesuchern durch das Personal aufzeichnen zu lassen. Es empfiehlt sich hier standardisierte Verfahren zu benutzen. Inhalte dieser Gesprächsberichte sollten sein:
4.7 Messen und Ausstellungen
• • • • • • •
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Name und Firma des Gesprächspartners, Anschrift, Gegenstand des Interesses, Besondere Probleme, Alternativvorschläge, Hinweis, ob Vorführung erfolgt ist oder noch stattfinden soll, Hinweis, wie man verblieben ist oder was noch zu erledigen ist, Angebotene Spezialpreise, -konditionen oder Rabatte (vgl. Scheitlin, 1997, S. 63).
Während der Messe bietet sich die Option, den Besuchern intensivere Informationen über Produkte, Problemlösungen und Dienstleistungen anzubieten. Additiv sollte durch eine entsprechende Standgestaltung und adäquate Produktpräsentation und Aktionen (Moderationen, multimediale Präsentationen, Kundenabende, Events, etc.) den Erwartungen der Messebesucher hinsichtlich des Erlebnischarakters seines Messebesuchs soweit als möglich und sinnvoll entsprochen werden. Durch Beteiligung an messebegleitenden Veranstaltungen (z.B. der Messegesellschaft) kann additiv der Stellenwert für den Besucher erhöht werden. In der Messe-Nachphase werden von den Besuchern relativ schnell die Informationen ausgewertet, meist innerhalb eines Monates nach Messe-Ende. Innerhalb dieser Zeit müssen die entsprechenden kommunikativen Aktivitäten (z.B. Zusendung von Informationsmaterial, Besuch des Außendienstes, etc.) erfolgen, d.h. es ist wichtig – vor allem bei potentiellen Neukunden – den Dialog fortzusetzen. In dieser Phase sollten nicht nur die Messebesucher involviert werden, die durch aussagekräftige Gesprächsnotizen erfaßt worden sind und gezielt angesprochen werden können, sondern auch die interessierten Messe-Nichtbesucher, denen eine Messe-Ersatzerlebnis vermittelt werden sollte - z.B. durch Videos von der Messebeteiligung, Realisierung von Hausmessen und entsprechender Produktpräsentation - mit dem Ziel, deren subjektiv empfundenes Informationsdefizit abzubauen. Je kürzer nach der Messe die Zielpersonen erreicht werden, desto besser. Diese Phase ist häufig ein Stiefkind in der Kommunikationskonzeption, denn viele Unternehmen lassen sich lange Zeit bis es, wenn überhaupt, zu ersten Nachfaßaktionen kommt (Schwachulla, 1991). Sinnvoll ist es zudem auch die Mitarbeiter, die Standdienst versehen haben, über den Erfolg der Messebeteiligung zu informieren. In diese Phase gehört auch die Wirkungskontrolle. Zu überprüfen ist, ob die formulierten Messebeteiligungsziele erreicht worden sind. Dazu sind neben den Daten der Messegesellschaft auch eigene Erhebungen des Messeausstellers erforderlich. Die Analyse der bereits erwähnten Protokolle der geführten Besuchergespräche geben hier erste Anhaltspunkte. Während der Messe können mittels Befragung durch Marktforschungsinstitute Stand-Besucherstatistiken erstellt werden, die z.B. Auskunft geben über Strukturdaten der Standbesucher, ihr Informationsinteresse, ihre betriebliche Stellung, über Beratungsgespräche, etc. Zusätzlich kann durch eine Befragung des Standpersonals Auskunft über die Standkonzeption gewonnen
290
4. Das Kommunikations-Programm
werden. Eine Analyse der Resonanz der eingesetzten Werbemittel liefert wesentliche Informationen für spätere Messen. Durch den Funktionswandel von Messen von der Order- zur Informations- und Kommunikationsmesse sind dies erste Schritte, dieses Problemfeld, das nach Ansicht von Strothmann (1992, S. 164) kaum endgültig gekärt werden kann, anzugehen. In der Praxis werden dagegen meist nur ökonomische Auswirkungen für das Unternehmen gemessen (vgl. Amon, 1991, S. 58) und nur wenige Unternehmen nutzen die oben genannten Instrumente (Preuss, 1992, S. 110). Die Daten der Erfolgskontrolle sollten genutzt werden, um über Handlungsalternativen in bezug auf künftige Messebeteiligungen kritisch zu reflektieren. Dies kann dazu führen, daß es zu einer Intensivierung der Messebeteiligung kommt, der Staus Quo aufrechterhalten wird, oder die Messebeteiligung reduziert bzw. aufgegeben wird.
4.8 Product Placement 4.8.1 Arten des Product Placement Unter Product Placement verstehen wir die werbewirksame Einbindung von Produkten oder Dienstleistungen als Requisit in Handlungsabläufen von TV- oder Kinospielfilmen, TV-Serien, Videoclips, aber auch in theatermäßigen Vorführungen. In der Regel handelt es sich dabei um markierte Produkte, also Markenartikel. Denkbar ist aber auch der Einbezug nicht markierter Produkte in derartige Handlungsabläufe, um die Akzeptanz ganzer Warengattungen zu beeinflussen. Wesentlich ist, daß mit Product Placement zwar durchaus werbeähnliche Ziele verfolgt werden, wie Bekanntmachung von Produkten oder deren Akzeptanzsteigerung, jedoch Product Placement im Rahmen von nicht als Werbung ausgewiesenen Programmteilen insbesondere im Fernsehprogramm stattfindet. Die Absicht kommunikativer Beeinflussung ist daher nicht von vornherein erkennbar. Product Placement ist in Kinoproduktionen schon seit Anfang der 50er Jahre üblich. Ford stellt schon seit über 50 Jahren Autos an Filmstudios zur Verfügung (Auer, Kalweit & Nüßler, 1991, S. 49). In den letzten Jahren wurde Product Placement insbesondere für Fernsehproduktionen entdeckt. Unterhaltungsshows, Videoclips und insbesondere Filme sind mögliche Einsatzorte für Product Placement. Product Placement hat insbesondere infolge zunehmender Werbeübersättigung an Bedeutung gewonnen. Man sieht hier weitere Möglichkeiten, Markenartikel zu präsentieren. Durch die eher beiläufige Präsenz der Produkte besteht die Möglichkeit, negativen Effekten wie Reaktanz zu entgehen. Es besteht ferner die Möglich-
4.8 Product Placement
291
keit, vom positiven Image der gewählten Programme und dem Image der darin auftretenden Stars aus TV, Show und Fernsehen zu profitieren. Während Product Placement in vergangenen Jahren noch eher als „Schleichwerbung“ negativ aufgefaßt wurde, kann von zunehmender Akzeptanz seitens der Zuseher von TV und Film ausgegangen werden. Insbesondere in einigen der populären James Bond Filmen wurde ganz offenkundig und für jeden Kinobesucher erkennbar Product Placement betrieben. BMW hat die Einführung eines neuen Sportwagens ganz gezielt mit Product Placement in dem James Bond Film „Golden Eye“ genutzt und dies sogar werblich kommuniziert. Man kann 3 Arten von Product Placement unterscheiden (Berndt, 1993, S. 675): Generic Placement; worunter die Plazierung nicht identifizierbarer Produkte von Warengattungen oder Branchen verstanden wird. Von Generic Placement profitieren insbesondere Marktführer bzw. Markenartikel, die quasi als Gattungsbegriff gelten. In der TV-Serie „Liebling Kreuzberg“ werden beispielsweise von Hauptdarsteller Manfred Krug immer wieder Götterspeise konsumiert, was sich, obwohl kein Markenname erkennbar ist, doch positiv für den Marktführer Dr. Oetker auswirken kann. Als eine Form des Kontra-Marketing könnte man den konsequenten Konsum von Lollies durch Telly Savallas in der Kriminalserie „Kojak“ auffassen, da dieses offensichtlich als Ersatz für den Rauchgenuß gelten sollte. Corporate Placement; worunter die Plazierung von Dienstleistungen und Unternehmen bezeichnet wird, die in der Regel auf die Einblendung von Namen oder Zeichen des Unternehmens beschränkt bleibt (Bente, 1990, S. 30). Dennoch ist auch die Einbindung der jeweiligen Dienstleistungen des Unternehmens möglich, wie beispielsweise der Einbezug der Reederei „Hadag“ mit ihrem Schiff „MS Astor“ in der TV-Serie „Das Traumschiff“. Product Placement im engeren Sinne; aufgrund ihrer Markierung und der damit verbundenen Möglichkeit der Identifizierung und Wiedererkennung werden bekannte Markenartikel besonders häufig plaziert. Dieses Product Placement ist aus Gründen der angestrebten Realitätsnähe immer wieder in Filmen zu sehen und erstreckt sich insbesondere auf Markenartikel des täglichen Bedarfes und der Automobilindustrie (Soukop, 1993, S. 28). Insbesondere zur Bekanntmachung innovativer Produkte kann Product Placement eingesetzt werden. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Verwendung einer JVC-Videokamera in dem Kinofilm „Back to the future“. Die Neuartigkeit beruhte darauf, daß erstmals die Videokassette in die Kamera integriert ist und keine zusätzliche Aufnahmeeinheit notwendig ist. Im Film wurde so kreativ Aufmerksamkeit geweckt, da dem Publikum eine Produktneuheit vorgestellt wurde, die vor dem Kinostart des betreffenden Filmes nicht auf dem Markt erhältlich war (Auer, Kaltweit & Nüßler, 1991, S. 83). Pepels (1994, S. 346) nennt noch „Innovations“ und „Message“ Placement.
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4. Das Kommunikations-Programm
Wir unterscheiden drei Möglichkeiten der Integration von Produkten in Spielfilmhandlungen: a) „On Set Placement“, worunter die Plazierung eines Produktes verstanden wird, welches lediglich zur Ausgestaltung eines Handlungsrahmens dient und hiermit in gewissem Sinne eine austauschbare Begleiterscheinung ist (Bente, 1990, S. 32). Ein direkter Bezug zur Handlung fehlt. b) „Creative Placement“ meint die kreative Einbindung eines Produktes in die Handlung, wobei dieser Einbezug mehr oder weniger intensiv erfolgen kann. Manche Autoren unterscheiden zwischen „Creative Placement“ und c) „Image Placement“; worunter ein Product Placement verstanden wird, bei dem sich das gesamte Thema und der Inhalt des Films auf das Produkt einer Firma bezieht, im Gegensatz zum „Creative Placement“, wo das Produkt lediglich eine Nebenrolle einnimmt. Durch „Image Placement“ wird der höchste Grad der Handlungsintegration erreicht. Beispiele dafür sind Coca Cola in dem Spielfilm „Die Götter müssen verrückt sein“ oder VW in dem Spielfilm „Ein toller Käfer“ bzw. die Reederei Hapag Lloyd in der TV-Serie „Das Traumschiff“. Die Unterscheidung zwischen „Creative Placement“ und „Image Placement“ ist in der Literatur umstritten. Da zwischen beiden graduelle Unterschiede bestehen, halten wir die Unterscheidung ebenfalls nicht für glücklich.
4.8.2 Wirkung von Product Placement Im Marketing wird zunehmend davon ausgegangen, daß Produkte mit emotionalen Erlebniswerten auszustatten sind, um dadurch eine Differenzierung gegenüber der Konkurrenz zu erlangen (Konert, 1986, S. 36). Unter Erlebniswerten versteht Konert „subjektiv wahrgenommene, gefühlsmäßige Produktbeurteilungen der Konsumenten“. Durch den Einbezug in erlebnisorientierte Handlungsabläufe von Spielfilmen lassen sich Produkte sehr gut mit solchen Erlebniswerten verbinden. In diesem Zusammenhang wird auch von „emotionalem Zusatznutzen“ gesprochen. Das Produkt kann so mit Images, Erlebnissen oder Stimmungen verbunden werden. Man kann jedenfalls davon ausgehen, daß die Plazierung von Produkten in einem emotional ansprechenden Umfeld die Produktbeurteilung der Konsumenten positiv beeinflussen kann. Aus den gleichen Gründen ist der Einbezug von erkennbaren Produkten in Filmproduktionen mit tragischen oder kritischen Inhalten aus Sicht des Marketing problematisch. Aus motivationstheoretischer Sicht sollten Produkte innerhalb eines Filmes so plaziert werden, daß sie ihre Eignung zur Bedürfnisbefriedigung glaubhaft darstellen und dabei von dem Leitbildpotential der Darsteller profitieren. Dabei ist es
4.8 Product Placement
293
insbesondere wichtig, daß die vom Zuschauer mit einem Markenartikel assoziierte Kauf- bzw. Verbindungsmotivation mit den Motivationskomplexen der im Film handelnden Person übereinstimmt (Soukop, 1993, S. 44). Es kann ferner unterstellt werden, daß durch Product Placement angenehme Produktassoziationen ausgelöst werden. Taucht das Produkt häufig genug in positiv empfundenen Situationen auf, so kann angenommen werden, daß mit dem Produkt entsprechende Erwartungshaltungen verbunden werden. Assoziationen mit Erfolg, Erotik, intensivem Erleben, Schönheit, usw. lassen sich durch geschicktes Product Placement auslösen. Lerntheorien weisen uns darauf hin, daß durch Wiederholung neue ReizReaktionsverknüpfungen gelernt werden. Product Placement in Spielfilmen kann diesen speziellen Effekt jedoch nur schwer erfüllen, da Spielfilme nicht häufig genug gesehen werden. Es wäre dann erforderlich, in sehr vielen Filmen Produkte in ähnlichen Szenen zu plazieren, was sicherlich schwer zu realisieren ist. Der Trend zu TV-Serien kommt jedoch diesem Aspekt entgegen, gerade in populären Serien lassen sich häufige Wiederholungen von Reiz-Reaktionsverknüpfungen realisieren. Wir wissen ferner, daß Menschen auch durch Beobachtung lernen. Die klassischen Theorien zum operanten Konditionieren unterstellen, daß Verhaltensweisen, auf die eine Belohnung erfolgt, gelernt werden (positives Verstärken). Bandura (1976) zeigt jedoch, daß Lernprozesse auch durch Modell-Lernen eintreten können. Personen, die eine Belohnung von Verhaltensweisen bei anderen Personen beobachten, lernen ähnlich wie nach der klassischen Verstärkungstheorie die belohnte Verhaltensweise. Derartiges läßt sich direkt auf das Product Placement in Spielfilmhandlungen und TV-Serien übertragen, wenn Filmstars bzw. die dargestellten Personen bei der Benutzung bestimmter Produkte erfolgreich sind bzw. ihnen Achtung entgegenkommt. Ein Problem bei der Wirkung des Product Placement stellen mögliche Bumerangeffekte dar. Wird das Product Placement als nicht legitim aufgefaßt bzw. als unzulässige Form der Beeinflussung, sind gegenteilige Effekte zu erwarten, als seitens des Marketing erwünscht. Bumerangeffekte können ausgelöst werden durch folgende Plazierungsfehler: • Ein und derselbe Markenartikel taucht sehr häufig im Blickfeld der Kamera auf, • zu lange Darbietungszeiten von Plazierungen, wobei offensichtlich und aus Sicht der Betrachter unnötig lange ein Markenname penetrant im Blickfeld der Kamera auftaucht, • eine zu enge und offensichtlich künstliche Verbindung zwischen Schauspieler und Markenartikel,
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4. Das Kommunikations-Programm
• der Markenartikel ist wahllos in die Handlung integriert, unterbricht den Handlungsablauf und wirkt unrealistisch bzw. unpassend, • Überfrachtung eines Spielfilms mit zu viel offensichtlichen Product Placements. Abschließend sehen wir folgende Vorteile für Product Placement: • Bei populären Fernsehserien sind mit „Product Placement“ relativ günstige Reichweiten zu realisieren (Berndt & Sander, 1995, S. 220 und 221); • relative hohe Reichweiten, • „positive Umfeldwirkung aufgrund der Integration eines Produktes in die Handlung eines Spielfilms“ (Berndt & Sander, 1995, S. 222), • Imagetransfer von einem Schauspieler bzw. einem Film auf das plazierte Produkt, • Umgehung der Werbesättigung im Privatfernsehen. Als problematische Aspekte sind zu sehen (vgl. Berndt & Sander, 1995, S. 222): • • • •
rechtliche Beschränkungen insbesondere beim öffentlichen Fernsehen, beschränkte Anzahl geeigneter Projekte, geringe Möglichkeiten der Einflußnahme auf die endgültige Gestaltung, mögliche Bumerangeffekte bei den Zuschauern.
Product Placement ist in Deutschland rechtlich eingeschränkt. Die Realität deutscher Fernsehproduktionen sieht schon seit Jahren offensichtlich anders aus, wie eine Darstellung von Beispielen für Product Placement bei Rühl (1991, S. 18) zeigt. Dort finden sich auch deutsche TV-Produktionen wie z.B. Ein Fall für Zwei (Audi), Schwarzwaldklinik (Audi, VW), Der Alte (Mercedes), Tatort (Citroen, Ford, Paroli), Derrick (BMW), Traumschiff (Nikon), Lindenstraße (Miele, Brother, Becel, Nesquick) und Schöne Ferien (Lufthansa, Adidas, Lacoste). Man kann die Kosten für das Product Placement durchaus denen für klassische Werbung gegenüberstellen (Berndt & Sander, 1995, S. 220, 221), und sich dabei des Tausenderkontaktpreises (TKP) bedienen. TKP ZDF =
Belegungspreis ZDF Reichweite ZDF
× 1000
4.8 Product Placement
295
Nehmen wir an, es kostet 180 Euro, 1000 Personen der Zielgruppe über das ZDF zu erreichen. Nehmen wir ferner an, man könne über eine TV-Sendung 1 Mio. Personen der Zielgruppe ansprechen. Dann ergibt sich folgende Berechnung: 180 =
X × 1000 1.000.000
X nimmt den Wert 180.000 an. Rein rechnerisch wäre das der kritische Wert, bis zu dem das Product Placement günstiger wäre als eine Werbeschaltung. Damit sind zwei Fragen nicht beantwortet: a) Wann ist die Plazierung eines Produktes in einer Filmproduktion mit der Werbewirkung eines TV-Spots zu vergleichen? Wenn „Prof. Brinkmann“ in der Schwarzwaldklinik ständig einen Audi benutzt, dann ist eine andere Wirkung zu erwarten, als wenn die gleiche Person ein- oder zweimal Alka Seltzer benutzt. b) Welche unterschiedlichen Imagewirkungen sind zu erwarten? Löst Product Placement negative Reaktionen aus, weil es als eine ungerechtfertigte, nicht legale Form der Beeinflussung empfunden wird? Nach Angaben der us-amerikanischen Enternainment Resources and Marketing Association werden jährlich über 300 Mio. Dollar an Studios in Hollywood für Product Placement bezahlt. Russel (2002) untersucht die Wirkung von Product Placement und unterscheidet dabei zwischen verbalem Placement (lediglich Produktnennung) und visuellen Placement (das Produkt wird gezeigt). Außerdem wird das Ausmaß der Integration des Produktes in die Handlung variiert. Es fanden sich folgende Resultate, gemessen wurde Erinnerung und Beurteilung: a) Bei visuellem Placement erwies sich die Integration des Produktes als effektiver. b) Bei auditivem Placement (lediglich Produktnennung) spielt die Integration des Produktes keine Rolle.
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4. Das Kommunikations-Programm
c) Audititves Placement wirkt sich auf die Erinnerung besser aus als visuelles Placement. Die Autorin glaubt, mit diesem Ergebnis die als allgemeingültig angenommene Überlegenheit von Bildbotschaften („Picture-Superiority-Effect“) widerlegt zu haben. Diese Annahme ist falsch. Kroeber-Riel hat schon in seinen Vorlesungen in den 70er Jahren und in späteren Puiblikationen vielfach darauf hingewiesen, daß man Werbewirkung nicht durch verbales Erinnern messen kann, weil hiermit auch die Verbalisierungsfähigkeit der Probanden die Resultate in starkem Maße beeinflußt. Russel mißt verbales Erinnern, und es ist vollkommen klar, daß hierbei verbales Placement höhere Werte erzielt, als visuelles Placement. Gerade in der Werbewirkungsforschung scheinen sich die Argumente und ihre Vertreter seit vielen Jahren im Kreis zu drehen.
4.9 Sponsoring 4.9.1 Stellung des Sponsoring im Kommunikations-Mix Die professionelle und systematische Nutzung von Sponsoring als Kommunikationsinstrument hat in der Bundesrepublik Deutschland noch keine lange Tradition. Erst seit den achtziger Jahren wird dieses Instrument systematisch in die Unternehmenskommunikation eingebunden (vgl. hierzu Bruhn, 1991, S. 25 ff., insbes. Bruhn, 2003c)). Seit dem hat sich der Einsatz dieses Instrumentes sehr positiv entwickelt. Schätzungen für das Jahr 1985 gingen von circa 200 Mio. Euro und für das 1992 von ca. 0.75 Mrd. Euroe aus (Hermanns 1993, S. 629). Für 1996 wurden rund 1,25 Mrd. Euor in das Sponsoring investiert. Für die USA werden in diesem Zeitraum jährlich 4,25 Mrd. Dollar Ausgaben für Sponsorrechte aufgewendet (vgl. Crimmins & Horn, 1996). Um das Jahr 2000 wurden ungefähr 2,5 Mrd. Euro für dieses Instrument eingesetzt. Auch für die Zukunft rechnet man mit weiter steigenden Etats, die für Sponsoring eingesetzt werden. Noch 1983 definierte Meenaghan: „Sponsorship can be regarded as the provision of assistance, either financial or in kind, to an activity by a commercial organization for the purpose of achieving commercial objectives“. Bruhn (1991, S. 21) definiert Sponsoring als die Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle sämtlicher Aktivitäten, die mit der Bereitstellung von Geld, Sachmitteln oder Dienstleistungen durch eine Unternehmen zur Förderung von Personen und /oder Organisationen im sportlichen, kulturellen und/oder sozialen Bereich verbunden sind und um damit gleichzeitig Ziele der Unternehmenskommunikation zu erreichen. Diese Definitionen berücksichtigten nicht explizit die zweiseitige Natur von Sponsoring. Hermanns (1993, S. 630) führt dagegen explizit neben dem Unterstützungsgedanken ein „gegen die Gewährung von Rechten zur kommunikativen Nut-
4.9 Sponsoring
297
zung von Person bzw. Institution und/oder Aktivitäten des Gesponserten“ und ergänzt zudem „auf der Basis einer vertraglichen Vereinbarung“. Sponsoring differenziert sich vom klassischen Mäzenatentum dadurch, daß der Mäzen keine Gegenleistung erwartet, häufig verzichtet er sogar bewußt darauf, diese Förderung publik zu machen. Sehr allgemein definiert Bruhn (2003a, S. 311) Sponsorship. Danach wird von Sponsorship gesprochen, wenn Sponsor und Gesponserter dahingehend Einigung erziehlt haben, ein konkretes Projekt in einem festgelegten Zeitraum unter bestimmten Bedingungen gemeinsam durchzuführen. Sponsoring als Überzeugungsinstrument unterscheidet sich damit grundsätzlich von der tradtionellen Werbung, es dient in erster Linie der indirekten Überredung und versucht nicht Eindrücke von der Marke, dem Unternehmen in relativ frontaler Form zu verändern, sondern dadurch, daß es Marken mit Ereignissen, Veranstaltungen oder Organisationen in Verbindung bringt, die von den Zielpersonen bereits in hohem Maße geschätzt werden (Crimmins & Horn, 1996). Die unterschiedlichen Engagements von Unternehmen im Bereich Sponsoring lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien charakterisieren, u.a.: • • • • •
Art der Sponsorenleistung: Geld, Sachmittel, Dienstleistungen, Anzahl der Sponsoren: Exklusiv-Sponsorship oder Co-Sponsorship, Art des Sponsors: Produktperson, Unternehmen, Stiftungen, Initiator des Sponsorings: Fremd- oder selbstinitiiertes Sponsoring, Art der Nutzung in der Unternehmenskommunikation: Isoliertes oder integriertes Sponsoring, • Art der Gegenleistung: Werbung auf einer Veranstaltung, Nutzung von Prädikaten in der Unternehmenskommunikation, Einsatz des Gesponserten in der Unternehmenskommunikation, • Art der gesponserten Individuen/Gruppen: Professionelle, Halb-Professionelle, Amateure, • Leistungsklasse der Gesponserten: Breitenebene, Leistungsebene, Spitzenebene (vgl. Bruhn, 1991, S. 34 ff.). Häufig wird allgemein nach den Bereichen, in den sich Unternehmen mit einem Sponsorship beteiligen, unterschieden. Sportsponsoring (vgl. Bruhn, 2003c, S. 39 ff.) ist der älteste und am stärksten genutzte Bereich im Sponsoring. Insbesondere Motorsport, Fußball und Tennis stehen im Vordergrund der geförderten Sportarten, aber auch Boxen und die sogenannten „Fun-Sportarten“ (z.B. Mountainbiking, Snowboarding, Streetball) haben in den letzten Jahren zunehmendes Interesse gefunden. Neben der Sportart als Differenzierungsdimension kann zudem die Leistungsebene (Spitzen-, Leistungsund Breitensport) und die organisatorische Dimension (z.B. nationale und internationale Sportorganisationen, Vereine, Einzelsportler, Teams) herangezogen werden. Der Sponsor kann als potentielle Gegenleistungen u.a. erwarten:
298
4. Das Kommunikations-Programm
Sportsponsoring
Soziosponsoring
SPONSORING
Kunstsponsoring
Ökosponsoring
Abbildung 4-34: Sponsoringarten • Markierung von Ausrüstungsgegenständen (z.B. Opel auf den Trikots von Bayern München), • Präsenz im Umfeld von Sportveranstaltungen, • Werbliche Nutzung von Veranstaltungen (z.B. offizieller Förderer, offizieller Sponsor, etc.), • Beteiligung an Aktionen des Sponsors (z.B. Autogrammstunden in Sportgeschäften), • Benennung des Sponsoring-Objektes nach dem Sponsor (z.B. Tennisturniere BMW Open) (vgl. Hermanns, 1993, S. 635). Dadurch, daß Sportsponsoring mit Abstand die größte Bedeutung hat, wird es auch immer schwieriger mit dieser Art Sponsoring eine positive Kommunikationswirkung zu erreichen. Viele größere Sportveranstaltungen werden oft durch eine ganze Reihe von Sponsoren unterstützt. Gleichzeitiges und konkurriendes Sponsoring führt jedoch häufig zu einer senkenden Wirkung (vgl. Kippes, 1997, S.52). Kultur- und Kunstsponsoring können sich auf Bildende und Darstellende Kunst, Literatur, Filmkunst und Musik beziehen. Zudem kann man auch hier nach den organisatorischen Einheiten systematisieren z.B. einzelne Künstler, Kunstgruppen (z.B. Chöre und Orchester) oder Kunst-Institutionen bzw. Organisationen (z.B. Museen, Galerien, Theater, etc.) und Festivals. So unterstützt z.B. Siemens Österreich den Prix Ars Electronica, regionale Festspiele wie z.B. das Bruckner Festspiel in Linz oder die Haydnfestspiele in Bregenz (vgl. Fuchs, 1995b). Als potentielle Gegenleistungen bieten sich auch beim Kunst- und Kultursponsoring die Markierung von Ausrüstungsgegenständen (z.B. Monitore bei VideoKunst), Präsenz im Umfeld der Veranstaltung (z.B. Nennung des Sponsors auf
4.9 Sponsoring
299
Plakaten und Eintrittskarten) und der Nutzung des Sponsorships in der eigenen Unternehmenskommunikation. Sozio-Sponsoring (Bruhn, 1990 und 2003c, S. 209 ff.) kann als ein Ansatz betrachtet werden, der einen Beitrag zur Lösung von humanitären Problemen in der Gesellschaft leistet. Dazu können u.a. sowohl die Förderung von Bildung und Wissenschaft, als auch die Unterstützung von karitativen Organisationen, Jugendorganisationen, Hilfsorganisationen gehören. Im Rahmen des Sozio-Sponsorings kommuniziert im Regelfall der Sponsor seine Sponsorleistungen mittels Pressearbeit und klassischer Werbung. Das Unternehmen kann so die Übernahme von sozialer Verantwortung demonstrieren. Das Umwelt- oder Öko-Sponsoring ist die jüngste Form des Sponsorings. Hier kooperieren Unternehmen mit Organisationen aus dem Umwelt-, Natur- oder Tierschutz. Diese Zusammenarbeit bezieht sich entweder auf die Organisation selbst oder auf einzelne ihrer Projektunternehmen. Eine gewisse Skepsis gegenüber diesem unternehmerischen Engagement im Umweltschutz konnte zumindest Anfang der 90er Jahre konstatiert werden. Damit solche Sponsorships nicht negativ in die Schlagzeilen geraten (z.B. „Der grüne Schein“ oder „Gekaufte Naturschützer“) oder als eine Art „Feigenblatt“ - Funktion gesehen werden und damit Unternehmen überhaupt Sponsorpartner finden, ist es erforderlich, daß die Unternehmen selbst eine ökologisch orientierte Strategie verfolgen, bei ihren Angeboten und ihrer Produktion.26 Auch dieser Sponsorbereich weist relativ hohe Zuwachsraten auf. Durch diese Form des Sponsorings erhalten die öko-orientierten Organisationen und Verbände dringend benötigte Geld- und Sachmittel. Als Gegenleistung bieten sie ihren Sponsoren u.a. die Nutzung von Öko-Prädikaten, die auf Verpackungen und in Anzeigen genutzt werden können und natürlich können solche Engagements in der Unternehmenskommunikation genutzt werden (z.B. in den Geschäftsberichten). Grundsätzlich sind noch weitere Sponsoring-Arten denkbar, so daß eine weitere Kategorie „sonstiges Sponsoring“ zu ergänzen wäre.27 Für die zunehmende Bedeutung und den immer differenzierteren Einsatz dieses Instrumentes wird eine Reihe von charakteristischen Vorteilen genannt: • Sponsoring bietet die Möglichkeit, Zielgruppen in „nicht-kommerziellen“ Situationen anzusprechen.
26
27
Eine Fülle von Beispielen aus dem Bereich Ökosponsoring findet sich bei Zillessen & Rahmel (1991). Dazu kann man u.a. Wissenschaftssponsoring (Unterstützung von Wissenschaftler, einzelen Forschungsprojekten, Forschungsinstitutionen) und Programmsponsoring (Unterstützung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen) zählen.
300
4. Das Kommunikations-Programm
• Die Botschaften des Sponsorings werden als Bestandteil von Freizeit- und Erlebnissituationen wahrgenommen. • Mit Sponsoring lassen sich partiell Zielpersonen erreichen und ansprechen, die mit den klassichen Kommunikationsinstrumenten nur schwer erreichbar sind. • Durch Sponsoring können bestehende Kommunikationsbarrieren bzw. -verbote umgangen werden (z.B. Tabakwerbung im Fernsehen). • Aufmerksamkeit und Image der gesponserten Personen, Institutionen, Veranstaltungen, etc. lassen sich unter günstigen Transferbedingungen unmittelbar für die eigenen kommunikativen Zielsetzungen nutzen. • Sponsoring ermöglicht eine zielgruppenspezifischere Kommunikation (Reduzierung von Streuverlusten (vgl. hierzu Hermanns, 1989, S. 8 f., 1993, S. 630 und Bruhn 1991, S. 32 ff.). Neben diesen Vorteilen sind beim Sponsoring jedoch folgende Aspekte zu berücksichtigen: • Der gesellschaftliche Wert des Objektes darf nicht in Frage gestellt werden,28 • bei einzelnen Sponsoring-Objekten gibt es viele Sponsoren. Wenn es viele unterschiedliche Sponsoren gibt, verliert die Einzelmaßnahme an Wirkung, • Sättigungstendenzen müssen beachtet werden und • auch die Sponsoren müssen sich etwas zurückhalten können, z.B. dürfen Sportveranstaltungen nicht trotz widrigster Bedingungen durchgeführt werden, nur weil die Sponsoren sich wegen ihrer Kontaktchancen dafür einsetzen, dies kann bei den Zielpersonen. zu Bumerangeffekten führen. Im Rahmen einer integrierten Unternehmens- und Marktkommunikation ist es erforderlich auch das Sponsoring in den Verbund mit den klassischen Instrumeten wie Werbung, Verkaufsförderung, Public Relations, interne Kommunikation, etc. einzubeziehen. Zudem bedarf es zur Ausschöpfung des Wirkungspotentials von Sponsorships der additiven Unterstützung und Verwertung durch die Hilfe der anderen Kommunikationsinstrumente. Dies kann in den unterschiedlichsten Formen erfolgen: • Werbung mit Sportlern oder Künstlern, • Incentives für Händler, VIPs oder Außendienst, 28
Ein Konkretes Negativ-Beispiel ist die Tour de France 1998 mit ihrer Doping-Affäre.
4.9 Sponsoring
301
• Durchführung von Promotions mit Sport, Kultur, Kunst oder Umwelt als thematischen Aufhänger, • Auftritt von Gesponserten bei Pressekonferenzen oder Messen, • Pressemitteilungen zum Sponsorship, • Nutzung des Sponsorings für die Motivation der Mitarbeiter.29 Andererseits ist Sponsoring ein multiples Kommunikationsinstrument; es kann zur Erhöhung oder Stabilisierung des Bekanntheitsgrades beitragen, zur Veränderung und Aufbau des Images eingesetzt werden und zur Kontaktpflege mit wichtigen Zielpersonen. Damit kann diese Instrument kommunikative Aufgaben der klassischen Kommunikations-Instrumente ausüben. Jedoch ermöglicht das Sponsoring in der Regel nur knappe, kurze Botschaften, eine weiterreichende Informationsfunktion fehlt somit weitgehend (vgl. Hermanns, 1989, S. 6 f.). Im Vergleich mit den anderen Kommunikationsinstrumenten des Unternehmens muß aber auf eine Spezifität des Sponsorings hingewiesen werden. Während z.B. bei Mediawerbung und Verkaufsförderung entsprechende Kanäle bzw. Medien gesucht werden, um Botschaften zu transportieren, liegt beim Sponsoring eine gewisse Doppelfunktion vor: das Sponsorship ist Übertragungskanal und Kommunikationsbotschaft zugleich (vgl. Bruhn, 1991, S. 57). Das Sponsoring wird nach Bruhn (1997, S. 651) eine weiter wachsende Bedeutung innerhalb der Unternehmenskommunikation bekommen. Er erwartet in Zukunft einen zunehmend strategischen und professionellen Einsatz dieses Instrumentes sowohl aus Sicht der Sponsoren als auch Sicht der Gesponserten. Zudem geht Bruhn davon aus, daß weitere Erscheinungsformen des Sponsorings entstehen werden.
4.9.2 Planungsprozeß des Sponsoring Sponsoring sollte wie alle Instrumente des Kommunikations-Mix in einer MittelZweck-Relation in die Gesamt-Marketing- und Kommunikations-Konzeption eingebettet sein. Sponsoring in der Form eines „The Chairman’s Wife Syndrom“ (Luss, 1989)30, d.h. der Einsatz dieses Instrumentes aus irrationalen Gründen oder aus falsch verstandenem Gefälligkeitsdenken, entspricht nicht einem zielorientierten Instrumenteneinsatz.
29
30
Sponsorships können aber nicht nur in den anderen Kommunikationsinstrumenten genutzt werden, sondern auch im Bereich der anderen Marketinginstrumente, z.B. im Rahmen der Produktpolitik für die Entwicklung neuer Produkte in Kooperation mit dem Gesponserten (vgl. Püttmann, 1993, S. 663). Dieser plakative Ausdruck spielt auf ein Beispiel an, in dem die Frau des Vorstandsvorsitzenden gerne das Ballett besucht und das Unternehmen ihres Mannes daraufhin die Ballettsaison im Londoner Saddler’s Well Theatre sponsert.
302
4. Das Kommunikations-Programm
Auch dem Einsatz des Sponsoring muß ein systematischer Entscheidungsprozeß zugrundeliegen. Abbildung 4-35 verdeutlicht die einzelnen Schritte bei diesem Planungs- und Entscheidungsprozeß. Am Beginn steht die Grundsatzentscheidung darüber, ob und unter welchen Bedingungen Sponsoring betrieben wird, und wie die Verantwortlichkeiten dafür im Unternehmen angesiedelt werden. Diese Überlegungen können in Sponsoring-Grundsätzen oder Leitlinien zusammengefaßt werden, damit kann ein längerfristiger Orientierungsrahmen für sämtliche Sponsoring-Aktivitäten geschaffen werden (vgl. Püttmann, 1993, S. 653). Aufbauend auf einer Situationsanalyse und der definierten Marketing- und Kommunikationsziele ist die Formulierung von Sponsoringzielen Ausgangspunkt des Planungsprozesses. D.h. die gesamte Sponsoringstrategie sollte in die Kommunikationsstrategie eingebunden werden. Durch die langfristige strategische Vernetzung aller Kommunikationsinstrumente lassen sich die erwünschten Synergieeffekte erzielen. Häufig genannte Ziele dieses Instrumentes sind Imageveränderungen, der Aufbau von Bekanntheit sowie die Demonstration gesellschaftlicher Verantwortung. Je nach Sponsoringart ergeben sich unterschiedliche Prioritäten, stehen bei Sportund Kunstsponsoring Imageziele im Vordergrund, so dominiert bei Öko- und Soziosponsoring die Demonstration gesellschaftlicher Verantwortung (vgl. Drees, 1991, S. 17 f.). Mitarbeiterorientierte Ziele spielen bei den meisten Sponsoren nur eine untergeordnete Rolle. Die Möglichkeit diese Ziele zu erreichen, werden scheinbar noch nicht überall erkannt, so z.B. die Motivation und Identifikation der Mitarbeiter zu erhöhen und insgesamt die Unternehmenskultur positiv zu beeinflussen. Nach einer Studie von Hansen und Scotwin (1995) ist Sponsoring sehr gut für den Aufbau von Awareness für eine Marke bzw. ein Unternehmen geeignet. Bedingt durch die relativ eingeschränkten Botschaftsinhalte, sind Einstellungsänderung für ein Produkt oder ein Unternehmen schwer erreichbar, da spezifischere Informationen gefordert sind Die durch Sponsoring angestrebten Ziele sind nach Inhalt, Ausmaß und zeitlichem Bezug zu operationalisieren. Parallel dazu müssen die anzusprechenden Zielgruppen definiert und die Sponsoringziele zielgruppenspezifisch differenziert werden. Dabei sind für diese Zielgruppenanalyse zwei Perspektiven einzunehmen: die Zielgruppen des Sponsors und die Zielgruppen des Gesponserten.
4.9 Sponsoring
303
Situationsanalyse
Marketing- und Kommunikationsziele
Sponsoringziele und Zielgruppen
Sponsoring-Strategie
Sponsorship-Programm (Selektion der Sponsorships, Entwicklung der Einzelmaßnahmen, rechtliche Gestaltung der Sponsorships)
Kalkulation und Budgetierung
Integration in die Markt- und Unternehmenskommunikation
Durchführung der Sponsorships
Erfolgskontrolle
Abbildung 4-35: Planungsprozeß des Sponsoring (vgl. Bruhn, 2003c, S. 34) Aus Sicht des Sponsors sind dies die Basiszielgruppen der Unternehmenskommunikation wie Kunden, Mitarbeiter und die entsprechenden relevanten Teilöffentlichkeiten. Bei der Zielgruppenplanung kommt es darauf an, ob die Kernzielgruppen des Unternehmens durch die Sponsoringaktivitäten auch erreicht werden
304
4. Das Kommunikations-Programm
können, d.h. es geht darum eine möglichst hohe Zielgruppenaffinität zwischen diesen beiden Zielgruppenpotentialen zu erreichen, um Streuverluste zu begrenzen. Dies kann einmal auf direktem Wege geschehen durch das Publikum des Gesponserten bzw. einer Veranstaltung und andererseits auf indirektem Weg über die Massenmedien (Multiplikatoreffekt), wenn sie über den Gesponserten oder die Veranstaltung berichten. Die Definition der Sponsoringstrategie umfaßt nach Bruhn (1989, S. 19): • Festlegung des Sponsor-Objektes (Unternehmensname, Dachmarke, Produktmarke), • Entscheidung über den Sponsoringbereich (Sport-, Kultur-, Öko-, Soziosponsoring), • Entscheidung über die Schwerpunkte bei den Instrumenten des Sponsorings (wer und was wird gesponsert), • Festlegung der Sponsoring-Zielgruppen (z.B. Kunden, Mitarbeiter, etc.), • Entscheidung über die Sponsoringbotschaft (z.B. Markennamen, Slogan, etc.). Auf dieser Basis sind die Entscheidungen über die Sponsorships zu treffen u.a. auch, ob es sich um fremd- oder eigeninitiierte Sponsorships handeln soll. Bei der Selektion geeigneter Sponsorships ist ein zweistufiger Prozeß zu empfehlen. In der Phase der Grobauswahl geht es um Verbindungslinien oder Affinitäten zwischen Sponsor und Gesponsertem. Von besonderer Relevanz sind dabei folgende Verbindungslinien: • Produktaffinitäten: Zusammenhänge zwischen dem Angebot des Unternehmens und den gesponserten Bereichen. • Imageaffinitäten: Das angestrebte oder reale Image des Sponsors sollte möglichst ähnlich mit dem Image des Gesponserten sein. • Zielgruppenaffinität: Überlappung der Zielgruppen des Sponsors mit den Zielgruppen des Sponsornehmers. Es ist in diesem Kontext wichtig, daß den Zielpersonen die Bedeutung der Sponsorschaft verdeutlicht wird. Dies ist relativ einfach wenn z.B. Ford ein Formel 1 Rennen sponsorn würde, wesentlich problematischer ist dies, wenn z.B. eine Zigarettenmarke eine Fußballmannschaft unterstützt. Welche Schlüsse sollen die Zielpersonen aus dem Sponsorship ziehen. Dazu ist es dann erforderlich, daß das Unternehmen der Zielgruppe ihr Engagement erklärt, Interpretationshilfe leistet.
4.9 Sponsoring
305
Anschließend kann eine Feinauswahl von Personen, Organisationen, Veranstaltungen, etc. getroffen werden. Mögliche Kriterien für die Auswahl können sein: • • • • • • • •
Leistungen und Erfolge des Gesponserten, Image des Gesponserten bzw. der Veranstaltung bei den Zielpersonen, Gegenleistungen des Gesponserten bzw. der Veranstaltung, potentielle Berichterstattung in den Massenmedien, Preis des Sponsorships, die sich für die Marktkommunikation ergebenden Chancen, Auflagen und Pflichten für den Sponsoren und Möglichkeit zur Vergabe von Prädikaten, Lizensen, Titeln.
Die Beurteilungskriterien sind entsprechend der einzelnen Sponsoringarten zu differenzieren. Im Rahmen eines Punktebewertungsmodells können die am besten geeigneten Sponsorships selektiert werden. In dieser Phase der Grob- und Feinselektion der Sponsorships kann ein Unternehmen mit spezialisierten SponsoringAgenturen zusammenarbeiten, die über das erforderliche Spezialwissen, das Erfahrungspotential und die notwendigen Kontakte verfügen. Drei Typen von Sponsoring-Agenturen lassen sich dabei differenzieren: a) Beratungsagenturen: Diese sind spezialisiert auf die konzeptionelle Beratung von Sponsoren und Gesponserten. b) Vermittlungsagenturen: Sie vermitteln Sponsoren und/oder Gesponserte und/oder erwerben Nutzungsrechte. c)
Durchführungsagenturen: Sie unterstützen die Durchführung des Sponsorships z.B. in der Pressearbeit, bei Events oder der Rechtsgestaltung (vgl. Bruhn, 1991, S. 408).
Erfahrungen und Kompetenz im Bereich Marketing und Kommunikation, Fachkenntnisse und Insiderwissen in Sport-, Kultur- und Sozialthemen sowie persönliche Kontakte zu Institutionen, Verbänden und Persönlichkeiten in diesen Bereichen stellen ein allgemeines Anforderungsprofil bei der Selektion einer Sponsoring-Agentur dar (Bruhn, 1997, S. 622). Im Anschluß an diese Feinselektion kann dann in die Phase der konkreten Vertragsvereinbarung mit dem Gesponserten getreten werden. Der schriftliche Vertrag sollte eindeutige Reglungen im besonderen über die Leistungen des Sponsor und des Gesponserten, Wettbewerbsausschlußregeln, Geltungsbereich, Dauer, Verlängerungsoptionen und Regelungen bei Vertragsverstößen enthalten (Püttmann, 1993, S. 659).
306
4. Das Kommunikations-Programm
Nach Festlegung der Sponsorstrategie und der Entscheidung über die konkreten einzelnen Sponsorships ist der dafür notwendige Etat festzulegen. Dabei sind neben dem eigentlichen Sponsoringbeitrag (Finanz- oder Sachmittel), Kosten für Personal (z.B. eigene Mitarbeiter, Hostessen, etc.), Nachbearbeitungskosten (z.B. für Kontrollmaßnahmen) und Provisionskosten bei Einschaltung von Agenturen mit einzubeziehen (vgl. Bruhn, 1989, S. 23). Bei vielen Unternehmen hat das Sponsoringbudget einen Anteil von circa 5-10% des Werbeetats. Wichtig hierbei ist, daß bei vielen Sponsorships diese durch additive kommunikative Maßnahmen unterstützt werden sollten. D.h. neben den Sponsoringkosten müssen in solchen Fällen weitere Kosten für die werbliche Vermarktung eingeplant werden. Nach Kippes ist dafür als ein gängiger Schlüssel noch einmal 50% zusätzlich zu veranschlagen (Kippes, 1997, S. 53). In der Praxis wird der Sponsoringetat aus unterschiedlichen Marketingbudgets bestritten, insbesondere aus dem Werbe- und Public Relation-Budget (Bruhn & Wieland, 1988, S. 30f.). Ein weiterer wesentlicher Schritt umfaßt die Planung der Integration des Sponsorings in die anderen Instrumente der Unternehmenskommunikation, denn oft ist ein nur isolierter Einsatz dieses Instrumentes nicht effizient. Sponsoring als Kommunikations-Instrument schafft Ereignisse und Anlässe, deren Inhalte durch andere Kommunikations-Instrumente aufgegriffen und weitertransportiert werden können. Sponsoring ist deshalb ein Kommunikations-Instrument mit hohem Integrationspotential. Aus diesem Grund empfiehlt es sich zu überprüfen, welche Einsatzmöglichkeiten im Verbund mit den anderen Kommunikationsinstrumenten bestehen. Ein Beispiel hierfür war in den 90er Jahren das Sponsorship von Adam Opel bei Bayern München. In der Mediawerbung wurde im Rahmen der Imagekampagne ein Motiv zur Meisterschaft des Vereins geschaltert; ein Incentive für Händler ist der Besuch in der VIP-Lounge im Olympiastadion in München; im Promotionsbereich für Verbraucher gibt es Trikots, Fanartikel, Autogramme; für die innerbetriebliche Kommunikation kann der Besuch der Mannschaft im Werk genützt werden (vgl. Bruhn, 1991, S. 152). Neben dieser inhaltlichen Integration muß zudem eine terminelle und gestalterische Abstimmung im Rahmen des Corporate Designs erfolgen. Die Probleme der Marke Opel einige Jahre später zeigen daß Kommunikation nicht dazu geeignet ist, Schwächen im sonstigen Marketing-Mix, insbes. bei den Produkten zu kompensieren. Auch ein beispielhaft umgesetztes Sponsoring kann daran nichs ändern. Die Realisierung der Sponsoringmaßnahme setzt sich aus dem eigentlichen Sponsoring-Programm und dem damit zusammenhängenden Aktionsprogramm zusammen. Dafür ist eine möglichst enge Kooperation zwischen dem Sponsor, dem Gesponserten und den anderen Beteiligten erforderlich sowie eine exakte Vorbereitung und ein bis ins Detail abgestimmtes Handling (vgl. hierzu Mussler, 1989).
4.9 Sponsoring
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Am Ende des Planungsprozesses steht die Kontrolle der Sponsoringwirkungen. Dabei sind die besonderen Eigenschaften dieses Instrumentes zu berücksichtigen. Relevante Unterschiede dürften sich bereits durch die unterschiedlichen Sponsoringarten und deren Heterogenität ergeben. Zudem wird Sponsoring oft im Verbund mit anderen Kommunikationsinstrumenten eingesetzt, in der Regel sind oft auch nur begrenzte kommunikative Botschaften (z.B. Marken- bzw. Firmennamen und/oder -signets) möglich und bei vielen Sponsoring-Engagements spielt die Multiplikation durch die Massenmedien eine überragende Rolle. Aus diesen Spezifika ergeben sich für eine systematische Erfolgskontrolle dieses Kommunikationsinstrumentes einige Problemfelder wie z.B. durch die angestrebten synergetischen Effekte durch die Kombination mit anderen Kommunikationsinstrumenten, aber auch Kumulations-, Spill-Over- und Carry-Over-Effekte können auftreten und die Erfolgskontrolle erschweren (vgl. Hermanns & Püttmann, 1989, S. 40 f.; Hermanns & Glogger, 1995, S. 65 f.). Auch dies ist sicherlich ein Grund dafür, daß „häufig keinerlei Sponsoring-Erfolgskontrolle stattfindet“ (Kippes, 1997, S. 53). Sponsoring-Kontrolle läßt sich als die ständige und systematische Überprüfung und Beurteilung der Planung und Durchführung aller Sponsoring-Aktivitäten verstehen. Sie erfolgt in Form von Soll-Ist-Vergleichen und kann unterteilt werden in ein Sponsoring-Audit als Prozeßkontrolle und Ergebniskontrolle. Die Ergebniskontrolle kann dabei theoretisch auf das gesamte Instrumentarium der Wirkungsforschung zurückgreifen, in der Praxis wird dagegen häufig nur die Sichtbarkeit der Marken bzw. ihrer Logos herangezogen, u.a. auch um einen Vergleich der 1000er-Kontaktzahlen zu ermöglichen. Hierbei wird geschätzt, wieviele Personen mit dem Sponsoring (z.B. einer Sportveranstaltung) erreicht werden und wieviele durch die Berichterstattung in den Medien. In Relation hierzu können dann die Kosten des Sponsoring und die 1000er-Zahlen anderer Werbeträger gesetzt werden. Kommunikative Wirkungen bzgl. Wissens- und Erinnerungswirkungen sowie Image- und Einstellungsänderungen können so allerdings nur sehr eingeschränkt vermutet werden. Deshalb ist es sinnvoll weitere Kontrollinstrumente einzusetzen. Tracking-Studien, mit deren Hilfe Erkenntnisse über den zeitlichen Wirkungsverlauf gewonnen werden können, werden im Sportsponsoring sehr selten durchgeführt. Im Rahmen der Wirkungsforschung ist in Zukunft verstärkt die Analyse der Affinitäten zwischen den Sponsoringobjekten und den Produkten, Marken bzw. Branchen zu erwarten (Hermanns & Glogger, 1995, S. 67). Die Ergebnisse der Erfolgskontrolle haben wiederum Auswirkungen auf die zukünftigen Sponsoringziele, - strategien und -maßnahmen.
308
4. Das Kommunikations-Programm
4.10 Eventmarketing 4.10.1 Verständnis und Relevanz von Eventmarketing Die zunehmende Notwendigkeit zumindest auch additiv die Zielpersonen individuell anzusprechen, verleiht interaktiven Kommunikationsformen und Dialogmechanismen eine steigende Bedeutung. Insbesondere der Wertewandel hin zu einer Betonung von Freizeit und einer zunehmenden Erlebnis- und Genußorientierung spricht für den Einsatz von Eventmarketing. Aus diesen Gründen wächst das Interesse an Eventmarketing als modernem interaktiven und dialogfähigem Kommunikationsinstrument. Den Anfang derartiger Aktionen bildeten die von der Zigarettenindustrie ins Leben gerufenen Abenteuerreisen. Zunehmend nutzen jedoch auch Unternehmen aus anderen Branchen dieses Instrument, speziell aus dem Sportartikelmarkt (z.B. Adidas mit seinen Streetball-Events) und Musikmarkt sowie aus der Automobilindustrie. Bruhn (1997, S. 777) definiert Event als eine besondere Veranstaltung oder ein spezielles Ereignis, das multisensitiv vor Ort von ausgewählten Rezipienten erlebt und als Plattform für die Unternehmenskommunikation genutzt wird (vgl. auch Bruhn, 2003b, S. 329). Der Deutsche Kommunikationsverband BDW (1993, S.3) versteht Events als inszenierte Ereignisse sowie deren Planung und Organisation im Rahmen der Unternehmenskommunikation, die durch erlebnisorientierte firmen- und produktbezogene Veranstaltungen emotionale und physische Reize darbieten und einen starken Aktivierungsprozeß auslösen. Dieses Verständnis von Eventmarketing entspricht einem Partialanspruch für dieses Instrument. Ein umfassenderer Ansatz (Totalanspruch) versteht unter Eventmarketing alle Bestandteile moderner Kommunikation, die dazu beitragen eine Erlebnisstrategie zu entwickeln und zu vermitteln. Special-Events sind dann inszenierte Ereignisse innerhalb dieser Strategie (vgl. Zanger & Sistenich, 1996, S. 234). Ein solcher Totalanspruch bedeutet eine Vereinnahmung des Erlebnismarketing-Begriffs durch das Eventmarketing. Dieser Terminus ist jedoch als Oberbegriff zu Eventmarketing zu verstehen, da sich die Erlebnisstrategie auf alle Bereiche des Kommunikations-Mixes bezieht. Zanger und Sistenich (1996, S. 235) nennen zur Abgrenzung und Einschränkung des Eventmarketing-Begriffs folgende Kriterien: • „Events sind vom Unternehmen initiierte Veranstaltungen ohne Verkaufscharakter“. • „Events unterscheiden sich bewußt von der Alltagswirklichkeit der Zielgruppe“. • „Events setzen Werbebotschaften in tatsächlich erlebbare Erreignisse um, d.h. inszenierte Markenwelten werden erlebbar“.
4.10 Eventmarketing
309
• „Events werden zielgruppenfokussiert ausgerichtet und stehen für hohe Kontaktintensität“. • „Events sind interaktionsorientiert. Kunden werden aktiv über die Verhaltensebene mit einbezogen“. • „Events sind Bestandteil des Konzepts integrierter Unternehmenskommunikation (inhaltlich gebunden, organisatorisch selbständig)“. Eventmarketing kann damit als ein integraler Teil eines erlebnisorientierten Marketingkonzeptes verstanden werden, „dessen Ziele die Aktivierung der potentiellen Kunden, Kontaktaufbau und -pflege, Bekanntheit, Image und Kundendialog zum Gegenstand seiner Politik macht“ (ebenda, S. 235). Die Zielpersonen sollen nicht nur unbeteiligte Zuschauer sein, sondern die Produkt-, Marken-, bzw. Unternehmenswelt live miterleben können. Das Event übernimmt gleichzeitig die Funktion von Medium und Botschaft; das Erlebnis stellt dabei den psychologischen Zusatznutzen des Produktes bzw. der Marke dar (vgl. Grau, 1994).
Erlebnisrahmen
Art der Interaktion Natur
Show/Unterhaltung Wettbewerb
Hobby
Abenteuer Interaktive Präsentation
Kultur Sport Adressaten Intern: Mitarbeiter Manager Außendienst
Extern: Partner (z.B. Händler) Kunden Meinungsführer
Abbildung 4-36: Dimensionen des Eventmarketings (in Anlehnung an Zanger & Sistenich, 1996) Eine klare Einordnung von Event-Marketing in das Marketing-Instrumentarium findet sich nicht. Cristofolini (1994) und Frey (1997) beispielsweise ordnen dieses Instrument der Verkaufsförderung zu. Das Eventmarketing hat zwar viele Bezie-
310
4. Das Kommunikations-Programm
hungspunkte zu den anderen Instrumenten des Kommunikations-Mixes, kann aber wegen der spezifischen Kombination seiner Elemente als eigenständiges Kommunikations-Instrument verstanden werden, das ideale Voraussetzungen für eine integrierte Kommunikation mitbringt. Events können eine große Integrationsfähigkeit haben, machen aber als singuläres Ereignis wenig Sinn, sie brauchen die Verbindung und Verknüpfung mit den anderen Kommunikationsinstrumenten und müssen mit ihnen eine Einheit bilden.
4.10.2 Planungsprozeß des Eventmarketing Bedingt durch die vielseitigen Integrationspoteniale in die Unternehmenskommunikation und dem hohen organisatorischen Aufwand (z.B. die Koordination verschiedener beteiligter Spezialisten) ist die Erarbeitung einer Event-Konzeption unerläßlich; dieser Planungsprozeß wird jedoch nach einer Studie des BDW (1993, S. 12) in der Praxis häufig vernachlässigt. Ausgangspunkt ist auch hier die Ausarbeitung einer fundierten Situationsanalyse. Diese Analyse sollte alle Faktoren und Variablen erfassen, die in irgendeiner Form Einfluß auf die Konzeption eines Events haben (Ist-Zustand). Der nächste Schritt umfaßt die Festlegung der durch das Event angestrebten Ziele (Soll-Zustand). Events können u.a. einen Beitrag leisten: • • • • •
zur Verbesserung des Unternehmensimage, zur Profilierung und Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb, zur Steigerung der Kundenbindung, zur Steigerung der Motivation und zur Erhöhung des Bekanntheitsgrades eines Unternehmens oder einer Marke.
Events sind insbesondere für eine exakte Zielpersonen-Ansprache und den Aufbau eines Dialoges geeignet, da zu meist ein Teil der Adressaten präsent ist. Andererseits können mit Events, durch die Multiplikatorfunktion der Medien, auch breitere Öffentlichkeiten angesprochen werden. Mögliche Zielgruppen, die mit diesem Instrument erreicht werden können sind: • Intern: • Extern:
-
Eigentümer des Unternehmens (Aktionäre/Gesellschafter), Mitarbeiter (insbesondere der eigene Aussendienst). Lieferanten, Handelspartner, Meinungsbildner/Multiplikatoren, Kunden/potentielle Kunden und Interessenten, breitere Öffentlichkeiten und Teilöffentlichkeiten.
4.10 Eventmarketing
311
Primär werden in der Praxis die Kunden, der Außendienst und Händler bzw. Franchisenehmer mit diesem Instrument angesprochen (Vok Dams, 1995, S. 13). Neben soziodemographischen sind insbesondere psychographische (Einstellungen, Meinungen, Life-Style, etc.) und soziologische (z.B. Werte) Merkmale von besonderer Bedeutung. Neben der Ansprache der beim Event partizipierenden Personen (oft die Primärzielgruppe) kommt es durch den Einsatz von Multiplikatoren häufig zur kombinierten Ansprache mehrerer Zielgruppen. Die Event-Botschaft muß formal und thematisch den Bedürfnissen und Interessen der Zielpersonen entsprechen. Zudem ist zu beachten, daß sie im Rahmen einer integrierten Kommunikation im Einklang mit den übrigen kommunikativen Aussagen des Unternehmens stehen muß. Die Event-Botschaft kann sich dabei auf das zu präsentierende Produkt, das Unternehmen oder den Event-Anlaß als einem besonderen Motto beziehen (vgl. Weidner, 1992, S. 21.) Event-Typ
Zielgruppe
AußendienstTagung
KickOffVeranstaltung
Präsentation
RoadShow
GalaVeranstaltung
Kongreß
Seminar/ Sport-/ WorkKulturshop veranstaltung
Eigentümer Mitarbeiter Lieferanten Händler Journalisten Kunden Öffentlichkeit
Abbildung 4-37: Exemplarische Matrix von Zielgruppen und Event-Typen Die Frage nach der geeigneten Veranstaltungsform wird neben der Botschaft durch die anzusprechenden Zielgruppen und die angestrebten Ziele bestimmt. Hierzu steht eine Vielzahl von Event-Typen zur Auswahl von Tagungen für den Außendienst, Kick-off-Veranstaltungen bei einer Produkt-Neueinführung oder Geschäftseröffnung, Produktpräsentationen (z.B. in Form von Road Shows) über Galaveranstaltungen, Kongresse und Seminare bis hin zu Sport- und Kulturveranstaltungen.
312
4. Das Kommunikations-Programm
Die Inszenierung des Events, „das in Szene setzen“, befaßt sich mit der Vorbereitung zur Umsetzung der Event-Konzeption in die Realität. Die Gestaltungsparameter hierfür sind im wesentlichen (vgl. Inden, 1993, S. 130 ff.): • Location: Ist der Ort, an dem das Event stattfindet. Der Event-Ort muß zur Zielsetzung passen und auf die Zielpersonen abgestimmt sein. Weitere zu berücksichtigende Faktoren sind u.a.: Anzahl der teilnehmenden Personen, geographische Lage und verkehrstechnische Erreichbarkeit (vgl. Tabelle 4-7). Tabelle 4-7: Checkliste zur Auswahl einer Location (nach Bruhn, 1997, S. 808) Exklusivität Bezug (Eventtyp und –inhalt) Infrastrukturelle Anbindung Komfort Image Präsentationsmöglichkeiten Technische Ausstattung Räumlichkeiten
Freizeitmöglichkeiten Geographische Lage Klima Sicherheit Kapazität Kosten Stornofristen Nutzungsbestimmungen/Vorschriften
Der Trend geht dabei in Richtung individueller Locations, deren Architektur und Ambiente eine hohe Aussagekraft besitzen, denn neben dem Vorhandensein der notwendigen Infrastruktur, spielt die Attraktivität des Ortes eine zunehmend wichtige Rolle (vgl. Bremshey, 1996). Die zu kommunizierende Event-Botschaft muß auch bei der Selektion der Location berücksichtigt werden, denn die Botschaft bestimmt den Inhalt des Events und dieser wiederum bestimmt die Anforderungen an die Location im Hinblick auf räumliche und technische Gegebenheiten. • Medien und Technik: Medien sollen die Vermittlung der Botschaft unterstützen. Bei der Auswahl der Medien ist der Erwartungshorizont der Zielpersonen zu berücksichtigen, so kann z.B. die Altersstruktur darüber mitentscheiden inwieweit moderne oder eher klassische Medien eingesetzt werden. Folgende Medien können u.a. im Rahmen einer Event-Veranstaltung eingesetzt werden: Printmedien (z.B. als Einladung), Dia-Audiovisionen, Videos, Filme und Multimedia. Unterstützende Elemente sind Lichteffekte wie z.B. Laser oder Pyrotechnik. Inden (1993, S. 136 u. 1992, S. 97) unterscheidet sogenannte Basismedien, die der Botschaftsvermittlung innerhalb eines Events dienen (z.B. visuelle Medien, auditive Medien, audiovisuelle Medien und Akteure) und sogenannte unterstützende Medien, die die Aufgabe haben, die Basismedien in Szene zu setzen und deren Wirkung zu unterstützen. Dazu gehören zum Beispiel
4.10 Eventmarketing
313
Bühnenbau und Dekoration, Licht und Ton und Spezialeffekte (z.B. Lasertechnik, Pyrotechnik). • Akteure: Bei einem Event ist das Entertainment oder Infotainment durch Akteure ein Instrument, um die Kommunikationsziele zu erreichen. Interne Akteure sind Mitarbeiter des veranstaltenden Unternehmens. Ihr Vorteil ist ihre fachliche Sicherheit und Kompetenz sowie ihre Identifikation mit dem Unternehmen. Als Problembereich kann jedoch in manchen Fällen die mangelnde kommunikative Kompetenz der Mitarbeiter für eine solche Veranstaltung auftreten. Externe Akteure können gegen Bezahlung vom Unternehmen engagiert werden, so können z.B. Prominente aus der Unterhaltungsbranche - wie etwa dem Sport-, Kunst- und Kulturbereich - das Event aufwerten. • Catering: Auch Essen und Trinken sind Gestaltungskomponenten der Inszenierung und als solche nicht zu unterschätzen. Oft ist es sinnvoll einen professionellen Caterer einzuschalten, der als Fachmann beraten kann und die Mitarbeiter des Unternehmens entlastet. Das Budget gibt den Kostenrahmen für die Durchführung eines Events vor. Die Studie des BDW (1993, S. 28) zeigt, daß die Mittel für Events hauptsächlich aus den Marketing-, Werbe- und PR-Etats stammen. Diese Studie bestätigt auch für dieses Instrument eine positive Kosten-Nutzen-Relation. Beinahe 2/3 der befragten Unternehmen waren der Meinung, daß sich durchgeführte Events für das Unternehmen gelohnt haben. Eine Möglichkeit die Kosten für dieses Instrument zu senken, besteht durch das Eingehen einer Kooperation mit einem geeigneten Partner. Neben dem Kostensenkungspotential kann durch eine Kooperation auch eine Steigerung der Kommunikationseffektivität angestrebt werden (größere Etatpotentiale, positives Image der Partner). Da es sich bei der Realisierung von Events - wie bei allen Marketing-Instrumenten - um ein zielorientiertes Agieren handelt, ist auch hier eine Erfolgskontrolle erforderlich. Einen Ansatz für die Erfolgskontrolle liefert die Ermittlung von erreichten Kontakten (Teilnehmer des Events und Nutzer von berichterstattenden Medien) sowie die Befragung der Event-Teilnehmer. Aufgrund ihrer Einmaligkeit haben Events häufig Projektcharakter. Innerhalb des Unternehmens muß die Zuständigkeit für ein solches Projekt geklärt werden. Es empfiehlt sich die Zusammenstellung eines Teams, das für die Planung und Durchführung des Events verantwortlich ist. Im Sinne einer integrierten Kommunikation sollten die Mitglieder dieses Projektteams aus den unterschiedlichen Kommunikationsabteilungen des Unternehmens entsendet werden. Zusätzlich empfiehlt es sich bei umfangreicheren Events Spezialagenturen einzuschalten, die über das notwendige Know How u.a. bei der Locationauswahl, den technischen Gegebenheiten und der Eignung von Prominenten verfügen und Beziehungen zu entsprechenden Kooperationspartnern aufweisen.
314
4. Das Kommunikations-Programm
4.11 Marktkommunikation und Neue Medien „Neue Medien“ - häufig verbunden mit den Stichworten Informationshighways, Multimedia, digitales Fernsehen und digitaler Hörfunk (DVB bzw. DAB), Infound POS-Terminals, etc. - bieten für die Marktkommunikation neue Möglichkeiten und Alternativen für die Kommunikation und den Austausch mit Zielpersonen und Zielgruppen. Das Spektrum an Optionen für Unternehmen wird damit erheblich erweitert. Diese neue Medien eröffnen aber nicht nur neue Kontaktchancen, sondern eröffnen auch die Chance, neue Interaktionssformen mit den Marktpartnern zu realisieren.31 Die Entwicklungen in diesem Bereich zeichnen sich durch eine große Dynamik und hohe Innovationsrate aus. Die Bewertung der Bedeutung dieser neuen Medien schwankte noch. Anfang der 90er Jahre zwischen schlichter Verkennung der Relevanz dieser Innovationen bis hin zur euphorischen Überhöhung des Potentials, das diese neuen Medien bieten. Zunehmend treten jedoch an die Stelle von euphorischen und aufgeregten Zukunftsvisionen realistische und kritische Investitionsüberlegungen.
4.11.1 Formen und Charakteristika der Neuen Medien Die Bandbreite der Neuen Medien ist sehr umfangreich. Grob lassen sich zwei Hauptgruppen differenzieren: Off- (Stand alone) und Online-Medien (vernetzte Systeme). Die Offline-Medien benutzen einen Datenträger, der die gespeicherten Informationen auf Abruf zur Verfügung stellt. Sie erlauben dem Nutzer eine Interaktion mit lokalen Systemen, jedoch nicht mit anderen Systemen oder Nutzern. Unter OfflineMedien werden subsumiert: • Normale Computerdisketten (Floppy-Disc): Sie bieten den Vorteil der großen Verbreitung, ihr Nachteil liegt jedoch in der beschränkten Speicherkapazität und in den begrenzten Darstellungsmöglichkeiten.
31
Die Neuen Medien sind aber nicht nur unter dem Aspekt neuer Kommunikationsmöglichkeiten von Interesse, sondern auch als mögliche neue Vertriebsschiene. Rudolph (1996) analysiert z.B., wie sich diese neuen Technologien im und auf den Handel auswirken können. Generelle Einsatzmöglichkeiten von Multi-Media im Marketing zeigen Hensmann, Meffert & Wagner (1996, S. 32 ff.). Armbrecht & Kohnke (1997, S. 34) weisen auf die neuen Möglichkeiten des Direktvertriebes hin; Anbieter und Verbraucher treten in direkte Verbindung - über bestehende Vertriebskanäle und Handelssysteme hinweg.
4.11 Marktkommunikation und Neue Medien
315
• Die CD-ROM (Read Only Memory): Sie hat eine wesentlich höhere Speicherkapazität und ist daher für multimediale Anwendungen geeignet. • Die CD-I (Interactiv): Sie bietet eine ähnlich hohe Speicherkapazität wie die CD-ROM, wird aber nicht über den Computer genutzt, sondern über einen CDI-Spieler, der mit dem TV-Gerät verbunden ist. • Festplatten bieten große Speichermöglichkeiten und in Kombination mit einem Laptop den Vorteil der Mobilität.
Neue elektronische Medien
On-Line Online
Off-Line Offline
Festplatten TV-Basiert Disketten CD-ROM CD-I
Pay per Cha nnel Pay per View Near Video on Demand Home- und Teleshopping Games on Demand
PC-Basiert Proprietäre On-LineSysteme AmerikaOnline T-Online etc.
Nicht-proprietäre On-Line-Systeme
Internet (WWW)
Kombinationsmöglichkeiten
Abbildung 4-38: Überblick über Neue Medien Bei Online-Systemen auf PC-Basis besteht dagegen eine Verbindung mit anderen Systemen, durch die der Nutzer mit zentralen Einheiten oder aber auch mit anderen Nutzern kommunizieren kann. Das bekannteste Netz und auch das umfangreichste ist das nichtproprietäre Internet und hier vor allem das World Wide Web (WWW). Von seiner Struktur ist es dezentral und beinahe anarchistisch organisiert. Zentral organisiert sind dagegen die proprietären, kommerziellen OnlineDienste wie z.B. Compuserve, America Online (AOL) und T-Online (ehemals Datex-J, ehemals Btx).32
32
Ein Vergleich zwischen WWW und anderen Online-Diensten anhand der Kriterien Netzwerk, Entwicklungsumgebung, technische Weiterentwicklung, Installation und Navigation, Vermarktung und Marktforschung findet sich bei Rengelshausen (1997, S. 109).
316
4. Das Kommunikations-Programm
TV-basierte Online-Systeme basieren auf einer Digitalisierung des Fernsehens (DVB = Digital Visuell Broadcasting)33; dadurch kann nicht nur die Sendeleistung des klassischen Fernsehens potenziert werden, man spricht von 500 und mehr Fernsehprogrammen (vgl. Kessler, 1994, S. 28), sondern auch um einen Rückkanal zum Sender erweitert werden, beispielsweise durch Kabel oder Telefonleitung, ergänzt um eine sogenannte Set-Top-Box.34 Ein solches ausgebautes System kann es dem Zuschauer ermöglichen, sein eigenes Programm zu jeder Zeit interaktiv zusammenzustellen und so quasi zu seinem eigenen Programmleiter zu werden. Auch Kombinationen zwischen Off- und Online-Medien sind möglich (sogenannte hybride Systeme), z.B. indem ein Offline-Datenträger als Hauptspeicher eingesetzt wird und die Online-Anbindung zur Aktualisierung von Daten oder zur Erstellung von Nutzungsanalysen installiert wird. Ebenfalls eingesetzt werden können Softwarekomponenten auf Offline-Applikationen (z.B. Versandhauskatalog auf CDROM), die dem Nutzer erlauben, mit Hilfe eines Modems mit dem Zentralrechner des Serviceproviders zu kommunizieren. On- und Offline-Anwendungen lassen sich zudem dahingehend unterscheiden, ob sie in den Räumen von Kunden (domizile Anwendungen) oder innerhalb der rechtlich-organisatorischen Grenzen eines Unternehmens (nicht-domizile Anwendungen) zum Einsatz kommen (Fink, Meyer & Wamser, 1995, S. 469). Die Neuen Medien bieten die Möglichkeit, Informationen in neuartiger Weise zu transportieren und bereitzustellen, deshalb erlauben sie eine im Vergleich zu den klassischen Medien andere Art der Informationsnutzung. Die klassischen Massenmedien erlauben lediglich eine zuvor festglegte, sequentielle und statische Kommunikation mit einer relativ anonymen Zielgruppe; bei interaktiven Medien können die Zielpersonen gezielt die multimedial aufbereiteten Informationen zu bestimmten Themenbereichen individuell und nach eigener Intention und eigenem Wissen selektieren. Die Botschaft stellt sich quasi auf das Wissen und das Informationsinteresse des Konsumenten ein (vgl. Hensmann, Meffert & Wagner, 1996, S. 33). Mit diesen veränderten Kommunikationsbedingungen der neuen Medien ist auch die Hoffnung verbunden, die Wirkung der Marktkommunikation zu steigern.
33
34
Auch im Bereich des digitalen Hörfunks (DAB= Digital Audio Broadcasting) laufen z.Z. Projekte zur Erprobung (vgl. Eckstein, 1995). Das neue an DAB ist, daß neben den eigentlichen akustischen Informationen auch beliebige Zusatzinformationen über ein Display am Radio angeboten werden können. Zudem besteht die Option, Informationen an den Sender zurückzusenden. Die Set-Top-Box ist ein Graphikrechner, der zwischen Antennenausgang und TV-Gerät geschaltet wird. Er wandelt die ankommenden digitalen Daten in ein analoges TV-Bild um. Zudem kann diese Box über Fernbedienung angesteuert werden und den Teilnehmerwunsch (z.B. eine Teleshopping-Bestellung) an den zentralen Server weiterleiten (vgl. Pitzer, 1995a, S. 60).
4.11 Marktkommunikation und Neue Medien
317
Die Neuen Medien lassen sich durch eine Reihe von Kennzeichen charakterisieren, die allerdings in unterschiedlichem Maße auf die einzelnen Medientypen zutreffen: • Multifunktionalität: Damit wird der Sachverhalt angesprochen, daß abhängig von den jeweiligen Nutzern und deren Intentionen, der Kommunikationssituation sowie den spezifischen technischen Gegebenheiten unterschiedliche Kommunikationsaktivitäten möglich sind. Hünerberg, Heise & Mann (1997, S. 16) unterscheiden dabei drei Formen: -
„gleichzeitige Individualkommunikation in bilateraler („individual chat“) oder multilateraler Form („multi user chat“ bzw. „online conferencing“),
-
asynchrone Individualkommunikation, bilateral („e-mail“) oder multilateral („news group“),
-
Massenkommunikation, allerdings in einer speziellen, am einzelnen Empfänger orientierten Variante.“
• Interaktivität: In seiner formalen Bedeutung versteht man unter Interaktion Prozesse der Wechselbeziehung bzw. Wechselwirkung zwischen zwei oder mehreren Größen. Allgemein kann man unter Interaktion das aufeinander bezogene Handeln zweier oder mehrerer Personen verstehen. Dies setzt die Fähigkeit zum Senden und Empfangen von Informationen voraus und impliziert, daß Kommunikation nicht determiniert ist, d.h. einen nicht vorbestimmten Lauf nimmt. Häufig besteht für den Nutzer im Bereich der Mensch-MaschinenKommunikation (in diesem Fall einem multimediafähigen Endgerät) nur eine eingeschränkte Form der Interaktivität - z.B. ein gezielter Zugriff auf Informationen und Funktionen oder der Informationskombination, etc.35 • Digitalisierung: Die Digitalisierung ermöglicht die Weiterverarbeitung der Informationen per EDV und ermöglicht eine einheitliche Übertragungstechnik der verschiedenartigen Informationen. Die Digitalisierung erfordert oft anschließend die Verdichtung und Reduktion dieser Daten (digitale Kompression), um die Übertragungsleistungen zu erhöhen. • Multimedialität: Eine verbindliche Definition dieses Begriffes steht noch aus.36 Jedoch zeichnen drei Merkmale Multimedialität aus: 35
36
Eine kritische Reflektion zum Thema Computer und Interaktivität findet sich bei Höflich (1994). Silberer (1997, S. 9) versteht unter interaktiver Kommunikation im wesentlichen eine rechnergestützte Kommunikation, bei der ein Mediennutzer jederzeit, wahlfrei und wiederholt auf angebotene bzw. abgelegte Informationen zugreifen kann. Vgl. z.B. Pitzner (1995a, S. 7), Schnurpfeil (1994, S. 5), Taglinger (1996, S. 6). Für Hensmann, Meffert & Wagner (1996, S. 2 f.) umfaßt Multimedia computergestützte, interaktive Medien- und Kommunikationsprodukte, die mindestens drei Mediengattungen integrativ verwenden.
318
4. Das Kommunikations-Programm
-
-
Die Möglichkeit der interaktiven Nutzung, die Integration verschiedener Medientypen, d.h. z.B. dynamische Medien (Video- und Audiosequenzen) werden mit statischen (z.B. Text und Daten) kombiniert; damit sind diese Medien multisensorisch und als Basis der Anwendungen die digitale Technik für die Speicherung und Bearbeitung der Daten.
• Aktualität: Bei Online-Medien besteht prinzipiell die Möglichkeit zu einer permanenten Aktualisierung der angebotenen Informationen. • Individualität: Durch die interaktiv vorgegebenen Selektionsoptionen für den Nutzer besteht die Möglichkeit, individuell auf bestimmte Informationen zuzugreifen, Abläufe individuell zu gestalten und Informationen nach eigenen Wünschen zu kombinieren. Damit bieten diese Medien eine Antwort auf die Herausforderung zunehmend fragmentierter, individueller Kleinstmärkte bis hin zu Person-to-Person-Kontakt. • Internationalität: Informationen im Internet (vgl. Berthon, Pitt & Watson, 1996, S. 44) und ein großer Teil der kommerziellen Online-Dienste sind durch ihre globale Präsenz per se international. Dadurch unterscheiden sich die OnlineDienste auch wesentlich von den Offline-Medien.
4.11.2 Stand der Entwicklung und Prognosen Insgesamt ist die Entwicklung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie durch eine ausgeprägte Dynamik gekennzeichnet, sowohl was die Leistungsfähigkeit der einzelnen Systeme angeht, als auch deren Diffusion in den entsprechenden Gesellschaften. Zudem wachsen bisher unabhängige Industriebereiche wie Unterhaltungselektronik, Telekommunikation, Computer- und Informationsindustrie sowie Medien/Verlage (Inhalteanbieter) zusammen. Die Geschichte des Internets begann vor etwa 50 Jahren in den USA. Damals sollte es im Zuge des „kalten Krieges“ als ein dezentral konzeptioniertes Informationssystem zur Lösung militärisch-logistischer Probleme dienen. 1969 ließ die Forschungsabteilung des Pentagon Wissenschaftler der University of California den ersten Netzknoten installieren. Übriggeblieben ist aus dieser Zeit das Internet, das bis heute keine zentrale Verwaltungsstelle und -station besitzt und dazu geführt hat, daß es heute bereits als völlig unkontrollierbar gilt, als Indikator dafür möge die Virenüberflutung gelten, die derzeit zu beobachten ist. Heute wird Internet als das größte existierende Netzwerk der Netzwerke mit einer Vielzahl von Diensten und Angeboten betrachtet. Das Medium Internet ermöglicht neben unterschiedlichen Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Personen auch zum ersten Mal einen interaktiven Umgang mit verschiedensten Informationsarten.
4.11 Marktkommunikation und Neue Medien
319
Über dieses dezentrale Netzwerk können mit Hilfe eines Personal Computers in nur wenigen Sekunden Informationen in der ganzen Welt verschickt oder von überall sonst auf der Welt, unabhängig des Dateiformats, abgerufen werden. Da im Internet eine Vielzahl verschieden arbeitender Dienste vorhanden ist, die sich auch in ihrem Erscheinungsbild und ihrer Bedienungsoberfläche unterscheiden, bedeutet dies für den Nutzer, daß er sich verschiedene Befehlsstrukturen merken müßte, wenn er mit diversen Diensten arbeiten wollte. Für eine komfortable Arbeitsweise im Internet wurde daher seit 1991 der Versuch unternommen, weite Teile des Internets unter einer speziellen Oberfläche, der WWW-Oberfläche, zu vereinheitlichen. Das World Wide Web (WWW) wurde vom Europäischen Labor für Teilchenphysik in Genf entwickelt und stellt eine Dokumentensammlung dar, auf die unter einer einheitlichen Oberfläche zugegriffen werden kann. Das World Wide Web (WWW oder kurz Web) stellt somit ein weiteres Angebot im Internet dar, das für das komfortable und einfache Arbeiten im Internet immer mehr an Bedeutung gewinnt. Mit sog. Client-Programmen (wie beispielsweise Netscape), welche Anfragen an einen Server (Rechner) stellen und Ressourcen vom Server erhalten können, im WWW-Jargon auch Browser genannt, wird das fortgeschrittene Durchwühlen und die gezielte Informationssuche im WWW vereinfacht. Die Dokumente im Internet sind alle in einer besonderen „Sprache“, der Hyper Text Markup Language (HTML), verfaßt. Nach dem WWW wird das E-Mail, als ein weiterer Dienst innerhalb des Internets, am intensivsten als Kommunikationsinstrument genutzt. Die Onlinenutzung ist stetig angestiegen. Waren es 1997 noch 4,1 Mio. Personen (6,5 % der Bevölkerung ab 14 Jahren), so sind es 2002 bereits 28,3 Mio. oder 44,1 % aller Personen ab 14 Jahre (van Eimeren, Frees & Frees, 2002, S. 346). Bei einem relativ neuen Medium ist die Struktur der Nutzerschaft von großem Interesse. War das Medium Internet anfangs (1997) noch sehr männlich dominiert und eher von jüngeren Zielgruppen genutzt, so paßt sich die Nutzerstruktur sehr langsam der Bevölkerungsstruktur an. Allerdings gibt es weiterhin erhebliche strukturelle Abweichungen von der Gesamtbevölkerung. So sind üb er 80 % alle in Ausbildung befindlichen Bürger Onlinenutzer, jedoch nur unter 10 % alle über 60jährigen. Bei den Berufstätigen sind in 2002 59,3 % Onlinenutzer. In dieser Gruppe finden wir den zweitgrößte Anstieg überhaut, was sich durch die Zwänge im Geschäftsleben erklären läßt.
320
4. Das Kommunikations-Programm
Tabelle 4-8: Onlinenutzer in der Gesamtbevölkerung 2002 (van Eimeren, Frees & Frees, 2002, S. 347) 2001 absolut in Mio. Gesamt Geschlecht - männlich - weiblich Alter - 14 – 19 - 20 – 29 - 30 – 39 - 40 – 49 - 50 – 59 - 60 + Berufstätigkeit - in Ausbildung - berufstätig - Rentner/ nicht berufst.
2002 in Prozent absolut in Mio. in Prozent
24,8
38,8
28,3
44,1
14,7 10,1
48,3 30,1
16,2 12,1
53,0 36,0
3,3 5,5 6,1 5,2 3,2 1,5
67,4 65,5 50,3 49,3 32,2 8,1
3,8 6,5 7,9 5,2 3,5 1,4
76,9 80,3 65,6 47,8 35,4 7,8
5,2 16,1
79,4 48,4
5,5 18,9
81,1 59,3
3,5
14,5
3,7
14,8
Tabelle 4-9: Nutzerstruktur Online (ebenda, S. 349)
Gesamt Geschlecht - männlich - weiblich Alter - 14 – 19 - 20 – 29 - 30 – 39 - 40 – 49 - 50 – 59 - 60 + Berufstätigkeit - in Ausbildung - berufstätig - Renter/nicht berufst.
2001
2002
100
100
59 41
57 43
14 22 24 21 13 6
14 23 28 18 12 5
21 65 14
20 67 13
4.11 Marktkommunikation und Neue Medien
321
Der größte Anstieg ist bei den 20- bis 29jährigen zu verzeichnen. Wir finden folgende Daten für 2002, die Prozentsätze beziehen sich jeweils auf den Anteil der Onlinenutzer an der jeweiligen Bevölkerungsgruppe. Die Tabellen 4-8 und 4-9 geben einen Überblick über die Struktur innerhalb der Onlinenutzerschaft (also nicht auf die Gesamtbevölkerung bezogen, sondern lediglich auf die Nutzerschaft des Internet) Abschließend fragen wir nach der Nutzungsintensität. Hier findet sich ingesamt ein leichter Anstieg im Jahresvergleich (nach Minuten), wobei der Schwerpunkt der Nutzung am Wochenende zu finden ist. Tabelle 4-10: Durchschnittliche tägliche Nutzungsdauer Online in Minuten (ebenda, S. 357)
an Werktagen am Wochenende Gesamtdurchschnitt
1998 76 80 77
1999 82 85 83
2000 91 90 91
2001 104 114 107
2002 112 144 121
Die Online-Dienste haben in Deutschland in den letzten Jahren eine beachtliche Entwicklung vollzogen. Bis Anfang der 90er Jahre waren sie relativ bedeutungslos, das euphorisch gestartete Btx hatte 1989 nur ca. 200.000 Teilnehmer, 1996 hatte das umfirmierte T-Online ca. 800.000 bis 900.000 Kunden. Insgesamt verzeichen die Online-Dienste weltweit erhebliche Zuwachsraten. Tabelle 4-11: Überblick wichtige Online-Anbieter 37
Anbieter/Netz
Teilnehmer
Internet CompuServe America Online Prodigy T-Online
40 Mio 3,4 Mio 4 Mio 2,2 Mio 0,9 Mio
Land
Zuwachsprognose
Weltweit 150 Länder USA/Deutschland USA Deutschland
150.000 monatlich keine Angaben 300.000 monatlich keine Angaben ca. 15.000 monatlich
Für die Akzeptanz von Multimedia in den Unternehmen lassen sich vier Variablenbündel differenzieren.
37
Vgl. Pitzer (1995b, S. 18).
322
4. Das Kommunikations-Programm
• Medienspezifische Variablen: - Merkmale der Medien: Komplexität, Kompatibilität, Risikoeinschätzung und Kosten-Nutzen-Relation sowie - Merkmale der Medienkonzeption: Aufgabe der Medien im Unternehmen, Ziele des Medieneinsatzes, Zielgruppen des Medieneinsatzes; • Unternehmensspezifische Variablen: - Organisationsspezifische Merkmale: Unternehmensgröße und -struktur, kommunikationstechnische Ausstattung und Branche, - Merkmale der Entscheidungsträger: z.B. Alter, Ausbildung, Motivation, Position, Risikobereitschaft (vgl. Hensmann, Meffert & Wagner, 1996, S. 27 ff.). Die Prognosen für die Entwicklung der Off- und Online-Medien gehen davon aus, daß, auch wenn die Online-Anwendungen eine Reihe von attraktiven Vorteilen bieten (z.B. Aktualität, Dialogfähigkeit), sie heute, bedingt noch wegen existierender Restriktionen in den technologischen Rahmenbedingungen, nicht die Off-lineMedien kurzfristig verdrängen werden. Denn im Offline-Bereich ist bereits heute der Einsatz von Multi-Media-Applikationen möglich. Auf lange Sicht ist jedoch zu erwarten, daß sich Online-Anwendungen verstärkt durchsetzen werden, nicht jedoch, daß Offline-Medien völlig verschwinden werden.38
4.11.3 Optionen der Neuen Medien für die Marktkommunikation Die neuen Medien können je nach Kommunikationsziel und Zielpersonen in allen Aktionsfeldern der Marktkommunikation eingesetzt werden, einerseits zur Unterstützung der bisherigen Maßnahmen, andererseits aber auch als eigenständige Aktivitäten. Im folgenden sollen einige wichtige potentielle Einsatzfelder aufgezeigt werden.
4.11.3.1 Einsatzfelder im Offline-Bereich • Zur kommunikativen Unterstützung des eigenen Außendienstes. So können z.B. Laptops als elektronische Salesfolder benutzt werden, dadurch sind auf den einzelnen Kunden individuell zugeschnittene und flexible Präsentationen und Verkaufsgespräche möglich. Durch ein Modem via Telefonleitung können beispielsweise dann anschließend die Gesprächsergebnisse direkt an die Zentrale übermittelt werden. So führt z.B. der US-Konzern Kimberly-Clark („Ca38
Das Bertelsmann Vorstandsmitglied Middelhoff geht sogar davon aus, daß „OnlineDienste als Massenmedium die Compact Disc verdrängen werden“ (Süddeutsche Zeitung vom 09.12.1996).
4.11 Marktkommunikation und Neue Medien
323
melia“, „Kleenex“) seine Jahresgespräche mit dem Handel mit Hilfe eines interaktiven Salesfolders. Die Aktualisierung der Daten wird relativ einfach mit Disketten vorgenommen. • Disketten und CD-ROMs zur Produkt- und Unternehmenspräsentation. Disketten sind heute für interaktive Kommunikation aufgrund ihrer begrenzten Speicherkapazität zwar nur mehr begrenzt tauglich, ihr Vorteil liegt aber in der Reichweite und den Produktionskosten. CD-ROMs werden dagegen immer mehr als Datenträger eingesetzt. Diese Datenträger können entweder direkt im persönlichen Gespräch an die Zielgruppe verteilt werden oder im Rahmen von Direkt Marketing-Aktivitäten an die Zielgruppen übermittelt werden. So hat z.B. das Unternehmen Liesegang, ein führender Hersteller von Präsentationsgeräten seine lange Firmengeschichte und sein gesamtes Produktprogramm auf CD-ROM dargestellt. Ziel dieser Produktion war es, den Fachhandel mit einer neuen Form der Verkaufshilfe zu unterstützen (vgl. Hauser, 1996). Viele Unternehmen bieten diese Medien auch als Alternative gegenüber herkömmlichen Printmedien an, so z.B. Mercedes Benz bei der Einführung der neuen EKlasse. Diese CD-ROM bietet u.a. 70 Videos, 300 Abbildungen und 500 Textcharts sowie Realbilder der Moderatorin. Eine Vielzahl von Interaktionsmöglichkeiten kann genutzt werden. So lassen sich z.B. Farben, Zubehörauswahl (mit sofortiger Angabe des Zubehörpreises) abrufen ebenso wie die genaue Errechnung des Kaufpreises und die daraus resultierenden Leasingkonditionen (vgl. Wagner, 1997, S. 239). Ähnliche Offline-Projekte realisierte auch der Mitbewerber BMW (vgl. Armbrecht & Kohnke, 1997). Beim Einsatz von Disketten und CD-ROMs zur direkten Ansprache der Zielgruppe im Rahmen von Direkt Marketing-Aktivitäten bieten diese Medien durch das hohe Aktivitätsniveau des Nutzers gute Chancen einen bereits medial hergestellten Kontakt fortzusetzen. • PoI (Point of Information)-, PoS (Point of Sale) - Systeme. Solche Systeme, die PC-oder CD-I/ROM-orientiert sein können, sind oft an stark frequentierten Lokalitäten (z.B. Flughäfen, Messen) im Einsatz. Sie können aber auch in den eigenen Geschäftsräumen (z.B. Bankfilialen) und in unternehmensinternen Standorten (z.B. Eingangshallen) eingesetzt werden. Diese In-Store-Systeme bieten den Vorteil, daß die Bestimmungsfaktoren des technischen Einsatzes der unternehmerischen Gestaltungsfreiheit unterliegt. Solche Kiosksysteme lassen sich technisch unterscheiden in: -
Stand-alone-Terminals mit nur gelegentlichem Daten-Update offline und
-
vernetzte Terminals für regelmäßige Online-Updates oder auch Logfile-Abfragen (Heimbach, 1997, S. 51).
324
4. Das Kommunikations-Programm
PoS-Systeme können dabei eine Servicefunktion (Vereinfachung des Kaufverhaltens) und eine Beeinflussungsfunktion wahrnehmen (Swoboda, 1996, S. 262). Das Gehäusedesign, die Plazierung und die Umfeldgestaltung markieren die äußere Attraktivität von solchen Kioskterminals. Bedienerfreundlichkeit, Nutzwert und Erwartungskonformität machen die innere Attraktivität dieser Medien aus. Wichtig ist zudem, daß den Nutzern ein situatives Erlebnis vermittelt wird. In der Praxis findet sich für den Einsatz dieser Systeme schon eine Vielzahl von Beispielen: -
„Music Master“ von Karstadt: ein interaktives Multi-Media-InformationsBestell- und Werbemedium, das alle bei Karstadt geführten Musiktitel und Kaufvideos präsentiert (vgl. Glomb, 1995). Eine Analyse dieses Systems zeigte u.a., daß Nutzer im Vergleich zu Nicht-Nutzern eine signifikant höhere Kaufbereitschaft aufweisen (vgl. Swoboda, 1996, S. 263).
-
Integrierte Multi-Media-Anwendungen in Bargeldautomaten bei der Citibank. Kunden können hier neben den alltäglichen Bankgeschäften auch Informationen über weitere Angebote der Bank abfragen (Kabel, 1995, S. 235).
-
Die „MotoBox“ eines großen Motorradgrossisten. Das System mit Touchscreen, Videowiedergabe und hochwertigem Soundsystem enthält ca. 1500 verschiedene Motorradtypen in einer Datenbank verknüpft mit 24.000 Artikeln. Ausgewählte Produkte lassen sich durch einen integrierten Drucker ausdrucken.39
• CD-ROM zur Darstellung der Sortimentspräsentation. Diese Form findet sich in zwei Varianten: -
im Versandhandel als Alternative zum Printkatalog und bei Herstellerunternehmen zur Darstellung der Produktprogramme.
Die beiden ehemals größten Versandhäuser Deutschlands (Otto und Quelle) präsentierten 1994 bzw. 1995 ihre ersten CD-ROM-Kataloge. Heute haben diese beiden Kataloge bereits eine Auflage von 200.000 bzw. 300.000 Stück. Im Vergleich mit dem klassischen Printmedium haben die CD-ROMPräsentationen Vor- und Nachteile. Von Vorteil sind z.B. die geringeren Pro39
Über Akzeptanzerfahrungen verschiedener Multi-Media-Anwendungen am PoS berichtet Staub (1995). Als Faktoren, welche die Erfolgswahrscheinlichkeiten steigern, nennt er: intensive Konzeptionsphase, Integration der Anwender-Bedürfnisse bei der Konzeptentwicklung, begleitende Schulung bei der Einführung solcher Systeme, konsequente Betreuung, laufende Erfolgskontrolle, funktionierende technische Hotlines.
4.11 Marktkommunikation und Neue Medien
325
duktionskosten, das geringere Gewicht und damit verbundene geringere Versandkosten und die dynamischeren Gestaltungsmöglichkeiten; Nachteile ergeben sich vor allem aus der geringeren Reichweite und einem noch erhöhten Lernaufwand (vgl. Heimbach, 1997, S. 42). Auch für die Business-to-Business-Kommunikation eröffnet die CD-ROM Alternativen der Programmpräsentation. So führte seit 1995 Klöckner-Moeller sein Produktsortiment auch in Form eines elektronischen Kataloges ein. Durch entsprechende Gestaltung und weiteren Funktionen wird dem Nutzer einen Zusatznutzen (z.B. schneller Produktzugriff, einfach Stücklisten und Bestellungen generieren, einfache Produktdokumentation mit Produktabbildung, komfortable Benutzerführung) geboten (Weber, 1997). • CD-ROMs und Disketten als Träger von Werbespielen. Darunter versteht man die Integration einer Werbebotschaft in ein spielerisches, in der Regel zur Freizeitbeschäftigung genutztes Computerprogramm. Werbespiele haben in den letzten Jahren einen wahren Boom erlebt. Wichtig ist, um die Akzeptanz des Spielers zu gewährleisten, daß die Werbebotschaft nicht dominiert; der Spieler ist an dem Spiel, dem Unterhaltungswert interessiert und nicht an der werblichen Botschaft. Als Kernzielgruppe für diese Form der Marktkommunikation gelten primär Jugendliche zwischen 12 und 21 Jahren. Werbespiele werden häufig kostenlos (freeware) oder gegen ein geringes Entgelt abgegeben40 und zudem können sie, was häufig angestrebt wird, beliebig dupliziert werden. Bei den Spielen lassen sich unterschiedliche Spieltypen unterscheiden: Strategie-, Rollen-, Abenteuer-, Geschicklichkeits-, Simulations- und Gewinnspiele. Die Kosten für diese Spiele können erheblich sein (bis zu 250.000,- Euro), denn sie stehen qualitativ in Konkurrenz mit den für die Zielgruppe professionell entwickelten Spielen. Bei der Entwicklung und Realisierung solcher Gewinnspiele ist die technische Ausstattung der Zielgruppe zu berücksichtigen. Häufig sind zudem begleitende Werbemaßnahmen erforderlich, die die Aufmerksamkeit der Zielgruppe auf das Spiel lenken. Um den Spieler zum Weiterspielen, zu einer aktiven Auseinandersetzung zu animieren sind Aktivierungselemente erforderlich. Eine Hotline gibt den Nutzern die Möglichkeit, Unklarheiten zu beseitigen. • Datenträger zur Verbreitung von Bildschirmschonern (Screen Saver). Auch diese können für die Markt-Kommunikation genutzt werden. Hierbei geht es darum, Arbeitspausen am PC für die Verbreitung von Botschaften zu nutzen. Beispiel hierfür sind die Kioskgeschichten des Axel-Springer-Verlages, bei diesen Geschichten kommen unterschiedliche, partiell seltsame Kunden an einen Zeitschriftenkiosk oder „Bis ans Ende der Welt“ der Telekom. Die dargestellten Geschichten stellen einen Bezug zum werbetreibenden Unternehmen 40
So erhielten Jugendliche das CD-ROM Spiel „Free Spirit“ der Volks- und Raiffeisenbanken gegen eine Schutzgebühr von 8,- DM.
326
4. Das Kommunikations-Programm
her. Dieses Medium eignet sich insbesondere für die Imagekommunikation im Business-to-Business-Bereich, denn am Arbeitsplatz läuft der PC oft den ganzen Tag. Ähnlich wie bei den PC-Spielen sollen Kopien gezogen werden können, um die Wirkung zu vervielfachen.
4.11.3.2 Einsatzfelder im Online-Bereich (vgl. hierzu Rengelshausen, 1997) • Unternehmenspräsentation und Public Relations: Die Online-Medien bieten Unternehmen eine ideale Plattform zur Selbstdarstellung. Zudem trägt - zumindest in der Anfangsphase dieses Mediums - ein solcher Auftritt zum Image eines innovativen und offenen Unternehmens bei. Das Unternehmen kann sich gut strukturiert und visuell ansprechend präsentieren. Die Bandbreite an Informationen, die zur Verfügung gestellt werden können sind umfangreich. Angefangen von Presseinformationen, über Online-Unternehmens-darstellungen, Stellenanzeigen, Geschäfts-, Umweltschutz- oder Forschungsberichten bis hin zu Sponsoraktivitäten. Gerade das WWW hat den Vorteil, daß es für die Präsentation des Unternehmens und seiner Produkte keine Platz- bzw. Raumrestriktionen gibt. Wünschenswert ist es, alle Angebote mit Dialogoptionen auszustatten. Seit Frühjahr 1995 informiert zum Beispiel die Pressestelle von Hoechst (http://www.hoechst.com) im Hoechst Internet Forum über die vielfältigen Aktivitäten des Unternehmens. Das Internet ist auch für eine internationale Öffentlichkeitsarbeit ein adäquates Instrument, da sich mittlerweile das internationale Fach- wie auch Privatpublikum schnell und ohne großen Aufwand über das Unternehmen informieren kann (vgl. Wißmeier, 1997, S. 204). • Werbung und Produktinformationen: 24 Stunden an jedem Wochentag können Unternehmen ihre Produkte und Informationen zu ihren Produkten in den Online-Diensten anbieten. Veränderungen oder Informationen über Innovationen können sofort zur Verfügung gestellt werden und dies nicht nur in einem nationalen Markt, sondern auch als Testplattform für eine Internationalisierung. Je nach Unternehmen und Angebot lassen unterschiedliche Präsentationsformen für Produkte differenzieren: -
Direkte Präsentation: Die Interessierten können die angebotenen Produkte und Dienstleistungen für einen bestimmten Zeitraum testen. Diese Möglichkeit eröffnet sich vor allem Softwareanbieter.
-
Indirekte Präsentation: In diesem Fäll ist nur eine eingeschränkte Nutzung möglich; so z.B., wenn nur eine eingeschränkte Recherche in den Datenbanken möglich ist.
-
Mediale Präsentation: Hierbei werden die Angebote, die sich Online nicht zu Testzwecken zur Verfügung stellen lassen, über Texte, Bilder, Graphi-
4.11 Marktkommunikation und Neue Medien
327
ken und Animationen präsentiert. So z.B. bei der Einführungskampagne für die A-Klasse der Mercedes Benz AG. Hier können Interessenten u.a. eine Rundfahrt durch eine fiktive Stadt machen. Wichtig ist bei allen diesen Formen der Online-Marktkommunikation, daß die potentiellen Nutzer auf diese Informationen hingewiesen werden, speziell im relativ intransparenten Internet. Möglichkeiten hierzu bieten sich dafür einerseits im Netz, z.B.: -
Hinweise auf den Dienst in den passenden Newsgroups,41
-
Anmeldung des Dienstes in Rechnertools,
-
Integration in Branchen- und Spartendiensten,42
-
Aufnahme in regionale Informationssysteme,
-
Vereinbarung über die Aufnahme von Hyperlinks in Diensten anderer Anbieter oder auch
-
kostenpflichtiges Einschalten von Hyperlinks (Werbebanner) in häufig besuchten Seiten; hier ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Akzeptanz solcher Werbebanner nicht besonders hoch ist. Viele Nutzer halten sie für störend oder überflüssig. Diese ablehnende Haltung begründet sich primär damit, daß durch das Anklicken der Werbebanner oft keine thematisch passenden Informationen angeboten werden. Deshalb sollten Werbebanner nur in thematisch passenden Seiten geschaltet werden (vgl. Fittkau & Maass, 1997, S. 14).
Andererseits sind auch Maßnahmen außerhalb des Netzes relevant, z.B.:
41
42
-
Aufnahme der Adresse auf Geschäftspapier und Visitenkarten,
-
gezielte Direkt Marketing Aktionen für das Online-Angebot,
Für das Internet hat sich eine informale Etikette, die sogenannte Netiquett entwickelt, u.a. bezieht sich diese auch auf Werbung im Internet. Unerwünschte Werbung kann hier zu relativ intensiven Aktivitäten der Nutzer (User) führen. Ein Anwaltsbüro in Amerika plazierte ihre Werbung in einer Vielzahl von solchen Newsgroups mit dem Ergebnis, daß tausende e-mails an die Mailbox des Anwaltbüros übermittelt wurden, darunter auch extrem lange e-mails („bombings“) (vgl. Resch, 1996, S. 203). Das Frauenhofer-Institut in Stuttgart stellt z.B. mittelständischen Unternehmen unterschiedlicher Branchen einen Electronic Commerce Server zur Verfügung, mit dessen Hilfe die Unternehmen ihr Angebot weltweit bekanntmachen können - Adresse: http://www.e-business.iao.fhg.de (vgl. Resch, 1996, S. 107).
328
4. Das Kommunikations-Programm
-
Integration der Adresse in die klassichen Werbemaßnahmen (z.B. Anzeigen, TV-Spot) (vgl. Resch, 1996, S. 194 ff.).
Es gibt folgende weitere Einsatzgebiete der Online-Medien: • Einsatz des Online-Auftritts für Marktforschung, Service und Vertrieb: Mit diesen Optionen wird die Verknüpfung des Online-Auftritts mit den anderen Bereichen des Marketings deutlich. Durch entsprechende Serviceangebote, komfortable Bestellmöglichkeiten erhöht sich die Attraktivität des eigenen Online-Angebotes für die Nutzer. Durch solche Engagements kann ein Unternehmen gezielt Marktforschung betreiben, um neue Märkte zu definieren und das potentielle Interesse an neuen Produkten testen. Es bietet sich die Möglichkeit, den Kunden als CoProduzenten mit seinen Wünschen, seinen Erfahrungen für die Produktherstellung zu gewinnen. Durch Direktkontakt sowie durch die Auswertung von Online-Befragungen und Logfiles43 lassen sich Marktdaten gewinnen. • Online-Medien bieten auch im Bereich des Nachkaufmarketings ein leistungsfähiges und kostengünstiges Potential. Via Online-Medien kann den Kunden eine effektive Unterstütung geboten werden. So können z.B. bei Federal Express Kunden den aktuellen Stand ihres Transportauftrages online abrufen (vgl. Berthon, Pitt & Watson, 1996, S. 47). Oder z.B. die Lufthansa AG; sie bietet im Internet und anderen Onlinediensten ein umfassendes Service- und Informationsangebot (u.a. Flugpläne, Informationen über Flüge, Hotels, Mietwagen, Reiseziele, etc.). • Online-Medien können zudem auch zum Vertrieb von Waren und digitalen Produkten eingesetzt werden („online-shopping“). Proprietäre Dienste wie Compuserve bieten bereits seit Jahren Online-Shopping in ihren Electronic Diensten an.44 Insbesondere im Business-to-Business-Bereich eröffnen sich für den Vertrieb von Angeboten interessante Potentiale. So erzielt z.B. General Electric seit 1997 Aufträge im Werte von mehr als zwei Milliarden Dollar (vgl. Schuler, 1997). Wichtig für den Erfolg ist u.a. auch, daß entsprechende Sicherheitsstandards für elektronische Bestell- und Abrechnungssysteme - hier insbesondere für das Internet - eingeführt werden (vgl. Resch, 1996, S. 75). Online43
44
Das Hypertext Transfer Protocol (http) im World Wide Web (WWW) beinhaltet einfache statistische Funktionen, die als Logfiles bezeichnet werden. Empfehlenswert ist bei vielbesuchten Sites, den Server mit einer statistischen Software zu ergänzen. Dadurch können die aufgenommenen Daten in gewünschter Form abgerufen werden (vgl. Resch, 1996, S. 145). Ein Klassiker in Deutschland ist der Btx-Bestellservice. So soll das Versandhaus Quelle 1995 rund 75 Mio. DM Umsatz über diesen Vertriebskanal erreicht haben (Rautenberg, 1996, S. 134).
4.11 Marktkommunikation und Neue Medien
329
Shopping ist vergleichbar mit einer Bestellung aus dem Versandhauskatalog. Vorteile des Online-Shoppings sind u.a., daß keine Beschränkung wie Ladenöffnungszeiten existieren, Standortfragen unerheblich werden, die Möglichkeit der Individualisierung der angebotenen Leistungen besteht und das Verkaufsgebiet ausgedehnt wird. So bietet z.B: ein kleiner Kaffeeladen auf Maui, Hawaii, weltweit den bekannten hawaiianischen Kaffee an, ein Angelgeschäft bietet weltweit Spezialbedarf für das Hochsee-Angeln an. Erforderlich für eine effiziente Planung eines Online-Auftrittes eines Unternehmens ist es, Kenntnis über die Mediadaten der verfügbaren Online-Netze zu haben, Kenntnisse über das Nutzungsverhalten sowie die „likes“ und „dislikes’’ der Nutzer für eine medienadäquate Ansprache bei der anvisierten Zielgruppe zu erwerben und analog zu den klassischen Medien Informationen über das Wettbewerbsumfeld zu erheben. Zudem ist es erforderlich, für seinen Online-Auftritt eine entsprechende Publikation des Auftrittes durchzuführen. Bei der Etablierung einer eigenen Online-Präsenz sind daher folgende Aspekte zu berücksichtigen: -
Medienadäquater Auftritt, Benutzerführung und entsprechende Dramaturgie, aktive Integration der Interessenten, erlebnisorientierte, unterhaltsame Informationsvermittlung, Einarbeitung von Feedback- und Dialogmöglichkeiten, Präsentation des ganzen Unternehmens, Option für Individualisierung des Angebotes und in Zukunft verstärkte Anforderung an Darstellungsqualität und Multimedialität des Auftritts (vgl. hierzu Rengelshausen, 1997, S. 141 und Becker & Bachem, 1996, S. 554 ).
4.11.3.3 Einsatzfelder im interaktiven Fernsehen (vgl. Heinemann, 1997) Das interaktive TV steckt noch in den Anfängen und Prognosen für die Nutzung dieses neuen Mediums im Rahmen der Marktkommunikation sind mit erheblichen Unsicherheiten belastet. Services, die ein solches interaktives TV-System bieten kann, sind - wenn auch derzeit teilweise fiktiv bzw noch nicht weit verbreitet u.a.: • On-Demand-Services: Damit wird der Zuschauer quasi zu seinem eigenen Programmdirektor; er kann für sich sein individuelles Programm (Spielfilme, Nachrichten, Fortbildung, etc.) zusammen stellen.
330
4. Das Kommunikations-Programm
• Home-Shopping: Darunter fallen u.a. sowohl reine Einkaufskanäle (z.B. H.O.T. = Home Order Television in Deutschland oder HSN = Home Order Television in den Vereinigten Staaten), als auch Zugriffsmöglichkeiten auf multimediale Kataloge. • Home-Services: Sind Dienstleistungen z.B. im Bereich Finanzen, Bestelldienste (Theater, Reisen) und Unterhaltung (Spiele). • Communications-Services: z.B. Bildtelefon, Viedeokonferenzen. Mögliche Werbeformen im interaktiven Fernsehen sind nach Heinemann (1997, S. 213): • Der interaktive Werbespot: Ein über die heutigen Optionen durch Nutzung eines anderen Feedbaack-Kanals hinaus gehender interaktiver Spot; hier können die Zielpersonen durch Anwahl eines Buttons z.B. weitere Informationen abrufen. • Das individualisierte Sponsoring: Im Rahmen von Video-on-demand-Nutzung könnte ein Sponsor für bestimmte Zielgruppen den Film oder das Sportereignis sponsern, so daß der Nutzer nicht mehr den vollen Betrag bezahlen müßte, sondern nur noch einen gewissen Anteil, dafür wird der Sponsor eingeblendet. • Das individualisierte Product Placement: Durch die Digitalität des Datenmaterials können zielgruppenspezifische Ausgestaltungen einzelner Sequenzen, in denen das Produkt erscheint, realisiert werden. • Interaktives Home-Shopping. • Werbekanäle: Für werbeintensive Branchen (z.B. Automobil) bietet sich potentiell die Möglichkeit sich ihren eigenen TV-Kanal aufzubauen, indem sie dort ein Programmumfeld etablieren, das für ihre Zielgruppen zugeschnitten ist.
4.11.4 Vorteile und Risiken der Neuen Medien für die Marktkommunikation Die aufgezeigten neuen Ansprachemöglichkeiten durch die Entwicklungen im medialen Bereich, die Auflösung der Trennung zwischen Individual- und Massenkommunikation bieten Unternehmen für ihre Kommunikation mit den relevanten Marktpartnern sowohl neue Chancen und Vorteile als auch Herausforderungen und damit potentiell Risiken und Nachteile.
4.11 Marktkommunikation und Neue Medien
331
4.11.4.1 Vorteile und Chancen Die Neuen Medien zeichnen sich durch ihre Innovativität, durch eine gewisse Faszination aus und viele Unternehmen, die diese Medien einsetzen, erwarten dadurch auch Imagevorteile. Diese Faszination und imagefördernde Wirkung dürfte mit zunehmender Verbreitung dieser Medien jedoch nachlassen. Die angebotenen Informationen werden oft intensiver genutzt, da die Zielpersonen diese Informationen nicht wie bei der klassischen Werbung nebenbei als nichtgewolltes Additiv mitbekommen, sondern selbst aktiv danach suchen. Die neuen Medien ermöglichen eine Zwei-Wege-Kommunikation. Die Unternehmen und die Nutzer können Informationen austauschen und damit in einen direkten Dialog eintreten. Durch die multimediale, interaktive Aufbereitung der Informationen werden höhere Lernleistungen und damit eine höhere Wirkung erwartet. Der Nutzer selektiert die von ihm individuell gewünschten Informationen. Online-Medien bieten die Möglichkeit, Angebote auf einzelne Nutzergruppen und im Idealfall sogar auf einzelne Nutzer zuzuschneiden. Durch eine entsprechende Architektur kann die Anwendung eine Vielzahl von Möglichkeiten und Wegen bieten, so daß sich praktisch jeder Nutzer seinen individuellen Weg durch das Angebot bahnt. Aus diesem Grund gewinnen zunehmend individuelle Bedarfsprofile zunehmend an Bedeutung. Diese Individualisierung ist vor allem dadurch möglich, daß es Online praktisch keine Kapazitätsgrenzen für die angebotenen Informationen gibt, auch im Offline-Bereich kann auf CD-ROM oder Festplatte eine Vielzahl von Informationen angeboten werden. Zeitliche Restriktionen für die Geschäftstätigkeit entfallen (z.B. Ladenschlußgesetz). Online sind permanente Aktualisierungen der angebotenen Informationen möglich, d.h. es ist nicht nur eine permanente Marktinformation möglich, sondern auch eine aktuelle. Online-Medien und speziell das Internet lassen Grenzen zwischen den Ländern verschwinden. Damit ermöglicht diese Form der Marktkommunikation, die von vielen Unternehmen intendierte Internationalisierung ihrer Geschäftstätigkeit. Dabei können die Unternehmen sowohl global interessierende Informationen anbieten aber auch den Bedürfnissen nach länderspezifischer Differenzierung nachkommen, indem sie länderspezifische Seiten mit entsprechenden Informationen anbieten (vgl. Altobelli & Hoffmann, o.J. S. 31). Die Internationalität ergibt sich vor allem durch die gewählte Sprache und die Plazierung von entsprechenden Hinweisen in anderen Internetangeboten und Suchdiensten (vgl. Wißmeier, 1997, S. 204). Die Flexibilität der neuen Medien ist ein weiterer Vorteil. Durch eine flexibel angelegte Planung der Anwendung können die Angebote in kurzer Zeit erweitert und aktualisiert werden. Durch eine entsprechende Architektur können ganze Blö-
332
4. Das Kommunikations-Programm
cke einfach ausgetauscht oder addiert werden. Zudem lassen sich durch einen modularen Aufbau einzelne Anforderungen gezielt modifizieren. Für kleinere und mittlere Unternehmen bietet insbesondere das Internet Chancen, sich international zu präsentieren und das zu relativ niedrigen Kosten. Optimierungsprozesse führen aufgrund der relativ einfachen und schnellen Möglichkeit der Programmierung nicht zu einem erheblichen Mehraufwand. Individualität/ Interaktivität Multimedialität
Dialogfähigkeit
Aktualität
Erhöhte Effizienz der Marktkommunikation Erhöhte Effizienz der Marktkommunikation
Kapazität
Internationalität
Flexibilität Kosten
Abbildung 4-39: Wesentliche potentielle Vorteile der Neuen Medien Ein weiterer potentieller Vorteil ist die direkte Kontrollmöglichkeit der Nutzung. Die neuen medialen Systeme ermöglichen es, jeden Kontakt mit den angebotenen Botschaften zu erfassen und auszuwerten. Damit ist im Vergleich zu den bisherigen Erhebungsmethoden, in deren Mittelpunkt die Wahrscheinlichkeit des Kontaktes mit dem Werbeträger stand, eine Ermittlung des faktischen Kontaktes mit dem Werbemittel möglich. Jedoch bestehen aktuell noch keine einheitlichen Definitionen über die entsprechenden Standards zur Ermittlung von Reichweiten speziell im Internet. Folgende Modellvarianten sind u.a. in der Diskussion: • Visits: Sind eine Maßeinheit für die Anzahl der Hosts, die während einer bestimmten Zeit mindestens eine Seite aus dem Angebot der gemessenen Website aufgerufen haben; diese Kennzahl kann noch durch die Ermittlung der Verweildauer (Visit Length) ergänzt werden; • Page-views: Sie geben die Anzahl von Sichtkontakten an, die beliebige Nutzer mit einer Seite einschließlich der sich darauf befindlichen Grafiken hatten;
4.11 Marktkommunikation und Neue Medien
333
• Ad-Clicks: Sie geben die Anzahl von Nutzern an, die sich über ein geschaltetes Werbebanner zu der damit verknüpften Website geklickt haben. Als einen Unterfall dieser Meßgröße können die Ad Impressions (Werbekontakte) gesehen werden. Hierbei handelt es sich um die Anzahl der abgerufenen werbetragenden Objekte (z.B. Werbebanner, Buttons). Sie nennt die Zahl auf dem Bildschirm sichtbarer Werbebanner etc. auch bei nicht vollständig geladener Seite; • User (Nutzer): Anzahl der Personen, die sich ein Angebot angesehen haben. Die Personen müssen anhand bestimmter Kennzeichen eindeutig als individuelle Nutzer identifizierbar sein ( z.B. durch E-Mail-Adresse); • Demographisch identifizierter Nutzer (Identified User): Hierbei handelt es sich um einen Nutzer, der durch demographische Zusatzinformationen charakterisiert ist (Anmeldung, Registrierung) (vgl. hierzu Resch, 1996, S. 144, Leest, 1996, S. 24, Rengelshausen, 1997, S. 137 ff.). Diese Definitionen enthalten jedoch noch einige Unschärfen. Bei der Maßzahl der „Visits“ können dann z.B. Probleme auftreten, wenn die Besucher über einen kommerziellen Online-Dienst kommen, denn die Statistik wird dann nicht einen spezifischen Nutzer aufweisen, sondern nur einen Nutzer des kommerziellen Online-Dienstes. Man kann dann nicht mehr unterscheiden, ob es ein neuer Nutzer ist oder es sich um denselben Besucher handelt, der zurückkehrt. Eine weitere Ungenauigkeit ergibt sich auch bei den „Page-Views“, wenn der aufrufende Host Proxy45 eines Unternehmensnetzwerkes ist. Der Proxy lagert die Seite in seinem Cache zwischen. Von hier aus können beliebig viele Nutzer die Seite abrufen, ohne daß diese Abrufe als „Page-View“ gemessen werden (vgl. Resch, 1996, S. 145).
4.11.4.2 Potentielle Risiken und Herausforderungen durch die Neuen Medien Aus den genannten Vorteilen können aber auch Risiken und Probleme entstehen. Die Neuen Medien verlangen von den Unternehmen eine andere Form und ein anderes Verständnis ihrer Marktkommunikation. Sie müssen sich den Anforderungen dieser neuen Kommunikationsformen stellen. Konkret bedeutet dies z.B. daß der Vorteil der Aktualität der neuen Medien, die auch von den Nutzern erwartet wird, sich leicht in in einen Nachteil umschlagen kann, wenn die Aktualität nicht realisiert und gepflegt wird. Im Internet lassen sich viele Beispiele finden, in denen nach der ersten Installation einer Anwendung 45
Ein „Proxy“ ist quasi ein Stellvertreter-Rechner. Er wird beispielsweise in Unternehmensnetzen eingesetzt, die mit dem Internet verbunden sind. Er ist an der Nahtstelle der Verbindung plaziert und kann u.a. neben einer Schutzfunktion auch als Cache-Speicher für Internet-Ressourcen genutzt werden.
334
4. Das Kommunikations-Programm
diese nicht mehr permanent aktualisiert worden ist. Dies wird dann besonders deutlich, wenn im Angebot z.B. Stichworte wie Aktuelles oder Termine auftauchen. Ähnlich Anforderungen resultieren auch aus der Dialogfähigkeit der neuen Medien. Online-Nutzer erwarten eine schnelle Beantwortung ihrer Anfragen und Abwicklung der Online-Kommunikation. Wenn erst nach Wochen eine Reaktion von Seiten des Unternehmens erfolgt, dann führt dies oft zu negativen Reaktionen bei den Nutzern. Daraus resultiert für ein Unternehmen, das diese neuen Medien einsetzt, die Notwendigkeit entsprechende Lösungen für diese Herausforderungen in ihre Kommunikationsarbeit einzuplanen. Dies kann u.a. sowohl durch den Einsatz von zusätzlichen Mitarbeitern mit speziellen Funktionen realisiert werden (z.B. Online-Texter/Redakteure, Webmaster) als auch durch die Etablierung entsprechender organisatorischer Strukturen, insbesondere durch eine Verknüpfung des Online-Auftritts mit den entsprechenden elektronischen internen Informationsund Kommunikationsstrukturen. Hier bietet sich eine Verknüpfung zwischen Internet und einem internen Netz z.B. Intranet an. Intranet ist ein firmeninternes Internet, d.h. hier werden Kommunikationsstandards und Dienste des Internets in lokalen Netzwerken verwendet. Wesentlich bei einer solchen Verknüpfung zwischen Internet und Intranet ist der Schutz der internen Netze durch sogenannte Firewalls. Auch der Vorteil der Multimedialität kann sich besonders im Online-Bereich als nachteilig herausstellen, wenn man nicht die entsprechenden technischen Rahmenbedingungen berücksichtigt. Eine erfolgreiche multimediale Anwendung setzt in vielen Fällen entsprechende technische Voraussetzungen voraus sowohl was die Netzübertragungskapazitäten als auch die Hardware- und Softwarekonstellation bei den Nutzern betrifft. Derzeit sind hier vor allem bei den Übertragungskapazitäten der Netze noch erhebliche Defizite zu konstatieren. So verwenden viele Nutzer bei ihrem Zugang zum Netz noch immer eine analoge Wählleitung und ein Modem mit einer Übertragungsrate von 14.400 oder 28.800 Bit/s. Mittels Nutzung einer ISDN-Leitung erhöht sich die Übertragungsleistung auf 64 Kbit/s. Real reduziert sich diese Übertragungsleistung aber oft noch erheblich. Diese geringen Werte führen für den Nutzer oft zu langen Wartezeiten bei der Ladung von audiovisuellen Darstellungen. D.h. konkret kann derzeit nur von einer eingeschränkten Multimedialität im Online-Bereich gesprochen werden. Aber auch im OfflineBereich sind technische Restriktionen zu beachten. Man muß bei der Planung einer CD-ROM von der bei den Nutzern vorhandenen technischen Konstellation (Systemvoraussetzungen) ausgehen (z.B. vorhandene Hauptspeicher, Grafikkarte, Soundkarte, etc.). Beachtet man diese Rahmenbedingungen nicht, so führt dies zu langen Wartezeiten oder der Unmöglichkeit des Einsatzes bei den Nutzern und damit verbunden zu negativen Reaktionen und möglicherweise Reaktanz. Für viele Nutzer stellt sich zudem das Problem, sich in dem großen Informationsangebot speziell des Internet zurechtzufinden. Hierzu müssen einerseits durch das Unternehmen entsprechende flankierende Aktivitäten unternommen werden,
4.11 Marktkommunikation und Neue Medien
335
um den potentiellen Nutzern die Suche zu erleichtern (vgl. hierzu Abschnitt 4.11.3), andererseits müssen adäquate Recherchetools (Search engines) entwickelt bzw. weiter entwickelt werden. Die medienadäquate Umsetzung ist eine weitere Herausforderung für die Unternehmen. Oft zeichnen sich die Anwendungen und Angebote dadurch aus, daß zwar für die technische Seite Kompetenz vorhanden ist, jedoch bei der kommunikativen Gestaltung des Auftritts sich erhebliche Mängel und Defizite zeigen. Oft finden sich in den neuen Medien Versatzstücke, die ursprünglich für andere Medien hergestellt worden sind und nicht oder kaum adaptiert worden sind. Die Berücksichtigung semiotischer Aspekte eröffnet hier neue Horizonte. Als Lehre von den Zeichen thematisiert sie jede Form von Zeichengebrauch (Bürker, 1996, S. 39). Für Resch (1996, S. 151 ff.) sind sechs Komponenten ausschlaggebend für einen erfolgreichen Auftritt: • Content Design: Gesamtkomposition von Informationen einer Seite inklusive Text, Bilder, Audio, Video, etc., • Visuelles Design: Grafische Gestaltung und Ergonomie unter besonderer Berücksichtigung der Interaktivität. Wichtige Gestaltungsregeln sind: Lesbarkeit, Kontrast, Umfang der Seiten, Bezug zur Corporate Identity und Markenpolitik, • Interaktionsdesign: Einbezug des Nutzers, Schaffung von Erlebniswelten und Erlebnispotentialen, • Informationsdesign: Architektur des Auftritts, Organisation der angebotenen Informationen, • Performance Design: Berücksichtigung der Ladezeiten (z.B. Komprimierung von Graphiken), • Kompatibilitätsdesign: Nutzung eines plattformunabhängigen WWW-Designs. Weitere Problembereiche, an deren Lösung aber bereits gearbeitet wird, sind derzeit noch die mangelnde Stabilität (Verbindungen, angeschlossene Rechner), Sicherheitslücken (Authentizität, Einbruch, Computerviren), fehlende Unterstützung für die Verkaufsabrechnung und Rechtsprobleme (z.B. Konsumentenschutz, Rechtsgültigkeit elektronischer Unterschriften, strafrechtliche Verantwortlichkeit für Kommunikationsinhalte, Copyrightschutz, Datenschutz, etc.), insbesondere auch im grenzüberschreitenden Datenverkehr (vgl. hierzu Goebel, 1997, Kreile & Schmitz, 1997, Hansen, 1995). Einen besonderen Aspekt des Internet-Marketing bedeutet die sog. Spam-Problematik im Mail-Bereich. Im Jahre 2004 ist das Direct-Marketing via Mailing praktisch zum Erliegen gekommen. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.
336
4.11.5
4. Das Kommunikations-Programm
Implikationen und Zukunftsperspektiven für die Marktkommunikation
Die neuen Medien sind als Instrumente der Marktkommunikation erst in einem Anfangsstadium. Wesentliche Entwicklungsschritte sind in den nächsten Jahren zu erwarten. Abhängig ist das Einsatzpotential dieser neuen Medien im Marketing, vor allem von der Akzeptanz und dem zukünftigen Medienverhalten der Konsumenten, d.h. konkret auch von deren Reichweitenentwicklung. Die Dynamik dieser Entwicklung ist u.a. davon abhängig, wie sich die Infrastruktur zur Volletablierung modernster Kommunikationstechnologie und die existierenden Akzeptanzbarrieren bei breiten Schichten potentieller Anbieter entwickeln (vgl. Merbold, 1996, S. 191). Ob sich die Konsumenten aufgrund des bereits vorherrschenden Informationsüberangebotes noch weiteren - wenn auch interessanten und effizienten Informationsquellen zuwenden, kann heute noch nicht beantwortet werden. Genauso wenig wie die Frage, wie groß das Interesse und der Wunsch nach „Aktivität bzw. Interaktivität“ von seiten der Rezipienten ist. Die neuen Medien - vor allem das Internet - erfordern ein Umdenken im Kommunikationsprozeß, denn nicht mehr der Sender bestimmt, was beim Empfänger ankommt, sondern der Empfänger wird zu einem aktiven Kommunikator und sucht sich die Inhalte, an denen er interessiert ist. Als Konsequenz dieser Entwicklung verlangen die neuen Medien nach einer neuen Form der inhaltlichen Aufbereitung (vgl. Armbrecht & Kohnke, 1997, S. 38). Grundsätzlich jedoch bereichern und erweitern die neuen Medien das bestehende Medienangebot. In absehbarer Zeit werden sie jedoch kaum dazu in der Lage sein, die klassischen Medien vom Markt zu verdrängen. Einige Anzeichen sprechen dafür, daß diese neuen Angebote zunächst für viele Unternehmen nur flankierenden Charakter in der Marktkommunikation haben werden. Jedoch nutzen bereits 1996 nach der Studie Werbeklima (Gfk-Wirtschaftswoche II/1996) circa 60% der Unternehmen Off- und Online-Medien für ihre Marktkommunikation. Für bestimmte Branchen und Unternehmen (z.B. Hard- und Software-Industrie, Banken, Versicherungen) bieten diese neuen Möglichkeiten bereits heute schon sehr interessante und erfolgversprechende Einsatzpotentiale. Langfristig werden diese neuen Kommunikationsmedien jedoch deutlich an Gewicht gewinnen. Deshalb ist es für Unternehmen erforderlich, sich frühzeitig mit diesem Potential der multimedialen Kommunikationstechnologien auseinanderzusetzen, Know How und Kompetenzen zu erwerben und systematisch die Chancen und Risiken abzuwägen. Für rein national operierende Unternehmen kann es zudem den Einstieg in ein internationales Marketing eröffnen und für bereits international agierende Unternehmen bietet sich die Chance einer internationalen Markterweiterung (vgl. Wißmeier, 1997, S. 209).
5. Budgetierung 5.1 Überblick Budgetierungsfragen und -entscheidungen gehören zu den Schlüsselproblemen der Marketingpraxis und -theorie. Dabei handelt es sich in vielen Fällen um die Entscheidung über beträchtliche Investitionen.1 Es existiert allerdings eine große Bandbreite in den Relationen „Werbung zu Umsatz“ je nach Branche. Prozentual reicht dies von weniger als 1% (z.B. bei Investitionsgüterunternehmen) bis zu über 25% (z.B. bei Hygiene- und Kosmetikprodukten (vgl. Simon & Möhrle, 1993, S. 303), aber auch innerhalb einzelner Branchen sind beträchtliche Unterschiede zu konstatieren. Die Budgetierung ist hinsichtlich der Instrumente im Rahmen der Marktkommunikation am ausführlichsten für den Bereich der Werbung diskutiert, allerdings ohne daß deswegen eine in der Praxis allgemein akzeptierte Grundlage für die Werbepraxis in Sicht ist. Das Kommunikationsbudget umfaßt alle finanziellen Mittel, die für die Marktkommunikation zur Verfügung gestellt werden bzw. notwendig sind. Im Normalfall umfaßt der zeitliche Planungsrahmen ein Jahr. Abbildung 5-1 gibt einen Überblick über die Kostenarten und die zu berücksichtigenden Kosten des Kommunikationsbudgets. Die Budgetierung muß auch die Zuteilung auf die einzelnen Instrumente der Marktkommunikation umfassen, d.h. auch die Entscheidung darüber, welche Anteile in die klassische Werbung fließen, wieviel Prozent des Budgets für Belowthe-Line- und Public Relations-Aktivitäten eingesetzt werden, und wie die Zuteilung auf die einzelnen Kommunikationsobjekte festgelegt wird.2 Ein weiterer Aspekt umfaßt die Verteilung nach räumlichen und zeitlichen Kriterien, d.h. sowohl in zeitlicher und räumlicher Hinsicht ist abzuwägen, welche Schwerpunkte gesetzt werden sollen, ob eine möglichst gleichmäßige Verteilung nach diesen Kriterien anzustreben ist oder die Mittel fokussiert eingesetzt werden sollen. In räumlicher Hinsicht empfiehlt sich die Verteilung beispielsweise nach dem Kriterium der gewichteten Absatzgebiete (Segmentsrangordnung). Insbesondere bei internationalen Unternehmen stellt die Allokation des Budgets nach Ländermärkten oder -regionen eine wichtige Entscheidung dar. Bei der zeitlichen Verteilung geht es um die Frage, wie der Kommunikationsdruck über die gesamte 1
2
Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) gibt für 2004 Werbeinvestitionen in Höhe von 28,91 Mrd. Euro an (ZAW, 2004, S. 10). Das entspricht 1,36 % des Bruttoinlandsproduktes. Die Werbeetats der größten werbetreibenden Unternehmen liegt in Deutschland deutlich über 100 Millionen. Partiell fließen bereits über 50% und mehr des gesamten Budgets in den nichtklassischen Kommunikationsbereich.
338
5. Budgetierung
Planperiode verteilt werden soll.3 Diese Verteilungsentscheidungen müssen in Abhängigkeit von den gesetzten Kommunikationszielen getroffen werden, hängen jedoch auch von der Etathöhe ab. Bei kleinen Etats könnte an eine Konzentration auf bestimmte Zeiträume gedacht werden, bei großen Etats eher eine Gleichverteilung über den gesamten Planungszeitraum realisiert werden. Die Budgetplanung ist mit anderen wesentlichen konzeptionellen Elementen der Marktkommunikation durch vielschichtige interdependente Beziehungen verknüpft. So wird oftmals bspw. das Kommunikationsbudget nicht nur durch die Kommunikationsziele und Zielgruppen bestimmt, sondern umgekehrt wird auch eine realistische Zielsetzung durch budgetäre Restriktionen eingeschränkt.
Kosten für die Produktion der Kommunikationsmittel (Kosten für Broschüren, Displays, Produktionskosten für Spots und Anzeigen, etc.) Kosten für die Schaltung (Aktionen, Events, Pressekonferenzen, etc.)
B U D
Kosten für die Kreation/Gestaltung
G E
Kosten der Kommunikationsabteilungen (Personalkosten, Raumkosten, etc.)
T
Kosten für Forschung/Beratung/ Erfolgskontrolle
Abbildung 5-1: Überblick über die wesentlichen Kostenfaktoren des Kommunikationsbudgets 3
Geht es z.B. darum, eine Sonderaktion in kurzer Zeit einer möglichst großen Anzahl von Personen bekanntzumachen, so ist ein starker Impuls vorteilhaft; geht es jedoch darum, längerfristig ein Image oder einen Markennamen aufzubauen, so sind kontinuierliche Aktivitäten notwendig.
5.1 Überblick
339
Eine Reihe von Faktoren beeinflußt die Budgethöhe. Grundsätzlich sollte sich die Höhe des notwendigen Kommunikationsbudgets an den Kommunikationszielen orientieren, dabei ist anzustreben, daß diese Ziele mit möglichst geringen Mitteln erreicht werden. Ergänzend sind folgende Faktoren für die Budgethöhe relevant: • Werbeobjekte: In welcher Phase des Lebenszyklus befinden sie sich, wie groß ist der Marktanteil, welche Produktqualität zeichnet das Angebot aus (Differenzierungspotential - Me-Too-Produkt)? In frühen Phasen des Marktlebenszyklus ist ein tendenziell größeres Budget erforderlich. • Zielgruppen: Wer soll/muß angesprochen werden, quantitative (Marktgröße) und qualitative Merkmale (z.B. Involvement der Zielpersonen) sind zu berücksichtigen, was soll bei den Zielpersonen erreicht werden (z.B. Veränderung, Stabilisierung oder Intensivierung des Verbraucherverhaltens)? Je größer die Zielgruppe, je geringer das Involvement, je mehr Verhaltensänderungen angestrebt werden, je größer ist das erforderliche Budget. • Werbemittel und Werbeträger: Welche Werbemittel (z.B. TV-Spot, Anzeige in Publikumszeitschrift) und welche Gestaltung (z.B. Größe, Farbigkeit) in welchen Werbeträgern sind zur Zielerreichung erforderlich? Je weniger intensiv die durch Werbeträger und Gestaltung zu erwartende Hinwendung von Werbung ist, je größer ist das erforderliche Budget.. • Konkurrenzaktivitäten: Wie stark ist der kommunikative Konkurrenzdruck (z.B. Share of Advertising, Share of Voice und Share of Mind (vgl. 2.2.2).4 • Marktstellung: Welchen Marktanteil hat das Unternehmen? Eine Studie von Farris und Buzzell (1979) hat tendenziell gezeigt, daß ein hoher Marktanteil sich reduzierend auf das Budget auswirkt. Für die Lösung des Budgetproblems ist in Theorie und Praxis eine Vielzahl von Verfahren und Modellen entwickelt worden.5 Allerdings entsprechen weder die Budgetierungsmethoden der Praxis (Orientierungs- und Richtlinienmethoden) noch die entwickelten theoretischen Modelle (mathematisch-theoretische Verfahren) allen Anforderungen an eine optimale Budgetierung. Die Hauptproblematik einer nach ökonomischen Kriterien orientierten Budgetierung liegt darin, den genauen Zusammenhang zwischen Höhe der Werbeausgaben und ihren jeweiligen Wirkungen auf den Umsatz zu bestimmen, d.h. genaue Werbewirkungsverläufe festzustellen. Dies liegt einerseits daran, daß kommunikative 4
5
Birkigt (1983, S. 131 ff.) nennt speziell für die Verkaufsförderung folgende beeinflussende Faktoren: Unternehmensgröße und Absatzreichweite, Art der Erzeugnisse der Unternehmung, Abnehmer der Unternehmung, die Konkurrenzsituation. Ein Überblick über Modell-gestützte Verfahren findet sich bei Kall (1996, S. 35 ff.).
340
5. Budgetierung
Maßnahmen oft erst mit einer zeitlichen Verzögerung auftreten (Time-Lag)6, Transferwirkungen bei Markenfamilien auftreten können (Spill-Over-Effekte), andererseits beruht der Umsatz eines Unternehmens auf dem kombinierten Einsatz aller Instrumente des Marketing-Mix, d.h. eine genaue Zurechnung, welcher Umsatzanteil durch die Marktkommunikation erreicht worden ist, ist in vielen Fällen nicht möglich. Zudem ist die Wirkung kommunikativer Maßnahmen nicht nur abhängig von ihrer quantitativen Komponente (z.B. Schaltvolumen und damit verbunden Reichweite und Kontakthäufigkeit), die sicherlich eine entscheidende Größe darstellt (vgl. hierzu Unger & Dögl, 1995, S. 141), sondern auch von ihrer qualitativen Gestaltung (z.B. kreative Idee und Exekution). In der Kommunikationspraxis wird das Budgetierungsproblem bisher überwiegend durch den Einsatz heuristischer Verfahren (Orientierungs- und Richtlinienmethoden) gelöst. Ältere Studien aus mehreren Ländern (vgl. Zentes, 1982) belegen, daß kaum mathematisch-theoretische Modelle zur Budgetbestimmung benutzt werden, am häufigsten findet eine Orientierung am Umsatz statt.7 Tabelle 5-1: Entscheidungsgrundlagen der Etatbestimmung (Rogge, 2004, S. 172, Basis: 50 Befragungen). Entscheidungsgrundlage %-Satz vom geplanten Umsatz %-Satz vom vergangenen Umsatz %-Satz vom geplanten Gewinn Werbezielabhängigkeit Sonstige Keine besonderen Verfahren/Intuition Kein Etat
%-Satz der Nennungen 10 38 2 8 2 24 16
In der Literatur werden diese Methoden zur Budgetfestlegung behandelt. Ausgangspunkt zur Budgetbestimmung können danach sein: Prozentsätze vom Umsatz, die finanziellen Möglichkeiten, Orientierung an Wettbewerbsbudgets oder auch Orientierung an Vergangenheitsdaten (vgl. bspw. Huth & Pflaum, 1991, S. 88-91; Krugman, Ried, Dunn & Barban, 1994, S. 259-271; Rothschild, 1987 a, S. 604-613; Schweiger & Schrattenecker, 2001, S. 159 und 162). Diese Methoden fehlt allen das entscheidende Element fehlt, nämlich die Orientierung an Marketingzielen. 6
7
Dies kann auch zu sogenannten Delay-Effekten (Beharrungsefekten) führen, d.h. die Nachwirkung einer vorangegangenen Kampagne führt zu einer Überschätzung der Effizienz der laufenden Maßnahmen. Kall (1996, S. 46) zitiert eine Studie von Nowak, Cameron & Krugmann von 1993, welche die Budgetierungsmethoden von lokalen Handelsunternehmen aufzeigt. Auch hier zeigt sich eine klare Dominanz umsatzorientierter Budgetierungsmethoden.
5.2 In der Praxis verbreitete Verfahren
341
5.2 In der Praxis verbreitete Verfahren 5.2.1 Prozent-vom-Umsatz-Methode Bei dieser weitverbreiteten Methode wird das Kommunikationsbudget als bestimmter Prozentsatz vom Umsatz geplant. Dabei besagt diese Methode nicht präzise, auf welchen Umsatz man sich beziehen soll. Soll man sich an Vergangenheitswerten orientieren, am prognostizierten Umsatz oder an einem Durchschnittswert aus mehreren Jahren. Überwiegend findet in der Praxis eine Orientierung an den geplanten Umsätzen statt. Häufig orientieren sich Unternehmen an branchenüblichen Prozentsätzen. Damit bietet diese Verfahren den Vorteil, unter der Prämisse, daß alle Wettbewerber ihre Budgets nach dieser Methode festlegen, daß es zu einer gewissen Marktstabilisierung kommt. Der Vorteil dieses Verfahrens ist seine einfache Handhabung. Diesem Vorteil steht allerdings eine Vielzahl von Nachteilen und Kritikpunkten gegenüber: • Sachlogisch führt ein solches Verfahren zu einer Umkehrung des UrsacheWirkungszusammenhangs. Umsatz (U) kann verstanden werden als eine Funktion des gesamten Marketing-Mix, d.h. auch der Kommunikation. U = f (Kommunikation, Preis, Produkt, etc.). Nach diesem Verfahren aber wird das Kommunikationsbudget als Funktion des Umsatzes gesehen: K = f (U) (K = Kommunikationsbudget) Damit wird der sachlogische Ursache-Wirkungszusammenhang auf den Kopf gestellt. • Die „Prozent-vom-Umsatz-Methode“ führt zudem zu einer Verstärkung von Umsatzzyklen; sie ist prozyklisch. Das bedeutet z.B., daß bei erwarteten oder in der Vergangenheit eingetretenen Umsatzrückgängen diese durch Kürzungen der Kommunikationsbudgets intensiviert werden, unabhängig davon, ob die betreffenden Produktbereiche langfristig als zukunftsträchtige Wachstumsbereiche anzusehen wären. • Dieses Vorgehen berücksichtigt nicht die spezifische Unternehmenssituation (z.B. Produkteinführung, etc.), die verstärkte oder aber auch verminderte kommunikativen Anstrengungen erfordern würde. • Schließlich wird durch diese Methode das unternehmensinterne Verteilungsproblem der Werbung nicht gelöst. Bei strenger Anwendung müßten Angebotsbereiche mit hohem Umsatzniveau die höchsten Werbebudgets zugewiesen
342
5. Budgetierung
bekommen. Bereiche mit geringem Niveau erhalten entsprechend geringe Budgets. Das würde bedeuten, daß neue Produktbereiche praktisch keine Wachstumschancen erhalten. So verbleibt die Ermittlung des Gesamtbudgets anhand des Gesamtumsatzes einer Unternehmung. Damit ist jedoch noch nichts ausgesagt über die Allokation auf einzelne Produkte (mit Ausnahme bei EinProdukt-Unternehmung). Neben dem Umsatz als Bezugsgröße für die Bestimmung des Kommunikationsbudgets findet sich auch das Verfahren, das sich auf den Gewinn als Größe bezieht. Hier gelten im wesentlichen die gleichen Vor- und Nachteile wie bei der Umsatzorientierung (vgl. auch Vergossen, 2004, S. 66 -68).
5.2.2 Methode der Kommunikationskosten je Verkaufseinheit Diese Methode ist dem oben ausgeführten Verfahren sehr ähnlich. Bei diesem Verfahren orientiert sich das Kommunikationsbudget an der Absatzmenge derart, daß je verkaufter Einheit ein bestimmter Betrag für das Kommunikationsbudget als angemessen angesehen wird. Auch hier stellt sich zuerst die Frage nach der festzulegenden Höhe des Betrages pro Verkaufseinheit, ähnlich wie nach der Höhe des Prozentwertes bei der erstgenannten Methode. Auch hier gibt es keine allgemeinen Richtlinien. Zudem stellt sich die Frage nach der Absatzmenge als weitere Referenzgröße; es kann sich auch hier um Vergangenheitswerte oder geplante Zukunftswerte handeln. Damit ist die Problematik dieses Verfahrens vergleichbar mit der vorangestellten Methode. Jedoch ist bei einem solchen Vorgehen die Allokation auf die einzelnen Produkte ansatzweise gegebenen, und auch für neue Produkte läßt sich zumindest ein Etatansatz errechnen. Das gilt aber nur unter der Voraussetzung, daß in verschiedenen Absatzbereichen, Strategischen Geschäftseinheiten, usw. mit differenzierten Beträgen per Einheit gearbeitet wird.
5.2.3 Fortschreibungsmethode In der einfachsten Variante dieser Methode werden die Budgets aus dem Vorjahr jeweils unverändert übernommen. Dieser Entscheidung liegt die Vorstellung zugrunde, die Kommunikationsausgaben der Vorperiode(n) seien sinnvoll ausgegeben und eingesetzt worden. Dynamisiert kann dieses Modell durch die Einführung von Steigerungsraten werden, um Marktentwicklungen zu entsprechen. Beide Varianten sind nur dann richtig, wenn das Vorjahresbudget bereits zielorientiert ermittelt worden ist. Ansonsten besteht die Gefahr, einerseits daß z.B. überflüssige Kosten einfach fortgeschrieben werden und andererseits, daß z.B. für die Einführung neuer Produkte kein ausreichendes Budget vorhanden ist. Ein solches Verfahren wird damit nicht den spezifischen situativen Unternehmensanforderungen gerecht. Durch systematische Prüfung der vorangehenden Etats können jedoch Anhaltspunkte gewonnen werden, ob mit entsprechenden Etats auch die entspre-
5.2 In der Praxis verbreitete Verfahren
343
chenden Zielniveaus erreicht worden sind. Damit bietet diese Analyse Einstiegsmöglichkeiten in anspruchsvollere Verfahren. Problematisch wird das Verfahren dann, wenn es dazu führt, am Ende eines Berechnungsjahres auf jeden Fall alle Budgets zu verausgaben, weil dadurch die Budgetzuweisung für das laufende Jahr beeinflußt wird.
5.2.4 Methode der finanziellen Tragbarkeit Ausgangspunkt dieses Verfahrens bildet die finanzielle Situation des Unternehmens. Man geht davon aus, was man glaubt „sich leisten zu können“. Die Methode weist einen auf den ersten Blick einen einleuchtenden Aspekt auf: Die Unternehmung vermeidet es, sich in finanzielle Schwierigkeiten zu bringen, indem sie zuviel in die Marktkommunikation investiert. Gleichzeitig wird vermieden, möglicherweise durch ein zu geringes Budget Schaden zu nehmen. Mit diesem Vorgehen wird das Budgetproblem nicht gelöst. Das Verfahren beinhaltet ein starkes Moment der Subjektivität, denn was bedeutet „sich leisten zu können“. Ähnlich angelegt ist auch die Restwertmethode. Hierbei wird das Budget als Summe der finanziellen Mittel definiert, die nach Abzug aller sonstigen Aufwendungen verbleibt. Dadurch wird die Relation Marktkommunikation und Absatz gänzlich vernachlässigt und das Kommunikationsbudget als eine Restgröße betrachtet (Simon & Möhrle, 1993, S. 305). Bei den unbestreitbaren Schwächen dieser Methode stellt sich die Frage, aus welchen Gründen sie so verbreitetet ist. Der Grund liegt offensichtlich in der Einfachheit der Anwendung, vielleicht noch eher in der kommunikativen Inkompetenz vieler Entscheidungsträger/innen im Marketing. Wenn bestimmte Ziele ein Budget erfordern, das man sich „nicht leisten kann“, dann muß entweder die Strategie angepaßt werden oder es besteht als Marketingaufgabe die Aufgabe der Beschaffung finanzieller Mittel in ausreichender Höhe.
5.2.5 Wettbewerbs-Paritäts-Methode Bei diesem Verfahren orientiert man sich bei der Bestimmung des Budgets an den erfahrungsüblichen Aufwendungen des Wettbewerbs. Den Bezugspunkt bilden also die durchschnittlichen Werte aus der Vergangenheit. Häufig werden zum Vergleich die „Share of Advertising“-, „Share of Voice“- und „Share of Mind“Methoden herangezogen (vgl. hierzu Abschnitt 2.2.2). Ein solches Vorgehen basiert auf der Unterstellung, daß die Marktsituation und die Marketingbedingungen für alle Unternehmen der entsprechenden Branche gleich sind. Kritisch bei einem solchen Verfahren sind dabei die folgenden Punkte: • Für das Werbebudget sind die Daten über die Aufwendungen der Konkurrenz relativ einfach zu ermitteln; es gibt Informationsdienste, welche die Medien ständig diesbezüglich analysieren und die Daten verkaufen. Wesentlich schwie-
344
5. Budgetierung
riger und ungenauer sind die Budgets der anderen Kommunikationsinstrumente (Verkaufsförderung, Sponsoring, Public Relations, etc.) zu recherchieren. • Inwieweit ist das kommunikative Konkurrenzverhalten vorhersehbar? • Das Eingehen auf die unternehmensspezifische Situation (z.B. Produkteinführung, Eintritt in einen neuen Markt) und die eigenen Kommunikationsziele wird nicht ausreichend berücksichtigt. • Qualitative Aspekte der Kommunikationsarbeit der Konkurrenz fließen nicht mit ein. Trotz dieser Kritikpunkte sind diese Daten nicht völlig irrelevant für die Budgetplanung. Die Aktivitäten der Wettbewerber werden die eigenen Entscheidungen beeinflussen, jedoch sinnvollerweise nicht ausschließlich.
5.2.6 Marktanteils-Methode Dieses Verfahren weist eine gewisse Zielorientierung auf. Die einfachste Anwendung dieser Methode besagt, daß die Kommunikationsanteile des Unternehmens in Relation zu den gesamten Kommunikationsaufwendungen der Branche seinen Marktanteilen entsprechen müssen, wenn das Ziel ist, die Marktanteile zu halten. Sollen dagegen die Marktanteile erhöht werden, müssen entsprechend auch die Kommunikationsanteile um den angestrebten Prozentsatz erhöht werden. Ein solches Vorgehen impliziert die Annahme einer linearen Kommunikationswirkung, einer Prämisse von der jedoch keineswegs ausgegangen werden kann. Bei neuen Produkten wird z.B. davon ausgegangen, daß in den ersten Jahren der Anteil doppelt so hoch sein muß, wie der angestrebte Marktanteil (vgl. Rothschild, 1987a und 1987b und Peckham, 1969). Soll ein bestehender Marktanteil um x Prozentpunkte erhöht werden, so ist eine stärkere Erhöhung der Budgets erforderlich.
5.2.7 Methode per Anweisung Hierbei wird das Budget willkürlich festgelegt ohne Bezugsgrößen wie Umsatz, Gewinn oder Wettbewerberaktivitäten. Sicher werden die Entscheidungsträger, die diese Anweisungen geben, bestimmte Entscheidungskriterien anwenden, die vermutlich den hier dargestellten entstammen. Sie sind aber nicht bereit, diese offenzulegen. Es ist ein Führungsverhalten, das, wenn auch wohl weit verbreitet, den Anforderungen an zeitgemäßes Management in keiner Weise gerecht wird (vgl. Krasser, 1995). Diese Vorgehensweise entspricht einem extrem autoritären Führungsverständnis, welches zwar längst widerlegt und als vollkommen überholt anzusehen, dennoch aber weit verbreitet ist.
5.3 Aufgabenorientierter Ansatz
345
5.3 Aufgabenorientierter Ansatz Von der Logik und der Lehre her ist der aufgabenorientierte Ansatz eindeutig vorzuziehen. Dieser Ansatz reflektiert die Ziel-Mittel-Hierarchie. Das Lösungsprinzip basiert auf einer zunehmenden Konkretisierung und Operationalisierung indem das Oberziel solange in Partialziele zerlegt wird, bis operationale Unterziele entstehen, die dann in ein Mengengerüst transformiert werden. Den Ausgangspunkt bilden hierbei zunächst die Marketing-Ziele, und daraus abgeleitet werden die Kommunikationsziele unter der Berücksichtigung interner und externer Variablen bestimmt (vgl. hierzu Abbildung 5-2). Solche Variablen sind z.B. die Größenordnungen des Marktes und der Marktsegmente, der Lebenszyklus der Produktgattung aber auch der individuelle Lebenszyklus einzelner Produkte, Zielgruppenmerkmale, kommunikativer Druck des Wettbewerbs, finanzielle Situation. Die kommunikativen Ziele müssen dabei so exakt wie möglich umrissen werden, und sie sollten realistisch formuliert sein. Wenn zu diesem Zeitpunkt bereits Obergrenzen für das Kommunikationsbudget bekannt sind, sollte dieses Wissen bereits in der Zielformulierung Berücksichtigung finden. In einem zweiten Schritt geht es darum, ein Instrumenten-Mix zu definieren. Welches Instrument übernimmt welche Funktion; welche Partialziele im Sinne einer integrierten, ganzheitlichen Perspektive sollen mit Hilfe der einzelnen Kommunikations-Instrumente erreicht werden? Danach muß für jedes Instrument je nach Teilziel ein Maßnahmenkatalog entwickelt werden, mit dem die vorgegebenen Ziele erreicht werden können. Je nach spezifischer Unternehmens- und Wettbewerbssituation wird sich ein individueller Maßnahmenkatalog ergeben. Dadurch werden auch Überlegungen konkurrenzorientierter Ansätze mit einbezogen. So erfordern insbesondere Wachstumsziele in gesättigten Märkten überdurchschnittliche Kommunikationsinvestitionen. Notwendig für die Definition des konkreten Maßnahmenkataloges ist ein entsprechendes Wissen um die Wirkung der Kommunikation, z.B. für Werbeziele: Wie viele Werbeeindrücke sind notwendig, um eine Botschaft zu lernen, wie viele, um zu einem Versuchskauf zu kommen? Wie hoch ist der Anteil der Versuchskäufer, der zu dauerhaften Verwendern wird und wie intensiv ist deren Konsumrate. Alle diese Fragen müssen annäherungsweise beantwortet werden, um das dafür erforderliche Budget zu ermitteln. Teilweise ist man bei der Schätzung auf Vergangenheitseindrücke angewiesen oder man muß allgemeingültige Aussagen heranziehen, beispielsweise die Erkenntnis, daß im Bereich des „High Involvements“ weniger Kommunikationseindrücke notwendig sind, als im Bereich des „Low Involvements“.
346
5. Budgetierung
Aussagen über die Anzahl von Versuchskäufen und dem daraus resultierenden Anteil dauerhafter Verwender lassen sich auch aus Testmärkten in Verbindung mit einem Haushaltspanel ableiten. Für die Verkaufsförderung kann man z.B. ausgehend von den konkreten Marketingzielen festlegen, welche Projekte zu realisieren sind in Richtung Konsumenten, Handel und Außendienst. Das erforderliche Budget läßt sich bei an Konsumenten und am Handel ausgerichteten Maßnahmen anhand der Anzahl der Projekte (Aktionen) und der Anzahl der Verkaufsstellen, in denen die Projekte realisiert werden sollen, ermitteln. Auch hier spielen Erfahrungswerte eine wesentliche Rolle, z. B. wie viele Handelsgeschäfte an solchen Aktionen teilnehmen, etc. Auch für den Außendienst lassen sich frühzeitig die Art und Anzahl der Förderungsmaßnahmen prognostizieren. Kritisch ist jedoch gerade für die Verkaufsförderung zu konstatieren, daß dieses Budget partiell nicht in freier Entscheidung durchgeführt werden kann, sondern, bedingt durch die in vielen Märkten vorhandenen Einkaufsmacht des Handels aufgrund einer zunehmenden Konzentration, eine finanzielle Unterstützung von den Herstellern verlangt wird und durchgesetzt werden kann. Dies können Beteiligungen an den Werbemaßnahmen des Handels, und das kann die Realisierung von Verkaufsmaßnahmen in Märkten sein. Viele dieser Maßnahmen sind faktisch Preiszugeständnisse gegenüber dem Handel, wenn auch in verdeckter Art und müßten daher streng genommen aus dem Konditionenbudget finanziert werden. In ähnlicher Weise sind für die anderen Kommunikationsinstrumente die einzelnen Maßnahmenpläne zu erarbeiten. Konkret erfordert die aufgabenorientierte Methode damit neben der möglichst exakten Definition der Kommunikationsziele, daß fundierte Informationen darüber vorliegen, welche Instrumente, in welcher Ausprägung und Intensität erforderlich sind, um die gewünschten Ziele zu erreichen. Für das Kommunikationsinstrument Werbung sind die Wirkungszusammenhänge am intensivsten erforscht. Für die anderen Kommunikationsinstrumente, insbesondere auch für die Öffentlichkeitsarbeit, sind die Wirkungszusammenhänge schwächer nachweisbar. Das Thema Erfolgskontrolle der Öffentlichkeitsarbeit wird seit den 90er Jahren intensiv erörtert, wie viele Veröffentlichungen und Tagungen belegen (vgl. hierzu Naundorf, 1996). Anschließend müssen in einem weiteren Schritt diese Einzelmaßnahmen bewertet werden, d.h. Kosten zugeordnet werden. Die Summe aller Kosten ergibt dann das Budget, das erforderlich ist, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Als streufähiger Etat wird dabei jener Kostenanteil definiert, der die Kosten der Verbreitung der Botschaft an die Zielgruppen durch den Einsatz von Werbeträgern umfaßt. Dieser Etat wird häufig als Kommunikationsetat bezeichnet. Der nicht streufähige Etat
5.3 Aufgabenorientierter Ansatz
347
umfaßt im wesentlichen konzeptionelle und kreative Maßnahmen sowie die Produktion der Kommunikationsmittel.
Marketing-Ziele
Kommunikationsziele - Verkaufsförderung - Werbeziele - Public Relationsziele - Sponsoring - etc.
Kommunikationsmaßnahmen (Festlegung des Instrumente- und Media-Mixes)
Durchführungskosten = vorläufiges Budget
Kommunikationsbudget finanzierbar?
nein
ja Umsetzung/Gestaltung und Realisation
Abbildung 5-2: Ablauf der aufgabenorientierten Budgetplanung Dieses so ermittelte Budget muß anschließend hinsichtlich seiner Finanzierbarkeit geprüft werden. Sind die finanziellen Ressourcen dafür verfügbar, dann kann an die Umsetzung, Gestaltung, Exekution und Durchführung gegangen werden. Sind die finanziellen Ressourcen nicht verfügbar, müssen in einem Rückkoppelungsschritt die Kommunikationsziele neu definiert werden. Dies kann dadurch geschehen, daß die Ziele ganz neu festgelegtt werden, d.h. auch sachlich anders formuliert werden, oder einfacher, es wird das Zielniveau heruntergesetzt. In der Folge muß das Marketingziel nochmals überprüft und wahrscheinlich revidiert werden.
348
5. Budgetierung
Wesentliche Vorteile dieses Verfahrens sind:9 • Die Marktkommunikation wird in ihrer Funktion als ein Instrument der Marketingpolitik betrachtet, und der sachlogische Ursache-Wirkungszusammenhang wird berücksichtigt. • Dieses Verfahren setzt umfangreiche Analysen des marketingpolitischen Instrumentariums eines Unternehmens voraus. Werbeobjekt, Markt, Wettbewerb, Kommunikationsziele und -mittel, etc. müssen genau analysiert werden. Interne und externe Beeinflussungsfaktoren können berücksichtigt werden. Anpassungen an veränderte Marktbedingungen sind möglich, da die Etatplanung kein einmaliger Prozeß ist, sondern permanent stattfindet und in einen Kontrollvorgang eingebettet ist. • Da das Kommunikationsbudget in einem Planungsprozeß entsteht, sind Planänderungen sind nachvollziehbar und Fehlplanungen und Mißerfolge können leichter erkannt und behoben werden. • Die jeweilige Marktsituation des Werbeobjektes wird durch die spezifische Zielsetzung berücksichtigt. • Mit der Aufteilung in Einzelmaßnahmen können die Einflüsse von anderen Marketinginstrumenten besser mit erfaßt werden. Die aufgabenorientierte Methode weist aber auch praktische Schwierigkeiten und Einschränkungen auf. Eine wesentliche Problematik besteht darin, daß sich bei vorgegebener Zielsetzung die einzusetzenden Instrumente und Maßnahmen durchaus nicht zwingend ergeben und somit auch die monetäre Bewertung eine nicht immer angemessen exakt ableitbare Größe darstellt. Zudem ist es häufig nicht einfach, die Erfolgswirkungen der Maßnahmen zu prognostizieren. Problematisch ist es zudem, wenn bei diesem Verfahren die Liquiditätssituation des Unternehmens nicht als Rahmendatum berücksichtigt wird. So führt diese Methode oft dazu, daß die Grenzen des finanziell Machbaren überschritten werden, weil die Ziele häufig mehr oder weniger überhöht angesetzt werden. Allerdings kann dieses Problem auch dazu führen, in einem neuen Verfahren die Ziele angemessen zu reduzieren. Andererseits kann bei zunächst nicht ausreichenden Finanzmitteln ein möglicher Finanzbedarf nachvollziehbar begründet werden. Rogge (2004, S. 162 ff.) schlägt eine Kombination der unterschiedlichen praxisorientierten Methoden vor, um so zu einem Gesamtplanungssystem zu kommen.
9
Zu den Vor- und Nachteilen dieses Verfahrens vgl. hierzu Zentes (1982, S. 2214), Huth & Pflaum (1991, S. 90) und Rogge (2004, S. 162 ff.).
5.3 Aufgabenorientierter Ansatz
349
Mediaziele als Ausgangspunkt! Das Budget läßt sich auch direkt aus Mediazielen ableiten, wie Reichweite und Werbedruck. Diese wiederum können vorab aus Marketing-Zielen abgeleitet worden sein. Eine daraus resultierende Heuristik stellen wir im folgenden nach Busch, Dögl & Unger (2001, S. 430 ff.) vor (vgl. Abbildung 5-3).. Das Kommunikationsbudget wird im wesentlichen von drei Größen determiniert: Art und Anzahl der zu erreichenden Personen, die Art, der für diese Ansprache geeigneten Werbeträger und dem erforderlichen Werbedruck, d.h. der Häufigkeit, mit der die zu erreichenden Personen durch die ausgewählten Medien angesprochen werden sollen. Von den drei genannten Determinanten ist der Werbedruck die kritischste Größe, denn seine Reduzierung kann eine überproportionale Reduzierung der Werbewirkung zur Folge haben. Die alleine akzeptable Vorgehensweise geht von strategischen Marketingzielen aus. Diese beziehen sich in der Regel auf relative oder (weniger günstig) auf absolute Marktanteile. Auf jeden Fall lassen sich hieraus die angestrebten Umsatzziele ableiten. Wenn die durchschnittliche Bedarfsintensität ermittelt worden ist, so läßt sich hieraus eindeutig ableiten, wie viele Bedarfsträger zu dem erwünschten Kaufverhalten beeinflußt werden müssen. Handelt es sich um Nonprofit-Marketing, so ist aus den Marketingzielen ebenfalls ableitbar, wie viele Personen zu Verhaltensänderungen beeinflußt werden sollen. In der nächsten Stufe bedarf es einer genauen Beschreibung dieser Personengruppen (Zielgruppenbeschreibung; Marktsegmentierung). Aus den bestehenden Markterfahrungen muß sich ableiten lassen, wie viele potentielle Bedarfsträger ein Angebot kennen müssen, um daraus erfahrungsgemäß einen bestimmten Anteil an Sympathieträgern zu erzielen. Ferner ist in der Regel erkennbar, wieviel Prozent der Sympathieträger zur tatsächlichen Versuchskäufern bzw. dauerhaften Verwendern werden können. Wenn diese Zusammenhänge auch sicherlich nur in den seltensten Fällen genau bekannt sein dürften, so muß es doch möglich sein, diesbezüglich hinreichend genaue Schätzungen zu erhalten. Damit ist im Prinzip das Mediaziel der Reichweite definiert. Unter „Reichweite“ wird die Anzahl der insgesamt durch eine Kommunikationsmaßnahme erreichten Bedarfsträger bezeichnet. Als zweite Mediaentscheidung ist festzulegen, wie häufig diese Bedarfsträger kommunikativ zu erreichen sind. Diese Größe wird mediatechnisch als „Kontaktchance“ (OTS - opportunity to see; OTH - opportunity to hear; allgemein OTC opportunity to contact) bezeichnet (zu den genauen Begriffsbeschreibungen vgl. die Ausführungen zur Mediaplanung). Damit ist festgelegt, welche Personen, wie oft kommunikativ erreicht werden sollen. Dem steht die Entscheidung über die kommunikativen Inhalte, mit denen diese Bedarfsträger erreicht werden sollen, gegenüber. Aus der Frage, welche Bedarfsträger/Personen mit welchen kommunikativen Inhalten erreicht werden sollen, läßt sich nachvollziehbar die Auswahl der Medien, der Werbeträger, begründen. Es geht also um die Frage der Wahl verschiedener Zeitschriftentitel, TV-Sender, Funk-Sender usw. Aus den festgelegten kommunikativen Inhalten ist ferner die Art der Nutzung verschiedener Werbeträ-
350
5. Budgetierung
ger ableitbar. Damit ist die Frage angesprochen, welche Anzeigenformate oder Farbigkeiten in Zeitschriften gewählt werden sollen; welche Spotlängen in Funk und Fernsehen gewählt werden sollen. Aus diesen Informationen läßt sich das notwendige Kommunikationsbudget, insbesondere das Werbebudget, wenn auch nicht exakt berechnen, so doch hinreichend genau begründen.
Marketing-Ziel
Bekanntheitsgrad Sympathiegrad in der Zielgruppe
Reichweite
Gestaltung
Mediagattung
Werbedruck
Werbemittel, z.B. Anzeigenformate
Budget
Abbildung 5-3: Der Prozeß der Budgetbestimmung (vgl. zum oberen Teil Krugmann, Reid, Dunn & Barban, 1994, S. 258) Wie bereits oben ausgeführt ist die kritischste Größe die Bestimmung des erforderlichen Werbedrucks. Der Werbedruck, d.h. die Häufigkeit der Ansprache pro erreichter Person wird u.a. von folgenden Faktoren bestimmt: • • • • •
Werbedruck konkurrierender Maßnahmen, Ausmaß der angestrebten Verhaltensänderungen, Komplexität der Botschaften, Interesse der Zielgruppe an den Botschaftsinhalten, Nutzung von Synergieeffekten innerhalb der eigenen Kommunikation.
Je größer der Beeinflussungsdruck konkurrierender Maßnahmen ist, umso größer muß auch der eigene Beeinflussungsdruck bemessen sein. Je größer das Ausmaß
5.3 Aufgabenorientierter Ansatz
351
der angestrebten Verhaltensbeeinflussung ist, um so größer ist der notwendige Kommunikationsdruck. Je geringer das Interesse der Zielgruppe an der Kommunikation ist (Low Involvement), umso größer ist der notwendige Beeinflussungsdruck. Die Nutzung von Synergieeffekten durch integrierte Kommunikation erlaubt es, den Beeinflussungsdruck quantitativ etwas zu reduzieren. Trommsdorff und Becker (2004) sehen durchaus die Möglichkeit, durch kreative, die Aufmerksamkeit fördernde Elemente in der Werbung die Effektivität der Werbung zu steigern und damit die Schwächen kleinerer Budgets kompensieren zu können. Wenn der einzelne Werbekontakt durch aufmerksamkeitssteigernde Elemente intensiver wahrgenommen wird, dann kann mangelnder Werbedruck ausgeglichen werden. Nicht ausgeglichen werden kann mangelnde Reichweite.
5.4 Theoretische Modelle 12 5.4.1 Überblick Gemeinsam ist diesen theoretischen Modellen, daß sie auf den Kommunikationswirkungsfunktionen aufbauen und unter der Annahme der Gültigkeit bestimmter funktionaler Zusammenhänge sogenannte optimale Budgets zu finden versuchen. Vereinfacht kann man die Durchführung von Kommunikationsmaßnahmen als einen Input-Output-Prozeß betrachten. Das Kommunikationsbudget ist eine InputVariable, die durch die kommunikativen Maßnahmen erzielten Wirkungen werden als Output-Variable bezeichnet. Die Kommunikations-Responsefunktionen, die den theoretischen Modellen zugrunde liegen, gehen i.d.R. von der Absatzmenge als Wirkungsmaßstab aus. Das Zustandekommen der Wirkung wird dabei nicht näher analysiert. Dadurch wird impliziert, daß jedes Budget mit einem zugehörigen Spektrum an Aktivitäten und Maßnahmen korrespondiert und deren Wirkung prognostiziert werden kann. Wie das Schaubild darlegt, werden die Zielpersonen durch weitere Faktoren beeinflußt. Eine Prognose der Kommunikationswirkung ist damit auch davon abhängig, daß der Einfluß dieser Faktoren abgeschätzt werden kann. Diese Annahme ist jedoch insbesondere hinsichtlich der Einflußgrößen „Wettbewerber“ und „Marktumfeld“ problematisch. Daraus resultiert die Notwendigkeit bzw. die Option, Responsefunktionen nach unterschiedlichen Merkmalen zu klassifizieren.
12
Die im folgenden dargestellten Überlegungen und Ansätze beziehen sich auf das Werbebudget. Für dieses Instrument sind diese Ansätze entwickelt worden, für die anderen Kommunikationsinstrumente sind in diesem Bereich noch erhebliche Defizite zu konstatieren.
352
5. Budgetierung
Umwelt Kommunikationsbudget Sonstige MarketingAktivitäten
Zielgruppe
Absatz
Wettbewerb
Abbildung 5-4: Kommunikation als Input-Output-Prozeß (in Anlehnung an Zentes, 1982) Dies geschieht einerseits nach dem Informationsstand über den Wirkungszusammenhang zwischen Responsefunktionen bei Sicherheit (deterministische Situation) und bei Risiko (stochastische Situation und Ungewißheit), andererseits nach der Anzahl der zu berücksichtigenden Variablen in monoinstrumentelle und polyinstrumentelle Responsefunktionen. Bei monoinstrumentellen Responsefunktionen wird nur das Kommunikationsbudget als Instrumentalvariable betrachtet, bei polyinstrumentellen Responsefunktionen werden dagegen gleichzeitig auch andere Marketinginstrumente berücksichtigt. Zudem kann durch die Berücksichtigung des Merkmales Zeit in statische und dynamische Responsefunktionen differenziert werden (vgl. hierzu Zentes, 1982, S. 2216). Statische Ansätze nehmen einen zeitgleichen Einfluß der Werbung auf den Absatz an, der nach Beenden der Werbung sofort wieder auf Null abfällt. Dynamische Varianten berücksichtigen hingegen Verzögerungs-, Carry Over- und Beharrungseffekte. Analog zu diesen unterschiedlichen Responsefunktionen haben sich dann auch unterschiedliche theoretische Modelle zur Optimierung des Budgets entwickelt. Grundsätzlich ist ein optimaler Etat jenes Budget, das unter den gegebenen Umweltbedingungen das jeweils beste Ergebnis liefert. Dazu greifen diese Modelle auf mathematische Verfahren wie z.B. die Marginalanalyse und Operations Research-Methoden zurück. Um diese mathematischen Hilfswerkzeuge einsetzen zu können, ist eine Vielzahl von Daten erforderlich, die oftmals nicht in der erforderlichen Exaktheit vorliegen oder beschafft werden können. Zudem werden bei vielen dieser Modellen die komplexe Realität und deren Beziehungsstrukturen zugunsten einer besseren Berechenbarkeit stark vereinfacht. Die oft auf ceterisparibus-Klauseln basierenden Vorstellungen können zudem nicht unterstellt werden. Im folgenden sollen kurz einige basale Modelle beschrieben werden.
5.4 Theoretische Modelle
353
5.4.2 Marginalanalytische Ansätze Die marginalanalytischen Ansätze (Simon & Möhrle, 1993, S. 311) basieren auf dem Prinzip der Gewinnmaximierung. Daraus folgt, daß eine Unternehmung ihre Ausgaben für die Marktkommunikation so lange erhöhen muß, wie sie dadurch einen Gewinnzuwachs erzielt. Der optimale Etat ist dann erreicht, wenn die Grenzkosten, bezogen auf die durch den Werbeetat-Einsatz zusätzlich verkauften Produkte, den diesen Produkten zuzuordnenden Grenzerträgen gleich sind (Grenzkosten = Grenzerträge). Man kann hierbei zunächst zwei Varianten unterscheiden - die Polypol- und Monopolsituation. In der Polypolsituation gilt die Voraussetzung, daß der Absatzpreis für den Anbieter ein nicht zu beeinflussendes Datum darstellt. Das optimale Werbebudget liegt dann vor, wenn die kombinierten Grenzproduktions- und Grenzwerbekosten gleich dem Preis sind, so daß gilt: p
=
K’ (x) + W’ (x)
Graphisch stellt sich dieser Zusammenhang wie folgt dar: Bei der Monopolsituation dagegen wird das optimale Werbebudget marginalanalytisch unter der Prämisse ermittelt, daß sowohl der Preis als auch die abgesetzte Menge simultan variabel sind. Hierbei muß diejenige Preis-Absatzfunktion erhoben werden, bei der unter Berücksichtigung der Kommunikationskosten der Gesamtgewinn maximiert wird. Mit diesen marginalanalytischen Ansätzen ist man in der Lage, zumindest theoretisch exakt das optimale Budget zu bestimmen. Jedoch treten zu dem kaum lösbaren Problem der Bestimmung von Grenzkosten und –Erträgen, Voraussetzungen, die gegen eine Anwendung in der Praxis sprechen. Die Realisation eines Optimums setzt immer vollkommene Information voraus, eine Annahme, die selbst für volkswirtschaftliche Betrachtungen kaum brauchbar ist (zur Kritik vgl. ausführlich Albert, 1972), für betriebswirtschaftliche Modelle und Erklärungen ist diese Annahme vollkommen unbrauchbar. Derartige Modelle können daher nur unter Hinzufügung weiterer (häufig) realitätsferner Annahmen bestehen.
354
5. Budgetierung
P K′ p + W′
K′ W′
K′ p ′
W′
x opt
X
Abbildung 5-5: Budgetierung nach marginalanalytischem Ansatz Solche Annahmen sind u.a.: • Zielfunktion ist die Gewinnmaximierung; Kommunikative Ziele, wie z.B. Imagebeeinflussung werden nicht erfaßt, • die Wirkung der Kommunikation auf den Umsatzverlauf ist bekannt, • die zugrundeliegenden Funktionsverläufe sind stetig und stetig differenzierbar, • es besteht Monoproduktion und • Einflüsse der Konkurrenz werden nicht berücksichtigt. Eine wesentliche Kritik an diesen statischen Modellen konzentriert sich darauf, daß zeitliche Verzögerungen, langfristige Wirkungen über die Periode hinaus nicht berücksichtigt werden. Diese Kritik versuchen Modelle mit einer dynamischen Responsefunktion aufzufangen, indem sie berücksichtigen, daß die Kommunikationswirkung über mehrere Perioden anhält, jedoch mit der Zeit schwächer wird. In dem Modell von Vidale & Wolfe (1957) ist der Umsatz die Zielgröße. Die dynamischen Effekte kommunikativer Einflüsse werden in einem Gleichgewichtsmodell formalisiert, wobei die Deskription der Relation zwischen - in diesem Fall - Werbung und Umsatz durch drei Größen beschrieben wird:
5.4 Theoretische Modelle
355
Umsatzabnahmerate a: jene Rate, mit der die Umsätze (U) bei einem Aussetzen der Werbung in einer bestimmten Zeitperiode zurückgehen. Sättigungsniveau M: das Absatzpotential, d.h. die Zahl der maximal gewinnbaren Käufer bei einem bestimmten Werbeeinsatz. Wirkungskonstante r: jene Umsätze, die einer zusätzlichen eingesetzten Werbeeinheit zuzurechnen sind, vorausgesetzt, daß die bisherigen Umsätze Null waren. Die Umsatzänderung in der Zeiteinheit (t) ist dann:
dU (M - Ut) = r Bt − a Ut dt M
Aus der Kenntnis der Ausgangsdaten und der Umsatzziele, die erreicht werden sollen, ergibt sich dann ein optimales Werbebudget (B) für die Zeiteinheit (t):
Bt =
(b + a Ut) Ut r (M - Ut)
wobei b die angestrebte Umsatzveränderung im Zeitverlauf kennzeichnet. Wenn die Wirkungskonstante r sowie das Sättigungsniveau und die Vergessensrate bekannt sind, besticht dieses Modell durch seine Einfachheit. Damit unterstellt dieses Modell allerdings auch, daß Umsatzsteigerungen nur durch Gewinnung neuer Kunden zu erreichen ist, dies gilt allerdings nur für Produkte, deren Verbrauch mengenmäßig relativ fixiert ist. Zudem fehlen auch bei diesem Verfahren die Einbeziehung der übrigen Marketinginstrumente und der Konkurrenzwerbung. Grundsätzlich ist auch bei diesem Modell die Praxisumsetzung problematisch, da es auf nicht praxisgerechten Prämissen beruht und die Beschaffung der notwendigen Daten (z.B. Wirkungskonstante r) sehr schwierig ist.
5.4.3 Der konkurrenzbezogene Ansatz von Weinberg (1960) Ausgangspunkt dieses Modells ist das Ziel der Marktanteilsänderung. Wobei von der Annahme ausgegangen wird, daß eine Steigerung des Marktanteils abhängig ist von den eigenen (werblichen) Aktivitäten und denen des Wettbewerbs. Der Ansatz versucht die Frage zu beantworten, wie hoch ein Werbebudget sein muß, um eine bestimmte Marktanteilssteigerung zu erzielen. Die Marktanteilsänderung ist abhängig von der sogenannten Werbeänderungsrate.
356
e=
5. Budgetierung
Werbeausgaben der Unternehmung Werbeausgaben der Gesamtbranche : Umsätze der Unternehmung Umsatz der Gesamtbranche
Empirische Untersuchungen konnten zeigen, daß ein Zusammenhang besteht zwischen der Werbeänderungsrate und der Veränderung der Marktanteile unter der Berücksichtigung, daß die Werbeausgaben der konkurrierenden Unternehmen gleich produktiv sind (z.B. bezogen auf Kreativität, Mediaplanung, etc.) Unter der Berücksichtigung dieser Annahme sinkt der Marktanteil bei e < 1, bei e > 1 steigt er. Empirische Untersuchungen ergaben eine Abhängigkeit der Marktanteilsänderung (Mu) vom Logarithmus der Werbeänderungsrate wie folgt: vMu
= a log e - b
a und b stellen dabei Regressionskoeffizienten dar, die im konkreten Fall mit Hilfe einer Regressionsanalyse zu ermitteln sind. Bei Schweiger und Schrattenecker (1995, S. 73) findet sich hierzu ein Berechnungsbeispiel. Unter den Prämissen, daß e empirisch zu ermitteln ist und die Werbeausgaben der Wettbewerber für die Zukunft richtig zu ermitteln sind, ist es rechnerisch möglich, das Werbebudget zu bestimmten, das erforderlich ist, um in der nächsten Periode eine bestimmte Marktanteilssteigerung zu erzielen. Ähnlich wie bei den marginalanalytischen Ansätzen findet sich auch gegen dieses Modell eine Reihe von Einwänden: • Die monokausale Erklärung der Marktanteilsveränderung durch Werbung; andere Marketingmaßnahmen bleiben unberücksichtigt. Wenn die Wirkung eines Faktors analysiert werden soll, ist das aber eine zwingend notwendige Vorgehensweise bei allen gewünschten Erklärungen. • Carry-Over-Effekte der Kommunikation bleiben unbedacht, es handelt sich also um ein statisches Modell. • Die Schätzung der Werbeausgaben der Wettbewerber ist mit Unsicherheit verbunden, Unsicherheit ist allerdings ein Element aller menschlicher Entscheidungssituationen und unvermeidbar, zudem lassen sich die Werbeausgaben der Wettbewerber relativ leicht beschaffen (s.o.) Dieser Ansatz berücksichtigt den Einfluß der Aktivitäten der Konkurrenz, und die erforderlichen Daten sind besser zu beschaffen als beim marginalanalytischen Ansatz.
5.4 Theoretische Modelle
357
5.4.4 Weitere theoretische Modelle Einen Überblick über verschiedene Ansätze findet sich bei Schmalen (1992, S. 47 ff.). Eine Fülle weiterer Modelle und Modellvarianten sind zu diesem Thema entwickelt worden. So z.B. investitionstheoretisch-orientierte Ansätze, die werbliche Maßnahmen als Investitionen ansehen und die die langfristigen Werbewirkungen mit Hilfe der betriebswirtschaftlichen Kapitalwert-Methode zu erfassen versuchen. Gibt es im Hinblick auf Werbung mehrere Investitionsmöglichkeiten, so ist die Alternative mit dem größten Kapitalwert zu wählen. Die Umsetzung dieser Methode in die Praxis scheitert jedoch größtenteils an der Schwierigkeit, die Werbewirkung und die damit verbundenen Werbeerlöse exakt im voraus zu bestimmen. Neuere Budgetierungsansätze arbeiten mit Simulationsmodellen, um auch Entscheidungssituationen unter Risiko Rechnung zu tragen (z.B. Bock & Dietl, 1995).
6. Mediaplanung 6.1 Aufgaben der Mediaplanung Mediaplanung ist dann relevant, wenn in Medien Botschaften gegen Bezahlung plaziert werden. Sie ist dann in erster Linie ein Teilgebiet der klassischen Werbung, spielt aber auch im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit und der Verkaufsförderung eine Rolle, nämlich dann, wenn dort beispielsweise Anzeigen zum Einsatz kommen. Einige Aspekte der Mediaplanung sind auch im Rahmen des Sponsoring, und zwar beim Programm-Sponsoring relevant („Diese Sendung wurde Ihnen präsentiert von...“). Mittels der Mediaplanung soll der möglichst ökonomische Transport der (Werbe-) Botschaft zu den gewünschten Empfängern, also der Zielgruppe gewährleistet werden. Daher hat die Wahl der Zielgruppe, also die Entscheidung darüber, welche Bevölkerungsgruppen vorrangig erreicht werden sollen, den größten Einfluß auf die Auswahl der einzelnen Werbeträger, da unterschiedliche Bevölkerungsgruppen die einzelnen Medien unterschiedlich intensiv nutzen. Das Kernproblem der Mediaplanung ist die Auswahl der geeigneten Werbeträger und die Ermittlung der erforderlichen Häufigkeit (Frequenz) der Belegung mit der Botschaft. Die Werbeträger sind diejenigen Medien, die mit der Botschaft belegt werden bzw. gebucht werden können. Beispiele sind: SAT1, RTL, HÖRZU, SPIEGEL, DIE ZEIT, usw. Verschiedene Werbeträger werden zu Werbeträgergattungen zusammengefaßt: Fernsehen, Publikumszeitschriften, Fachzeitschriften, Zeitungen, Funk, Kino, Außenwerbung und Verkehrsmittelwerbung sind wichtige Werbeträgergattungen. Werbeträger werden auch als Medien bezeichnet, Werbeträgergattungen analog als Mediagattungen. Bei der Auswahl der Werbeträger spielt die Frage eine Rolle, welche Personen mit welchen Werbeträgern überdurchschnittlich gut zu erreichen sind. Dabei geht es aber nicht nur um die Frage der quantitativen Bewertung. Wichtiger kann auch die Frage der Buchungskosten sein, also die wertmäßige Komponente. Die Auswahl der Werbeträger wird auch von den Kommunikationszielen beeinflußt, da sich die verschiedenen Werbeträger in unterschiedlichem Maße zur Übermittlung verschiedener Botschaften eignen. Damit erhält die Mediaplanung auch eine qualitative Komponente. Diese wird durch folgende Aspekte bestimmt: Zum einen ist der effektive Kontakt der Personen innerhalb der Zielgruppe mit den Werbemitteln (Anzeige, TV-Spot, Funk-Spot, usw.) eine entscheidende Größe. Die gängigen Analysen messen vornehmlich Kontakte mit den Werbeträgern. Die angestrebte Werbewirkung setzt jedoch Kontakte mit den Werbemitteln voraus, also die Wahrnehmung der Anzeigen bzw. Werbefilme (Spots). Es ist leicht einsehbar, daß bei einem flüchtigen Durchblättern einer Zeitschrift keineswegs ge-
360
6. Mediaplanung
währleistet ist, daß auch die dort geschalteten Anzeigen wahrgenommen werden. Das wird durch die Messung der Intensität der Mediennutzung, insbesondere bei Zeitschriften, in der Mediaforschung beachtet. Allerdings ist die Abfrage, ob eine bestimmte Zeitschrift mehrmals durchgesehen wurde und wieviel davon (ganz, die Hälfte, weniger als die Hälfte) durchaus problematisch. Können Personen selber wirklich brauchbare Aussagen über eigene Heftnutzung machen? Ganz anders ist die Nutzung elektronischer Medien zu beurteilen, wobei sich Funk und Fernsehen untereinander wiederum sehr stark unterscheiden. So ist Funk in stärkerem Maße ein Medium, das nebenbei genutzt wird. Fernsehen unterliegt auch bei intensiver Nutzung aus Sicht der Werbetreibenden der Gefahr des kurzfristigen Umschaltens während der Werbeblöcke (Zapping). Wie ist dann aber ein möglicher Kontakt mit der Werbebotschaft im Fernsehen mit einem möglichen Anzeigenkontakt in einer Zeitschrift zu vergleichen? Im Rahmen des sogenannten „Intermedia-Vergleichs“ wird versucht, auf diese Fragen Antworten zu geben. Die Informationen über die tatsächliche Nutzung der Medien durch verschiedene Bevölkerungsgruppen sind allerdings derzeit noch nicht immer ausreichend. Ferner ist über die Art der möglichen Belegung in verschiedenen Werbeträgergattungen zu entscheiden. Anzeigen können in unterschiedlichen Formaten und unterschiedlicher Farbigkeit gebucht werden. Für Funk und Fernsehen, ebenfalls für das Kino, stehen unterschiedliche Werbe(film)-Längen („Spotlängen“) zur Verfügung, außerdem verschiedene Sonderformen von Werbesendungen. Insbesondere die privaten Funk- und Fernsehanbieter liefern vielfältige Werbemöglichkeiten. Es erscheint offensichtlich, daß durch die Art der Werbedarbietung die Qualität eines Kontaktes einer Person mit der Werbung und damit die Werbewirkung beeinflußbar ist. Auch dieser Problemkreis weist eine direkte ökonomische Komponente auf, da die unterschiedlichen Werbeformen mit unterschiedlichen Kosten pro Belegung einhergehen. Letztendlich ist auch die Frage des zeitlichen Einsatzes der Werbung ein Aufgabengebiet der Mediaplanung. Im Rahmen einer MakroBetrachtung ist zu fragen, zu welchen Jahreszeiten oder Monaten bestimmte Werbeträger zu buchen sind. Im Rahmen einer Mikro-Betrachtung sind Tage (bei Zeitungen, Funk und Fernsehen) oder sogar Tageszeiten (bei Funk- und TVWerbung) zu entscheiden. Verschiedene Personengruppen sind auch zu bestimmten Tageszeiten unterschiedlich gut erreichbar. Als Datenbasis für die Mediaplanung dient eine Reihe von Media-Analysen, die Auskunft darüber geben, welche Personengruppen welche Werbeträger zu welchen Zeiten nutzen. Ausgangspunkt der Mediaplanung ist somit u.a. eine exakte Beschreibung der Zielgruppen, und zwar nach solchen Kriterien, nach denen die dazu heranzuziehende Media-Analyse aufgebaut ist. Es hat keinen Zweck, eine Zielgruppe anhand des Kriteriums „Interesse an Bier aus ökologischen Anbaugebieten“ zu definieren, wenn die Media-Analysen die Frage, über welche Medien diese Personen besonders gut erreichbar sind, nicht beantworten können. Daraus läßt sich nicht zwingend der Schluß ziehen, die Media-Analysen würden für alle Zeiten
6.1 Aufgaben der Mediaplanung
361
die Möglichkeiten der Zielgruppenbeschreibung im Markt bestimmen. Im Gegenteil, die Anforderungen an Zielgruppenbeschreibungen durch das Marketing müßten langfristig die Anforderungen an die Media-Analysen bestimmen. Auf Zielgruppenbeschreibungen aufbauend lassen sich die geeigneten Werbeträger ermitteln, allerdings nur unter der Berücksichtigung weiterer Marketing- bzw. Kommunikationsziele, da nicht jede Werbeträgergattung für den Transport jeder Botschaft gleich gut geeignet ist. Der Mediaplanung kommt jedoch nicht nur die Aufgabe zu, den möglichst ökonomischen Weg der Werbebotschaft zu einer definierten Zielgruppe zu ermitteln. Bei gegebener Zielgruppe und gegebenen Kommunikationszielen, insbesondere der Frage, wie viele Personen wie oft erreicht werden sollen, läßt sich unter Heranziehung der Media-Analysen auch das notwendige Budget ableiten, da die Kosten pro Belegung bekannt sind. Das Werbebudget wird so zu einer aus der Beantwortung dieser Fragen ableitbaren, also abhängigen Größe, die sich aus Zielen ergibt (vgl. Kapitel 5).
6.2 Die Media-Analysen Um dem Ziel der Mediaplanung gerecht zu werden, sind also Informationen darüber notwendig, welche Personen zu welchen Zeitpunkten wie intensiv welche Werbeträger bzw. Medien nutzen. Auf diese Fragen geben verschiedene MediaAnalysen Antwort. Dabei wird annähernd genau ermittelt, welche Zielgruppen mit welchen Werbeträgern erreicht werden können und wie sich die Nutzerschaft der verschiedenen Werbeträger zusammensetzt. Auf diese Frage gibt eine Reihe unterschiedlicher Analysen Aufschluß, die wir in zwei Gruppierungen unterteilen können: • typische Media-Analysen, die lediglich über das Mediennutzungsverhalten Aufschluß geben, • Markt-Media-Analysen, die nicht nur das Media- sondern auch das Kaufverhalten in ihre Untersuchungen einbeziehen. Die bekanntesten reinen Media-Analysen sind die Media-Analyse (MA), die im Auftrag der A.G.M.A (Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse) jährlich durchgeführt wird und die Allensbacher Werbeträger-Analyse (AWA), die ebenfalls jährlich vorgelegt wird. Bei der MA wird das Mediennutzungsverhalten der deutschen Bevölkerung in mehreren Stichproben untersucht. Eine erste Stichprobe in einer Größenordnung von rund 20.000 Personen untersucht im wesentlichen die Nutzung von Funksendern, eine zweite Stichprobe in gleicher Größenordnung die Nutzung von Zeitschriften und ähnlichen Printmedien. In beiden Stichproben wird außerdem die Nutzung von Tageszeitungen und der Kinobesuch mit erhoben.
362
6. Mediaplanung
Das Fernseh-Nutzungsverhalten wird auf der Basis elektronisch gewonnener Daten analysiert. Derzeit wird die Untersuchung durch die Gesellschaft für Konsumforschung in Nürnberg (GfK) durchgeführt. Während die Personen für die mündlichen Interviews der MA in jedem Jahr nach einem Zufallsprinzip neu rekrutiert werden, erfolgt die Erforschung der Fernsehnutzung in einem Panel auf der Basis von 6.000 Haushalten, was etwa 15.000 Personen entspricht. An das Fernsehgerät der Testhaushalte ist das sogenannte „GfK-Meter“ angeschlossen. Mittels dieses radioweckergroßen Computers lassen sich sämtliche denkbaren Aktivitäten am Bildschirm sekundengenau aufzeichnen, insbesondere die Nutzung der Fernsehprogramme, aber ebenso die Nutzung von Telespielen, BTX, Videotext, Videoaufzeichnung von Spielfilmen usw. Die Daten werden über das Telefonnetz direkt in den Rechner der GfK eingegeben und ausgewertet. Auch kurzfristiges Umschalten während der Werbeblöcke ist auf diese Weise beobachtbar. Nun ist nicht nur von Interesse, in welchen Haushalten der Fernsehapparat eingeschaltet ist und welche Aktivitäten daran stattfinden, man möchte auch wissen, welche Personen konkret das laufende Fernsehprogramm nutzen. Dazu dient im Rahmen der GfK-Fernsehforschung das sogenannte „People-Meter“. Die einzelnen Haushaltsmitglieder können sich durch Bedienung einer Taste über die InfrarotFernbedienung an- und abmelden. Damit soll das Ein-, Aus- und Umschalten von Fernsehprogrammen, die Anwesenheit und Abwesenheit einzelner Personen über die Fernbedienung und das GfK-Meter sekundengenau erfaßt werden. Scheinbar ist damit tatsächlich erkennbar, wer sich, während das Fernsehgerät eingeschaltet ist, im Raum befindet und somit auch mit einer gerade laufenden Werbung erreichbar ist. Faktisch sind diesbezüglich jedoch Zweifel angebracht. Es soll nicht bestritten werden, daß die einzelnen Personen durchaus bemüht sein mögen, sich sorgfältig an- und abzumelden, wenn vollständige Fernsehsendungen einzeln oder gemeinsam gesehen werden. Es ist aber keineswegs gesichert, daß gerade der Bereich, der für die kommerzielle Werbung von Interesse ist, mit gleicher Sorgfalt gehandhabt wird. Wird eine Person, die bei Einsetzen der Werbesendung den Raum kurzfristig verläßt, sich wirklich korrekt ab- und wieder anmelden? Wie groß ist der Anteil der Personen, die kurzfristig den Raum verlassen? Wie groß ist der Anteil derer, die sich dabei nicht abmelden? Sind dadurch systematische Verzerrungen zu erwarten? Wäre der Anteil der nicht korrekt erfaßten Personen über alle Bevölkerungs- und damit Zielgruppen gleich und somit später einmal, wenn darüber verläßliche Schätzungen vorliegen, über Korrekturfaktoren berechenbar? Oder bestehen gar Unterschiede bei verschiedenen Personengruppen (Hausfrauen, Männer, Kinder)? Diese Fragen sind bisher noch nicht ausreichend untersucht. Es gibt allerdings erste Studien (Danaher & Beed, 1993), die dafür sprechen, daß die „People-Meter“ korrekt bedient werden. Ganz neu ist Readerscan, ein Verfahren zur Messung des Leseverhaltens von Zeitungen, das auch auf das Lesen von Zeitschriften anwendbar ist. Mit Hilfe eines kleinen Scanner-Lesestiftes kennzeichnen die Leser/innen, bis zu welcher Zeile sie
6.2 Die Media-Analysen
363
einen Artikel gelesen haben. Die Daten werden über das Telefonnetz nachts auf Zentralrechner übertragen und ausgewertet. So erfahren Verlage, welche Themen für welche Leserschaften von Interesse sind, Werbetreibende können erfahren, in welchen Bereichen bestimmte Zielgruppen mit Anzeigen erreicht werden können. Ende 2004 nutzen noch sehr wenige Verlage diese Technik. Wenn wir das Problem der Repräsentativität der gewählten Stichproben als lösbar ansehen, dann bleibt die Frage von Paneleffekten durch bewußteres Lesen der Printmedien. Dieser Nachteil ist dem Nachteil der Messung des Leseverhaltens durch Befragung gegenüber zu stellen. Vermutlich sind die Nachteile der Befragung gravierender. Nachdem durch das Mediennutzungsverhalten verschiedene Stichproben erfaßt wurden, werden die Daten miteinander verknüpft, d.h. zu einer Analyse zusammengefaßt. Dabei werden die Personengruppen mit möglichst weitgehend gleichen soziodemographischen Merkmalen in ihrer Medianutzung zu einer Person fusioniert. Finden wir also beispielsweise eine Gruppe von Personen einer bestimmten soziodemographischen Struktur X, die wir besonders gut über die sogenannten Trivialserien im Vorabendprogramm erreichen („Samt und Seide“, „Verbotene Liebe“, „Lindenstraße“ usw.), und wir finden in der Stichprobe zur Printmediennutzung, daß Personen der gleichen soziodemographischen Struktur X besonders gut über Zeitschriften wie FREUNDIN, BRIGITTE und FÜR SIE zu erreichen sind, so läßt dies den Schluß zu, daß Personen dieser sozio-demographischen Struktur über die genannten Zeitschriften und Werbung in den genannten Programmbestandteilen doppelt erreichbar sind. Das wird an folgendem Beispiel in relativ allgemeingültiger Form demonstriert:
GfK-Fernsehforschung Stichprobe: ca. 7.500 Personen
Funkmedienforschung Stichprobe: ca. 22.000 Personen Fernsehen
Stichprobe: ca. 20.000 Personen
Hörfunk
Zeitschriften Lesezirkel Konpress
Kino
Kino
Tageszeitungen
Tageszeitungen
Fernsehen
3
Pressemedienforschung
1
Abbildung 6-1: Verknüpfung von Daten in der Media-Analyse
2
364
6. Mediaplanung
Die Verknüpfung wird schrittweise vorgenommen. Zuerst werden die GfKFernsehdaten mit den Daten der Funkmedien verknüpft. Die nunmehr vorliegenden Daten werden in einer zweiten Stufe mit den Daten aus der Stichprobe zu den Zeitschriftenmedien verknüpft. Da Tageszeitungs- und Kinonutzung zusammen mit Funk- und Zeitschriftennutzung erhoben wurde, ist die vollständige Verknüpfung damit erfolgt. Eine weitere wichtige Analyse ist die Allensbacher Werbeträger-Analyse (AWA). Es werden Publikumszeitschriften, Zeitungen, Supplements, Funk, Fernsehen und Kino erfaßt. Der Untersuchung liegt eine mündliche Befragung von annähernd 20.000 Personen zu Grunde, die eine repräsentative Stichprobe der Gesamtpopulation aller deutschen Personen ab 14 Jahre bildet. Gegenüber der MA weist die AWA den Nachteil auf, daß die in der Stichprobe befragten Personen zu allen Mediagattungen befragt werden, was zu einer erheblichen Interview-Belastung führt. Die Fernsehnutzung wird in der AWA, ähnlich wie Funk in der Media Analyse (MA), nicht elektronisch, sondern gleichfalls per Interview erfaßt. Zusätzlich zum rein quantitativen Mediaverhalten der Befragten werden in der AWA auch psychologische und in stärkerem Maße als in der MA auch Besitz- und Konsummerkmale erhoben. Es liegen also qualitative Informationen zum Konsumund Mediaverhalten gleichermaßen vor. Methodisch ist die MA, die von immerhin fünf Instituten durchgeführt wird, etwas stärker abgesichert als die AWA, die lediglich von einem Institut (Allensbach) erstellt wird. Es darf allerdings nicht übersehen werden, daß die Daten der einzelnen Studien innerhalb der MA häufig starke Diskrepanzen aufweisen, obwohl von allen an der MA beteiligten Instituten nach den gleichen Methoden erhoben wird. Zwar verschwinden die Datenunterschiede, wenn konglomerierte Gesamtdaten ausgewiesen werden, dennoch bleiben Zweifel an der Erhebungsqualität bestehen. Wenn auch die Hoffnung berechtigt sein mag, daß sich derartige Streuungen über alle beteiligten Institute wieder ausgleichen. Den hier besprochenen Media-Analysen liegen im wesentlichen die in Tabelle 6-1 dargestellten soziodemographischen Merkmale zu Grunde:
6.2 Die Media-Analysen
365
Tabelle 6-1: Datenübersicht der MA (Auszug) Gruppen
Anzahl der Merkmale bzw. Abstufungen Geschlecht 2 Altersstufen ab 14 Jahre 14 Familienstand 4 Haushalt (ist die befragte Person Haushaltsvorstand oder nicht) 2 Lebensphasen (z.B. verheiratet mit Kindern im Haushalt) 6 Haushaltsgröße (Anzahl der Personen im Haushalt) 9 Anzahl der Kinder im Haushalt unter 14 Jahren 6 Schulbildung/Schulabschluß 4 Tätigkeiten der befragten Personen (Berufstätigkeit, Ausbildung, Schüler, etc.) 12 Beruf der befragten Person 18 Beruf des Haushaltungsvorstandes 17 Monatliches Haushaltsnettoeinkommen 11 Wohnortgröße (politische) 7 Nielsengebiete 5 Demotypen* 10 Führerscheinbesitz 2 Besitzmerkmale im Hauhalt 42 Tiere im Haushalt 4 Gartenbesitz 2 Einkaufsgewohnheiten 18 Heimwerkertätigkeiten 5 Wohnen 13 * Anhand der Zusammenfassung bestimmter soziodemographischer Merkmale werden typische Personen, sogenannte Demotypen beschrieben und ihr Mediaverhalten analysiert, beispielsweise „die berufstätige Alleinstehende zum Teil mit eigenen Kindern“ oder die „Nichtberufstätige, alleinstehende Ältere“.
Es sind weitere Zusatzinformationen erhältlich, wie beispielsweise die Frage, welche Tageszeitungen oder Zeitschriften abonniert sind. Besitzmerkmale beziehen sich auf Telefon, Fernsehgerät, Videorecorder, Heimcomputer, Kabelnetzanschluß, unterschiedliche Haushaltsgeräte, Waschmaschinen, Bügelautomaten, Nähmaschinen, Personenwaagen, Filmkamera, Fotoapparate, Blutdruckmeßgeräte usw. Ebenso werden die Befragten zu ihrem Freizeitverhalten, zu Einkaufsgewohnheiten und Parteipräferenzen befragt.
366
6. Mediaplanung
Tabelle 6-2: Datenübersicht der AWA (Auszug) Gruppen
Anzahl der Merkmale bzw. Abstufungen Geschlecht 2 Altersstufe ab 14 Jahre 16 Familienstand 4 Haushalt (ist die befragte Person Haushaltsvorstand oder nicht) 2 Lebensphasen (z.B. „verheiratet mit Kindern im Haushalt“) 6 Haushaltsgröße (Anzahl der Personen im Haushalt) 5 Anzahl der Kinder im Haushalt unter 14 Jahren nach 8 Altersklassen Schulbildung/Schulabschluß 4 Berufliche Ausbildung 6+3 Tätigkeiten der befragten Personen (Berufstätigkeit, Ausbildung, Schüler, etc.) 9 Berufsstellung des Befragten (z.B. Leitender/Nichtleitender Angestellter) 12 Beruf der befragten Person nach verschiedenen Gruppierungen Beruf des Ernährers im Haushalt nach verschiedenen Gruppierungen Nettoeinkommen des Hauptverdieners 11 Ist die befragte Person Hauptverdiener oder nicht 2 Monatliches Haushaltsnettoeinkommen 11 Monatlich frei verfügbares Geld 5 Gesellschaftlicher/wirtschaftlicher Status 3 Persönlichkeitsstärke 4 Konfession 4 Häufigkeit des Kirchenbesuchs 5 Wohnortgröße (politische) 4 Nielsengebiete 5 Produktinformationsinteresse 50 Interessenbereiche wechselnd Freizeitbeschäftigung 64 Bereiche Kaufverhalten 14 Statements Kaufentscheidende (wer entscheidet was im Haushalt) 17 Produktbereiche Lebensziele 16 Statements Selbstbild-Zuordnung 30 Personengruppen Wohnstil 8 Stilarten
Die hier beschriebenen Analysen wiesen in der Vergangenheit ein großes Zeitproblem auf. Bei Erscheinen einer Analyse sind die Daten über das Mediaverhalten des vergangenen Berichtszeitraumes, also eines Jahres verfügbar. Demgegenüber wird die Werbung in aller Regel für das kommende Jahr geplant. Die Planung für das Jahr 2004 würde also möglicherweise im Sommer 2003 mit einer Datenbasis aus dem Jahre 2002 durchgeführt. Veränderungen in der Mediastruktur, wie sie derzeit im Hörfunkprogramm relativ kurzfristig durch Auftreten und teilweise Wiederabtreten privater Anbieter entstehen, führen daher zu ganz erheblichen Planungsproblemen. Für die Mediaplanung ist daher der Schritt von jährlicher bzw. halbjährlicher Erscheinungsweise der entsprechenden Analysen hin zu einer fortlaufenden Erscheinungsweise realisiert worden. Die Gesamtanalyse kann sich aus monatlich zu erhebenden Teilstichproben zusammensetzen. Auswertungen der
6.2 Die Media-Analysen
367
letzten Teilerhebungen lassen im Vergleich zu den vorangegangenen Erhebungen Veränderungen früher erkennen. TV-Nutzungsdaten werden heute sehr kurzfristig zur Verfügung gestellt. Trotz der beschriebenen Schwächen vorhandener Untersuchungen kann vermutlich davon ausgegangen werden, daß ausreichend genaue Schätzwerte darüber vorliegen, welche Personengruppen (beschrieben nach im wesentlichen soziodemographischen Merkmalen) zu welchen Zeitpunkten und wie intensiv welche Mediagattungen nutzen und so werblich erreichbar sind. Neben diesen beiden konkurrierenden Analysen gibt es noch eine Reihe von Spezialuntersuchungen für jeweils spezielle Zielgruppen, beispielsweise für Kinder und Jugendliche, Entscheidungsträger in der Wirtschaft und im öffentlichen Leben, die mehr oder weniger regelmäßig erscheinen. Mit zunehmender Bedeutung der Pharmawerbung und der erheblichen Vielfalt an entsprechenden Zeitschriften wurde insbesondere eine eigene Leseranalyse medizinischer Fachzeitschriften als notwendig angesehen und realisiert (LA-Med; Leseranalyse medizinischer Fachzeitschriften). Zielsetzung ist es, das Leseverhalten der Ärzte zu untersuchen. Parallel dazu wird im Rahmen der LA-Pharm auch das Leseverhalten der Apotheker und der dort angestellten Personen erfaßt. Wir kennen ferner eine Vielzahl von Studien, die im Auftrag der Großverlage durchgeführt werden. Erwähnt sei die „Typologie der Wünsche“ (TdW) im Auftrag des Burda-Verlages. In mündlicher oder schriftlicher Form werden knapp 10.000 Personen befragt. Dabei werden folgende Tatbestände erhoben: Nutzung von rund 85 Publikumszeitschriften und Fernsehen, Konsumverhalten in rund 20 Konsumbereichen einschließlich Kauf und Verwendungsverhalten; psychologische Merkmale der befragten Personen. Die Nutzung der Zeitschriften und des Fernsehens müßte bei korrekter Durchführung den Daten der Media-Analyse bzw. der Allensbacher Werbeträger-Analyse gleichen. Der Vorteil ist darin zu sehen, daß gleichzeitig Konsumverhalten und psychologische Merkmale in größerem Umfange erfaßt werden. Eine ähnliche mit der TdW konkurrierende Studie ist die Verbraucher-Analyse (VA) im Auftrag der Verlage Springer und Bauer. Neben der Nutzung wichtiger Medien, wie Zeitschriften, Tageszeitungen, Funk und Fernsehen werden auch hier das Konsumverhalten, Besitzmerkmale, Freizeitinteressen, ProduktinformationsInteressen, Einstellungen, Markenbewußtsein und Preisbewußtsein erhoben. Zusätzlich zu den untersuchten Produktfeldern werden auch Daten, die einzelne Marken betreffen, ausgewiesen. Die VA erfaßte in der Vergangenheit die SozioDemographie analog zur MA, dazu werden über 300 Produktfelder und über 1.000 Einzelmarken analysiert. Es finden sich Informationen zu rund 30 Freizeitgebieten und Produktbereichen.
368
6. Mediaplanung
Weitere Studien, die hier nur genannt werden sollen sind die Kinder-Lese-Analyse (Kinder-LA), Jugend-Media-Analyse (Jugend-MA), Konfessionsgebundene Medien (Konpress), Lese-Analyse Entscheidungsträger (LAE) oder die Käuferanalyse (KA; im Auftrag von Gruner + Jahr). Insbesondere Studien im Auftrag der Verlage unterliegen der Gefahr auftraggeberfreundlicher Resultate, wie das in gleichem Maße auf die GfK-Fernsehforschung zutrifft, die zwar von der GfK durchgeführt wird, jedoch im Auftrag der großen Fernsehanstalten. Es besteht bei solchen Studien immer die Gefahr der Resultatsverzerrung im Interesse der Auftraggeber. Um die Vielzahl vorliegender Analysen beurteilen zu können, sind auf jeden Fall folgende Kriterien heranzuziehen: a) Auftraggeber, b) erfaßte Medien; häufig sind Auftraggeber und erfaßte Medien identisch, so mögen private Funksender ihre eigenen Reichweiten erfassen lassen, ein Verlag die Medialeistung seiner Zeitschriften, usw. In diesem Fall sind die Daten mindestens sehr skeptisch zu beurteilen. Auftragsforschung unterliegt oft erheblichen Verzerrungen im Sinne des Auftraggebers. c) Möglichkeit einer Einflußnahme der betroffenen Verlage und Sendeanstalten bzw. Institutionen auf die Resultate, d) systematische Verzerrungen in der Auswertung, e) Institute, die die Erhebung durchführten. Auch dieser Tatbestand läßt gewisse Rückschlüsse auf die Seriosität der Untersuchung zu. f) Zeitpunkt der Untersuchung, g) Zeitpunkt der Veröffentlichung; die letzten beiden Punkte lassen Rückschlüsse auf die Aktualität der Planungsdaten zu. h) Größe und Zusammensetzung der Stichprobe; entscheidend ist, ob die eigene Zielgruppe innerhalb der Stichprobe ausreichend oft vertreten ist. Die absolute Größe der Stichprobe ist kaum relevant. i) Aussagegehalt der Untersuchung; wird lediglich das Media-Verhalten untersucht oder liegen auch Informationen über Konsumverhalten und ggf. psychologische Beschreibungsmerkmale der befragten Personen vor?
6.2 Die Media-Analysen
369
Es ist erstaunlich, daß die gesamte Mediaforschung nicht längst unter vollständiger Kontrolle und Aufsicht der werbetreibenden Wirtschaft durchgeführt wird. Eine Sonderrolle unter den Media-Studien nimmt die IVW (Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V.) ein. Die IVW wurde auf Initiative des ZAW (Zentralausschuß der Werbewirtschaft) bereits 1949 gegründet und hat die Aufgabe, Erscheinungsweisen und Auflagenmeldungen der ihr angeschlossenen Werbeträger zu überprüfen. Die Mitgliedschaft in der IVW ist freiwillig. Sie signalisiert aber den Werbetreibenden und Werbeagenturen durch die Tatsache der Mitgliedschaft, daß sich das Medium den Prüfungsbestimmungen der IVW unterwirft. Die Zukunft der Mediaforschung wird sicherlich den schon länger populär gewordenen „Single Source“-Ansätzen gehören. Prinzipiell finden wir diesen Ansatz schon seit längerer Zeit in einigen Verlagsstudien (Typologie der Wünsche, Verbraucher-Analyse) realisiert, in denen innerhalb einer Befragung sowohl Konsumals auch Mediennutzungs-Verhaltensweisen erkundet werden. Nunmehr finden sich verlagsunabhängige „Single Source“-Studien in der Forschungspraxis. Möglichkeiten der Forschung ohne Befragung bietet die Scanner-Technologie in Verbindung mit Verbraucher-Panels. Als empirische Basis dient beispielsweise bei A.C. Nielsen ein Haushaltspanel von rund 10.000 Haushalten. Hier werden alle Einkäufe von Konsumgütern erfaßt, ebenso Kauf und Abonnementbezug von Zeitschriften und Zeitungen. Bei über 1.000 Haushalten wird ferner das Fernsehnutzungsverhalten mittels TV-Meter erfaßt (Milde, 1993, S. 27). Das Verfahren entspricht der bereits dargestellten GfK-Fernsehforschung. Die gekauften Produkte werden mittels Hand-Scanner elektronisch erfaßt, wozu die EAN-Strichcodes genutzt werden, die auf fast allen Warengattungen angebracht sind. Printmedien werden ebenfalls mit Hilfe von Strichcodes erfaßt. Das Fernsehverhalten mißt ein Mikro-Computer am Fernsehen, das TV-Meter: dieses verifiziert in Abständen von Sekunden den eingeschalteten Kanal und speichert ihn zusammen mit der Information, welche Haushaltsmitglieder gerade fernsehen. Haushaltsmitglieder geben das mit einem Knopfdruck auf einer speziellen Fernbedienung an“ (ebenda). Die Daten werden in kurzen Abständen per Modem und Telefon auf einen Zentralrechner übertragen. Die so entstehenden Datenbanken liefern Informationen über Einkaufsverhalten, Kontakte mit Marketing-Maßnahmen, Mediennutzung und weitere Informationen, die über zusätzliche Befragungen erfaßt werden können. Die „Single Source“-Forschung ermöglicht eine Mediaplanung auf der Basis von Käuferhaushalten, während die Planung bisher auf der Basis demographischer Zielgruppen erfolgte. Nach Assael & Poltrack (1991, 1993, 1994 und 1996) liefert die Planung der Werbung auf der Basis des direkt gemessenen Käuferverhaltens effizientere Mediapläne als traditionelle Vorgehensweisen auf der Basis sozio-
370
6. Mediaplanung
demographischer Zielgruppenbeschreibungen. Insgesamt erwiesen sich in mehreren Studien Methoden der Media-Selektion auf der Basis von „Single Source“Studien, die gleichzeitig Konsum- und Mediennutzungsverhalten erfassen den herkömmlichen Verfahren gegenüber als überlegen. In Zukunft wird man vermutlich Zielgruppen sowohl auf soziodemographischer Basis als auch direkt auf der Basis der Kaufverhaltensweisen zu beschreiben haben. Voraussetzung dazu sind ausreichend große Stichproben. Diesbezüglich ist sicherlich eine Stichprobe von 1.000 Haushalten noch in starkem Maße erweiterungsbedürftig. Nur dann, wenn eine großflächig angelegte Stichprobe mit repräsentativer Handels- und Haushaltsstruktur gleichermaßen zur Verfügung steht, ist den Ansprüchen einer effizienten Mediaplanung Genüge getan. Im folgenden erläutern wir die wichtigsten Begriffe aus Mediaforschung und Mediaplanung (vgl. ausf. Unger, Durante, Gabrys et al. 2004, S. 32 ff.). • Kontaktwahrscheinlichkeit (OTS, OTH, OTC) (Opportunity to See,...to Hear,...to Contact). Damit ist die Frage des Werbekontaktes angesprochen. Dieser ist mediatechnisch dann erreicht, wenn die dafür definierten Bedingungen erfüllt sind, die Person also als „Seher“, „Hörer“, „Leser“ oder allgemein als „Nutzer“ gilt. Aus den unter diesen Begriffen dargestellten Bedingungen wird deutlich, daß lediglich Medienkontakte (Werbeträgerkontakte) erfaßt werden. Ob es dabei überhaupt zu einem mehr oder weniger vollständigen Kontakt mit dem Werbemittel selber kommt, oder vielleicht sogar zu mehrfachem Kontakt mit der Werbung (Zeitungen und insbesondere Zeitschriften), wird erst in jüngsten Untersuchungen zur Kontaktqualität annähernd genau auf der Basis von Wahrscheinlichkeiten erfaßt. Ein Werbekontakt ist mediatechnisch dann erreicht, wenn eine Person Kontakt mit einem Medium hat, in dem sich die Werbung befindet, also entweder Radio- oder Fernsehprogramme nutzt, während die Werbung ausgestrahlt wird, oder eine Zeitschrift durchblättert, in der sich die betreffende Anzeige befindet. Da über Media-Analysen bekannt ist, welche Personen wann, welche Medien nutzen, läßt sich dieser Kontakt ausreichend genau schätzen. Nicht bekannt ist aber, ob es durch Nutzung des Mediums tatsächlich zu einem Kontakt mit der Werbebotschaft kommt. Die Person kann zwar das Rundfunk- oder Fernsehprogramm eingestellt haben (darüber liegen ausreichend genaue Wahrscheinlichkeitsschätzungen vor), nicht gesagt ist aber, ob sie tatsächlich die Werbebotschaft aufnimmt, oder gerade anderweitig dermaßen beschäftigt ist, daß überhaupt keine Wahrnehmung erfolgt. Ebenso kann eine Anzeige in einer Zeitschrift überblättert werden, kann aber innerhalb einer Zeitschrift auch bei mehrmaligem Durchblättern mehrmals wahrgenommen werden. Mediatechnisch ist in allen diesen Fällen jeweils ein Kontakt realisiert, nur das läßt sich mathematisch anhand der Mediadaten schätzen. Wie oft und wie intensiv die Werbung selber (das sogenannte Werbemittel: Film, Funkspot oder Anzeige) wahrgenommen wird, ist mediatechnisch zunächst nicht relevant. Wichtig ist,
6.2 Die Media-Analysen
371
daß aus einem Kontakt mit Funk- oder TV-Werbung maximal ein Kontakt mit der Werbung werden kann, im ungünstigsten Fall gar kein Kontakt. Aus einem Kontakt mit einer Zeitschrift können jedoch durch mehrmaliges Durchblättern (trotz möglicherweise anfänglichem Übersehen) mehrere Kontakte mit dem Werbemittel, der Anzeige, werden. Um diese Problematik zu berücksichtigen, wird mediatechnisch vom sogenannten OTS-Wert gesprochen (OTS = Opportunity To See), also einer KontaktChance. OTS-Werte drücken also die Möglichkeit dafür aus, daß es zu einem Werbekontakt einer Person in der Zielgruppe kommt. Ein vollständiger Mediaplan (bestehend aus mehreren belegten Werbeträgern, z.B. Zeitschriften und der Häufigkeit ihrer jeweiligen Buchung) erzielt einen OTS-Wert, der ausdrückt, wie oft eine Person der Zielgruppe im Durchschnitt erreicht wird. Dann sprechen wir in der Marketingpraxis vom „Werbedruck“. Schmalen (1995) weist völlig zu Recht darauf hin, daß die OTS-Werte den eigentlichen Werbedruck nicht widergeben. Dazu müßte diese mit einem Faktor multipliziert werden, der zum Ausdruck bringt, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, daß aus einem OTS-Wert ein Kontakt mit der Werbebotschaft selber wird. Allerdings läßt sich bis heute für einzelne Werbeträgergattungen kein empirisch überprüfbarer Multiplikator finden. Zudem ist zu vermuten, daß dieser Wert einer Mediagattung, insbesondere bei Zeitschriften zwischen den einzelnen Werbeträgern schwankt. • Der Heft-Kontakt (LpA-Wert) beziffert die Chance, daß eine Ziel-Person eine durchschnittliche Ausgabe eines Titels zur Hand nimmt, um darin zu blättern oder zu lesen. Offen bleibt dabei, wie ausführlich dieses Lesen und Blättern geschieht. • Der Seiten-Kontakt (LpS-Wert) beziffert die Chance, daß eine Ziel-Person eine durchschnittliche Seite in einer durchschnittlichen Titel-Ausgabe aufschlägt, um auf dieser Seite etwas anzusehen oder zu lesen. Dabei wird ausgesagt, in wieweit der Werbeträger einer Anzeige eine Kontaktchance bietet, indem die Leser des Titels mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eine Seite aufschlagen. • Der Seiten-Mehrfach-Kontakt (SMK) beziffert die Chance, daß eine ZielPerson eine durchschnittliche Seite in einer durchschnittlichen Titel-Ausgabe mehr als einmal aufschlägt, um auf dieser Seite etwas anzusehen oder zu lesen. Um die Möglichkeit des Werbemittelkontaktes zu untersuchen, wird dabei mit folgenden Fragestellungen zum Werbemittelkontakt gearbeitet, die von der Technischen Kommission der AG.MA für die MA's der 90er Jahre entwickelt wurde:
372
6. Mediaplanung
Seitenkontakt: „In der letzten Ausgabe von..., mit der Sie schon fertig sind oder die Ihnen nicht mehr zur Verfügung steht: Wie viele Seiten von... haben Sie insgesamt aufgeschlagen, um dort etwas anzusehen oder zu lesen?“ Antwortvorgaben:
Fast keine Nur wenige Ein Viertel Die Hälfte Drei Viertel Alle, fast alle Seiten
Fragestellungen zum Seitenmehrfachkontakt. Seitenmehrfachkontakt: „Wie viele Seiten von... haben Sie zweimal oder öfter aufgeschlagen, um dort etwas anzusehen oder zu lesen? Sagen Sie es mir anhand dieser Liste.“ Antwortvorgaben:
Keine Seite zweimal oder öfter Nur wenige Ein Viertel Die Hälfte Drei Viertel Alle, fast alle Seiten
Nun gilt es, diese Aussagen zu verrechnen. Wenn also beispielsweise in einem Heft die Hälfte aller Seiten betrachtet wird, dann erhält diese Heftnutzung den Wert 0,5. Konkret erfolgt die Berechnung folgendermaßen: Die Seiten-Kontaktchance ergibt sich aus Heft-Lesewahrscheinlichkeit (bekannter LpA-Wert) mal die Seiten-Nutzungswahrscheinlichkeit plus SeitenMehrfachnutzungswahrscheinlichkeit. Wir nehmen dazu für Einfachkontakte ein Beispiel: Die Person gibt an, die Hälfte der Seiten aufgeschlagen zu haben und zudem ein Viertel der Seiten zweifach oder öfter. Das heißt mit anderen Worten, ein Viertel der Seiten wurde lediglich einmal aufgeschlagen, ein weiteres Viertel mehrfach. Die Berechnung ist dann wie folgt: 0,25 +
(0,25x 2) =
0,75
Für die Einfachkontakte
Für die Mehrfachkontakte
Gesamtwert
6.2 Die Media-Analysen
373
Die Frage der Kontaktqualität wird die Werbeszene insbesondere aufgrund sich derzeit zusätzlich ergebender Werbemöglichkeiten noch weiter beschäftigen. Auch wenn es niemals die endgültig richtige Media-Währung geben wird, so lohnt es doch, durch immer neuere Fragestellungen die diesbezüglichen Erhebungsmethoden immer weiter zu verbessern. • Kontakthäufigkeit Anzahl der Kontakte, die z.B. ein Nutzer mit einem Medium oder einem vollständigen Mediaplan hat. Statistisch gesehen handelt es sich dabei um einen Erwartungswert, da dieser aus den Nutzungswahrscheinlichkeiten der Medien berechnet wird. Wir fragen also zusammenfassend, wie viele Personen der Zielgruppe insgesamt (Reichweite) erreicht werden und wie oft dies im Durchschnitt bei jeder Person erfolgen wird (Kontakthäufigkeit; OTS, OTH, OTC). • Durchschnittskontaktchancen pro erreichter Zielperson Anzahl der Kontaktchancen, die innerhalb eines Mediaplanes im Durchschnitt auf die erreichten Personen entfallen (OTS, OTH, OTC). Formel:
Bruttoreichweite (Kontakte) Nettoreichweite (Personen)
Beispiel:
3 Einschaltungen 8.970.000 Kontakte 5.250.000 Personen
∅ OTS = 1,7
Der Durchschnittskontakt ist nur bedingt aussagefähig, da er keine Aussage macht, wieviel Kontaktchancen letztendlich auf die einzelnen Zielpersonen entfallen. Wenn die Person A 15 Kontakte hat, die Person B nur 1 Kontakt mit dem Werbeträger, so ergibt dies zwar einen ausreichenden durchschnittlichen OTC-Wert von 8. Es kann aber vorausgesetzt werden, daß bei der Person B keine Lernwirkung erzielt werden kann. Die Lösung dieses Problems liefern einfache Häufigkeitsverteilungen, die als Kontaktklassen ausgewiesen werden. • Kontaktklassen Zusammenfassung einzelner Kontakthäufigkeiten zu Gruppen innerhalb eines Werbeträgers oder einer Werbeträger-Kombination (Abbildung 6-2). Ein sehr schönes Beispiel findet sich bei Vergossen (2004, S. 87). Die Ermittlung der Personen mit einer bestimmten Kontaktmenge (Kontaktdichte) ist am Beispiel der Abbildung 6-2 noch recht einfach. Kompliziert wird
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6. Mediaplanung
die Berechnung jedoch, wenn innerhalb einer Mediakombination die Kontaktklassen ausgewiesen werden sollen. Dies ist mit Hilfe eines Computers problemlos möglich. Es empfiehlt sich immer die Kontaktklassen auszuweisen, da erst dadurch die wirksame Reichweite festgestellt werden kann die Personen, die zu niedrige Werte aufweisen, zählen zur „unwirksamen Reichweite“.
Anzahl der Personen 7-8 5-6 3-4 1-2
9-10 11-12 Kontaktklassen
Abbildung 6-2: Kontaktklassen: Zusammenfassung einzelner Kontakthäufigkeiten zu Gruppen • Leser Als Leser einer Zeitschrift gilt eine Person, die diese Zeitschrift ganz oder teilweise gelesen oder durchgeblättert hat. Dabei genügt das Betrachten des Titelbildes allein nicht. Die dieser Befragung zugrunde liegenden Zeiträume unterscheiden sich je nach Zeitschriftengattung. Bei monatlich erscheinenden Zeitschriften werden die Personen nach dem letzten Jahr befragt, bei 14-täglich erscheinenden Titeln nach dem letzten halben Jahr und bei wöchentlich erscheinenden Titeln nach den letzten drei Monaten. Man kann also sagen, daß jeweils die Nutzung der letzten 12 Ausgaben einer Zeitschrift erfragt wird. Bei Tageszeitungen wird die Nutzung innerhalb der letzten 2 Wochen erkundet (Weitester Leserkreis WLK). • Seher Als Seher in der Begriffsbestimmung der A.G.M.A. (Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse e.V.) gilt die Person, die mindestens 60 Sekunden (Minutenkonvention) innerhalb einer halben Stunde konsekutiv (durchgehend) das jeweilige Programm/Sender genutzt hat. Im Gegensatz zu den Reichweiten bei Publikumszeitschriften, Tageszeitungen, Werbefunk und Kinobesuch, die erfragt werden, sind die Reichweiten beim Werbefernsehen über das GfKTelemeter gemessen. Die Medieneinheit ist die halbe Stunde, in der die ausgewiesenen Sender Werbung ausstrahlen.
6.2 Die Media-Analysen
375
Als Seher gelten alle Personen, die im jeweiligen Zeitabschnitt einer halben Stunde das Fernsehgerät eine Minute eingeschaltet hatten - gleich ob zu dieser Zeit Werbefernsehen gesendet wurde oder nur Kontakt mit dem redaktionellen Programm bestand. Durch „Zappen“ kann zusätzliche Reichweite entstehen, ohne daß überhaupt die Werbung gesehen wird. Durch die „Minutenkonvention“ entstehen Reichweiten, die über das Doppelte so hoch sind, wie die realen Werte, die über das GfK-Meter direkt gemessen werden. Aus diesem Grund wird heute die Planung „Werbefernsehen“ vorzugsweise mit den Originaldaten des GfK-Telemeters vorgenommen, wobei sekundengenau erfaßt wird, welche Personen zu welchem Zeitpunkt einen Sender eingeschaltet haben. So sind genaue Daten über die Zuseherschaft die Grundlage der Mediaplanung im TV. • Hörer Als Hörer gilt die Person, die angibt innerhalb einer durchschnittlichen Stunde Kontakt - und sei er noch so kurz - mit einer Hörfunksendung gehabt zu haben, dabei ist nicht entscheidend, ob überhaupt Werbefunk gehört wird. Abgefragt wird von 5 Uhr morgens bis 24 Uhr nachts. Neben Tätigkeiten Zuhause und außer Hause wird nach sendespezifischem „Radiohören“ gefragt. Der Tag wird hierzu in Viertel-Stunden-Segmente aufgeteilt. Erfragt wird die Nutzung des Hörfunkprogrammes während der letzten 2 Wochen (Weitester Hörerkreis WHK). • Kinobesucher Als Kinobesucher gilt die Person, die angibt, irgendwann, irgendeinen Film ganz oder teilweise gesehen zu haben, wobei nicht nach der Wahrnehmung von Werbefilm oder Dias gefragt wird. Genau wie bei Fernsehen, Hörfunk, Tageszeitung und Publikumszeitschriften wird lediglich die Möglichkeit eines Kontaktes mit dem Werbeträger und nicht mit dem Werbemittel erhoben. Anders als bei Zeitschriften mit dem 12-fachen einer Medien-Kontakteinheit wird der Kinobesuch auf ein Jahr bezogen. Das bedeutet, daß alle Personen, die angeben im letzten Jahr wenigstens einmal im Kino gewesen zu sein, bei der Berechnung berücksichtigt werden (Weitester Nutzerkreis WNK). • Demographische, soziographische und soziodemographische Merkmale Während man früher unter demographischen Merkmalen z.B. Geschlecht, Alter oder Ortsgröße verstand, unter soziographischen Merkmalen spezielle Eigenschaften sozialer und wirtschaftlicher Art, wie z.B. Einkommen, Schulbildung, versteht man unter soziodemographischen Merkmalen heute gleichbedeutend alle personenbeschreibenden Merkmale. • Psychologische Merkmale Qualitative Merkmale, die Aufschluß über Einstellungen und Verhalten der Befragten ergeben, beispielsweise Bedürfnisstrukturen, Wünsche, Marktorientierung, Einstellungen zur Werbung oder zum Konsum generell. Psychologische Merkmale nehmen in ihrer Bedeutung für die Mediaplanung zu. Sie
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6. Mediaplanung
scheinen für das Konsumverhalten in vielen Fällen relevanter zu sein als soziodemographische Merkmale, mit Ausnahme der psychologischen und „Lifestyle“-Merkmale. • Lifestyle Verknüpfung soziodemographischer Strukturen, Mediaverhalten und Medianutzung sowie Kauf-, Konsum- und Freizeitverhalten der Verbraucher mit qualitativen und psychologischen Daten, z.B.: intensiver Biergenuß korreliert mit: spielt gern Poker, liest nicht gern die Bibel, liebt Fußball und Sportwagen, geht gern auf Parties. Von besonderer Bedeutung sind die Termini, mit denen die Kosten und Leistungen eines fertigen Mediaplanes beurteilt werden. Zu den Leistungswerten zählen wir die Reichweite, differenziert nach Netto- und Bruttoreichweite (letztere auch als Gross Rating Points; GRP bezeichnet), sowie die Häufigkeit mit der die Personen erreicht werden (Kontakthäufigkeit bzw. Kontaktklassen). Den Leistungswerten stehen die Kostenwerte gegenüber, nämlich der Tausend-Kontaktpreis und der Tausend-Nutzerpreis. Wenn gefragt ist, wie viele Personen einer Zielgruppe mit einem bestimmten Medium, Werbeträger oder einem Mediaplan insgesamt erreicht werden können, so fragen wir nach der Reichweite. Die Reichweite eines Werbeträgers oder eines Mediaplanes ist das Maß dafür, wie viele Personen der definierten Zielgruppe mit einer oder mehreren Belegungen erreicht werden können, gemessen in absoluten Zahlen oder in Prozent der Zielgruppe. Die Reichweite kann sich demnach auf eine einzige Belegung eines spezifischen Werbeträgers (z.B. einer Zeitschrift) oder mehrerer Belegungen dieses Werbeträgers beziehen; (man spricht dann von der sogenannten kumulierten Reichweite) oder aber auch auf einen gesamten Mediaplan, also alle belegten Werbeträger und ihre jeweilige Schaltfrequenz (Häufigkeit der Belegung). Wird ein bestimmter Werbeträger mehrfach belegt, dann ist es wichtig zu wissen, wie sich die insgesamt erreichbare Reichweite entwickelt. Liegt die Reichweite bei einer Schaltung beispielsweise bei 35% dann liegt die BruttoReichweite bei 2 Schaltungen bei 70%. Die Netto-Reichweite nach Mehrfachbelegung eines Werbeträgers ist die Brutto-Reichweite bereinigt um diejenigen Nutzer, die mehrfach erreicht wurden. Bei einem Werbeträger, der von seinen Nutzern sehr regelmäßig genutzt wird, ist der Reichweitengewinn durch Mehrfachbelegung relativ gering. Dafür werden die erreichten Personen öfter erreicht (Anstieg der Kontakthäufigkeit). Das ist insbesondere bei abonnierten Programmzeitschriften der Fall. Bei unregelmäßig genutzten Zeitschriften steigt die Reichweite bei Mehrfachbelegung schneller an, dafür sind geringere Zuwächse bei der Kontakthäufigkeit zu erwarten. Diese Zusammenhänge werden in der folgenden Abbildung 6-3 am Beispiel einer Kaufzeitschrift und einer Programmzeitschrift dargelegt. Bei letzterer sind schon bei 2-3 Belegungen nahezu alle potentiellen Nutzer erreicht. Bei der unregelmäßig genutzten Kaufzeitschrift sind dafür bis zu 10 Belegungen notwendig.
6.2 Die Media-Analysen
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Kontakte
Titel A Titel B 2x 1x
2x 2x 1x
1x 1x
2x 1x
2x
1x 1x
2x 1x
Reichweite bei der Gesamtbevölkerung
Abbildung 6-3: Kumulation eines Streuplanes. Titel A und Titel B wurden 2 x belegt. Darstellung des Aufbaus der Reichweite in den einzelnen Kontaktklassen • Nettoreichweite und Bruttoreichweite Die Nettoreichweite bezieht sich auf die Anzahl der Personen, die von einem Werbeträger, (z.B. einem Zeitschriftentitel) oder einer Werbeträgerkombination (z.B. einer Zeitschriftenkombination) mindestens einmal erreicht werden. Zur Nettoreichweite gelangt man, indem die Bruttoreichweite um alle internen und externen Überschneidungen bereinigt wird. Während bei der Bruttoreichweite alle erreichten Kontakte jeder Belegung addiert werden und somit auch mehrfach zählen, zählt bei der Nettoreichweite jede mehrfach erreichte Person nur einmal. Es wird ausgewiesen, wie viele Personen insgesamt erreicht werden. Es gibt einige unterschiedliche Definitionen dafür, wann eine Person bei TV als Zuseher begriffen wird, von denen wir zwei beschreiben wollen: Die Nettoreichweite betrifft die Personen, die einen bestimmten TV-Sender während der Ausstrahlung eines Werbeblocks wenigstens eine Minute ununterbrochen eingeschaltet hat und sich gleichzeitig über die Tastatur am Peoplemeter angemeldet hat. Eine Person, die durch Umschalten während eines Werbeblocks den Beginn eines solchen Werbeblocks auf Sender A „gesehen“ hat und anschließend den Schluß von einem Werbeblock auf Sender B, trägt so zur Nettoreichweite beider Sender bei. Dieser Wert kann für die Werbeplanung daher nicht befriedigen, da er zu hohe Nutzerzahlen ausweist (vgl. Wessbecher & Unger, 1991, S. 112-115). Daher wird dieser Wert auch kaum noch verwendet.
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6. Mediaplanung
Ein anderer Wert bezieht die Sehdauer von Personen mit ein. Nehmen wir an, eine Sendung dauert 100 Minuten. Eine beliebige Person schalte sich für 10 Minuten ein. Sie „nutzt“ also 10% der Sendung. Dann geht diese Person mit 1/10 (als Personenwert) in die Sehbeteiligung für diese Sendung ein. Analog berechnet sich die Sehbeteiligung für einen Werbeblock von beispielsweise 5 Minuten bzw. 300 Sekunden Dauer. Eine Person, die nach einer Minute umschaltet nutzt den Werbeblock zu 20% bzw. geht als 1/5 Person in die Sehbeteiligung ein. Eine Person, die eine Sendung oder einen Werbeblock vollständig nutzt, geht als 1/1 Person in die Sehbeteiligung ein. So werden die für die Mediaplanung brauchbaren Zuseheranteile der Sender erfaßt. Wir fassen zusammen: Die wichtigsten Leistungswerte sind also die NettoReichweite und die Brutto-Reichweite. Während die Netto-Reichweite aussagt, wieviele Personen insgesamt wenigstens ein Mal erreicht werden, drückt die Brutto-Reichweite den gesamt erzielten Werbedruck aus. Sie läßt sich errechnen, indem die Netto-Reichweite mit den Kontaktwahrscheinlichkeiten multipliziert wird (OTS, OTH, OTC). Den Leistungswerten stehen die Kosten der Mediaplanung gegenüber. Hier unterscheiden wir den Tausend-Nutzerpreis und den Tausend-Kontaktpreis. • Tausend-Nutzerpreis Er besagt, was es kostet, 1000 Personen der Zielgruppe zu erreichen, unabhängig davon, wie oft diese Personen einen Kontakt mit dem Werbeträger haben. Formel:
Beispiel:
Einschaltpreis x 1.000 Nettoreichweite (Personen) 3 Einschaltungen, ganzseitig, vierfarbig kosten 110.642,70 Euro und erreichen 5.250.000 Personen 110.642,70 € x 1.000 5.250.000 Leser
= 21,07 Euro
So läßt sich die Leistung verschiedener Werbeträger vergleichbar machen. Es ist möglich, daß ein Werbeträger mit einer hohen Reichweite dies durch sehr hohe Einschaltkosten erkauft. Andererseits kann ein Werbeträger mit geringer Reichweite bei sehr geringen Einschaltkosten durchaus günstig sein. • Tausend-Kontaktpreis Er besagt, was es kostet, 1.000 Kontaktchancen in der Zielgruppe einzukaufen. Der Tausend-Kontaktpreis ist die härtere und allgemein gebräuchlichere Kosten/Leistungsbewertung, da er von internen und bei Kombinationen von externen Überschneidungen unabhängig ist.
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Formel:
Einschaltpreis x 1.000 Bruttoreichweite (Kontaktmenge)
Beispiel:
3 Einschaltungen, ganzseitig, vierfarbig
110.642,70 Euro x 1.000 8.970.000
= 12,33 Euro
Da sich die Bruttoreichweite durch Multiplikation der Nettoreichweite mit den Kontakthäufigkeiten ergibt, können wir auch schreiben: Einschaltpreis × 1.000 Nettoreichweite x Kontakthäufigkeit (OTS) In der Mediapraxis ist für die Multiplikation der Nettoreichweite mit der Kontakthäufigkeit der Begriff „Gross Rating Points“ (GRP) gebräuchlich. Wir können also auch schreiben: Einschaltpreis × 1.000 GRP Wie man leicht erkennt, kann man ganz leicht vom Tausend-Nutzerpreis zum Tausend-Kontaktpreis gelangen, wenn man den Tausend-Nutzerpreis durch die in einem Mediaplan durchschnittlich erzielte Kontaktwahrscheinlichkeit dividiert. Wir können also auch schreiben: Tausend - Nutzerpreis Kontaktwahrscheinlichkeiten • Wirksame Reichweite Um eine Werbebotschaft durchzusetzen, bedarf es einer bestimmten Kontaktmenge pro Zielperson. Die Höhe der Kontaktdosis ist von einer Reihe von Faktoren abhängig wie Produktinteresse, Bekanntheitsgrad, Markenimage, Begegnung mit dem Produkt, Nutzung des Werbeträgers, usw. Man kann aber davon ausgehen, daß durch die gegebene Informationsüberlastung die notwendige Kontaktmenge pro Person stark nach oben gestiegen ist. Bei der wirksamen Reichweite wird festgelegt, ab welcher Kontaktdosis pro Zielperson sich die Werbebotschaft durchsetzen kann. Alle Kontakte unter der fiktiven Wirkungsschwelle werden vernachlässigt und gehen nicht in die Leistungswerte ein. Dementsprechend steigen dann die Kostenwerte (Tausend-Nutzerpreis und Tausend-Kontaktpreis).
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6. Mediaplanung
6.3 Werbeträger-Gattungen Im folgenden stellen wir die wichtigsten Media-Gattungen dar, zunächst Printmedien, dann elektronische Medien (vgl. ausführlich Unger, Durante, Gabrys et al. 2004, S. 109 ff.).
6.3.1 Publikumszeitschriften Publikumszeitschriften waren lange Zeit die bedeutendste Werbeträger-Gattung, was daran lag, daß vor der Einführung des Privat-Fernsehens in Deutschland die Werbemöglichkeiten im Fernsehen limitiert waren, mit der Folge, daß der größere Teil der Werbebudgets in Printmedien plaziert wurde. In den letzten Jahren wurden Publikumszeitschriften in ihrer Bedeutung von TV übertroffen. Die Publikumszeitschriften haben den wesentlichen Vorteil, daß je nach Auswahl der Titel in besonders starkem Maße eine zielgruppenspezifische Werbesteuerung möglich ist. Es kann eine nahezu alle Bevölkerungsgruppen ansprechende Mediastrategie realisiert werden. Die Möglichkeit der Segmentierung anhand soziodemographischer Kriterien ist schon lange üblich. Dazu kommt nunmehr in stärkerem Maße auch die Möglichkeit einer Segmentierung nach psychographischen Merkmalen. Beispiele dazu liefert eine Vielzahl qualitativ ausgerichteter Media-Analysen. Die Nutzung von Zeitschriften liegt vollständig im Ermessen der Leser. Ort, Zeitpunkt und Dauer der Zeitschriftennutzung sind frei wählbar, wiederholte Nutzung ist bei vielen Zeitschriften die Regel. Auch hierüber liegt für die Mediaplanung ausreichendes Untersuchungsmaterial vor. Die Kontaktqualitäten der verschiedenen Zeitschriften werden im Rahmen der Media-Forschung einer vergleichenden Bewertung unterzogen. Die Beschäftigung mit Zeitschriften erfolgt in aller Regel sehr intensiv. So finden Appel, Weinstein & Weinstein (1979) bzw. Weinstein, Appel & Weinstein (1980), daß die Hirnaktivitäten bei der Nutzung von Zeitschriften höher sei als bei der Nutzung elektronischer Medien. Das würde bedeuten, daß die Lernleistung bei Zeitschriften höher ist. Je intensiver die gedanklichen Aktivitäten ausfallen, um so bessere Erinnerungsleistungen sind erzielbar. Schon die Wahrnehmung eines Reizes selber ist bei höherer Hirnaktivität eher gewährleistet. Lange Zeit war es umstritten, von hirnelektrischen Messungen auf gedankliche Vorgänge schlußfolgern zu können. Eine Studie von Rösler (1982) zeigt jedoch, daß erhebliche Korrelationen zwischen hirnelektrisch gewonnenen Daten und kognitiven (gedanklichen) Prozessen existieren. Bei der Gestaltung von Anzeigen ist zu beachten, daß wir normalerweise von einer relativ kurzen Betrachtungszeit ausgehen müssen, die im Durchschnitt um 2 Sekunden liegt (vgl. Kroeber-Riel, 1987, S. 121), mehr als 5 Sekunden sind kaum zu
6.3 Werbeträger-Gattungen
381
erwarten. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, daß es sich dabei um Durchschnittswerte handelt. Es interessiert natürlich nicht, wie lange die gesamte Nutzerschaft einer Zeitschrift eine betreffende Anzeige im Durchschnitt betrachtet, sondern vielmehr, wie lange die Personen der Zielgruppe sich einer bestimmten Anzeige zuwenden. Aber wie lange ist das? Darüber haben wir keinerlei allgemeingültige Informationen. Generell sollten wir jedoch trotz dieses Einwandes von einer normalerweise eher kurzen Betrachtungszeit ausgehen. Wenn man beachtet, daß der Mensch pro Sekunde nur etwa vier Informationseinheiten verarbeiten kann, so wird deutlich, wie wenig Informationen in vielen Fällen durch eine Anzeige vermittelbar sind. Anzeigen sollten auf jeden Fall so gestaltet werden, daß sie auf den ersten Blick in kurzer Zeit bei Verarbeitung von vielleicht 20 Informationseinheiten die zentrale Botschaft zu vermitteln in der Lage sind. Wenn eine Anzeige auf den ersten Blick eine, wenn auch kurze, verständliche und interessierende Botschaft vermittelt, dann besteht eine gute Chance, den Rezipienten bei einem Wiederholungskontakt zu einer intensiveren Hinwendung zu motivieren. Dann hat auch eine argumentative verbale Aussage ausreichend Chancen, wenigstens teilweise gelesen und verarbeitet zu werden - und das bei relativ hoher Hirnaktivität. Anzeigen sind eines der wenigen Medien in der Werbung, durch die auch umfangreichere Botschaften vermittelt werden können. Dennoch sollte beachtet werden, daß Anzeigen im wesentlichen so gestaltet werden, daß sie eine einfache und auf den ersten Blick schnell zu verarbeitende Botschaft enthalten. Das sollte der zentrale Inhalt einer Anzeige sein. Zusätzliche Informationen können einem späteren wiederholten Kontakt gewidmet sein. Es gibt allerdings auch Themen, die tatsächlich auf Interesse stoßen, bei denen die Überschrift (Headline) dermaßen anspricht, daß auch ein längerer Text (Copy) gelesen wird. Entscheidend dafür ist, daß die Anzeige auf den ersten Blick sehr stark anspricht und intensives Interesse auslöst. Persönliche Ansprache der Zielgruppe und die Ansprache der interessierenden Thematik schon in der Headline können ein solches Informationsbedürfnis wecken. Allerdings sollte man sich in der Praxis nicht darauf verlassen, daß es gerade die eigene Anzeige ist, welche auf überdurchschnittliche zeitliche Hinwendung stößt. Wenn eine bestimmte Konzeption dies verlangt, dann sollte das Resultat durch einen Werbemittel-Pretest abgesichert werden. Schließlich gibt es Zeitschriften, sogenannte „Special Interest“-Titel, bei denen auch Anzeigen als vom Leser gesuchte Informationen verstanden werden. Besitzer von Motorjachten mögen tatsächlich ein starkes Interesse an der detaillierten Beschreibung bestimmten technischen Zubehörs haben. Anzeigenwerbung in Publikumszeitschriften baut die erreichbare Reichweite über einen bestimmten, teilweise längeren Zeitraum auf. Dabei sind vierwöchentlich erscheinende Titel naturgemäß gegenüber 14-tägig oder wöchentlich erscheinenden Titeln im Nachteil. Das ist insbesondere dann zu beachten, wenn zeitlich fi-
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6. Mediaplanung
xierte Marketingziele zu unterstützen sind. Nicht einmal alle Nutzer einer bestimmten Zeitschriften-Nummer nutzen diese im Erscheinungsintervall. Das führt dazu, daß ein Teil der rechnerisch möglichen Reichweite verloren gehen kann, wenn insbesondere Vier-Wochen-Titel gebucht werden, die erst kurz vor diesem Termin erscheinen (Weihnachts-, Oster- oder Schlußverkaufsgeschäft).
6.3.2 Fachzeitschriften Fachzeitschriften wenden sich an bestimmte Berufsgruppen oder anderweitig fachlich beschreibbare Zielgruppen. Sie sind vom Inhalt her fach- bzw. berufsbezogen. Die Struktur des Fachzeitschriften-Marktes ist besonders unübersichtlich. Wir kennen mehrere Tausend Titel, von denen allerdings nur knapp 900 Titel von der IVW kontrolliert werden. Das Problem der Unübersichtlichkeit reduziert sich allerdings, wenn man berücksichtigt, daß im konkreten Fall immer nur eine spezifische fachbezogene Zielgruppe berücksichtigt werden muß. „Die Merkmale beruflicher Tätigkeiten - genauer die nach betriebswirtschaftlich orientierten Kriterien beschriebenen Funktionen - machen die Empfänger von Fachzeitschriften klar definierbar“ (Kase, 1983, S. 273). Die Nutzung von Fachzeitschriften ist mit der von Publikumszeitschriften durchaus vergleichbar. Insgesamt ist vermutlich von einem höheren Interesse der Leser auszugehen. Scheinbar verführt dieses vermutlich höhere Interesse die werbetreibende Wirtschaft zu stark informationsüberlasteten Anzeigen, insbesondere im Investitionsgüterbereich, ähnliches gilt auch für den Pharmasektor. Es gibt aber keinerlei Grund zu der Annahme, daß Anzeigen in Fachzeitschriften um so viel intensiver verarbeitet würden. Umfassende und komplizierte Informationen oder Produkterklärungen gehören ebenso wenig in Anzeigen in Fachzeitschriften, wie das bei Publikumszeitschriften der Fall ist. Das Ziel der Anzeige kann es lediglich sein, sehr wenige und als wesentlich angesehene Informationen zu transportieren und ggf. die Leser zu weiterer Informationsbeschaffung zu motivieren. Für den Transport katalogähnlicher Informationen ist die Anzeige in Fachzeitschriften in keiner Weise geeignet. Es bedarf vielmehr einer die bestehende Informationsüberlastung beachtenden Gestaltung. Eine besondere Form der Fachzeitschriften sind die Kennzifferzeitschriften. In diesen Zeitschriften wird jeder Beitrag und jede Anzeige mit einer Kennziffer versehen. Mit der in jeder Ausgabe enthaltenen Antwortkarte können unter Nennung der jeweiligen Kennziffer(n) zusätzliche Informationen zu Beiträgen oder Anzeigen angefordert werden. Diese möglichen Reaktionen der Nutzer liefern langfristig eine ausgezeichnete Resonanzkontrolle für die Zeitschrift insgesamt, und kurzfristig können sie als eine Art Kontrolle der Werbewirkung bezogen auf eine Anzeige angesehen werden. Kase (1983, S. 274 ff.) gliedert die Fachzeitschrift wie folgt:
6.3 Werbeträger-Gattungen
383
• Praxisorientierte Fachzeitschriften, die nach Branchen, Berufsgruppen oder Funktionen im Betrieb gegliedert werden können. • Branchengebundene Fachzeitschriften; diese sind jeweils an einem abgrenzbaren Wirtschaftsbereich ausgerichtet. • Branchenübergreifende Fachzeitschriften; diese sind unabhängig von einer Branche an Berufsgruppen oder Funktionen orientiert (z.B. Personalführung, Werkschutz). • Produktionsorientierte Fachzeitschriften; hier stehen Verfahrenstechniken oder Werkstoffe im Mittelpunkt. • Wissenschaftliche Fachzeitschriften, • Kennzifferzeitschriften, • Export-Fachzeitschriften; dabei wird zwischen reinen Export-Fachzeitschriften, die nahezu ausschließlich ausländische Abnehmer über Produkte, Verfahren und Dienstleistungen inländischer Anbieter informieren, und solchen Fachzeitschriften unterschieden, die auch im Inland vertrieben werden.
6.3.3 Kundenzeitschriften „Kundenzeitschriften sind branchenbezogen, erscheinen regelmäßig, haben informativ-unterhaltenden Charakter, dienen der Verbraucherberatung, dem Kundenkontakt und nicht zuletzt der Werbung“ (Stockmann, 1982, S. 1799). Man kann Kundenzeitschriften die Funktion zuschreiben, dem Handel, der diese meist kostenlos verteilt, zu zusätzlicher Sympathie beim Kunden zu verhelfen. Als kostenlose Zugabe unterliegen sie der Zugabeverordnung, was den Umfang beschränkt. Eine einfache Unterteilung ist die nach Branchen: Apotheken Reformhäuser Drogerien Lebensmittelhandel Friseure Fachhandel jeglicher Art Banken, Geldinstitute Kundenzeitschriften werden teilweise durch die enthaltenen Anzeigen finanziert. Für Kundenzeitschriften spricht, daß sie nicht nur relativ zielgruppengerecht ausgewählt werden können, sondern, wenigstens teilweise, auch distributionsgerechte Werbung erlauben.
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6. Mediaplanung
Eine besondere Form der Kundenzeitschrift sind die an Großbetriebsformen des Handels oder an freiwillige Ketten gebundenen Kundenzeitschriften (bekannt sind Zeitschriften der Edeka oder der Rewe). Häufig werden Listungen (die Aufnahme von Markenartikeln in das Handelssortiment) an Werbekostenzuschüsse gebunden (die der Handel von Markenartikelherstellern fordert), teilweise also auch an Werbung in den Kundenzeitschriften der Handelsunternehmung als Gegenleistung für Produktlistungen. Diese Art Werbung ist mediatechnisch kaum zu steuern, sie unterliegt weniger media-strategischen Gesichtspunkten als vielmehr der Machtkonstellation zwischen Hersteller und Handel. Da derartige Werbekostenzuschüsse nicht unbedingt überwiegend dem MarketingInteresse der zahlenden Unternehmung entsprechen und streng genommen in das Konditionengefüge gegenüber dem Handel einzubeziehen sind, sollten die entsprechenden Zahlungen nicht aus dem Media-Budget finanziert werden, sondern aus dem Konditionenbudget. Wird nämlich das Media-Budget in zu starkem Maße durch derartige (und ähnliche) Leistungen belastet, schwächt die Unternehmung ihre eigene Marktposition, um mit den gleichen Mitteln die des Handels zu stärken.
6.3.4 Werbung in Zeitungen Zeitungen werden nach Tageszeitungen und Wochenzeitungen unterschieden; diese wiederum jeweils danach, ob die Zeitung überwiegend per Abonnement erworben oder gekauft wird (Abonnementzeitung, Kaufzeitung). Eine dritte Differenzierung ist die nach dem Verbreitungsgebiet, nämlich überregional oder regional (Scheld, 1985, S. 80). Wochenzeitungen werden noch nach ihrem redaktionellen Konzept unterschieden, nämlich nach Wirtschaftszeitungen, konfessionellen Zeitungen und allgemein informierenden und unterhaltenden Zeitungen. Zu den Wochenzeitungen werden auch die Sonntagszeitungen gerechnet. Insbesondere über die überregionalen Wochenzeitungen lassen sich spezielle Zielgruppen, je nach redaktionellem Konzept, ansprechen. Für Investitionsgüter beispielsweise sind die Wirtschaftszeitungen relevant. In verschiedenen Ballungsräumen haben sich regionale Tageszeitungen zusammengeschlossen, um die Transparenz des Media-Angebotes für die Werbetreibenden zu erhöhen und die Buchungsmodalitäten zu erleichtern. Ziel ist es, diese Mediagattung auch für nationale Kampagnen der Markenartikelindustrie interessant zu machen. Werbung in Zeitungen ist zeitlich sehr gut differenziert einsetzbar und eignet sich damit hervorragend zur Unterstützung kurzfristiger Verkaufsaktivitäten. Dazu kommt die sehr gute regionale Differenzierungsmöglichkeit (Ausnahme überregionale Zeitungen, die jedoch bezogen auf größere Regionen gleichfalls Teilbelegungen ermöglichen). Farbdruck in Zeitungen ist schon seit einigen Jahren kein Prob-
6.3 Werbeträger-Gattungen
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lem mehr und kann ähnliche Druckqualität erreichen, wie in Zeitschriften. Die folgende Abbildung 6-4 zeigt die Vielfalt vorhandener Zeitungstypen. Zeitungen
Tageszeitungen
Abo.- Zeitung
Wochenzeitungen Sonntagszeitungen
Kaufzeitungen
überregional
regional
überregional
FAZ
RheinNeckarZeitung
Bild
Abo.- Zeitung
Kaufzeitungen
regional
überregional
regional
überregional
regional
Hamburger AbendBlatt
Die Zeit
HeimatBlätter
Bild der Frau
Sperrmüll
Abbildung 6-4: Zeitungstypologie mit Beispielen (Scheld, 1985, S. 80) Die Wirkung der Werbung in Tageszeitungen ist äußerst kurzfristig. Tageszeitungen haben (im Gegensatz zu Publikumszeitschriften) eine äußerst kurze Nutzungsdauer, die in der Regel auf einen Tag beschränkt ist. Bei Wochenzeitungen ist die Nutzung und damit auch die Werbewirkung etwas längerfristiger. Die Durchsetzung der Werbewirkung erfolgt bei Tageszeitungen äußerst schnell, über 80% der Nutzer werden am Tag des Erscheinens erreicht. Der Zeitpunkt der Nutzung ist unterschiedlich über den Tag verteilt. Insbesondere haushaltsführende Hausfrauen nutzen die regionale Tageszeitung vormittags vor dem Einkauf und hier auch den Anzeigenteil durchaus als konkrete Einkaufshilfe. Die Wirkung verschiedener Anzeigenkategorien ist unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um reine Markenartikelanzeigen, um Anzeigen des Einzelhandels oder um Partnerschaftsanzeigen (Anzeigen, die vom Handel geschaltet werden, um Sonderangebote mit Markenartikeln auszuloben; zumeist ganz oder überwiegend durch Werbekostenbeteiligung durch die Markenartikelindustrie finanziert) handelt. Hils (1982) stellt einige Untersuchungen zu diesem Thema vor, mit folgenden Resultaten: Bei reinen Markenartikelanzeigen bemerken nur jeweils 33% der Männer und Frauen Marke und Firma, bei Partnerschaftsanzeigen 32% der Männer und 37% der Frauen, bei Einzelhandelsanzeigen 34% der Männer aber 49% der Frauen. Der Beachtungsanstieg bei Frauen liegt also bei rund 50%. Offensichtlich liegt das daran, daß Anzeigen des Einzelhandels als konkrete Einkaufshilfe dienen, diesen Effekt können reine Markenartikelanzeigen nicht liefern. Daß ein ähnlicher Wirkungsverlauf bei Männern nicht zu beobachten ist, liegt offensichtlich daran, daß Männer (noch) nicht in vergleichbarem Maße am täglichen Einkauf beteiligt sind.
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6. Mediaplanung
Daran hat sich bis heute nichts geändert. Für das Management der Marktkommunikation der Markenartikel wäre es also auf jeden Fall vorteilhaft, entsprechende Kampagnen gemeinsam mit dem Handel zu realisieren. Um die Wirkungskombination mit der laufenden „klassischen“ Werbung optimal zu nutzen, ist es in der Praxis vorteilhaft, dem Handel fertige Druckunterlagen zur Verfügung zu stellen, die in der Gestaltung und den Aussagen möglichst vollständig der eigenen Werbung und „Copy Strategy“ entsprechen. Es ist üblich, daß die Lieferanten der Markenartikel dem Handel sogenannte Werbekostenzuschüsse zahlen, damit dieser die regionale Werbung in Tageszeitungen durchführt. Es muß dabei im Interesse des Managements (des Markenartikels) liegen, kommunikativ möglichst stark davon zu profitieren, und das gelingt um so eher, um so stärker die Aussagen in der Handelswerbung den eigenen Werbeaussagen entsprechen. Durch die Lieferung fertiger Druckunterlagen ist die Wahrscheinlichkeit dafür recht hoch. Diese Ausführungen zur Wirkung von Partnerschaftsanzeigen ist auf die Belegung bei regional erscheinenden Tageszeitungen bezogen. Überregional erscheinende Tageszeitungen sind, abgesehen von der Erscheinungshäufigkeit, ähnlich zu beurteilen, wie Zeitschriften. Der Handel bewirbt normalerweise in seinen Anzeigen gleichzeitig mehrere Produkte. Für die Hersteller kommt es darauf an, daß das eigene Produkt möglichst mit einer Abbildung versehen wird. Der Handel versucht häufig, seine Mehrproduktanzeigen durch Abbildungen „aufzulockern“. Derartige Bilder können jedoch in so starkem Maße die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, daß die Wahrnehmung der anderen Produkte deutlich reduziert wird, was sich u.a. durch die Methode der Blickaufzeichnung zeigen läßt (von Keitz, 1986, S. 112 und 113). Hils (1982, S. 1253 ff.) kann außerdem noch aufzeigen, daß die Wahrnehmungsleistung mit der Größe der Anzeigen steigt, jedoch geringer als der Größenzuwachs. „Die Steigerung wird nach oben hin kleiner“ (ebenda, S. 153). Zeitungsanzeigen können in den unterschiedlichsten Formaten und Farbigkeiten geschaltet werden. Zur Berechnung der Preise werden Spalten- und AnzeigenMillimeter (mm) zugrunde gelegt. Anzeigen können auch auf der Titelseite geschaltet werden. Es gibt folgende Werbemöglichkeiten: • Textteilanzeige; ist an drei Seiten von redaktionellem Text umgeben. Der Textteil-mm-Preis ist wesentlich höher als der übliche Anzeigen-mm-Preis. • Blatthohe Anzeigen; werden aufgrund ihres großen Formats allein neben dem redaktionellen Teil einer Seite plaziert, grenzen aber nur mit einer Seite an den redaktionellen Teil an.
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• Eck-Anzeige; steht im Eck einer Seite und zwar meistens rechts unten neben und unter dem redaktionellen Text. Als Mindestgröße für eine solche Anzeige fordern die Verlage häufig 1/4 bis 1/3 Seite. • Panorama-Anzeige; doppelseitige Anzeige (über den Bund), • rubrizierte Anzeigen; Kleinanzeigen, die ihrem Inhalt gemäß bestimmten Rubriken zugeordnet werden, wie z.B. Stellengesuche und -angebote. • Regionale Teilbelegung; diese Möglichkeit besteht bei überregionalen Zeitungen mit Regionalausgaben. • Titelkopfanzeigen; Anzeigen direkt neben dem Zeitschriftentitel. Diese Anzeigen erzielen eine sehr hohe Beachtung bei der Leserschaft. • Inselanzeigen; Anzeigen, die auf allen vier Seiten von redaktionellem Text umgeben sind.
6.3.5 Außenwerbung Unter Außenwerbung verstehen wir alle Werbemöglichkeiten außerhalb geschlossener Räume. Wir unterscheiden dabei drei Kategorien, nämlich Plakatwerbung, Verkehrsmittelwerbung und Leuchtschriften. Für die Mediaplanung sind insbesondere Plakat- und Verkehrsmittelwerbung von Interesse. Wir unterscheiden folgende Formen der Plakatwerbung: Säulen und Plakate, die dem Anschlag mehrerer Werbetreibender vorbehalten sind, sogenannte allgemeine Anschlagstellen oder Allgemeinstellen. Diese kommen aufgrund der möglichen kleinen Formate für Konsumgüterwerbung weniger in Betracht. Sie sind eher geeignet für Veranstaltungshinweise u.ä. Plakate, die jeweils nur von einem Werbetreibenden belegt werden, sogenannte Ganzstellen, die als typische Werbeträger für Konsumgüterwerbung gelten können. Ganzstellen werden zunehmend auch im Bereich des Social- und PolitikMarketing eingesetzt. Sie variieren stark in der Größe von rund 250 x 350 cm bis 380 x 530 cm. Seit den 90er Jahren kommen beleuchtete Kleintafeln hinzu, die als City-LightPoster (CLP) bekannt geworden sind und insbesondere in Großstädten eine recht aufmerksamkeitsstarke Außenwerbung erlauben, die vor allen Dingen vom Handel zunehmend eingesetzt wird; es. sind auch schon beleuchtete Großplakate im Einsatz, neuerdings mit im 20- bis 30-Sekundentakt wechselnden Motiven. Die City-
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6. Mediaplanung
Light-Poster scheinen einen Teil der Werbung, die bisher „klassischen Plakaten“ vorbehalten war, auf sich zu ziehen. Plakatierung eignet sich besonders für die Ansprache jüngerer Zielgruppen. Personengruppen zwischen 14 und 39 Jahren werden deutlich überdurchschnittlich stark erreicht, Personengruppen zwischen 40 Jahre und älter unterdurchschnittlich. Die Unterschiede werden um so gravierender, je jünger bzw. älter die Zielgruppe ist. Berufstätige werden deutlich besser erreicht als Nichtberufstätige und schließlich werden Personen in Städten über 500.000 Einwohnern deutlich überdurchschnittlich und in Orten unter 5.000 Einwohnern deutlich unterdurchschnittlich gut erreicht. Hinsichtlich des Einkommens gibt es keine nennenswerten Unterschiede. Plakatwerbung eignet sich in besonderem Maße für einfache und klare Botschaften. Am besten sind prägnante Bildinformationen zu vermitteln. Die Aufnahme der Botschaft erfolgt normalerweise ohne direkte Hinwendung, sondern eher zufällig. Andererseits ist der Kontakt mit dem Medium für die Personen praktisch nicht vermeidbar. Allerdings wäre es verfehlt, aus kurzer und oberflächlicher Informationsverarbeitung zu schließen, Plakatwerbung wäre nur für „Low Involvement“Produkte geeignet. Es kommt in erster Linie auf eine leicht verarbeitbare, attraktive Gestaltung an. Die Botschaft muß auf sehr wenige, am besten bildlich dargestellte Elemente reduziert werden. Dann kann das Plakat als Ergänzungsmedium zu anderen Werbeträger-Gattungen eingesetzt werden, insbesondere zu Medien, die gleichfalls durch Bilder werben, also Zeitschriften und Fernsehen; kann aber ebenso als einziges, als Basismedium eingesetzt werden. Auch aufgrund spezifischer Wirkungskriterien ist Plakatwerbung besonders zur Unterstützung verkaufsbezogener Maßnahmen geeignet. Infolge der oberflächlichen Wahrnehmung ist die Gedächtnisleistung lediglich kurzfristig. Das Plakat eignet sich als Ansprache kurz vor dem möglichen Kauf, also in der Nähe der großen Verbrauchermärkte. Dieser Mechanismus funktioniert jedoch nur dann überdurchschnittlich gut, wenn die Plakatwerbung auf bereits gelernte Aussagen trifft und so lediglich eine latente Kaufbereitschaft aktivieren soll. Diese muß durch vorherige Werbemaßnahmen geschaffen worden sein. Im Markt selber können dann charakteristische Gestaltungselemente noch einmal in der Verkaufsförderung aufgegriffen werden. Verkehrsmittelwerbung eignet sich in noch stärkerem Maße für kurze, sehr einfache Botschaften. Wir kennen folgende Werbemöglichkeiten an und in Verkehrsmitteln: • Außen:
Rumpffläche für langfristige oder kurzfristige Werbung. Nutzung durch Lackierung oder mittels Folien.
• Innen:
Seitenscheiben-, Decken- und Heckscheibenflächen (einseitig bzw. beidseitig bedruckte Folienkleber vorzugsweise für kurzfristige Werbeeinsätze).
6.3 Werbeträger-Gattungen
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Dabei gelten folgende Durchschnittspreise je Monat und Fahrzeug bzw. Plakat (Formate und Preise sind Circa-Angaben - Stand 1998): -
Rumpfflächen an Normal-Omnibussen: 300,-- bis 500,-- Euro (Fahrbahnseite: 50 x 1.000 cm, Türseite: 50 x 310 cm und 50 x 430 cm) (Heckseite: 70 x 170 cm)
-
Rumpfflächen an Gelenk-Omnibussen: 400,-- bis 600 Euro gesamt, nur Heckseite ca. 100,-- Euro (Fahrbahnseite: 50 x 870 cm und 50 x 600 cm, Türseite: 50 x 310 cm, 50 x 150 cm, 50 x 170 cm und 50 x 450 cm) (Heckseite: 70 x 170 cm)
-
Rumpfflächen an Straßenbahn-Gelenkwagen (6 Achsen): ca 400,-- bis 500,-- Euro (je Wagenseite: 2 x 60 x 330 cm und 2 x 60 x 180 cm)
-
Rumpffläche an U-Bahn-Wagen:100,-- Euro (je Wagenseite 2 x 50 x 280 cm und 4 x 50 x 140 cm)
-
Seitenscheibenplakate: 5,-- bis 8,-- Euro (15 x 50 cm quer)
-
Deckenplakate: 5,-- Euro (21 x 59 cm quer)
-
Heckscheibenplakate: 30,-- Euro (20 x 100 cm quer)
6.3.6 Werbefernsehen Wir wollen uns hier nicht mit den formalen Buchungsmodalitäten und Zuteilungsproblemen bei ARD und ZDF beschäftigen, weil diese Fragen durch zunehmende Bedeutung anderer Kanäle an Relevanz verloren hat. Neben der strengen Reglementierung bei ARD und ZDF bestand in der Vergangenheit als Nachteil die geringe Möglichkeit der Zielgruppenselektion. Diesbezüglich ist mit Aufkommen der privaten Sender eine radikale Besserung eingetreten. Es gibt zwar nur wenige Sender, die insgesamt ein spezielles Publikum ansprechen (VIVA, MTV, DSF, NTV); zunehmend besteht jedoch die Möglichkeit, Fernsehwerbung im Tagesablauf zeitlich genau zu steuern und durch Wahl bestimmter Programmbestandteile auch eine gute Zielgruppenselektion zu realisieren, also durch programmgerechte Auswahl von Sendezeiten bestimmte Zielgruppen anzusprechen. Derzeit besteht allerdings die Möglichkeit, daß bei häufiger Belegung im Rahmen bestimmter Sendungen (Tennis) bestimmte Personengruppen überhöhte Kontakthäufigkeiten mit der Werbung erhalten. Eine eigene kleine Untersuchung bei „Tennis-Sehern“ und „Nicht-Tennis-Sehern“ (zweimal n = 30) brachte bei „Tennis-Sehern“ geringere Sympathiewerte für zwei Marken, die besonders häufig
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6. Mediaplanung
innerhalb eines Tennisturniers beworben wurden (Yoghurette und Sprengel, wofür allerdings unterschiedliche Erklärungen möglich sind). Insgesamt ist die Nutzerschaft des Fernsehens älter als die Gesamtbevölkerung. Insbesondere Personen über 60 Jahren nutzen das Fernsehen weit überdurchschnittlich. Personengruppen zwischen 20 und 49 Jahren werden stark unterdurchschnittlich erreicht. Auch hinsichtlich der Einkommensstruktur ist das Fernsehen als Werbeträger etwas im Nachteil. Haushalte mit einem Haushalts-NettoEinkommen bis 1.499,-- Euro monatlich nutzen Fernsehen überdurchschnittlich und Haushalte mit einem Einkommen von 1.500,-- Euro aufwärts nutzen Fernsehen deutlich unterdurchschnittlich. Schließlich sind „Nicht-Berufstätige“, Rentner und Pensionäre über das Fernsehen deutlich häufiger anzusprechen als Berufstätige und in Ausbildung Befindliche. Diese Angaben sind aber Durchschnittswerte. Bei einzelnen Sendern und Programmbestandteilen sind erhebliche Abweichungen gegeben. Insbesondere die Nutzung des Fernsehens während der Werbedarbietungen ist nicht unproblematisch. Es ist noch viel zu wenig darüber bekannt, was Zuschauer während des Werbefernsehens wirklich tun. Wieviel Prozent setzen sich tatsächlich der Werbung aus, welchen Nebenbeschäftigungen wird nachgegangen, wird der Raum gar verlassen und insbesondere welche Bedeutung hat die Fernbedienung? Fernsehen ist insbesondere mit dem Problem des „Zapping“ konfrontiert. Darunter versteht man das „Aussteigen“ aus einem Fernsehprogramm, das zur Vermeidung von Werbefernsehkontakten führt. Die Gründe können sein: -
Übersättigung mit Werbung, Werbequalität, Aufsuchen eines anderen Fernsehprogrammes und Spielerisches Nutzen mehrerer Programme gleichzeitig („Grazing“).
Neben dem Umschalten auf andere Programme während der Werbeeinblendungen wird unter „Zapping“ auch die physische oder geistige Abwesenheit während der Werbeeinblendungen verstanden, also Verlassen des Raumes oder Ablenkung durch andere Tätigkeiten. „Zapping“ der ersten Form (Umschalten) wird durch die Fernbedienung wesentlich erleichtert. Wichtig ist, daß bei der Ermittlung der Senderreichweiten (als Seher gilt, wer den betreffenden Sender irgendwann in einer halben Stunde mindestens eine Minute fortlaufend gesehen hat) die ausgewiesenen Leistungswerte des Fernsehens nicht den tatsächlichen Werbemittelkontakten entsprechen, sie sind deutlich überhöht. Es ist davon auszugehen, daß die tatsächlichen Zuschauerreichweiten mit zeitlicher Ausdehnung der Werbeblocklänge sinken. Werbeeinblendungen innerhalb einer
6.3 Werbeträger-Gattungen
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Sendung sind deutlich weniger vom „Zapping“ betroffen als Werbeblöcke zwischen den Sendungen. Nach dem Stand der Mediawirkungsforschung können wir derzeit davon ausgehen, daß alleine etwa 20% der Seher durch Um- oder Ausschalten aus einem Werbeblock „aussteigen“, die Streuung liegt bei vermutlich zwischen 15% und 30%. Daher können zur korrekten Ermittlung der Medialeistung der TV-Sender nur die Angaben über die Seheranteile herangezogen werden, da diese auf Sekundengenaue Angaben der Mediaforschung mittels TV-Meter erhoben. Eine Person, die 60 Sekunden eines fünfminütigen Werbeblocks des Senders eingeschaltet hat, trägt somit 1/5 Personen zur Blockreichweite bei. TV ist ein Medium mit eher passiver Informationsaufnahme. Das führt zu einer relativ oberflächlichen Beeinflussung. Eine derartige Beeinflussung bedarf häufiger Wiederholungen. Da oberflächliches Lernen zudem mit relativ schnellem Vergessen einhergeht, sind Werbepausen im Fernsehen äußerst problematisch. Das gilt insbesondere für Produkte des täglichen Bedarfs, denen Konsumenten wenig Interesse entgegenbringen. Das bedeutet, daß für TV-Werbung immer ein vergleichsweise hohes Budget erforderlich ist. Diese Aussage deckt sich mit den Befunden von Krugman (1966). Krugman hat den Begriff des Stimulus-„Involvement“ eingeführt und dadurch operationalisiert, daß die Menge von Verbindungen („connections“) zu persönlichen Bezügen gemessen wird. Stimulus-„Involvement“ ist nach Krugman bei TV geringer als bei Zeitschriftenwerbung, wenn für Produkte aus dem „High Involvement“-Bereich geworben wird. Das ist dadurch erklärbar, daß Betrachter von Anzeigen diese beliebig lange verarbeiten können. Dazu sind sie bei „High Involvement“Produkten motiviert. Bei TV-Werbung mögen sie dazu motiviert sein, sind aufgrund des nicht beeinflußbaren zeitlichen Kontaktes medienbedingt aber nicht zu überdurchschnittlich intensiver Informationsverarbeitung in der Lage. Das erklärt stärkere Lernleistung als Folge intensiver Informationsverarbeitung bei Zeitschriftenanzeigen als bei TV-Werbung für den Bereich der „High Involvement“Produkte. Bei niedrigem Involvement („Low Involvement“) ist aufgrund nicht vorhandener Motivation zur Informationsverarbeitung die Eigenart des Mediums für die Lernleistung verantwortlich. Bei „Low Involvement“ ist der Betrachter aufgrund fehlender Motivation eigentlich bestrebt, die Botschaft zu selektieren. Die Möglichkeit dazu besteht bei Anzeigen in starkem Maße, die Anzeige wird überblättert. Bei Fernsehwerbung muß der Betrachter aktiv werden, um sich von dem Spot abzuwenden. Da Fernsehen insgesamt eine relativ hohe Stimulusintensität ausstrahlt, durch die Kombination von Bild und Ton, ist das schwerer als bei Anzeigen. Daraus folgt, daß bei Fernsehwerbung eine stärkere Beeinflussung im „Low Involvement“ möglich ist, als bei Zeitschriften. Die Tatsache, daß Fernsehen somit im Vergleich zu Zeitschriften
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6. Mediaplanung
als ein „Low Involvement“-Medium bezeichnet werden kann, ist jedoch nicht ohne weiteres von Nachteil. Krugman (1965) weist darauf hin, daß lediglich andere Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsprozesse stattfinden, als im „High Involvement“-Bereich. Bei „Low Involvement“ ist zwar die Aufmerksamkeit reduziert, was häufigere Wiederholungen (und damit höhere Werbebudgets) erfordert, dafür unterläuft sie die gedankliche Kontrolle der Empfänger (Kroeber-Riel & Weinberg, 2003, S. 346). Die Nutzerselektion, d.h. die zielgruppenspezifische Buchung von Sendezeiten im Fernsehen wird durch den hohen technischen Aufwand bei der Fernsehforschung erleichtert. Je nach Programminhalt und Sender finden sich spezifische Nutzerprofile, die eine zielgruppenspezifische Plazierung der Werbung im Fernsehen ermöglichen. Manche Sender (reine Musik- oder Sportsender) erlauben insgesamt eine zielgruppenspezifische Auswahl. Die Penetration der Werbung, also die Durchsetzung der Werbung im Zeitablauf, erfolgt relativ schnell, ist jedoch von der Regelmäßigkeit der Fernsehnutzung durch die jeweilige Zielgruppe bestimmt. Die Steuerbarkeit der Fernsehwerbung hat sich durch die Vielfalt an Sendern erheblich verbessert. Dennoch ist die zielgerechte Plazierung der Werbespots in der Hauptsendezeit (Prime Time) frühzeitig zu planen. Andererseits erlaubt das Privatfernsehen bei Sportsendungen auch schon eine extrem kurzfristige Buchung von Werbezeiten (innerhalb eines Tages). Bei ausreichender Kontaktdichte ist eine stark stimulierende Werbewirkung möglich, die allerdings davon abhängig ist, ob es gelingt, im Rahmen eines relativ kurzen Werbefilmes (20-30 Sekunden) eine stark ansprechende und dennoch klar verständliche und eigenständige Botschaft umzusetzen. Welche Kontaktdichte als ausreichend angesehen wird, läßt sich kaum allgemeingültig sagen, da diese sehr stark davon abhängig ist, in welchen Zeiträumen die Kontakte erfolgen, und wie stark die Konkurrenzwerbung erfolgt. Unter 7 bis 8 Kontakten pro Person erscheint Fernsehwerbung allerdings kaum sinnvoll. Um derartiges zu realisieren kann es notwendig sein, einen Werbespot etwa dreißigmal auf allen wichtigen Sendern auszustrahlen. Die Schaltkosten schwanken dabei sehr stark nach Sendern und tageszeitlicher Ausstrahlung. Wir müssen davon ausgehen, daß bei 30 Ausstrahlungen im Durchschnitt ein Budget von über 3,5 Millionen Euro erforderlich ist. Bei den privaten Fernsehanstalten darf Werbung auch an Sonn- und Feiertagen sowie nach 20 Uhr ausgestrahlt werden (im Gegensatz zu ARD und ZDF). Sie darf jedoch 20% der täglichen Sendezeit (in Berlin 9 Minuten je Stunde) nicht überschreiten. Nach dem Rundfunk-Staatsvertrag ist Werbung auch nur in Blöcken zulässig, die über die gesamte tägliche Sendezeit verteilt sein können. TVSendungen von weniger als 60 Minuten Dauer dürfen ein Mal durch Werbung unterbrochen werden, wobei Ausnahmen bei der Übertragung von Sportveranstaltungen möglich sind. Nicht als Werbung gelten Sonderformen der Programmgestaltung wie Sponsoring (Trikotwerbung von Sportlern während übertragener Sportveranstaltungen), Pro-
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grammsponsoring („Diese Sendung wurde Ihnen präsentiert von...“), Product Placement (Berichte über ein neues Auto im Rahmen einer Sendung für Autofahrer) und TV-Bartering (von den Unternehmen hergestellte Show-Sendungen, die im Tausch gegen Werbezeiten an Sender abgegeben werden) oder auch Spiel-Shows. Wir finden bei Privatsendern eine Vielzahl von Sonderwerbeformen, also Sendungen, in welche in unterschiedlicher Form Produkte eingebunden sind, wie „Kochsendungen“, gesponserte Wetterberichte, „Game-Shows“, Magazinsendungen, in denen laufend über neue Produkte berichtet wird oder Teleshopping. Fernsehen wird überwiegend zu Hause, am Abend genutzt, aber auch bei Freunden oder in Lokalen. Der Zeitpunkt der Kontaktmöglichkeit mit TV-Werbung ist auf Werbeblöcke begrenzt. Wesentlich ist, daß unabhängig von der sonstigen Nutzung des Fernsehens der Kontakt mit der Werbebotschaft zunächst nicht dem Willen des Nutzers unterliegt, sondern auf die jeweilige Ausstrahlung des Werbefilms begrenzt ist. Während Leser einer Zeitschrift oder Zeitung durch Zurückblättern oder wiederholte Nutzung einer Zeitschrift einen mehrmaligen Kontakt realisieren können, besteht bei TV-Werbung nur eine einmalige Kontaktchance. Wenn genaue Daten über die Fernsehnutzung vorliegen, sind diese Kontaktchancen allerdings recht gut abzuschätzen. Es bleibt die Unsicherheit, welche Personen tatsächlich im Raum sind, während die Werbesendung ausgestrahlt wird, und wie intensiv sich diese Personen der Werbung zuwenden.
6.3.7 Funkwerbung Funk ist eine Mediagattung, die in besonderem Maße mit geringem „Stimulus Involvement“ behaftet ist. (Unter „Stimulus Involvement“ versteht man in der Werbe-Psychologie ein Involvement, das den Reizen entgegengebracht wird, unabhängig davon, worauf sich diese beziehen. Werbung für ein „High Involvement“-Produkt in einem derartigen Medium muß „Low-Involvement“-gerecht gestaltet werden.) Bei Funkwerbung ist durch Belegung bestimmter Senderkombinationen und Einfluß auf die Zeiten der Ausstrahlung die Zielgruppenselektion möglich. Die ARDSender werden leicht überdurchschnittlich von Frauen genutzt, sowie überdurchschnittlich von der Altersgruppe 20 bis 49 Jahre. Bei RTL überwiegen die weiblichen Nutzer erheblich, die Altersgruppe der überdurchschnittlichen Nutzer beginnt bereits bei 14 Jahren und geht gleichfalls bis 49 Jahre. Auch die dritten ARDProgramme weisen tendenziell eine jüngere Nutzerstruktur auf als die übrigen ARD-Programme. Durch Belegung ausschließlich der 1. oder 3. Programme ist eine Selektion nach Alter der Zielgruppe möglich. Die Nutzer der 3. Programme sind jünger. Die 1. Funkschiene - alle 1. Programme und RTL - hat ein Übergewicht bei den Haus-
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6. Mediaplanung
frauen, die 2. Funkschiene - 3. Programme, Radio Bremen, Saar, SFB - erzielt ein leichtes Übergewicht bei autofahrenden Männern. Bei den verschiedenen Sendern bestehen ferner leichte Unterschiede in der zeitlichen Nutzung. In den Morgenstunden werden berufstätige Autofahrer (männlich und weiblich) bevorzugt erreicht, vormittags haushaltsführende Hausfrauen und nachmittags Jugendliche. Die Entwicklung der privaten Sender ist zu beobachten. Infolge der sich laufend ändernden Anbieterstruktur, sind gesicherte Aussagen über die Medialeistung derzeit noch nicht möglich. Das Problem der Ablenkung durch Nebenbeschäftigung während des Hörens ist allerdings bei Funk noch größer als beim Werbefernsehen. Funk ist ein Medium, das in starkem Maße „nebenbei“ genutzt wird. Aufgrund des besonders oberflächlichen Kontaktes führt die Beeinflussung durch Funk nur zu kurzfristiger Wirkung und unterliegt einem besonders schnellen Vergessen. Insgesamt ist die Beeinflussung nur sehr oberflächlicher Natur. Diese Tatbestände erfordern eine möglichst häufige Ansprache. Was oberflächlich gelernt wird, bedarf entsprechend häufiger Wiederholung. Zudem ist Funk dazu nicht in der Lage, selber innere Bilder zu produzieren. Bekanntlich ist das Entstehen gedanklicher Vorstellungsbilder ein wesentlicher Faktor für erfolgreiche Werbung (vgl. Kroeber-Riel, 1987; Haase, 1989). Funkwerbung ist nur dazu geeignet, innere Bilder, die vorher durch bildbetonte Werbung in TV oder Publikumszeitschriften produziert worden sind, zu reproduzieren. Funk ist besonders zu schneller Reaktivierung bereits gelernter Botschaften geeignet. Botschaften, die vorher durch andere Medien, in allererster Linie durch Fernsehen gelernt wurden, können durch Funkwerbung schnell „wieder in das Gedächtnis zurückgerufen werden“. Durch Funkwerbung ist eine relativ schnelle Durchdringung der gewünschten Zielgruppe möglich. Bei entsprechend hoher Schalthäufigkeit führt die Funkwerbung dann auch zu recht schneller Bekanntmachung von Marken, Ideen, Produkten oder Herstellern. Aufgrund des hohen Unterhaltungswertes wird dem Funk ein hoher Anmutungswert zugeschrieben (Kaloff, 1983, S. 1275), sind Hörer emotional sensibilisiert und entsprechend ansprechbar. In seiner ganzen Gestaltung ist das Medium selber von hoher Aktualität (ebenda, S. 1282). Dieser Aktualitätscharakter ist auch auf die Funkwerbung durch entsprechende Gestaltung der Botschaft übertragbar, auch wenn diese tatsächlich Monate vorher gebucht und produziert werden müßte. Die Eignung der Funkwerbung zur Durchsetzung von Werbebotschaften mit hohem Aktualitätswert wird nicht nur durch die Anmutung des Mediums erreicht, sondern auch durch die schnell realisierbare hohe Reichweite begünstigt. Funk wird in der Praxis selten als Basismedium im Media-Mix eingesetzt, sondern meist als Ergänzungsmedium.
6.3 Werbeträger-Gattungen
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In den letzten Jahren (spürbar seit ungefähr 2000) wird Funk durch die zunehmende Überlastung der Autobahnen zunehmend zu einem aktuellen Informationsträger für Autofahrer/innen und damit vielleicht auch wieder ein interessanterer Werbeträger. Aufgrund der schnellen Wirksamkeit der Funkwerbung und der Möglichkeit einer starken Konzentration auf relativ kurze Zeiträume, ist Funk auch besonders geeignet, kurzfristig durchgeführte Maßnahmen im Rahmen der Verkaufsförderung zu begleiten. Das setzt voraus, daß innerhalb des Sendegebietes genügend Verkaufsstellen an der Verkaufsförderungsaktion beteiligt werden, oder auch wenige besonders bedeutsame Verkaufspunkte, beispielsweise große Verbrauchermärkte, die dann innerhalb der Werbung auch direkt genannt werden können. Möglich ist auch eine Kombination der Funkwerbung in diesem Zusammenhang mit Ladendurchsagen in den jeweiligen Geschäften. Die mögliche Flexibilität beim Einsatz der Funkwerbung wird möglicherweise in Zukunft bei weiterer Verbreitung privater Sender noch erweitert. Neben den üblichen Spots ist eine Reihe von Sonderformen möglich. Diese sind nach vorheriger Vereinbarung bei den meisten Sendern möglich. In den Preislisten werden folgende Sonderformen angeboten: • Live-Durchsagen, z.B. Firmenveranstaltungen jeglicher Art, auf die auch außerhalb eigentlicher Werbeblöcke hingewiesen werden kann. • Sponsorsendungen, Ratespiele bei denen Firmen die Preise stiften, • Zeitansagen, „ ... wünscht allen Münchnern einen guten Morgen, es ist jetzt 7.30 Uhr“, • Sales-Promotion-Spiele, Übertragungen von Veranstaltungen in Verbrauchermärkten, • Tandem-Spot: In speziellen Werbefunk-Sendungen werden die Spots oft zwischen Programmteilen eingeblendet. In derartigen Sendungen werden sogenannte Tandem-Spots eingesetzt. Dabei werden zwei zusammengehörige Spots, durch einen Musikteil von 2 bis 3 Minuten getrennt, nacheinander geschaltet. Gestalterisch wird dabei meistens der eine Spot auf den anderen aufbauen. Sinnvollerweise wird es sich dabei kaum um gleiche Spots handeln. • Vor- und Haupt-Spot: Vor einem normalen Spot läuft eingebettet in eine Unterhaltungsmusik ein Vor-Spot, in dem durch Nennung des Produktes bereits auf den Haupt-Spot aufmerksam gemacht wird. • Der anmoderierte Spot: Auf einen bestimmten Spot wird vom Moderator in lockerer Form hingewiesen, ohne Nennung des entsprechenden Produkts.
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6. Mediaplanung
• Musikeinblendung: Ein Sprechertext wird in die Unterhaltungsmusik eingeblendet. • An- und Absagen: Verbunden mit der Begrüßung bzw. Verabschiedung der Sendungen wird in lockerer Form auf ein Produkt hingewiesen. • Die klingende Musikwerbung für Schallplattengesellschaften: Nach einem Spot wird auf die folgende Musik unter Nennung der Schallplattengesellschaft, des Interpreten, auf eine Tournee oder Ähnliches hingewiesen. • Lang-Sendung oder Werbesendung: Werbespots für ein oder mehrere Produkte eines Herstellers, die die Spieldauer von mehreren Minuten erreichen. • Doppelspot: Der Doppelspot ist auch in den üblichen 5-Minuten-Blöcken normaler Werbesendungen möglich. Hier kann es sich auch als zweckmäßig erweisen, den gleichen Spot zweimal zu schalten. Wir können erwarten, daß die Hinwendung zum Programm bei Sendungen, die Werbung im Rahmen der Unterhaltung anbieten, wesentlich höher ist als bei reinen Werbeblöcken. In reinen Werbeblöcken kann die Wiederholung durchaus die Wahrnehmung steigern.
6.3.8 Kinowerbung Wir unterscheiden Kinos nach folgenden Kategorien: Familientheater, Kinos mit sogenanntem Normalprogramm. Diese befinden sich in Klein- und Mittelstädten oder in den Randgebieten der Großstädte. Sie stellen den quantitativ größten Teil der Kinos dar. City-Theater, sind Kinos in den Großstädten mit modernster Ausstattung. Erreicht wird bevorzugt die Bevölkerung der Großstädte, teilweise zur Uraufführung neuer Filme. Studio-Theater bzw. sogenannte Filmkunstkinos bieten einem besonders anspruchsvollen Publikum ausgewählte Filme. Programm-Kinos spielen gleichfalls anspruchsvollere Filme für ein besonders interessiertes Publikum. Das Programm wechselt in kürzerer Reihenfolge. Diese befinden sich hauptsächlich in Groß- und insbesondere Universitätsstädten. Weitere Kinokategorien sind Truppenkinos, Autokinos, Sex- und Pornokinos und sogenannte Actionkinos.
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Seit Mitte der 90er Jahre entstehen zunehmend Kino-Center, bei denen mehrere Kinos in gehobener Ausstattung unter einem Dach vereint sind. Eine Auswahlentscheidung kann anhand dieser Kinokategorien getroffen werden. Außerdem ist eine regionale Segmentierung leicht zu realisieren. Die Reichweite, bezogen auf die Gesamtbevölkerung ist allerdings gering, sie liegt bei 5%. Dafür ist die Reichweite bei den unteren Altersgruppen überdurchschnittlich hoch. Sie liegt laut Media-Analyse bei den 14- bis 19-jährigen bei über 15% und bei den 20bis 29-jährigen bei über 10%. Die durch Kino erreichbaren Personen betrachten den Kinobesuch überwiegend als regelmäßige Freizeitbeschäftigung, werden also dadurch auch regelmäßig erreicht. Man erreicht durch Kinowerbung eine bestimmte Zielgruppe relativ intensiv, ohne jedoch insgesamt hohe Reichweiten zu realisieren. Auch bei jüngeren Zielgruppen ist die Reichweite oft nicht ausreichend. Das führt dazu, daß Kinowerbung als Hauptwerbeträger, also als Basismedium kaum in Betracht kommt, wohl aber als Ergänzungsmedium im Mediaplan in Verbindung mit anderen Werbeträgern. Kino kann sinnvollerweise durch TV-Spots in Musikkanälen ergänzt werden (MTV, VIVA) oder durch Anzeigen in Jugendzeitschriften. Die Beeinflussungsstärke ist bei der Kinowerbung relativ hoch. Aufgrund der kinospezifischen Zuschauersituation ist es kaum möglich, sich dem Einfluß zu entziehen. Im Gegensatz zur Fernsehwerbung erreicht die Kinowerbung in Deutschland teilweise durchaus schon künstlerische Dimensionen. Werbefilme im Kino sind in relativ starkem Maße unterhaltend. Möglicherweise ist das die Folge einer bestimmten Erwartungshaltung der Kinobesucher an das Dargebotene entsprechen zu müssen; sicherlich auch eine Folge der Möglichkeit besonders intensiver Ansprache. Man kennt folgende Möglichkeiten der Kinowerbung: Werbefilm: Mit einer Laufzeit von 22 Sekunden (40 Meter) bis 440 Sekunden (200 Meter Filmlänge). Alleine das zeigt die größeren Darbietungsmöglichkeiten im Vergleich zur Fernsehwerbung. Auch kürzere Werbefilme (Kinospot) sind theoretisch denkbar. Es sind verschiedene Filmtechniken möglich bzw. zu berücksichtigen wie Normal-Lichtton, Breitwand-Lichtton und Cinemascope. Werbefilme werden auf Basis sogenannter Spielwochen (Freitag bis Donnerstag) geschaltet. Diapositiv und „Dia auf Film“ haben für den Betrachter den gleichen Effekt. Infolge der Automatisierung der Kinovorführung ist jedoch die Vorführung normaler Dias häufig nicht mehr möglich. Daher tritt das „Dia auf Film“ als „gefilmtes Standbild“ an die Stelle des einfachen Dias. Diawerbung spielt insbesondere für den regionalen Handel eine Rolle in der Kinowerbung. Dias können als Ton-Dia oder als Stumm-Dia eingesetzt werden.
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6. Mediaplanung
Die Einschaltkosten richten sich nach an durchschnittlichen Besuchszahlen orientierten Staffelsätzen. Die Staffel der Filmtheater hat Sprünge von jeweils 500 Besuchern pro Woche. Das Kino scheint in seiner Bedeutung als Freizeitmedium wieder deutlich zu gewinnen. In den letzten Jahren hat Kino immer wieder erhebliche Schwankungen in seiner Bedeutung als Freizeitmedium erlebt.
6.3.9 Intermedia-Vergleich Die Frage nach der Wahl der Werbeträgergattungen ist ein wesentliches Problem innerhalb der Werbestrategie. Die vergleichende Beurteilung möglicher Werbeträgergattungen wird als Intermedia-Vergleich bezeichnet. Es dürfte inzwischen in der Marketing-Szene ein Allgemeinplatz sein, daß es niemals darum gehen kann, das beste Medium zu finden, sondern nur darum, das in einer bestimmten Situation beste Medium. Häufig wird ein Media-Mix als optimale Empfehlung das Ergebnis aller planerischen Überlegungen sein. Um den Intermedia-Vergleich durchführen zu können, sind die Kriterien festzulegen, anhand derer die verschiedenen Werbeträgergattungen (oder Mediagattungen) beurteilt werden sollen. Folgende Kriterien erscheinen sinnvoll: • Qualitative leistungsbezogene Beurteilungskriterien: 1. Funktionen des Mediums für die Nutzer als Faktor für die Nutzungsart, 2. Situation während der Nutzung als Faktor für die Nutzungsintensität, 3. Die Darstellungsmöglichkeiten ergeben sich aus den technischen Gegebenheiten des jeweiligen Werbeträgers. • Quantitative leistungsbezogene Beurteilungskriterien: 1. Die insgesamt mögliche Reichweite, die sich aus der Größe der Nutzerschaft ergibt, 2. Möglichkeiten der Selektion nach soziodemographischen Zielgruppen, 3. Möglichkeiten der Selektion nach psychologisch unterscheidbaren Zielgruppen, 4. Zeitliche Steuerbarkeit, also der zeitlich genaue Einsatz, 5. Kumulationsmöglichkeiten, also die Frage, wie sich Reichweitengewinne durch Mehrfachbelegungen realisieren lassen, 6. Kontakthäufigkeit pro durchschnittlichem Nutzer nach mehrfachen Einschaltungen als Maß für den möglichen Werbedruck. • Kostenfaktoren/Wirtschaftlichkeit: 1. Tausendkontaktpreis: Was kosten 1.000 Kontakte in der Zielgruppe? Tausendnutzerpreis: Was kosten 1.000 Personen in der Zielgruppe?
6.3 Werbeträger-Gattungen
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Tausendheftpreis: Was kosten 1.000 verkaufte oder verbreitete Exemplare? Preis für 1.000 zielgruppengewichtete Exemplare: Was kosten 1.000 Exemplare in der Zielgruppe? 2. Gesamtkosten, 3. Produktionskosten. • Konsequenzen für die Mediaplanung: 1. Funktion der Mediagattung als Werbeträger, 2. die Frage der freien oder eingeschränkten Verfügbarkeit für die Mediaplanung.
6.4 Reichweite oder Werbedruck? Ausgehend von den vorgegebenen Marketing-Zielen ist zu entscheiden, wieviele Personen der definierten Zielgruppe erreicht werden sollen und wie intensiv dies geschehen soll, d.h. mediatechnisch gesprochen, welche OTC-Werte angestrebt werden sollen. Diese beiden Ziele stehen bei begrenzten Budgets in direktem Konflikt zueinander. Reichweite läßt sich durch Belegung möglichst unterschiedlicher Werbeträger maximieren. Die erreichten Personen werden dann aber nicht sehr oft angesprochen. OTC-Werte (als Ansprachehäufigkeit als „Opportunity to Contact“) lassen sich besonders durch häufige Belegung weniger Werbeträger maximieren. Dann ist jedoch die Reichweite auf die Nutzerschaft weniger Werbeträger begrenzt. Das bekannte ökonomische Prinzip lautet nun: a) Ergebnismaximierung bei gegebenem Mitteleinsatz oder: b) Minimierung des Mitteleinsatzes bei gegebenem Ergebnis (Ziel) Wir können unser mediastrategisches Problem demnach folgendermaßen formulieren: aa)
Strebe maximale OTC-Werte bei gegebener Reichweite und feststehendem Budget an.
ab)
Strebe Maximierung der Reichweite bei gegebenen OTC-Werten und feststehendem Budget an.
Schließlich wäre ausgehend von einem feststehenden Marketing-Ziel die Mediastrategie folgendermaßen zu formulieren: bb)
Bei feststehendem Reichweiten- und OTC-Ziel ist das Budget zu minimieren.
400
6. Mediaplanung
Marketing-strategisch wäre das die sinnvollste Vorgehensweise; in der Praxis ist diese jedoch am wenigsten verbreitet. Die Zielsetzung Reichweitenmaximierung führt in der Regel zu fallenden Grenznutzen und steigenden Grenzkosten. Um die vorgegebene Reichweite zu erreichen, müssen Werbeträger zusätzlich aufgenommen werden, die gegebenenfalls viel zu teuer weitere Zielgruppenanteile erreichen. Dadurch kann ein Mediaplan in seiner Gesamtheit unökonomisch werden. Die Planungspraxis zeigt es immer wieder, daß die optimale Reichweite sehr oft nicht erkannt wird. Auch das OTC-Ziel weist eine spezifische Problematik auf. Ein OTC-Wert von „X“ bedeutet, daß alle mediatechnisch erreichten Personen im Durchschnitt X-mal Kontakt mit belegten Werbeträgern hatten, X ist also ein Mittelwert. Die Frage ist nun, wie stark die tatsächlichen OTC-Werte aller erreichten Personen um diesen Mittelwert streuen. Es ist durchaus denkbar, daß ein Teil der erreichten Personen höhere OTC-Werte erhält, als notwendig angesehen werden, während ein anderer Teil der Personen niedrigere OTC-Werte erhält, als zu einer Wirkung erforderlich. Das bedeutet, daß ein Teil der in der ausgewiesenen Reichweite enthaltenen Personen wirkungslos erreicht wird. In der Praxis verhilft man sich dadurch, daß der OTC-Wert nicht ausschließlich als Mittelwert ausgewiesen wird. Zusätzlich wird eine Häufigkeitsverteilung ermittelt, sogenannte Kontaktklassen. Wir wollen die Zusammenhänge zwischen Reichweite und Kontakthäufigkeit zunächst an einem Modell illustrieren. Wir unterstellen eine Bevölkerung von 200 Personen. Diese Personen sind über drei Zeitschriften zu erreichen. 50% dieser Personen gehören zur Zielgruppe, nämlich die Personen Nr. 1 bis Nr. 100. Zeitschrift A wird von den Personen Nr. 1 bis 40 gelesen und von Nr. 101 bis 140; Zeitschrift B von den Personen Nr. 61 bis 100 und Nr. 161 bis 200; Zeitschrift C von den Personen Nr. 21 bis 80 und Nr. 101 bis 200. Die folgende Abbildung stellt dies graphisch dar. Wir wollen extrem vereinfachend annehmen, daß eine einseitige Vierfarb-Anzeige in allen drei Zeitschriften (unabhängig von der größeren Reichweite der Zeitschrift) den gleichen Betrag kostet, für den wir einfach X ansetzen. Wir unterstellen zur Vereinfachung ferner, daß ein Nutzer einer Zeitschrift alle Ausgaben dieser Zeitschrift regelmäßig nutzt. In der Realität ist davon auszugehen, daß die verschiedenen Zeitschriften unterschiedlich regelmäßig genutzt werden, was sich allerdings in den Computer-Programmen der Mediaplanung ohne weiteres berücksichtigen läßt. Nehmen wir an, das veranschlagte Budget betrage 12 X. Dann sind folgende Vorgehensweisen denkbar: • Mediaplan I:
Es kann zwölfmal Zeitschrift A belegt werden. Es folgt: Reichweite: 40%; OTC-Wert: 12.
6.4 Reichweite oder Werbedruck?
401
• Mediaplan II:
Es wird jeweils sechsmal Zeitschrift A und Zeitschrift B belegt. Es folgt: Reichweite: 80%; OTC-Wert: 6
• Mediaplan III:
Es wird jeweils viermal Zeitschrift A, B und C belegt. Es folgt: Reichweite: 100%; OTC-Wert: 5,6.
21
LdZS C bis
80
101
LdZS C bis
LdZS B 61 bis 100
1
0
200
LdZS B 161 bis 200
LdZS A bis 40
LdZS B 100 bis 140
50
100
150
200
Abbildung 6-5: Modellhafte Darstellung einer Bevölkerung und deren Zeitschriften-Nutzung (LdZS: Leser der Zeitschrift X, vgl. Unger, Durante, Gabrys, et al., 2004, S. 41) Der Schritt von Mediaplan I zu Mediaplan II brachte eine proportionale Veränderung. Die Reichweite verdoppelte sich, der OTC-Wert halbierte sich. Der Schritt von Plan II zu Plan III bringt noch einmal einen Reichweitenanstieg um 25%, der OTC-Wert reduziert sich deutlich weniger. Das liegt daran, daß bei Belegung der Zeitschrift C nicht nur die fehlenden Personen Nr. 41 bis 60 zusätzlich erreicht werden, sondern auch einige der durch A und B erreichten Personen zusätzlich durch C erreicht werden. Der OTC-Wert errechnet sich für Plan III folgendermaßen: 20 Personen (Nr. 1- 20) werden viermal erreicht: 20 x 4 = 20 Personen (Nr. 21- 40 werden achtmal erreicht: 20 x 8 = 20 Personen (Nr. 41- 60) werden viermal erreicht: 20 x 4 = 20 Personen (Nr. 61- 80) werden achtmal erreicht: 20 x 8 = 20 Personen (Nr. 81-100) werden viermal erreicht: 20 x 4 = Summe: 560:100 = 5,6 - wir haben die Gesamtkontakte (560) durch die (100) dividiert und so den OTC-Wert 5,6 erhalten.
80 160 80 160 80 560 Nettoreichweite
402
6. Mediaplanung
Die Tatsache, daß sich C als eine günstige Alternative erweist, könnte Anlaß dafür sein, einen weiteren Mediaplan IV zu überprüfen: Es wird jeweils sechsmal Zeitschrift A und Zeitschrift C belegt. Es folgt: Reichweite 80%; OTC-Wert: 7,5. Bei gleicher Reichweite erzielt dieser Plan einen besseren OTC-Wert als Plan II, wäre also (bei angenommenem gleichem Anzeigenpreis) diesem gegenüber vorzuziehen. Der OTC-Wert ergab sich in diesem Falle aus der Tatsache, daß 60 Personen sechsmal und 20 Personen zwölfmal erreicht werden. Das ergibt insgesamt 600 Kontakte. Bei einer absoluten Reichweite von 80 Personen also einen Durchschnittswert von 7,5. Nun haben wir eine unrealistische Annahme gemacht. C dürfte einen höheren Anzeigenpreis verlangen, da die Verbreitung der Zeitschrift deutlich größer ist als die von A und B. Ein großer Teil der Nutzerschaft von C fällt sogar außerhalb der Zielgruppe an, verbessert damit die Leistungswerte unserer Mediaplanung nicht. Nehmen wir an, der Anzeigenpreis bei C sei um 50% höher als bei A. Wenn wir A sechsmal belegen, verbleibt für C eine Belegungshäufigkeit (sogenannte Frequenz) von 4. Damit ergeben sich für einen Mediaplan V (Belegung A sechsmal und Belegung C viermal) folgende Leistungswerte: Reichweite: 80%; OTC-Wert: 6 Wir haben 20 Personen (Nr. 1 bis 20) sechsmal durch A erreicht, 20 Personen (Nr. 21 bis 40) zehnmal durch A und C und 40 Personen (Nr. 41 bis 80) viermal durch C. Im Durchschnitt haben wir jede einzelne Person sechsmal erreicht. Die Summe aller Kontakte ist 480. Auf den ersten Blick leistet damit der Mediaplan V genauso viel wie Plan II. Die Mehrkosten der Belegung von C werden genau durch höhere Leistungswerte aufgewogen. Allerdings würde man in der Praxis Plan II vorziehen, da dieser Plan die Kontakte gleichmäßiger über alle erreichten Personen der Zielgruppe verteilt. Anhand dieser Zahlenbeispiele dürfte der Zusammenhang zwischen beiden Leistungswerten der Mediaplanung verdeutlicht worden sein. In der Praxis der Mediaplanung erfolgen keine anderen Berechnungen als hier, sie erfolgen lediglich auf größerer Zahlenbasis. Die Frage, ob nun höhere OTC-Werte oder eine höhere Reichweite vorzuziehen sind, ist einmal eine Frage der Marketing-Ziele, aber auch eine Frage der angenommenen Werbewirkungen bei unterschiedlicher Werbeintensität (ausgedrückt durch OTC-Werte). In der Literatur werden eine Reihe möglicher Werbewirkungsfunktionen diskutiert. Realistisch erscheinen ausschließlich die beiden in Abbildung 6-6 dargestellten Funktionen, die konkave und die Sförmige Wirkungskurve.
6.4 Reichweite oder Werbedruck?
Wirkung
403
Wirkung
Kontakte 2
4
6
Konkave Wirkungskurve
Kontakte 2
4
6
S-förmige Wirkungskurve
Abbildung 6-6: Konkave und S-förmige Werbewirkungskurve Bei der konkaven Wirkungskurve wird der höchste Wirkungsgrad zu Beginn erzielt. Von Anfang an sinkt die zusätzlich erzielbare Wirkung, der sogenannten Grenznutzen. Bei der S-förmigen Wirkungskurve wird zunächst ein geringer, jedoch zunehmender Wirkungszuwachs erzielt. Erst ab einem Wendepunkt sinken die zusätzlichen Wirkungsgrade bei weiter zunehmender Werbeintensität. Beide Kurven erreichen ein Wirkungsmaximum. Wird die diesem Wirkungsmaximum zugrunde liegende Werbeintensität überschritten, ist mit abnehmender Werbewirkung infolge eintretender Übersättigung zu rechnen. Auch wenn eine solche Möglichkeit theoretisch besteht, scheint eine negative Wirkung allein infolge zunehmender Werbeintensität für die Marketingpraxis recht selten realistisch. Der konkave Verlauf wird folgendermaßen begründet: Zu Beginn stößt die Werbung auf die meisten Personen, die vorher noch nicht überzeugt oder informiert worden sind, daher hat diese Werbung einfach die größten Wirkungspotentiale. Je mehr Personen nun schon erfolgreich mit der Werbung in Kontakt gekommen sind, auf um so geringere Wirkungspotentiale stoßen spätere Werbeaktivitäten. Es handelt sich also um eine klassische Grenznutzen-theoretische Begründung. Das S-förmige Wirkungsmodell unterstellt, daß zunächst einmal eine bestimmte Mindestanzahl von Kontakten erforderlich ist, ehe überhaupt mit einer Wirkung zu rechnen ist. Das erklärt den sehr flachen Anstieg zu Beginn der Werbekampagne. Erst wenn diese Stufe überschritten ist, kommt es zu einem dann allerdings sprunghaften Anstieg der Werbewirkung, der schließlich ebenfalls einen konkaven Verlauf annimmt.
404
6. Mediaplanung
Wenn man in seinem Markt den konkaven Wirkungsverlauf annehmen kann, dann ist sicherlich im Konfliktfall das Ziel Reichweite dem Ziel möglichst hoher OTCWerte vorzuziehen, wobei nach unserer Überzeugung ein oder zwei Kontakte ebenfalls zu wenig sind. Mediapläne, die eine untere Kontaktdosis von 6-7 pro Person unterschreiten, halten wir normalerweise als nicht effektiv genug im Sinne einer geplanten Lernwirkung. Entscheidend für die Beurteilung der unteren Wirkungsschwelle ist eine Reihe von Faktoren wie Komplexität der Werbebotschaft, Produktinvolvement, Markenbekanntheit, Markenimage, Häufigkeit der Begegnung mit dem umworbenen Produkt, Promotion am Point of Sale, Distribution, Werbedruck des Wettbewerbs, usw. Wenn man in seinem Markt den S-förmigen Wirkungsverlauf annehmen kann, dann ist auf jeden Fall zunächst eine hohe OTC-Zahl zu realisieren, ehe man auf weitere Reichweitengewinne zielt. Allerdings sind auch hier Angaben über das konkrete Maß auf allgemeingültiger Basis nicht möglich, sicherlich sind wenigstens doppelt so viele Kontakte erforderlich wie im konkaven Modell. Derartige Zahlenangaben sind allerdings äußerst riskant, da zudem noch die Zeitspanne zu beachten ist, in der diese Kontakte realisiert werden. Wann nun aber gilt welches Modell? Nach Kenntnis der augenblicklichen Werbewirkungsforschung kann man davon ausgehen, daß das Involvement die entscheidende Größe ist. Niedriges Involvement spricht für den S-förmigen Verlauf, hohes Involvement für den konkaven Verlauf. Bei der Frage nach dem Ausmaß des Werbedrucks (OTC-Werte), ist ferner die zeitliche Verteilung zu berücksichtigen. Diese Frage ist unter zwei Gesichtspunkten zu stellen, einmal ist zu entscheiden, in welchem Zeitraum überhaupt geworben werden soll. Dabei ist die in der Praxis oft vorzufindende gedankenlose Aussparung bestimmter Zeiträume im Jahresverlauf zu kritisieren. Das bedeutet natürlich nicht, daß grundsätzlich über das ganze Jahr geworben werden muß; es sind marketing-strategische Überlegungen denkbar, die eine Konzentration auf bestimmte Zeiträume sinnvoll erscheinen lassen. Je stärker jedoch ein Produkt dem sogenannte Low Involvement-Bereich zugerechnet werden kann, um so eher sind Werbepausen zu vermeiden. Die zweite zu beantwortende Frage ist die nach der Intensität während der Werbezeiten selbst. Sollen die OTC-Werte Über den gesamten Werbezeitraum hinweg gleichmäßig verteilt werden oder sind zeitweilige Intensitätsschwankungen wünschenswert. Damit ist die Frage sogenannter „Pulsierender Werbung“ angesprochen. Darunter versteht man einen regelmäßigen Wechsel in der Werbeintensität. Es lassen sich zwei unterschiedliche Wirkungsfaktoren der Werbung nachweisen (Simon, 1983), ein Niveaustimulus und ein Differentialstimulus. Der Niveaustimulus beeinflußt die Werbewirkung durch den dauerhaft gegebenen Werbedruck. Der Differentialstimulus verursacht einen relativ starken Wirkungsanstieg bei Einsetzen der Werbung und bei einer Erhöhung ausgehend von einem bestimmten Niveau. Wird der Werbedruck später wieder auf das ursprüngliche Niveau gesenkt, so fällt die Werbewirkung nicht so rasch wieder auf das Ursprungsniveau zurück,
6.4 Reichweite oder Werbedruck?
405
wie sie vorher angestiegen ist, oft verbleibt sie sogar auf einem etwas höheren Niveau als vorher. Diesen Effekt nennt man Pulsationsvorteil. Eine Erklärung für das Verbleiben der Werbewirkung auf dem etwas höheren Niveau könnte die Tatsache sein, daß durch das zeitweilig höhere Werbeniveau neue Verwender gewonnen wurden, die anschließend wenigstens teilweise zu Dauerverwendern geworden sind oder aber, daß in der Zeit des erhöhten Werbedrucks dauerhaft Markenbekanntheit oder Sympathiewerte gewonnen werden. Die Pulsationseffekte stellen wir in Abbildung 6-7 dar. Nun hat dieser Pulsationsvorteil nicht für alle Etats gleichermaßen Gültigkeit. Bei relativ großen und relativ kleinen Werbe-Etats ist diese Strategie vermutlich nicht vorteilhaft, und es ist eine kontinuierliche Werbung in konstanter Intensität vorzuziehen. Sehr große Etats erzielen bei normalem Niveau bereits entsprechend hohe Frequenzdichten, so daß bei zeitweiliger Erhöhung kaum zusätzliche Wirkungen, ja eher Sättigungseffekte eintreten würden (Wenzel, 1984, S. 96). Sehr kleine Etats erzielen bei kontinuierlicher Werbung nur relativ geringe Frequenzen, die Personen der Zielgruppe werden vergleichsweise selten erreicht. Bei geringen Frequenzen wirkt selbst kontinuierliche Werbung schon eher wie pulsierende Werbung, so daß bei einer zusätzlichen Häufung die Werbepausen zu groß werden und jeder Werbe-Impuls wie ein Erstimpuls wirkt, d.h. es kann niemals auf ein vorhandenes Wirkungsniveau aufgebaut werden. Gerade darin liegt ein Vorteil langfristiger Werbestrategien. Um bei einem kleinen Etat eine kontinuierliche Wirkung zu gewährleisten, kann es empfehlenswert sein, beispielsweise statt sechs ganzseitigen Anzeigen lieber zwölf Anzeigen halbseitig zu buchen oder auf Vierfarbigkeit zu verzichten. Der Vorteil einer gewissen Regelmäßigkeit in der Werbung dürfte stärker ins Gewicht fallen als der sicherlich unbestrittene Vorteil der größeren Anzeigenformate oder der Farbigkeit. Analog wäre bei Funkwerbung die Frage von 30 Sekunden-Spots oder beispielsweise 20 Sekunden-Spots zu beantworten. Am Beispiel der Kaffeewerbung wurde untersucht, daß häufiger geschaltete, dafür kürzere Werbespots mehr an Werbewirkung erzielten als längere Spots in geringerer Häufigkeit (Franke, 1983). Das dürfte wahrscheinlich auch auf die Funkwerbung übertragbar sein.
406
6. Mediaplanung
Absatz- und Werbe-Niveau Absatzverlauf
Marke A
Marke B
Werbeverlauf Marke A
Marke B
Zeit
Absatzanpassung an eine Erhöhung der Werbeausgaben ... Absatz- und Werbe-Niveau
Absatzverlauf
Werbeverlauf
... und an eine Senkung der Werbeausgaben
Zeit
Abbildung 6-7: Darstellung der Zusammenhänge zwischen Werbeintensität und Werbewirkung im Zeitablauf (vereinfacht dargestellt nach Simon, 1983)
6.4 Reichweite oder Werbedruck?
407
Für mittlere Etats scheint jedoch tatsächlich die pulsierende Werbung vorteilhaft zu sein. Voraussetzung dafür ist, daß wir aufgrund des vorhandenen Etats zunächst eine einigermaßen kontinuierliche Werbung realisieren. Dieses bestehende Werbeniveau kann dann zwei- bis dreimal pro Jahr erhöht werden. Dazu bieten sich mehrere Maßnahmen an. Man kann zunächst einfach die Häufigkeit der Schaltungen (Frequenz) erhöhen. Man kann aber auch 1/2- oder 3/4-formatige Anzeigen zeitweise auf 1/1-Seiten erhöhen, gleichermaßen können Schwarzweiß-Anzeigen zeitweise als vierfarbige Anzeigen geschaltet werden. Voraussetzung für die Erhöhung der Werbewirkung ist in solchen Fällen, daß die Werbung ohne Schwierigkeiten „wiedererkannt“ wird. Bei Funkwerbung genügt eine einfache Verlängerung „üblicher“ 20 Sekunden-Spots auf 30 Sekunden-Spots vermutlich nicht. Die zusätzliche Zeit muß genutzt werden, um etwas Neues, Besonderes zu vermitteln. Die Wirkung dieser Art der pulsierenden Werbung liegt darin, daß eine über einen langen Zeitraum unveränderte Werbung zwar einerseits immer leichter wiedererkannt wird, andererseits immer weniger Beachtung findet, weil sie naturgemäß nichts Neues vermittelt. Durch die hier genannten leichten Veränderungen, anderes Format (größere Formate erzielen zudem mehr Aufmerksamkeit als kleinere), Farbigkeit oder zusätzliche Botschaften in etwas längeren Funkspots wird der Gewöhnung entgegengewirkt. Die Frage nach permanenter gleichmäßiger oder zeitweiser Werbepräsenz, ebenso wie die Frage nach permanenter Werbung, mit jedoch zeitweise erhöhter Intensität (sogenannte pulsierende Werbung) ist, wie oben angeführt, in Abhängigkeit von der Etatgröße zu beantworten. Wann wir von einem großen, mittleren oder kleinen Etat sprechen können ist nicht allgemein, sondern nur marktspezifisch zu beantworten. Kriterien für die Beurteilung der Etatgröße sind: Zielgruppengröße, Zielgruppenaffinität der Medien (wie genau erreicht man mit bestimmten Medien die Zielgruppe), Werbevolumen der Konkurrenz, Ausmaß des Interesses, welches die Abnehmer dem Produkt entgegenbringen und die selbst gesetzten Werbeziele, insbesondere die angestrebte Frequenz, Häufigkeit des Kontaktes mit der Werbebotschaft sowie die angestrebte Reichweite.
6.5 Mediaplanung in der Durchführung Die Media-Abteilung der Werbeagentur oder spezielle Media-Agenturen erstellen nach Vorlage des Briefings alternative Mediapläne. Diese beinhalten die Nennung der zu belegenden Werbeträger, z.B. Zeitschriften oder Sender, die Häufigkeit der jeweiligen Belegungen eines Werbeträgers (Frequenz) und den Zeitpunkt jeder einzelnen Belegung. Es gab in der Werbepraxis Versuche, unter Heranziehung der gespeicherten Daten der den jeweiligen Media-Analysen zugrundeliegenden Untersuchungen Mediapläne durch Computer-gestützte Programme erstellen zu lassen. Diese Vorgehensweise ist jedoch bis jetzt noch nicht weit verbreitet. Die Praxis der Mediaplanung ist aus der folgenden Abbildung ersichtlich.
408
6. Mediaplanung
Marketing-Ziele
1 Werbebudget Mediaziele
2 Medien
3 Leistungen der Medien (durch Media-Analysen ermittelt)
7 Medienbewertung
4 Buchungskosten
6 Bewertung der Kontakte
8
5 Personenbewertung
10 ComputerAusdruck
9 Streuplan
Abbildung 6-8: Ablauf der Mediaplanung Ausgehend von einem Werbebudget und den Mediazielen (1) - wobei das Budget sich aus den Mediazielen ergeben sollte und dieses integrierter Bestandteil einer Kommunikationsstrategie sein sollte - wählt die Agentur Medien und die Häufigkeit ihrer jeweiligen Belegung (die Frequenz) aus (2). Dabei fließen zwei Gruppen
6.5 Mediaplanung in der Durchführung
409
von Entscheidungskriterien in die Auswahlentscheidung ein: Kosten und Leistungen der potentiellen Werbeträger. Die Leistungen der Medien ergeben sich aus den Media-Analysen (3). Gefragt ist, wie viele Personen einer Zielgruppe mit einem bestimmten Medium oder Werbeträger erreicht werden können (Reichweite) und wie oft diese Personen mit einem Mediaplan insgesamt erreicht werden können (OTS-Wert). Die Reichweite eines Werbeträgers ist das Maß dafür, wie viele Personen der definierten Zielgruppe mit einer oder mehreren Belegungen erreicht werden können, gemessen in absoluten Zahlen oder in Prozent der Zielgruppe. Die Reichweite kann sich demnach auf eine einzige Belegung eines spezifischen Werbeträgers (z.B. einer Zeitschrift) oder mehrere Belegungen dieses Werbeträgers (man spricht dann von der sogenannten kumulierten Reichweite) oder auch auf den gesamten Mediaplan, also alle belegten Werbeträger und ihre jeweiligen Frequenz beziehen. Wird ein bestimmter Werbeträger mehrfach belegt, dann ist es wichtig zu wissen, wie sich die insgesamt erreichbare Reichweite entwickelt. Liegt die Reichweite bei einer Schaltung beispielsweise bei 35%, dann liegt die Bruttoreichweite bei 2 Schaltungen bei 70%. Die Nettoreichweite bei Mehrfachbelegung ist die Bruttoreichweite, bereinigt um diejenigen Nutzer, die mehrfach erreicht werden. Bei einem Werbeträger, der von seinen Nutzern sehr regelmäßig genutzt wird, ist der Netto-Reichweitengewinn durch Mehrfachbelegung relativ gering, dafür werden die erreichten Personen öfter erreicht (Anstieg des OTS-Wertes). Das ist insbesondere bei Programmzeitschriften der Fall. Bei unregelmäßig genutzten Zeitschriften steigt die Reichweite bei Mehrfachbelegung schneller an, dafür sind geringere Zuwächse beim OTS-Wert zu erwarten. Diesen Zusammenhang verdeutlichen die beiden folgenden Abbildungen 6-9 und 6-10 am Beispiel einer Kaufzeitschrift und einer Programmzeitschrift (Abonnementzeitschrift). Bei letzterer sind schon mit 2 bis 3 Belegungen nahezu alle potentiellen Nutzer erreicht, bei der unregelmäßiger genutzten Kaufzeitschrift sind dafür bis zu 10 Belegungen notwendig. Natürlich drückt sich diese Leistung eines Werbeträgers auch in den Kosten einer Belegung aus. Für die Beurteilung der Leistung werden in der Praxis die Reichweite bzw. mögliche OTS-Werte alleine als nicht ausreichend angesehen und durch die sogenannte Zielgruppenaffinität ergänzt. Die Affinität eines Werbeträgers sagt aus, wie stark die Zielgruppe innerhalb der Nutzerschaft eben dieses Werbeträgers in Relation zu seinem Anteil an der Gesamtbevölkerung vertreten ist; sie wird durch einen Index ausgedrückt. Wenn der Anteil der Zielgruppe an der Gesamtbevölkerung genau dem Anteil der Zielgruppe an der Nutzerschaft eines Mediums entspricht, dann erhält dieser Werbeträger den Affinitätsindex 100. Liegt der Anteil der Zielgruppe innerhalb der Nutzerschaft über dem Durchschnitt an der Gesamtbevölkerung, liegt der Index entsprechend über 100; liegt der Anteil an der Zielgruppe innerhalb der Nutzerschaft des Werbeträgers unter dem Bevölkerungsdurchschnitt, dann liegt der Index entsprechend unter 100. Die Affinität läßt sich als Index folgendermaßen berechnen:
410
6. Mediaplanung
Anteil der Zielgruppe an der Gesamtnutzerschaft × 100 Anteil der Zielgruppe an der Gesamtbevölkerung
100 %
5%
1% 1% 1%
0% 0% 0% 0%
3% 5%
90 % 11%
80 %
spätere Folgewochen 29% Reichweitenzuwachs
25%
70 % 60 % 50 %
1. Folgewoche / 25% Reichweitenzuwachs
45%
40 % 30 %
Erste Woche / 45% Reichweite
20 % 10 % Frequenz
0% 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11 12
Abbildung 6-9: Wöchentlicher Reichweitenzuwachs einer Kaufzeitschrift (unregelmäßige Leserschaft)
Bei einem Anteil an der Nutzerschaft von 25% und einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von 20% ergibt sich also ein Index von 25 × 100 = 125 20 Hat eine beliebige Zielgruppe einen Anteil von 30% an der Gesamtbevölkerung, dann erhält ein Werbeträger, mit einem Anteil von 45% von Personen der Zielgruppe innerhalb seiner Nutzerschaft einen Affinitätsindex von 150, liegt sein
6.5 Mediaplanung in der Durchführung
411
Zielgruppenanteil bei 15% lautet der Index 50. Es kommen für die Mediaplanung nur Werbeträger mit möglichst hohem Affinitätsindex in Betracht.
100 %
1%
1% 0%
15%
1% 0% 0% 0%
0% 0% 0% 0%
90 % 82%
1. Folgewoche / 15% Reichweitenzuwachs
80 % 70 % 60 % 50 %
Erste Woche / 82% Reichweite
40 % 30 % 20 % 10 %
Frequenz
0% 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11 12
Abbildung 6-10: Wöchentlicher Reichweitenzuwachs einer Abonnementzeitschrift (regelmäßige Leserschaft) Obwohl beide Werte (Reichweite und Affinität) die Leistung eines Werbeträgers messen, kann die Beurteilung eines spezifischen Werbeträgers nach Reichweite und Affinität unterschiedlich ausfallen. Ein Werbeträger mit einer hohen Reichweite kann durchaus eine geringe Affinität aufweisen und vice versa. Das ist vor allem bei Zielgruppen mit besonderen Interessen zu erwarten. Wer beispielsweise Motorradfahrer als Zielgruppe spezifiziert, mag über das Werbefernsehen (ZDF) durchaus eine hohe Reichweite erzielen, da die meisten Personen dieser Zielgruppe vermutlich auch über dieses Medium erreichbar sind. Dennoch mag der Anteil der Motorradfahrer an der Seherschaft des ZDF sogar unter dem Bevölkerungsdurchschnitt liegen, also liegt der Affinitäts-Index unter 100. Spezifische Motorrad-Fachzeitschriften erzielen einen außerordentlich hohen Affinitäts-Index, jedoch dürfte die Reichweite relativ gering sein, es wird lediglich der „harte Kern“ der Gesamtzielgruppe erreicht. Da sich die Kosten einer Belegung jedoch nicht nach der Zielgruppen-spezifischen Reichweite richten, sondern nach der absolut möglichen Anzahl erreichbarer Per-
412
6. Mediaplanung
sonen, scheint die Belegung eines Werbeträgers mit einerseits hoher Reichweite, andererseits hohen Streuverlusten (damit ist das „Erreichen“ von Personen gemeint, die nicht zur Zielgruppe gehören) außerordentlich unökonomisch. Bei genauerer Betrachtung erweist sich die Berücksichtigung der Affinität jedoch als überflüssig: Ein Werbeträger mit hoher Zielgruppenaffinität kann sich als unökonomisch erweisen, wenn hohe Buchungskosten das überkompensieren. Ein Massenmedium mit geringerer Zielgruppenaffinität kann dieses durch relativ geringere Buchungskosten gleichfalls kompensieren. So erweisen sich die 1000erPreise als letztendlich ausschlaggebend. Lediglich dann, wenn man annimmt, daß Medien mit hoher Zielgruppenaffinität eine qualitativ intensivere Werbewirkung pro Kontakt bewirken, was sich bekanntlich nicht in 1000er-Preisen niederschlägt, wäre der Einbezug der Affinität (neben der Relation von Reichweite und Einschaltkosten) gerechtfertigt. Für diese These gibt es jedoch keine brauchbaren Belege. Die These geht davon aus, daß Medien mit sehr speziell interessierten Nutzerschaften (Zeitschriften wie SCHÖNER WOHNEN, ELTERN etc.; Werbeblöcke in Gesundheitsmagazinen im TV) von diesen intensiver genutzt werden (was sicher anzunehmen ist) und daß dieses auch zu einer intensiveren Wahrnehmung der Werbung führt (was fragwürdig ist). Der Leistung eines Werbeträgers stehen die Kosten gegenüber, dabei ist in erster Linie der Tausend-Nutzerpreis von Bedeutung. Dieser Wert bezieht sich auf das eben angesprochene Problem. Um verschiedene Werbeträger mit unterschiedlichen Leistungen und Kosten pro Schaltung vergleichbar zu machen, errechnet man für jeden in Betracht kommenden Werbeträger den Tausend-Nutzerpreis. Dieser Wert nennt den Preis für 1000 erreichte Personen der Zielgruppe mit dem Werbeträger, in welchem die Botschaft enthalten ist. Der Wert errechnet sich folgendermaßen: Einschaltkosten × 1000 Reichweite Zielgruppe absolut So läßt sich die Leistung der Werbeträger vergleichbar machen. Unter simultaner Berücksichtigung der drei genannten Kriterien werden Mediapläne präsentiert. Der erste Schritt dazu ist die Berechnung sogenannte Rangreihen von möglichen Werbeträgern. In die Datei der heranzuziehenden Media-Analyse werden dazu folgende Daten eingegeben:
6.5 Mediaplanung in der Durchführung
413
a) Daten der Zielgruppe (Soziodemographie) b) In Frage kommende Medien (z.B. „Zeitschriftentitel“) c) Belegungswünsche (bei Zeitschriften z.B. Format und Farbigkeit, bei Funk und Fernsehen Spotlänge) d) Häufigkeit der gewünschten Belegung (die Rangreihen können sich auf eine Belegung beziehen, um überhaupt geeignete Werbeträger zu erkennen, oder aber bereits gewünschte Schaltfrequenzen – Mehrfachbelegungen - berücksichtigen) Anschließend lassen sich mittels Computereinsatz folgende Daten ermitteln: • Fallzahl der Zielgruppe (Anzahl der Personen der Zielgruppe, die in der Media-Analyse zugrunde gelegten Stichprobe enthalten waren) • Größe der Zielgruppe insgesamt (hochgerechnet) • Kosten- und Leistungswerte der abgefragten Medien
Ein derartiger Rangreihenausdruck wird in der folgenden Tabelle dargestellt. Untersucht wurden in diesem Fall die Leistungs- und Kostenwerte bei klassischen Frauenzeitschriften in der definierten Zielgruppe. Als Kriterium in der Bildung der Rangreihe wurde der Tausendkontaktpreis angesetzt. Die weiter ermittelten Werte sind im Selektionsprozeß zur Findung der quantitativ besten Werbeträger notwendig. In Tabelle 6-3 ist die Frauenmarkt-Kombination der wirtschaftlichste Träger im Preis pro tausend erreichte Personen der Zielgruppe (Tausend-Nutzerpreis). Auch in den Zielgruppenkontakten (Bruttoreichweite), in der Nettoreichweite (Nutzer in der Zielgruppe) sowie in der „zielgruppengewichteten Verkaufsauflage“ und im Preis pro Tausend „zielgruppengewichteter Verkaufsauflage“ liegt diese Titelkombination an erster Stelle. (Titelkombinationen werden von Verlagen mit sogenannte Kombinationsrabatten angeboten, um durch eine entsprechende Preiswürdigkeit mehrere Titel in die Planung zu bekommen.)
414
6. Mediaplanung
Tabelle 6-3: Rangreihenbeispiel Datei: Nennung der genutzen Media-Analyse Zielgruppe: Frauen mit einem besonderen Informationsinteresse an Damenunterwäsche und Miederwaren und besonderer Beachtung der persönlichen Gesundheit und Kleidung nach der neuesten Mode. Zielgruppenpotential: 8,36 Mio. = 32,3 % aller Frauen ab 14 Jahren Format: 1/1 Seite einfarbig Fälle: 1.888 = 8,36 Personen Frequenz: 1 x (d.h. wir unterstellen zunächst eine Belegung, das ist sinnvoll, weil es hier um die Auswahl der überhaupt in Betracht kommenden Werbeträger geht)
Titel
Belegte Werbeträger A B C D E F G H I K L M N M N O P Q
Einschalt -preis brutto
Euro 50.672 12.896 42.544 30.400 32.240 21.600 13.808 30.720 25.872 48.814 32.073 48.246 14.800 15.680 15.936 22.480 18.120 21.163
TausendKontaktpreis
Euro 25,36 26,41 26,60 27,02 28,38 29,08 29,79 30,15 32,49 34,22 34,26 35,70 38,72 39,61 39,79 45,84 63,72 76,60
BruttoReichweite
Euro 1.995 0.488 1.600 1.125 1.136 0.743 0.463 1.019 0.796 1.427 0.936 1.351 0.382 0.396 0.400 0.490 0.284 0.276
Netto- Affinität Reich -weite
% 20,38 5,84 16,84 12,65 1359 8,88 5,54 12,18 8,99 15,72 11,19 16,16 4,57 4,73 4,79 5,86 3,40 3,30
% 32,4 35,0 32,0 38,8 31,3 37,7 35,3 38,4 38,0 35,1 34,8 35,2 43,2 36,7 40,0 36,9 37,4 32,3
Zielgruppengewichtete Verkaufsauflage
Tsd. 817.226 152.323 667.495 446.660 493.340 283.503 181.185 287.215 327.487 414.914 268.767 366.294 172.249 158.524 172.275 150.932 208.880 125.264
Preis pro tausend zielgruppengewichtete Verkaufsauflage Euro 62,00 84,66 63,74 68,06 65,35 76,19 76,21 106,96 79,00 117,65 119,37 131,71 85,92 98,91 92,50 148,94 86,75 168,95
Die Berechnung des Tausend-Nutzerpreises ist rechnerisch leicht nachzuvollziehen: 50.672 × 1.000 1.995.000 Aus der Bewertung der verschiedenen Rangreihenkriterien qualifiziert sich die Frauenmarkt-Kombination als der wirtschaftlichste und bedeutendste Werbeträger unter den untersuchten Titeln bzw. Titelkombinationen. Um eine bessere Übersicht zu erzielen, kann man die gerangreihten Kriterien indexieren. Der beste Wert wird dabei jeweils mit dem Faktor 100 angesetzt und die nachfolgenden Werte daran gemessen.
6.5 Mediaplanung in der Durchführung
Beispiel:
Tausend-Kontaktpreis
415
Index
Preis pro 1.000 zielgruppengewichteter Verkaufsexemplare Index
Titel A
100
100
Titel B
330
370
Es zeigt sich, daß Titel B in beiden Kostenwerten bei der von uns angenommenen Zielgruppe um ca. 200% teurer ist als Titel A. Um anhand der drei relevanten Kriterien eine Auswahl zu treffen, wird gelegentlich vorgeschlagen, pro Kriterium eine Rangreihe zu bilden, die Kriterien zu gewichten und den jeweiligen Werbeträgern einen Gesamtwert zuzuordnen, der sich aus der Summe der Plätze pro Einzelkriterium, multipliziert mit der Gewichtung eben dieses Kriteriums, ergibt. Das sei an folgendem Beispiel illustriert (Tabelle 64): Tabelle 6-4: Gesamtwert durch Multiplikation und Gewichtung
Gewichtung
TausendNutzerpreis 0,3
Reichweite
Affinität
0,3
0,4
1 2 3
2 3 1
1 2 3
Zeitschriftentitel A B C
Die angenommene Gewichtung resultiert aus der Entscheidung im Management. Es ergeben sich folgende Werte pro Werbeträger: A: B: C:
1 x 0,3 2 x 0,3 3 x 0,3
+ + +
2 x 0,3 3 x 0,3 1 x 0,3
+ + +
1 x 0,4 2 x 0,4 3 x 0,4
= = =
1,3 2,3 2,4
Demnach wäre Zeitschriftentitel A eindeutig vorzuziehen, B wäre gegenüber C knapp vorzuziehen. Diese Vorgehensweise ist jedoch problematisch, da bei einer derartigen Rangreihenberechnung die Abstände zwischen den einzelnen Plätzen vernachlässigt werden. Es ist durchaus denkbar, daß der Unterschied in der Affinität und im Tausend-Nutzerpreis äußerst knapp ist, die Reichweitenunterschiede
416
6. Mediaplanung
jedoch viel deutlicher sind, als es durch die Plazierung 3 und 1 zum Ausdruck gebracht wird. Die Schwierigkeit einer solchen Vorgehensweise, bezogen auf die Marktforschung, wird von Green und Tull (1982, S. 155) rechnerisch demonstriert. Ausgehend von erstellten Rangreihen und den Briefing-Vorgaben werden anschließend alternative Mediapläne (in der Praxis auch als „Streupläne“ bezeichnet) erstellt. Dazu sind folgende Entscheidungsbereiche relevant: • Die Festlegung der Anzahl der Schaltungen innerhalb der gewählten Werbeträger, also die Frequenzen. Das betrifft in starkem Maße die in Kapitel 6.4 angesprochene Problematik, ob eher hohe OTC-Werte oder hohe Nettoreichweiten anzustreben sind. Hohe Frequenzen pro Werbeträger führen zu höheren OTCWerten, niedrigere Frequenzen führen zu Reichweitengewinnen, wenn dafür mehr verschiedene Werbeträger belegt werden. • Entscheidungen über die Zeiträume betreffen in starkem Maße das Problem kontinuierlicher oder pulsierender Werbung. Hier spielen auch saisonale Aspekte eine Rolle, ebenso wie der Zeitpunkt anderer Marketing-Maßnahmen, z.B. im Rahmen der Verkaufsförderung. • Entscheidungen über die Art der Schaltungen (Format, Spotlänge, Farbigkeit) unterliegen in ganz engem Maße auch Entscheidungen über die werblichen Inhalte. Gleichzeitig kann der Versuch unternommen werden, durch kleinere Anzeigen oder kürzere Spots höhere Schaltfrequenzen zu finanzieren. Bis zu einem gewissen Maß hängt allerdings die Werbewirkung pro einzelner Schaltung auch von Formaten oder Längen ab. Je bekannter eine Botschaft bereits ist, um so eher kann der Versuch unternommen werden, durch kürzere Spots oder kleinere Anzeigenformate Frequenzzuwächse zu erzielen. Hier wird deutlich, in welch starkem Maße die Mediaplanung in andere Aspekte des Marketing verwickelt ist. Die jetzt erstellten Media- oder Streupläne werden anschließend Computergestützt bewertet. Danach können ggf. noch Korrekturen erfolgen, die dann wiederum einer Bewertung unterzogen werden. Der diesbezügliche Aufwand ist in der Praxis relativ gering, es bedarf lediglich der Eingabe der Daten des oder der betreffenden Mediapläne in eine Datei der heranzuziehenden Media-Analyse. In der folgenden Tabelle 6-5 wird eine solche Bewertung dreier alternativer Streupläne (leicht vereinfacht) dargestellt. Aus dem Kopf des Ausdruckes gehen Auftragsnummer, Auftraggeber, Datum und die der folgenden Berechnung zugrunde gelegte Datei, in diesem Fall die Verbraucher-Analyse, 1990, hervor. Es folgt der Ausdruck der eingegebenen Zielgruppe und die daraus berechnete absolute Größe der Zielgruppe. Die der jeweiligen Analyse zugrunde liegende Stichprobe soll repräsentativ für die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland ab 14 Jahre sein. Dennoch finden sich immer wieder leichte Veränderungen hinsichtlich der Reprä-
6.5 Mediaplanung in der Durchführung
417
sentativität, die teilweise aus der Erreichbarkeit der unterschiedlichen Personengruppen resultieren. In diesem Fall sind 2.009 Personen befragt worden, die der eingegebenen Zielgruppe entsprechen, das entspricht hochgerechnet 8,90 Mio. Personen. Tatsächlich ist die Zielgruppe jedoch etwas kleiner, sie wird daher entsprechend korrigiert. Die Untersuchung wäre hinsichtlich der Zielgruppe genau repräsentativ gewesen, wenn ihr 1.889 Interviews zugrunde gelegen hätten. Eine leichte Überrepräsentation ist kein Nachteil. Eine Untersuchung ist dann untauglich, wenn die gerade relevante Zielgruppe in ihr deutlich unterrepräsentiert ist. Nehmen wir zur Erläuterung ein fiktives extremes Beispiel: Für eine Studie werden 15.000 Personen als Stichprobe herangezogen. Damit könnte, sonstige Verzerrungen ausgeschlossen, die Repräsentation gewährleistet sein. Wenn jedoch die eigene Zielgruppe in dieser Studie nicht stark genug vertreten ist, vielleicht weil sie in der Gesamtbevölkerung nicht stark vorhanden ist (z.B. Ärzte), dann wäre die Studie für den konkreten Planungsfall dennoch untauglich. Immer dann, wenn die korrigierte Zielgruppengröße erheblich nach oben von der erhobenen Zielgruppengröße abweicht, sind Zweifel an der Eignung der herangezogenen Datei angebracht. Daher sind die Korrekturfaktoren wichtige Informationen für die Mediaplanung. Es folgt der eigentliche Media- oder Streuplan, in diesem Fall in drei Alternativen. Wir finden die jeweiligen Kosten in der ersten Zeile. Die unterschiedlichen Belegungskosten erlauben es nicht immer, das vorgegebene Budget genau einzuhalten; es dürfte in diesem Fall bei etwa 1,15 Mio. gelegen haben. Der Mediaplan weist die einzelnen in Betracht gekommenen Titel oder Sender und die Häufigkeit ihrer Belegung aus. Im unteren Teil finden sich die üblichen Leistungs- und Kostenwerte anhand derer die vorliegenden Media-Alternativen zu beurteilen sind. Ausgewiesen wird zuerst die Nettoreichweite als prozentualer Anteil der Personen der oben definierten Zielgruppe, die durch den jeweiligen Mediaplan erreicht werden. Plan 1 erreicht den besten Wert, nämlich 75,15%, das entspricht in absoluten Zahlen 6,28 Mio. Personen. Nunmehr werden die Kontaktleistungen ausgewiesen. Die Zeile „Kontakte pro Leser/Nutzer“ sagt aus, wie oft die erreichten Personen der Zielgruppe im Durchschnitt mit einem Werbeträger Kontakt haben, der die Werbebotschaft enthält (OTC-Wert). Problematisch ist dabei die Tatsache, daß nicht gesagt werden kann, wie oft es dabei wirklich zu einem Werbemittel-Kontakt kommen kann. Ein Kontaktwert steht für „Kontakte mit der Zeitschrift XYZ“. Damit ist nichts über die Qualität des Kontaktes ausgesagt. Dieser OTC-Wert ist daher eigentlich nur für Mediapläne vergleichbar, die Werbeträger mit ähnlicher Kontaktqualität aufweisen.
418
6. Mediaplanung
Tabelle 6-5: Streuplanzählung (Evaluierung, Kumulation)
Datei: Nennung der genutzten Media-Analyse Format: 1/1 Seite, einfarbig, angeschnitten Zielgruppe: Frauen mit einem besonderen Interesse an Damenunterwäsche und Miederware und Beachtung der persönlichen Gesundheit und Kleidung nach der neuesten Mode Zielgruppenpotential: 1.889 Fälle = 8,36 Mio (Zielgruppe korrigiert) 2.009 Fälle = 8,90 Mio (Durchgeführte Interviews) Werbeträgerkosten B F S J M P A C N E K F H Netto/Netto-Kosten in Euro Reichweite in % in Mio Kontakte (Bruttoreichweite) in Mio OTS/Durchschnittskontakte pro Leser Tausendkontaktpreis in Euro Tausendleserpreis in Euro Verkaufte Auflage in Mio GRP Kontaktverteilung in % 1-5 Kontakte 6 Kontakte und mehr
Plan 1
Plan 2
Plan 3
6 6 6 6 4 3 4 4 4 4 3 9 9
6 7 7 7 3 3 3 3 3 3 3 9 9
8 8 8 8 4 4 4 4 4 4 4 -
1.157.865 75,15 6,28 48,28 7,68 23,98 184,37 44,76 577
1.150.109 75,04 6,28 48,53 7,73 23,70 183,14 44,20 580
1.125.979 70,25 5,87 42,25 7,19 25,42 191,82 32,40 505
37 63
37 63
42 58
Die häufig zur Ermöglichung des Vergleichs eingesetzten Gewichtungsfaktoren für unterschiedliche Mediagattungen sind doch recht subjektiver Natur, ihre Rechtfertigung hängt zudem in starkem Maße von der jeweiligen Botschaft und dem zu bewerbenden Produkt ab, so daß, selbst wenn objektive Werte vorliegen würden, derart allgemeingültige Aussagen im konkreten Fall kaum anzuwenden wären. Dieses Problem ist in dem hier dargestellten Mediaplan nicht von Bedeutung, da nur Frauenzeitschriften herangezogen wurden. Hier liegt der Mediaplan 2 auf dem ersten Platz, mit einem OTC-Wert von 7,73.
6.5 Mediaplanung in der Durchführung
419
Der GRP-Wert (Gross Rating Points) sagt etwas über den insgesamt von einem Mediaplan entwickelten Werbedruck aus, indem die OTC-Werte (Durchschnittskontakt-Chance pro Leser/Nutzer) mit der Nettoreichweite multipliziert werden. Es erfolgt also eine Multiplikation der Anzahl der insgesamt erreichten Zielgruppen-Personen mit deren durchschnittlichen Kontakthäufigkeit. Der GRP-Wert in Prozent (GRP %) ist eine problematische Kennziffer. Der gleiche Wert kann erzielt werden bei einer hohen Reichweite mit geringem Werbedruck und umgekehrt einer geringen Reichweite bei hohem Werbedruck. Besser ist es, sowohl die notwendige Reichweite als auch den als notwendig erachteten Werbedruck aus den Marketingzielen abzuleiten. Beim GRP liegt der Plan 2 mit einem Wert von 580 (75,04 x 7,73) auf dem ersten Platz. In absoluten Zahlen ist der GRP-Wert die Summe aller Kontaktchancen eines Mediaplanes, naturgemäß liegt der gleiche Mediaplan vorne. 6,28 Mio. Personen wurden im Durchschnitt 7,73 mal erreicht (haben 7,73 Kontaktchancen), das ergibt 48,53 Mio. Einzelkontakt-Chancen. Diesen Leistungswerten stehen die Kosten gegenüber. Um verschiedene Pläne vergleichbar zu machen, wird danach gefragt, was es bei einem Plan kostet, 1000 Personen der Zielgruppe zu erreichen und was es kostet, 1000 Kontakte zu erreichen. Man spricht vom Tausend-Leser-/Nutzerpreis und vom TausendKontaktpreis. Diese errechnen sich wie folgt: a) Tausend-Leser/Nutzerpreis:
Einschaltkosten × 1.000 Reichweite
In unserem Fall ist Plan 2 am günstigsten, der Preis pro 1000 Leser liegt bei 183,14 und ergab sich folgendermaßen: 1.150.109 × 1.000 = 183,14 6.280.000
b) Tausend-Kontaktpreis:
Einschaltkosten × 1.000 Kontaktmenge (Bruttoreichweite)
Auch hier ist Plan 2 am günstigsten, mit einem Preis pro 1000 Zielgruppenkontakte von 23,70 Euro. Die Berechnung stellt sich folgendermaßen dar:
420
6. Mediaplanung
1.150.109 × 1.000 = 23,70 48.530.000
c) Tausend-Heftpreis (Tausenderpreis):
Einschaltkosten × 1.000 verkaufte Auflage Dieser Wert bezieht sich auf die Anzahl tatsächlicher Käufer einer Zeitschrift. Aus Untersuchungen ist bekannt, daß diese die Zeitschrift häufiger nutzen als sonstige Mitnutzer. In unserem Beispiel ist Plan 1 am günstigsten. Berechnung: 1.157.865 × 1.000 = 25,87 44.760.000
d) Preis pro 1000 zielgruppengewichteter Exemplare:
Einschaltkosten × 1.000 zielgruppengewichtete Auflage Hier liegt wiederum Plan 1 am besten. Berechnung: 1.157.865 × 1.000 = 74,95 15.450.000 Welcher Plan ist nun der beste? In der rein quantitativen Betrachtung liegen die Planvarianten 1 und 2 sehr eng beieinander. Plan 2 bringt es bei leicht niedrigeren Streukosten auf ein größeres Kontaktvolumen, etwas höhere OTS-Werte und einen günstigeren TausendKontaktpreis. Die Unterschiede liegen aber durchaus im gegebenen Toleranzrahmen. Das gleiche gilt im Prinzip auch für die Verkaufsauflagen. Auch die Kontaktverteilung in den Kontaktklassen 1-5 und den angenommenen wirksamen Kontaktklassen von 6 und mehr sind praktisch identisch. Plan 2 scheint minimal günstiger und sollte empfohlen werden.
6.5 Mediaplanung in der Durchführung
421
Derartige Häufigkeitsverteilungen der Kontaktchancen sollten auf jeden Fall dazu herangezogen werden, um zu ermitteln, wie groß der Teil der innerhalb der Reichweite ausgewiesenen Personen unwirksam (!) erreicht wird. Da wir grundsätzlich davon ausgehen müssen, daß eine bestimmte Mindestzahl von Kontaktchancen unbedingt notwendig ist, um überhaupt eine Werbewirkung zu erzielen, andererseits nicht vermeidbar ist, einige Personen nur relativ selten zu erreichen, ist wenigstens auf eine Minimierung dieses Personenkreises zu achten. In diesem Zusammenhang taucht immer die Frage auf, wo denn im konkreten Fall dieser Mindestwert liegt. Dazu ist eine allgemeingültige Antwort nicht möglich. Folgende Faktoren bestimmen diesen kritischen Wert: • Produkt-Involvement, je niedriger dieses ist, um so höher sind die erforderlichen Kontaktwerte. • Werbeträgergattungen, je oberflächlicher die Beschäftigung mit dem Werbeträger ist, um so mehr Kontaktwerte sind erforderlich (vgl. dazu die Ausführungen zum Intermediavergleich). • Werbedruck der Konkurrenz, je höher dieser ist, um so höher sollte notgedrungen der eigene Werbedruck sein (vgl. dazu die Ausführungen zum „Share of Mind“, S. 67 f.).
Auf jeden Fall ist es sinnvoll, vor der Beurteilung konkreter Mediavorschläge den als Mindestkontaktwert erachteten OTC-Wert festzulegen. Beginnt man erst dann über den kritischen OTC-Wert nachzudenken, wenn konkrete Mediapläne vorliegen, dann beherrscht in der Praxis oft das Wunschdenken die Entscheidungen. Man könnte noch einen weiteren Leistungswert heranziehen, der etwas über die Kontaktverteilung aussagt, die Varianz der Kontaktchancen pro Zielgruppenpersonen (OTC-Wert). 1 S = n 2
S2 n xi x
n
¦ (x − x)
2
i
i =1
steht für die Varianz, für die Anzahl der Personen, also die Nettoreichweite, Kontakthäufigkeit pro ist der Mittelwert, also OTC
Diese einfache Kennziffer aus der Stichprobentheorie sagt aus, wie stark die tatsächlichen Werte um den Durchschnittswert (OTC-Wert) streuen. Er ist um so kleiner, je mehr Personen eine Kontaktchance ganz in der Nähe vom Durch-
422
6. Mediaplanung
schnittswert aufweisen. S² ist um so größer, je mehr die OTC-Werte der erreichten Personen um den Durchschnittswert streuen. Da eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Kontakte erstrebt wird, ist der Streuplan mit der kleinsten Varianz zu bevorzugen. Jedoch ist in der Praxis das Arbeiten mit Kontaktklassen, also der expliziten Offenlegung der Häufigkeitsverteilung der OTC-Werte üblich.
6.6 Optimierung von Mediaplänen durch Gewichtungsfaktoren Bei der Bewertung der Mediapläne können vorab noch Verbesserungen vorgenommen werden. Sind wirklich alle Personen der Zielgruppe von gleicher Bedeutung? Wenn das nicht der Fall ist, dann können die Personen innerhalb der Zielgruppe unterschiedlich gewichtet werden. Die Zielgruppe mag lauten: Alle haushaltsführenden Frauen in einem Alter von 20 bis 39 Jahren. Man kann beispielsweise Personen dieser Gesamtheit in Haushalten mit einem höheren Haushaltsnettoeinkommen höher gewichten, als Personen mit einem niedrigeren Haushaltsnettoeinkommen. Die Personengewichtung mag folgendermaßen vorgenommen worden sein (HNE = Haushaltsnettoeinkommen): Haushaltsnettoeinkommen Haushaltsnettoeinkommen Haushaltsnettoeinkommen Haushaltsnettoeinkommen
bis ab bis über
Euro 1999 Euro 2000 Euro 2999 Euro 3000
Gewichtungsfaktor 0,5 Gewichtungsfaktor 1,0 Gewichtungsfaktor 1,5
Sind alle Kontaktklassen gleichermaßen wirksam? Zwar wird man versuchen, in den zu konstruierenden Mediaplänen eine möglichst weitgehende Gleichverteilung der Kontakthäufigkeiten (OTC-Werte) zu realisieren. Da das nicht immer gelingt, könnte man folgende Kontaktklassen bilden und gewichten: Kontaktklasse I Kontaktklasse II Kontaktklasse III Kontaktklasse IV
OTS-Werte OTS-Werte OTS-Werte OTS-Werte
bis 7: 8 - 11: 12 -15: über 15:
Gewichtungsfaktor 1,00 Gewichtungsfaktor 0,75 Gewichtungsfaktor 0,50 Gewichtungsfaktor 0
Man unterstellt bei einer solchen Gewichtung einen sinkenden Grenznutzen zunehmender Kontakthäufigkeiten, also einen konkaven Werbewirkungsverlauf. In dem Beispiel ergibt sich bei einer Person, die 7 Kontaktchancen hat, auch rechnerisch ein OTC-Wert von 7. Eine Person mit 10 Kontaktchancen erhält einen OTCWert (7 x 1)+(4 x 0,75)+(4 x 0,5) = 12. Ein höherer OTC-Wert ist ab 15 nicht möglich, da weitere (über 15 hinausgehende) Kontaktchancen mit dem Faktor Null gewichtet werden. Schließlich können anhand des Intermedia-Vergleiches einzelne Medien unterschiedlich gewichtet werden, wodurch zum Ausdruck gebracht wird, daß bei Me-
6.6 Optimierung von Mediaplänen durch Gewichtungsfaktoren
423
diagattungen übergreifenden Mediaplänen die einzelnen Mediagattungen einen unterschiedlichen Beitrag zum Erreichen der Kommunikationsziele leisten. In der Marketing-Praxis werden oft Personen als Zielgruppen definiert. Sind nicht eigentlich Haushalte die richtigen Zielgruppen? Wer ist relevant: „Haushaltsführend (weiblich), Haushaltseinkommen 2.500 Euro und mehr, mindestens drei Personen im Haushalt“ oder jeder Haushalt, in dem eine Person das Produkt konsumiert. In dem Fall könnte mittels Marktforschung (solche Studien gibt es seit 1985, vgl. Böcker, 1985) versucht werden, die Kaufeinflußgewichte einzelner Haushaltsmitglieder zu ermitteln. Wir kennen allgemeine Studien über den Einfluß von Haushaltsvorständen (das ist die Person, die angibt es zu sein, oder die Person mit dem höchsten Einkommensbeitrag im Haushalt, jedenfalls nicht automatisch eine männliche Person) auf Konsumentscheidungen oder den Einfluß erwachsener Männer und Frauen in einer Lebensgemeinschaft. Allgemeine Studien sind aber oft als konkrete Entscheidungshilfe zu ungenau. So mag allgemein durchaus richtig sein, daß Autokauf nicht mehr „Männersache“ ist. Für eine bestimmte Marke kann das durchaus so sein. Gewichtungsfaktoren für den Einkauf von Tafelschokolade könnten z.B. folgende Werte annehmen: Haushaltsführende Haushaltsvorstände Kinder Sonstige Personen Keine Angaben
45% 25% 19% 5% 7%
Mit diesen Werten könnten Kontakte bei Personen der Zielgruppe gewichtet werden. Es dürfte grundsätzlich sinnvoll sein, bei großen Etats, die einen derartigen Aufwand rechtfertigen, eine Primärerhebung zur Ermittlung der Kaufeinflußgewichte im eigenen Markt durchzuführen. Der Aufwand lohnt allerdings nur dann, wenn sich durch Einführung der Gewichtungsfaktoren erhebliche Auswirkungen auf die Rangreihen und daraus folgenden Mediapläne ergeben. Das läßt sich allerdings einfach vorab feststellen. Man läßt dann testhalber einen Mediaplan zweimal unterschiedlich bewerten. Im ersten Fall erhalten die Haushaltsführenden den Gewichtungsfaktor 1, alle anderen Personengruppen den Faktor 0. Im zweiten Fall werden extreme, aber als realistisch angesehene Gewichtungsfaktoren angenommen. Anschließend werden beide Bewertungen verglichen. Anhand der sich ergebenden Unterschiede läßt sich beurteilen, ob entsprechende Studien sinnvoll sind. Es bestehen allerdings noch erhebliche Probleme hinsichtlich der Messung der Kaufeinflußgewichte. Hubel (1986, S. 102) weist darauf hin, daß der Anteil nicht übereinstimmender Antworten bei verschiedenen Studien zwischen 30 und 80 % schwankt. Ein von Hubel (1987, S.161) vorgeschlagenes Verfahren befriedigt jedoch auch nicht ganz. In einer simulierten Kaufentscheidung fällen die Famili-
424
6. Mediaplanung
enmitglieder diese zunächst allein. Dann werden sie veranlaßt, Entscheidungen gemeinsam zu fällen. Aus den gefundenen Unterschieden soll auf den Einfluß der Beteiligten geschlossen werden. Das ist deshalb schwer möglich, weil die Meßgröße direkt durch die Testsituation der offensichtlich gemeinsamen Entscheidung manipuliert wird. Immerhin hat dieses Verfahren den Vorteil, daß bei Befragungen das Problem fehlender Erinnerung oder fehlenden Einblickes in intrafamiliäre Entscheidungsstrukturen sowie die Frage sozial erwünschter Antworten umgangen wird (Hubel, 1987, S. 161).
Kontaktbewertung 12 K
12 K = 75
9K
Mediengewicht
Person A
Personengewicht
80
durch Plan nach MA 15 Kontakte in Zeitschift für 20 Belegungen
50
Erfolgsbeitrag
4,5 K
Summe der Erfolgsbeiträge aller Personen Gesamtwirkung
Abbildung 6-11: Wirkungsermittlung in Media-Selektions-Programmen Man kann das Problem aber lösen. Es werden zwei zufallsgestützte Stichproben gebildet. In einer der beiden Stichproben werden die Personen zu Individualentscheidungen veranlaßt, in der zweiten Stichprobe zu gemeinsamen Entscheidun-
6.6 Optimierung von Mediaplänen durch Gewichtungsfaktoren
425
gen. Ein Vergleich beider Resultate könnte Aufschluß über die Kaufeinflußgewichte liefern. Abbildung 6-11 zeigt, wie sich die Bewertung von ursprünglich 15 Kontakten auf letztlich nur 4,5 Kontakte reduzieren kann. Kosten- und Leistungswerte innerhalb von Rangreihen und Mediaplänen werden dann allerdings zu reinen Kennziffern, die lediglich etwas über die relative Güte von Mediaplänen aussagen, absolute Zahlen sind daraus nicht mehr ersichtlich. Ein Problem ist darin zu sehen, daß die Gewichtungsfaktoren häufig auf groben Schätzungen und sehr subjektiven Annahmen beruhen. Die anschließend häufig sehr filigran durchgeführten Berechnungen erscheinen auf dermaßem groben Fundament fragwürdig. Da die Rechnung mit Gewichtungen die Aussagekraft der Darstellung daher schmälern kann, andererseits dennoch selten alle Kontakte gleichermaßen wichtig oder wirksam sind, ist es sinnvoll, statt mit Gewichtungsfaktoren zu arbeiten, eine zweite Bewertung vorzunehmen, bei der als Zielgruppe lediglich die Kernzielgruppe definiert wird. Man prüft, ob der ausgewählte Plan auch in diesem Falle die besten Werte aufweist. Wenn man die Kernzielgruppe anhand psychologischer Kriterien beschreibt, dann wird bei der zweiten Berechnung häufig auch eine andere Datei herangezogen. Wir betrachten zunächst Tabelle 6-6, in welcher ein Mediaplan auf eine bestimmte Zielgruppe bezogen dargestellt wird. Im unteren Teil finden sich die üblichen Leistungs- und Kostenwerte anhand derer die vorliegenden Media-Alternativen zu beurteilen sind. Ausgewiesen wird zuerst die Nettoreichweite als prozentualer Anteil der Personen der oben definierten Zielgruppe, die durch den jeweiligen Mediaplan erreicht werden. Plan 2 erreicht den besten Wert, nämlich 63,7%, das entspricht in absoluten Zahlen 5,9 Mio. Personen. Nunmehr werden die Kontaktleistungen ausgewiesen. Die Zeile „Kontakte pro Leser/Nutzer“ sagt aus, wie oft die erreichten Personen der Zielgruppe im Durchschnitt mit einem Werbeträger Kontakt haben, der die Werbebotschaft enthält.
426
6. Mediaplanung
Tabelle 6-6: Mediaplan (Version 1)
Zielgruppe Geschlecht: Frau Alter: 20 – 49 Jahre HH.Nettoeinkommen: 2000 + DM Zielgruppengröße: 3.530 Fälle = 9,27 Mio (Zielgruppe korrigiert) 3.633 Fälle = 9,54 Mio (Durchgeführte Interviews) Werbeträger
Kosten in Euro F P T B B.M. C J N V Br. F.S. Nettoreichweite in % in Mio Kontakte GRP in % GRP abs. Pro Leser/Nutzer (=OTS-Wert) Kosten pro 1000 Leser/Nutzer Kontakte
Plan 1
Plan 2
Plan 3
1.333.800
1.336.000
1.304.500
9 7 8 8 3 5 9 3 3 -
6 6 6 6 3 9 6 3 6
9 3 6 6 9 3 6 -
56,10 5,20
63,7 5,90
61,2 5,67
379,2 35,17 6,76
408,90 37,85 6,42
384,3 35,63 6,28
256,50 37,92
226,44 35,30
230,07 36,61
Bei den GRP-Werten liegt der Plan 2 mit einem Wert von 408,9 (63,7 x 6,42) auf dem ersten Platz. Im Durchschnitt wurden 5,9 Mio. Personen 6,42 mal erreicht (haben 6,42 Kontaktchancen), das ergibt 37,85 Mio. Einzelkontakt-Chancen. Diesen Leistungswerten stehen die Kosten gegenüber. Diese errechnen sich folgendermaßen:
6.6 Optimierung von Mediaplänen durch Gewichtungsfaktoren
427
• Tausend-Leser-/Nutzerpreis:
Budget × 1.000 Reichweite absolut In unserem Fall ist Plan 2 am günstigsten, der Preis pro 1.000 Leser liegt bei 226,44 und ergab sich folgendermaßen: 1.336.000 × 1.000 5.900.000 • Tausend-Kontaktpreis:
Budget × 1.000 Reichweite absolut × OTS - Wert Auch hier ist Plan 2 am günstigsten, mit einem Preis pro 1.000 Kontakte in Höhe von 35,30. Wenn man an die Berechnung des GRPabs zurückdenkt, dann wird deutlich, daß sich der Tausend-Kontaktpreis auch einfach unter Einsetzen dieses Wertes ermitteln läßt: Budget × 1.000 GRP absolut Schließlich kann man berücksichtigen, daß der Preis pro 1000 Leser bzw. Nutzer bekannt ist und zudem, deren OTS-Wert. Daher ist der Tausend-Leser-/Nutzerpreis einfach durch den OTS-Wert zu dividieren und man erhält gleichfalls den Tausend-Kontaktpreis. 1.000er - Leserpreis OTS - Wert
Es ergeben sich in unserem Fall folgende Berechnungen für Plan 2: (1)
1.336.000 × 1.000 = 35,42 5.900.000 × 6,42
428
6. Mediaplanung
(2)
1.336.000 × 1.000 = 35,29 37.850.000
(3)
226,44 = 35,42 6,42
Die leichten Abweichungen ergeben sich aus Rundungsfehlern. In dem vorliegenden Fall ist Plan 3 gegenüber Plan 2 in beiden Leistungswerten im Nachteil, er weist zudem leicht ungünstigere Kostenwerte auf, damit scheidet diese Alternative aus. Plan 2 weist gegenüber Plan 1 eine bessere Reichweite auf, ist jedoch im OTS-Wert leicht im Nachteil. Insgesamt ist jedoch der Werbedruck von Plan 2 höher (aus den GRP-Werten ersichtlich). Die höhere Kontaktintensität von Plan 1 gegenüber Plan 2 wurde demnach durch zu hohe Reichweitenverluste „erkauft“. Zudem weist Plan 2 bessere Kostenwerte auf, dürfte also insgesamt vorzuziehen sein. Nunmehr betrachten wir den gleichen Mediaplan, aber bezogen auf eine kleinere Kernzielgruppe (Teilmenge der Gesamtzielgruppe). Ohne auf die Berechnungen im einzelnen nochmals einzugehen, zeigt sich, daß auch in diesem Fall der Plan 2 zu bevorzugen ist. Es wird außerdem ersichtlich, daß der Mediaplan bei der Kernzielgruppe prozentual eine höhere Reichweite aufweist als es bei der gesamten Zielgruppe der Fall war (das gilt übrigens für alle 3 Alternativen). Auch das spricht für die Qualität ausgewählter Mediapläne. Daß die absolute Reichweite kleiner wird und auf 2,17 Mio. Personen sinkt, ist aufgrund der speziellen definierten und damit zahlenmäßig kleineren Zielgruppe trivial. Analog verhält es sich mit den GRP-Werten. Der GRP-Wert in absoluten Zahlen muß sich verschlechtern. Die durchschnittlichen Kontaktchancen pro Leser steigen jedoch gegenüber der ersten Berechnung wieder an. Auch das spricht dafür, daß die Mediapläne hinsichtlich der Kernzielgruppe angemessen gestaltet sind. Die Kostenwerte müssen sich aufgrund der absolut kleineren Zielgruppe deutlich verschlechtern. Wiederum ist aber auch diesbezüglich der ursprünglich ausgewählte Plan im Vorteil, womit die Entscheidung für diesen Plan noch besser begründet werden kann. An diesem Beispiel wurde deutlich, daß es möglich ist, die gesamte Mediaplanung unter Heranziehung einer neu definierten Zielgruppe noch einmal zu überprüfen.
6.6 Optimierung von Mediaplänen durch Gewichtungsfaktoren
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Tabelle 6-7: Mediaplan (Version 2)
Zielgruppe Geschlecht: Frau Alter: 20 – 49 Jahre HH.Nettoeinkommen: 2000 + DM Typo-Marken-Kombination Marktsegment mit besonderen Interessen über: Info über Kosmetik/Schönheitspflege oder Info über Körperpflege oder Info über Frisuren/Haarpflege oder Info über Diät/Diätvorschläge Zielgruppengröße:
565 Fälle = 2,80 Mio (Zielgruppe korrigiert) 632 Fälle = 3,13 Mio (Durchgeführte Interviews)
Werbeträger
Kosten in Euro F P T B B.M. C J N Br. F.S. Nettoreichweite in % in Mio Kontakte GRP in % GRP abs. Pro Leser/Nutzer (=OTS-Wert) Kosten pro 1000 Leser/Nutzer Kontakte
Plan 1
Plan 2
Plan 3
1.333.800
1.336.000
1.304.500
9 7 8 8 3 5 9 3 -
6 6 6 6 3 9 6 3 6
9 3 6 6 9 6 -
71,60 2,01
77,50 2,17
76,30 2,14
591,60 16,57 8,30
637,90 17,87 8,20
597,70 16,74 7,80
664,77 80,50
615,33 74,78
609,35 77,90
430
6. Mediaplanung
6.7 Synergie-Effekte in der Mediastrategie die Kombination Print & TV Im Marketing gilt in besonderem Maße, daß die Gesamtwirkung verschiedener Maßnahmen erheblich größer sein kann, als die Summe ihrer Einzelwirkungen. Wir sprechen dann von Multiplikator- oder Synergie-Effekten. Aus der Kommunikationsforschung können wir hinreichend sicher auf eine Reihe derartiger Effekte schließen, u.a. mit erheblichen Konsequenzen auf die Media-Strategie. Häufig wird in der Mediaplanung auch ein Media-Mix angestrebt. Die Zielgruppe soll über mehrere Werbeträgergattungen erreicht werden. Dabei wird unterstellt, daß eine derartige sogenannte „mehrkanalige“ Werbung einer gleichermaßen intensiven „einkanaligen“ Werbung überlegen ist. Dieser Effekt wurde in der Praxis mehrfach bestätigt. In sozial-psychologischer Grundlagenforschung konnte Tannenbaum (1967) die Wirkungssteigerung wechselnder Anspracheart nachweisen. In der Werbepraxis ist dieser Synergie-Effekt jedoch an zwei Voraussetzungen gebunden. Einmal muß auch die Ansprache pro Werbeträgergattung für sich genommen jeweils ausreichend intensiv sein, wenn auch nicht so intensiv, wie bei ausschließlichem Einsatz einer Werbeträgergattung. Wenn beispielsweise in einer ganz bestimmten Situation ein Budget von 5 Mio. Euro für Werbefernsehen als ausreichend angenommen wird, dann kann dieses bei ausreichender Unterstützung durch Werbung in beispielsweise Publikumszeitschriften durchaus erheblich darunter liegen. Die zweite Voraussetzung für das Eintreten der gewünschten Synergie-Effekte erscheint trivial, ist es aber in der Mediapraxis nicht immer. Es muß sichergestellt werden, daß ein genügend großer Teil der insgesamt erreichten Personen (Nettoreichweite) tatsächlich von beiden Mediagattungen erreicht wird. Zwischen gedruckten Medien und Werbefilmen sind gute Beziehungen herzustellen. Werbefilme erzeugen beim Betrachter „innere Bilder“ im Gedächtnis, die in Anzeigen oder auch auf Plakaten wieder aufgegriffen werden können. Das können markante Personen oder Schlüsselszenen sein. Ein guter Werbefilm sollte eigentlich grundsätzlich derartige Elemente beinhalten, die als „Quasi-Standbild“ beim Betrachter gut haften bleiben. Dann läßt sich die Fernsehwerbung in Printmedien transferieren. Die häufige und sinnvolle Media-Kombination „TV/ Publikumszeitschriften“ hängt in ihrer Wirksamkeit von solchen markanten Bildern ab. Derartige Kombinationen wirken allerdings nur dann, wenn mit beiden Mediagattungen die gleichen Bevölkerungsgruppen erreicht werden. Nehmen wir an, eine anspruchsvolle, sogenannte „gehobene“ Zeitschrift werde mit TV kombiniert. Dann kann eine sehr ungünstige Verteilung der Kontaktintensität innerhalb der erreichbaren Bevölkerungsgruppen (Nettoreichweite) entstehen. Es bilden sich grob vereinfacht drei Kontaktklassen:
6.7 Synergie-Effekte in der Mediastrategie
431
Klasse A:
wird nur über TV erreicht und erhält mittlere OTS- bzw. OTCWerte. Ein Synergie-Effekt, also gegenseitige Unterstützung der Werbung aus mehreren Mediagattungen ist nicht möglich. Innerhalb der erzielten Reichweite ist das die größte Gruppe.
Klasse B:
wird über TV und „gehobene Zeitschriften“ erreicht. Diese Gruppe erhält die höchsten OTC-Werte, wobei auch Synergie-Effekte auftreten, da diese Gruppe von beiden Mediagattungen erreicht wird. Das sind die Bevölkerungsgruppen, auf welche die hier notwendigen Verhaltensweisen zutreffen, nämlich partielle Nutzung „gehobener Titel“ bei gleichzeitiger TV-Nutzung. Innerhalb der Gesamtreichweite ist das aber eine relativ kleine Gruppe, da sich eben doch nur ein relativ kleiner Teil „Vielseher“ gleichzeitig „gehobenen Zeitschriften“ zuwendet.
Klasse C:
wird im wesentlichen nur über „gehobene Zeitschriften“ erreicht und erhält deshalb den niedrigsten OTC-Wert. Ein Synergie-Effekt ist nicht möglich. Innerhalb der Gesamtreichweite ist das die kleinste Gruppe.
Ein wichtiges Kriterium für einen guten Mediaplan muß jedoch eine möglichst gleichmäßige Verteilung der OTC-Werte sein. Das ist nur bei einer gleichmäßigen Belegung von TV und gleichermaßen reichweitenstarken Zeitschriften möglich, oder auch bei jeder anderen Kombination von Werbeträgergattungen, die auf eine gleichmäßige Verteilung der Zielgruppen innerhalb der Nutzerschaft der Werbeträger aufbauen können. Daß schon ein auf den ersten Blick „einleuchtender“ Mediaplan hinsichtlich der Kontaktverteilung problematisch sein kann, zeigt das folgende Beispiel: Der vollständige Plan (im Beispiel Plan Nr. 3) besteht aus 24 Schaltungen in einem beliebigen TV-Sender (nehmen wir an zur Primetime, zur Hauptnutzerzeit, das erklärt die hohen Schaltkosten) und 21 Belegungen in 5 bekannten und sehr reichweitenstarken Zeitschriften (was ebenfalls die hohen Schaltkosten erkärt):
432
6. Mediaplanung
Tabelle 6-8: Kombination von TV (Plan 1) mit Zeitschriften (Plan 2)
Zielgruppe: weiblich Geschlecht: Frau Alter: 20 – 29 Jahre 30 – 39 Jahre HH.Nettoeinkommen: ab 3000 DM Basis: 1806 = 4.00 Mio. (Personen + Fall Gewichtung) 1806 = 4.00 Mio. (Fall Gewichtung) 1811 = 4,01 Mio. (keine Gewichtung) Werbeträger
Plan 1
Plan 2
Plan 3
2.133.328
967.203
3.100.5850
TV Gesamt B F M N Pa
24 -
6 6 3 3 3
24 6 6 3 3 3
Reichweite in Mio. Personen Reichweite in Prozent der Zielgruppe Kontakte Mio. OTS-Wert Kosten pro 1000 Leser/Nutzer Kontakte GRP
2,99 74,79
2,41 60,17
3,59 89,80
12,06 4,03
10,32 4,29
22,39 6,24
713,55 176,87 302
402,14 93,68 258
863,74 138,50 560
Kosten in Euro
Die Erreichbarkeit über beide Werbeträgergattungen ist dennoch ungünstig. Das zeigt die Analyse von Plan 2 (nur Zeitschriften) 8und Plan 3 (nur TV) Nur die Hälfte (exakt 50,4%) der insgesamt durch TV und Print erreichten Zielgruppe ist durch das Media-Mix erreicht, also durch Print und TV. 16,7% der erreichten Zielgruppe werden nur durch Print erreicht, 33,1% nur durch TV. Man sollte also bei Plänen mit einem Media-Mix gewünschte Reichweiten-Überschneidungen kontrollieren. Vertretbar ist die Kombination TV und „gehobene Zeitschriften“ dann, wenn die Zielgruppe ursprünglich in gehobenen Schichten angesiedelt war und das Ziel jetzt darin besteht, Zielgruppenausweitung zu betreiben. Man wählt nicht ausgehend von TV „gehobene Zeitschriften“ um in die dortige Nutzerschaft zu expandieren, sondern man wählt ausgehend von „gehobenen Zeitschriften“ und einer entsprechend eher exklusiven Zielgruppe jetzt TV, um dem geänderten Verbraucherverhalten der mittleren Schichten Rechnung tragend, Marktausweitung zu betreiben.
6.7 Synergie-Effekte in der Mediastrategie
433
In diesem Fall sind allerdings neben TV auch entsprechende reichweitenstarke Zeitschriften oder Funk und Außenwerbung denkbare Media-Alternativen. Das Ziel ist in diesem Fall ja nicht die Realisation von Synergie-Effekten durch ein Media-Mix, sondern eben die Zielgruppenausweitung. Das hier dargestellte Beispiel demonstriert noch ein zusätzliches Problem: Die 49,6% der in der Gesamtreichweite enthaltenen Personen, die entweder nur über TV oder nur über Print erreicht werden, erhalten OTC-Werte von 4.03 bzw. 4.29 im Durchschnitt. Sie liegen damit um grob ein Drittel unter den von beiden Werbeträgergattungen erreichten Personen (durchschnittlicher OTC-Wert ist hier 6,24). Es ist daher zu vermuten, daß diese Personen insgesamt nicht ausreichend häufig genug erreicht werden. Im Extrem wird damit ein großer Teil der insgesamt erreichten Personen nur unwirksam erreicht, denn Werbewirkung, wie auch immer gemessen, läuft kaum parallel. Bei einem Mediaplan sollte daher immer getrennt überprüft werden, wie viele Personen durch jeweils nur eine der gewählten Mediagattungen erreicht werden und wie oft. Sonst laufen wir Gefahr zu übersehen, daß die für den Gesamtplan ausgewiesene Reichweite einen großen Teil unwirksamer Reichweite enthält. Möglich wird das, indem, wie oben dargelegt, je ein Mediaplan pro Mediagattung gerechnet wird und ein Mediaplan für das Marketing-Mix. Wenn Synergieeffekte eintreten sollen, dann darf im Media-Mix-Plan kein nennenswerter Reichweitenanstieg eintreten; dafür muß ein OTS-Anstieg erfolgen. Die hier empfohlene Strategie der Kombination von Mediagattungen zur Realisation leicht wiedererkennbarer Werbung in jedoch unterschiedlicher Darbietungsform funktioniert nur dann, wenn die Nutzerschaft der gewählten Mediagattungen weitestgehend identisch ist. Wenn TV als ein Massenmedium eingesetzt wird, können nur entsprechend auflagenstarke Zeitschriften den hier beschriebenen Effekt hervorrufen. Eine Ausnahme ist denkbar, wenn TV-Werbung in ganz bestimmten interessenspezifischen Programmteilen der Privatsender plaziert wird. Dann könnten entsprechend interessenspezifische Zeitschriftentitel sinnvoll ausgewählt werden (Beispiel: Autorennen/Motorsport-Zeitschriften) und mit Werbung in speziellen Programmplätzen kombiniert werden. Es erscheint unsinnig, TV-Werbung mit breitem Publikum mit „imagefördernden“ höherwertigen Zeitschriften zu kombinieren, die spezielle Zielgruppen ansprechen, da der gewünschte Multiplikator-Effekt so nicht zustande kommt. Die Nutzerschaften sind nicht ausreichend deckungsgleich. Der mögliche Imagegewinn wird nur bei einer kleinen Nutzerschaft (der gehobenen Titel) realisiert. Abgesehen davon ist ein Imagegewinn durch Auswahl bestimmter höherwertiger Titel keineswegs ausreichend belegt. Wenn überhaupt, dann ist das Image einer Zeitschrift bei
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6. Mediaplanung
der Nutzerschaft selber relevant, das sich durch Leser-Blatt-Bindung und ähnliche Parameter messen läßt. Wir halten als erstes Fazit fest: Die Kombination gleichermaßen reichweitenstarker Mediagattungen ist nach dem heutigen Stand der Erkenntnis ein sehr empfehlenswerter Weg zur Wirkungssteigerung der Werbung. Schon vor zwanzig Jahren führte Tannenbaum Untersuchungen durch, die sich direkt auf unser Problem anwenden lassen. Es zeigte sich, daß Kommunikationswirkung sich durch Variation von Botschaft und Absender (z.B. Marke) erhöhen läßt. In diesem Fall wurden vier Versuchsgruppen unterschiedlichen Kommunikationsstrategien ausgesetzt: Gruppe 1 erhielt die gleiche Botschaft von dem gleichen Absender mehrmals und zeigte die geringste Einstellungsänderung. Gruppe 2 erhielt unterschiedliche Botschaften (mit prinzipiell der gleichen Absicht zur Einstellungsänderung), jedoch von dem gleichen Absender. Diese Gruppe zeigte das zweitschwächste Maß an Einstellungsänderung. Eine dritte Gruppe wurde der gleichen Botschaft aus unterschiedlichen Quellen ausgesetzt; hier zeigte sich das zweitstärkste Maß an Einstellungsänderung. Die stärkste Einstellungsänderung konnte jedoch erzielt werden, wenn unterschiedliche Kommunikationsinhalte (die tendenziell dennoch in die gleiche Richtung zielten) von verschiedenen Absendern erteilt wurden. In die Werbepraxis übertragen bedeutet dies, daß die Gruppe 1 sich in einer Situation befindet, vergleichbar mit der von Konsumenten, die mehrmals gleichen Anzeigen oder TV- resp. Funkspots ausgesetzt sind. Die zweite Gruppe ist vergleichbar mit einer Situation, in der zwar die Botschaftsform geändert wird, jedoch der Absender der gleiche bleibt. Dies ist der Fall, wenn Werbetreibende sich verschiedener Medien bedienen und die gleiche Aussage abgewandelt in Print-TV-FunkMedien gesendet wird. Wir müssen beachten, daß der Absender hier immer der gleiche ist, aus der Sicht des Konsumenten nämlich die Werbung betreibende Firma, nicht das Medium. Die Gruppe 3 ist schwierig in die Werbepraxis übertragbar. Wir müßten uns einen Fall vorstellen, in welchem exakt identische Botschaften von verschiedenen Absendern zu erhalten sind. Dies könnte dann der Fall sein, wenn sich Werbeaussagen und die Aussagen von unabhängigen Testinstituten exakt gleichen. Aber nur, wenn die gleichen Motive und Aussagen sowohl in der Handels-, als auch in der Markenwerbung eingesetzt werden. Gleicher Absender mehrmals Gleiche Botschaftsgestal- 1) schwächste Wirkung tung mehrmals Variation in der Bot2) gute Wirkung schaftsgestaltung
verschiedene Absender 3) gute Wirkung 4) höchste Wirkung
Abbildung 6-12: Versuchsaufbau nach Tannenbaum (1967)
6.7 Synergie-Effekte in der Mediastrategie
435
Die vierte Gruppe liefert uns einen Ansatz für eine weitere Steigerung der Kommunikationswirkung durch die Kombination von Werbung mit „Product Publicity“, also redaktionellen Auslobungen von Produkten in den Medien. In diesem Fall erhält der Konsument die Botschaft nämlich aus seiner Perspektive von zwei unterschiedlichen Quellen: dem Markenartikel und der neutral erscheinenden Redaktion der Zeitschrift. Auch die hier dargestellten Effekte lassen sich nur erreichen, wenn jeweils identische Nutzerschaften angesprochen werden. Wir halten als zweites Fazit fest: Der positive Effekt durch Kombination von Mediagattungen mit deckungsgleichen Zielgruppen ist durch „Product Publicity“ noch steigerungsfähig. Ziel einer hier dargestellten Mediastrategie ist es, langfristig den in Abbildung 6-12 dargestellten Netto-Effekt zu steigern, indem der positive Gewöhnungseffekt genutzt und der negative Redundanzeffekt dennoch weitestgehend vermieden wird. Auch hier ist an einer Kombination Handels- und Markenwerbung zu denken, wobei sich die Inhalte nur ähneln, ohne identisch zu sein. „Product Publicity“ als Form der Marktkommunikation reicht aber nur in extrem seltenen Fällen aus, im Konsumgüter-Marketing für Markenartikel möchte man sagen, „grundsätzlich nicht“. Vielmehr bedarf es des Aufgreifens der zentralen Aussage in komprimierter Form in anschließend häufig zu wiederholender Werbung.
Exkurs: Image-Effekte von Zeitschriften (oder anderen Werbeträgern) Wir gehen von folgender These aus: Gehobene bis mittlere Bevölkerungsschichten konsumieren z.T. die gleichen Produkte und nutzen partiell die gleichen Medien. Wir können Zielgruppen nicht mehr schichtspezifisch beschreiben. Auch gehobene Zielgruppen konsumieren in bestimmten Märkten preisorientiert, je nach haushaltsspezifischer Interessenlage. So wurde der Versuch unternommen, Haushalte in „Lifestyle“-Gruppen aufzuteilen. In welchen Märkten geben denn nun aber die „jungen aufstrebenden Hedonisten“ – um nur ein Beispiel zu nennen – ihr frei verfügbares Einkommen aus? Im Kosmetiksektor, im Urlaub, für Video, Mode, Bildung, Wohnungsausstattung usw.? Nicht in allen Bereichen, aber in welchen? Es ist das Phänomen des Konsums der ausgehenden 80er und der 90er Jahre, daß gehobener Konsum partiell (!) praktiziert wird. Wie lassen sich nun die Personen einer wie auch immer zu benennenden „Lifestyle“-Gruppe beschreiben, die ihr frei verfügbares Einkommen in einem oder mehreren bestimmten Konsumbereichen ausgeben? Damit sind wir im Bereich der psychologisch beschreibbaren Zielgruppen. Viele in der Praxis präsentierten „psychologisch genau beschriebenen“ Segmente beruhen aber auf Vermutungen und stellen eine viel zu grobe Vereinfachung dar.
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6. Mediaplanung
Sie sind oft populär, weil leicht verständlich, deswegen aber nicht richtig! Sie eignen sich möglicherweise für die Gestaltung der „Copy Strategy“ - nicht aber für die Auswahl der Werbeträger. Wir wissen in Wirklichkeit sehr wenig darüber, welche psychologisch beschriebenen Zielgruppen welche Produkte konsumieren, wir wissen damit auch sehr wenig darüber, welche Werbeträger genutzt werden. Wir wissen nur soviel, daß sich die Nutzerschaft der einstigen Exklusivartikels, ebenso der Produkte gehobener Qualität, auf weitere Bevölkerungsschichten erstreckt: Aus Märkten des gehobenen Konsums wurden zum Teil Massenmärkte. Das ist die logische Schlußfolgerung aus der zu beobachtenden Polarisierung der Märkte. Wenn das gehobene Preissegment starkem Wachstum unterliegt, wird es zum Massenmarkt. Das hat auch Konsequenzen auf die Mediastrategie: Der so entstandene Markt verlangt eine Ausweitung der Mediastrategie auf reichweitenstarke Medien. Das gilt im übrigen für alle Massenmärkte! Dem wird in der Praxis gelegentlich entgegengehalten, daß dadurch das Produktimage leidet. Das ist eine im Marketing so oft zu hörende, wie gehaltlose Aussage. Dahinter steckt die Vermutung, daß die Nutzer/-innen gehobener Produkte dadurch „verprellt“ würden, daß sie „ihre“ Produkte in den Massentiteln beworben vorfinden. Die Annahme ist aus mehreren Gründen falsch. Erstens wird unterstellt, daß die Werbeträger beim Publikum den gleichen Wertungen unterliegen, wie innerhalb des Marketing-Managements selber. Davon ist bei breiten Bevölkerungsschichten nicht auszugehen. Zweitens wird angenommen, daß die Personen der „höheren“ Bevölkerungsschicht (und nur um diese kann es bei Imageverlusten überhaupt gehen) die betreffenden, angeblich imageschädigenden Werbeträger tatsächlich regelmäßig nutzen, nur dann wären imageschädigende Wirkungen überhaupt möglich. Das läßt sich aber in keiner Weise mit eben dieser Annahme verbinden. Werden bestimmte Zeitschriften von gehobenen Zielgruppen regelmäßig genutzt, dann sind auch keine imageschädigenden Folgen denkbar. Das gilt selbst dann, wenn sich die betreffenden Personenkreise negativ über diese Zeitschriften oder allgemein Werbeträger äußern. Man mag sich vielleicht nicht zur Nutzerschaft bekennen, tut es aber doch! Es ist nicht anzunehmen, daß regelmäßige Nutzer von Massentiteln diese schlecht beurteilen. Es ist zwar richtig, daß Personen sich gerne positiv über imageträchtige und angesehene Zeitschriften äußern und ebenso negativ über Massentitel, dennoch nutzen sie letztere. Nur zu gut kennen sie aus der Marktforschung das Problem der Resultatsverzerrung durch sozial erwünschte Antworten.
6.7 Synergie-Effekte in der Mediastrategie
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Drittens müßten die gleichen Argumente für TV gelten. Das Werbeumfeld im TV nach, während oder vor vielen beliebten Serien im TV (im Marketing-Slang als Soaps bezeichnet)ist in keiner Weise anspruchsvoller wie das in den gängigen Massenzeitschriften. Oder denken wir an die „Talk-Shows“ in Privatsendern Das wichtigste Argument: Entscheidend ist das Image eines Werbeträgers bei seinen Nutzern! Image-Wirkung für die Marke wird durch Werbemittelgestaltung erzielt, nicht durch die Auswahl der Werbeträger! Ein wenig anders sieht es bei Personen der gehobenen Schicht aus, die tatsächlich nur gelegentlich oder zufällig einmal Werbung für höherwertige Güter in Massentiteln wahrnehmen, ihr Produkt jedoch aus der Werbung in gehobenen Titeln kennen. Es ist jedoch nicht anzunehmen, daß sich derartige seltene, gelegentliche Wahrnehmung bereits imageschädigend auswirkt. Diesem hypothetischen Fall, der insgesamt schon nicht häufig anzunehmen ist und noch seltener mit schädlichen Konsequenzen, steht der Vorteil reichweitenstarker Massentitel mit hohem Werbedruck gegenüber. Wir dürfen andererseits nicht übersehen, daß der Konsum in den letzten Jahren wieder erheblich durch Kaufkraftmangel (!) beschreibbar ist. Die „Verhinderten Vielkonsumenten“ sind eine große Zielgruppe geworden. Das hatte auch zur Folge, daß das Werbeaufkommen in vielen Medien in den letzten Jahren rückläufig war (vgl. ausführlich Unger, Durante, Gabrys et al. 2004), weil viele Werbetreibende ihre Budgets prozyklisch gestalten, was dazu führen kann, daß Trends verstärkt werden. Das relativiert die vorangehenden Ausführungen aber nur bedingt. Wir können nicht mehr von einer einfachen Beschreibung der Bevölkerung, der Media-Nutzung und des Konsums nach Schichten ausgehen. Danach würde man annahmen können, daß eine Oberschicht (gemessen anhand von Einkommen, Beruf und Bildung), gehobenen Konsum realisiert und ebenso anspruchsvolle Medien konsumiert. Höhere Einkommensschichten sind keineswegs automatisch mit höherer Bildung und gehobenen Berufen zu verbinden, mittlere Einkommensschichten konsumieren durchaus nicht nur im mittleren Preisbereich usw. Mit anderen Worten: die Korrelationen von Einkommen, Beruf, Bildung, Konsum und Mediennutzung sind nicht mehr existent. Es ist vielmehr im Einzelfall zu entscheiden, welche Zielgruppen angesprochen werden sollen, welche Medien (ausgehend von der Mediennutzung durch diese Zielgruppe) belegt werden sollen. Dabei sind Images von Medien eher irrelevant, wenn überhaupt dann ist lediglich das Image eines Werbeträgers innerhalb der Zielgruppe relevant, obgleich auch hierüber keine fundierten Aussagen vorliegen. Studien von Verlagen oder Sendeanstalten sind diesbezüglich in zu starkem Maße von Eigeninteressen geleitet, als daß sie als Entscheidungsgrundlage eine Rolle spielen können.
7. Zusammenarbeit mit Agenturen 7.1 Von der Schaltagentur zur „Full Service“-Agentur Schon lange werden im Marketing bestimmte Funktionen nicht selbst oder nicht alleine wahrgenommen, sondern externe Spezialisten eingeschaltet. Das gilt in besonderem Maße für die Kommunikationspolitik: Werbeagenturen, KreativStudios, Promotion-Agenturen, Agenturen für Öffentlichkeitsarbeit sind seit langem bekannt. Man erhofft sich entweder die Nutzung von grundsätzlichem Kommunikations-„Know How“, da dieses infolge häufig fast rein betriebswirtschaftlicher Ausbildung der im Management tätigen Personen nicht (in ausreichendem Maße) vorhanden ist, oder doch wenigstens die Nutzung kreativer Kompetenz. Agenturen sind in unterschiedlichsten Betätigungsfeldern aktiv und tragen so zur Verbreitung neuer kreativer Ansätze in der Kommunikation bei. Zudem verspricht man sich kreative Leistungen aufgrund der Tatsache, daß die Agenturmitarbeiter nicht in das Tagesgeschäft im Management eingebunden und in ihrer Denkweise weniger eingeengt sind. So wird die Möglichkeit geschaffen, auf den ersten Blick ungewöhnliche Lösungen zu erarbeiten. Eine Vielzahl von Management- und Gestaltungsaufgaben im Rahmen der Marktkommunikation wird daher ausgegliedert und auf Dienstleistungsunternehmungen übertragen, die allgemein als Werbeagenturen bezeichnet werden. Dieses ist insofern irreführend, als Werbung heute nur noch ein integriertes Element im Rahmen der gesamten Kommunikationspolitik ist (die selbst wiederum als integrierter Bestandteil des Marketing-Mix zu verstehen ist). Bovee und Arens (1992) verstehen eine Werbeagentur als „an independent organization of creative people and business people who specialize in the development and preparation of advertising plans, advertisements and other promotional tools“. Diese Auffassung wird u.E. den erweiterten Aufgaben im Marketing, die Werbeagenturen in den 90er Jahren zunehmend wahrnehmen, nicht gerecht. Die Werbeagentur ist als Dienstleistungsanbieter in drei Richtungen tätig (Pepels, 1994, S. 484), nämlich gegenüber der werbetreibenden Wirtschaft, den Medien und den Produzenten von Werbemitteln. Gegenüber ihren eigenen Kunden (Werbetreibende) arbeitet die Agentur in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. Gegenüber den Medien wird die Agentur zwar in eigenem Namen und auf eigene Rechnung tätig (Mediabuchung bzw. -schaltung), allerdings unter Befolgung genauer Anweisungen der Agenturkunden, an welche die Rechnungen weitergegeben werden. Es ist auch möglich, daß gleich auf fremde Rechnung (der Agenturkunden) gebucht wird. Gegenüber den Werbemittelproduzenten „übernimmt die Werbeagentur Vermittlung und ordnungsgemäße Erfüllung und Abwicklungstätigkeit „in Regie“ in enger Abstimmung mit dem Kunden“ (Pepels, 1994, S. 486).
440
7. Zusammenarbeit mit Agenturen
Werbeagenturen haben sich daher im wesentlichen zu sog. „Full Service“Agenturen entwickelt. Sie bieten ihren Auftraggebern die Konzeption und Gestaltung sämtlicher Instrumente im Rahmen der Marktkommunikation an. Da die Kommunikation aus einer vorliegenden Marketing-Strategie ableitbar ist, scheint der Gedanke naheliegend, Werbe- oder besser Kommunikationsagenturen bereits in der konzeptionellen Phase der Marketing-Strategie beratend hinzuzuziehen, um so schon in dieser ersten Phase kommunikative Kompetenz zu nutzen. Dieser Gedanke ist analog zu dem im Marketing, genauer im Innovationsmanagement, geforderten frühzeitigen Einbezug von Zulieferern in die Entwicklung neuer Produkte, um so insbesondere Zeit zu sparen (vgl. Busch, Dögl & Unger, 2001, S. 179 ff.). Historisch gesehen entstanden Werbeagenturen aus den Dienstleistungsunternehmungen heraus, welche die Buchung (sog. Schaltung) der fertig konzipierten und gestalteten Werbung bei den Verlagen im Auftrag der Werbetreibenden übernahmen. Hierfür erhielten sie eine Mittlerprovision in Höhe von üblicherweise 15% vom Werbeaufkommen. Bei einem Werbevolumen in Höhe von beispielsweise 1.000.000,--Euro nach Anzeigenpreislisten berechnet die Agentur dem Kunden diesen sog. Bruttobetrag, führt jedoch an den Verlag lediglich 850.000,-- Euro ab, behält also die Provision in Höhe von 150.000,-- Euro ein. Dafür nahm sie dem Kunden die Auftrags-, Buchungs- und Überwachungstätigkeit mit einer relativ großen Anzahl von Verlagen ab und vereinfachte so für ihn die Abwicklung der Werbung erheblich. Die Gestaltung der Werbemaßnahmen oblag anfangs Druckereiunternehmungen oder speziellen Gestaltern. In zunehmendem Maße übernahmen die Agenturen im Rahmen ihrer Buchungstätigkeit auch gestalterische und konzeptionelle Aufgaben. Bei größeren Werbebudgets war diese gestalterische Funktion mit der Provisionszahlung in Höhe von 15% abgegolten. In dieser Phase war die Agentur nach wie vor eine ausführende, eher passive Dienstleistungsunternehmung. In dem Maße, in dem die Erkenntnis wuchs und sich im Marketing-Management durchzusetzen begann, daß Werbung lediglich ein Element in einem umfassenden Kommunikations-Mix darstellt und in dieses zu integrieren ist, stiegen auch die Anforderungen an die Werbeagenturen, die sich nunmehr zu Beratungsunternehmungen der Marketing-Kommunikation entwickeln. Parallel dazu entwickelten sich die klassischen Werbeabteilungen der Auftraggeber, die organisatorisch bestenfalls neben dem Vertrieb angesiedelt, viel häufiger dem Vertrieb unterstellt waren, zu umfassenden Marketing-Abteilungen. Noch heute finden sich viele Unternehmungen in denen die so entstandenen Marketing-Abteilungen dem Vertrieb als Stabsstelle zugeordnet sind. Die dadurch zum Ausdruck kommende Verkaufsorientierung (vgl. Kotler & Bliemel, 2001, S. 55) kann nicht mehr befriedigen. Die Umsetzung eines Marketing als Konzept marktorientierter Unternehmungsführung kann so nicht gelingen, schon gar nicht moderne Formen des notwendigen Prozeßmanagements (Busch, Dögl & Unger, 2001, S. 173-175).
7.1 Von der Schaltagentur zur „Full Service“-Agentur
441
Zwischen den Marketing-Abteilungen und Werbeagenturen (der Begriff ist trotz des erweiterten Aufgabenspektrums beibehalten worden) entwickelte sich eine immer intensiver werdende Zusammenarbeit, wobei die Agenturen zunehmend die Gestaltung aller Kommunikationsinstrumente übernahmen. Damit erschien die oben beschriebene Provision in Abhängigkeit vom Buchungsvolumen für klassische Werbemaßnahmen als überholt. Man kann eine umfassende Marketing- oder Kommunikationsberatung nicht durch eine prozentuale Honorierung in Abhängigkeit vom Einsatz eines bestimmten Instrumentes innerhalb des KommunikationsMix abgelten. Die Beratungs- und Gestaltungstätigkeit ist relativ unabhängig davon, ob eine entworfene und realisierte Anzeige in verschiedenen Zeitschriften mehr oder weniger oft erscheint. Daher ist es nur konsequent, wenn inzwischen die Honorierung überwiegend auf der Basis fest vereinbarter Beträge erfolgt. Die Höhe des Agenturhonorars richtet sich nach dem mit der Agentur vereinbarten Leistungsumfang und kann bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung jederzeit einer sich ändernder Leistung angepaßt werden. Gerade die Betreuung von Werbeetats aus der Investitionsgüterbranche oder Marketing-Etats, die besonders viele Verkaufsförderungsmittel enthalten, erfordert einen relativ hohen Beratungsaufwand, der nur über vereinbarte Honorare abgegolten werden kann. Wird die Agenturleistung ausschließlich über vereinbarte Honorare abgegolten, entfällt die Mittlerprovision vollständig. Die Agentur berechnet ihren Kunden dann lediglich die um diese Mittlerprovision gekürzten Buchungskosten, die Provision wird also nicht einbehalten. Andererseits entsteht den Agenturen doch Aufwand, der direkt von der Höhe des Werbeetats, den sog. „Streuetats“ abhängig ist. Jede Buchung erfordert ihren Verwaltungsaufwand, das Erscheinen der Werbung in den Medien muß überwacht werden, die Abrechnung ist abzuwickeln. Die Agentur gilt gegenüber den Medien als Auftraggeber, erhält die Rechnungen, muß diese begleichen und wiederum von ihren Kunden die Beträge einfordern. Um dem Rechnung zu tragen, ist neben der Festhonorierung eine gekürzte Mittlerprovision in Höhe von 3% bis 5% vom Streuetat möglich und üblich. Bei einem zu buchenden Werbebudget von 1.000.000,--Euro würden der Agentur lediglich 850.000,-- Euro berechnet (Bruttopreis abzüglich 15% Mittlerprovision). Ihrem Kunden berechnet die Agentur jedoch 880.000,-- Euro (bei 3%) oder 900.000,-- Euro (bei 5% vereinbarter Mittlerprovision). Daneben erhält die Agentur das vereinbarte Festhonorar für ihre Beratungs-, Konzeptions- und Gestaltungstätigkeit. Die Agenturvergütung kann bei beratungsintensiven Marketing-Etats einen wesentlichen Anteil des gesamten Marketingbudgets ausmachen und durchaus 20% bis 30% betragen. Bei größeren Etats wird die Buchung der Werbung zunehmend über sogenannte „reine Media-Agenturen“ abgewickelt, die dafür lediglich eine Provision von 1,5% bis 3% einbehalten. Sehr große Etats (z.B. über 10 Mio. Euro) werden inzwischen vielfach von den Werbetreibenden direkt gebucht.
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7. Zusammenarbeit mit Agenturen
Agenturen treten häufig als Mittler zwischen ihren Kunden und weiteren Zulieferern in der Marketing-Kommunikation auf: Werbefotografen, Designer, Druckereiunternehmungen, Filmproduzenten, Tonstudios, Grafiker etc. Auch hier wurde und wird zum Teil noch heute mit einer 15%-Regelung verfahren. Die Agenturen sind Auftraggeber, erhalten die Rechnung, begleichen 85% und berechnen ihrem Kunden 100%; eine im Ergebnis ähnliche Vorgehensweise ist die, daß die Rechnungen von den Agenturen zu 100% beglichen werden, diese an ihre Kunden weitergeben, jedoch mit einem Aufschlag von 15%. Daß die beiden Abrechnungsformen nicht zu ganz identischen Ergebnissen führen, zeigt folgendes Rechenbeispiel und war immer Gegenstand von Diskussionen der Praxis über die „gerechte“ Agenturvergütung. Beispiel: Ein Fotostudio wünscht eine Honorierung in Höhe von Euro 85.000,--. a)
Es berechnet 100.000,-- Euro, die Agentur gibt das weiter und behält 15% ein. Die Agentureinnahme beträgt 15.000,-- Euro.
b)
Es werden 85.000,-- Euro berechnet, die Agentur gibt das weiter und berechnet ihrem Kunden einen Aufschlag von 15%, also 12.750,-- Euro. Es ist offensichtlich, daß dieser Abrechnungsunterschied bei großen Werbeagenturen zu erheblichen finanziellen Konsequenzen führt, so daß dann ein Aufschlag von 17,5% gefordert wird.
Die Diskussion um die „gerechte“ Agenturvergütung ist allerdings unsinnig. Letztendlich ist die Werbeagentur ein Dienstleistungsunternehmen, das seine Leistung auf einem freien Markt anbietet und dafür eine Honorierung auf dem Markt gegen Wettbewerber durchsetzen muß. Die Honorierung der Agenturleistung auf Provisionsbasis führt allerdings dazu, daß die Agenturen in keiner Weise an kostensenkenden Maßnahmen interessiert sein können. Höhere Abrechnungen liegen im Interesse der Agenturen und werden die Beratungsleistung einseitig beeinflussen. Darum gehen viele Marketing-Unternehmungen dazu über, auch hier ohne prozentuale Regelungen abzurechnen, und den Agenturen die Mittlerleistungen im Rahmen der Pauschale abzugelten. Im Rahmen der Tätigkeit der Agenturen fällt in erster Linie die Konzeption und Gestaltung sämtlicher Kommunikationsmaßnahmen im Marketing an. Die Konzeption bezieht sich auf die Ausarbeitung wesentlicher strategischer Überlegungen zur Kommunikation, beispielsweise hinsichtlich angestrebter Produktpositionierungen oder Imageprofile. Auch die Formulierung von Kommu-nikationszielen kann durchaus zum Aufgabenbereich von Agenturen gehören, ebenso Diskussionen über die Zielgruppendefinitionen. Das bedeutet keinesfalls, daß die Agenturen dem Marketing-Management diesbezüglich die Entschei-dungen abnehmen können; sie tragen kooperativ mit ihrer Kompetenz zur Entscheidungsfindung bei. Gleiches kann für die Frage der Markenführung gelten, für Konzepte integrierter Kommunikation bis hin zu Fragen des internen Marketing, also Maßnahmen, die auf das eigene Personal und möglicherweise deren Angehörige zielen. Zunehmend bieten
7.1 Von der Schaltagentur zur „Full Service“-Agentur
443
Agenturen auch internationale Netzwerke an, die für die Umsetzung grenzüberschreitender Marketingkonzepte als nützlich angesehen werden. Die Konzeption bezieht sich auf die Ausarbeitung grundsätzlicher strategischer Überlegungen zur Kommunikation. Agenturen können beratend bei der Formulierung von Kommunikationszielen mitwirken, bei der Definition von Zielgruppen bzw. Marktsegmenten, der Auswahl der in Betracht kommenden Medien und durchaus auch bei der Ermittlung des für notwendig erachteten Kommunikationsbudgets. Letzteres ist derzeit in der Marketing-Praxis noch ungewöhnlich. Problematisch ist, daß die Budgetierung noch viel zu häufig nicht aufgaben- und zielbezogen abläuft, sondern anhand überholter Richtgrößen wie beispielsweise dem Umsatzniveau. In um so stärkerem Maße Kommunikationsbudgets ausgehend von Marketing-Zielen erstellt werden, wird es sinnvoll auf Fachkompetenz (und dann auch von Agenturen) zurückzugreifen. Auch Grundsatzfragen im Rahmen der Markentechnik können gemeinsam mit externen Kommunikationsexperten erörtert werden. Die Vielzahl von Aufgabenbereichen, die schon in der konzeptionellen Phase mit externen Experten erörtert werden kann, mag auf den ersten Blick irritieren. Es kommt dabei jedoch nicht darauf an, interne Entscheidungsträger von ihren Aufgaben zu befreien. Der Einbezug externer Kräfte muß keinesfalls eine konsequente Auslagerung bedeuten. Es geht vielmehr darum, die Entscheidungsgrundlagen wesentlich zu verbessern. Schon die Situationsanalyse und die Formulierung von Zielen stellt ein Problem dar, das aus höchst unterschiedlichen Perspektiven gesehen werden kann, mit daraus resultierend völlig anderen Lösungsperspektiven. Menschliches Problemlösungsverhalten ist auch dadurch gekennzeichnet, daß Probleme immer aus einer persönlichen Perspektive gesehen werden, sich immer in einem Zusammenhang mit bestimmten, subjektiv höchst unterschiedlich bewerteten und empfundenen Aspekten gesehen werden. Dieser Bezugsrahmen führt schon dazu, daß sich ganz bestimmte Lösungsmöglichkeiten aufdrängen, andere infolge dieser subjektiven Problemsicht übersehen werden. Albert (1978, S. 23, 24) hebt hervor, daß diese Kontextabhängigkeit des Problemlösungsverhaltens in den Resultaten der Wissenschaft eine Rolle spielt, aber auch ein wesentliches Merkmal menschlicher Praxis überhaupt ist. Die Auswahl der Probleme ist oft schon durch Gewohnheiten, Einstellungen oder Vorurteile geprägt. „Viele Komponenten einer solchen Problemsituation bleiben meist im Hintergrund, ohne jemals thematisiert zu werden, andere werden im Zuge der Versuche, das betreffende Problem zu lösen, explizit gemacht, und andere sind von vornherein deutlich“ (Albert, 1978, S. 23). Auch in der Marketing-Praxis ist schon die Auswahl der als wichtig angesehenen Probleme ein Entscheidungstatbestand, schon dabei können wesentliche Aspekte immer wieder übersehen werden. Diese Erkenntnis ermöglicht es einerseits, schon bei der Auswahl möglicher Probleme diese immer wieder kritisch zu hinterfragen und so bisher nicht problematisierte Aspekte in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken. Außerdem kann die Konsequenz gezogen werden, durch Einbezug externer Kräfte alternative Sichtweisen kennenzulernen und gegeneinander abzuwägen.
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7. Zusammenarbeit mit Agenturen
Gleiches gilt für die Formulierung von Marketing-Zielen, bzw. im engeren Sinne auch von Kommunikationszielen. Wer Ziele formuliert, muß zumindest wissen, welche Ziele möglich sind. Auch hier kann die Kenntnis alternativer Ziele und deren relativer Vergleich nützlich sein. Rationale Praxis kann so verstanden werden, möglichst viele Alternativen zu kennen, die relativen Vor- und Nachteile abzuwägen, um dann die relativ am vorteilhaftesten erscheinende Alternative auszuprobieren. Wir können für eine angestrebte Problemlösung nicht genügend Alternativen besitzen. In dieser Hinsicht leisten externe Berater einen wichtigen Beitrag, gerade weil sie die Probleme einer Unternehmung auch aus einer größeren Distanz sehen, als vom Tagesgeschäft betroffene interne Entscheidungsträger. Die Gestaltung betrifft zunächst Entwürfe für alle denkbaren Kommunikationsmittel. Diese werden in unterschiedlich detaillierter Form ausgeführt und den Auftraggebern präsentiert. Wie detailliert diese Entwürfe auszuführen sind, kann auch davon abhängen, in welchem Maße die Agentur bei ihrem Auftraggeber davon ausgehen kann, daß ein ausreichendes Vorstellungsvermögen vorhanden ist, um von Entwürfen auf fertige gedruckte, gefilmte oder anderweitig produzierte gestalterische Endprodukte zu schließen. So gesehen müssen Agenturen ihr eigenes Marketing betreiben und sich in ihrer Arbeitsweise auf die Eigenschaften ihrer Kunden einstellen. Es gab in der Vergangenheit diesbezüglich zeitweise Trends zu sehr aufwendigen Präsentationen mit Anzeigenentwürfen, die praktisch Druckniveau erreichten und mit teilweise bereits vorproduzierten TV-Werbefilmen. Nach Diskussion und teilweiser Veränderung der Entwürfe wird die Agentur in aller Regel auch in die Produktion der Werbemittel eingeschaltet. Sie erstellt die Druckunterlagen und überwacht die notwendigen Fotoarbeiten für gedruckte Kommunikationsmittel; sie berät bei der Auswahl der Produktionsgesellschaften für TV und Funk, bei der Auswahl der Sprecher(innen) und Schauspieler(innen) und überwacht ebenfalls die eigentliche Produktion. Die Kooperation mit Werbeagenturen wird auch deshalb als sinnvoll angesehen, weil diese aufgrund der Tatsache, daß sie laufend in den unterschiedlichsten Bereichen mit Fragen der genannten Art konfrontiert werden, über wesentlich mehr praktische Erfahrungen im Bereich der Marktkommunikation verfügen als das Management selber. Erfahrungstransfer aus den verschiedensten Bereichen scheint ein wesentlicher Grund für die Kommunikationskompetenz der Werbeagenturen zu sein. In um so stärkerem Maße die Agenturen beratend und konzeptionell in grundsätzliche Fragen der Marketing- und Kommunikationsstrategie einbezogen werden, ist eine langfristige und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Werbeagentur notwendig. Dem wird die Praxis durchaus noch nicht immer gerecht, jedenfalls soweit wir uns auf die Bundesrepublik Deutschland beziehen. Ein Problem liegt in der Stab-Linie-Struktur begründet, also in der Trennung von Entscheidungsrecht und Sach- (hier Kommunikations-)Kompetenz. Nun kann realistischerweise sicherlich
7.1 Von der Schaltagentur zur „Full Service“-Agentur
445
nicht davon ausgegangen werden, daß das Management des Auftraggebers der Agentur ein Entscheidungsrecht überträgt. Andererseits erscheint es höchst sinnvoll, die Kooperation zwischen Auftraggebern und Werbeagenturen zu optimieren. Ein Problem in der Zusammenarbeit scheint schon im Verständnis der Aufgabenstellung begründet zu sein, dem sogenannten „Briefing“. Darauf gehen wir in einem späteren Abschnitt ausführlich ein, vorweggenommen sei der Hinweis, daß die Zusammenarbeit mit der Agentur sinnvollerweise schon mit der Erstellung des „Briefings“ beginnt. Dadurch lassen sich Abstimmungsprobleme in erheblichem Maße reduzieren. Auch die Auswahl und gegebenenfalls Abänderung der von der Agentur entwickelten Vorschläge kann durchaus in Zusammenarbeit mit der Agentur erfolgen. Es gibt zudem keinen Grund, die Agentur nicht in Untersuchungen zur Ermittlung der Werbewirkung einzubeziehen. Selbstverständlich führt sie diese nicht selber durch (das geschieht durch unabhängige Institute, die sich teilweise auf die Werbewirkungsforschung spezialisiert haben), aber in die Auswahl der Methoden und Bewertungskriterien der Kommunikationsalternativen kann die Sachkompetenz der Werbeagenturen durchaus einfließen, sollte es sogar im Sinne einer effizienten Zusammenarbeit. Voraussetzung dazu ist nämlich beiderseitige Übereinstimmung über die Bewertungskriterien der kreativen Leistungen der Agentur. Es ist völlig unsinnig, von einer Agentur die Erstellung kreativer Leistungen zu verlangen, sie jedoch von der Bewertung dieser Leistung auszuschließen. Die Agentur ist von dieser Bewertung durch ihren Auftraggeber abhängig. Ist der Auftraggeber mit der Agenturleistung längerfristig unzufrieden, kann und wird er die Zusammenarbeit kündigen. Leistungsoptimierung ist jedoch nur möglich, wenn Übereinstimmung über die Bewertungskriterien besteht (auf dieses Problem gehen wir im Abschnitt zur Werbewirkungsforschung noch einmal ausführlicher ein). Letztlich ist die Frage der Zusammenarbeit mit Werbeagenturen zur Erstellung kreativer Leistungen auch eine Frage der Unternehmungskultur. Es ist unbestritten, daß Fragen des Führungsstils und der Motivation dazu beitragen, die Arbeitseffizienz zu steigern. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, daß dies bei der Erstellung von Beratungsleistungen und kreativen Leistungen auch externer Berater anders sein sollte. Pepels (1994, S. 494) weist auf eine Reihe von „Besonderheiten des Werbeagenturgeschäfts“ hin, denen wir im wesentlichen zustimmen, die u.E. jedoch keineswegs Besonderheiten dieser Branche darstellen: • Es wird eine kreative, nicht vorkalkulierbare Leistung angeboten; das ist in fast allen Beratungsleistungen der Fall. So gesehen ähnelt die Werbeagentur einer Unternehmensberatung. • Wenige Kunden vereinigen große Umsatzanteile auf sich; auch dieser Tatbestand ist heute eher üblich, als eine Besonderheit ausgewählter Branchen.
446
7. Zusammenarbeit mit Agenturen
• Zunehmende Betreuung auf Projektbasis findet sich in dieser Form in fast allen Beraterbranchen. • Die personalintensive Leistung ist typisch für alle Dienstleistungsunternehmungen. • Es wird auf die hohe Komplexität der Materie hingewiesen, auch das ist das Merkmal vieler Güter. • Pepels weist darauf hin, daß keine Vorqualifikation erforderlich sei. Dabei handelt es sich offensichtlich um ein brancheninternes Vorurteil. Aus der Tatsache, daß es eine Reihe erfolgreicher Werbemanager/innen ohne besondere typische Ausbildung gibt, kann nicht der Schluß gezogen werden, daß dieses so sein muß. • Pepels weist ferner auf den harten Preiskampf in der Branche hin („Kampfkonditionen zum Überleben“). Der Preiskampf ist ebenfalls nicht als branchentypisch zu bezeichnen. • Mitarbeiterqualifikation wird als Engpaß gesehen; dem ist sicher zuzustimmen, branchenspezifisch ist das aber sicherlich nicht. • Eine Besonderheit ist sicherlich der große Vorabaufwand bei der Suche nach neuen Kunden. Für Wettbewerbspräsentationen wird eine Vielzahl kreativer Leistungen vorab erbracht. • Es wird eine starke Verhandlungsmacht der Kunden herausgestellt, auch darin können wir keine Besonderheit im Agenturgeschäft erkennen. Das ist das Merkmal sehr vieler durch ein Nachfrageoligopol gekennzeichneter Branchen, z.B. der gesamten Markenartikelindustrie gegenüber dem sich zunehmend in Europa konzentrierenden Handel. Wir wollen die „Kommunikations-Agentur“ (Dahlhoff, 1993) als ein typisches Dienstleistungen erbringendes Unternehmen in einem hart umkämpften Markt sehen, dieser ist durchaus auch durch zunehmende Konzentration auf Anbieterseite gekennzeichnet (Agentur-Holdings).
7.2 Auswahl von Werbeagenturen
447
7.2 Auswahl von Werbeagenturen Bei Ausschreibungen von Werbe-Etats finden in der Praxis häufig sog. Wettbewerbspräsentationen statt. Dann werden mehrere Agenturen identisch gebrieft und präsentieren nach vorgegebenem Zeitplan unter einem für alle konkurrierenden Agenturen gleichem Informationsstand ihre Vorschläge. Der Kunde entscheidet sich nach Durchführung von Werbemittel-Pretests oder intuitiv (letzteres stellt nach Ansicht dieser Verfasser eine laienhafte Vorgehensweise dar) für eine der vorgestellten Kampagnen, und die betreffende Agentur erhält den Beratervertrag für längere Zeit. Der Aussagewert der Wettbewerbspräsentation ist höchst umstritten, eine einmalige Präsentation besagt wenig über die Fähigkeit zu langfristiger Kooperation. Wettbewerbspräsentationen haben sich in der Vergangenheit häufig zu „Materialschlachten“ der Agenturen entwickelt, in denen diese jeweils möglichst viele Vorschläge präsentierten, je größer scheint die Erfolgswahrscheinlichkeit, eine den Kundenwünschen möglichst weitgehend entsprechende Konzeption vorzulegen. Auch das erinnert mehr an ein Glücksspiel, als an effizientes Management. Die verlierenden Agenturen erhalten in aller Regel eine vorher für diesen Fall vereinbarte Kostenpauschale, die allerdings die tatsächlich entstehenden Kosten kaum abdeckt. Effizienter erscheint die Vorgehensweise, daß der potentielle Agenturkunde zunächst diverse Agenturen aufgrund anderweitig erbrachter Leistungen auswählt, ausführliche Vorgespräche führt und anschließend mit einer Agentur probeweise zusammenarbeitet. Nach Ablauf der Probezeit kann die Geschäftsbeziehung auf mehr oder weniger lange vertragliche Basis gestellt werden. Üblich sind Ein- oder Zweijahresverträge mit etwa sechsmonatiger Kündigungsfrist. Häufig werden Agenturleistungen auch projetkbezogen beauftragt und abgerechnet, ohne daß daraus eine vertraglich auf Zeit geregelte Zusammenarbeit entsteht. Um Zufälligkeiten entgegenzutreten, arbeiten große werbetreibende Unternehmen mehrstufig. Sie verfügen erstens über eine Liste von Werbeagenturen, die generell für sie in Frage kommen. Steht die Entscheidung über eine längere AgenturZusammenarbeit an, wird auf dieser Liste eine Vorauswahl getroffen. Mit einem Teil dieser Agenturen wird anschließend ein ausführliches Briefing-Gespräch geführt. D.h. die Aufgabenstellung ergeht nicht schriftlich, sondern wird ausführlich mit den in Frage kommenden Agenturen diskutiert. So lassen sich Mißverständnisse im Vorfeld ausräumen. Erst in der letzten Stufe ergeht dann an drei bis vier Agenturen ein schriftliches Briefing mit der Aufforderung auf die Teilnahme an einer Wettbewerbspräsentation. Man geht von der Annahme aus, daß aus diesen drei bis maximal vier Agenturen im Prinzip jede Agentur in Frage kommt und überläßt es dann der Wettbewerbspräsentation, welche Agentur den Zuschlag bekommt.
448
7. Zusammenarbeit mit Agenturen
Bei allen Auswahlentscheidungen steht die Frage der operationalen Beurteilung der Entscheidungskriterien. Dazu können folgende Kriterien herangezogen werden: -
Einhaltung des Briefings, Nutzung der zur Verfügung gestellten Informationen, Kreatives Potential, Personalqualifikation, Personalfluktuation in der Vergangenheit, Erhaltene Auszeichnungen und Preise der Werbebranche, Kostenbewußtsein, Zuverlässigkeit, Einhaltung von Terminen, Branchen- bzw. Produkterfahrung, Servicebreite der Agentur, Internationale Erfahrungen, Flexibilität, Vorhandene Kundenstruktur, Referenzen, Agenturgröße, Standort, Dauer bisheriger Kundenbeziehungen, Markterfolge der betreuten Kunden, Arbeitsmethodik, Persönliche Sympathie und Angebotsbreite.
Es bleibt die Frage, wie diese Kriterien sich auf die letztendliche Auswahlentscheidung auswirken. Operationalisierbar ist das Verfahren durch die Bildung von Checklisten auf der Basis o. g. Kriterien und die Vergabe von Punktwerten pro Kriterium. Derartigen Punktwertverfahren haftet zwar immer der Nachteil einer gewissen Schematisierung an, sie haben aber den Vorteil, häufig emotional geführte Diskussionen zu kanalisieren und die Entscheidungen nachvollziehbar zu gestalten. Vilmar (1992, S. 99 u. 100) äußert sich skeptisch gegenüber Checklisten zur Auswahl von Werbeagenturen, weil sich erhebliche Unterschiede zwischen den in der Literatur genannten Kriterien (anhand 7 diverser gefundener Listen) und seinerseits gefundener Aussagen (Stichprobe n = 3) finden. Dem ist aber entgegenzuhalten, daß dieser Widerspruch nicht grundsätzlich gegen Checklisten spricht, sondern lediglich einen Klärungsbedarf aufzeigen kann. Ferner ist eine Stichprobe n = 3 nicht dazu geeignet, um Aussagen zu überprüfen (Auswertungen auf prozentualer Basis wie bei Vilmar zu finden, sind schon gar nicht möglich). Aber selbst dann, wenn größere Stichproben die Aussagen von Vilmar nicht widerlegen, ist nichts darüber gesagt, was richtig oder falsch ist. Die Qualität wissenschaftlicher
7.2 Auswahl von Werbeagenturen
449
Aussagen läßt sich im Bereich des Marketings und des Managements nicht daran messen, ob sie sich mit den empirisch vorzufindenden Vorgehensweisen decken oder nicht.
7.3 Die Aufgabenstellung für die Werbeagentur Das „Briefing“ enthält die Aufgabenstellung der Werbetreibenden an die Werbeagentur und alle dafür von Werbetreibenden (dem Kunden der Agentur) als notwendig angesehenen Informationen. Oft sind schon die Briefings fehlerhaft, unvollständig oder unverständlich. Vilmar (1992, S. 120) nennt folgende Gründe für unvollständige bzw. fehlerhafte Briefings: Fehlende Professionalität (47%) Bequemlichkeit (27%) Zeitmangel (23%) Mangelhafte Informationen (15%) Unerfahrenheit mit Briefings (9%) Die Prozentsätze beziehen sich auf Nennungen durch Werbeagenturen. Abgesehen von den Informationen, die die Werbeagentur im Rahmen der üblichen Zusammenarbeit mit ihren Kunden erhält, ist das Briefing die wesentliche Informationsbasis für die Erstellung der Gestaltungsvorschläge im Rahmen der Marktkommunikation. Um so größer müßte die Aufmerksamkeit sein, die ihm zuteil wird. Die Praxis wird dem keineswegs immer gerecht. In einer der größten Werbeagenturen in der BRD wurde den Verfassern gegenüber geäußert, daß die Hälfte (!) aller Briefings praktisch wertlos seien und sich die Agentur selber die für die Gestaltungsvorschläge notwendigen Informationen beschaffen müsse. Ferner sind Übermittlungs- und Verständnisfehler als Folge intra-organisationaler Kommunikations- und Abstimmungsprobleme denkbar. Das häufige Problem diffuser, unklarer Strategien läßt sich durch intensivere Zusammenarbeit mit der Agentur reduzieren. Während das Briefing ursprünglich vom Kunden ausgearbeitet und der Agentur schriftlich zugestellt wurde, hat sich zunehmend das BriefingGespräch durchgesetzt. Dadurch lassen sich Kommunikationsprobleme erheblich reduzieren. Offene, ungelöste Strategiefragen können gleichfalls erörtert werden. Letztendlich lassen sich durch die Intensivierung der Kooperation auch menschliche Ursachen fehlerhafter Zusammenarbeit, durch erhöhtes Verständnis für die jeweils andere Situation, wenigstens mildern. Die Agentur ist zudem in die Lage versetzt, ihre Kommunikationskompetenz bereits in das Briefing einzubringen. Dieses entsteht als Ergebnisprotokoll des Briefinggesprächs.
450
7. Zusammenarbeit mit Agenturen
Teilnehmen sollte an diesem Briefinggespräch grundsätzlich jede Person, die später mit Erarbeitung, Entscheidung und Ausführung betraut ist, soweit das zu diesem Zeitpunkt bereits absehbar ist. Auf Seiten des Agenturkunden ist das die Geschäftsführung als oberste Koordinationsinstanz aller Maßnahmen, die Marketingdirektion (Koordination von Vertrieb und Marketing, sowie ggf. der Marketingstrategien selbst), Produkt-Management als für das Produkt selber kompetente Instanz (ggf. als Subteam, bestehend aus Leitung „Produktmanagement“, Produktmanager/in und ggf. Assistenz). Außerdem können auf Kundenseite Experten aus Verkaufsförderung, Public Relations, Vertrieb, sowie Funktionsexperten von fallweise betroffenen Marketing-Funktionsbereichen, beispielsweise Messewesen hinzugezogen werden. Außerdem ist die Anwesenheit der Marktforschung als Informationsinstanz auf Auftraggeberseite sinnvoll. Auf Agenturseite sind Etat-Direktion (Experte für Kommunikationsstrategien, verantwortlich für die Betreuung der Etats der Agenturkunden), Kontakter (als mit den Problemen des jeweiligen Agenturkunden besonders vertraute Instanz, verantwortlich für die Abwicklung des „Tagesgeschäfts“, unterstützt die EtatDirektion), Art- bzw. Kreativ-Direktion (als die Instanz, die später für die kreative Umsetzung des Briefings verantwortlich ist, leitet Kreativ-Teams, oft auch als ArtDirektion bezeichnet), und eine Person aus dem Bereich Mediaplanung betroffen. Wenn die Agentur zusätzlich über eine eigene Marktforschungs-Abteilung verfügt, kann diese auch vertreten sein. Der dadurch entstehende Aufwand wird durch anschließend weit reibungsloseren Ablauf in der kreativen Umsetzung mehr als ausgeglichen, er ist zudem nicht bei jedem Briefing notwendig. Wenn die Zusammenarbeit zwischen Agentur und Agenturkunden einmal etabliert ist, reduziert sich auch der Aufwand in den Vorgesprächen. Auch das ist ein Grund, warum es effizienter ist, lieber die Zusammenarbeit mit einer Agentur zu optimieren, als permanent neue Agenturen zu beschäftigen. Bei fehlender Abstimmung zwischen beiden Seiten führen Fehlpräsentationen infolge von Mißverständnissen (selten ist wirkliches Unvermögen die Ursache) zwischen Agentur und deren Kunde zu einem Mehraufwand, der den zur Optimierung der Kunden-Agentur-Beziehung notwendigen Aufwand erheblich überschreitet. Unabhängig davon, ob das Briefing schriftlich übermittelt oder als Folge eines Arbeitsgespräches entsteht, ist die inhaltliche Vollständigkeit für die Qualität der kreativen Umsetzung wesentlich. Bereits vor dem Briefinggespräch muß das Management die entsprechenden Informationen zusammenstellen, das Briefing als Arbeitspapier sollte vorformuliert sein. Die Agentur ihrerseits muß wissen, welche Fragen sie beantwortet haben will. Über Inhalte von Briefings gibt es unterschiedliche Aussagen. Die folgende Darstellung wurde nach Agenturbefragungen erstellt, gibt also die Wunschinformationen von Werbeagenturen wieder, wenn auch nicht auf repräsentativer Basis.
7.3 Die Aufgabenstellung für die Werbeagentur
451
1.
Situation
1.1
Marktentwicklung und -prognose Bezüglich Gesamtmarkt und Marktsegmenten, nach Wert und Menge Eigene Werbeaufwendungen in den vergangenen Zeiträumen, einschließlich eigener Kommunikationsstrategien und deren Umsetzung (sofern diese nicht von der gebrieften Agentur selber stammen) Eigene Umsatzentwicklung Bezüglich Gesamtmarkt und differenziert nach Verkaufsregionen, nach Wert und Menge Entwicklung eigener Marktanteile differenziert nach Absatzkanälen Distributionsentwicklung, numerisch und gewichtet, differenziert nach Verkaufsregionen und Absatzkanälen Abverkaufsdaten Wettbewerbsanalyse hinsichtlich Marken und Hersteller, Entwicklung der Marktanteile Preis-, Produkt-, Werbepolitik Distribution und Abverkauf Zusammenfassender Vergleich Eigenes Produkt/Angebot gegenüber dem Wettbewerb
1.2
1.3
1.4 1.5 1.6 1.7
1.8
2.
Marketing-Ziele
2.1
Marketing-Ziele in der Vergangenheit und Erklärung möglicherweise vorhandener Soll-Ist-Differenzen Marketing-Ziele für die Zukunft Bezüglich Umsatz, Distribution, Marktanteilsentwicklungen Kommunikationsziele Differenziert bezüglich Abnehmer, Handel, Marktsegmenten
2.2 2.3
2.4
Produktpositionierung Objektiv angenommene Produktvorteile, vermutete derzeitige und zukünftig gewünschte Beurteilung durch Abnehmer im Vergleich zum Wettbewerber, Packungsaussagen und -gestaltung der eigenen Produkte und zu denen der Wettbewerber
3.
Geforderte kreative Umsetzung (Aufgabenstellung für die Agentur)
3.1
Kommunikations-Strategie Beispielsweise Copy Strategy Media-Strategie Werbemittelgestaltung Fachhandel, Großkunden, Konsumenten Differenzierte Angaben für einzelne Werbemittel
3.2 3.3
452
3.4
3.5 3.6 3.7
7. Zusammenarbeit mit Agenturen
(Anzeigen, Plakat, Funk, Fernsehen usw.) Verkaufsförderung Materialien für den Handel zur Förderung des Abverkaufs, also konsumentenbezogene Verkaufsförderung, Materialien für außendienstbezogene Verkaufsförderung Public Relations, einschließlich von der Agentur oder anderweitig zu gestaltender Product Publicity Weitere Medien Informationen bezüglich kreativer Umsetzungen, die vom Kunden von vornherein abgelehnt werden. Kunden sollten also nicht nur mitteilen, was gewünscht wird, sondern auch, was nicht gewünscht wird.
4.
Zielgruppenbeschreibung
4.1 4.2
Soziodemographisch Psychologisch Einstellungen, Motive, Kauf- oder Verwendungshemmnisse, Werte Konsumverhaltensweisen Sämtliche verfügbare Daten aus der Panelforschung bei Konsumenten
4.3
5.
Etat
5.1 5.2 5.3
Etatvolumen insgesamt Aufteilung auf die einzelnen Elemente im Kommunikations-Mix und die einzelnen Mediagattungen innerhalb der Werbung Aufteilung des Etats im Zeitablauf
6.
Zeitplan
6.1 6.2
Erste gewünschte Präsentationstermine Präsentationstermine nach Verabschiedung von Korrekturwünschen durch den Kunden, ggf. einen dritten Reservetermin Entscheidungsfindung beim Kunden Termine für die Produktion der Werbemittel wie: Foto, Reinzeichnung, Andrucksabnahme, Funk- und Filmaufnahmen und Abnahme durch den Kunden, Einplanung von Korrekturzeiten, Buchungstermine bei den Medien Zeitpunkte für den Einsatz der Kommunikationsinstrumente
6.3 6.4
6.5
Die Beschreibung der geforderten kreativen Umsetzung kann nicht genau genug erfolgen. Formate von Anzeigen, Farbigkeit von Anzeigen oder Plakaten, Längen von „Spots“ in Funk und Werbefernsehen können hier mit eingehen. Es sollte ferner von vornherein angegeben werden, nach welchen Kriterien der Kunde die kreativen Umsetzungen beurteilt. Nur so ist die Agentur zu wirklich optimaler Arbeit in der Lage. Wer den letzten Punkt zurückhält, macht Werbung zu einem
7.3 Die Aufgabenstellung für die Werbeagentur
453
Lotteriespiel. Die Agentur erweist sich letztlich als die beste, die zuerst die richtigen Beurteilungskriterien errät. Wird das Briefing nicht als Resultat eines Briefinggesprächs erstellt, sondern nach Kunden-interner Erörterung der Agentur schriftlich überreicht, sollte die Agentur das Recht auf ein Rebriefing haben, sie sollte wiedergeben können, wie sie das Briefing versteht und welche Änderungen sie vorschlägt. Insbesondere sollte sie die Möglichkeit haben, fehlende Informationen zu beschaffen. Beim Briefing in Schriftform muß auch für diese Phase ausreichend Zeit eingeplant werden. Wer diese hier dargestellte Wechselbeziehung nicht akzeptiert und darauf besteht, der Agentur ein fest fixiertes Briefing vorgeben zu müssen, das diese sklavisch umzusetzen hat, hängt einer überkommenen, durch keinerlei rationale Argumente zu rechtfertigenden Ideologie nach, in der davon auszugehen ist, durch Trennung von Aufgabenstellung und kreativer Umsetzung Verantwortungsbereiche festlegen zu können, um „Schuldige“ für Mißerfolge zu finden. Einmal wird dabei das strategische, kreative Potential der Agenturen nicht optimal genutzt, außerdem wird verkannt, daß die kreative Umsetzung von Kommunikationsmaßnahmen im Marketing das Resultat eines permanenten Austauschprozesses ist und nicht einer Seite „zuzuschieben“ ist. Es mag dem Gedankengut einzelner Kulturkreise entsprechen (vielleicht insbesondere dem der deutschen Kultur), daß der Einzelne verantwortlich sei, und nicht die Gruppe. Die Gruppe wiederum ist keineswegs an formale Organisationsstrukturen gebunden.
7.4 Die Arbeitsweise der Agentur „Die Werbeagentur ist ein erwerbswirtschaftlich orientiertes Dienstleistungsunternehmen, das im Rahmen längerfristiger Verträge die marketingkommunikative Betreuung - unter Einschluß werblicher Methoden - von Unternehmen/Institutionen, Produkten und Dienstleistungen im Auftrag eines Unternehmens/einer Institution („Werbungstreibender“) gegen vereinbartes Entgelt treuhänderisch übernimmt.“ (Zuberbier, 1982, S. 2376). Die so beschriebene Werbeagentur wird als „Full Service“-Agentur bezeichnet. Das Aufgabengebiet dieser Unternehmungen umfaßt mit Zuberbier im Prinzip drei Aufgabenschwerpunkte: a) Beratung der Agenturkunden hinsichtlich Marketing insgesamt, sowie der Teilbereiche Produktpolitik (insbesondere Markentechnik und Verpackungsgestaltung), Vertrieb (insbesondere Gestaltung und Konzeption sog. „Incentive“-Programme und Erarbeitung von Argumentationshilfen für den Vertrieb), Marktforschung (insbesondere Werbewirkungsforschung); den Schwerpunkt der Beratungsleistung stellt sicherlich die Marktkommunikation dar, also Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und Teile der Verkaufsförderung. Das beschriebene Briefinggespräch ist eine Möglichkeit, dieser Beratungsfunktion nachzukommen.
454
7. Zusammenarbeit mit Agenturen
b) Mittlerfunkionen; damit ist der Einkauf, die Abwicklung der Media (d.h. Buchung von Werbeträgern) und die Produktion der Werbemittel gemeint. Die Produktion der Werbemittel wird normalerweise auch von der Agentur im Auftrag des Kunden überwacht. c) Konzeption, Gestaltung und Realisation aller Teilbereiche im Rahmen der Marktkommunikation. Die Werbeagentur arbeitet bei all diesen Aufgaben auch mit anderen Unternehmungen oder Spezialisten zusammen (ähnlich auch Zuberbier, 1982, S. 2377): a) Für die Erfüllung der Beratungsfunktionen können alle Unternehmungen mit herangezogen werden, die Informationen jeglicher Art beschaffen können, insbesondere handelt es sich dabei um Marktforschungsinstitute. b) Die Medialeistung der Agentur wird in Zusammenarbeit mit Verlagen, Sendeanstalten oder den Pächtern von Plakatstellen und Kinos zusammen erbracht. Für die Produktion werden Unternehmungen herangezogen, die sich auf die Produktion von Funk, Film und Fernsehen spezialisiert haben. Filmproduzenten üblicher Art verfügen in aller Regel nicht über die Erfahrung, die notwendig ist, um einen „Film“ in einer Länge von 30 Sekunden herzustellen, daher gibt es spezielle Produktionsgesellschaften, die nur TV-Werbung produzieren. Für die Herstellung gedruckter Werbung wird ebenfalls mit Spzeialisten aus Satz, Lithographie und Druckherstellung zusammengearbeitet. c) Selbst für die Kernaufgabe der Agentur, Konzeption, Gestaltung und Realisation der Werbung können externe Spezialisten herangezogen werden. Es ist nicht unüblich, wenn Agenturen die graphische Umsetzung ihrer Werbekonzeption durch externe, freiberuflich tätige Illustratoren, Graphiker und/oder Texter erstellen oder wenigstens ergänzen lassen. Über die Kosten, die durch die Heranziehung externer Unternehmungen entstehen, werden vorab vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Agenturkunden und der Werbeagentur getroffen. Teilweise sind diese Kosten als Serviceleistung der Agentur mit der Agenturvergütung abgegolten. Das gilt insbesondere für die unter c) genannten Bereiche. Bei allen Mittlerfunktionen tragen die Agenturkunden die Kosten, d.h. die Werbeagentur holt üblicherweise Angebote ein, die Kunden entscheiden sich häufig unter Beratung der Agentur. Für die Agenturkunden sind insbesondere die Institutionen Etat-Direktion und Kontakt von Bedeutung. Etat-Direktionen sind für die Betreuung mehrerer Agenturkunden zuständig und dabei in erster Linie für den strategisch-konzeptionellen Bereich. Sie werden in ihrer Funktion von Kontaktern unterstützt. Das sind Personen, die innerhalb eines (einer Etat-Direktion unterstehenden) Etat-Bereiches für die Betreuung eines oder eines Teiles der zu diesem Bereich gehörenden Kunden
7.4 Die Arbeitsweise der Agentur
455
zuständig sind. Man könnte die Funktion der Etat-Direktion mit der der Marketing-Leitung vergleichen und die des Kundenkontaktes mit der des ProduktManagements. Eine Werbeagentur mittlerer Größe verfügt normalerweise über mehrere Etat-Direktionen und -Bereiche. Für die Abwicklung der Agenturleistung ist die Institution „Kontakt“, also die Kontakter, die wichtigste Anlaufstelle. Kontakter führen in der Regel die Kundengespräche und tragen innerhalb der Agentur die Verantwortung für die Umsetzung der Agenturaufgaben in gestaltete Vorschläge. Dazu wird das Briefing des Kunden zunächst in ein „Agentur-Briefing“ als interne Arbeitsunterlage übersetzt. Diese Übersetzung gelingt um so fehlerfreier, je stärker der Kreativ-Bereich der Agentur in die Vorüberlegungen involviert wird. Anschließend ist der Kontakt für die kundengerechte Bearbeitung des Briefings, einschließlich Terminüberwachung verantwortlich. Schließlich präsentiert der Kontakt-Bereich der Agentur dem Kunden die Agenturvorschläge, diskutiert diese, nimmt Änderungswünsche entgegen und gibt diese zur Überarbeitung innerhalb der Agentur weiter, um anschließend die modifizierten Vorschläge wiederum dem Kunden zu präsentieren, d.h. zur Entscheidung vorzulegen. In den meisten Agenturen ist es allerdings üblich, daß die Präsentation der Agenturvorschläge nicht ausschließlich dem Kontakt-Bereich überlassen bleibt, sondern auf jeden Fall gemeinsam mit der Etat-Direktion durchgeführt wird. Auch Spezialisten der Agentur (Media, Marktforschung/ Werbewirkungsforschung) nehmen fallweise an den Präsentationen teil. Für die konkrete Gestaltung der Agenturvorschläge hat die Etat-Direktion grundsätzlich, wie bereits erwähnt, die Möglichkeit interne Kreativ-Gruppen und/oder externe Gruppen zu beauftragen. Häufig werden Etat-Gruppen als Profit-Center geführt. Sie bringen die Honorare ein und verbrauchen Agenturleistungen, die in Geld bewertet, dem Honorar gegenübergestellt werden. Es bleibt dann der EtatDirektion überlassen, ob sie interne Gestaltungsleistungen einkauft (und mit den entsprechenden Stundensätzen belastet wird) oder ob sie diese Leistungen extern einkauft (und mit dem entsprechenden Honorar belastet wird). Das Problem einer nicht ausreichenden Auslastung der eigenen Gestaltungsteams entsteht nur dann, wenn die Etat-Direktionen vermehrt externe Leistungen einkaufen, was faktisch dann der Fall ist, wenn diese mit den internen Leistungen nicht zufrieden sind. Für wichtige Kunden werden häufig gleichzeitig mehrere Gestaltungsteams beauftragt, die dann quasi in einem internen Wettbewerb befindlich sind. Häufig handelt es sich dabei um eine externe und eine interne Gruppe. Der mögliche Austausch von Gestaltungsteams oder Kreativ-Gruppen erlaubt es den Agenturkunden, sehr langfristige Agenturverbindungen zu pflegen, ohne nachlassende Kreativität befürchten zu müssen. Die notwendige Konstanz in der Kommunikations-Strategie wird durch die Etat-Direktion gewährleistet. Kreative Anstöße sind durch neue KreativGruppen jederzeit möglich. Marketingkommunikation als von der Agentur treuhänderisch übernommene Unternehmensfunktion setzt genaue und aktuelle Kenntnisse der Pläne und Vorstel-
456
7. Zusammenarbeit mit Agenturen
lungen der Auftraggeber voraus, um eine bestmögliche Einpassung der von der Agentur empfohlenen Maßnahmen zu gewährleisten. Hierin begründet sich ein besonders enges und vertrauensvolles Partnerverhältnis zwischen Werbeagentur und Auftraggebern, das im Idealfall zu einer langfristigen Zusammenarbeit führt (Zuberbier, 1982, S. 2391). In aller Regel ist so eine Zusammenarbeit mit einem Konkurrenzausschluß verbunden, d.h. die Agentur wird ohne Zustimmung der Kunden für keine andere Unternehmung der gleichen oder ähnlichen Branche tätig. Für die Zusammenarbeit zwischen Kunden und Agentur während der Erstellung der kreativen, gestalterischen Umsetzung gibt es in der Praxis zwei sehr unterschiedliche Auffassungen: a) Die Agentur nimmt nach Erhalt des Briefings erst dann wieder den Kontakt zu ihrem Kunden auf, wenn sie präsentationsreife, durchgestaltete Vorschläge vorweisen kann. b) Zwischen Kunden und Agentur besteht während der kreativen Phase ein möglichst enger Kontakt. Im ersten Fall sind die Kunden von der Verantwortung für die kreative Umsetzung vordergründig völlig befreit. Dies kann jedoch faktisch niemals vollständig gelingen, die Kunden sind wenigstens für die Erstellung der Aufgabenstellung und der darin enthaltenen Informationen verantwortlich. Die Agenturleistung kann nur maximal so gut sein, wie es die Aufgabenstellung einschließlich der enthaltenen Informationen zuläßt. Marketing-Managern und ihren Mitarbeitern fehlt häufig das Vorstellungsvermögen, das notwendig ist, um Agentur-interne Entwürfe beurteilen zu können. Das spricht zunächst für die unter a) genannte Vorgehensweise. Andererseits wird die Abstimmung zwischen Kunden und Agenturen dadurch erheblich reduziert. Die Agentur wird beispielsweise zur Präsentation einer bestimmten Anzahl von Gestaltungsvorschlägen aufgefordert. Intern wird sie wesentlich mehr Vorschläge erarbeiten, als sie präsentiert und es werden noch mehr kreative Ansätze „angedacht“ oder in Vorentwürfen anskizziert. Es ist durchaus denkbar, daß bei dem entstehenden Selektionsprozeß einmal Entwürfe nicht weiter verfolgt werden, die durchaus auf Kundenakzeptanz gestoßen wären; oder es werden Ansätze weiterverfolgt, die ein Kunde von vornherein ablehnt. Über die Qualität der Vorschläge kann in dieser Phase in keinem Fall ein endgültiges Urteil gefällt werden. Kunde und Agentur haben Vermutungen über die Wirkung diverser Ansätze und können sich darüber austauschen. Überprüfen kann man diese Vermutungen lediglich in einem Werbemittel-Pretest (Kapitel 9). Tendenziell scheint die Vorgehensweise nach b) zu besseren Resultaten zu führen. Das setzt gewisse kommunikative Kompetenz, auch auf Kundenseite, und Verständnis für kreative Ansätze voraus.
7.4 Die Arbeitsweise der Agentur
457
Zuberbier (1982, S. 2391 und 2392) hält folgende Abstimmungen für unabdingbar: • nach Erarbeitung des Agenturbriefings, zur Ausschaltung von Differnzen zwischen Kunden- und Agenturbriefing, • nach Fertigstellung der Konzeption und erster Kampagnenideen, • Abstimmung fertiger Gestaltungsentwürfe und Mediapläne, das ist die eigentliche Präsentation der Agenturvorschläge, • Verabschiedung fertiggestellter Werbemittel, bzw. allgemein der Kommunikationsmittel, also die Freigabe nach der Produktion. Diese Minimalabstimmung würde der Vorgehensweise nach a) sehr nahekommen. Bei der Präsentation der Vorschläge durch die Agentur steht diese immer vor dem Problem des ausreichenden oder nicht ausreichenden Verständnisses der Beteiligten auf Kundenseite. Nicht immer verfügen diese über das notwendige Vorstellungsvermögen, den Schritt von gezeichneten Entwürfen in gedruckte Anzeigen, Plakate usw. nachzuvollziehen. Noch schwieriger ist dieser Prozeß bei der Gestaltung bewegter Werbung (Film). Diese wird dann in Form einzelner Standskizzen vorgenommen, sog. Storyboards. Hier werden an das Vorstellungsvermögen der Kunden noch höhere Anforderungen gestellt. Die Präsentation der Gestaltungsvorschläge ist für alle Werbeagenturen immer wieder eine besonders kritische Situation, da letztlich an der Beurteilung ihrer Vorschläge die Agenturleistung insgesamt beurteilt wird. Aus der Perspektive der Agenturkunden als fehlerhaft angesehene Präsentationen können zur Auflösung der Vertragsverhältnisse führen. Aus Sicht der Werbeagenturen stellt sich der Arbeitsablauf in drei Phasen dar, die in den nachfolgenden Abbildungen 7-1 und 7-2 dargestellt sind: 1. Planungsphase bei Kunden, der werbenden Organisation, die mit dem Briefing endet. In der Vorbereitungsphase ist die Agentur bereits in einer Beratungsgruppe präsent. Sie kann auch in der Planungsgruppe bei der Erarbeitung des Briefings, also der konkreten Aufgabenstellung, mitwirken. 2. Gestaltungsphase in der Agentur. Diese endet mit der Präsentation der Vorschläge bei Agenturkunden. 3. Durchführungs- und Kontrollphase, in der die Beratungs- oder Kontaktgruppen dem Kunden die Vorschläge präsentiert. Nach möglichen Modifikationen folgt die Produktion und anschließend die Darstellung der Werbung in den Medien.
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7. Zusammenarbeit mit Agenturen
I. Planungsphase
II. Gestaltungsphase II. Gestaltungsphase
I. Planungsphase Kunde
GestaltungsTeam
Kundenauftrag
GestaltungsIdee
BeratungsGruppe
GestaltungsKonzeption
Daten-Input Anzeigen, Plakate
Werbevorbereitung
Beratungsgruppe
Funk, TV-Spots, Filme Verkaufsförderung Direktwerbung
MarketingPlattform
Werbekonzeption
PlanungsGruppe
Beschluß
MediaStrategie
Andere Werbemittel
Werbekampagne
Interne Präsentation nein
Agenturinhaber
Beschluß ja
Briefing
Kundenpräsentation
Abbildung 7-1: Idealtypischer Arbeitsablauf in einer Werbeagentur: Phase I und Phase II (Schmidt & Spieß, 1994, S. 23-25)
7.4 Die Arbeitsweise der Agentur
459
III.DurchführungsDurchführungs- und Kontrollphase III. und Kontrollphase Beratungsgruppe
Kunde
Modifikation
ja
Kundenpräsentation
Beschluß
nein Beschluß
GestaltungsTeam
BeratungsGruppe
ReinzeichnungsAtelier etc.
Produktion Bildaufnahme im Filmstudio Tonaufnahme
WerbeKontrolle
Kopieherstellung Streuung
Resonanz
Medien-Output
Feedback
Markt
Abbildung 7-2: Idealtypischer Arbeitsablauf in einer Werbeagentur: Phase III (Schmidt & Spieß, 1994, S. 23-25)
460
7. Zusammenarbeit mit Agenturen
7.5 Expertensysteme als Hilfsmittel der Gestaltung Im Marketing finden zunehmend Expertensysteme als Entscheidungshilfe Anwendung. Expertensysteme sind Computerprogramme, in denen Erkenntnisse gespeichert sind, die bei Bedarf gezielt nutzbar gemacht werden können. Es sind spezifische Auskünfte für Entscheidungsträger möglich, die als Hilfestellung zur Beurteilung vieler Problemlösungen und Problemsituationen herangezogen werden können (vgl. Neibecker, 1990, S. 1). Benutzer geben anhand festgelegter Kriterien Daten eines Problems und bzw. oder möglicher Problemlösungen ein. Es gibt auch Expertensysteme, die schon Möglichkeiten zur Verbesserung von Problemlösungen aufzeigen können. Expertensysteme bestehen aus fünf Komponenten, die zueinander in Beziehung stehen:
Dialogkomponente
Erklärungskomponente
Wissenserwerbskomponente
Inferenzkomponente
Wissenskomponente
Fakten
Regeln
Datenbank
Abbildung 7-3 : Struktur eines Expertensystems (nach Neibecker, 1990, S. 3) a) Die Wissenskomponente als Basis des Systems. Sie ist der Speicher aller eingegebenen Informationen, dem Expertenwissen. Diese Komponente beinhaltet ferner eine Vielzahl möglichst einfacher Regeln. Im Prinzip handelt es sich dabei um nichts anderes als wissenschaftliche Aussagen in Form einer „Wenn ..., dann ...-Beziehung“. b) Wir wissen, daß Erkenntnisse niemals als endgültig abgesichert angesehen werden können und daß unser Wissen immer unvollständig sein wird. Vorhandene Daten und Regeln sind daher laufend zu aktualisieren, zu vervollständigen und zu verbessern. Dazu dient die Wissenserwerbskomponente, als ein SubSystem zur Eingabe von Informationen.
7.5 Expertensysteme als Hilfsmittel der Gestaltung
461
c) In der Problemlösungskomponente, auch als Inferenzkomponente bezeichnet, werden alle gespeicherten Erkenntnisse entsprechend den jeweils eingegebenen spezifischen Problemen zusammengeführt. Die große Menge gespeicherten Wissens wird hier auf den problemrelevanten Teil reduziert und so problemspezifisch nutzbar gemacht. Die Problemlösungskomponente bestimmt auch die Auswahl der zur Anwendung kommenden Regeln. d) Man kann aus der Realität nur lernen, wenn man die Hypothesen kennt, warum bestimmte Effekte eintreten oder warum nicht. Die Erklärungskomponente dient dazu, den Benutzern von Expertensystemen Effekte zu erklären und zu begründen. e) Die Dialogkomponente stellt die Verbindung zwischen Anwendern und dem Expertensystem her.
7.6 Agentur-Kunden-Beziehung 7.6.1 Resultate ausgewählter empirischer Studien Die Kooperation zwischen Werbeagenturen und ihren Kunden war und ist immer wieder Gegenstand der Diskussion in Wissenschaft und Praxis. Wackmann, Salmon & Salmon (1986/1987) gehen von vier Faktorengruppen aus, welche die Kunden-Agentur-Beziehungen bestimmen: Arbeitsresultate, Arbeitsweisen der Agentur, Aspekte der Agentur-Organisation und Faktoren sozialer Beziehung. Teilweise stehen diese in wechselseitiger Beziehung (vgl. Abbildung 7-4). Die Arbeitsresultate betreffen die Kreativ-Strategie und deren gestalterische Umsetzung, Mediapläne, Mediaabwicklung, ggf. die Resultate von Forschungsprojekten, gelegentlich auch entwickelte Marketing-Strategien. Die Arbeitsweisen betreffen im wesentlichen die Abwicklung des Tagesgeschäftes: die Qualität der Kommunikation zwischen Kunden und Agentur, die Produktivität von Besprechungen, das Einhalten von Terminen und der effiziente Ablauf von Entscheidungsprozessen innerhalb der Agentur.
462
7. Zusammenarbeit mit Agenturen
Arbeitsresultate
Arbeitsweisen
Aspekte der Agentur-Organisation
Faktoren sozialer Beziehung
Abbildung 7-4: System der Kunden-Agentur-Beziehungen nach Wackman, Salmon & Salmon (1986/1987, S. 24) Aspekte der Agentur-Organisation beziehen sich auf persönliche Faktoren der Mitarbeiterschaft, wie Kompetenz, Kreativität und Erfahrung, die formalen Organisationsstrukturen der Agentur und deren eigene Marketing-Strategie. Zu den Faktoren sozialer Beziehung zählen persönliche Umgangsformen, persönlicher Einsatz, Engagement, persönliches Niveau der Mitarbeiter hinsichtlich Allgemeinbildung und Sachverständnis, gemeinsames Problemverständnis, Zuverlässigkeit, Offenheit auch bei Problemen und eine möglichst geringe Personalfluktuation. Wackman, Salmon & Salmon (1986/1987) untersuchen 18 Statements auf ihren Vorhersagewert für die Güte der Gesamtzufriedenheit der Kunden mit ihren Agenturen. a) Das Arbeitsresultat betreffend: 1. Die Agentur leistet gute kreative Arbeit. 2. Die Agentur nutzt die zur Verfügung gestellten Marktforschungsergebnisse zufriedenstellend. 3. Die Agentur weist eine gute Public Relations-Abteilung auf. 4. Die Agentur hält sich an den vereinbarten strategischen Rahmen. b) Arbeitsweisen: 5. Agenturbesprechungen sind produktiv und effizient. 6. Die Entscheidungsprozesse innerhalb der Agentur werden nicht durch zu viele Entscheidungsebenen gehemmt. 7. Die Agentur hält Termine ein. 8. Die Agentur arbeitet schnell. 9. Verantwortlichkeiten innerhalb der Agentur sind klar geregelt. 10. Die zuständigen Mitarbeiter der Agentur sind leicht zu erreichen.
7.6 Agentur-Kunden-Beziehung
463
c) Organisatorische Aspekte: 11. Faire Abrechnung 12. Die Agentur hält sich an Budgetgrenzen. 13. Das Agentur-Personal ist fachlich erfahren. 14. Die Agentur bietet die gesamte Breite einer Full-Service-Agentur an. d) Soziale Beziehungen: 15. Die Beziehungen zu den Mitarbeitern im Kundenservice der Agentur sind gut. 16. Die Beziehungen zu den kreativen Mitarbeitern der Agentur sind gut. 17. Die Agentur weist eine geringe Personalfluktuation auf. 18. Die Agentur zeigt starke Führungsqualitäten. Der mit Abstand bedeutendste Faktor zur Vorhersage der Qualität der KundenAgentur-Beziehungen ist die Beziehung zu den Mitarbeitern im KundenserviceBereich. Dieser Faktor erklärt schon 28% der Gesamtvarianz. Es folgen faire Abrechnung (erklärt 10% der Varianz), die Produktivität und Effizienz von AgenturBesprechungen (8% Varianz-Erklärung), gute kreative Arbeit (4%) und die gute Nutzung von Resultaten der Marktforschung (2%). Die fünf wichtigsten Faktoren erklären bereits zusammen 52% der Gesamtvarianz. Alle dreizehn anderen Faktoren erhöhen die erklärte Varianz auf 55%, weisen also zusammen lediglich 3% der erklärten Varianz auf. In ähnlicher Weise untersuchen die Autoren Vorhersagefaktoren für die Zufriedenheit der Kunden mit den Arbeitsresultaten. In diese Studie flossen folgende 17 Faktoren ein: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15.
Führungsqualitäten der Agentur, Gute Beziehung zu den kreativen Mitarbeitern der Agentur, Produktivität und Effizienz von Agentur-Besprechungen, Eindeutige Regelung von Verantwortlichkeiten in der Agentur, Entscheidungen innerhalb der Agentur werden nicht durch zu viele Hierarchie-Ebenen gehemmt, Die Agentur bietet das gesamte Spektrum einer Full-Service-Agentur an, Das Agenturpersonal ist erfahren, Geringe Fluktuation, Faire Abrechnung, Die Agentur setzt „Deadlines“, Die Agentur arbeitet schnell, Die Agentur hat eine gute Public Relations-Abteilung, Die Agentur nutzt die zur Verfügung gestellten Resultate der Marktforschung, Die zuständigen Mitarbeiter der Agentur sind leicht erreichbar, Gute persönliche Beziehungen zu den Mitarbeitern im Agentur-Kundenservice,
464
7. Zusammenarbeit mit Agenturen
16. Die Agentur hält sich an vereinbarte Strategien und 17. Die Agentur hält Budgetgrenzen ein. Wieder erklärt ein einziger Faktor die meiste zu erklärende Varianz, nämlich die Führungsqualitäten der Agentur. Dieser Faktor erklärt bereits 28% der Gesamtvarianz. Die Beziehung zu den Kreativen erklären 6%, Produktivität und Effizienz von Agenturbesprechungen erklären weitere 4% und die eindeutige Regelung von Verantwortlichkeiten innerhalb der Agentur erklärt 3%, so daß diese vier Faktoren zusammen 41% der insgesamt zu erklärenden Varianz auf sich vereinigen, während sich auf die restlichen 13 Faktoren lediglich 4% der erklärten Varianz vereinen lassen. Verbeke (1988/1989) reflektiert die Wackman, Salmon & Salmon-Studie bezogen auf ein europäisches Land (Niederlande). Dort spielt der Faktor „persönliche Beziehungen zu den Mitarbeitern im Agentur-Kundenservice“ keine besondere Rolle. Die von Verbeke gefundenen „kritischen Kriterien“ sind: • Einhaltung von Budgets, • Angemessene Agentur-Vergütung, • Schnelle Reaktion der Agentur auf Veränderungen, • Agentur setzt Deadlines, • Agenturbesprechungen sind produktiv und effizient und • Qualität der kreativen Arbeit. Dabei wird die Bedeutung dieser Kriterien auf Agenturseite noch höher eingeschätzt als auf der Kundenseite. Erfolgsfaktoren für die Zusammenarbeit aus Sicht der Agenturen sind (Vilmar, 1992, S. 117): Kreativität, Professionalität, Vertrauen, Zuverlässigkeit, persönliche Beziehungen, Preiswürdigkeit der Agenturleistung. Damit werden im wesentlichen die US-amerikanischen Studien bestätigt. In der Auswahlphase scheinen Agenturkunden die potentielle Werbeagentur im wesentlichen anhand möglicher Arbeitsmethoden auszuwählen, insbesondere spielen Kreativität, spezifische Markterfahrungen und Marktkenntnisse eine wesentliche Rolle. Beziehungsfaktoren sind eher unwesentlich. In späteren Phasen der Zusammenarbeit jedoch, wenn Kunden und Agenturen gemeinsame Konzepte entwickeln, verschiebt sich die Bewertung zugunsten von Aspekten, die die Beziehungsebene und die Arbeitsweisen bzw. Arbeitsmethoden betreffen. Allerdings spielen Aspekte der Arbeitsresultate nach wie vor eine wesentliche Rolle. Agentur-Kunden-Beziehungen scheitern in späteren Phasen der Zusammenarbeit jedoch eher an der Qualität der Beziehung und der Arbeitsweisen, weniger an den Arbeitsresultaten selbst (Wackman, Salmon & Salmon, 1986/1987, S. 28). Michell (1986/1987, S. 31) nennt fünf Faktoren, die für den Abbruch von Geschäftsbeziehungen bedeutsam sind:
7.6 Agentur-Kunden-Beziehung
• • • • •
465
Unzufriedenheit mit der Agenturleistung, Wechsel in der Unternehmungspolitik (Agenturkunde), Wechsel im Unternehmungs-Management (Agenturkunde), Wechsel in der Agenturpolitik und Wechsel im Agentur-Management
Fraser (1991) nennt für deutsche Verhältnisse folgende Faktoren: • • • • • • • • • •
Agentur als Sündenbock für Produktmängel, Ermüdung bzw. fehlende Faszination, Wechsel im Kunden-Management, Wechsel durch Druck einer internationalen Agentur-Beziehung, Veränderung der internationalen Produkt-Strategie, Unzureichende Agentur-Organisation, Unzureichendes Kosten-Management der Agentur, Mängel in der produkt- bzw. problemadäquaten Kreativität, Unzureichende Service-Optimierung der Agentur und Falscher Einsatz des Agentur-Personals.
Häufig stellen Konkurrenz-Ausschlußklauseln ein Problem in der Kooperation mit Werbeagenturen dar. Diese Klauseln schließen aus, daß eine Werbeagentur innerhalb einer Branche, wie auch immer definiert, mehrere Kunden betreut. Das scheint aus Sicht der Werbetreibenden eine durchaus verständliche Regelung, die aber dazu führt, daß den Werbeagenturen häufig große Kunden im Neugeschäft versagt bleiben. Das Problem kann sich dadurch verschärfen, daß insbesondere im Konsumgüter-Bereich einzelne Unternehmungen, also Agenturkunden, in recht vielen Produktbereichen tätig sein können, die dann möglicherweise alle für eine Agentur, die lediglich einen größeren Produktbereich betreut, verschlossen bleiben würden. Die Lösung aus Agentur-Sicht bieten internationale Holdings, innerhalb derer diverse Agentur-Netzwerke miteinander kooperieren. Ein interessantes Neugeschäft, das einer Agentur versperrt ist, wird dann durch eine Schwester-Agentur innerhalb des eigenen Netzwerkes bearbeitet. Michell & Sanders (1995) untersuchen die Gründe, die für die Beibehaltung einer langfristigen Agentur-Kunden-Beziehung sprechen. Aus 57 Variablen leiten sie faktor-analytisch 7 Faktoren eher genereller Natur ab: a) Stabilität des allgemeinen Geschäftsumfeldes, d.h. wir finden wenig Veränderungen und Unsicherheiten in der Markenführung, wenig Bedrohung durch neue Wettbewerber, wenig Veränderung im Produkt-Portfolio, wenig technologischen Wandel und eine stabile Entwicklung im Produkt-Lebenszyklus (stetiges Wachstum oder langfristig stabiles Marktvolumen)
466
7. Zusammenarbeit mit Agenturen
b) Die Größe der Organisation wurde als weiterer Faktor herausgefunden und zwar dahingehend, daß größere Organisationen zu stabileren Agenturbeziehungen tendieren. Dieses führen Michell & Sanders auf das Vorhandensein von mehr Expertenwissen und mehr formalisierten Abläufen in größeren Organisationen zurück. Letztere verringern das Risiko von Mißverständnissen und Fehlinterpretationen, zudem tendieren größere Organisationen angeblich zu konservativeren Entscheidungen, was einem Agenturwechsel entgegenstehen kann. Vermutlich vermeiden größere Organisationen durch mehr „Professionalität“ Mißverständnisse in den Arbeitsabläufen, die häufig auch zur Verschlechterung der persönlichen Beziehungen führen und damit Agenturwechsel zur Folge haben können. c) Die allgemeine Politik gegenüber Lieferanten; Lieferantenpolitik, die auf ein stärkeres Niveau von interorganisationaler Zusammenarbeit hinausläuft, erhöht die Wahrscheinlichkeit langfristiger Beziehungen. Die Entwicklung von Zielsystemen, in denen die Ziele beider Seiten als miteinander kompatibel erkannt werden, sowie die Formalisierung von Beziehungen führen zu stabileren und vorhersehbareren Kunden-Lieferanten-Beziehungen. In einigen besonders positiven Kunden-Agentur-Beziehungen ist der Team-Gedanke besonders stark ausgeprägt. d) Generelle Attitüden zwischen Lieferanten und Kunden; hierunter verstehen Michell & Sanders Werte und Überzeugungssysteme der beteiligten Personen in beiden Organisationen. Dabei zeigt sich, daß Teamgeist insbesondere durch jeweils hohes eigenes Leistungsniveau entwickelt wird, wodurch die Kompatibilität der Kunden- und Agenturmitarbeiter hinsichtlich ihrer jeweiligen Leistungsprofile gefördert wird. Ferner sind ein ähnliches Level an Ausbildung und Erfahrung, ähnliche hierarchische Stellung der Kunden- und Agenturmitarbeiter für die Teamarbeit von Vorteil. Gemeinsamkeiten werden insbesondere durch ähnliche, bzw. von beiden Seiten geteilte gemeinsame Ziele gefördert. e) Allgemeine Arbeitsprozesse unter Einbezug der Lieferanten; häufige Interaktionen und laufende Kommunikation zwischen beiden Seiten erhöhen das gegenseitige Vertrauen. Probleme werden durch schlechte Koordination der beiderseitigen Ressourcen und fehlende Übereinstimmung hinsichtlich der Prioritäten ausgelöst. Derartiges wird durch fortdauernde Kommunikation gemildert. Laufende Rückkopplungen gegenüber beiden Seiten verbessern die Kommunikationsbeziehungen. f) Zwischenmenschliche Beziehungen; es zeigt sich, daß die Arbeitsresultate um so günstiger eingeschätzt werden, je ähnlicher sich die Führungskräfte beider Parteien einschätzen. Dieser Effekt könnte u.a. durch Festingers Theorie sozialer Vergleichsprozesse (Festinger, 1954) erklärt werden, wonach wahrgenommene Ähnlichkeit ein Faktor ist, der die eingeschätzte Attraktivität von Personen begünstigt. Insbesondere in den Führungsebenen ist eine solche Ähnlich-
7.6 Agentur-Kunden-Beziehung
467
keit von Vorteil, weil es gerade die Führungskräfte von Agenturen sind, die besonders häufig von Kunden für wichtige Besprechungen angefordert werden. Diplomatisches Geschick und soziale Kompetenz der Beteiligten tragen dazu bei, beide Organisationen an gemeinsamen Zielen auszurichten, während die wahrgenommene gegenseitige Abhängigkeit zu einer stärkeren aufgabeorientierten Motivation in beiden Gruppen führt und die Zufriedenheit hinsichtlich erzielter Leistungsergebnisse zu steigern vermag. g) Beurteilung der Kreativität durch Agenturkunden; wenngleich die Beziehung zwischen Kreativität und ökonomischem Denken langfristig durch Kompromisse geprägt ist, so ist die Beachtung der Kreativität der Agentur durch ihre Kunden doch von erheblicher Bedeutung. Michell, Cataquet & Hague (1992) haben eine Reihe wichtiger „agency account characteristics“ herausgearbeitet, die unter diesem Aspekt für die Agentur-Kunden-Beziehung wesentlich sind: Disharmonie wird ausgelöst, wenn die Kunden die Marketing-Beratung der Agentur als schwach empfinden, ebenso das Account-Management, die Agentur als nicht geschäftsnah wahrnehmen, die Kampagnen als schwach empfinden hinsichtlich Image und Verkaufswirkung den Service nicht als vollständig empfinden, Schwächen im Top-Management der Agentur empfinden und letztendlich das Honorar als unangemessen im Vergleich zur Agenturleistung empfinden. Umgekehrt korreliert eine positive Wahrnehmung all dieser Faktoren mit zufriedenstellenden Kunden-Agentur-Beziehungen. Die Bedeutung dieser sieben „Über“-Faktoren geht aus Tabelle 7-1 hervor. In der ersten Spalte findet sich die Bedeutung für die gesamte Stichprobe von 100%, ferner finden sich vier verschiedene Agentur-Gruppen (Cluster A bis Cluster D) mit etwas unterschiedlicher Bedeutung der einzelnen Faktoren. Grundsätzlich lassen all diese Studien nicht den Schluß zu, daß die Agenturleistung aus Kundensicht immer richtig bewertet wird. Darum geht es allerdings bei der Wahrnehmung der Agentur-Dienstleistung nicht unbedingt primär. Ein großes Problem in der Marketing-Kommunikation ist in der Tatsache zu suchen, daß die letztendlich Entscheidungen fällenden Personen nicht zwangsläufig Kommunikationsexperten sein müssen. Betriebswirtschaftliche Ausbildung an Fachhochschulen oder Universitäten ebenso Marketing-Karrieren aus dem Vertrieb heraus, sind keineswegs zwangsläufig mit der Vermittlung kommunikativer Kompetenz verbunden. Das führt dazu, daß häufig mit laien-psychologischen Hypothesen („gesunder Menschenverstand“) gearbeitet wird, was keineswegs zu sozialtechnisch angemessenen Lösungen führen muß.
468
7. Zusammenarbeit mit Agenturen
Tabelle 7-1: Gründe aus Agenturkunden-Sicht für positive Agentur-Beziehungen (Michell & Sanders, 1995, S. 13)
Client reasons Actual account characteristics General attitudes toward suppliers General policies toward suppliers Interpersonal characteristics required General processes involving suppliers General busineß environment Company’s organizational structure Percentage of sample
Rank
(Mean)
1 2 3 4 5 6 7
(1,6) (3,2) (3,4) (4,0) (4,8) (5,1) (5,4) 100
Damit soll andererseits nicht gesagt werden, daß alle kommunikativen Maßnahmen wissenschaftlich begründet werden könnten. Andererseits gibt es doch eine Reihe von Erkenntnissen, deren systematische Nutzung man in der Kommunikationspraxis häufig vermißt. Häufig sehen sich Agenturen daher Gesprächspartnern gegenüber, denen die sozialtechnische Kompetenz fehlt, um kommunikative Lösungen angemessen beurteilen zu können. Kroeber-Riel hat dann auch schon 1984 auf der Jahrestagung der Deutschen Werbewissenschaftlichen Gesellschaft fehlende sozialtechnische Kompetenz der Marketing-Praktiker beklagt. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, daß sich daran bis heute wesentliches geändert hat. Andererseits fehlt Werbeagenturen häufig die Marketing-Kompetenz. Das Personal in Werbeagenturen ist häufig nicht betriebswirtschaftlich systematisch ausgebildet, es fehlt die Fähigkeit, Marketing-Strategien nachzuvollziehen. So besteht im negativen Fall die Möglichkeit, daß sich Personen gegenübersitzen, die jeweils über ein spezifisches Fachwissen verfügen, sich jedoch gegenseitig häufig mißverstehen, weil beide Seiten die Ausführungen der anderen Seite nicht ausreichend nachvollziehen können. Lösungen sind nur langfristig möglich, indem darauf geachtet wird, in Marketingabteilungen auch sozialtechnische Kompetenz zu etablieren, während Agenturen gut beraten wären, hervorragend betriebswirtschaftlich ausgebildetes Personal in ihren Reihen zu implementieren. Für eine effiziente Zusammenarbeit ist es auch für die Agenturen wichtig, anhand welcher Kriterien ihre Präsentationen, also die konkreten Agenturleistungen (also nicht die Agentur insgesamt) beurteilt werden. Eine derartige Liste von Beurteilungskriterien ist in Tabelle 7-2 dargestellt.
7.6 Agentur-Kunden-Beziehung
469
Tabelle 7-2: Kriterienliste zur Beurteilung einer Werbepräsentation (Dahlhoff, 1993, S. 127)
1. Konzeptionelle Lösung der gestellten Aufgabe 1.1 Informationsverarbeitung - Richtige Interpretation der Daten - Eigene Beiträge zur Informationsbeschaffung 1.2
Strategieentwicklung - Situationsanalyse (korrekte Wiedergabe von Markt und Marktbeziehungen) - Umfassendes Marketing- und Kommunikationskonzept - Berücksichtigung von Synergieeffekten innerhalb des Kommunikationsmix - Korrekte Problemerfassung und Zielgruppenadäquanz - Berücksichtigung weiterführender und übergreifender Problembereiche - Detailliertheit und Differenziertheit von Mediaplan und Mediaselektion
2. Inhaltliche Lösung der gestellten Aufgabe 2.1 Erfassung der Aufgabenstellung - Produkt- und Markenverständnis - Erkennen der wesentlichen Produktfeatures - Inhalt der Werbebotschaft - Berücksichtigung von Alternativen 2.2
Umsetzung - Kreativität (Originalität, Humor, Ästhetik, usw.) - Eigenständigkeit von Botschaft und Kampagne - Kreation eines Markencharakters - Zielgruppenansprache - Darstellungsweise (redaktionell, bildlich, akustisch, usw.) - Glaubhaftigkeit/Überzeugungskraft
3. Präsentation durch die Agenturmannschaft - Kompetenz und Kommunikationsfähigkeit der Mitarbeiter - Kritikfähigkeit - Identifikation der Agenturmitarbeiter mit dem Produkt - Persönliches Engagement der Mitarbeiter - Handling/Darbietung - Flexibilität - Gesamteindruck der Präsentation - Professionalität 4. Sonstiges - Kosten-Leistungs-Verhältnis (Abrechnungsmodus, Vertrag, usw.) - Pünktlichkeit/Termintreue - Steuerbarkeit einzelner Werbemittel in Problemsituationen - Einbeziehung von Erfolgskontrollen
470
7. Zusammenarbeit mit Agenturen
7.6.2 Stab-Linie-Strukturen als Organisationsproblem Stäbe werden als Beratungsstellen von Linie-Instanzen definiert, wobei die reinen Stäbe die Linie ausschließlich beraten sollen, während alle Entscheidungen bei der Linie-Instanz verbleiben. Ein Problem ist die durch das Stab-Linie-Prinzip entstandene Trennung von Kompetenz und Verantwortung. Darauf wollen wir im folgenden eingehen: Stabstellen oder -abteilungen werden eingerichtet, wenn die Linie einer Organisation Spezialisten zur Bewältigung bestimmter Informationsund Entscheidungsprobleme benötigt. Formal behält sich die Linie die Entscheidungskompetenz, einschließlich der damit in Verbindungen stehenden Anordnungsbefugnisse, vor. Der Stab hat Informations- und Beraterfunktionen. Gelegentlich wird ihm Anordnungsbefugnis für einen begrenzten, seine Aufgaben betreffenden Bereich übertragen (Kappler & Wegmann, 1983, S. 93). Grundsätzlich wird damit zugestanden, daß der Stab der Linie gegenüber in bestimmten Belangen überlegen ist. Das gilt auch, wenn in erster Linie zeitliche Kapazitätsprobleme und weniger intellektuelle Fähigkeiten dafür ausschlaggebend sind. Den Stäben wird seitens der Linie ein Aufgabenbereich übertragen, den die Linie selber nicht mehr qualifiziert ausführen kann. Dennoch behält sich die Linie das Recht vor, die Informationen und Vorschläge der Stäbe abzulehnen oder zu akzeptieren (Irle, 1971, S. 32). Das Stab-Linie-Prinzip wurde von Irle bereits 1971 einer grundsätzlichen Kritik unterzogen, ohne daß sich in der Praxis seitdem wesentliche Konsequenzen ergeben hätten. Dieses Prinzip beinhaltet die Annahme, im Rahmen eines Entscheidungsprozesses ließen sich Informationssuche, Entwicklung von Handlungsalternativen und Auswahlentscheidung trennen. Irle (1971) zeigt, daß diese Konzeption zu Fehlentwicklungen im Entscheidungsprozeß führt: Der Stab übt Macht auf die Linie aus, durch selektive Information, er ist der Linie gegenüber informativ überlegen. Die Linie kann zwangsläufig niemals alle relevanten Informationen gleichermaßen verarbeiten. Selbst wenn der Stab alle Informationen der Linie zugänglich machen würde, wäre sie kapazitätsmäßig dazu nicht in der Lage - wozu gäbe es sonst Stäbe? Aber selbst dieser Fall, der vollständigen Information, tritt niemals ein. Der Stab kann nur selektiv informieren. Vollständige Information gibt es nicht. Kann die Linie nachvollziehen, von welchen Annahmen der Stab bei Informationssuche oder Problemformulierung ausging? Informationssuche ist gerichtet und selektiv (Irle, 1971, S. 59, 60), d.h. sie geht von bestimmten Annahmen und Vorstellungen der jeweiligen Person aus. Das Prinzip der Delegation geht davon aus, daß Organisationseinheiten Funktionen ausgliedern, welche sie vormals selber wahrnehmen konnten. Diese Funktionen werden von nachgeordneten Funktionsträgern oder Stäben übernommen. Durch die zunehmende Komplexität in Organisationen ist die delegierende Instanz jedoch nicht mehr dazu in der Lage, übertragene Funktionen wieder selbst zu übernehmen. Oft sieht die Realität noch etwas anders aus. Stäbe von Spezialisten tun Dinge, die bisher in dieser Form nicht ausgeführt werden konnten. Produkt-Manager sollen sich in besonders intensiver Form um die Konzeption „ihrer“ Produktbereiche kümmern, so wie es die Linie selber nicht tun könnte.
7.6 Agentur-Kunden-Beziehung
471
Dennoch glaubt die Linie nach wie vor, selbständig und souverän entscheiden zu können. Irle (1971) zeigt logisch und empirisch, daß diese Annahme falsch ist. Selbstverständlich kann die Linie die Vorschläge der Spezialisten, der Stäbe, verwerfen. Sie gibt dann jedoch deren Informationspotential auf. Damit wird Unabhängigkeit demonstriert, jedoch um den Preis der Informationsaufgabe. Folgt die Linie den Vorschlägen des Stabes „blind“, wird die Abhängigkeit offensichtlich. Dazwischen liegt die Möglichkeit, weitere Informationen bei den Stäben abzufragen. Wer sollte jedoch nach dem Stab-Linie-Prinzip eher kompetent sein zu entscheiden, welche Art von Information jeweils für spezifische Entscheidungen relevant sind, Stab oder Linie? Auch diesbezüglich ist der Stab der Linie gegenüber im Vorteil, einschließlich hinsichtlich der Kenntnisse über Beschaffungsmöglichkeiten und -methoden. Soweit die allgemeingültigen theoretischen und empirischen Kenntnisse. Im folgenden sollen nun die Auswirkungen derartiger Probleme auf MarketingEntscheidungen erörtert werden. Das Produkt-Management hat die Funktion von Spezialisten für eine anvertraute Produktgruppe. Es sollte diesbezüglich über die höhere Kompetenz innerhalb der Organisation verfügen. Produkt-Manager unterstehen entweder direkt der Marketingleitung oder einer weiteren zwischengeschalteten Stelle „Leitung Produkt-Management“. Die Entscheidungen über der Geschäftsführung vorzuschlagende Maßnahmen oder in anderen Sparten (Vertrieb, Export, Produktion) durchzusetzende Maßnahmen, fallen formal bei der Marketingleitung. Dabei ist die Marketingleitung jedoch abhängig vom InformationsInput durch das Produkt-Management. Kann sie diesen wirklich beurteilen? Die Marketingleitung umgibt sich mit Fachspezialisten für Produktgruppen, weil sie alleine dieses Spezialwissen nicht mehr auf sich vereinigen kann. Sie delegiert Entscheidungsvorbereitungen, will jedoch anschließend unabhängig entscheiden. In Wirklichkeit kann sie das gar nicht, wird es niemals können. Es wird in Abhängigkeit eines vorab erarbeiteten Informations-Input entschieden. Wollte die Marketingleitung die Erarbeitung der notwendigen Informationsbasis für Entscheidungen kontrollieren, um wirklich unabhängig zu entscheiden, müßten sämtliche Zwischenschritte nachvollzogen und nachgeprüft werden. Dazu ist die Marketingleitung nicht in der Lage. Sie kann daher die Entscheidungsvorbereitung nicht delegieren, ohne gleichzeitig Eintscheidungskompetenzen abzugeben. Das Auseinanderfallen von Kompetenz und Entscheidungsverantwortung ist ein zentrales Problem der hier zugrunde gelegten Marketingorganisation, in welcher man davon ausgeht, Entscheidungsvorbereitung und Entscheidung auf mehrere Instanzen verteilen zu können. Da in Wirklichkeit nicht delegiert wird, sondern Kompetenzen aufgeteilt werden (und zwar unwiederbringlich, es sei denn, um den Preis der Aufgabe eben dieser gewonnenen Kompetenz), müssen auch die Entscheidungsprozesse neu überdacht, d.h. der sich neu ergebenden Kompetenzstruktur angepaßt werden. Insbesondere im Marketing vervielfältigt sich diese Problematik. Das Produkt-Management müßte, wenn es seine oben skizzierte Aufgabe erfüllen will, ein Generalist im Marketing sein. Da es dieses nicht sein kann, umgibt es sich
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7. Zusammenarbeit mit Agenturen
(selbst eine Stabstelle) mit weiteren Stäben. Das Produkt-Management kann quasi „wie eine Spinne im Netz“ die strategischen Überlegungen anstellen, operative Maßnahmen planen und sich diese jeweils wiederum von Spezialisten erarbeiten lassen. Es müßte als Spezialist für seinen Produktbereich beurteilen können, in welchem Maße die von externen und/oder internen Abteilungen erarbeiteten Vorschläge seinen Strategien gerecht werden. Eine derartige Stabsabteilung ist die Werbeagentur, mit Kommunikations-Experten, Graphikern, Illustratoren, Kontakten zu Werbefotografen, Produktionsfirmen für Werbefilme, Tonstudios u.v.m. Beispielsweise ist der Vertrieb sicherlich „Experte“ und damit kompetent in allen Fragen des Informationsbedürfnisses beim Handel, beim Vertriebspartner. Aber ist er auch „Kommunikationsexperte“, um beurteilen zu können, in welcher Form diese Informationen darzubieten sind? Analog ist die Problematik gegenüber der Exportleitung und der angeschlossenen Linien-Organisation. Ähnliches gilt für den Produktbereich, wenn Maßnahmen der Produktgestaltung zu entscheiden sind. Im Konfliktfall wird bei allen diesen Fragen letztlich die Geschäftsführung entscheiden, ohne jedoch in aller Regel an der Entscheidungsvorbereitung beteiligt gewesen zu sein. Entschieden wird nach hierarchischen, nicht nach Kompetenzkriterien. Dadurch werden Entscheidungen niemals besser. Die Sachkompetenz liegt bei den Personen, welche Entscheidungen vorbereiten, veranlassen. Bei Vorliegen der Stab-Linie-Organisation kann man deren Vorschlägen blind folgen und „delegiert“ damit die Entscheidungskompetenz. Die andere Alternative ist, den Vorschlägen des sachkompetenten Stabes nicht zu folgen und, oberflächlich betrachtet, „unabhängig“ zu entscheiden. Dann wird die zugrunde gelegte Informationsbasis, die Entscheidungsgrundlage, reduziert. Für die Werbung tritt diese Problematik in mehreren Stufen gleichermaßen auf. Die Werbeagentur erhält zunächst eine Aufgabenstellung, sie ist informativ abhängig von dieser Aufgabenstellung, dem sogenannten „Briefing“. Als Kommunikationsexperte erstellt die Agentur die kreative Leistung und präsentiert sie den Kunden in Form mehr oder weniger detaillierter Entwürfe. Die Frage ist, wer in diesem Falle als Kunde auftritt, das Produkt-Management, die Leitung des ProduktManagements, die Marketingleitung? Anschließend „entscheiden“ Kunden intern, gegebenenfalls unter Heranziehung nicht bei der Präsentation anwesender Personen, wie Vertriebsleitung und/oder Geschäftsführung. Die Agentur ist in dieser Phase häufig nicht anwesend. Die geistige Umsetzung von teilweise anskizzierten Vorschlägen in schalt- und sendereife Kampagnen erfolgt oft ohne sie. Nicht jeder hat die Vorstellungskraft, diesen Transfer zu vollziehen. Oft wird die Agentur nach kundeninterner Diskussion zur Erarbeitung weiterer Alternativen oder Änderung vorliegender Entwürfe aufgefordert, die die Agentur je nach Aufwand nach ein bis drei Wochen erneut präsentiert. Nach mehreren Präsentationen entscheidet ein Kunde sich für eine Version, ändert häufig die Vorschläge der Kommunikationsexperten ohne Rücksprache mit eben diesen Experten nochmals ab. Möglicherweise werden die Werbemaßnahmen damit konformer i.S. einer bestehenden Strategie oder Strategievorstellung beim Kunden, ob sie kommunikativ dadurch besser werden, ist fraglich. Die Agentur wird dann beauftragt, die Produktion zu veranlassen,
7.6 Agentur-Kunden-Beziehung
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z.B. Reinzeichnungserstellung oder Buchung von Fotografen oder WerbefilmProduktionsgesellschaften. Hinsichtlich der Vergabe einer TV-Produktion hat die Agentur in aller Regel ein Vorschlagsrecht. Sind die Kriterien, nach denen die Agentur selektiert, für die Kunden nachvollziehbar? Formal entscheiden die Kunden über die Vergabe; dabei ist nicht immer sichergestellt, daß Gesichtspunkte der Kreation gegenüber Kostengesichtspunkten ausreichend gewichtet werden. Bei Druckmaterialien wie Packungsgestaltung oder Verkaufsförderungs-Maßnahmen erstellt die Agentur häufig nur die Reinzeichnung, Lithographie und Druck liegen oft in den Händen der Kunden, die „ihre“ Lieferanten auswählen. Ob die Folgearbeiten dann wirklich i.S der kreativen Vorstellung der Gestalter erfolgen, ist nicht mehr sichergestellt.
7.6.3 Fehlende Systematik Längst nicht alle Entscheidungen im Management verlaufen geradlinig und sind tatsächlich an den formal festgelegten Zielsystemen ausgerichtet. Häufig werden auch nur einzelne Ziele verfolgt, während konkrete Zielsysteme nicht explizit formuliert worden sind. Fehlende Zielsysteme dürften eine der Ursachen dafür sein, daß die Instrumente im Rahmen der Marktkommunikation häufig nicht in ausreichender Form aufeinander abgestimmt zum Einsatz kommen. Dem Produkt-Management wird stärkerer Einfluß auf Werbung und Packungsgestaltung zugestanden, dem Vertrieb auf die Verkaufsförderung und selbstverständlich auf die Argumentation im Vertrieb, möglicherweise entscheidet eine Abteilung Öffentlichkeitsarbeit relativ unabhängig über die Maßnahmen dieses Sektors. Damit werden mögliche Verbundwirkungen der verschiedenen Kommunikationsbereiche nicht genutzt. Problematisch ist ferner die Tatsache, daß Maßnahmen der Marktkommunikation vermutlich zu kurzfristig eingesetzt werden, bzw. daß Änderungen zu häufig erfolgen. Während es bisher noch nicht allgemein akzeptiert wird, daß Kommunikationswirkungen in einem Pretest meßbar sind, ist die Tatsache, daß auch die Aufgabe einer Kommunikationsmaßnahme eine Entscheidung ist, die in gleichem Maße überprüfbar wäre, praktisch nicht bekannt. Anders ist die häufige Aufgabe oder vorzeitige Änderung erfolgreicher Kampagnen nicht erklärbar. Es gibt keinen Grund, eine Kampagne zu beenden, lediglich, weil sie schon „zu lange“ gelaufen ist, ohne sich über diese Annahme Gewißheit geschaffen zu haben. Dabei wird verkannt, daß die Durchsetzung einer neuen Kampagne weit kostspieliger ist, als eine mehr oder weniger geringfügige Variation einer Kampagne. Auf diesen Aspekt wird insbesondere durch die „Cognitive Response“-Forschung hingewiesen. Häufig ist ein Kampagnenwechsel die Folge der Personalpolitik innerhalb der Marketing-Abteilung. Die Tatsache, daß einem Wechsel im Topmanagement des Marketing und auch der Geschäftsführung sehr häufig ein Agenturwechsel folgt, ist nur allzu bekannt. Auch Wechsel im Produkt-Management ziehen häufig Agen-
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7. Zusammenarbeit mit Agenturen
turwechsel nach sich. Eine neue Werbeagentur muß sich gegenüber der alten Agentur profilieren. Sie hat dazu praktisch keine andere Möglichkeit, als die Arbeit der abgelösten Agentur zu diskreditieren und „alles anders“ zu machen. Fehlende langfristig fixierte und geltende Zielsysteme verführen bei Management- und Agenturwechsel dazu, vorhandenes kommunikatives Potential abzubauen und neue Kommunikationsstrategien zu realisieren. Das Ziel ist die eigene Profilierung des Managements auf Kosten der kommunikativen Wirkung. Es ist einfacher, sich in der Marketing-Szene durch neue spektakuläre Werbeauftritte bekannt zu machen (um mehr an der eigenen Karriere zu „basteln“ als an langfristigen MarketingStrategien), als durch das Bewahren langfristiger Strategien. Ein bestimmter Managertyp hat den Ort seines Wirkens meistens längst wieder verlassen, ehe sich die Wirkungen seines Tuns niederschlagen. Während er/sie sich schon wieder neuen, meist besser dotierten Aufgaben zuwendet, wird häufig ein marketing-strategisches Trümmerfeld hinterlassen.
7.6.4 Agenturabhängigkeit führt zu Konformismus in der Beratungsleistung Die Werbeagentur ist insofern als Stab-Abteilung in einer spezifischen Situation, als neben der Kompetenz-Entscheidungsproblematik noch die Abhängigkeit vom Auftraggeber, der werbetreibenden Unternehmung, steht. Auf der einen Seite soll sie objektiv und kompetent beraten (!), mitentscheiden kann sie formal nicht, andererseits steht sie unter Erfolgszwang gegenüber dem Auftraggeber, und zwar auch hinsichtlich eigenwirtschaftlicher Gesichtspunkte. Beratung involviert zwangsläufig Kritik, Kritik erfordert Unabhängigkeit. Fraglich ist, wie weit die Agentur in ihrer zu zeigenden „Unabhängigkeit“ gehen darf, ohne ihre eigenen berechtigten wirtschaftlichen Interessen zu gefährden. (In anderer Betrachtungsweise: Wie weit darf die Agentur auf die Gestaltungswünsche des Kunden eingehen, um ihr Image gegenüber anderen Kunden oder potentiellen Auftraggebern nicht zu gefährden?) Gewisse Verhaltensideologien im Management verlangen „Geradlinigkeit“. Das, logisch gesehen berechtigte, Anzweifeln auch eigener Maßnahmen gilt als Schwäche. In Wahrheit liegt gerade in der Kritik und Eigenkritik die Möglichkeit der Optimierung. Wir müssen uns von der Annahme verabschieden, wir könnten auch nur eine unserer Entscheidungen absolut sicher begründen. Jede Begründung kann theoretisch und praktisch weiter hinterfragt und angezweifelt werden. Das bedeutet, alle Annahmen und Entscheidungen sind als Hypothesen anzusehen, die sich in Zukunft als falsch, wenigstens als nicht optimal erweisen können. Ihre Begründung kann nur eine vorläufige Bestätigung sein. Das gilt auch, wenn wir aufgrund von Erfahrung und Sachkenntnis relativ sicher zu sein glauben. „In diesem Sinne sind alle praktizierten Problemlösungen im Grunde genommen als Provisorien und damit als revidierbar zu betrachten, auch wenn sie in noch so starkem Maße sozial verankert... sind“ (Albert, 1978, S. 26, 27). Damit unterliegt
7.6 Agentur-Kunden-Beziehung
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jede Entscheidung, auch jede vorgeschlagene Entscheidung, grundsätzlich der Kritik. D. h., es besteht fortwährend die Aufgabe, Alternativen zu entwickeln, um mögliche Vor- und Nachteile unterschiedlicher Problemlösungen transparent zu machen und gegeneinander abzuwägen. Dem tragen wir in der Werbepraxis in gewissem Sinne Rechnung, wenn wir nach erfolgter Aufgabenstellung die Erarbeitung alternativer Gestaltungskonzepte erwarten. Wären wir in der Lage, Entscheidungen endgültig zu begründen, dann würde sich die Forderung nach alternativen Problemlösungen erübrigen. Da wir aber unterstellen müssen, daß jede angestrebte und realisierte Problemlösung auch Schwächen hat, die es aufzudecken gilt, „... ist die Suche nach alternativen Lösungen und die vergleichende Bewertung konkurrierender Lösungen eine wichtige Forderung einer adäquaten Konzeption rationaler Praxis, soweit die dabei zu berücksichtigenden Kosten ein solches Vorgehen sinnvoll erscheinen lassen“ (Albert, 1978, S. 26). Das bedeutet auch, daß der Kritik eine grundsätzlich positive Bewertung zukommt. Nur wer bestehende Problemlösungsverfahren kritisiert, trägt dazu bei, diese zu verbessern. Konstruktive und kritische Leistung kann unter diesem Gesichtspunkt keine unterschiedliche Bewertung erfahren. Viel zu oft wird die Kritik unter dem Eindruck innovativer und kreativer Bestrebungen mit einem negativen Image versehen. Auf den ersten Blick ist dieser Sachverhalt unproblematisch, da in aller Regel die Erarbeitung von Alternativen üblich ist. Die Situation ändert sich jedoch schlagartig in zwei Stufen des Entscheidungsprozesses. Erstens, nach Verabschiedung einer Alternative. Ab diesem Zeitpunkt fühlen sich alle Beteiligten gebunden, und die weitere Kritik ist, auch nach Eintreffen zusätzlicher Informationen, keineswegs mehr selbstverständlich. Die zweite Phase ist die Phase der Durchführung der Werbemaßnahmen, wenn die Entscheidung nur noch unter großem Kostenaufwand revidierbar ist und zudem eingestanden werden müßte, wenigstens zeitweise eine nicht optimale Werbekampagne gesendet zu haben. Stäbe, und insbesondere Agenturen, sind in diesen beiden Phasen, in der zweiten mehr als in der ersten, zur Rechtfertigung der verabschiedeten und/oder laufenden Werbekampagne gezwungen, nicht aus sachlichen Gründen, sondern infolge ökonomischer Abhängigkeit und organisatorischer Strukturen. Konstruktive Kritik seitens der Abteilungen, welche die höchste Sachkompetenz aufweisen, wird in diesen Phasen erschwert, obwohl es dazu keine sachliche Rechtfertigung gibt. Dies kann auch direkt aus den Resultaten empirischer Sozialforschung abgeleitet werden (z.B. Festinger, 1957; Irle, 1975, S. 310-317; Frey, 1981a, 1981b und 1984; Frey, Irle & Möntmann et al, 1982). Wenn Personen Entscheidungen gefällt haben oder auch, wenn sie öffentlich (beispielsweise in einer Konferenz) eine bestimmte Alternative präferiert haben, beeinflußt dies deren zukünftiges Informa-
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7. Zusammenarbeit mit Agenturen
tionsverhalten. Allgemein läßt sich sagen: Je schwerwiegender eine Entscheidungsrevision ist oder je stärker man sich öffentlich für eine Alternative eingesetzt hat, um so stärker werden in Zukunft unterstützende Informationen präferiert und widersprechende Informationen vermieden oder unterbewertet. Hiervon sind weder das formal entscheidungsbefugte Linienmanagement befreit, noch das beratende Stabmanagement. Haben sich Stabmanager für die Empfehlung einer bestimmten Alternative entschieden (Hier entscheidet der Stab! Von derartigen Vor- und Zwischenentscheidungen ist die Linie ausgenommen!), dann haben diese Entscheidungen, unterstützende Folgeinformationen, eine größere Chance, aufgenommen und berücksichtigt zu werden, als widersprechende Informationen. Daher: Informationssuche ist selektiv und gerichtet. Außerdem wird das nachträgliche Übermitteln später bekannt gewordener kritischer Aspekte einer Alternative, welche der Stab (hier die Agentur gegenüber dem Kunden, oder das Produkt-Management gegenüber der Marketingleitung) vorgeschlagen hat, durch eben diesen Stab vom Linien-Management nach praktischer Erfahrung überwiegend, wenigstens tendenziell, eher negativ sanktioniert. Ein Schritt zur Optimierung der kreativen Umsetzung von Maßnahmen im Rahmen der Marktkommunikation ist eine Form der Zusammenarbeit, welche in jedem Fall die Produktion von Alternativen fördert. Einige Marketing-Manager sind sich dessen durchaus bewußt, verhalten sich dabei jedoch durchaus nicht angemessen. In regelmäßigen Abständen werden dann Wettbewerbspräsentationen veranstaltet, es werden gleichzeitig mehrere Agenturen beschäftigt, eine auf dem Gebiet der Werbung, eine für Verkaufsförderung, und eine dritte möglicherweise für die Public Relations. Von allen Seiten werden dann Ratschläge für die unterschiedlichsten Maßnahmen eingeholt. Selbstverständlich findet auch jeder neu hinzugezogene „Berater“ Ansatzpunkte für Kritik. Nichts ist leichter, als die Gestaltung von Werbemaßnahmen „unvoreingenommen“ zu kritisieren. Jede, aber auch wirklich jede Werbekampagne läßt sich in irgend einem Punkt theoretisch verbessern. Die Folge ist jedenfalls zunächst Verunsicherung auf allen Seiten, statt Kritik einfach als das zu nehmen, was es ist: Ein willkommener Anlaß für Verbesserungschancen. Auftraggeber werden verunsichert, befürchten die derzeitige Werbung könne doch fehlerhaft sein, die unter Vertrag stehende Agentur fürchtet um den Etat. Wiederum muß die Agentur ihre derzeitigen Maßnahmen rechtfertigen, wenn sie jetzt auch noch selber eine kritische Einstellung zeigt, kann das fatale Folgen für sie selber haben. Übersehen wird dabei, daß eine Konkurrenzagentur in jedem Fall kritisieren wird, aber nicht nur um der (durchaus angemessenen) kontinuierlichen Verbesserung durch konstruktive Kritik willen, sondern um zu „beweisen“, daß sie „kreativer“, „professioneller“ sei. Die entstandene Verunsicherung ist erste Voraussetzung für einen möglichen Einstieg bei einem neuen Kunden. Konkurrenz verbessert in diesem Fall keineswegs das Geschäft. Die gerade in der Marktkommunikation dringend notwendige Kontinuität ist stark gefährdet. Wechsel im
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kommunikativen Erscheinungsbild erschweren die Durchsetzung von Botschaften erheblich. Es ist längst empirisch nachgewiesen, daß bekannte Botschaften leichter wiedererkannt werden als neue Botschaften (Hebb, 1958 und 1972; Lefrancois, 1994, S. 70-87). Selbst eine scheinbar „bessere“ Form der Kommunikation muß sich bei der Zielgruppe, den Empfängern der Botschaft, zunächst durchsetzen; sie muß gelernt werden. Das kann wesentlich höhere Etatmittel beanspruchen, um die gleiche Wirkung zu erzielen, wie die kontinuierliche Kommunikation bestehender Botschaften. Dissonanztheoretische Forschungsresultate müßten eigentlich dafür sprechen, daß derartige Verunsicherungen der Auftraggeber eher unwahrscheinlich sind. Der Auftraggeber hat sich für die bestehende Konzeption entschieden, widersprechende kritische Informationen lösen Dissonanz aus und müßten eher unterbewertet werden. Andererseits sind sich gerade Linieninstanzen (Geschäftsführung) der informativen Abhängigkeit von Stabmanagement und Agenturen durchaus bis zu einem gewissen Grad bewußt. Mit dieser Unsicherheit sind neue „kritische“ Informationen anderer Agenturen durchaus in Einklang zu bringen. Verfügt die Geschäftsführung oder Marketingleitung über eigene Kompetenz bezüglich der Kommunikationswirkungen und entsprechender Lernprozesse, fällt es jedoch relativ schwer, derartige Verunsicherungen zu bewirken. Hier könnte ein Schlüssel für die Erklärung eines bekannten Phänomens liegen: Bei Wechsel in der Führungsebene sind auch die Agenturen gefährdet. Jetzt haben es Konkurrenzagenturen leicht, bestehende Kommunikations-Konzepte anzugreifen. Derartige Informationen rufen keinerlei kognitive Dissonanz hervor. Daß bei derartigen Gelegenheiten Agentur- und Kommunikationswechsel häufig sind, zeigt, daß viele Marketing-Manager nicht über die entsprechende kommunikationspsychologische Kompetenz verfügen. Sie sind diesbezüglich abhängig von Stäben. Man kann von einer Werbeagentur, der permanent die wirtschaftliche Abhängigkeit aufgezeigt wird, nicht erwarten, daß sie optimal berät und optimale Werbemaßnahmen gestaltet. Der Weg des geringsten Widerstandes - auch gegenüber den Kunden - kann zur Mittelmäßigkeit in der Kreation führen. Offensichtliche Abhängigkeit führt zur Präferenz seitens der Agentur für diesen Weg. Auch im Falle von Wettbewerbspräsentationen stellt sich dieses Problem. Das kann auch dann gelten, wenn bestimmte Testmethoden vorgegeben sind, nach denen „entschieden“ werden soll. Können wir sicher sein, daß die Testsieger wirklich die beste Basis für langfristige Kommunikations-Strategien sind? Die Agenturen werden dann dazu verführt, testkonforme Kampagnen zu erarbeiten, unabhängig davon, welche Konsequenzen sich langfristig in der Massenkommunikation ergeben können.
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7. Zusammenarbeit mit Agenturen
Das soll kein Argument gegen Pretests in der Werbewirkungsforschung sein. Es ist jedoch nicht gewährleistet, daß vom Linienmanagement des Auftraggebers vorgegebene Pretests den Kommunikationszielen entsprechen und/oder i.S. dieser Kommunikationsziele ausgewertet werden. Das setzt sozialtechnische Kompetenz voraus, die nicht immer vorhanden ist. Auch hier liegt ein häufig anzutreffendes Kompetenz-Entscheidungs-Problem zwischen Stab und Linie vor. Kontinuierliche Kommunikation setzt auch Kontinuität in der Kooperation mit Agenturen voraus. Das Ausspielen von Macht ist kein erfolgversprechendes Instrument zur Erarbeitung optimaler Kommunikations-Strategien und -Umsetzungen. Das schließt nicht aus, neue Ideen in der Kreation zu erproben. Niemand hindert die Agenturen daran, Kreativgruppen umzubesetzen. Dies wäre auch ein Weg für den Auftraggeber, die Entwicklung von Alternativen zu begünstigen, ohne Macht einzusetzen oder Abhängigkeit offenzulegen.
7.6.5 Reduktion der Divergenzen im Entscheidungsprozeß durch permanente Kooperation Der üblicherweise unterstellte Entscheidungsprozeß beginnt mit dem Auffinden von Problemen, der Auswahl relevanter Probleme, und endet mit der nachträglichen Kontrolle realisierter Problemlösungsalternativen als „feedback“ und ggf. als Anlaß für neue Entscheidungsprozesse. Ein solcher Entscheidungsprozeß wird in Abbildung 7-5 dargestellt. Aus der Implementierung des Stab-Linie-Prinzips resultiert eine Reihe von Konsequenzen, deren negative Auswirkungen auf die Effizienz von Entscheidungen wir bisher aufgezeigt haben. Es gilt demnach, diese Divergenzen im Einzelfall konkret aufzuzeigen und zu beseitigen. Der Entscheidungsprozeß, wie er in die Abbildung 7-5 dargestellt wird, läßt sich in jeder einzelnen Phase wiederum als ein vollständiger Entscheidungsprozeß mit abschließenden Entscheidungen interpretieren. Die Entscheidungen in einer Phase determinieren jeweils die Entscheidungsfindung in den folgenden Phasen. Aus diesem Grunde können „Letztentscheider“ niemals unabhängig entscheiden, sie legalisieren lediglich. Was bedeutet eine Problemdefinition „nicht ausreichende Markenbekanntheit“, verbunden mit der daraus resultierenden Aufgabenstellung „Steigerung der Markenbekanntheit um X%“? Damit wurde entschieden, daß dieses und nicht etwa fehlende Markenkenntnis bei der relevanten Zielgruppe zu problematisieren sei. Bedeutet „nicht ausreichende Markenbekanntheit“, daß der Anteil in der Zielgruppe ausgeweitet werden muß, oder soll die Markenbekanntheit bei einem bestimmten Anteil intensiviert, aktualisiert oder verfestigt werden? Eine Vielzahl von anderen Problemdefinitionen, welche einen nicht so engen Bezug zur Thematik der Markenbekanntheit haben, wurde nicht einmal erwähnt. Auch in der Praxis können und werden niemals alle möglichen Problemdimensionen erörtert oder berücksich-
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tigt. Wer entscheidet darüber, welche Probleme im Marketing relevant und welche möglichen problematischen Sachverhalte ursächlich für Probleme im Marketing sein können? Können Letztentscheider selber alle denkbaren Ursachen erkennen? Sie sind vielmehr in erheblichem Maße abhängig. „Eine der wichtigsten Strukturgegebenheiten, ..., ist wohl die Tatsache, daß sich Probleme immer in einem Kontext zu präsentieren pflegen, in einem Bezugsrahmen, der nicht nur für ihre Entstehung bedeutsam ist, sondern auch bestimmte Voraussetzungen für ihre Lösung enthält. Dabei handelt es sich um „Voraussetzungen ... in einem sehr allgemeinen Sinne: Annahmen über faktische Gegebenheiten, Einsichten allgemeineren Charakters, Maßstäbe der Beurteilung, methodische Einstellungen, verfügbare Verfahrensweisen, Zielsetzungen und Ideale“ (Albert, 1978, S. 23). Die Agentur erhält als Extrakt dieser Problemanalyse das „Briefing“ mit aus den als dringlich angesehenen Problemen abgeleiteten Zielen. Dabei bleibt offen, wer darüber entscheidet, ob die Ziele problemadäquat sind, und in welchem Maße das Produkt-Management dabei von der Marktforschung abhängig ist, oder in welchem Maße die Analysen der Marktforschung nachvollziehbar sind. Innerhalb der Agentur erfährt das „Briefing“ einen Transformationsprozeß zwischen Kontakt bzw. Etatdirektion und Kreation. In welchem Maße diese Transformation im Sinne des Auftraggebers verläuft, bleibt offen. Der Auftraggeber erhält wiederum eine Auswahl (!) möglicher Problemlösungen als Alternativen. Die letzte Auswahl fällt in aller Regel unter erheblichem Einfluß durch die Geschäftsführung, oft unter Ausschluß der Agentur. Die Geschäftsführung ist dabei oft nicht an der Aufgabenstellung oder etwa der Problemanalyse beteiligt.
Entscheidung über Problemdefinition
Entscheidungen über Informationsbeschaffung
Produktion ausgewählter Lösungsalternativen
Entscheidung über Bewertung der Alternativen
Entscheidung über Kontrollmaßnahmen
Realisation der ausgewählten Alternativen
Auswahlentscheidung
Abbildung 7-5: Allgemeingültiger Entscheidungsprozeß
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7. Zusammenarbeit mit Agenturen
Irle (1971, S. 218-222) schlägt ein „Task-Force“-Prinzip zur Lösung derartiger Probleme vor, d.h. statt des Stab-Linie-Prinzips wird ein Führungsprinzip implementiert, welches das Zusammenarbeiten aller mit einer Entscheidung befaßten Spezialisten vorsieht. Kooperation sollte als Führungsprinzip etabliert werden. Wir müssen zwei grundsätzlich verschiedene Arten von Problemen unterscheiden: Immer wiederkehrende Probleme, Problemlösungen werden hier routinemäßig erstellt; unregelmäßig bzw. seltener auftretende Probleme, deren Lösung spezifische Problemlösungsschritte erfordert. Bei letzteren geht es häufig um die Erstellung längerfristig einzusetzender Kommunikationsmaßnahmen, diesen dürfte daher von der Problemgewichtung her größere Bedeutung zukommen. a) Bei nicht routinemäßig zu erstellenden Kommunikationsmaßnahmen sollte schon in der Phase der Problemfindung und -definition eine Kooperation zwischen Produkt-Management, Marktforschung, Agentur und Marketingleitung erfolgen. Alle in dieser Phase vollzogenen Schritte müssen auch später für eine die Entscheidung legitimierende Instanz (Geschäftsführung) nachvollziehbar sein. Bei echter Kooperation auf der Basis gegenseitigen Vertrauens ist die Agentur durchaus dazu in der Lage, bereits in dieser Phase wertvolle Beiträge zu leisten, insbesondere lassen sich viele Verständnisprobleme bezüglich der aus dieser Phase resultierenden Aufgabenstellung vermeiden. Die letztlich erfolgende Problemdefinition bedarf auch der Abstimmung mit der Geschäftsführung. Das gilt in allen Phasen immer dann, wenn diese Instanz sich das Recht vorbehält, spätere Entscheidungen zu legitimieren. Die Aufgabenstellung für die Agentur ergibt sich als Ergebnisprotokoll aus einem „Briefing-Gespräch“ zwischen Agentur und Auftraggeber. An diesem Gespräch nehmen alle mit dem Problem konfrontierten Mitarbeiter auf Auftraggeberseite teil. Nur wer an der Erarbeitung der Aufgabenstellung beteiligt ist, kann die späteren Alternativen beurteilen. Die Leistung der Agentur ist in erheblichem Maße von der Formulierung der Aufgabenstellung abhängig, außerdem vom richtigen (i.S. des Auftraggebers) Verständnis der Aufgaben und Problembeschreibung. Diesbezügliche Mißverständnisse können gleichermaßen auf Agentur- wie auf Kundenseite verursacht werden. Seitens der Agentur nehmen auch Mitarbeiter der Kreation an diesem Gespräch teil. In diesem Stadium der Aufgabenformulierung sollte gleichzeitig Einigkeit über die Methoden der späteren Bewertung von Alternativen gefunden werden. So lassen sich „testkonforme“ Alternativenproduktionen im Vorfeld vermeiden. Bei der späteren Präsentation der kreativen Umsetzungen müssen auf jeden Fall alle entscheidungsbefugten Personen anwesend sein, einschließlich der
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spätere Entscheidungen legitimierenden Instanzen. Die Diskussion und Bewertung der Alternativen finden zusammen mit der Agentur statt. Die Agentur muß ausreichend Einfluß auf jegliche Produktion von kreativen Umsetzungen haben, wenn sie für die Resultate verantwortlich sein soll. Das bezieht sich auf die Erstellung von Druckvorlagen ebenso wie auf die Auswahl von Produktionsgesellschaften für TV, Funk usw., oder auf die Auswahl von Werbefotografen, Illustratoren oder Graphikern. Ebenso müssen Andruck- und Filmabnahmen grundsätzlich in Zusammenarbeit mit der Agentur erfolgen. Diese muß am besten beurteilen können, ob die Resultate den kreativen Umsetzungen bzw. deren Entwürfen gerecht werden. Alle Maßnahmen zur Bewertung von Alternativen wie auch der Testresultate erfolgen im Team. Das bezieht sich auf Werbemittel-Pretest wie auch auf nachträgliche Beurteilungen nach Durchführung von Werbemaßnahmen. Letztlich werden in der Praxis Entscheidungen i.d.R. durch die Geschäftsführung legitimiert. Von daher wäre die Teilnahme der Geschäftsführung an allen Phasen derartiger Problemlösungs-Prozesse wünschenswert. Die Geschäftsführung ist in ihrer Eigenschaft als Koordinator aller unternehmerischen Maßnahmen, als Zuweiser finanzieller Mittel (Etats) und als Vertreter der Gesamtstrategie die in diesen Bereichen kompetente Instanz. Da die Geschäftsführung möglicherweise nicht an allen Besprechungen teilnehmen kann, bedarf es jedoch in jeder Phase des Problemlösungs-Prozesses der Abstimmung. Ablehnungen durch die Geschäftsführung bedürfen dann operationaler Begründungen. Das von Irle (1971) dargestellte Prinzip der „Task-Force“ beinhaltet darüber hinaus spezielle Regelungen für die Entscheidungsfindung der „Task-Force“ in den einzelnen Phasen sowie die Einsetzung von Schiedsinstanzen, welche im Falle der Nicht-Einigung angehört werden. Die von einer „Task Force“ gewählte Alternative bedarf dann auch keiner weiteren Autorisierung durch irgendeine „hierarchisch höhere“ Instanz. Begründete Vetos durch betroffene Instanzen innerhalb der Organisation sind möglich. Auch derartige Vetos können durch Schiedsinstanzen geregelt werden, sie bedürfen außerdem grundsätzlich nachvollziehbarer, operationaler Begründungen. b) Die Realisation routinemäßig anfallender kreativer Leistungen (Verkaufsförderung für regelmäßig anfallende Verkaufsaktivitäten) bedarf der Verabschiedung von Rahmenbedingungen. Die Erstellung derartiger Rahmenbedingungen verläuft analog, wie oben bei der Realisation nicht routinemäßig zu erstellender Werbemaßnahmen gezeigt. Möglicherweise erfährt das Team eine andere Zusammensetzung, beispielsweise werden bei der grundsätzlichen Festlegung von Rahmenbedingungen Mitarbeiter der Verkaufsdirektion und der Verkaufsförderungsabteilung beteiligt sein. Die Realisation der Einzelmaßnahmen erfolgt
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in ähnlicher Form, jedoch unter Einbezug einer kleineren Zahl von Mitarbeitern auf Agentur- und Kundenseite. Ergebnisse bzw. verabschiedete Maßnahmen werden den betroffenen Instanzen mitgeteilt. Operational formulierte Vetos sind möglich, formales Beurteilungskriterium ist dann zunächst die gemeinsam verabschiedete Rahmenbedingung, z.B. eine Copy-Strategy oder eine Kommunikations-Leitstrategie. Als Schiedsinstanz könnte die Geschäftsführung fungieren. Ein wesentliches Merkmal dieser Art von Teamentscheidung ist, daß nicht eine Gruppe formal legitimierter häufig jedoch sachlich inkompetenter, Entscheidungsträger zusammen entscheidet, sondern eine Gruppe sachlich kompetenter Experten, unabhängig von der hierarchischen Position und Macht. Diese Art der Zusammenarbeit setzt ein erhebliches Maß an Vertrauen und die Aufgabe hierarchisch begründeter Entscheidungen voraus.
7.6.6 Kommunikationsmanagement als Funktion im Marketing Es scheint daher vorteilhaft, den Gedanken der Gruppe als zentrale Entscheidungsinstanz, oder den der „Task Force“ zu realisieren. Die Werbeagentur als Kommunikations-Expertin wäre Mitglied dieser Gruppe. Die Führungsinstanzen der Organisation beschränken sich auf die Schaffung organisatorischer Vorkehrungen zur optimalen Teamarbeit und auf die Koordination aller Entscheidungsprozesse als eigentliche Management-Aufgabe. Noch ein weiterführender Gedanke sei ins Feld geführt, der der Kommunikationsexperten als Mitglieder der MarketingOrganisation. Kotler und Bliemel (1999, S. 1159) stellen anstelle der Instanz „Produkt-Management“ das „Produkt-Team“ vor. Ein Produktbereich wird nicht von einer Einpersonen-Instanz betreut, sondern von einem Team, das aus verschiedenen Experten besteht. Die Größe des Teams richtet sich nach der Bedeutung eines Produktes. Wenn Kotler und Bliemel die Möglichkeit vorsehen, daß eine Instanz Produkt-Management einem größeren Team vorsteht, dem u.a. Marktforschung, Kommunikationsexperte und Verkaufsleitern angehören, dann erscheint das ein für deutsche Märkte unangemessen hoher Aufwand zu sein. Ganz anders ist das zu beurteilen, wenn sich das Management darauf besinnt, europäische Märkte mit aufeinander abgestimmten Maßnahmen zu bearbeiten. Der Gedanke von Kommunikationsexperten als Mitglied der Marketing-Abteilung oder von „ProduktTeams“ erscheint naheliegend und realistisch. Diese Funktion dürfte von wenigstens gleich großer Bedeutung sein, wie Funktions-Manager für Verkaufsförderung, Marktforschung oder Public Relations, deren Existenz auch in der Praxis kaum umstritten ist. Die auf diese Art eingeführte Kompetenz in den Marketing-Abteilungen würde vermutlich auch die Zusammenarbeit mit Werbeagenturen erleichtern. Das Produkt-Management könnte sich auf sein Spezialgebiet, nämlich die Entwicklung
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langfristiger Marketing-Strategien konzentrieren. Die Führung von Werbeagenturen, die Veranlassung und Analyse der Werbewirkungsforschung wäre auf sachkompetente Funktionsträger verlagert. Eine derartige Funktionsinstanz erscheint keineswegs nur für Unternehmungen mit überdurchschnittlich großen Werbeetats sinnvoll. Angesichts der Tatsache, daß eine einzige einseitige Vierfarbanzeige um 50.000,-- Euro kosten kann, eine TVWerbefilm in einer Länge von 30 Sekunden im ZDF über 30.000,-- Euro und in allen ARD-Sendern zusammen über 35.000,-- Euro, bei Produktionskosten zwischen 100.000,-- Euro und 300.000,-- Euro, erscheint es durchaus sinnvoll, das Management dieses Bereichs von Spezialisten durchführen zu lassen. Noch unter einem weiteren Gesichtspunkt erscheint die Einführung eines speziellen Kommunikations-Managements sinnvoll. Auf der einen Seite haben sich, wie ausgeführt, die Werbeagenturen zu „Full Service“-Agenturen entwickelt. Gleichzeitig gab es aber auch eine Tendenz zu Spezialagenturen. Kleinere Dienstleistungsunternehmungen auf dem Kommunikationssektor haben sich ihre Marktnischen gesucht und sich auf Teilbereiche spezialisiert. So gibt es Verkaufsförderungs-Agenturen, „Public Relations“-Agenturen, „Product Publicity“-Agenturen. Angesichts der Notwendigkeit integrierter Marktkommunikation ist diese Spezialisierung auf Teilbereiche nicht unbedingt vorteilhaft. Die Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Spezialagenturen erschwert die Koordination und damit das Management der Marktkommunikation erheblich, der Vorteil der Spezialagenturen ist nicht ohne weiteres einzusehen. Dennoch haben sich viele MarketingOrganisationen zur Kooperation entschlossen; sie beschäftigen für bestimmte Aufgabengebiete diverse Spezialagenturen. Auch die daraus resultierende Koordinationsaufgabe ist ein Bereich, der von einem speziellen KommunikationsManagement sinnvollerweise übernommen werden könnte und so das ProduktManagement von erheblichen Zusatzaufgaben entlasten würde. Speziell für das Kommunikationsmanagement ergeben sich insbesondere folgende Entscheidungstatbestände: • Die Situationsanalyse betrifft die Untersuchung aller wichtigen Faktoren, die für die Kommunikationsarbeit in der konkreten Situation für das Management Relevanz besitzen. Dazu gehören Konsumenten- und Marktanalysen, Daten über die Situation im Handel, Produktanalysen, Beobachtung der ökonomischen und sozialen Umfeldbedingungen und -entwicklungen, etc. sowohl hinsichtlich des eigenen Unternehmens als auch des Wettbewerbs. • Die Festlegung der Kommunikationsziele resultieren aus den Ergebnissen der Situationsanalyse und den Marketingzielen. Ziele haben für die Marktkommunikation zwei wesentliche Dimensionen, die man als quantitativ und qualitativ beschreiben kann. Quantitative Ziele beziehen sich z.B. auf die Frage, wie viele Personen in welchem Zeitraum angesprochen werden sollen, und welcher Art diese Personen sein sollen. Die qualitative Dimension der Marktkommuni-
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kation bezieht sich auf die Frage, welche Botschaftsinhalte gelernt werden sollen bzw. welcher Art die sich verändernden Einstellungen, Wünsche und Motive bei den erreichten Personen sein sollen. • Die Definition der Zielgruppe bzw. der Zielgruppen ist ein weiterer wichtiger Entscheidungstatbestand. Wer soll angesprochen werden, welche Zielgruppentypen sollen angesprochen werden. Gibt es Prioritäten in der Reihenfolge der Ansprache. Angesichts der heutigen komplexen kommunikativen Situation von Unternehmen ist es immer mehr erforderlich bei der Zielgruppenentwicklung psychographische Merkmale heranzuziehen. Zielgruppenentscheidungen beeinflussen wesentlich die weiteren Entscheidungsfelder wie z.B. die kommunikative Positionierung, Programm und Gestaltung der Werbemittel. • Eng mit Kommunikationszielen und den Zielgruppen verbunden ist die Entscheidung über die kommunikativen Positionierung des Werbeobjekts. Die gewählte Positionierung muß sowohl für die Zielgruppe attraktiv sein, als auch sich von konkurrierenden Angeboten differenzieren (Kroeber-Riel & Esch, 200, S. 47). Aus der Positionierung ist dann die entsprechende Kernbotschaft abzuleiten. • Programmentscheidungen beziehen sich auf die Frage mit welchen Instrumenten des Kommunikations-Mixes, in welcher Ausprägung (qualitativ und quantitativ) und in welcher Kombination die einzelnen Instrumente eingesetzt werden sollen. Bei der Integration und Koordination verschiedener Kommunikationsinstrumente geht es um die Problematik der Wirkung mehrerer Instrumentalvariablen; Wirkungsinterdependenzen sind bei diesen Entscheidungen zu berücksichtigen (vgl. Bruhn, 2003, S. 84 ff.). Für die Werbung ist z.B. die Frage zu beantworten, welche Werbeträgergattungen (Funk, TV, Zeitschriften, Zeitungen, etc.) für bestimmte Ziele und Maßnahmen vorzuziehen sind und wie die einzelnen Werbeträger zu belegen sind. Damit sind die Problemkreise des Intermedia-Vergleichs und der Mediaplanung angesprochen. Wir können alle klassischen Zielbeziehungen in die Betrachtung einfließen lassen. Es gibt komplementäre, konkurrierende, indifferente Beziehungen. Ferner können Kommunikationsinstrumente zueinander in einer substitutionalen Beziehung oder einer konditionalen Beziehung stehen. Eine Konkurrenzbeziehung ist zwischen einer anspruchsvollen Positionierung durch Werbung einerseits und einer auf Niedrigpreise abzielenden Verkaufsförderung andererseits zu erwarten. Komplementaritätsbeziehungen liegen vor, wenn durch aufeinander abgestimmten Einsatz aller Kommunikationsinstrumente ein Wirkungszuwachs erzielt wird. Indifferente Beziehungen sind dann gegeben, wenn vollkommen verschiedene Zielgruppen, zwischen denen auch keinerlei Beziehungen zu erwarten sind, mit verschiedenen Instrumenten angesprochen werden. Indifferenz liegt auch dann vor, wenn kommunikativ eine Mehrmarkenstrategie unterstützt wird, und wenn zwischen diesen Marken aus Sicht der Zielgruppen keinerlei
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Beziehungen erkennbar sind. Konditionale Beziehungen setzten einen Instrumentalbereich voraus, damit ein anderer wirksam werden kann. So setzt das Sponsoring, bei dem häufig lediglich der Markenname des Sponsors auftaucht Markenwissen voraus, also eine Werbung, welche dafür sorgt, daß den Zielgruppen bekannt ist, welche konkreten Angebote sich hinter den Markennamen verbergen. • Aus den erforderlichen Maßnahmen zur Zielerreichung leitet sich das erforderliche Budget ab. Hierfür liegen eine Reihe von Budgetierungsmodellen vor (vgl. z.B. Schmalen, 1992, S. 47 ff.). Ein Problem der Praxis ist die Tatsache, daß dort eine zielorientierte Budgetierung noch eher unüblich ist und oft das Budget als Rahmendatum für die Kommunikationsplanung vorgegeben ist. • Aus Situationsanalyse, formulierten Zielen und festgelegtem Budget läßt sich die Aufgabenstellung für die Agentur ableiten. Wobei für das Kommunikationsmanagement die Frage, mit welcher/n Agentur/en man zusammenarbeiten will und kann ein weiterer wichtiger Entscheidungstatbestand ist. Gerade das Thema Agenturkooperation ist facettenreich. Soll man mit einer Full-ServiceAgentur kooperieren oder ist es sinnvoller, mit mehreren Agenturen und Spezialagenturen z.B. für Verkaufsförderung oder Public Relations zusammenzuarbeiten. Sicherlich erschwert eine Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Spezialagenturen die Koordination und damit das Management der Marktkommunikation erheblich. • Die Agentur ist dann im wesentlichen diejenige Instanz, die mit der Produktion von Gestaltungs-Alternativen (in Form von Entwürfen) beauftragt wird. Die Werbeagentur kann bei der Alternativenproduktion mehr oder weniger intuitiv vorgehen, sie kann aber auch auf ein Arsenal vorhandener theoretischer Erkenntnisse über die Wirkung von Kommunikationsmaßnahmen unterschiedlicher Art zurückgreifen und diese Erkenntnisse systematisch in ihre Vorschläge einfließen lassen. Zudem ist oder kann die Agentur auch an der Programmplanung beteiligt sein. Insbesondere die Mediaplanung ist eine Agenturdomäne. Denn die Gestaltung ist nicht losgelöst vom Einsatz der Werbeträger zu sehen. Daraus wird auch ersichtlich, daß in der konzeptionellen Planung ein simultan verlaufender, vernetzter Prozeß abläuft. • Bei der Evaluation der vorgeschlagenen Gestaltungsalternativen kann einerseits auf Instrumente der Werbewirkungsforschung zurückgegriffen werden oder, was in der Praxis häufig vorzufinden ist, subjektiv und intuitiv entschieden werden. Diese Diskussion über den tatsächlichen Nutzen der Werbewirkungsforschung wird immer noch heftig und partiell unsachlich geführt. • Aus der intuitiven oder systematischen Bewertung der vorliegenden Alternativen resultiert dann die Auswahlentscheidung, die je nach Unternehmen, Stellenwert der Kampagne über mehrere Entscheidungsinstanzen bis hin zur Geschäftsführung laufen kann. D.h. in vielen Fällen ist nicht allein das Kommuni-
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kationsmanagement entscheidungsbefugt, sondern weitere Instanzen des Unternehmens sind involviert. Damit verbunden sind Gefahren, daß verstärkt Subjektivismen (gefallen bzw. nicht gefallen) in den Entscheidungsprozeß inkorporiert werden. • Die Realisation der ausgewählten Alternativen betrifft die Drucklegung oder die Produktion der Kommunikationsmittel für die einzelnen Träger. Es ist offensichtlich, daß in diesem Bereich noch erhebliche Fehlerpotentiale drohen, welche die Wirkung der geplanten Werbemaßnahmen stören können. Zu denken ist dabei z.B. an die Auswahl der Personen für Fotos oder Spots, Selektion der Produktionsfirma oder die Wahl der Musik. • Die anschließende Kontrolle realisierter Werbemaßnahmen ist besonders problematisch, da das tatsächliche Einkaufsverhalten oder anderweitige Handlungen aus dem gesamten Marketing-Mix resultieren, bestimmte Wirkungseffekte auch über die Betrachtungszeit hinaus auftreten und zum anderen auch durch Aktivitäten der Mitbewerber am Markt beeinflußt werden. Es bedarf daher besonderer Methoden, die Resultate ermöglichen, die wenigstens teilweise von sonstigen Störgrößen bereinigt, einen Einblick in die tatsächlichen Kommunikationswirkungen erlauben. Dann ist daraus einerseits der Zielerreichungsgrad feststellbar, andererseits sind daraus auch Konsequenzen für zukünftige Maßnahmen deduzierbar.
8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation Dieses Kapitel behandelt den Bereich der Kommunikationspsychologie. Neben Marketingwissen allgemeiner Art und den eher werbetechnischen Kenntnissen ist dieses Gebiet eine der Grundlagen erfolgreicher Marktkommunikation.
8.1 Die „klassischen“ Untersuchungen Ausgangspunkt vieler Aussagen zur Wirkung beeinflussender Kommunikation sind die „YALE STUDIES IN ATTITUDE AND COMMUNICATION“ (Hovland, Mandell et al., 1957; Janis, Hovland, Field et al., 1959; Hovland, Janis & Kelley 1953; Sherif & Hovland, 1961, Sherif, Sherif & Nebergall, 1965). Ausgangspunkt dieses Forschungsansatzes war das Kommunikationsmodell von Shannon & Weaver (1948), welches aus vier Elementen besteht: Sender einer Botschaft, Gestaltungselemente der Botschaft, Übermittlungskanal und Empfänger.
Kommunikator/ Sender
Botschaft
Kanal
Empfänger
Abbildung 8-1: Kommunikationsmodell nach Shannon & Weaver (1948) Sender sind die Unternehmungen aus Sicht der Empfänger, ebenso wie Marken, wenn diese aus Konsumentensicht als Unternehmungen angesehen werden. Wichtige Sendereigenschaften sind: Glaubwürdigkeit, Kompetenz, Attraktivität und die seitens der Empfänger vermuteten Absichten der Beeinflussung der Sender. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß Glaubwürdigkeit durchaus ein Faktor ist, der die Kommunikationswirkung begünstigt, andererseits in der Praxis jedoch häufig überschätzt wird. Fehlende Glaubwürdigkeit steht vermutlich der angestrebten Kommunikationswirkung entgegen. Vorhandene Glaubwürdigkeit ist keineswegs eine ausreichende Bedingung für Kommunikationserfolg. In empirischen Untersuchungen konnte gezeigt werden, daß die Bedeutung der Glaubwürdigkeit steigt, wenn die Informationsverarbeitungskapazität der Empfänger gering ist bzw. wenn die Motivation der Empfänger für eine intensive Informationsverarbeitung nicht ausreicht (Heesacker, Petty & Cacioppo, 1983). Diese Bedingungen dürften insbesondere auf den Bereich der „Low Involvement“-Produkte zutreffen.
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8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
Glaubwürdigkeit ist außerdem von überdurchschnittlicher Bedeutung, wenn die Botschaftsempfänger der Botschaft gegenüber zunächst negativ eingestellt sind (Harmon & Corney, 1982). Demnach dürfte Glaubwürdigkeit dann von Bedeutung sein, wenn Verbraucher zu einem Markenwechsel motiviert werden sollen. Kompetenz ist in ihrer Wirkung ebenfalls nur unter Berücksichtigung der Empfänger zu beurteilen. Aus deren Sicht ist hohe Kompetenz nicht unbedingt positiv zu beurteilen. Sind die Sender hinsichtlich ihrer Kompetenz den Empfängern gegenüber stark überlegen, so fühlen sich letztere der Botschaft gegenüber ausgeliefert und manipulierbar. Das Herausstellen eigener, sehr hoher Kompetenz erscheint daher lediglich gegenüber Experten empfehlenswert. Leicht höhere Kompetenz der Sender im Vergleich zum Empfänger scheint beispielsweise im Verkaufsgespräch von Vorteil. Ähnlich ist der Aspekt der Attraktivität zu beurteilen. Sender von Botschaften werden um so attraktiver beurteilt, je ähnlicher sie von den Urteilenden (den Botschaftsempfängern) beurteilt werden. Festinger (1954) konnte in seiner Theorie sozialer Vergleichsprozesse bereits zeigen, daß Menschen solche Personen als attraktiv empfinden, die als nicht zu sehr abweichend von der eigenen Person empfunden werden. Das gilt beispielsweise hinsichtlich Kompetenz, physiologischer Attraktivität, Einkommen oder Leistungsvermögen. Absendereigenschaften sind insgesamt um so wichtiger, je geringer das produktbezogene „Involvement“ ausgeprägt ist. Je höher das „Involvement“ ausgeprägt ist, je stärker nimmt die Bedeutung von Sendereigenschaften ab und die Bedeutung der Gestaltung der Botschaft selber zu. Aus den Untersuchungen über die Wirkungen von Sender- bzw. Kommunikatoreigenschaften lassen sich auch Erkenntnisse über den Einsatz von Personen in der Werbung ableiten, obgleich dieses eher zum Bereich der Gestaltung der Werbung zählt. So können beliebte Stars im „Low Involvement“-Bereich jederzeit eingesetzt werden, wenn sie aus Sicht der Zielgruppe als sympathisch eingestuft werden. Im „High Involvement“-Bereich sollten Stars aus dem Sport- und Unterhaltungsbereich eine gewisse Kompetenz, bzw. wenigstens einen Bezug zum Produkt erkennen lassen. Ein anderer, ebenso wichtiger Aspekt ist die Frage der Attraktivität eingesetzter Personen. Auch hier ist der Aspekt der Ähnlichkeit gegenüber der Zielgruppe nicht außer acht zu lassen. In den meisten Bereichen der MarketingKommunikation sollten Personen eingesetzt werden, die einen Bezug zu der Zielgruppe erkennen lassen. Lediglich dann, wenn Schönheit selber zum Produkt wird (Kosmetik) scheint physiologische Attraktivität ein wichtiger Erfolgsfaktor werblicher Gestaltung zu sein. Aus dem Gesagten läßt sich ableiten, daß ein bekannter Tennisspieler durchaus für Sportartikel als Leitfigur gelten mag, zumal er für den Tennissport als kompetent angesehen wird. Das gilt auch, wenn bei derartigen Produkten infolge höheren „Involvements“ den Argumenten stärkeres Gewicht zukommen mag, als Sympathie, Glaubwürdigkeit oder andere Absendervariablen. Die Kompetenz, die man
8.1 Die „klassischen“ Untersuchungen
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dieser Person zuschreibt, kann durchaus für ihren Einsatz sprechen. Ganz anders sähe es aus, wenn der gleiche Tennisspieler in der Werbung für Videogeräte eingesetzt wird oder ein Fußballtrainer für Wintergärten wirbt. Die Kompetenz dürfte jeweils fragwürdig sein, der Sympathiewert von nicht ausreichender Bedeutung. Andererseits birgt der Einsatz von Personen, die mit der Zielgruppe als völlig identisch wahrgenommen werden, gewisse Gefahren. Es ist möglich, daß diese infolge zu großer Ähnlichkeit mit den Empfängern keine Einstellungsänderungen bewirken. Die Empfänger gehen von vornherein gar nicht davon aus, daß ihnen etwas neues gesagt werden könnte. Und da sie derartiges nicht erwarten, nehmen sie neue Argumente zur Einstellungsänderung möglicherweise gar nicht wahr. Wenn es allerdings das Ziel einer Werbung sein sollte, bestehende Einstellungen zu verfestigen, dann kann der Einsatz von mit der Zielgruppe identischen Personen besonders geeignet sein. Hinsichtlich der Gestaltung von Botschaften wurde die Frage zweiseitiger Argumentation (damit ist der Einbau von Gegenargumenten, die dem eigenen Standpunkt des Senders widersprechen, gemeint), die Anordnung der Argumente, die Gestaltung expliziter oder impliziter Schlußfolgerungen sowie der Einsatz von Humor oder furchterregenden Inhalten im Rahmen der „Yale Studies“ untersucht. Die Frage, ob man zweiseitig argumentieren soll oder nicht ist davon abhängig, welche Vorabeinstellungen bei den Empfängern bestehen. Cohen (1964, S. 2-6) zeigt, daß nur bei Personen mit ursprünglich bereits positiver Einstellung die ausschließlich positive Aspekte herausstellende Argumentation (also einseitige Argumentation) eindeutig überlegen ist. Das trifft dann zu, wenn Verbraucher in ihrem Verhalten bestätigt werden oder zu noch intensiverem Konsum eines bereits verwendeten Produktes angeregt werden sollen. Vertreten die Personen jedoch andere Standpunkte als in der Botschaft enthalten, dann ist nach den Resultaten empirischer Kommunikationsforschung die gelegentliche Erwähnung auch von Gegenargumenten oder Nachteilen des eigenen Standpunktes (die sogenannte zweiseitige Argumentation) einer ausschließlich positive Aspekte herausstellenden Argumentation gegenüber überlegen. Zweiseitige Argumentation ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn die Empfänger aufgrund intellektueller Fähigkeiten, medienspezifischer Faktoren oder Motivation zu relativ intensiver Informationsverarbeitung bereit und dazu in der Lage sind. Möglicherweise ist davon in der Werbung selten auszugehen. Anders sieht das in der Öffentlichkeitsarbeit oder im Rahmen von Vorträgen aus. Hier wird möglicherweise der Vorteil zweiseitiger Argumentation noch zu wenig genutzt. Was die Reihenfolge der Argumente betrifft, so sind die Resultate empirischer Forschung ambivalent. Offensichtlich sind zwei Effekte gleichermaßen wirksam: ein „Primacy“-Effekt (wonach die zuerst genannten Argumente am wirksamsten sind) und „Recency“-Effekt (wonach die zuletzt genannten Argumente den stärks-
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8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
ten Einfluß ausüben). Man kann wohl davon ausgehen, daß die zuerst genannten Argumente die Wahrnehmung der folgenden Argumente oder Aussagen in starkem Maße beeinflussen und dadurch eine starke Bedeutung haben. Für den „Recency“Effekt spricht die Möglichkeit, daß die zuletzt genannten Argumente besser behalten werden. Wahrscheinlich muß beiden Effekten gleichermaßen Rechnung getragen werden. Das würde bedeuten, daß in einer TV- oder Funkwerbung darauf geachtet werden muß, daß bereits der Einstieg in den Werbespot zu hoher Aufmerksamkeit, Beachtung und Sympathie führt, was dann die Wirksamkeit des gesamten Werbespots erhöhen kann. Am Schluß wären die wesentlichen Argumente oder Eindrücke zu vermitteln. Ähnliches gilt für Vorträge. Die laienhafte Annahme, wonach der erste Eindruck immer der beste sei, ist jedenfalls durch sozialpsychologische Forschung als alleine nicht ausreichend erkannt. Unumstritten ist lediglich, daß das Wecken von Informationsbedürfnissen oder Problembewußtsein zu Beginn einer Botschaft die Verarbeitungsintensität steigern kann. Soll man Schlußfolgerungen als Kommunikator selber ziehen und in die Botschaft einbauen oder soll man es den Empfängern überlassen, ihre Schlußfolgerungen zu ziehen? Die Kommunikationsforschung spricht eindeutig dafür die Schlußfolgerungen in die Botschaft einzubeziehen. Hovland & Mandell (1952) konnten zeigen, daß der Kommunikationserfolg durch explizite Schlußfolgerungen im Gegensatz zu impliziten Schlußfolgerungen mehr als verdoppelt werden konnte. Explizite Schlußfolgerungen beinhalten möglicherweise die Gefahr, durch erkennbare Freiheitseinengungen Reaktanzeffekte auszulösen. Reaktanz setzt jedoch die Wahrnehmung einer Einengung eines vorhandenen und vom Empfänger vermuteten Freiheitsspielraumes voraus (Brehm, 1966; Brehm & Brehm, 1981; Bussmann & Unger, 1986, S. 68-76). Dieser Gefahr kann aber durch entsprechende Gestaltung expliziter Schlußfolgerungen Rechnung getragen werden. Besonders problematisch ist der Einsatz furchterregender Botschaften bzw. Humor in der Marketing-Kommunikation, da deren Wirkung nicht eindeutig vorhersehbar ist und auf jeden Fall einer Überprüfung im Pretest bedarf. Nach dem heutigen Stand der Forschung dürfte jedoch die furchterregende Botschaft wesentlich kritischer als Humor zu beurteilen sein. Janis und Feshbach (1953) fanden eine eindeutige Überlegenheit schwach furchterregender gegenüber mittel oder gar stark furchterregender Botschaften. Janis (1967) ging von einem umgekehrt U-förmigen Wirkungsverlauf aus. Danach steigt die Kommunikationswirkung zunächst mit der Zunahme der Furchterregung als Folge zunehmender Aufmerksamkeit, um ab einem (vermutlich relativ frühen) Wirkungsmaximum wieder zu sinken. Nach dem später von Leventhal (1970) vorgelegten „Drive“-Modell werden bei den mit furchterregenden Botschaften konfrontierten Personen gleichermaßen zwei Motive angesprochen: ein Motiv bedrohliche Botschaften zu vermeiden und ein Motiv sich vor Gefahr zu schützen. Welches die Bedingungen dafür sind, daß sich die Personen der Botschaft zuwenden, um Gefahr abzuwenden, ist Gegenstand des von Rogers (1975) vorgelegten
8.1 Die „klassischen“ Untersuchungen
491
„Protection“-Motivations-Modells. Danach sind drei kritische Variablen für die Wirkung von Bedeutung: das Ausmaß möglicher Schädigung, die von Empfängern vermutete Wahrscheinlichkeit persönlich betroffen zu sein, wenn keine entsprechenden Verhaltensweisen unternommen werden und die vermutete Wirksamkeit möglicher Gegenmaßnahmen. Es muß also das Ausmaß möglicher Schädigungen außer Frage stehen, die persönliche Betroffenheit darf nicht zu leugnen sein und es müssen Möglichkeiten geboten werden, sich vor der Gefahr zu schützen. Auch der Einsatz von Humor ist in seinen Wirkungen nicht eindeutig prognostizierbar. Humor erhöht zwar die Aufmerksamkeit und wohl auch die Sympathie gegenüber Sendern. Humor kann außerdem eine gewisse Ablenkung erzeugen, mit der Folge, daß die Beeinflussung durch die Botschaft weniger kritisch wahrgenommen wird, was wiederum die Beeinflussung erhöhen kann. Dem stehen aber auch Nachteile gegenüber. Die erzeugte Ablenkung kann im negativen Fall das Verständnis gefährden bzw. den Inhalt der Botschaft überlagern. Ferner ist die Wirksamkeit des Humors in extremem Maße davon abhängig, inwieweit die gewählte Humorart den Empfängern entspricht. Es gibt international nur eine Art von Humor, die generell akzeptiert wird: Schadenfreude. Es gibt derzeit keinen Grund zu der Annahme, daß die durch Humor induzierte Beeinflussung größer ist als die ohne Humor. Diesen Vor- und Nachteilen von Humor (Sternthal & Craig, 1973) kann man entgegenhalten, daß alle kreativen Elemente in der Werbung, die Aufmerksamkeit erzeugen sollen auch zu große Ablenkung auslösen können. Es kommt eben immer darauf an, kreative Elemente in den Dienst der Botschaft zu stellen. Das gilt für Humor ebenso wie für alle anderen Aufmerksamkeit auslösenden Elemente. Die gleiche Diskussion fand beispielsweise hinsichtlich erotischer Werbeelemente in den 60er Jahren statt. Auch die Berücksichtigung möglicher Empfänger-Eigenschaften ist nicht nur für die Verwendung von Humor in der Kommunikation notwendig, auch die Wirkung erotischer Darstellung hängt sehr von der Einstellung der Empfänger der Botschaft zur Erotik ab. Das scheint selbstverständlich, ist aber in der Kommunikationspraxis zu wenig beachtet. Gravierender ist vielmehr die von Haley, Richardson & Baldwin (1984) nach Auswertung einer Vielzahl experimenteller Untersuchungen gefundene negative Korrelation zwischen Humor und Beeinflussung. „Humor generally correlates negatively with persuasion. Needless to say, humor itself is a Complex topic an the range of humor available in this sample was limited. However, these data suggest that use of humor involves substantial risks“ (ebenda, S. 16). Zhang (1996) zeigt, daß humorvolle Werbung wirksam ist, wenn das Bedürfnis, sich mit der Botschaft gedanklich zu beschäftigen, gering ist. Ist dieses Bedürfnis stärker ausgeprägt, dann ist nach den Experimentaldaten von Zhang humorvolle Werbung weniger effektiv.
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8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
Der Botschaftskanal selber ist das Thema der Mediaplanung, also der zu wählenden Werbeträger bzw. Werbeträgergattungen. Diesbezüglich sind Untersuchungen von Festinger und Maccoby (1964) von Interesse. Es wurde gezeigt, daß eine gewisse Ablenkung während einer kommunikativen Beeinflussung (in Experimenten wurde eine verbale Beeinflussung mit einem nicht passenden Film kombiniert; verglichen wurde die Kommunikationswirkung mit der Wirkung einer Beeinflussung verbaler Art mit passendem Film) die Wirkung der Beeinflussung erhöhen kann. In anderen Untersuchungen zeigten Haaland und Venkatesan (1968) jedoch, daß das Ausmaß der Ablenkung diesen Effekt wieder ausgleichen kann. Bei sehr starker Ablenkung erfolgt eine deutlich schwächere Beeinflussung als ohne Ablenkung. Die relativ schwache Ablenkung in der Untersuchung von Festinger und Maccoby führte offensichtlich dazu, daß die Versuchspersonen zwar die Botschaft verstanden, jedoch nicht dazu in der Lage waren, sich kritisch mit ihr auseinanderzusetzen. Diese Effekte lassen sich direkt auf einen Werbeträger wie TV anwenden, dem während der Werbeausstrahlung selten ungeteilte Aufmerksamkeit zukommt. Der letzte Faktorenkomplex betrifft die Empfänger und deren Eigenschaften. Zuerst sei einem alten Vorurteil entgegengetreten, das sich auch in neuerer Literatur noch findet. Weibliche Personen sind keineswegs leichter zu beeinflussen als männliche Personen. Eagly (1978) untersuchte 62 zu diesem Thema vorliegende Studien; Eagly und Carli (1981) sogar 149 Studien. Die Resultate berechtigen nicht zu der Annahme geschlechtsspezifisch unterschiedlicher Beeinflußbarkeit. Man kann aus diesen Studien lediglich ableiten, daß das Interesse und die Beeinflußbarkeit negativ korrelieren. Wer sich für einen Sachverhalt nicht interessiert scheint danach leichter beeinflußbar. Dieser Aspekt ist später teilweise bestätigt worden. „Low Involvement“ spricht für eine leichtere Beeinflußbarkeit. Allerdings ist leichte Beeinflußbarkeit nicht ohne weiteres ein Vorteil. Wer leicht beeinflußbar ist, ist auch empfänglich für spätere Gegenargumentation. Andererseits kann geringes Interesse auch dazu führen, daß sich die Personen der Botschaft gar nicht erst zuwenden und so nicht beeinflußbar sind bzw. kann starkes Interesse den Effekt nach sich ziehen, daß Personen sich der Botschaft zuwenden und so bei nachvollziehbaren Argumenten gerade aufgrund ihres starken Interesses beeinflußt werden können. Intelligenz betrifft die Beeinflußbarkeit in zweierlei Hinsicht. Mit zunehmender Intelligenz nimmt zunächst das Verständnis der Botschaft zu, was die Beeinflußbarkeit erhöht. Gleichzeitig nimmt aber auch die Kritikfähigkeit zu, was die Beeinflußbarkeit wiederum reduziert. Die tatsächlich eintretende Beeinflußbarkeit ist der Nettoeffekt beider gegenläufiger Größen. Aufgrund der Wirkungen beider Effekte nimmt man an, daß mittlere Intelligenz die höchste Beeinflußbarkeit erwarten läßt. Die möglicherweise bedeutendste Theorie, die aus den „YALE STUDIES“ hervorging, ist die „Social Judgement“-Theorie von Sherif und Hovland (1961):
8.1 Die „klassischen“ Untersuchungen
493
Die Grundaussage ist, daß der Standpunkt beeinflussender Botschaften aus Sicht der Empfänger wahrgenommen wird, und zwar dergestalt, daß Botschaften, welche Einstellungen vermitteln, die sehr weit vom Standpunkt des Empfängers entfernt liegen, von den Empfängern als noch abweichender von den eigenen Einstellungen empfunden werden als dieses tatsächlich der Fall ist. Dieser Effekt wird als Kontrast-Effekt bezeichnet. Ein SPD-Anhänger wird eine CDU-orientierte Botschaft als noch weiter vom eigenen Standpunkt entfernt beurteilen, als sie es wirklich ist. Umgekehrt ist es bei Botschaften, deren Inhalte sehr nahe bei den Einstellungen der Empfänger liegen. Diese werden als noch ähnlicher wahrgenommen als es tatsächlich der Fall ist. Dieser Effekt wird als Assimilations-Effekt bezeichnet. Anhänger einer Partei interpretieren Aussagen aus dieser Partei häufiger als eigene Meinung, als es tatsächlich gerechtfertigt ist („Das habe ich auch schon gesagt“). In der folgenden Abbildung 8-2 ist dieser Zusammenhang dargestellt. Der obere Bereich „R“ steht für die Realität. Wir bezeichnen den Standpunkt des Empfängers als „P“ (Person) und verschiedene diese Person erreichende Botschaften als a, b, c,... Der Bereich „W“ steht für die wahrgenommene Realität durch die betroffene Person. Der Einfachheit halber unterstellen wir, daß die Person selber sich richtig einordnet. Die Botschaften a, b, c werden als ähnlicher wahrgenommen als es tatsächlich der Fall ist, die Botschaften d, e, f werden einigermaßen korrekt wahrgenommen, während die Botschaften g, h, i als entfernter wahrgenommen werden, als es tatsächlich der Fall ist.
a
b
P
c
d e
f
d′ e′
f′
g
h
i
R (Realität)
W (Wahrnehmung) a′ b′ P c′
Assimilations-/ Akzeptanzbereich
Neutraler Bereich
g′
h′
i′
Kontrast-/ Ablehnungsbereich
Abbildung 8-2: Assimilations- und Kontrast-Effekt
Welche Konsequenzen ergeben sich nun auf mögliche Einstellungsänderungen. Botschaften aus dem Kontrastbereich können leicht einen Bumerangeffekt hervor-
494
8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
rufen, d.h. die Einstellungen der Empfänger werden sich infolge des großen wahrgenommenen Unterschiedes noch weiter vom Standpunkt der Beeinflussung entfernen. Botschaften aus dem Assimilationsbereich können eine Beeinflussung im Sinne der Botschaft erzielen. Die Botschaft wird zwar als ähnlicher wahrgenommen als sie es wirklich ist, gleichzeitig verschiebt sich die Einstellung der Empfänger etwas in Richtung dieser Botschaft. Diese Effekte sind durch die Pfeile in Abbildung 8-2 gekennzeichnet. Wenn allerdings die beeinflussende Botschaft der eigenen Einstellung so ähnlich ist, daß die Empfänger den Unterschied nicht mehr wahrnehmen, kommt es auch im Assimilationsbereich zu keiner erkennbaren Einstellungsänderung. Botschaften aus dem neutralen Bereich (d, e, f) werden vermutlich keine Wirkungen auslösen. Diese Aussagen sind auf jeden Fall für den Bereich des Social Marketing oder für das Marketing für politische Programme von hoher Relevanz. Es ergibt sich nämlich die Konsequenz, daß Einstellungsänderungen nur in vielen kleinen Schritten möglich sind. Botschaften, die weit entfernt von den Einstellungen der Zielgruppen liegen, werden vermutlich ihr Ziel verfehlen. Interessant ist die Frage, wie groß der jeweilige Assimilations- oder Kontrastbereich ist. Die Antwort der Theorie sozialer Einstellungen (Social Judgement Theory) lautet: „Je größer das „Involvement“, je kleiner ist der Assimilationsbereich und je größer der Kontrastbereich“. Scheinbar sind hoch involvierte Personen, also Personen, die sich von der Botschaft in starkem Maße betroffen fühlen oder sich stark für das Thema der Botschaft interessieren, anderen Meinungen gegenüber intoleranter als weniger involvierte Personen.1 Die Einführung des „Involvement“Konstruktes ist für das Marketing von außerordentlicher Bedeutung. Sie wurde kurz darauf von Krugman (1965) aufgegriffen, indem ein „Low Involvement“Lernen postuliert wurde und ferner die Unterscheidung zwischen „Low Involvement“- und „High Involvement“-Produkten getroffen wurde. Heute besteht im Marketing überwiegend Einigkeit dahingehend, daß insbesondere gegenüber Werbebotschaften seitens der Verbraucher ein relativ geringes Interesse aufgebracht wird, was dazu führt, daß in überwiegendem Maße von „Low Involvement“Lernen ausgegangen wird. Das gilt in starkem Maße selbst dann, wenn die Produkte selbst als relativ wichtig angesehen werden und eher der „High Involvement“Kategorie zuzuzählen sind.
1
Unter „Involvement ist die innere Beteiligung bzw. das Engagement zu verstehen, mit dem sich ein Individuum einem Objekt zuwendet“ (Bruhn, 1997, S. 327). Das entspricht wohl der im Marketing heute gängigen Auffassung über das InvolvementKonzept. Wir möchten das aber nicht auf Konsumenten beschränkt sehen, sondern es auf alle Marktteilnehmer anwenden, sowohl in Produktivgütermärkten als auch in Nonprofit-Märkten.
8.2 Hierarchiemodelle der Kommunikationswirkung
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8.2 Hierarchiemodelle der Kommunikationswirkung Das den „YALE STUDIES“ zugrunde liegende Modell der Kommunikationswirkung (Sender, Botschaft, Kanal und Empfänger, Abbildung 8-1) ist zu mechanistisch, um daraus Rückschlüsse auf tatsächlich eintretende Beeinflussungserfolge zu ziehen. Das war auch nicht das Ziel. Das Modell zeigt nur, welche Elemente in einer Kommunikationssituation relevant sind, um anschließend innerhalb dieser Elemente einzelne Faktoren zu isolieren und unterschiedlich Ausprägungen auf ihre Kommunikationswirkung hin zu untersuchen. Die gleichen Mängel weisen eine Reihe weiterer sogenannter Hierarchiemodelle auf, die in der Kommunikationspsychologie entwickelt wurden., allerdings mit dem Unterschied, daß in der Marketing-Praxis (und auch –Lehre) immer (noch) versucht wird, diese Hierarchiemodelle zur Erklärung von Kommunikationswirkungen heranzuziehen. Das älteste ist das sogenannte Reklame-Modell (dargestellt beispielsweise bei Hoffmann, 1981, S. 41-51). Menschen sind danach relativ problemlos beeinflußbar, wenn es gelingt, ihre Aufmerksamkeit zu wecken. Im Mittelpunkt steht also die zu erzielende Aufmerksamkeit. Aus diesem Modell entstand das wohl bekannteste Wirkungsmodell, das AIDA-Modell. Es wird folgender Prozeß angenommen: A I D A
= Attention (Aufmerksamkeit), = Interest (Interesse), = Desire (Wunsch, Bedürfnis), = Action (Handlung).
Auch wenn ohne Zweifel angenommen werden kann, daß Kommunikation, die keine Aufmerksamkeit erzielt, wirkungslos bleiben muß, so bleibt dieses Modell unzureichend, um Kommunikationswirkung wirklich zu erklären. Sowohl die Reduktion des Ausgangspunktes auf reine Wahrnehmung als auch der starre Wirkungsablauf der AIDA-Regel ist inzwischen als überholt anzusehen. Insbesondere die Reihenfolge (Aufmerksamkeit, Interesse, Wunsch, Handlung) ist relativ willkürlich. Bestehende Wünsche können beispielsweise Interesse auslösen, dieses kann zur Aufmerksamkeit gegenüber entsprechenden Botschaften führen, woraus letztendlich Handlungen resultieren können. Auch jede andere Reihenfolge, die sich aus diesen vier Elementen bilden läßt, erscheint plausibel. Auch einige spätere Hierarchiemodelle lassen sich auf das aus dem Jahr 1898 (Hoffmann, 1981, S. 43) stammende AIDA-Modell zurückführen. Nach dem Modell von Lavide und Steiner (1961) kommt es zunächst zur bewußten Wahrnehmung, es folgt die Bildung von Markenbekanntheit und/oder Produktwissen. Dieses wiederum ist Voraussetzung zur nächsten Stufe, der Bildung von Einstellungen, Präferenzen oder emotionalen Sympathien. Es folgen Kaufabsicht und Kaufhandlung.
496
8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
Auf McGuire (1976) geht das folgende achtstufige Modell zurück: 1. „Exposure to Information“; es geht darum, welchen Botschaften sich Personen überhaupt aussetzen. Hier ist die Frage angesprochen, ob es überhaupt zu einer Kontaktchance mit der Botschaft kommt. 2. Wahrnehmung, Aufmerksamkeit; hier geht es darum, ob aus der Kontaktchance mit der Botschaft aufgrund ausreichender Aufmerksamkeit überhaupt ein echter Kontakt mit der Botschaft erzielt wird. 3. Verständnis der Botschaft, 4. Übereinstimmung mit der Botschaft, Akzeptanz der Botschaft, 5. Speicherung der Botschaft im Gedächtnis, 6. Abrufen der entscheidungsrelevanten Informationen vor einer Entscheidung, 7. Entscheidung, 8. Handlung. Jeweils eine vorangegangene Stufe ist nach diesem Modell Voraussetzung dafür, daß der Prozeß fortgesetzt wird, dieser kann auf jeder Stufe abgebrochen werden. Der praktische Wert derartiger Hierarchiemodelle liegt darin, daß checklistenartig die wichtigsten Aspekte der Kommunikationswirkung beachtet werden. Tatsächliche Informationsverarbeitungsprozesse verlaufen keineswegs in dermaßen abgestufter Form. Es können Stufen übersprungen werden, und es sind Rückkopplungen möglich. Ohne jeden Zweifel ist eine möglichst intensive Wahrnehmung als Einstieg in die Kommunikationswirkung zu verstehen. Wir unterscheiden zwischen aktiver und passiver Informationssuche. Im Rahmen der Konsumgüter-Werbung ist vermutlich in starkem Maße von passiver Informationsaufnahme auszugehen, die eher zufällig und nicht gezielt erfolgt (Mühlbacher, 1982, S. 37 ff.). Demgegenüber kann nicht grundsätzlich gesagt werden, daß Verständnis oder Zustimmung unabdingbare Voraussetzungen für spätere Beeinflussungen darstellen (ebenda, S. 171-173). Zu beachten ist ferner, daß Verständnis und Gedächtnisleistungen nicht notwendigerweise eine verbale Verarbeitung voraussetzen. Demgegenüber spielt vermutlich hinsichtlich der Werbewirkung die visuelle Verarbeitungs- und Gedächtnisleistung eine bedeutende Rolle. Die bisherige Kommunikationsforschung läßt zwei komplexe Ansätze erkennen: einen stärker kognitiv orientierten sozialpsychologischen Ansatz und einen motivations-emotionspsychologischen Ansatz, die sich beide nicht gegenseitig ausschließen, sondern ergänzen. Beide betrachten das komplexe Problem der Kommunika-
8.2 Hierarchiemodelle der Kommunikationswirkung
497
tion unter jeweils einer spezifischen Perspektive. Am Beginn des Prozesses jeglicher Kommunikationswirkung steht jedoch die Wahrnehmung. Ohne Wahrnehmung gibt es keine beeinflussende Wirkung durch Kommunikation.
8.3 Wahrnehmung Man kann Wahrnehmung unter physiologischen, kognitiven und emotionalen Gesichtspunkten betrachten. Physiologisch gesehen ist Wahrnehmung eine Sinnesreizung mit Informationsweitergabe an das Gehirn und betrifft: das visuelle, auditive und das haptische Wahrnehmen, sowie den Geruchs-, Geschmacks- und den Orientierungssinn (das Gleichgewicht). Das Zentralnervensystem spielt dabei die wesentliche Rolle. Dieses wird durch Gehirn und Rückenmark gebildet und ist mit den äußeren Sinnesorganen, den Sensoren, durch Nervenstränge verbunden. Die Grundelemente des Nervensystems sind die Neuronen. Neuronen bestehen aus einem Zellkern sowie Verästelungen. Diese Verästelungen gibt es in zwei Formen, den Axonen, die für die Weitergabe von Reizen zuständig sind und den Dendriten, die für den Empfang von Reizen zuständig sind. Die Axonen weisen an den Enden Verdickungen auf, sogenannten synaptische Knötchen. Reize gelangen von einem Neuron zum nächsten, indem die Axone des vorangegangenen Neurons die Reize über die Dendriten des folgenden an eben dieses folgende Neuron weitergeben. Zwischen den synaptischen Knötchen des vorangehenden Neurons und den Dendriten des folgenden befindet sich ein kleiner Spalt, der synaptische Spalt oder einfach die Synapse. Da Informationen immer durch Reizung der Neuronen weitergeleitet werden, muß diese Reizung jeweils stark genug sein, um die Synapse zu überspringen. So gelangen Informationen von den äußeren Sinnesorganen über Neuronenketten in das Zentralnervensystem (Lefrancois, 1994, S. 71-73). Die folgende Abbildung 8-3 zeigt die Struktur eines Neurons in vereinfachter Form. In Wirklichkeit bestehen zwischen den Neuronen erhebliche Größen- und Strukturunterschiede. Die menschlichen Nervenstränge werden aus Milliarden derartiger mikroskopisch kleiner Neuronen gebildet, die über die Dendriten verknüpft sind. Die Soma bildet den Zellkern, Neuriten und Dendriten bilden die Verästelungen. Auf den Menschen wirken permanent weit mehr Reize ein, als er verkraften kann. Die meisten sind nicht stark genug, um die Neuronen intensiv genug zu reizen, um überhaupt eine Informationsweitergabe zu ermöglichen, so daß viele Reize oder Informationen schon aus physiologischen Gründen nicht in das Zentralnervensystem gelangen. Lediglich die Reize, die nicht nur die Neuronen der äußeren Sinnesorgane stimulieren, sondern außerdem dazu führen, daß die Reaktion der Neuronen intensiv genug ist, um den synaptischen Spalt zu überspringen, können im Gehirn ankommen und dort verarbeitet werden. Die Informationsweitergabe ist als schwacher elektro-chemischer Impuls meßbar. Informationen, die das Gehirn erreichen, können zu automatisch ablaufenden Reflexen oder zu mehr oder weniger intensiver Informationsverarbeitung, d.h. Lernen, Speichern oder Denken führen.
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8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
Abbildung 8-3: Neuron (Roche, 2003). Um Neuronen zur Informationsaufnahme und -weitergabe zu stimulieren, ist also eine bestimmte Erregung erforderlich. Aus diesem Grunde müssen Außenreize, wie auch die Werbung, die in irgendeiner Form wirken sollen, ein bestimmtes Mindestmaß an Erregung hervorrufen; sie müssen aktivieren. Diese Aktivierung ist nicht nur notwendig, um die Informationsweitergabe zum Gehirn zu gewährleisten, sie beeinflußt auch die Intensität der Informationsverarbeitung im Gehirn selbst. Das Gehirn wird permanent vom Rückgrat aus über ein vernetztes Neuronengewebe, die Formatio reticularis, mit Energie versorgt. Dieses aus Kernen und Fasern bestehende Neuronengewebe liegt im Hirnstamm oberhalb der Medulla. Die Fasern der Formatio reticularis führen zu allen höheren Zentren im Gehirn, durch sie erfüllt die Formatio reticularis die Funktion eines Erregungssystems, dessen Reizung vom Schlaf- in den Wachzustand führt bzw. im Wachzustand zu mehr Aufmerksamkeit. Dieses System wird auch als das retikuläre Aktivierungssystem bezeichnet (Zimbardo, 1995, S. 135 ff.). Der Energiestrom fließt permanent, er ist
8.3 Wahrnehmung
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am schwächsten im Tiefschlaf, steigert sich im Wachzustand und ist am stärksten im Zustand der Panik. Die Energieversorgung des Gehirns wird auch durch äußere Reize stimuliert. Man unterscheidet das momentan bestehende Aktivierungsniveau, die tonische Aktivierung und die durch spezifische Reize ausgelöste kurzfristige, sogenannte phasische Aktivierung. Eine Person mag eine Zeitschrift betrachten. Sie weist dabei ein tonisches Aktivierungsniveau auf, das kurzfristig durch bestimmte Bilder, Worte, Sätze erhöht wird, die phasische Aktivierung. „Die Stärke der Aktivierung ist ein Maß dafür, wie wach, reaktionsbereit und leistungsfähig der Organismus ist“ (Kroeber-Riel & Weinberg, 2003, S. 60).
Abbildung 8-4: Menschliches Aktivierungssystem (Zimbardo, 1995, S. 137) (Cerebellum = Kleinhin; Pons = Brücke [regelt Schlafen, Träumen und Aufwachen], Thalamus = Schaltzentrale, Corpus callosum = Balken [regelt die Verbindung zwischen beiden Hirnhälften], Cortex = Hirnrinde [äußere Schicht des Großhirns], Hypothalamus = Verbindung von Körper und Hirnregionen [steuert Emotionen, Erregung, Hunger etc.], Hypophyse = Hirnanhangdrüse [steuert hormonelle Prozesse]; vgl. Zimbardo & Gerrig, 1999, S. 73 ff.) Unterschiedliche Botschaften empfangen wir mit verschieden starker Aufmerksamkeit. „Aufmerksamkeit ist eine vorübergehende Erhöhung der Aktivierung, die
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8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
zur Sensibilisierung des Individuums gegenüber bestimmten Reizen führt“ (Kroeber-Riel & Weinberg, 2003, S. 61). Sie ist um so höher, je besser das Gehirn mit Energie versorgt wird. Gleichzeitig steigen damit die Verarbeitungsfähgkeit und die Gedächtnisleistung. Je intensiver ein Reiz verarbeitet wird, je besser wird er gelernt. Der die Aufmerksamkeit hervorrufende Energiestrom, die Aktivierung, wird auch durch die Reize selber stimuliert (Berlyne, 1960 und 1970). Die Aktivierung ist damit ein Indikator für die Aufmerksamkeit, die ein bestimmter Reiz auf sich zieht. Aktivierung wird ausgelöst durch das Interesse, das bestimmte Reize wecken, sowie durch die ausgelösten affektiven Reaktionen. Man kann also sagen, durch mehr gedanklich kognitive Prozesse und durch mehr gefühlsmäßige, emotionale Vorgänge. Faktoren, die die Aktivierung bzw. Aufmerksamkeit beeinflussen sind u.a. Erotik, Zuneigung, soziale Akzeptanz oder Ablehnung, Neuartigkeit, Überraschung, Farbigkeit, Bewegung (Kroeber-Riel & Meyer-Hentschel, 1982, S. 67). Aktivierung kann demnach gezielt durch geeignete Gestaltung der Werbemittel ausgelöst werden. Andererseits besteht die Gefahr, daß ein Reiz, der die Aufmerksamkeit in starkem Maße weckt, gleichzeitig die Aufmerksamkeit zu stark von der Gesamtbotschaft auf sich ziehen kann. Diese Gefahr ist immer dann gegeben, wenn diejenigen Elemente einer Botschaft (insbesondere einer Werbebotschaft), die zur Gewinnung von Aufmerksamkeit eingesetzt werden, keinen engen Bezug zu der eigentlichen Botschaft aufweisen. Kreative, aufmerksamkeitsstarke Elemente müssen in direktem Bezug zur zentralen Werbebotschaft stehen. Es ist also wichtig, daß die aktivierenden Elemente innerhalb der Werbung einen besonders engen Bezug zur eigentlichen Botschaft aufweisen. Kreative, aufmerksamkeitsstarke Elemente müssen in direktem Bezug zur zentralen Werbebotschaft stehen. Es ist also wichtig, daß die aktivierenden Elemente innerhalb der Werbung einen besonders engen Bezug zur eigentlichen Botschaft aufweisen, möglichst weitgehend in diese integriert sind. Es läßt sich zeigen, daß Werbung mit Erotik, die nicht zum Produkt paßt, zwar kurzfristig hohe Aufmerksamkeitswerte erzielt, andererseits jedoch ebenso schnell wieder vergessen wird. Die Frage, wann ein kreatives Element eine Art von Aufmerksamkeit weckt, die zur zentralen Botschaft (insbesondere auch zum Markennamen selbst) hinführt oder von diesem ablenkt, ist letztlich am besten in einem Test zu beantworten. Zu widersprüchlich sind die praktischen Erfahrungen auf diesem Gebiet, um sich ausschließlich auf Spekulationen zu verlassen. Der Mensch kann nicht sehr viele Reize gleichzeitig verarbeiten. Daher setzen sich dann die Reize durch, die das stärkste Aktivierungspotential aufweisen, wenn wir sehr vielen Reizen ausgesetzt sind, wie das bei Werbesendungen, in Zeitschriften, Verbrauchermärkten oder in Großstädten der Fall ist. Die Wahrnehmung wird allerdings nicht nur mittels der durch Reizstärke (Größe, Farbigkeit, Lautstärke,
8.3 Wahrnehmung
501
Emotionalität) hervorgerufene Aktivierung beeinflußt. Vorhandene Bedürfnisse, Einstellungen und Motive beeinflussen ebenfalls das, was wahrgenommen wird. Auf manche Reize reagiert der Mensch mehr oder weniger intuitiv. Dieser Mechanismus ist teilweise biologisch ererbt, aber auch durch Sozialisation erlernt. Diesbezüglich wird von einer Orientierungsreaktion gesprochen, ausgelöst durch sogenannte Schlüsselreize. Denkmechanismen oder bestimmte Assoziationen können zwar erlernt sein, aber dennoch bei Vorliegen bestimmter Reize scheinbar automatisch ablaufen: „Auch erlerntes Verhalten kann automatisch ablaufen, wenn es zu festen Gewohnheiten erstarrt. Solche Verhaltensgewohnheiten können von der Werbung zur Steuerung des Verhaltens ausgenutzt werden“ (Kroeber-Riel & Meyer-Hentschel, 1982, S. 39). Man kann den Prozeß der Wahrnehmung durch aktivierende Reize beeinflussen. Der Blick des Menschen wendet sich bevorzugt angenehmen aktivierenden Reizen zu. Das kann man bei der Gestaltung visueller Kommunikationsmittel nutzen. Schließlich kann die Wahrnehmung bestimmter Reize durch Wiederholung erleichtert werden. Menschen lernen Wahrnehmung auch physiologisch erklärbar (Hebb, 1972). Trifft die gleiche Information mehrmals auf dieselben Neuronen und führt mehrmals zur Informationsweitergabe, dann tritt eine Veränderung in den betroffenen Synapsen ein, die die Übertragung der gleichen Information in der Zukunft erleichtert. Man bezeichnet diesen Vorgang als Bahnung. Biologische Veränderungen tragen so zum Lernen von Botschaften bei. Im Gehirn bilden sich damit im Zusammenhang Gruppen von Neuronen, sog. Zellgruppierungen, die jeweils gelernt haben, ganz bestimmte Reize zu empfangen und zu identifizieren. Das Gehirn enthält Milliarden derartiger Zellgruppierungen, die alle mit jeweils einem ganz bestimmten Reiz assoziiert sind. Jeder unterschiedliche Sinnesreiz wird im Gehirn durch solche Zellgruppierungen dargestellt. Das gilt für Symbole, Produkte, Slogans auf Anzeigen, Personen aber auch für Worte oder Melodien. Um komplexe Objekte wahrzunehmen, sind Anhäufungen von Zellgruppierungen erforderlich, die als Phasensequenzen bezeichnet werden. Häufig genügt die Aktivierung eines Teiles einer Phasenfrequenz, um die Assoziation mit der vollständigen Phasensequenz zu bewirken. Die Buchstabenkette Komm..ika..on kann durchaus als ein sinnvolles Wort verstanden werden. Das geschieht um so schneller, je intensiver dieses Wort der betrachtenden Person vertraut ist. Außerdem genügen um so weniger Buchstaben, um die „Wahrnehmung“ eines vollständigen Wortes hervorzurufen, je vertrauter der Person dieses Wort ist. Das Beispiel läßt sich auf die unterschiedlichsten Reize übertragen, auch nicht-visueller Art. Wahrnehmung führt zu physiologischen Prozessen im Gehirn, deren Resultate vermutlich unveränderbar sind. Daher wird angenommen, daß es auch kein „echtes Vergessen“ gibt. Vielmehr werden lange Zeit nicht mehr stimulierte Phasensequenzen durch neue Phasensequenzen überlagert und sind irgendwann nicht mehr abrufbar, die Gedächtnisspur ist verlorengegangen, kann aber durch erneute Lernprozesse sehr schnell wieder „freigelegt“ werden.
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8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
Phasensequenzen sind ein wichtiger Grund dafür, daß im Rahmen von Kommunikations-Strategien bestimmte Elemente unveränderbar über sehr lange Zeiträume eingesetzt werden sollten. Sie sind auch ein Grund dafür, Kommunikationsaussagen und -symbole über lange Zeit beizubehalten. Wir wollen jetzt eine formale Darstellung des bisher gesagten vornehmen. Wahrnehmung ist eine Form des Verhaltens. Wir können daher in Anlehnung an Hull (1952) schreiben: SER
= SHR x D x V x K
SER steht für das Reaktions- oder Erregungspotential einer Person, bezogen auf einen bestimmten Stimulus. SHR („Habit“) bezeichnet die Gewohnheitsstärke, also die Häufigkeit, mit der die Person in der Vergangenheit auf diesen Stimulus reagiert hat. SHR ist um so größer, je häufiger die Person in unserem Fall einen bestimmten Stimulus wahrgenommen hat, ist also eine gelernte Größe. Die S-RSymbolik weist darauf hin, daß sich E und H auf Stimulus-ResponseZusammenhänge beziehen. D („Drive“) beschreibt das Bedürfnis, den Antrieb einer Person, auf diesen Stimulus zu reagieren. Eine durstige Person wird aus einer Vielzahl unterschiedlicher Reize zuerst „ein Glas Bier“ identifizieren, wenn sich sonst kein Getränk unter diesen Reizen befindet. Befinden sich unter den Reizen mehrere Getränke, dann wird die betreffende Person zuerst dasjenige Getränk identifizieren, das ihr am besten vertraut ist. „Habit“ und „Drive“ ergänzen sich in ihrer Wirkung. Dabei kann „Habit“ „Drive“ auch überlagern: Ein besonders vertrauter Reiz kann trotz starkem „Drive“ bezüglich eines anderen Reizes zuerst wahrgenommen werden. Eine sehr durstige Person kann in einem StimulusKomplex durchaus zunächst die einzig vorhandene Bierflasche übersehen, weil diese eine ihr völlig ungewohnte Form aufweist und/oder eine ihr vollständig unbekannte Marke darstellt.
„Drive“ kann einem angeborenen Bedürfnis entsprechen, kann aber auch erlernt sein, z.B. dadurch, daß ein bestimmter Reiz in der Vergangenheit zu einer Bedürfnisbefriedigung beigetragen hat, als ein Verstärker gewirkt hat, ganz im Sinne der Lerntheorie des operanten Konditionierens von Skinner (erstmals 1938). Jetzt kann die Frage oder der Einwand auftauchen, daß sicherlich die Reizintensität gleichfalls die Wahrnehmung betrifft. Diesem Faktor wird durch die Einführung der Größe V Rechnung getragen. Diese intervenierende Variable betrifft das erwähnte Aktivierungspotential eines Reizes. Es ist denkbar, daß ein Stimulus bei geringer Gewohnheitsstärke dann eher auffällt, wenn er größer, bunter, lebendiger ist als die anderen Stimuli. So könnte auch eine neue Sorte Bier bei unserer durstigen Person gegenüber einer vertrauten, jedoch unscheinbar gestalteten Marke zunächst stärker wahrgenommen werden. V bedeutet „Vektorstärke“. Das resultiert aus der Annahme, daß sich das Verhalten einer Person aus einer Reihe von auf sie einwirkenden Kräfte erklären läßt. Die Richtung des Einflusses wird in entspre-
8.3 Wahrnehmung
503
chenden Abbildungen durch Pfeile gekennzeichnet, die in die entsprechende Richtung weisen. Die Länge der Pfeile drückt die Stärke des Einflusses dieser Kraft aus, die auf die Person einwirkt. Diese Pfeile werden als Vektoren bezeichnet. K steht für die Anreizmotivation eines Reizes. Der Buchstabe K wurde von Hull als Ehrung für seinen besten Schüler Kenneth Spence gewählt (Lefrancois, 1994, S. 55). Damit ist die Frage angesprochen, wie hoch die bewertete Bedürfnisbefriedigung durch die betroffene Person eingeschätzt wird. Eine sehr hungrige Person dürfte vermutlich stärker von einem fertig angerichteten saftigen Steak angesprochen werden, als von einer kleinen Portion Kaviar. Bei einer sehr gesättigten Person könnte es umgekehrt sein. Auch die vermutete Bedürfnisbefriedigung wird durch Vergangenheitserfahrungen der Person beeinflußt. Somit werden also Reize, die vorhandene Gefühle oder Bedürfnisse der Empfänger zu wenig berücksichtigen, nicht in ausreichendem Maße wahrgenommen. Grundsätzlich läßt sich sagen, daß unangenehme Reize gemieden, angenehme bevorzugt werden. Die im Hull'schen System angenommene multiplikative Wirkung führt dazu, daß bereits dann kein Verhalten eintritt, wenn auch nur einer der Faktoren den Wert Null annimmt. Das muß jedoch nicht immer der Fall sein. Spence (1960) formulierte daher: E = H x (D + K) In diesem Fall kann D oder K den Wert Null annehmen, ohne daß deswegen keine Reaktion eintritt. Das ist nur dann der Fall, wenn D und K oder H den Wert Null annehmen. In diesem System wäre eine erstmalige Reaktion ausgeschlossen. Neues Verhalten entsteht in diesem Fall durch Zusammensetzung bereits anderweitig gelernter Reaktionen. Für den uns hier interessierenden Fall der Wahrnehmung können wir andere Annahmen treffen. „Keine Wahrnehmung“ ist dann zu erwarten, wenn V ein bestimmtes Aktivierungspotential unterschreitet. Wenn wir das Hull'sche System auf Wahrnehmungen anwenden wollen, dann ist folgende Umformulierung sinnvoll: SER
= (V-V*) x (SHR + D + K) – SIR
V* benennt das Aktivierungspotential, das mindestens überschritten werden muß, um überhaupt eine Wahrnehmung zu ermöglichen. Nur wenn (V-V*) > 0 gilt, dann ist eine Wahrnehmung möglich (wobei als Randbedingung gilt, daß dieser Wert nicht negativ werden kann, die Annahme einer negativen Wahrnehmung ist unsinnig), die jedoch von drei weiteren Faktoren mit beeinflußt wird. Daraus läßt sich ableiten, daß die alleinige Messung eines Faktors, wie beispielsweise der Aktivierung über die tatsächliche Wahrnehmung, zu wenig aussagt. Auch hohe Stimulusintensität läßt geringe Wahrnehmung erwarten, wenn die anderen Faktoren gering ausgeprägt sind.
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8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
SIR
steht für eine Hemmung des Verhaltens (Inhibition), also eine Kraft, die SER entgegenwirkt. Das kann einfach ein Preis sein oder eine Verhaltensnorm, konkurrierende Motive oder Bedürfnisse oder dem hier auszulösenden Verhalten entgegenstehende Motive. Verhalten ist nur möglich, wenn folgende Bedingung gilt (neben V > V*): SIR
< (V-V*) x (SHR + D + K), d. h. es muß gelten, SER > 0.
Damit ist jedoch noch nichts über die relative Gewichtung der einzelnen, die Wahrnehmung beeinflussenden Faktoren ausgesagt, auch noch nichts über deren Einfluß auf längerfristige Folgen der Wahrnehmung. Eng verbunden mit der Wahrnehmung ist das Lernen von Botschaften. Lernen setzt Wahrnehmung unabdingbar voraus. Lernen bezieht sich auf den langfristigen Erwerb von Informationen, also deren Speicherung im Gedächtnis. „Die Güte der Informationsspeicherung, also das Gedächtnis, hängt von der Tiefe der Informationsverarbeitung ab. Eine Informationsverarbeitung ist um so intensiver, je mehr sie semantische, d.h. inhaltliche Aspekte aufweist“ (Irle, 1986, S. 124). Je oberflächlicher eine Informationsverarbeitung erfolgt, in um so stärkerem Maße ist deren Wiederholung erforderlich, wenn langfristig Verhaltensbeeinflussung erfolgen soll. Allerdings ist (nicht zuletzt infolge der überall auf den Konsumenten einströmenden Informationsvielfalt) die Wiederholung von Botschaften eine grundsätzliche Voraussetzung für die langfristige Wirkung der Marktkommunikation. Botschaften, die einmal gelernt, jedoch nicht mehr genutzt werden, werden von anderen Botschaften überlagert und somit schwerer abrufbar. Lernen kann durch mehrere ähnliche Botschaften, die sich auf unterschiedliche Objekte beziehen, behindert werden. Je ähnlicher sich die Botschaften sind, um so schwerer ist es für Personen, sie voneinander zu unterscheiden. Dieses als Interferenz bezeichnete Phänomen führt dazu, daß ähnliche Werbebotschaften konkurrierender Marken nicht als eigenständig wahrgenommen werden. Andererseits kann dieses Phänomen genutzt werden, wenn es darum geht, einzelne Produkte unter einer gemeinsamen Marke anzubieten. Konsumenten erleichtern sich die Identifizierung von Reizen außerdem durch die Bildung von Kategorien, unter die sie eine Reihe verschiedener Reize subsumieren. Herkunftsbezeichnungen, Preisklassen, Marken oder Urteile der Stiftung Warentest führen dazu, Produkte aus Verbrauchersicht in bestimmte Kategorien einzuordnen und danach zu beurteilen. Derartige Kategorien sind das Resultat von Lernprozessen infolge von Beeinflussungen durch Marktkommunikation und/oder Produktverwendung.
8.4 „Low Involvement“ versus „High Involvement“
505
8.4 „Low Involvement“ versus „High Involvement“ 8.4.1 Das „Involvement“-Konzept Die Art der Informationsverarbeitung hängt in starkem Maße vom Interesse bzw. genauer dem „Involvement“ ab, das seitens der Botschaftsempfänger den jeweiligen Informationen über Angebote und Organisationen bzw. gegenüber den Angeboten und Organisationen selbst aufgebracht wird. Dieses „Involvement“ wird in der Marketing-Praxis seitens des Managements vermutlich tendenziell überschätzt. „Involvement“ kann man mit Ich-Beteiligung übersetzen. Es wird in Anlehnung an Rosenberg (1956) oder Sherif, Sherif & Nebergall (1965) als Funktion empfundener Wert-Instrumentalität und Wert-Wichtigkeit gegenüber Objekten oder Ereignissen verstanden. Wert-Instrumentalität besagt in welchem Maße ein Objekt oder Ereignis für die Erreichung bzw. Realisation von Zielen und Werten als nützlich oder hinderlich angesehen wird. Die Wert-Wichtigkeit beschreibt die Bedeutung des jeweiligen Wertes, Wunsches oder Zieles für die betroffenen Personen. Im Bereich „High Involvement“-Produkte sind Konsumenten zur aktiven Suche nach Produkt- und/oder Markeninformationen motiviert, während die Informationsbeschaffung bei „Low Involvement“-Produkten stärker begrenzt ist (vgl. Robertson, Zielinski & Ward, 1984, S. 125). Sollen Personen im „High Involvement“-Bereich zu Verhaltensänderungen gebracht werden, so setzen sie sich mit den Botschaften aktiv und kritisch auseinander. Bei „Low Involvement“ nehmen sie solche Informationen eher passiv auf. Sie setzen sich selber damit nur wenig auseinander. Dabei erscheinen Beeinflussungen, insbesondere Einstellungsänderungen bei „High Involvement“ auf den ersten Blick nur schwer möglich, bei „Low Involvement“ hingegen relativ leicht. Dafür sind erreichte Einstellungs-änderungen im „Low Involvement“-Bereich auch nur recht instabil. Aus diesem Grunde scheint im „High Involvement“-Bereich der argumentative Inhalt, im „LowInvolvement“-Bereich dagegen die häufige Wiederholung der Botschaft wesentlich, sowie die möglichst dauerhafte (werbliche) Präsenz. Die Stabilität der Einstellungsstrukur erklärt auch das Produkt-Markenwahlverhalten. Marken-Loyalität ist bei „High Involvement“ infolge der relativ stabilen Einstellungen stärker ausgeprägt, bei „Low Involvement“ wählen Käufer eher routinemäßig immer wieder die gleichen Produkte. Das Verhalten ist jedoch nicht als loyal zu bezeichnen, es beruht lediglich auf Gewohnheiten. Bei geringem „Involvement“ ist es erforderlich, durch gestalterische Elemente der Kommunikation Aufmerksamkeit auszulösen, da diese aufgrund der Botschaft selber nicht zu erwarten ist. Gestalterische Elemente können somit wichtiger werden als die Botschaftsinhalte selber. Die Gestaltung der Kommunikation hat also in Abhängigkeit vom jeweiligen „Involvement“ zu erfolgen. Es kann aber nicht ohne
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8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
weiteres davon ausgegangen werden, daß bei „High Involvement“-Produkten gegenüber Werbeaussagen ausreichendes „Involvement“ existiert. Der vermutlich wichtigste Aspekt, der sich aus dem „Involvement“-Konzept ergibt, dürfte die Bestimmung von Zielgruppen unter Berücksichtigung des ProduktInvolvements der Abnehmer sein. Daraus wird deutlich, daß es nicht damit getan ist, Produkte grundsätzlich in „High Involvement“- und „Low Involvement“Kategorien einzuordnen, vielmehr ist eine differenzierte Betrachtung notwendig, wodurch unterschiedliches „Involvement“ verschiedenen Zielgruppen gegenüber einem Produkt gerecht wird.
8.4.2 Unterschiedliche „Involvement“-Dimensionen Als das „Involvement“-Konzept für das Marketing „entdeckt“ wurde, begann man damit Produkte in die beiden Kategorien „Low Interest“ bzw. „High Interest“ einzuordnen. Es zeigte sich sehr bald, daß diese Einordnung nicht ausreicht, es ist zumindest von einem Kontinuum mit mehr oder weniger stark ausgeprägtem „Involvement“ für einzelne Produkte auszugehen. Kapferer und Laurent (1985/86) sowie Laurent und Kapferer (1985) zeigen, daß eine eindimensionale Kategorisierung zu oberflächlich ist. Produkte sind in verschiedenen Eigenschaften mit unterschiedlich hohem „Involvement“ versehen. Daher zerlegen Kapferer und Laurent das „Involvement“-Konzept in fünf Komponenten: • Interesse, • Freude und Spaß, • wahrgenommenes Risiko (Bedeutung einer Fehlentscheidung für die jeweiligen Käufer), • Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines solchen Risikos, • Bedeutung des Produktnutzens und Bedeutung der Marke. Empirische Untersuchungen zeigen, daß zwar häufig Korrelationen zwischen den genannten „Involvement“-Komponenten auftreten, daß jedoch gleichermaßen genügend signifikante Differenzen zu finden sind, die eine differenzierte Behandlung der Produkte in der Marketing-Strategie nicht nur rechtfertigen, sondern sogar erforderlich machen. Es gilt also herauszufinden, gegenüber welchen Komponenten der jeweiligen Produkte die Käufer mehr oder weniger involviert sind, um daraus unter Berücksichtigung des „Involvement“-Konzeptes langfristig wirksame Kommunikationsstrategien zu konstruieren. Es zeigt sich, daß in den meisten Märkten verschiedene Marktsegmente existieren, deren Käufer sich durch unterschiedliche „Involvement“-Profile beschreiben lassen. Auf der anderen Seite finden sich auch Produktkategorien, die bei den meisten Käufern über alle fünf Komponenten entweder der „High Involvement“-Kategorie oder der „Low Involvement“-Kategorie zuzuschreiben sind. Zur extremen „High Involvement“-Kategorie zählen beispielsweise Waschmaschinen, Bekleidung, Hypotheken, Urlaubsreisen,
8.4 „Low Involvement“ versus „High Involvement“
507
Computer; zur extremen „Low Involvement“-Kategorie zählen viele Reinigungsmittel, Tafelwasser oder auch Mineralwasser. Andererseits mag sich durchaus eine Zielgruppe finden, die beispielsweise hinsichtlich des Natriumgehaltes von Mineralwasser stark involviert ist. Es gilt also nicht nur herauszufinden, wo die Produkte bei welchen Konsumsegmenten hinsichtlich des „Involvements“ insgesamt einzuordnen sind. Konsumenten sind danach zu segmentieren, welchen Komponenten einer Produkt-Kategorie sie mehr oder weniger starkes „Involvement“ entgegenbringen. Es mag sicher auch möglich sein, „Involvement“-Profile durch Kommunikation zu verändern. In der Marketing-Praxis wird von der „Schaffung von Problembewußtsein bei den Verwendern“ gesprochen. So mag es möglich sein, die Verwender eines Produktes, dem bisher totales „Low Involvement“ entgegengebracht wird, hinsichtlich einer oder mehrerer Dimensionen durch Kommunikation stärker zu involvieren. Es kann ferner versucht werden, „Involvement“ zu reduzieren, wenn das eigene Produkt in bestimmten Bereichen Schwächen aufweist.
8.4.3 „Involvement“ und die Wahrnehmungsintensität von Werbemitteln Es mag auf den ersten Blick plausibel erscheinen, daß die wahrgenommene oberflächliche Betrachtung von Werbemitteln, insbesondere die kurze Betrachtungszeit von Anzeigen, die Wirkung von Bildern und die oberflächliche Aufnahme von Anzeigentexten in erster Linie für „Low Involvement“ gilt. Entsprechende Hypothesen wurden von Jeck-Schlottmann (1988) überprüft. Dabei wurde experimentell Situations-„Involvement“ einerseits und Produkt-„Involvement“ andererseits variiert. Das „Involvement“ gegenüber einer Botschaft kann auch situationsspezifischen Schwankungen unterliegen. Personen sind zu unterschiedlichen Zeiten mehr oder weniger bereit, sich mit einer Botschaft auseinanderzusetzen. Diesem Tatbestand wurde durch die Variation des Situations-„Involvement“ Rechnung getragen. Die erste Hypothese lautet: „Je geringer das „Involvement“ ist, desto geringer ist die Chance eines Anzeigenkontaktes.“ Diese Hypothese wurde für beide „Involvement“-Kategorien nicht falsifiziert, kann also aufrechterhalten werden. Wir haben also bei höherem „Involvement“ eine höhere Chance eines Kontaktes mit der Werbebotschaft. Das wird daran liegen, daß Käufer bei hohem „Involvement“ Informationen aktiv suchen. Zwei weitere Hypothesen lauten: „Je geringer das „Involvement“ ist, desto häufiger wird der Anzeigenkontakt frühzeitig abgebrochen“ und: „Je geringer das „Involvement“ ist, desto kürzer werden Anzeigen betrachtet (desto weniger Informationen werden aufgenommen)“. Beide Hypothesen wurden lediglich für SituationsInvolvement nicht widerlegt, hinsichtlich des Produkt-„Involvements“ wurden beide falsifiziert. Zwischen hohem und geringem Produkt-„Involvement“ fand sich
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8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
kein signifikanter Unterschied. Für die Praxis bedeutet dies, daß wir wohl auch bei hohem Produkt-„Involvement“ davon ausgehen müssen, daß nur wenige Informationen aufgenommen werden. Im weiteren wurden folgende Hypothesen getestet: „Je geringer das „Involvement“ ist, desto stärker werden Bilder gegenüber Anzeigentexten bevorzugt“ und: „Je geringer das „Involvement“ ist, desto stärker werden emotionale Bilder im Vergleich zu Sachabbildungen bevorzugt“. Beide Hypothesen mußten sowohl für Situations-„Involvement“ als auch für Produkt-„Involvement“ abgelehnt werden. Sowohl bei starkem als auch schwachem „Involvement“ ist wohl von der Bevorzugung von Bildern gegenüber Texten bzw. emotionalen Bildern gegenüber sachlichen Abbildungen auszugehen. Die letzte getestete Hypothese lautete: „Je geringer das „Involvement“ ist, desto flüchtiger und stichprobenartiger wird die Anzeigencopy aufgenommen“. Diese Hypothese konnte wiederum lediglich für Situations-„Involvement“ aufrechterhalten werden, für Produkt-„Involvement“ wurde sie ebenfalls falsifiziert. Wir müssen also davon ausgehen, daß auch bei hohem Produkt-„Involvement“ die Anzeigencopy, also der Anzeigentext, nur flüchtig verarbeitet wird. Die Tatsache, daß eine Reihe von Hypothesen für Situations-„Involvement“ nicht abgelehnt wurden, jedoch hinsichtlich des Produkt-„Involvements“ scheiterten, läßt Rückschlüsse auf die Problematik vieler in der Praxis durchgeführter Werbemitteltests zu. Häufig sind sich die Probanden der Tatsache bewußt, daß Werbung getestet wird, unterliegen also höherem Situations-„Involvement“. Dies führt offensichtlich zu einer atypischen Informationsverarbeitung, häufig entsteht so für das MarketingManagement nach Werbemittel-Pretests die Illusion einer intensiveren Informationsverarbeitung von Werbemitteln. Tabelle 8-1 faßt die Resultate der Untersuchung zusammen: Hieraus zieht Jeck-Schlottmann einige wichtige Schlußfolgerungen für das Marketing: Bilder werden unabhängig von der Höhe des „Involvements“ stets bevorzugt; wenn man das „Involvement“ nicht genau kennt, sind Anzeigen mit viel Bild und wenig Text, die gestalterisch gut gefallen, angebracht (S. 41). Zwar kann man aus den oben genannten Falsifikationen nicht auf die Bestätigung einer Gegenhypothese schließen, aber dennoch scheint deutlich geworden, daß sich die Annahme, „Low Involvement“ sei die typische Situation für die Bevorzugung von Bildern, speziell emotionalen Bildern und für kurzen, oberflächlichen Werbekontakt nicht aufrechterhalten läßt. Hohes und niedriges „Involvement“ scheinen sich hinsichtlich der Verarbeitung werblicher Informationen nicht stark zu unterscheiden.
8.4 „Low Involvement“ versus „High Involvement“
509
Tabelle 8-1: Zusammenfassende Darstellung der Hypothesen Untersuchungsresultate bei Jeck-Schlottmann (1988) Situations-
ProduktInvolvement
Geringes „Involvement“ führt zu geringer Kontaktchance Geringes „Involvement“ führt zu frühem Kontaktabbruch Geringes „Involvement“ führt zu kurzem Anzeigenkontakt Geringes „Involvement“ führt zu Bevorzugung von Bildern Geringes „Involvement“ führt zu Bevorzugung emotionaler Bilder gegenüber Sachabbildungen Geringes „Involvement“ führt zu flüchtiger Aufnahme der Copy
nf
nf
nf
f
nf
f
f
f
f
f
nf
f
nf: nicht falsifiziert, d.h. vorläufig bestätigt f: falsifiziert, d.h. gescheitert
8.4.4 „Involvement“ und Beeinflußbarkeit Nach der Assimilations-Kontrast-Theorie (Sherif & Hovland, 1961) wird allgemein angenommen, daß bei geringem „Involvement“ Einstellungsänderungen leichter zu bewirken seien, als bei hohem „Involvement“. Zimbardo (1960) konnte jedoch für „Response Involvement“ („Involvement“ gegenüber dem eigenen Verhalten, z.B. dem Verzehr von Obst) steigende Einstellungsänderung bei steigendem „Involvement“ nachweisen. Bezogen auf „Issue Involvement“ („Involvement“ gegenüber einer Sache; z.B. einer zu wählenden Partei) finden später Petty und Cacioppo (1984b), daß bei zunehmendem „Involvement“ das Ausmaß der bewirkten Beeinflussung sinkt, wenn in der Botschaft schwache Argumente verwendet werden (die Empfänger entwickeln selber Gegenargumente); bei Verwendung starker Argumente steigt jedoch das Ausmaß der Beeinflussung (die Empfänger entwickeln selber zusätzliche unterstützende Argumente). Aufgrund bisheriger Forschung ist durchaus anzunehmen, daß bei hohem „Issue Involvement“ eine größere Einstellungsänderung infolge intensiverer Auseinandersetzung mit der Botschaft möglich ist. Ähnlich ist auch die Argumentation für die mögliche stärkere Beeinflussung bei hohem „Response Involvement“: „In summary, there is evidence to suggest that more intensive processing of message con-
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8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
tent occurs under high-response Involvement than low-response Involvement conditions“ (Burnkrant & Sawyer, 1981, S. 48). Dennoch sind die Resultate insgesamt recht widersprüchlich, so daß sichere Prognosen problematischer sind, als es vordergründig erscheint. Zimbardo (1960, S. 91) kommt zu dem Resultat: „since arousal of issue-Involvement is dependent upon a cluster of antecedent factors, which generally cannot be analyzed separately, it tends to be a rather unreliable (Hervorhebung durch den Verfasser) independent variable.“ Bisher zu wenig hervorgehoben (jedenfalls nicht in der Marketing-Forschung) ist die Tatsache, daß „Involvement“ oder Ich-Beteiligung nicht identisch ist mit dem Widerstand von Einstellungen gegen Änderungen, sie führt lediglich unter bestimmten Randbedingungen zu einer derartigen Resistenz (Irle, 1975, S. 293). Derartige Aussagen macht erst die Theorie kognitiver Dissonanz in ihrer reformulierten Version (Irle, 1975, S. 310-317), auf die in diesem Kapitel noch eingegangen wird. Burnkrant und Sawyer (1983, S. 50 ff.) entwickeln angesichts der Schwierigkeiten, die sich aus dem „Involvement“ -Konstrukt ergeben, eine Variable „Need for Information“ (Bedürfnis nach Information), um Vorhersagen über die Lernintensität der Empfänger machen zu können und damit auch über die Gedächtniswirkungen von Botschaften. „An individual with an aroused need for information about a type of product would be likely to process communications about that product more intensively than an individual whose need is not so aroused“ (ebenda, S. 51). Die persönliche Wichtigkeit bei dem einzelnen Individuum, die Bedeutung einer Botschaft zu verstehen, wird als „Need for Information“ verstanden. Zweifellos kann ein derartiges Bedürfnis durch die Botschaft selber hervorgerufen werden. Wenn ein Betrachter einer Werbebotschaft auf den ersten Blick oder beim ersten Hinhören bzw. Hinsehen persönliche Relevanz erkennt, mag ein Wunsch nach zusätzlichen Informationen wachgerufen werden. Persönliche Bedeutsamkeit der Botschaft wird dann auch als eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Werbung angesehen. Will man erreichen, daß die angesprochenen Personen sich mit der gesamten Botschaft beschäftigen, dann bedarf es eines Argumentationsaufbaus, der das Interesse während der erforderlichen Zeit auf dem dazu notwendigen Stand hält. Bei gewecktem Bedürfnis nach Information wird der Inhalt der Botschaft zu einer wichtigen Determinante der Intensität der Verarbeitung. Die Richtigkeit der Argumente, ihr logischer Aufbau, die Anzahl der Argumente und deren Reihenfolge werden wesentliche Faktoren.
8.4 „Low Involvement“ versus „High Involvement“
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„Issue Involvement“ Zielorientierung der Person
Gewecktes Informationsbedürfnis
X
Inhalt und Verständlichkeit der Botschaft
„Response Involvement“ Gedächtniswirkungen
Informationsverarbeitungsintensität
Abbildung 8-5: Informationsbedürfnis als intervenierende Variable Nach Burnkrant und Sawyer (1983, S. 57) bestimmen die beiden „Involvement“Dimensionen („Issue“ und „Response-Involvement“) in Verbindung mit der durch die betroffene Person wahrgenommene Aufgabe der Informationsverarbeitung das Bedürfnis nach Information. Das Bedürfnis nach Information interagiert mit dem Einfluß des Botschaftsinhalts und seiner Verständlichkeit. Diese beiden Faktoren führen gemeinsam zur Intensität der Informationsverarbeitung, die wiederum die Gedächtniswirkungen der Botschaft bestimmt. Nach wie vor ist davon auszugehen, daß die Lernleistung in direktem Zusammenhang mit der Verarbeitungsintensität steht. Diese Zusammenhänge werden in Abbildung 8-5 nach Burnkrant und Sawyer (1981, S. 57) dargestellt. So plausibel dieser Ansatz auch erscheint, er kann nichts über die möglichen Kommunikationswirkungen vorhersagen. Erinnerungsleistung mag eintreten, aber folgt daraus eine Änderung von Marken- oder sonstigen Angebotspräferenzen? Einstellungsänderungen können durch diesen Ansatz ebenso wenig vorhergesagt werden wie unter Einbezug des „Involvement“-Konstruktes. Nun muß berücksichtigt werden, daß durch Werbung hervorgerufenes Lernen in aller Regel zufälliges Lernen ist (Batra & Ray, 1983, S. 129). Dazu kommt der Effekt eines permanenten Überangebotes an Informationen. Einzelne werden täglich mit weit mehr Informationen konfrontiert, als sie verarbeiten können. Diskussionswürdig ist wohl lediglich die Tatsache, ob man dadurch in Streß gerät, und als Folge davon die eingehenden Informationen nur unvollständig wahrnimmt und verarbeitet, oder ob als eine Streß-Vermeidungsstrategie von vornherein nur einen Bruchteil der einströmenden Informationen verarbeitet, also selektiert wird. Demnach kommt es darauf an, darauf hinzuwirken, daß die eigene Werbung den Selektionsprozeß „übersteht“. In diesem Punkt spielt die Affekte hervorrufende Kommunikation, die sogenannte emotionale Werbung eine wichtige Rolle. Andererseits kann nicht
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8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
bestritten werden, daß auch solche Reize Aufmerksamkeit auslösen können, die auf eher kognitiver Ansprache aufgebaut sind. Bei „High Involvement“ bzw. gewecktem Informationsbedürfnis rufen Botschaften eine Reihe kognitiver Reaktionen hervor, verändern Einstellungen und beeinflussen Handlungen durch derartige Einstellungswirkungen. Bei „Low Involvement“ bleiben die Einstellungen zunächst unverändert (Batra & Ray, 1983, S. 137). Die Botschaft kann jedoch Aufmerksamkeit und durch die Wahrnehmung ausgelöste Affekte bewirken, die ihrerseits wiederum zu Handlungen führen. Erst nach eingetretenen Handlungen sind Einstellungsänderungen zu erwarten, ein Effekt, der als Dissonanzreduktion im Sinne von Festinger (1957) zu erklären ist. Diese Zusammenhänge werden in Abbildung 8-6 abgewandelt nach Batra und Ray (1985, S. 39) dargestellt. Ergänzend fügen wir das Konstrukt „Informationsbedürfnis“ nach Burnkrant und Sawyer (1983) ein. Wir erkennen also, daß zunächst einmal unabhängig vom „Involvement“ die Beeinflussung durch Argumente einerseits, Gefallen bzw. Akzeptanz der Darstellung andererseits und die Häufigkeit der Wahrnehmung erfolgt. Nur die Bedeutung dieser drei Aspekte ist je nach „Involvement“ unterschiedlich. Bei „High Involvement“ ist die Argumentation von etwas größerer Bedeutung, bei „Low Involvement“ sind es die beiden anderen Dimensionen. Andererseits darf die Bedeutung der Argumentation bei „High Involvement“ nicht dazu führen, Botschaften im Rahmen der Marketing-Kommunikation informativ zu überlasten. Es kommt immer auf die Reduktion von Botschaften auf das Wesentliche an. Auch argumentative Kommunikation muß zielgruppengerecht und damit häufig bildbetont und einfach gestaltet werden. Die Folge der ersten Stufe sind Informationsverarbeitung der Argumente, gefühlsmäßige Verarbeitung und Vertrautheit mit der Marke bzw. Organisation. Wiederum gelten diese drei Aspekte sowohl unter „High“- als auch unter „Low Involvement“-Bedingungen, sind jedoch wiederum von unterschiedlicher Bedeutung. Die Folge ist, daß im „High Involvement“-Bereich Einstellungen durch (wenn auch stark vereinfachte) Argumentationen bewirkt werden, während sie im „Low Involvement“-Bereich durch gefühlsmäßige Verarbeitung und Vertrautheit ausgelöst werden. Im „High Involvement“-Bereich folgt die Handlung schließlich aufgrund von Einstellungen, die durch Argumentation gebildet worden sind, während die Handlung im „Low Involvement“-Bereich durch Einstellungen infolge der Verarbeitung bildbetonter Aspekte ausgelöst wird. Schließlich ist der direkte Bezug zwischen Handlung und Vertrautheit im „Low Involvement“-Bereich stärker ausgeprägt als im „High Involvement“-Bereich. Im „Low Involvement“-Bereich werden schließlich argumentativ gestützte Einstellungen infolge von Dissonanzreduktion nach eingetretener Handlung ausgelöst.
8.4 „Low Involvement“ versus „High Involvement“
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„Stimulus Response Involvement“
Hoch
Durch die Werbung beeinflußbares Informationsbedürfnis
Motivation, Fähigkeit und Möglichkeit, sich mit der Werbung auseinanderzusetzen.
Niedrig
Werbe-Einfluß: Argumentation in der Botschaft Gefallen/ Akzeptanz der Darstellung Häufigkeit der Wahrnehmung
Informationsverarbeitung (unterstützende und ablehnende Argumente Gefühlsmäßige Verarbeitung Vertrautheit mit der Marke
Argumentation in der Botschaft
Informationsverarbeitung
Gefallen/ Akzeptanz der Darstellung
Gefühlsmäßige Verarbeitung (Gefühle der Erregung oder Entspannung, soziale Akzeptanz)
Häufigkeit der Wahrnehmung
Vertrautheit mit der Marke
Einstellungen, die durch Argumentation bewirkt werden Einstellungen, die durch die Gestaltung bewirkt werden
Absicht/ Handlung
Einstellungen, die durch Argumentation bewirkt werden Einstellungen, die durch die Gestaltung bewirkt werden
Absicht/ Handlung
Abbildung 8-6: Alternative Wege der Beeinflussung (Batra & Ray, 1985, S. 39)
8.4.5 Markenbekanntheit oder „Hierarchie der Effekte“ Unter „Involvement“-Gesichtspunkten läßt sich eine unterschiedliche Bedeutung der Markenbekanntheit als Werbeziel begründen (Steffenhagen, 1976). Unter aktiver Markenbekanntheit versteht man die Assoziation von Personen, ausgehend von einer Produktgattung hin zu einer Marke. Wenn 65% „aller Personen ab 14 Jahre“ bei Nennung einer bestimmten Produktgattung an eine bestimmte Marke denken, dann weist diese Marke eine aktive Markenbekanntheit von 65% auf. „Passive Markenbekanntheit liegt dagegen vor, wenn die Person bei Wahrnehmung des Markennamens feststellt, daß in ihrem Gedächtnis ebenfalls ein entsprechendes Pendant gespeichert ist“ (Steffenhagen, 1976, S. 718). Markenwissen liegt vor, wenn der Markenname von den betroffenen Personen mit bestimmten Produkten und ggf. Eigenschaften der Produkte verbunden wird. Markenwissen und Markenbekanntheit können lerntheoretisch nach dem Kontiguitätsprinzip vermittelt werden, wonach die gewünschten Assoziationen dadurch gelernt werden, daß bestimmte Begriffspaare möglichst oft gleichzeitig auftreten, also Produktgattung/Markenname bzw. Markenname/Produkteigenschaften. Ein Vergessen ist biologisch gesehen normalerweise nicht möglich. Die Stärke einer Assoziation kommt zunächst durch Übung zustande, wird also durch die Häufigkeit des Auftretens der miteinander zu assoziierenden Wortpaare gelernt. „Die Ursache eines meßbaren Behaltensverlustes ist nicht in einem Abklingen der Stärke der (ursprünglichen) Assoziation A-B zu sehen, sondern vielmehr darin, daß andere konkurrierende Assoziationen die ursprüngliche Assoziation überlagern“ (ebenda, S.
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8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
721, 722). Lernpsychologisch gesehen kann man sagen, daß die „Gedächtnisspur“ durch fehlende Übung verlorengegangen bzw. überlagert worden ist. Steffenhagen stellt im folgenden das „Impact-Modell“ der „Hierarchie der Effekte“ gegenüber. Nach dem „Impact-Modell“ treffen Konsumenten ihre Entscheidungen nach der Bekanntheitshierarchie von Marken im Gedächtnis. Nach der „Hierarchie der Effekte“ steht die Markenbekanntheit lediglich am Beginn eines mehr oder weniger umfassenden Informationsverarbeitungsprozesses, der über mehrere Stufen zum möglichen Kauf verläuft. Nach dem „Impact-Modell“ läßt sich ein sehr enger Zusammenhang zwischen Markenbekanntheit und Kaufwahrscheinlichkeit feststellen. Nach der „Hierarchie der Effekte“ ist das weniger der Fall. Dort ist die Markenbekanntheit eher die Voraussetzung dafür, daß es überhaupt zu einem Prozeß kommt, an dessen Ende vielleicht eine Kaufhandlung steht. Alleine ist die Markenbekanntheit dafür jedoch keineswegs ausreichend. Entsprechend gering ist der Zusammenhang zwischen Kaufwahrscheinlichkeit und Markenbekanntheit im „High Involvement“-Bereich. Wir können nach Steffenhagen (1976, S. 727-729) davon ausgehen, daß im „Low Involvement“-Bereich der Kauf in starkem Maße durch die Markenbekanntheit ausgelöst wird, dort also das „Impact-Modell“ gilt (Ray et al, 1973). Das wird insbesondere dann zutreffen, wenn lediglich geringe Produktunterschiede vorhanden sind, wie das insbesondere bei Produkten des täglichen Bedarfs häufig der Fall ist. Die Markenbekanntheit wäre insbesondere dann alleine ausschlaggebend, wenn Verbraucher den einzelnen Marken gegenüber neutral eingestellt sind (Steffenhagen, 1976, S. 727) und infolge fehlender Produkterfahrung keinerlei sonstige Präferenzen gebildet wurden. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, kann man davon ausgehen, daß im „Low Involvement“Bereich Produkteinstellungen erst nach dem Kauf gebildet werden. Man kann den Ansatz angesichts neuerer Erkenntnisse dahingehend weiterführen, daß die Markenbekanntheit durch zusätzliche emotional geprägte Präferenzen ergänzt wird, die insbesondere durch bildbetonte Kommunikation aufgebaut werden kann. Da die reine Markenbekanntheit in direktem Zusammenhang mit der Höhe des eingesetzten Werbebudgets zu sehen ist, steht zu erwarten, daß langfristig die Marktanteile in hohem Maße mit dem Werbeanteil der konkurrierenden Marken jeweils am Gesamtmarkt korrelieren. Wenn man heute davon ausgeht, daß Produkte im Konsumgüterbereich tatsächlich häufig austauschbar sind, dann bedarf es allerdings zusätzlicher Techniken, um das eigene Angebot von der Konkurrenz abzuheben. Die Möglichkeit dazu liefert die emotionale Produkt-Differenzierung bzw. die bildbetonte Kommunikation (Kroeber-Riel, 1993). Auch die Markenbekanntheit als Einstiegsgröße in einen anschließenden mehr oder weniger intensiven Prozeß der Informationsverarbeitung („Hierarchie der Effekte“), wie bei „High Involvement“-Produkten zu erwarten, bedarf zunehmend einer emotionalen, bildbetonten Unterstützung. „Aus der Perspektive der Low-Involvement-Hierarchie kommt der aktiven Markenbekanntheit mithin nicht nur eine bedeutende Rolle als eigenständige Maßgrö-
8.4 „Low Involvement“ versus „High Involvement“
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ße der Werbewirkung, sondern auch als Prädiktorvariable des Kaufverhaltens zu“ (Steffenhagen, 1976, S. 728). Wenn man die Werbewirkungsforschung der letzten zwanzig Jahre berücksichtigt, dann ist es allerdings erforderlich das Konstrukt der Markenbekanntheit um einen Sympathiefaktor zu ergänzen. Markenbekanntheit in Verbindung mit ausreichend ausgeprägter Sympathie erscheinen uns heute als die entscheidenden Größen mit Hilfe derer sich das Kaufverhalten, insbesondere in „Low Involvement“-Märkten vorhersagen läßt.
8.4.6 „Involvement“ im Zusammenhang „Involvement“ wird durch Wertinstrumentalität und Wichtigkeit bestimmt. Man kann Produkte auf einem Kontinuum zwischen extremem „High Involvement“ und extremem „Low Involvement“ einordnen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Produkte bei verschiedenen Zielgruppen hinsichtlich unterschiedlicher Beurteilungsdimensionen mehr oder weniger „Involvement“ auslösen. Unterschiedliches „Involvement“ führt zu unterschiedlichem Informationsverhalten. „Involvement“ läßt gewisse Rückschlüsse auf die Beeinflußbarkeit von Personen zu. Im stärkeren „Low Involvement“-Bereich kommt gestalterischen Aspekten die entscheidende Bedeutung zu. Im „High Involvement“-Bereich können in der werblichen Kommunikation in reduziertem Maße Argumente eingesetzt werden, in nicht werblicher Kommunikation, wie beispielsweise auf Prospekten und anderen Verkaufsunterlagen sind Argumente von entscheidender Bedeutung. Trommsdorff und Becker (2004) finden, daß der Einfluß der Kreativität auf die Werbewirkung vom Involvement abhängt. Je geringer das Involvement, je größer ist die Bedeutung der Kreativität in der Werbegestaltung. Bei hohem Involvement ist „möglicherweise der Einfluß der kreativen Gestaltung nicht so hoch wie bei Kampagnen für Low Involvement-Produkte“. Dennoch kommt es gestalterisch darauf an, Argumente einfach lesbar und verständlich zu plazieren. „Involvement“ liefert einen wesentlichen Ansatz zur Zielgruppenbeschreibung und Segmentierung. „Involvement“ alleine beeinflußt die Betrachtungsdauer von Werbemitteln vermutlich nicht. Es kommt vielmehr darauf an, durch die Gestaltung der Botschaft selber Aufmerksamkeit bzw. ein Bedürfnis nach Information zu wecken. Hohe Aufmerksamkeit bzw. ein hohes Bedürfnis nach Informationen sagen aber alleine noch nichts über die Richtung der eintretenden Beeinflussung aus. Unter Berücksichtigung einer sicherlich bestehenden Informationsüberlastung ist die These von Batra und Ray (1983, 1985) plausibel, wonach überwiegend von einem eher reduzierten „Involvement“ bei der Werbewahrnehmung auszugehen ist. Auch bei anderen Instrumenten der Marketing-Kommunikation sollte das „Involvement“ nicht überschätzt werden. Batra und Ray vermuten, daß in der Marktkommunikation zu häufig „High Involvement“-Lernen unterstellt wird. Auch wenn sie damit wahrscheinlich im Recht sind, wäre es nach wie vor voreilig, das „High Involvement“-Lernen generell zu vernachlässigen. Es kann im Einzelfall geprüft
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werden, in welchem Maße es möglich ist, zusätzliches Informationsbedürfnis zu wecken, mit infolge davon intensiverem Lernen. Lange Zeit hat man im Marketing sicherlich das Interesse der möglichen Käufer überschätzt. Die Akzeptanz eines „Low Involvement“ fiel schwer. Das sollte aber nicht dazu führen, „High Involvement“ generell zu vernachlässigen. Unabhängig davon müssen wir davon ausgehen, daß auf dem gesamten „Involvement“-Kontinuum affektive Kommunikationselemente eine hervorragende Bedeutung haben. Das gilt sowohl für die Markenbekanntheit selber als auch für die, wie auch immer ablaufenden Prozesse der Informationsverarbeitung.
8.5 Emotionspsychologische Aspekte der MarketingKommunikation Schon im vergangenen Abschnitt wurde die Emotion erwähnt. Die Emotionen des Menschen sind äußerst vielschichtig. Entsprechend differenziert ist die Vielzahl wissenschaftlicher Erklärungsversuche, in denen die Emotionen aus verschiedener Perspektive behandelt werden. Eine Übersicht dazu liefern Euler und Mandl (1983). Gemeinsam ist den vorliegenden Ansätzen die Annahme innerer Erregung, d.h. einer affektiven Reaktion und subjektiver Kognition (Wahrnehmung) eben dieser Erregung. Izard (1994) unterscheidet eine Reihe von Emotionskomplexen: • • • • • • • •
Interesse, Freude, Überraschung, Schreck, Kummer, Schmerz, Gram und Depression, Zorn, Ekel und Geringschätzung, Furcht und Formen der Angst, Scham und Schüchternheit, Schuldgefühl, Gewissen und Moral.
Diese Komplexe werden subjektiv unterschiedlich erlebt. Insbesondere die üblicherweise als positiv/angenehm erlebten Emotionen sind für die Marktkommunikation relevant: Interesse, Freude und Überraschung. Vermutlich ist Interesse die häufigste der positiven Emotionen (Izard, 1994, S. 244). Interesse hat einen engen Bezug zum visuellen Wahrnehmungssystem. Ein interessierender Gegenstand wird mit den Augen erfaßt, fixiert. „Solange die Augen fixiert sind, ist die interessierte Person gefesselt und fasziniert“ (ebenda, S. 245). Die Folge der Fixation kann eine Auslösung der Emotion auf neurologischer Ebene sein. Als Folge der gerichteten (d.h. selektiven) Aktivitäten der Wahrnehmungsorgane kommt es zu einer Aktivierung des Nervensystems. Reize werden (wie oben dargestellt) durch Stimulierung
8.5 Emotionspsychologische Aspekte der Marketing-Kommunikation
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der Neuronenketten transportiert. Interesse läßt sich physiologisch durch einen Anstieg der Impulshäufigkeit pro Zeiteinheit beschreiben, d.h. daß die Neuronen das jeweils folgende Neuron innerhalb einer Zeiteinheit häufiger stimulieren. „Die Auslösung von Interesse (auf der neurologischen Ebene) bringt einen leichten Anstieg in der Dichte neuraler Impulse mit sich“ (Izard, 1994, S. 246). Betrachtet demnach eine Person ein interessierendes Objekt für x Sekunden, so wird der visuelle Reiz häufiger an das Gehirn weitergegeben, als wenn die Person in der gleichen Zeit ein sie weniger interessierendes Objekt betrachtet. Die Folgen für die Gedächtnis- bzw. Lernleistung erscheinen offensichtlich. Interesse kann durch affektiv wirkende Reize ebenso geweckt werden wie durch wichtige sachliche Informationen. Die Frage ist lediglich, welcher Komponente stärkere Bedeutung zukommt, der stärker emotionalen oder stärker kognitiven Komponente. In vielen Konsumbereichen sind sachliche Informationen entweder nicht wichtig, oder sie ermöglichen keine eigenständige Kommunikation. Dann kommt der Vermittlung emotionaler Konsumerlebnisse stärkere Bedeutung zu. Marktkommunikation kann so zu einer Produktdifferenzierung auf emotionaler Basis beitragen: „Die Marketingaktivitäten vermitteln beim Konsumenten nicht nur angenehme, sondern ganz spezifische Erlebnisse. Der Anbieter erfährt dadurch ein eigenständiges emotionales Profil, das ihn von anderen Anbietern abhebt und klar positioniert“ (Kroeber-Riel & Weinberg, 2003, S. 116). In Märkten, die sich in der Stagnationsphase des Lebenszyklusses befinden, sind die Produkte technisch meistens sehr ähnlich bis nahezu identisch. Häufig können Konsumgüter von den Verwendern in objektiver Hinsicht nicht mehr unterschieden werden. Die Produkte sind austauschbar. Konsequenterweise wird auch die Werbung austauschbar, wenn sie sich ausschließlich bzw. in zentralen Elementen an objektiven Produktmerkmalen orientiert. Daraus folgt die zwingende Notwendigkeit (wenn die allgemein akzeptierte Forderung nach werblicher Eigenständigkeit aufrecht erhalten bleiben soll), Produkte stärker im emotionalen Bereich zu bewerben. Daraus läßt sich die Forderung nach Marketing-Strategien ableiten, die an emotionalen Konsumerlebnissen orientiert sind. Diese Forderung geht somit über die Werbung hinaus und bezieht alle Funktionsbereiche im Marketing ein, über die Kommunikation, zur Produktgestaltung (Design als MarketingInstrument) bis hin zum erlebnisbetonten Einkauf. Hier wird wieder deutlich, in wie starkem Maße Werbung in Marketing-Konzepte integriert ist. Es wird allgemein davon ausgegangen, daß in gesättigten Märkten der Vermittlung emotionaler Erlebniswerte und bildhafter Kommunikation größere Bedeutung zukommt, als sachbezogener Argumentation (Kroeber-Riel, 1993; Kroeber-Riel & Meyer-Hentschel, 1982; Konert, 1986). Für die Beurteilung der Marktsättigung stellt Konert (1986, S 8) fünf Indikatoren vor: • Versorgungsgrad der Haushalte in Prozent, • Relation zwischen Ersatz- und Erstnachfrage,
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• Differenz zwischen Marktpotential und Marktvolumen (Ausschöpfungsgrad) in Prozent, • Verhältnis zwischen der Wachstumsrate des Produktmarktsegmentes (des definierten relevanten Marktes) und der Wachstumsrate des Bruttosozialproduktes und • Nullsummenspiel bezüglich der Marktanteile. Lediglich im letzten Punkt stimmen wir Konert nicht zu. Konert geht davon aus, daß ein Nullsummenspiel bezüglich der Marktanteile einer Konstanz des realen Marktvolumens entspricht. Gewinne am Marktanteil sind per Definition immer und überall nur zu Lasten von Marktanteilen anderer Anbieter möglich, selbst bei höchstem Marktwachstum. Gemeint ist, daß Ausweitungen des Umsatzniveaus nur durch Marktanteilsgewinne und nicht durch Marktausweitung möglich sind, und damit nur zu Lasten der Umsatzniveaus anderer Anbieter. In gesättigten Märkten kommt der Vermittlung emotionaler Erlebniswerte entscheidende Bedeutung hinsichtlich der Möglichkeit einer Strategie der Differenzierung vom Wettbewerb zu. Die Abnehmer nehmen Qualitätsunterschiede nur noch in geringem Maße wahr, häufig ist das produktbezogene Engagement oder Interesse gering. Es ist also vom „Low Involvement“ auszugehen. Auch das spricht für eine geringer werdende Bedeutung nicht-sachlicher Kommunikation (Konert, 1986, S. 23, 24). Emotionale Erlebniswerte werden verstanden als „subjektiv wahrgenommene, gefühlsmäßige Produktbeurteilungen der Konsumenten“ (Konert, 1986, S. 36). Diesen Erlebniswert kann man auf die Beurteilung von Einkaufsstätten und werbliche Darbietungen erweitern. In gesättigten Märkten mit technisch austauschbaren Produkten ist der emotionale Erlebniswert meistens die alleinige Möglichkeit, sich vom Wettbewerber zu differenzieren. Das gilt keineswegs nur für technisch einfache Güter des täglichen Bedarfs. Auch Kraftfahrzeuge oder Küchengeräte, Waschmaschinen usw. sind in gesättigten Märkten technisch zunehmend austauschbar und bedürfen kommunikativer Alleinstellung. Emotional orientierte Kommunikationsmaßnahmen haben einen weiteren Vorteil. Beeinflussungstechniken sind um so wirksamer, je schwerer sie als solche zu durchschauen sind. Die Verwendung emotional wirkender Reize in der Werbung ist vom Empfänger besonders schwer zu durchschauen, ist also auch aus diesem Grunde geeignet, die Beeinflussung zu erhöhen. Eine Form des gedanklich angeblich unkontrolliert ablaufenden Lernens ist die sog. Konditionierung. Pawlow bemerkte, daß bei vielen seiner Versuchshunde bereits beim Anblick des Pflegers Speichelfluß einsetzte, der normalerweise erst beim Anblick von Futter auftritt. Futter wird als unkonditionierter Stimulus bezeichnet, der zu emotionaler Erregung (hier physiologisch meßbar) führt. „Tier-
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pfleger“ ist ein neutraler Stimulus, der eigentlich zu keiner futterorientierten Reaktion führen muß. Wird jedoch häufig genug der Stimulus Futter zusammen mit einem bestimmten neutralen Stimulus (hier „Tierpfleger“) dargeboten, dann überträgt sich die emotionale Erregung und Reaktion bereits auf den ursprünglich neutralen Stimulus, er ist jetzt nicht mehr neutral und wurde zum konditionierten Stimulus. Durch Konditionierung lernen Lebewesen auf neue Reize zu reagieren. Es wird vermutet, daß auch Gefühle und Einstellungen in ähnlicher Form konditionierbar sind. Wer immer dann, wenn es ihm besonders gut geht, einem bestimmten Menschen begegnet, reagiert irgendwann mit „Hochstimmung“, wenn er diesen Menschen trifft. Umgekehrt können Menschen (ohne daß sie etwas dafür können) zu „Unglücksbringern“ werden. Staats (1988, 1970) beschreibt daraufhin ein entsprechendes „Attitude-ReinforcerDiscriminative-System“ nach dem Prinzip des klassischen Konditionierens. Ein unkonditionierter Stimulus ruft positive oder negative emotionale Responses hervor. Wird ein emotional unkonditionierter Stimulus häufig genug mit einem neuen emotional neutralen Stimulus zusammen dargeboten, überträgt sich die emotionale Reaktion auf den neuen neutralen Reiz. Später tritt die gleiche emotionale Reaktion auch auf, wenn der neutrale Reiz allein dargeboten wird. Der neutrale Reiz wurde zu einem konditionierten Reiz. Die Person hat gelernt, auf den jetzt konditionierten Reiz mit emotionalem Response zu reagieren. Reagiert sie wirklich automatisch? Wir können das klassische Konditionieren nach Pawlow nicht ohne Hinweis auf neuere Interpretationen ansprechen. Heute geht man davon aus, daß es sich dabei nicht um einen Reflex (der automatisch abläuft), sondern um eine Erwartungshaltung (Appetenz) handelt, die also teilweise kognitiv gesteuert ist. „... Sie haben vollkommen recht, wenn Sie sagen, daß Pawlow sich geirrt hat, wenn er glaubte, das Speicheln der Hunde wäre ein bedingter Reflex. Wir wissen längst, es ist eine bedingte Appetenz“ (Riedl, 1985, S. 61; in Popper, Sexl, Riedl, Wallner & Weingartner, 1985). Damit ist das klassische Konditionieren keineswegs zu den Akten gelegt, wohl aber die Annahme automatisch ablaufender Reflexe erheblich erschüttert. Riedl nimmt Bezug auf Popper (1985, S. 54; in Popper et al, 1985): „Der berühmte Hund von Pawlow der angeblich durch den bedingten Reflex gelernt hat, war - wie alle Hunde - aktiv an seinem Fressen interessiert. Wäre er nicht aktiv an seinem Fressen interessiert gewesen, hätte er nichts gelernt. So hat er aber die Theorie aufgestellt: Wenn die Glocke läutet, kommt das Essen. Das ist eine Theorie und kein bedingter Reflex.“ Der Annahme emotionaler Konditionierung entspricht u.a. der in der Werbung vorzufindenden gemeinsamen Darbietung von Produkten in Verbindung mit erotischen Reizen. Man hofft beispielsweise, daß sich die positive emotionale Reaktion eines Mannes auf ein junges Mädchen auf die Beurteilung des damit zusammen dargebotenen Autos überträgt. Dabei wird allerdings deutlich, daß in diesem Fall nicht nur automatisch ablaufende Reflexe,
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sondern auch implizit eine Definition für Einstellungen unterstellt wird, die sich ausschließlich auf affektiv-emotionale Bewertung bezieht. Einstellungen sind jedoch komplexer. Einstellungen sind auf jeden Fall Wahrnehmungsurteile und beinhalten eine erkennende Komponente. Vorhandene kognitive Strukturen bestimmen jedoch den Prozeß des Erkennens von externen Stimuli mit. Affektivemotionale Bewertung ist nur ein – aber manchmal vielleicht wesentlicher – Aspekt von Einstellungen. Immerhin ist es möglich, durch emotionale Aspekte die Produktwahrnehmung zu bereichern. Die wiederholte Darbietung eines Produktes, einer Marke zusammen mit bestimmten emotionalen Reizen führt dazu, daß diese Produkte oder Marken einen emotionalen Erlebniswert erhalten (Kroeber-Riel & Weinberg, 2003, S. 130). Wird dieser Erlebniswert weitestgehend eigenständig gestaltet, so ist damit eine eigenständige Art der Marktkommunikation vollzogen. Das wohl prominenteste Beispiel dafür liefert der Markt für Zigaretten. Die Produkte sind objektiv in nur seltenen Fällen unterscheidbar (dafür liefern Blindtests genügend Belege). Erst emotionale Erlebniswerte (Cowboys, Dschungelabenteurer, Comic-Figuren usw.) ermöglichen eine mehr oder weniger gelungene eigenständige Produkt-MarkenProfilierung. Vermutlich bringt die Möglichkeit emotional begründeter Beeinflussung noch weitere Vorteile. Eingangs dieses Kapitels wurde gezeigt, daß im Falle vorhandener negativer Einstellung gegenüber einem Objekt oder einer Botschaft zweiseitige Argumentation sinnvoll, wenn nicht gar notwendig ist. Das setzt aber voraus, daß sich die Botschaftsempfänger relativ intensiv mit der Botschaft auseinandersetzen. Davon ist bei Konsumgüterwerbung nur in seltenen Fällen auszugehen. Bei vorhandener negativer Beurteilung und relativem Desinteresse ist es denkbar, durch emotionale Ansprache eine gefühlsmäßig positivere Einstellung zu begründen. Die Arbeit mit emotionalen Reizen unterliegt jedoch auch einigen Gefahren. Starke emotionale Gefühle weckende Elemente müssen einen Bezug zur Botschaft, zum Produkt selbst haben. Sonst ziehen sie die Aufmerksamkeit auf sich und lenken von der eigentlichen Aussage ab (Vampireffekt). Werbebotschaft und emotionale Ansprache müssen eine Einheit bilden. Zweitens müssen die durch emotionale Ansprache bewirkten Einstellungsänderungen dem Kommunikationsziel entsprechen. Es ist nicht gesagt, daß diese bei allen Personen gleich ablaufen. Steadman (1969) zeigt, daß die Wirkung erotischer Reize in sehr starkem Maße von der Einstellung der angesprochenen Personen zu sexuellen Inhalten abhängt. Schließlich bedarf auch die Auswahl und Gestaltung emotionaler Reize einer eigenständigen Gestaltung. Bei vermutlich ähnlicher Zielgruppe ist es in der Werbung für CAMEL und MARLBORO bis Anfang der 80er Jahre gelungen, eigenständige Erlebnisprofile zu kommunizieren. Die dann folgende Periode häufiger
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Kampagnenwechsel bei CAMEL hat die Marktposition von CAMEL nachhaltig geschwächt. Die Emotionstheorie von Schachter und Singer (1962) stellt einen sehr engen Bezug zwischen Emotion und Kognition her. Emotionen sind danach kognitive Erklärungen von Erregungszuständen. Menschen erklären sich danach innere empfundene Erregung aufgrund extern beobachteter Stimuli. So wird die Theorie der Emotion zu einer kognitiven Theorie. Emotionen haben enge Beziehungen zu Gefühlen, Stimmungen, Erregungen (Dickenberger & Gniech, 1983, S. 493). Dennoch sind Emotionen nicht unbedingt ein Gegenpol zur Kognition. Jegliches Denken erfolgt immer im Zusammenhang mit mehr oder weniger ausgeprägter physiologischer Erregung, zumindestens im Zentralnervensystem. Sicher geht die Kognition „heute ist Sonntag“ mit geringeren physiologischen Aktivitäten einher als die Kognition „ich liebe dich“. Bei welchem Maß an physiologischer Erregung sprechen wir jedoch von Emotionen? Die Konsequenz ist, daß es lediglich darauf ankommt, möglichst intensive physiologische Reaktionen auszulösen, wobei die damit einhergehenden Kognitionen (!) um so intensiver gelernt werden. „Wir verwenden den Begriff der Emotion für solche Kognitionen, die mit einem bestimmten, nicht exakt spezifizierbaren Erregungsniveau einhergehen, fassen also die Emotion lediglich als einen Spezialfall der Kognition auf“ (Busch, Dögl & Unger, 2001, S. 626). Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß in Zeiten zunehmender Informationsüberflutung und gleichzeitig abnehmendem Interesse an Werbung bild- und erlebnisbetonte Gestaltung eine unerläßliche Voraussetzung wirksamer MarketingKommunikation ist. In vielen Bereichen des Konsumgüter-Marketing ist die Vermittlung einzigartiger und eindrucksstarker Bildbotschaften vielleicht der einzig mögliche Weg, Verbraucher zu erreichen, sowohl im Low Involvement-Bereich als auch im High Involvement-Bereich. In abgeschwächter Form gilt das auch im Produktivgüter-Marketing. Lasogga (1999) zeigt anhand empirischer Befunde, daß sich die Forderung nach emotional gestalteter Werbung auf den Bereich der Werbung für Produktivgüter direkt übertragen läßt. Die Tatbestände der Informationsüberlastung, des gesellschaftlichen Wertewandels, der produktrelevanten Erlebniswerte, der Notwendigkeit der Aktivierung, der Anmutungsqualität und des fehlenden Interesses an werblicher Information lassen sich vom Konsumgütermarketing auf den Bereich des Business-to-Business-Marketing übertragen.
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8.6 Kognitive Aspekte der Kommunikation 8.6.1 Einstellungen und Wahrnehmung Kornadt (1986, S. 98) beschreibt den Standpunkt der Psychologie anhand dreier zentraler Prinzipien: a) „Das erste ist, daß man den Menschen als ein aktives Wesen versteht.“ Der Mensch hat Motive, ist von sich aus aktiv bestrebt, Ziele zu verwirklichen. Ziele werden antizipiert. Dabei spielen ganz wesentlich kognitive Prozesse „der Strukturierung, der Abstraktion, der Antizipation und der Schlußfolgerung eine Rolle.“ b) „Der Mensch reagiert nicht automatisch auf gegebene Reize, sondern das, was er wahrnimmt, das deutet und wertet er.“ c) „Auch das Verhalten ist nicht einfach passives Verhalten auf Reize.“ Nach Kornadt trifft es nur auf einen kleinen Teil unseres Verhaltens zu, daß dieses durch äußere Reize schlicht gesteuert wird. Vielmehr gestaltet der Mensch seine Umwelt aktiv. Dabei spielt insbesondere die selektive Wahrnehmung, das Suchen interessanter und Vermeiden uninteressanter und erst recht bedrohlicher Ereignisse eine wesentliche Rolle. Der Mensch ist nicht ein Informationen passiv aufnehmendes und automatisch verarbeitendes Wesen, ähnlich der (s.o.) sehr diskussionsbedürftigen Annahmen hinsichtlich des Pawlow‘schen Hundes. Menschen sind Informationen aktiv suchende und verarbeitende Wesen. Daher ist eine ausschließlich physiologische und emotionale Aspekte herausstellende Beurteilung einseitig und bruchstückhaft. Auch der Versuch Emotionen, Motivation und kognitive Aspekte (Einstellungen) auf ein Konzept zu reduzieren, wird der Komplexität der beteiligten Verhaltensweisen nicht gerecht. Vielmehr handelt es sich bei den genannten Konzepten um unterschiedliche Standpunkte oder wissenschaftliche Perspektiven (Albert, 1964), von denen aus die Welt beobachtet wird. Die gewählte Perspektive determiniert die empirischen Sachverhalte, die Wissenschaftler erkennen können, auch wie sie beurteilt und in einer wissenschaftlichen Sprache beschrieben werden. Letztendlich haben die hier genannten wissenschaftlichen Perspektiven den gleichen Forschungsgegenstand, nämlich menschliches Verhalten. Gerade durch die Vielfalt wissenschaftlicher Standpunkte besteht die Möglichkeit, bei der Suche nach Erkenntnis der Wahrheit näher zu kommen (Popper, 1987, S. 11-40). Welche Standpunkte sich dabei als fruchtbarer erweisen, das wird erst die Zukunft zeigen. Im folgenden geht es im wesentlichen um Einstellungen und Attitüden. Daher soll zunächst in Anlehnung an Irle (1967, S. 195-197) geklärt werden, was darunter zu
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verstehen ist. Irle (1967) unterscheidet in seinem Übersichtsreferat zwischen Einstellungen und Attitüden (letztere werden auch als soziale Einstellung bezeichnet). Einstellungen sind eine Erwartungshaltung in der Wahrnehmung. Attitüden (soziale Einstellungen) beinhalten Urteile – über eigenes Verhalten bezogen zur sozialen Umwelt. Man kann auch sagen, daß Einstellungen Wahrnehmungsurteile betreffen, Attitüden werden zu Prädispositionen für Verhalten zu sozialen Umwelten. Attitüden weisen drei Komponenten auf. „Faktisch alle Autoren sind sich darin einig, daß diese Urteile eine kognitive und eine affektive Komponente haben müssen“ (ebenda, S. 196). Urteile über soziale Stimulus-Situationen oder AttitüdenObjekte haben damit sowohl eine erkennende (kognitive) als auch bewertende (evaluative) Komponente. Die evaluative Komponente ist mehr oder weniger affektiv, emotional beladen. Als dritte Komponente wird neben der kognitiven und evaluativen die Verhaltens-Komponente gesehen. Einstellungen betreffen aber das, was wir von bestimmten Objekten erwarten. Attitüden beeinflussen über Wahrnehmung (kognitiv), Bewertung (evaluativ) und Verhaltensbereitschaft (motivational konativ) unser reales Verhalten. Dennoch ist es kaum möglich, auf der Grundlage einzelner Einstellungsmessungen, Verhalten prognostizieren zu können. Das liegt daran, daß unser reales Verhalten von Einstellungs- oder Attitüden-Systemen ausgelöst wird: von kognitiven Netzwerken. Die Rückkoppelungen vom Verhalten zu Attitüden sind u. a. dissonanzpsychologisch zu erklären. Auch die Beziehungen zwischen verschiedenen Attitüden und Verhaltensweisen werden durch Konsistenzmotive beeinflußt (Motive, die ein Bedürfnis nach Konsistenz von Verhaltensweisen und Attitüden beinhalten). Mehrere Attitüden einer Person bilden eine Attitüden-Struktur und sind als solche abhängig von zentralen Werten. Da diese zentralen Werte mit mehreren Attitüden im Zusammenhang stehen, sind sie relativ änderungsresistent. Man kann Werte als besonders stabile Attitüden verstehen.
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Attitüde
Attitüde
Verhalten
Attitüde
Verhalten
Abbildung 8-7: Attitüden- und Verhaltensstruktur (stark abgewandelt nach Mummendey (1988, S. 17) Im Zusammenhang mit Einstellungen (als Erwartungshaltung von Wahrnehmungen) und Attitüden (als Prädisposition für soziales Verhalten) sind Voraburteile und Vorurteile zu sehen. Voraburteile sind Urteile, die vor einer Wahrnehmung existieren. Sie beeinflussen als solche zwar die folgende Wahrnehmung, sind jedoch relativ veränderbar. Sie sind den Einstellungen sehr ähnlich. Vorurteile sind dagegen extrem konsistent, sie werden auch bei Erhalt korrigierender Informationen aufrecht erhalten. Man kann mit Irle (1967, S. 197) sagen: „Bei hoher Variabilität der Stimulus-Situation ist die Variabilität der Urteile minimal.“ Wir haben soeben deutlich gemacht, daß vorhandene Einstellungen die Wahrnehmung des Menschen erheblich beeinflussen. Wir sind damit sehr nahe bei der Hypothesentheorie sozialer Wahrnehmung (Bruner, 1951 und 1957; Postman, 1951; Allport, 1955; Lilli & Frey, 1993) Eine wichtige Basisaussage dieser Theorie ist, daß es nicht einen passiven oder ausschließlich reagierenden InformationsEmpfänger gibt, dieser ist aktiv. Außerdem gibt es keine „Wahrnehmung an sich“. Wahrnehmung ist (auch) ein Produkt vorhandener Annahmen über die Realität, also von Hypothesen der wahrnehmenden Person abhängig. Die Resultate der Wahrnehmung ergeben sich aus vorhandenen Hypothesen und eingehenden Stimulus-Informationen. Die vorhandene kognitive Struktur des Botschaftsempfängers wird damit zu einer wesentlichen Determinante für die mögliche Wirkung der Kommunikation. Das besagt selbstverständlich nicht, daß die vorhandenen Annahmen bzw. Hypothesen unbedingt wichtiger, stärker sind als eingehende Informationen, beide beeinflussen sich wechselseitig. „Hypothesen machen Wahrnehmung, und Wahrnehmungen machen Hypothesen“ (Irle, 1975, S. 85).
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Im Kern besagt die Hypothesentheorie sozialer Wahrnehmung folgendes (Lilli & Frey, 1993): • Je stärker eine Hypothese ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß sie erregt wird, d.h. eine Person glaubt, eine Bestätigung ihrer Hypothese zu finden. • Je stärker eine Hypothese ist, desto geringer ist die Menge der unterstützenden Reizinformationen, die zu ihrer Bestätigung nötig ist. • Je stärker eine Hypothese ist, desto größer muß die Menge widersprechender Reizinformationen sein, um sie zu widerlegen (ebenda). Ein überzeugter Fahrer einer bestimmten Kfz-Marke reagiert relativ leicht auf „seine“ Marke unterstützende Botschaften/Informationen. Auch schwache und wenige Argumente genügen, um ihn „wieder einmal“ in seiner Absicht zu bestätigen. Es bedarf jedoch erheblicher Anstrengungen, um diese Person zu einer positiven Meinung anderer, insbesondere ähnlicher Automarken gegenüber zu bewegen. Eine Information, die seinen Hypothesen entspricht wird akzeptiert, eine andere Information gleichen Informationsgehaltes und gleich starker logischer oder sachlicher Begründung, die seinen Hypothesen nicht entspricht, wird abgelehnt. Wer Markenwechsel bewirken will, der muß eben völlig anders beeinflussen, als derjenige, der lediglich vorhandenes Verhalten stabilisieren will. Eine wichtige Größe dieser Theorie ist die Hypothesenstärke. Diese wird durch folgende Faktoren bestimmt (vgl. Irle, 1975, S. 86-88): • Häufigkeit der Bestätigung in der Vergangenheit; d.h. je häufiger in der Vergangenheit eine bestimmte Marke gekauft oder verwendet wurde, ohne daß Enttäuschung eintrat, um so stärker wird die Hypothese, die richtige Alternative gewählt zu haben, unabhängig davon, was wirklich einer optimalen Bedürfnisbefriedigung dienen würde. Darum ist es u.a. so schwer, in alten stagnierenden Märkten Marktanteile zu gewinnen. • Anzahl verfügbarer Alternativhypothesen; je weniger Alternativen eine Person in subjektiver, psychologischer Betrachtung wahrnimmt, um so eher ist sie bereit, eine vorhandene Hypothese zu akzeptieren. Das ist eine Aussage, die vielleicht eher für Manager relevant ist! Je weniger strategische Alternativen diese sehen, um so stärker glauben sie an die eine verfügbare. Darum ist die Suche nach Handlungsalternativen eine sinnvolle Aktivität, auch dann (vielleicht gerade dann), wenn man glaubt, die optimale Strategie bereits gefunden zu haben. Vielleicht ist der Glaube nur die Folge fehlender Alternativen.
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• Stärke der motivationalen Unterstützung; wer sich beispielsweise im Bekanntenkreis für den Konsum eines bestimmten Produktes eingesetzt hat, wer im Bekanntenkreis als „eingefleischter“ Fahrer einer bestimmten Kfz-Marke gilt, hat es aus Gründen sozialer Motivation besonders schwer, von diesem Standpunkt wieder abzurücken. Natürlich gibt es noch andere motivationale Gründe für Hypothesenstärke. • Verbindung einer Hypothese mit anderen Hypothesen; je zentraler eine Hypothese ist, je mehr andere kognitive Bereiche einer Person sie betrifft, um so schwerer ist diese zentrale Hypothese aufzugeben. Wer mit großem Aufwand auf ein bestimmtes Ziel hingearbeitet hat, wird eine Information, die besagt, daß dieses Ziel nicht erstrebenswert sei, kurz vor Zielerreichung kaum akzeptieren, zu Beginn seiner Anstrengungen vermutlich weit eher. Wir haben hiermit durchaus so etwas wie zentrale Einstellungen, also Werte, angesprochen. Von mehreren Alternativhypothesen, die gleichzeitig in einer Stimulussituation angesprochen werden, richtet sich die Wahrnehmung auf die stärkste der vorhandenen Hypothesen. Das besagt, daß neben der physiologisch erregbaren Aktivierung auch, und möglicherweise sogar stärker, vorhandene kognitive Hypothesen die Wahrnehmung bestimmen.
8.6.2 Kognitive Dissonanz Die dargestellte Hypothesentheorie sozialer Wahrnehmung hat einen engen Bezug zu einer anderen besonders populären kognitiven Theorie, der Theorie kognitiver Dissonanz, die ursprünglich von Festinger (1957) entwickelt wurde. In ihrer ursprünglichen Version besagte diese Theorie, daß Personen nach Handlungen die Welt anders sehen als vorher. Plötzlich sehen sie auch die Nachteile gewählter Alternativen. Das Informationsverhalten nach Entscheidungen (die bei Festinger immer Handlungsentscheidungen waren, z.B. der Kauf eines Produktes) ist gerichtet, selektiv. Es dient in erster Linie der nachträglichen Rechtfertigung getroffener Entscheidungen, verbunden mit dem Ziel, die durch das Erkennen von Nachteilen einer getroffenen und vollzogenen Entscheidung entstandenen kognitiven Dissonanzen abzubauen. Kognitive Dissonanz wird als ein Spannungszustand verstanden, der dadurch entsteht, daß eine Person zwei Kognitionen erlebt, die zueinander im Widerspruch stehen. Solche Spannungen entstehen durch die Kognition „Kauf eines Produktes“. Menschen sind motiviert, diese Spannungen abzubauen. Sie können dieses dadurch tun, daß sie weitere ihre Entscheidung unterstützende Informationen sammeln, die Dissonanz erzeugende Information leugnen, verzerren, uminterpretieren. Diese ursprüngliche Theorie hat im Marketing die Bedeutung der Nachkaufwerbung hervorgehoben.
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Irle (1975, S. 310-346) hat die ursprüngliche Theorie in seiner Reformulierung erweitert auf das gesamte Informationsverarbeitungs-System von Menschen bezogen (vgl. auch Frey et al, 1982, S. 307-310). Ausgangspunkt der reformulierten Theorie ist die Annahme, daß Menschen über ein kognitives System verfügen, d.h. über eine praktisch unüberschaubare Vielzahl einzelner Kognitionen, die teilweise psychologisch miteinander verknüpft sind, d.h. zwischen einzelnen Kognitionen gibt es Beziehungen, zwischen anderen nicht. Kognition definiert Festinger (1957, S. 3) wie folgt: „By the term cognition ... I mean any knowledge, opinion, or belief about the environment, about oneself, or about one's behavior.“ Solche Kognitionen lauten: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
„Ich habe die Absicht, einen Ausflug zu machen“ „Es regnet“ „Ich möchte gesund bleiben“ „Ich rauche“ „Manche Menschen sagen, Rauchen würde krank machen“ „Ich bin erfolgreich“ „Ich möchte geachtet werden“ „Heute ist Dienstag“ „Meine Frau sagt, ich solle mehr Sport treiben“ „Ich mag meine Frau sehr“ „Ich möchte das tun, was ich will“ „Ich trinke Fruchtsaft“
Sämtliche Zusammenhänge zwischen diesen einzelnen Kognitionen sind gleichfalls Kognitionen, die aufrecht erhalten oder negiert werden können. Manche dieser Kognitionen stehen bei vielen Personen vermutlich miteinander in Beziehung, andere nicht. Es ist zu vermuten, daß Kognition 1 und 2 miteinander in einem Spannungsverhältnis stehen. Das gilt auch für die Kognitionen 3, 4 und 5. Auch zwischen den Kognitionen 9, 10, 11 besteht wahrscheinlich ein Spannungsverhältnis. Zwischen der Kognition 12 und 3 besteht dann kein Spannungsverhältnis, wenn man die Zusatzkognition bildet, daß Fruchtsaft die Gesundheit fördert, ja mit dieser Kognition ließe sich das Spannungsverhältnis zwischen Kognition 3, 4 und 5 wenigstens mildern. Damit haben wir illustrativ die reformulierte Theorie kognitiver Dissonanz beschrieben. Diese besagt: Immer dann, wenn zwischen zwei Kognitionen die die betroffene Person im Zusammenhang miteinander betrachtet, ein Widerspruch auftritt, dann entsteht kognitive Dissonanz. Wichtig ist also der kognizierte Zusammenhang zwischen zwei beliebigen Kognitionen X und Y und ein gleichfalls kognizierter Widerspruch zwischen diesen beiden. Kognitive Dissonanz kann durch Veränderung einer der beiden miteinander im Spannungsverhältnis stehenden Kognitionen oder durch Aufgabe des angenommenen Zusammenhanges beseitigt oder gemildert werden. Außerdem kann ein dissonanter Zustand durch Aufnahme neuer Kognitionen gemildert werden. Man sucht soziale Unterstützung bei anderen Personen (der Raucher beginnt Sport zu treiben und/oder sich gesund zu ernähren und dient damit seiner Gesundheit), um die
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vorhandene Dissonanz wenigstens zu kompensieren. Dissonante Informationen können schließlich geleugnet oder verzerrt werden, sie werden aus dem kognitiven System eliminiert. Nach der reformulierten Theorie sind Handlungen nur eine, jedoch nicht notwendige Bedingung für das Auftreten kognitiver Dissonanz. Auch kognitive Handlungen, also Entscheidungen können Dissonanzen hervorrufen. Dissonanz ist um so stärker, je größer die subjektiv empfundene Sicherheit der jeweiligen Person ist, daß zwischen dissonanten Kognitionen X und Y ein Zusammenhang besteht. Eine Person, die in sehr starkem Maße annimmt, alles für ihre Gesundheit zu tun, und sich sicher ist, das auch in der Vergangenheit realisiert zu haben, empfindet sehr intensive Dissonanz, wenn sie erfährt, sich in der Vergangenheit falsch ernährt zu haben. Eine andere Person, die mit der Hypothese lebt, daß in der augenblicklichen Situation gar keine Möglichkeit besteht, alle gesundheitlichen Risiken zu vermeiden, wird den gleichen Tatbestand als weniger störend empfinden, die Dissonanz ist weniger stark. Damit ist noch nichts darüber gesagt, welche Kognition zur Dissonanzreduktion geändert oder hinzugezogen wird, nur etwas über die Stärke der Motivation zur Dissonanzreduktion. Der Änderungswiderstand einer Kognition (das kann eine der betroffenen Kognitionen und die Zusammenhangshypothese als zusätzliche Kognition sein) hängt davon ab, wie zentral die betroffene Kognition im kognitiven System einer Person verankert ist. Nehmen wir eine Person P1 an, die Gesundheit für sehr wichtig hält und von P2 erfährt, sich in der Vergangenheit falsch ernährt zu haben. Diese Person erlebt kognitive Dissonanz, sie kann diese reduzieren, indem sie die Information abwertet. Das wird sie tun, wenn P2 für sie nicht sehr wichtig ist. Handelt es sich jedoch um „den besten Freund“, dann fällt eine Abwertung von P2 schwerer. Aber P2 kann sich irren. Diese Kognition kann eingeführt werden, ohne P2 persönlich abzuwerten, es sei denn, diese Person sei zufällig ein Ernährungsexperte. Die Person P1 kann nun die Zusammenhangshypothese „Ernährung/Gesundheit“ leugnen. „Man kann sich heute sowieso nicht gesund ernähren“, sie kann die Bedeutung „Gesundheit“ reduzieren. Das wird ihr jedoch infolge der in der Vergangenheit entwickelten Bedeutung für diesen Tatbestand besonders schwer fallen. Also bleibt eine letzte Möglichkeit, die Person kann ihre Ernährungsgewohnheiten ändern. Wir sehen, kognitive Dissonanz läßt sich auch durch Verhaltensänderung abbauen (der Raucher hört auf zu rauchen), nur fällt genau das häufig am schwersten. Allgemein gesagt, wird kognitive Dissonanz abgebaut durch: a) Leugnen, Abwerten oder Uminterpretieren der Dissonanz auslösenden Kognition, b) Leugnen des Zusammenhangs zwischen der relevanten vorhandenen Kognition und der Dissonanz auslösenden, hinzukommenden Kognition,
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c) Akzeptanz der Dissonanz auslösenden Kognition, dafür Suche nach neuen konsonanten, passenden Kognitionen, d) Änderung der ursprünglichen Kognition oder Verhaltensweise. Personen sind bestrebt, ihr gesamtes kognitives System, d.h. alle Beziehungen zwischen den füreinander relevanten Kognitionen, spannungsfrei zu gestalten. Dissonanz ist ein als unangenehm empfundener Spannungszustand, verbunden mit dem Wunsch, diesen zu beseitigen. Möntmann (1985) zeigt in seiner vergleichenden Analyse der Theorie kognitiver Dissonanz mit der Informationstheorie von Rényi (1966), daß jede neue Information (die per Definition nur neu sein kann, wenn sie unser vorhandenes Wissen ergänzt oder uns bei Akzeptanz zwingt, vorhandenes Wissen zu revidieren) das kognitive System zunächst in den Zustand der Spannung versetzt. Ob die betroffene Person die neue Information als Informationsgewinn auffaßt und in ihr eigenes kognitives System integriert, oder aber die neue Information verzerrt oder geleugnet wird, das hängt von dem vorhandenen System ab. Eine neue Information wird, allgemein gesagt, dann aufgenommen, wenn der dazu notwendige kognitive Aufwand als geringer angesehen wird, als der der Leugnung oder Verzerrung. Eine andere Möglichkeit wäre eine Situation, in der ein zwar erheblicher kognitiver Aufwand notwendig ist, um eine neue Information in das eigene kognitive System zu integrieren, man sich jedoch aus dem Befolgen der neuen Information (Werbebotschaft) erhebliche Vorteile verspricht (Frey, 1981). Einstellungen, die in erheblichem Maße in der Gesamtweltanschauung einer Person verankert sind, also wichtige Lebensbereiche betreffen, werden daher ausgesprochen selten geändert. Aufgrund ihrer zentralen Stellung im kognitiven System der Person, wird der kognitive Aufwand ihrer Änderung normalerweise als zu groß angesehen. Es bedarf einer Vielzahl nicht zu leugnender widersprechender Informationen, bis derartige zentrale Einstellungen geändert werden. Will man Markenpräferenzen für derartige Produkte ändern, dann bedarf es dafür stichhaltiger Gründe. In diesem Fall würde beispielsweise das ausschließliche Ansprechen von Gefühlen, also eine affektbetonte Werbung nicht ausreichen. Das schließt keinesfalls aus, daß argumentative Werbung gleichzeitig affektive Komponenten beinhaltet. Aus diesem Kenntnisstand ist auch die Wahrnehmung und Verarbeitung dissonanter Informationen durchaus mit der Theorie kognitiver Dissonanz vereinbar. Das hängt zunächst einmal davon ab, wie schwer Informationen zu widerlegen sind (Lowin, 1967; Frey & Benning, 1984): • Konsonante Informationen, die vermutlich schwer zu widerlegen sind, werden gegenüber konsonanten Informationen, die vermutlich leicht zu widerlegen sind, bevorzugt. Die schwer zu widerlegenden konsonanten Informationen sind eher dazu geeignet, das kognitive System zu stabilisieren.
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8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
• Dissonante Informationen, die vermutlich leicht zu widerlegen sind, werden gegenüber dissonanten Informationen, die vermutlich schwer zu widerlegen sind, bevorzugt. Die mögliche Widerlegung dissonanter Informationen ist sogar zu einer Stabilisierung des kognitiven Systems geeignet. Schwer zu widerlegende dissonante Informationen bedrohen das kognitive System jedoch erheblich. • Konsonante Informationen, die vermutlich schwer zu widerlegen sind, werden gegenüber dissonanten Informationen, die schwer zu widerlegen sind, bevorzugt. Dieser Effekt ist aus den beiden erstgenannten leicht ableitbar. • Dissonante Informationen, die vermutlich leicht zu widerlegen sind, werden gegenüber leicht zu widerlegenden konsonanten Informationen bevorzugt. Die leicht zu widerlegende konsonante Information trägt nicht zu einer Stabilisierung des kognitiven Systems bei, wohl aber die Widerlegung einer dissonanten Information. Außerdem können dissonante Informationen unter folgenden Bedingungen bevorzugt werden (Frey, 1979): • Die Person ist bereits in erheblichem Maße mit konsonanten Informationen vertraut, die dissonante Information wird dann als Informationsgewinn betrachtet, der jedoch nicht als Gefahr des infolge vorhandener konsonanter Informationen relativ stabilen kognitiven Systems angesehen wird (Frey, 1981, S. 166177). • Die Person befindet sich bereits in einer Situation extrem hoher Dissonanz, eine Entscheidungsrevision ist bereits sehr wahrscheinlich. Dann können weitere dissonante Informationen die Entscheidungsrevision vorbereiten und sind damit bereits konsonant mit dem Zustand nach Entscheidungsrevision. Voraussetzung dazu ist, daß eine solche Revision möglich ist. Wenn das nicht der Fall ist, dann werden unabhängig von der Höhe kognitiver Dissonanz konsonante Informationen bevorzugt. Die Aufnahme dissonanter Informationen ist somit durchaus mit konsistenztheoretischen Annahmen vereinbar. Die Resultate von Selektivität der Informationssuche lassen sich wie folgt zusammenfassen (vgl. Frey et al, 1982, S. 299): Die ursprüngliche Annahme Festingers (1957), wonach Personen konsonante Informationen suchen und dissonante vermeiden, ist zu modifizieren. Die Bedingungen für die Einschränkungen dieser Art sind wie folgt: • wenn die Personen mit konsonanten Informationen genügend stark vertraut sind, d.h. sie fühlen sich sicher genug, dissonante Informationen verarbeiten zu können;
8.6 Kognitive Aspekte der Kommunikation
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• bei erwarteter Widerlegbarkeit dissonanter Informationen; • bei hoher Nützlichkeit und Glaubwürdigkeit dissonanter Informationen und • bei extrem hoher Dissonanz, verbunden mit der Möglichkeit einer Entscheidungsrevision. Man kann insgesamt von der konsistenz-theoretischen Annahme ausgehen, daß Personen nach einem kognitiven Gleichgewicht streben und Informationen oder Situationen zu vermeiden versuchen, die dieses Gleichgewicht stören. Für Strategien im Rahmen der Marktkommunikation sind die Situationen, in denen dissonante Informationen bevorzugt werden, nur schwer zu prognostizieren. Zudem befinden sich normalerweise immer nur wenige Personen in den Situationen, die zur Bevorzugung dissonanter Informationen Voraussetzung sind. Grundsätzlich wird man daher die Bevorzugung konsonanter Informationen annehmen. Eine wichtige Ausnahme ist der Versuch, bei Abnehmern einen Markenwechsel zu bewirken, das setzt zwangsläufig die Verabreichung dissonanter Informationen voraus. Aus den empirischen Resultaten zur Theorie kognitiver Dissonanz läßt sich vorhersagen, daß ein Markenwechsel um so schwerer zu bewirken ist, je fester vorhandene Markenpräferenzen im kognitiven System der Personen verankert sind. Das kann entweder die Folge von Gewohnheit oder von großer Wichtigkeit der betroffenen Produkte sein. Das erstere ist eine gute Erklärung für die Schwierigkeiten, Marktanteile in alten, stagnierenden Märkten zu gewinnen. Wenn Mühlbacher (1982, S. 171) aufgrund der Vielzahl experimenteller Studien, die eine Bevorzugung dissonanter Informationen hervorbringen, bzw. wenigstens keine Bevorzugung konsonanter Informationen, zu dem Schluß kommt, grundsätzlich die Gleichgewichtstheorien (Konsistenztheorien, von denen die Theorie kognitiver Dissonanz sicherlich die wichtigste ist) in Frage zu stellen, unterliegt er einem Trugschluß. Die Anzahl von Untersuchungen ist, wie schon an anderer Stelle bemerkt, niemals ein Grund, eine Theorie zu beurteilen. Es sind immer die Ausnahmen, die forscherisches Interesse hervorrufen. So gibt es eine Vielzahl von Untersuchungen, die darauf hindeuten, daß ein unglaubwürdiger Kommunikator langfristig erfolgreicher ist als ein glaubwürdiger Kommunikator (Gillig, Greenwald, 1974). Man muß die Voraussetzungen für derartige unerwartete Effekte untersuchen und die relative Häufigkeit ihres Auftretens. Das hat nichts mit der Anzahl vorliegender Untersuchungen zu tun. Es kommt demnach in starkem Maße darauf an, überwiegend vorhandene kognitive Systeme in der Bevölkerung zu erkennen und in der Marktkommunikation zu berücksichtigen. Es scheint unter diesem Gesichtspunkt höchst bedenklich, Werte (als zentrale Einstellung mit entsprechend hohem Änderungswiderstand) im Rahmen von Marketing-Programmen nicht ausreichend zu berücksichtigen.
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8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
8.6.3 Psychologische Reaktanz Kommunikation erfolgt in der Marketing-Praxis gezielt und systematisch, um Personen zu beeinflussen. Dennoch zeigt die praktische Erfahrung, daß die Beeinflussung von Einstellungen, Meinungen oder offenen Verhaltensweisen häufig fehlschlägt bzw. sogar das Gegenteil von dem eintritt, was eigentlich durch die jeweilige Kommunikation erreicht werden sollte. In diesem Fall ändern sich die Einstellungen der Botschaftsempfänger in die entgegengesetzte Richtung der erfolgten Kommunikation. Personen sind offenbar dazu motiviert, sich nicht beeinflussen zu lassen. Eine Analyse des Widerstandes gegen Beeinflussungsversuche stellt die Theorie der psychologischen Reaktanz dar, wie sie von Brehm (1966) sowie Brehm & Brehm (1981) vorgelegt wird. Personen leben mit der Vorstellung, Freiheit in der Ausübung bestimmter Verhaltensweisen zu besitzen. Dazu zählt auch, Einstellungen gegenüber allen denkbaren Tatbeständen zu bilden, aufrecht zu erhalten oder zu ändern. Es ist dabei nicht relevant, ob die jeweilige Person die betreffende Freiheit tatsächlich hat. Sie ist möglicherweise infolge bestimmter, ihr noch nicht bekannter Barrieren gar nicht in der Lage, eine konkrete Handlungsweise auszuüben, sie würde davon z.B. erst anläßlich des ersten Versuchs, diese Handlung auszuüben, Kenntnis erlangen. Bis zu diesem Zeitpunkt jedoch lebt sie mit der Vorstellung, die betreffende Freiheit zu besitzen, und alleine das ist für die eintretenden psychologischen Konsequenzen relevant. Jede tatsächliche, vermutete oder für die Zukunft erwartete Einschränkung oder eine entsprechende Bedrohung dieser subjektiv wahrgenommenen Freiheit führt zu einem inneren Spannungszustand, verbunden mit der Motivation, diese Spannung zu reduzieren oder zu beseitigen. Diese Motivation der Freiheitswiederherstellung ist die psychologische Reaktanz. Ausgangspunkt der Reaktanz-Theorie ist die Bedrohung oder Elimination einer von der betroffenen Person wahrgenommenen Freiheit. Wir können grundsätzlich drei mögliche Arten der Freiheitsbedrohung oder -elimination unterscheiden: (a) (b) (c)
ad (a):
Sozialer Einfluß, im Prinzip durch Kommunikation oder Interaktion. Umweltbedingte Gegebenheiten und/oder Entwicklungen, welche nicht in direktem Zusammenhang mit anderen Personen stehen. Eigenes Verhalten, nämlich Entscheidungen für eine und damit gegen andere Alternativen. Für die Marktkommunikation ist in erster Linie wahrgenommener Beeinflussungsdruck von Bedeutung, also intensiver sozialer Einfluß. Jeder Versuch der Beeinflussung von Personen kann von diesen als freiheitseinengend empfunden werden und somit Reaktanz auslösen. Jede Aussage, die Personen dazu bewegen soll, bestimmte Handlungen zu
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begehen, stellt den Versuch dar, den Entscheidungsspielraum des Umworbenen einzuschränken. Je intensiver die Wahrnehmung dieses Einflusses durch den Umworbenen ist, um so stärker ist die Reaktanz, d.h. der Widerstand gegenüber der Beeinflussung. Umgekehrt können auch Abwertungsversuche möglicher Handlungsalternativen Reaktanz auslösen. Vergleichende Werbung (unabhängig davon, in welchen Ländern diese in welchem Ausmaß zulässig ist) unterliegt dieser Gefahr in ganz erheblichem Maße. Ein Beispiel dafür sind z.B. Anti-Raucher- und Anti-AlkoholKampagnen. Intensive Einflußnahme wird als Angriff auf die eigene angenommene Entscheidungsfreiheit angesehen. Dieses gilt bezüglich konkreter Handlungen, Gewohnheiten und Einstellungen. Personen nehmen auch eine Freiheit wahr, bestimmte Einstellungen beizubehalten, zu ändern oder abzulehnen. ad (b):
Umweltbedingte Freiheitseinengungen können einerseits die physische Unerreichbarkeit bestimmter Güter oder die physische Unrealisierbarkeit bestimmter Handlungsalternativen betreffen. Aber auch restriktive Gesetzgebungen oder die Knappheit von Gütern zählen zu dieser Kategorie freiheitsbedrohender oder eliminierenden Faktoren.
ad (c):
Eigene Entscheidungen bedingen insofern Reaktanz, als diese in der Nach-Entscheidungsphase die vorher gegebene Entscheidungsfreiheit eliminieren. Die Situation nach einer Entscheidung kann mehr oder weniger endgültig sein; in jedem Fall ist ein einmal gegebener Entscheidungsspielraum reduziert. Es bedarf zumindest des Aufwandes einer Entscheidungsrevision, um diesen wieder herzustellen (das gilt sowohl für Handlungs- als auch für kognitive Entscheidungen). Das kann eine mögliche Erklärung für Entscheidungsschwächen sein.
Die Reaktanz-Stärke wird u.a. durch Wichtigkeit der betroffenen Freiheit, sowie Intensität und Ausmaß der Freiheitseinengung beeinflußt. Die betreffende Freiheit, welche eingeschränkt wird, kann mehr oder weniger wichtig sein. Wird die Freiheit bedroht oder eliminiert, zwischen mehreren Gütern des täglichen Bedarfs eine bestimmte Marke auszuwählen, handelt es sich dabei auch noch um Güter, die kaum wahrnehmbare Unterschiede aufweisen und handelt es sich dabei zusätzlich noch um Güter der unteren Ebene der Interessenhierarchie der jeweiligen Personen, dann wird wenig oder keine Reaktanz erzeugt. Einschränkungen bezüglich der Berufswahl hingegen werden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit extrem starke Reaktanz auslösen. Um spätere Reaktanz-Effekte vorherzusehen, die z.B. aus aggressiven Werbeaussagen resultieren können, bedarf es Informationen über die Interessendimension des betreffenden Gutes. Clee und Wicklund (1980) nennen drei wesentliche Kriterien, nach denen die Wichtigkeit der jeweiligen Freiheit beurteilt werden kann.
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8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
1. Die Relevanz der in Betracht kommenden Freiheit für Bedürfnisse und deren Wichtigkeit. 2. Die von der betroffenen Person angenommene Entscheidungskompetenz. Wenn jemand bei einer bestimmten Entscheidung sehr unsicher ist, und diese Freiheit eliminiert wird, dann empfindet er kaum Reaktanz, im Gegensatz zu einer anderen Person, welche in der Lage ist (oder glaubt in der Lage zu sein), alle entscheidungsrelevanten Informationen und Konsequenzen exakt analysieren zu können. 3. „Cognitive Overlap“; werden Entscheidungsalternativen in vielen oder fast allen Dimensionen als identisch angesehen, dann entsteht wenig Reaktanz im Vergleich zu einer Entscheidung, bei welcher zwischen den Alternativen erhebliche Unterschiede bestehen, „Cognitive Overlap“ also sehr gering ist. Auch diesbezüglich ist es wesentlich, die kognitive Seite zu beachten und nicht objektive Fakten, denn nur die von den Personen kognitiv wahrgenommenen und nicht die objektiv vorhandenen (Un-)Gleichheiten sind für die ReaktanzEffekte relevant. Werden Produkte als ähnlich beurteilt, weisen sie in starkem Maße „Cognitive Overlap“ auf. In direkter Beziehung zur Reaktanz-Stärke stehen Ausmaß und Intensität der daraus folgenden Reaktanz-Effekte. Je stärker die jeweilige Reaktanz ist, in um so stärkerem Ausmaß treten die jeweiligen Reaktanz-Effekte auf. Zu erwarten sind u.a. folgende Reaktanz-Effekte: (a) (b) (c) ad (a):
Wiederherstellung der Freiheit durch entsprechende Handlungen. Einstellungs- und Attraktivitätsveränderungen im Gegensinn der beeinflussenden Kommunikation oder allgemein der Reaktanz auslösenden Kräfte. Aggression (Gniech & Grabitz, 1984). Der effizienteste Weg, eine bedrohte oder eliminierte Freiheit wieder herzustellen, ist zweifellos, das betreffende Verhalten dennoch oder gerade aufgrund der erfolgten Bedrohung durchzuführen (Dickenberger & Gniech, 1982, S. 325). Nehmen wir an, eine Person oder Organisation X verbiete einer anderen Person Y eine ganz bestimmte Handlungsweise oder werte diese gegenüber Y stark ab. Wenn X über keinerlei Sanktionsmacht gegenüber Y verfügt, dann kann Y dieses Verhalten ohne weiteres dennoch durchführen. X verfügt über keinerlei Verhaltenskontrolle gegenüber Y. X kann jedoch auch über mehr oder weniger Sanktionsmacht gegenüber Y verfügen. In diesem Falle wird Y dann das betreffende Verhalten durchzuführen versuchen, wenn die empfundene Reaktanz als negativ bewerteter Tatbestand die Nachteile der zu erwartenden Sanktionen durch X übertrifft.
8.6 Kognitive Aspekte der Kommunikation
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Y kann seine Verhaltensfreiheit auch durch eine mehr oder weniger intensiv ausgesprochene Empfehlung (statt Verbot) seitens X eingeengt sehen. Die Reaktanz-Theorie besagt, daß der Reaktanz-Effekt um so stärker ist, je intensiver X gegenüber Y die Durchführung einer bestimmten Verhaltensweise empfiehlt. D.h., Y kann sich in seiner Verhaltensfreiheit, ein bestimmtes Verhalten auszuüben, durch die Beeinflussung so stark bedroht fühlen, daß er Freiheit dadurch wiederherstellt, indem er die betreffende Handlung gerade nicht ausübt, obwohl er es ohne die Beeinflussung möglicherweise getan hätte. Umgekehrt kann die Empfehlung, eine Handlung nicht auszuüben, Reaktanz-Effekte bewirken, die dazu führen, daß die betroffene Handlung gerade ausgeübt wird, weil die Person Y sich in der Handlungsfreiheit bedroht fühlte, eine Handlung auszuüben. Je stärker eine Verhaltensbeeinflussung in die eine oder andere Richtung empfunden wird, desto stärker sind Reaktanz und folglich die Reaktanz-Effekte. Erfolgt statt einer Freiheitsbedrohung eine Elimination der Freiheit, dann können Reaktanz-Effekte in der Form auftreten, daß versucht wird, die betreffende Elimination wieder rückgängig zu machen. ad (b):
Eng mit dem eben beschriebenen Reaktanz-Effekt hängt ein zweiter Effekt zusammen: die Änderung der Attraktivität von Handlungsalternativen. Als Folge der bestehenden Reaktanz steigt die Attraktivität verbotener oder abgewerteter Handlungsalternativen und fällt die Attraktivität aufgezwungener oder intensiv empfohlener Handlungsalternativen. Dies trifft auch auf die Auswahl von Gütern als Handlungsalternative zu. Die Frage der Einstellungsverschiebung in die entgegengesetzte Richtung als durch die Beeinflussung beabsichtigt, ist auch für das Verhalten in Organisationen von Interesse. Personen verhalten sich dann häufig in Gegenwart von mit Sanktionsmacht ausgestatteten Personen organisationskonform. Infolge der entstehenden Reaktanz verschieben sich die Einstellungen. Das kann sich dann gegenteilig auf das Verhalten in Abwesenheit der über Sanktionsmacht verfügenden Personen (Vorgesetzte) auswirken.
ad (c):
Es ist naheliegend, daß Personen auch mit Feindseligkeit gegenüber einer die persönliche Freiheit einengenden Institution oder Person reagieren können.
Voraussetzung für das Auftreten der hier aufgezeigten Reaktanz-Effekte ist, daß die betreffende Person vorher gelernt hat, Freiheit zu besitzen. Konsumenten, die in der Vergangenheit niemals die Möglichkeit gehabt haben, zwischen bestimmten Konsumgütern zu wählen, werden auch keine Reaktanz empfinden, wenn sie bestimmte Artikel zugeteilt bekommen. Andere Personen werden in der gleichen
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8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
Situation erhebliche Reaktanz wahrnehmen, wenn sie vorher gewohnt waren, zwischen den in Betracht kommenden Artikeln frei zu wählen. Daß Beeinflussungen, aus denen die Beeinflussungsabsicht direkt hervorgeht, Reaktanz auslösen, wurde von Wicklund (1974, S. 31, 32) experimentell geprüft und bestätigt. Werbung ist von vornherein als gezielte Beeinflussung erkennbar. Auch das Ziel derartiger Beeinflussungen ist relativ einfach wahrzunehmen. Grundsätzlich kann für Werbewirkungen angenommen werden, daß um so eher Reaktanz-Effekte auftreten, je intensiver die Beeinflussungsabsicht wahrgenommen wird und je intensiver ganz bestimmte Verhaltensweisen durch die Werbebotschaft hervorgehoben werden. Andere Formen der Marktkommunikation wie „Product Placement“, „Publicity“, „Event Marketing“ sind in dieser Hinsicht der Werbung gegenüber im Vorteil. Für die Gestaltung von Kommunikations-Kampagnen kann es daher zweckmäßig sein, die Wahrnehmung der Beeinflussungsabsicht zu verhindern. Dazu eignen sich in besonderem Maße emotional und bildhaft gestaltete Werbemaßnahmen. Auch bei der argumentativen Gestaltung kann möglichen Reaktanz-Effekten Rechnung getragen werden. Das argumentative Spiel mit Entscheidungsfreiheit (des Konsumenten) ist allerdings ein zweischneidiges Schwert. Möglicherweise werden Botschaftsempfänger erst durch Hinweise auf vorhandene Entscheidungsfreiheit auf die Beeinflussungsabsicht aufmerksam gemacht. Sie werden sozusagen für Reaktanz-Motivation sensibilisiert.
8.6 Kognitive Aspekte der Kommunikation
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8.6.4 „Cognitive Response“ 8.6.4.1 Das Modell Es gibt aus der Werbepraxis genügend Beispiele für umfangreiche Werbekampagnen, die schnell wieder vergessen wurden, andere bleiben sehr lange im Gedächtnis bestehen. Eine mögliche Erklärung - und damit auch denkbare Hinweise für zukünftige Kampagnen - liefert der „Cognitive Response“-Ansatz, der im folgenden dargestellt wird. Zentrales Element ist das „Elaboration Likelihood Model“ (ELM), in welchem die Möglichkeit intensiver Informationsverarbeitung durch die Empfänger der Botschaft untersucht wird. Die Intensität der Informationsverarbeitung scheint eine bedeutende Einflußgröße für dauerhafte Werbewirkung zu sein. Ein zweiter Aspekt für langfristige Werbewirkung scheint die Frage der Kontinuität der Werbestrategie zu sein. Dieser Aspekt läßt sich sowohl unter lerntheoretischen als auch unter ELM-Aspekten behandeln. Überhaupt wird der „Cognitive Response“-Ansatz insgesamt von seinen Vertretern nicht als Konkurrenz zu anderen theoretischen Konzepten (Lerntheorien, kognitive sozialpsychologische Theorien, Wahrnehmungstheorien) verstanden. Er liefert jedoch vertiefende Einblicke. Der „Cognitive Response“-Ansatz stellt die spontanen, unstrukturierten gedanklichen Reaktionen, bzw. Gedanken („Cognitive Responses“) als vermittelnde Faktoren für die Änderung oder Entstehung von Einstellungen während der Wahrnehmung der beeinflussenden Botschaft in den Mittelpunkt der Betrachtung (Olson, Toy & Dover, 1981, S. 116). Die während einer Beeinflussung gebildeten „Cognitive Responses“ sind äußerst vielfältiger Natur. Es kann sich dabei um Gedanken handeln, die sich direkt und argumentativ mit den Aussagen der Botschaft entweder befürwortend (Pro-Argumente) oder ablehnend (Kontra-Argumente) auseinandersetzen. Es kann sich um objektfremde Assoziationen handeln, aber auch um Erinnerungen an objektbezogene Erlebnisse oder frühere Aussagen. Beispiele dafür sind frühere Produkterlebnisse oder Werbeaussagen. Werbung, die bestimmte Emotionen anspricht, kann zu Assoziationen mit anderen Emotionen führen, die den angesprochenen Emotionen ähnlich sind, oder in irgendeiner anderen Beziehung zu ihnen stehen. Ganz allgemein gesagt lassen sich die „Cognitive Responses“ in zwei Dimensionen beschreiben: • Mehr oder weniger enger Bezug zum Botschaftsinhalt selber, • mehr oder weniger positiv oder negativ bzw. unterstützend oder ablehnend. Die Wirkung beeinflussender Botschaften hängt im wesentlichen von zwei Komplexen ab, einmal von der Qualität der Informationsverarbeitung (damit sind die Inhalte der „Cognitive Responses“ gemeint, sowie deren Richtung - positiv oder negativ im Sinne der Botschaft), außerdem von der Intensität der Informationsverarbeitung. Die durch verschiedene Techniken erhebbaren „Cognitive Responses“ (u.a. durch schriftliche oder mündliche Protokolle, vgl. zu den unterschiedlichen
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8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
Methoden Cacioppo, Harkins & Petty, 1981, S. 38-47, dort werden auch Validitäts- und Reliabilitätsfragen erörtert, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann) zeigen interessante Zusammenhänge zwischen den protokollierten Daten und den resultierenden Einstellungsfolgen nach kommunikativer Beeinflussung. Langfristig meßbare und stabile Einstellungsänderungen im gewünschten oder entgegengesetzten Sinne der Botschaft erfolgen nur nach aktiver Informationsverarbeitung, d.h. nach intensiven „Cognitive Responses“. Kommt es zu keiner aktiven Informationsverarbeitung, zu keinem Sich-Auseinandersetzen mit der Botschaft, dann kann nur eine kurzfristige, instabile Einstellungsänderung eintreten. Der erste Fall wird als „Central Route to Persuasion“ als „Zentraler Weg der Beeinflussung“, der zweite Fall als „Peripheral Route to Persuasion“ als „Peripherer Weg zur Beeinflussung“ bezeichnet (Petty & Cacioppo, 1984a). Welche Faktoren bestimmen nun insgesamt und mit welchen Konsequenzen die Wahrscheinlichkeit für den einen oder anderen Weg der Beeinflussung? Die Antwort gibt das „Elaboration Likelihood Model“ (ELM) von Petty & Cacioppo, (1984a, 1985, 1986), das im folgenden behandelt wird. Zwei Faktoren sind zunächst als Voraussetzung dafür anzusehen, daß es überhaupt zu einer aktiven Informationsverarbeitung kommt: Fähigkeit und Motivation. Die Fähigkeit zur aktiven Informationsverarbeitung wird durch Persönlichkeitsfaktoren und durch Umweltfaktoren situativer und medienspezifischer Art bestimmt. Was die Werbung für Konsumgüter betrifft, so können wir wohl in der Regel davon ausgehen, daß die angesprochenen Personen persönlich dazu fähig sind, die Werbebotschaften zu verstehen. Ein Risiko bergen gewisse Metaphern, sprachliche oder visuelle kreative Gestaltungen, die zu Verfremdungen führen. Es dürfte jedoch für professionelle Marketing-Kommunikation selbstverständlich sein, solche Werbemaßnahmen auf deren Verständnis bei der Zielgruppe hin zu überprüfen. Ein Problem stellen in dieser Hinsicht die Umweltfaktoren dar. Einige Medien bergen das Risiko der Ablenkung während der Werbedarbietung in sich, verbunden mit der fehlenden Möglichkeit einer Wiederholung. Das trifft bekanntermaßen auf Funk- und TV-Werbung gleichermaßen zu. Im Gegensatz dazu können der Nutzer von gedruckten Medien selber bestimmen, ob, wann und wie lange sie sich mit einer Werbebotschaft beschäftigen. In jedem Fall kann die Fähigkeit zur Informationsverarbeitung bei den sog. elektronischen Medien durch die spezifische Art der Darbietung gemindert werden. Die Motivation wird im wesentlichen durch die Bedeutung der Werbebotschaft für die Konsumenten bestimmt und durch die Bedeutung, die sie der Werbung in den verschiedenen Medien zumessen, dem „Involvement“ oder der „Ich-Beteiligung“. Damit ist jedoch erst die erste Stufe im ELM erläutert; die Frage, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit es überhaupt zu einer aktiven und relativ intensiven Informationsverarbeitung bei den Umworbenen kommt. Erfolgt diese, dann ist eine relativ stabile Einstellungsänderung möglich. Sind die Voraussetzungen
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nicht gegeben, dann ist zwar auch eine Wirkung hinsichtlich der Einstellungen, Wünsche usw. der Konsumenten möglich, jedoch ist diese höchst labiler Natur und nur solange wirksam, als die Botschaft von den Umworbenen erinnert wird oder anderweitig präsent ist. Das erfordert letztlich eine möglichst permanente werbliche Präsenz. Da die Werbewirkung instabiler Natur ist, würde Konkurrenzwerbung relativ schnell wirksam werden und die Wirkung der eigenen Werbung überlagern. Diese Art der Beeinflussung wird als peripherer Weg bezeichnet. Ist die Botschaft in diesem Fall gedanklich nicht mehr präsent, tritt keine Beeinflussung ein bzw. verliert eine peripher eingetretene Beeinflussung ihre Wirkung. Das ist der Fall des relativ schnellen Vergessens von Werbebotschaften. Die differenzierte Analyse des „Involvement“-Konzeptes zeigt aber, daß auch im Bereich der „Low Involvement“-Produkte die Möglichkeit besteht, den zentralen Weg der Beeinflussung zu realisieren, wenn es gelingt, die Marktkommunikation auf einzelne Aspekte mit überdurchschnittlichem „Involvement“ zu konzentrieren oder wenn es gelingt, ein Bedürfnis nach Information zu intensivieren. Im folgenden bestimmt dann die Art der Informationsverarbeitung die möglicherweise eintretenden Kommunikationsfolgen. Die „Cognitive Responses“ oder die Gedanken während der Darbietung können positiv oder negativ im Sinne der Botschaft ausfallen oder neutraler Natur sein. Es kann sich dabei um ein aktives SichAuseinandersetzen mit den Argumenten innerhalb der Botschaft handeln. Dabei produziert der Rezipient unterstützende (positive) oder ablehnende, vielleicht die eigene, botschaftskonträre Einstellung untermauernde Gegenargumente. Auch Assoziationen sind denkbar und relevant, die nicht in sachlichem Zusammenhang mit dem Beeinflussungsziel oder dem Inhalt der Botschaft stehen. Es mögen positive oder negative Stimmungen oder Erinnerungen geweckt werden. Alle diese „Cognitive Responses“ bestimmen die in der Folge eintretenden Kommunikationsfolgen. Überwiegen neutrale Gedanken oder halten sich ablehnende und unterstützende Gedanken die Waage, dann ist eine Einstellungsänderung höchst unsicher, wenn sie erfolgt, dann in der instabilen Form wie bei „Low Involvement“. Überwiegen die positiven (i.S. der Botschaft) Gedanken, ist eine dauerhafte Einstellungsänderung i.S. der Botschaft möglich. Überwiegen hingegen die negativen (i.S. der Botschaft) Gedanken, ist eine dauerhafte Einstellungsänderung entgegen der Beeinflussungsabsicht möglich; wir sprechen von einem Bumerang-Effekt. Ob eine solche Einstellungsänderung letztlich eintritt, das hängt vom gesamten kognitiven System der umworbenen Person ab. Damit ist wiederum die Theorie kognitiver Dissonanz angesprochen. Eine Person mag überzeugter BMW-Fahrer sein; diese Person mag eine Anzeige für MERCEDES aufnehmen und intensiv verarbeiten. Es können auch in starkem Maße überwiegend positive „Cognitive Responses“ aufkommen. Dennoch ist es möglich, daß diese Person an ihrer Einstellung gegenüber diesen beiden Automarken nichts ändert. Das hängt allgemein gesagt, davon ab, wie stark sie einer Marke verbunden ist, wie stark der Änderungswiderstand beteiligter Kognitionen ist.
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8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
Wir fassen das ELM zusammen: Es gibt zwei Wege der Beeinflussung, einen zentralen und einen peripheren. Der zentrale Weg zur Beeinflussung führt unter bestimmten Voraussetzungen zu einer dauerhaften und stabilen Einstellungsänderung, der periphere Weg nur zu einer instabilen Einstellungsänderung, unter der Voraussetzung, daß die Beeinflussung gedanklich oder tatsächlich noch präsent ist. Erste Voraussetzung für den zentralen Weg der Beeinflussung ist Fähigkeit und Motivation zur aktiven, intensiven Informationsverarbeitung. Wesentliche Beeinflussungsfaktoren dafür sind medienspezifischer Natur und insbesondere das „Involvement“-Konzept. Erste Stufe der Informationsverarbeitung sind die „Cognitive Responses“, die Gedanken während der Informationsdarbietung, die positiver, negativer oder neutraler Natur sein können. Bei gleichermaßen intensiv auftretenden negativen und neutralen „Cognitive Responses“ oder bei Überwiegen der neutralen „Cognitive Responses“ erfolgt gleichfalls nur eine vorübergehende, instabile Einstellungswirkung. Bei Überwiegen der positiven oder negativen „Cognitive Responses“ ist eine dauerhafte Einstellungsänderung möglich, jedoch nur unter der Voraussetzung, daß eine Änderung des kognitiven Systems dergestalt erfolgt, daß die Botschaft, bzw. die gebildeten „Cognitive Responses“ in das kognitive System der betroffenen Person integriert werden. Die dazu notwendigen Voraussetzungen lassen sich aus der Theorie kognitiver Dissonanz in der von Irle (1975) revidierten Fassung und den neueren Forschungsresultaten nach Möntmann (1985) ableiten. Wie die Darstellung des „Cognitive Response“-Konzeptes in Abbildung 8-8 verdeutlicht, besteht bei dem „peripheren“ Weg der Beeinflussung permanent die Gefahr keiner oder einer nicht mehr wirksamen Beeinflussung. Beim „zentralen“ Weg der Beeinflussung besteht dem gegenüber die Gefahr von BumerangEffekten. Diese Gefahr ist bei nur „peripherer“ Beeinflussung infolge fehlender Bereitschaft, sich intensiv mit den Argumenten der Botschaft auseinanderzusetzen, praktisch nicht gegeben.
8.6 Kognitive Aspekte der Kommunikation
Beeinflussende Kommunikation (z.B. Werbespot)
Motivation zur Informationsverarbeitung (z.B. „Involvement“)
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Nur zeitweise, instabile Einstellungsänderung i.S. der Botschaft, solange diese noch erinnert wird oder gegenwärtig ist
nein
ja
ja Fähigkeit zur Informationsverarbeitung (Abhängigkeit von persönlicher Fähigkeit und Umweltfaktoren, wie dem Medium)
nein
Gedankliche (kognitive) Präsenz der beeinflussenden Botschaft, (z.B. Marken- oder Produktnamen als Absender)
ja nein Qualität der Informationsverarbeitung, abhängig von den daraus resultierenden Kognitionen und deren Bezug zur Botschaft Überwiegend Überwiegend Es überwiegen positiv (i.S. der negativ (i.S. weder positive Botschaft) der Botschaft) noch negative Kognitionen
Veränderungen des kognitiven Systems der betroffenen Personen als Resultat der Informationsverarbeitung, d.h. ob die Botschaft tatsächlich als neue Botschaft verarbeitet und aufgenommen wird ja positiv Langfristig stabile positive Einstellungsänderung i.S. der Botschaft. Das Kommunikationsziel ist nur hier erreicht!
Es erfolgt keine Beeinflussung, weder im positiven noch im negativen Sinn.
nein
ja negativ Langfristig stabile negative Einstellungsänderung i.S. der Botschaft. Wir sprechen von einem Bumerang-Effekt!
Abbildung 8-8: Darstellung des „Cognitive Response“-Ansatzes (Petty & Cacioppo, 1984a, 1985, 1986)
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8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
8.6.4.2 Konsequenzen für die Marktkommunikation Werbestrategien oder, allgemein gesagt, Kommunikationsstrategien können sinnvollerweise danach unterschieden werden, ob sie Aussagen enthalten bezüglich derer die angesprochenen Konsumentensegmente mehr oder weniger „involved“ sind. Im „High Involvement“-Bereich sind Einstellungsänderungen nur schwer zu bewerkstelligen, wenn sie jedoch einmal erreicht worden sind, dann sind diese auch relativ stabil und verfestigt. Der Kommunikationserfolg hängt im „High Involvement“-Bereich von der Menge und Art der „Cognitive Responses“ ab. Enthalten Werbeaussagen im „High Involvement“-Bereich selber nur wenige Informationen, dann rufen die Rezipienten Informationen auch intern in Form von Assoziationen oder Erinnerungen ab. Daraus läßt sich die Berechtigung einer Strategie ableiten, wonach eine Werbebotschaft in Funk oder TV nach erfolgter Durchsetzung gekürzt wird, oder eine Botschaft, welche zunächst über ein relativ teures Medium (TV) kommuniziert wird, weil möglicherweise Handhabungen demonstriert werden sollen, wird später über Printmedien kommuniziert, wenn diese die Zielgruppe genauer erreichen, als dies über TV möglich war. Solange sichergestellt bleibt, daß die gewünschten Assoziationen noch stark genug bei den Personen der Zielgruppe präsent sind, ist auch eine gekürzte, weniger farbige oder verkleinerte Erinnerungswerbung sinnvoll. Auch die in der Praxis der Marktkommunikation weitgehend übliche Vermeidung negativer Elemente in der Werbung erfährt hier eine deutliche Bestätigung. Betont beispielsweise eine Versicherungswerbung in zu starkem Maße die Gefahren, vor denen man sich schützen soll, dann werden mit dieser Botschaft stark negativ gefärbte Assoziationen geweckt, die sich auf die Botschaft selbst übertragen und eher zu einer Ablehnung führen. Die so entstehenden negativen Assoziationen werden in der Folge immer dann geweckt, wenn schon alleine der Name oder das betreffende Markenbild präsentiert wird. Eine sicherlich nicht neue Erfahrung wird somit nachträglich bestätigt. Haben wir es mit Produkten der „High Involvement“-Kategorie zu tun, dann kann versucht werden, über das Finden einiger (weniger) Dimensionen bezüglich derer die Konsumenten (bzw. das angesprochene Marktsegment!) „high involved“ sind, eine entsprechende, am zentralen Weg der Beeinflussung orientierte Kommunikations-Strategie zu ermöglichen. Entscheidend für den Kommunikationserfolg dürfte es dann sein, die gesamte Marktkommunikation auf nichts anderes als genau die wenigen „High Involvement“-Dimensionen zu konzentrieren. Die „Copy-Strategy“, von Praktikern oft geschmäht (Séguéla, 1983), findet hier eine fundamentale Berechtigung. Wer der Marktkommunikation keinen Selbstzweck einräumt, der sieht in der Einengung durch eine „Copy-Strategy“ keinen Mangel. Die „Copy-Strategy“ soll/muß einengen, nämlich auf die möglichst weni-
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gen, jedoch wichtigen Aussagen und Ziele der Marktkommunikation, nicht nur der Werbung, sondern des gesamten Kommunikations-Mix. Im totalen „Low Involvement“-Bereich besteht keine andere Möglichkeit, als den im ELM dargestellten peripheren Weg der Beeinflussung zu akzeptieren. Es gilt, möglichst permanent in hoher Frequenz bei der Zielgruppe präsent zu sein. Es ist keineswegs von Nachteil, sich mit den anzubietenden Produkten im „Low Involvement“-Bereich zu befinden. Es sind nur gänzlich andere KommunikationsStrategien erforderlich, als dies im „High Involvement“-Bereich der Fall ist. Ganz sicher neigen viele Märkte in der Sättigungsphase stärker zu „Low Involvement“ als zu „High Involvement“. Die notwendige Strategie wird von Kroeber-Riel und Weinberg (2003, S. 346) in einem Satz umrissen (darauf haben wir schon an anderer Stelle in Kapitel 6 hingewiesen.): „Lernen mit geringem Involvement erfordert zwar häufige Wiederholung der Information, aber es unterläuft der gedanklichen Kontrolle der Empfänger.“ Genau das wird durch das ELM im „Cognitive Response“-Ansatz überdeutlich bestätigt. Das bedeutet, daß beispielsweise Affekte hervorrufenden Bildinformationen stärkere Bedeutung zukommt, als argumentativen Beeinflussungen, die, wenn keine Motivation zur Verarbeitung vorliegt, zur Wirkungslosigkeit verdammt sein müssen! Das bedeutet ferner, daß die emotionale Alleinstellung von Marken wesentlicher wird, als komplexe Qualitätsmuster. Der Nachteil liegt in der Tatsache, daß eben ein dauerhafter relativ intensiver Werbedruck erforderlich wird. Ist dieser aus Budgetgründen nicht realisierbar, gibt es nur zwei Alternativen: Einschränkung der Zielgruppe, um dann wenigstens in einem ausgewählten Segment ausreichenden Werbedruck zu realisieren (das erscheint ökonomischer, als in einer viel größeren Zielgruppe insgesamt zu wenig Werbedruck zu realisieren); oder es muß gelingen, „High Involvement“-Dimensionen in der Zielgruppe zu finden, die eine dauerhafte und stabile Beeinflussung ermöglichen, welche dann gelegentliche Werbepausen oder Reduzierungen des Werbedrucks zulassen. Als nächstes ist nun die Frage zu beantworten, wie denn langfristige Strategien, die sich aus dem ELM ableiten lassen, zu strukturieren sind. Wir haben ja in beiden Fällen peripherer als auch zentraler Beeinflussung das Problem langfristiger Wirkungen zu analysieren. Der „Cognitive Response“-Ansatz liefert hierzu einige Aussagen, die aus der Erhebung der „Cognitive Responses“ während wiederholter Darbietung von Stimuli resultieren. Das Auftreten positiver oder negativer Assoziationen oder sonstiger Responses liefert Aufschluß insbesondere darüber, ob langfristige Werbestrategien eher kontinuierlich oder eher abwechslungsreich zu strukturieren sind. Im folgenden beziehen wir uns im wesentlichen auf Analysen von Sawyer (1981), beschränken uns jedoch auf die praktischen Auswirkungen, weniger auf die Darstellung empirischer Untersuchungen, die besser vollständig im Original eingese-
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8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
hen werden. Um den gelegentlich immer wieder auftretenden Vorwurf gegen Laborexperimente zu entkräften, wird zum Schluß kurz auf eine umfassende Felduntersuchung eingegangen (Krum & Culley, 1984). „Lernen oder Abnutzung von Botschaften?“ diese Frage beschreibt ein in der Werbung häufig auftretendes Problem. Wenn es auch eine Reihe von Lerntheorien gibt, die keineswegs immer zu einheitlichen Schlußfolgerungen berechtigen (vgl. den Gesamtüberblick bei Irle, 1986), so läßt sich doch eine Aussage herausstellen: „...immer wieder hervorzuheben ist der zentrale Punkt, daß bekannte Reize, vor allem symbolische (Marken) Reize, leichter und schneller wiedererkannt werden.“ (ebenda, S. 138). Die Wahrnehmung von Werbebotschaften ist beispielsweise in Printmedien äußerst kurz. Daher ist eine rasche Erkennung ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Daß die Wiederholung von Stimuli nicht nur die Wiedererkennung sondern auch die Einstellung positiv mit zunehmender Wiederholung verändern kann, wurde in klassischen Experimenten von Zajonc (1968) gezeigt. Dieser „Positive Effekt durch Gewöhnung“ (vgl. Abbildung 8-9) spricht in jedem Fall für Kontinuität in der Markt-Kommunikation. Ebenso, wie dieser Gewöhnungseffekt in einer Reihe von Untersuchungen bestätigt werden konnte, lassen sich gleichfalls Befunde aufweisen, in denen mehrmalige Wiederholung zu einer verminderten Akzeptanz der Stimuli führte, unabhängig von einer schnelleren Wiedererkennung; „Negativer Effekt durch Redundanz“ in Abbildung 8-9. Aus der Kombination beider Effekte (Gewöhnung/Redundanz) läßt sich ein Mittelwert als Netto-Effekt darstellen, wie in der Abbildung 8-9, in Anlehnung an Berlyne (1970). Auch im positiven, bzw. zunehmenden Wirkungsbereich des Netto-Effektes nimmt der Wirkungszuwachs ab. Wir können jedoch durchaus versuchen, beide Effekte in dauerhaften Kommunikations-Strategien zu berücksichtigen, um die Kommunikationswirkung insgesamt zu optimieren. Ein wichtiges Instrument dazu ist die Copy-Strategy!
8.6 Kognitive Aspekte der Kommunikation
positiv
545
Wirkung verschiedener Effekte Positiver Effekt durch Gewöhnung
Tatsächlich eintretende Werbewirkung
Kontaktintensität negativ
Negativer Effekt durch Redundanz
Abbildung 8-9: Berlyne's (1970) Zwei-Faktoren-Theorie zur Sympathie gegenüber wiederholten Stimuli Weitere Schlußfolgerungen aus der „Cognitive Response“-Forschung sind: Beeinflussungs-Effekte, die durch die Häufigkeit der Darbietung entstehen, lassen sich ermitteln, indem die „Cognitive Responses“ bei Testpersonen nach jeweils unterschiedlich häufiger Darbietung ermittelt werden. Cacioppo und Petty (1979) präsentierten ihren Testpersonen eine Botschaft ein-, drei- oder fünfmal. Bei dreimaliger Darbietung zeigte sich eine Verbesserung der Relation positiver gegenüber negativer Responses, die sich jedoch bei fünfmaliger Darbietung wieder verschlechterte. Vermutlich trat nach fünfmaliger Präsentation Redundanz ein, da die einzelnen Botschaften in keiner Weise variiert wurden. In einer anderen Untersuchung (McCullough & Ostrom, 1974) wurden die Testpersonen gleichfalls mit bis zu fünfmaliger Darbietung konfrontiert. Es gab insgesamt 5 Testgruppen, so daß die Reaktionen in jeder Stufe ermittelt werden konnten. Außerdem wurden die Stimuli leicht (!) variiert. Die Resultate sind in der folgenden Tabelle 8-2 nach McCullough und Ostrom (1974) dargestellt:
546
8. Psychologische Theorien zur Beeinflussung durch Kommunikation
Tabelle 8-2: Entwicklung positiver/negativer Responses nach ein bis fünf Darbietungen (McCullough & Ostrom, 1974, S. 397)
Anzahl der Darbietungen
1
2
3
4
5
Anzahl positiver Responses
2,76
3,24
3,22
3,58
3,70
Anzahl negativer Responses
4,64
4,34
3,70
3,54
3,94
Anteil der positiven Responses in Prozent
37,30
42,70
46,50
50,30
48,40
Es zeigt sich oft, daß selbst bei fünfmaliger Präsentation die negativen Responses noch überwiegen, daß jedoch deren Anteil von einmaliger bis fünfmaliger Darbietung praktisch kontinuierlich abnimmt, wir haben also einen positiven Gesamteffekt. Die Höhe der negativen Responses spiegelt möglicherweise eine doch eher negative Einstellung der Versuchspersonen gegenüber Werbung, um die es sich bei der Untersuchung von McCullough und Ostrom, (1974) im Gegensatz zu Cacioppo und Petty (1979) handelt. Es fällt nicht schwer sich vorzustellen, wie viele Kontakte notwendig sind, um tatsächlich ein deutliches Überwiegen der positiven Responses zu realisieren, was selbstverständlich in starkem Maße auch von der Gestaltung der Werbung im Einzelfall abhängt und von den Zeiträumen zwischen den einzelnen Kontakten. Diese müßten kurz genug sein, um auf einen positiven Trend vorangegangener Kontakte aufbauen zu können. Diese Abstände sind selbst bei täglich einem Kontakt im Vergleich zu labormäßiger Untersuchung noch verhältnismäßig lang! Wünschenswert sind Langzeituntersuchungen unter quasi-labormäßigen Bedingungen, wobei auch die Objekte der Kommunikation (Werbung aus verschiedenen Bereichen) differenziert zu untersuchen wären. Es zeigt sich, daß kreative (und damit neuartige) Werbung anfangs von den Konsumenten abgelehnt wird. Erst nach einer Gewöhnungsphase steigt die Akzeptanz. Da die Qualität der „Cognitive Responses“ offensichtlich von erheblicher Bedeutung für den Beeinflussungserfolg ist, und diese außerdem offensichtlich von der Häufigkeit der Darbietung beeinflußt wird, könnte dieser Tatbestand in der praktischen Überprüfung laufender Werbekampagnen berücksichtigt werden. Es wird daher hier vorgeschlagen, die kontinuierliche Wirkung langfristiger Werbekampagnen durch regelmäßige Erhebung der „Cognitive Responses“ abzusichern. So kann einigermaßen Sicherheit über die Wirkung im Zeitablauf gewonnen werden. Sawyer kommt nach Analyse vorliegender Untersuchungen zu folgender Schlußfolgerung: „It is well established that repetition of similar but nonidentical ads in terms of both recall.... and persuasion ...“. (Sawyer, 1981, S. 257). Außer-
8.6 Kognitive Aspekte der Kommunikation
547
dem zeigt die Gegenüberstellung der „Cognitive Responses“ bei „hard-sell“Werbung gegenüber „soft-sell“-Werbung, daß die Wirkung langfristiger „softsell“-Kampagnen den „hard-sell“-Kampagnen überlegen ist: „Repetition of softsell ads would increase persuasion more than repetition of hard-sell ads“ (ebenda, S. 261). Durch Wiederholung läßt sich außerdem die Dauerhaftigkeit erzielter Beeinflussung erhöhen. Kontinuität in der Marktkommunikation läßt sich auch in der Realität des praktischen Marketing als vorteilhaft nachweisen: Krum und Culley (1984) untersuchten die Relation von Marktanteilsentwicklungen und Anzahl der eingesetzten Werbekampagnen über einen Zeitraum von 20 Jahren bei insgesamt 18 Marken. Es ließ sich zeigen, daß durchweg die Marken mit längerfristig angelegten Kommunikationskonzepten, mit weniger Kampagnenwechsel die erfolgreicheren in der Entwicklung der Marktanteile waren, im Vergleich zur Entwicklung der Marktanteile solcher Marken mit häufigerem Kampagnenwechsel. Es wurden immer Marken innerhalb eines Marktes verglichen. Neben dieser systematischen Untersuchung findet sich in der Marketing-Realität eine Vielzahl von Beispielen, in denen deutlich wird, daß langfristige Kommunikationsstrategien für den Erfolg von Marken vorteilhaft sind. Die Tatsache, daß es auch Gegenbeispiele gibt, relativiert diese Aussagen höchstens, ohne sie widerlegen zu können. Streng methodisch argumentiert, haben Krum und Culley (1984) lediglich die Hypothese, daß langfristige Kampagnen sich negativ auf den Erfolg auswirken, nicht falsifiziert. Sehr langfristige Kampagnen haben den erfolgreichen Marken in der Studie offenkundig nicht geschadet. Das bedeutet, wir können die These, daß langfristige Kampagnen schädlich sind, erst einmal verwerfen. IKEA ist ein Beispiel dafür, regelmäßig neue Kampagnen im TV zu plazieren. Ob das eine „Einzel-Fall-Falsifikation“ sein kann, wäre nur dann prüfbar, wenn wir einen direkten Wettbewerber finden, der sich in der Häufigkeit des Kampagnenwechsels von IKEA deutlich unterscheidet, ansonsten aber in nahezu gleicher Intensität in den Medien wirbt. Es reichte für eine Falsifikation auch nicht aus, jetzt gezielt eine Reihe von Markenartikeln zu suchen, die sich durch häufigen Kampagnenwechsel auszeichnen, und zu versuchen, damit die Krum & Culley-Studie zu widerlegen. Bei gezielter Suche nach Beispielen lassen sich auch heute genauso viele finden, die für die Studie sprechen. Widerlegen läßt sich diese Studie nur, wenn nach einem Zufallsprinzip (und wenn das nicht möglich ist, wenigstens nicht gezielt) viele Einzelfälle gesucht und anschließend geprüft würden. Aber dann haben wir genau den Testaufbau der Studie von Krum und Culley (1984), es wäre eine Widerholung, allerdings eine qualifizierte und willkommene kritische Überprüfung der vorliegenden Untersuchungsresultate. So und nicht anders kann mit wissenschaftlichen Studien umgegangen werden.
9. Messung der Kommunikationswirkung 9.1 Problemstruktur Ziel der Marktforschung, wie wir sie hier behandeln, ist es, Einblicke in die Wirkung der Kommunikationsmittel vor dem Einsatz auf dem Markt zu erhalten. Der Pretest geschieht durch Befragungen, Einsatz apparativer Verfahren, Beobachtungen oder in EAN-gestützten Testmärkten unter Einsatz elektronischer Fernsehforschung. Letztere ist neuerdings auch mit Zeitschriften kombinierbar. Immer wieder wurde diskutiert, welche Verfahren die geeigneteren seien. Wir wollen zeigen, daß schon diese Frage falsch gestellt ist. Es geht nicht darum, einzelne Verfahren hervorzuheben. Es geht darum, welche Verfahren welche spezifischen Dimensionen der Kommunikationswirkung messen können. Im folgenden soll ein sozialpsychologisches Modell der Kommunikation angewendet werden. Daraus ergeben sich die jeweils mit verschiedenen Verfahren meßbaren Dimensionen der Kommunikationswirkung. Man mag darüber diskutieren, welches die wichtigeren Wirkungsdimensionen seien, um daraus abzuleiten, welches die angemesseneren Verfahren der Wirkungsforschung seien. Der Streit wäre müßig. Selbst dann, wenn der Standpunkt vertreten würde, daß die eine oder andere Dimension wichtiger sei, so ist doch keine so unwichtig, daß wir sie vernachlässigen können. Schon gar nicht kann man sich darauf zurückziehen, die Kommunikationswirkung im nachhinein an Umsatzreaktionen ablesen zu können. Erstens ist es im Falle des Mißerfolges dann zu spät, zweitens läßt sich die Kommunikationswirkung so nicht messen, sondern lediglich die Wirkung des gesamten Marketing-Mix. Aber nicht einmal das ist exakt möglich, denn diese wird noch durch die Wirkung aller Konkurrenzmaßnahmen und weitere globale marktwirksame oft nicht einmal offensichtliche Faktoren beeinflußt. Die Praxis mag geneigt sein, alleine das finale Resultat zu betrachten und die Frage nach den Ursachen als zweitrangig anzusehen. Das wäre aber zu kurzfristig gedacht. Wer längerfristig auf dem Markt tätig ist, benötigt auch die Antwort auf die Frage nach den Ursachen, um aus Erfolg oder Mißerfolg die optimalen Schlußfolgerungen für zukünftige Maßnahmen ableiten zu können. Auch wenn in Testmärkten mit Hilfe elektronisch gestützter Panels der Anteil der Werbung am Umsatz meßbar wird, so sind bei Einsatz nur dieses Verfahrens keine Einblicke in kognitive und emotionale Reaktionen möglich. Das ist jedoch unbedingt erforderlich. Marketing-Kommunikation ist in der Regel langfristig angelegt. Durch ein hohes Maß an Konstanz werden Lerneffekte genutzt. Zudem werden die Inhalte der Marketing-Kommunikation möglichst nicht abrupt geändert, sondern immer in kleinen Schritten. Auf Gelerntes wird immer wieder aufgebaut. Wie aber
550
9. Messung der Kommunikationswirkung
soll man seine Kommunikation systematisch immer wieder verbessern, wie soll man wissen, wann welche Variationen notwendig sind? Hinweise hierfür kann eine systematische kommunikationstheoretisch gestützte Erforschung der MarketingKommunikation liefern. • Positivismusprobleme der Erforschung der Marketing-Kommunikation Jedes Testverfahren ist nur dazu in der Lage, ganz bestimmte Dimensionen der Kommunikationswirkung zu überprüfen. Kein Verfahren kann DIE WIRKUNG insgesamt messen. Da theoretisch unendlich viele Fragen aufgeworfen werden können, ist die Suche nach vollständiger Wirkungsforschung sinnlos. Vor jeder Forschung steht die Frage danach, was konkret zu überprüfen ist. Es sind also Hypothesen über mögliche Fragen zu formulieren. Die Qualität und damit Nützlichkeit der Forschung hängt mit der Qualität der vorab gestellten Fragen zusammen. Da Vollständigkeit nicht realisierbar ist, kann Marktforschung auch niemals einen sicheren Erfolg voraussagen. Die Erforschung der MarketingKommunikation ist wie jede Forschung immer nur das Überprüfen bestimmter Hypothesen. Ein erfolgreicher Test ist somit ein Hinweis darauf, daß ein bestimmter möglicher Fehler (zu wenig Aufmerksamkeit, nicht ausreichende Sympathie usw.) nicht vorhanden ist. Je systematischer wir in dieser Form Fehlersuche betreiben, um so größer ist die Chance, alle gravierenden Fehler zu finden. Sicherheit kann es jedoch niemals geben. In der Wissenschaftslehre würde man die Suche nach sicheren Grundlagen für eine Problemlösung und den Versuch, diese endgültig abzusichern als Positivismus bezeichnen. Diese Denkweise ist durch den kritischen Rationalismus widerlegt (vgl. dazu Popper, 1979 und 1982 oder Albert, 1972). Danach beginnt jede Erkenntnissuche (auch in der Praxis) mit der Formulierung einer Hypothese (z.B. über die Tauglichkeit einzelner Aspekte einer Problemlösung). Läßt sich eine Hypothese bestätigen, so ist damit niemals ihre sichere Richtigkeit bestätigt, sie gilt nur als vorläufig nicht widerlegt. Das folgt einfach daraus, daß niemals alle denkbaren Aspekte einer Hypothese oder Problemlösung überprüfbar sind. Scheitert eine Hypothese, so liefert das Ansatzpunkte zur Verbesserung. Auf das Gebiet der Marktforschung übertragen bedeutet das: Finden sich in einer konkreten Überprüfung eines Kommunikationsmittels keine Schwächen, so haben wir hier keine Fehler gefunden; finden sich Schwachstellen, so liegt ein Ansatzpunkt zur Verbesserung vor. Aus diesen Gründen ist auch ein Mißerfolg auf dem Markt nach erfolgreichen Tests kein vernünftiges Argument gegen Tests. Eine bestimmte mögliche Schwäche wurde überprüft, es hat sich herausgestellt, daß diese Sorge unbegründet war, dennoch waren anderweitig (vielleicht auch in ganz anderen Bereichen des Marketing außerhalb der Kommunikation) Fehler verborgen, die es nun zu suchen gilt. Hieraus kann man lernen, immer wieder die Fragestellungen an die Marktforschung, die Hypothesenformulierung kritisch zu überprüfen.
9.1 Problemstruktur
551
Das ist nur scheinbar ein bescheidener Anspruch an Marktforschung. In Wirklichkeit ist die permanente Suche nach Fehlern mit dem Ziel einer permanenten Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten eine dauerhaft ungeheuer wichtige Aufgabe menschlicher Praxis überhaupt. • Erforschung der Marketing-Kommunikation und vernetztes Marketing Der Wirkungsforschung wird gelegentlich von Praktikern entgegengehalten, daß die letztlich eintretende Wirkung ja das Resultat von Gestaltung, Plazierung, Zeitpunkt der Kommunikation, Kommunikationsmittelumfeld und Werbeträgerauswahl (Mediaplanung) gleichermaßen abhänge. Das alles werde in der Marktforschung, insbesondere in der Laborforschung nicht ausreichend berücksichtigt. Der Hinweis auf die Vielfalt der Wirkungsfaktoren ist natürlich richtig. Wenn wir das Werberesultat insgesamt optimieren wollen, dann müssen wir aber auch die einzelnen Elemente, die es hervorrufen optimieren. Dazu muß man ihre Wirkung isoliert messen. Das geht teilweise nur im Labor. Es ist Aufgabe des MarketingManagements, darauf zu achten, daß alle Elemente der Kommunikation (und letztlich des gesamten Marketing) auch optimal zusammenpassen. Das ist ein anderes, ein weiteres Problem. Man kann versuchen, diese Frage wenigstens teilweise in einem Testmarkt zu beantworten. Das sei an folgendem Beispiel erläutert: Wir nehmen an, es solle eine Anzeige in passendem, die Wirkung steigerndem, redaktionellen Umfeld plaziert werden. Dennoch wäre es falsch, diese vermutete Wirkungssteigerung schon in den Werbemittel-Pretest einzubeziehen und dadurch - wenn die Annahme der Wirkungssteigerung stimmt - zu besseren Resultaten zu kommen. Die Anzeige muß vielmehr zunächst schon ohne diesen Vorteil maximale Wirkung erzielen. Dann kann man prüfen, ob sich durch entsprechendes Umfeld tatsächlich eine Wirkungssteigerung erzielen läßt. Wer sich schon im Test auf die erhoffte Unterstützung verläßt, stellt an sich selbst zu geringe Ansprüche, bzw. „verschenkt“ Wirkungspotentiale. Nur in einem Fall funktioniert diese Argumentation nicht: Immer dann, wenn ein Kommunikationskonzept von vornherein so konzipiert wird, daß es in ein ganz bestimmtes redaktionelles oder Programm-Umfeld plaziert werden muß, dann nützt die Messung der Kommunikationswirkung, losgelöst von eben diesem Programm, nichts. Unsere Argumente für reine Laborforschung gelten für klassische Anzeigen in Zeitschriften und Zeitungen, für klassische Funk und Fernsehspots in Werbeblöcken (aber auch für Kommunikation in Werbeblöcken innerhalb von Spielfilmen oder Sendungen privater Fernsehanstalten). Eine mögliche Wirkungssteigerung durch Plazierung von Fernsehwerbung in bestimmten Blöcken, z.B. Sportartikelwerbung in den Blöcken vor Sportsendungen; Belegung von Blöcken in Spielfilmen deren Inhalt zum Produkt paßt oder auch die Plazierung von Anzeigen in Publikumszeitschriften in „passendem Umfeld“ spricht nicht gegen unsere Argumentation Kommunikationswirkung zunächst losgelöst von medialen Faktoren isoliert zu messen. Dabei geht es um ein anderes Problem.
552
9. Messung der Kommunikationswirkung
• Das sozialpsychologische Kommunikationsmodell Um Kommunikationswirkung zu nutzen, benötigen wir ein Modell zur Erklärung der Wirkung von Kommunikation. Dann lassen sich systematisch einzelne Komponenten der Kommunikationswirkung überprüfen. Das für unsere Zwecke brauchbare Modell stammt von Irle (1975, S. 30). Es beinhaltet u.a. folgende Elemente: • Absender und Stimulus (Werbetreibender und Werbebotschaft), • Reine Wahrnehmung (Perzeption), • Gedächtnisleistungen, • Stimulusverarbeitung (Kognition), • Vorhandene kognitive Struktur der betreffenden Person, • Handlungsabsichten, • Beobachtbares Verhalten (Responses). Dazu kommen Rückkoppelungen zwischen diesen Elementen und der sozialen Umwelt der betreffenden Person. Das Modell ist in Abbildung 9-1 dargestellt. Letztlich geht dieses Modell auf Lewin (1936, 1982) zurück, wonach sich jedes Verhalten durch das Zusammenspiel von Umweltfaktoren (U) und Persönlichkeitsfaktoren (P) ergibt, wobei diese sich auch wechselseitig beeinflussen: V = f (P,U) Kommunikation im Werbeumfeld und die Perzeption (Wahrnehmung): Ausgangspunkt jeglicher werblicher Beeinflussung ist das Feld „StimulusKomplex“. Empfänger nehmen ja nicht nur eine bestimmte Kommunikation als einzelnen Stimulus wahr, sondern jede Werbebotschaft wird im medialen Umfeld zusammen mit anderen Botschaften wahrgenommen. Das was von einer bestimmten Werbebotschaft wahrgenommen wird, hängt daher niemals nur von der Gestaltung eben dieser Kommunikation ab, sondern auch von der Gestaltung anderer Werbebotschaften im direkten und werblichen und sonstigen medialen Umfeld. Dabei spielen auch Mengen und Reihenfolgeeffekte eine nicht unwesentliche Rolle. Beispielsweise ist die Wahrnehmung von Werbespots im Fernsehen am Beginn eines Werbeblocks höher als die der Spots an fünfter oder sechster Stelle.
b
a
Abbildung 9-1: Modell der Kommunikationswirkung (Irle, 1975, S. 30)
U
s
v
Erweiterte soziale Umwelt
U-Faktoren
x
w
Stimulus-Komplex: Information, Werbebotschaft, Produktverpackung, Verkaufsförderung, Public Relations, Geschäftsatmosphäre, usw.
Umwelt: Redaktionelles Umfeld (in Zeitschriften), Werbeblock (TV und Funk), soziales Umfeld
Sender: Organisation Marke oder Institution
c
t
e
m
n
Kognition und Informationsverarbeitung: Gedankliche Aktivitäten (u.a. „Cognitive Responses“) und Bewertungen
d
u
V
r
(Verhalten)
„Response“-Handlung: Kaufhandlung, Verhaltensänderung bei „Social Marketing“
q
Entscheidung, Verhaltensabsicht: Kaufwunsch, Verhaltensbereitschaft, z.B. bei „SocialMarketing“
z
Rückbewertung eigenen Verhaltens
y
Wahrnehmung/Perzeption: Physiologisch meßbar: sehen und hören, aber auch: riechen und fühlen
p
o
h i
g
k
P
P-Faktoren
Vorhandene kognitive Struktur der Empfänger: Einstellungen, Motive und Werte, Bewertung der KaufKonsum- und Verhaltenserfahrung
l
Gedächtnis: Erinnerungen (im Marketing u.a. als „Recall Recognition“ oder Markenbekanntheit gemessen), KaufKonsum und sonstige Verhaltenserfahrung
f
9.1 Problemstruktur 553
554
9. Messung der Kommunikationswirkung
Hierdurch muß deutlich werden, daß wir die Qualität einer einzelnen Werbemaßnahme nicht alleine durch Beobachtung (gleich welcher Art) in der Realität messen können. Die Gestaltung von (beispielsweise) Anzeigen ist eine Sache die beurteilt bzw. bewertet werden kann. Die Auswahl der richtigen Werbeträger ist eine Frage der Mediaplanung, die zunächst davon getrennt zu bewerten ist. Wird versucht, beides gemeinsam pauschal zu beurteilen, so wird nicht deutlich, wodurch Stärken und Schwächen verursacht werden. Wahrnehmung läßt sich physiologisch stark vereinfacht durch Reizung von Nervenzellen der äußeren Sinnesorgane beschreiben. Diese äußeren Nervenzellen geben die Signale auf Nervenbahnen, sog. Neuronenketten in das Gehirn weiter. Dort kommt es zu Veränderungen der Nervenzellen, der Speicherung des Wahrgenommenen im Gedächtnis. Wahrgenommenes wird im Gedächtnis gespeichert, wobei die Gedächtnisleistung um so stärker ist, je intensiver die Wahrnehmung selbst erfolgt. Perzeption und Gedächtnis: Die reine Wahrnehmung wird nicht nur durch Umweltfaktoren bestimmt, sondern gleichermaßen auch durch bereits vorhandene Inhalte des Gedächtnisses der betroffenen Person, ebenso von deren Einstellungen, Normen oder Werten, also von Persönlichkeitsfaktoren. Diese Rückkoppelungen werden in der Abbildung 9-1 durch Doppelpfeile symbolisiert. Das Wechselspiel zwischen Perzeption und Gedächtnis wird durch die Pfeile f und g gekennzeichnet. Dieses Zusammenspiel läßt sich auch anhand des „Neo-Behaviorismus“ begründen. Der Behaviorismus ist ein Forschungsansatz, bei dem ausschließlich äußerlich beobachtbares Verhalten analysiert wurde. Prominente Vertreter sind Skinner und Thorndike (vgl. Lefrancois, 1994). Die inneren, insbesondere gedankliche Prozesse wurden noch nicht berücksichtigt. Neuere Forschungsansätze erlauben jedoch einen Einblick in gedankliche Prozesse. Dazu dienen auch Forschungen, die sich mit den Prozessen unseres Nervensystems beschäftigen, also die Fragen danach, wie Informationen von den äußeren Sinnesorganen in das Gehirn transportiert werden, wie diese gespeichert werden, wie es zu Assoziationen kommt. Diese Forschung wird als „Neo-Behaviorismus“ bezeichnet. Auch hier wird beobachtet, jedoch geht die Forschung weiter. In diesem Zusammenhang sind nun die Annahmen des Neo-Behaviorismus für uns wichtig: Durch wiederholte Zellreizung kommt es zu dem Phänomen der „Bahnung“. Dies besagt, daß ein Reiz bei wiederholter Wahrnehmung immer leichter und schneller wahrgenommen wird. Auch das gemeinsame Auftreten bestimmter Reize führt dazu, daß beide oder mehrere Reize immer schneller miteinander assoziiert werden (vgl. Lefrancois, 1994, S. 70-79). Diese Annahmen sind (wenn auch wissenschaftlich nicht in letzter Konsequenz überprüft) für die Praxis der Wirkungsforschung problematisch, dort hat sich nämlich vielfach der sogenannte „Recall“ als Meßinstrument durchgesetzt. Dabei werden Versuchspersonen einer Rei-
9.1 Problemstruktur
555
he von Werbebotschaften ausgesetzt. Je mehr Personen sich nun in der anschließenden Befragung an eine bestimmte Werbebotschaft erinnern, um so besser wird diese beurteilt. Wenn nun aber bereits bekannte Reize besser wahrgenommen werden als unbekannte, dann werden diese auch besser erinnert. Ein hoher Erinnerungswert kann daher durch zwei völlig verschiedene Faktoren hervorgerufen werden: Einmal durch die gute Gestaltung der Werbebotschaft selber, zweitens aber auch durch bereits Gelerntes. Es läßt sich in der Tat beobachten, daß Kommunikation von bekannten Marken leichter hohe Erinnerungswerte erzielt, als gleichermaßen gestaltete Kommunikation unbekannter Marken. Wiederum wird von manchen Praktikern eingewandt, daß es letztendlich egal sei, ob die Kommunikationswirkung durch vorhandene Markenbekanntheit oder durch die Kommunikation selber hervorgerufen werden, entscheidend sei letztendlich nur das Resultat. Das ist jedoch nicht richtig: Wer für bekannte Marken Werbung betreibt und als Indikator für Kommunikationswirkung die reine Gedächtnisleistung bewertet, erhält über lange Zeit vermutlich akzeptable Werte. Diese täuschen jedoch. In Wirklichkeit mag die Werbung nur mittelmäßig sein und zehrt von vorhandenem Wirkungspotential, ohne selber neue Impulse zu setzen. Langfristig verliert die Werbung an „Impact“. Dabei werden Wirkungspotentiale verschenkt, was ebenfalls langfristig zu einer Verschlechterung der Wettbewerbsposition im Konkurrenzvergleich führen kann. Wird hingegen für neue noch unbekannte Marken geworben, so mögen relativ schlechte Erinnerungswerte zu falschen Annahmen über die Kommunikationswirkung führen, die Werbequalität wird unterschätzt. Selektive Wahrnehmung: Selbst vorhandene Einstellungen, Bedürfnisse und Werte (letzteres sind einfach sehr zentrale und längerfristig stabile Einstellungen) beeinflussen die Wahrnehmung. Anhand der Forschungsresultate zur Theorie kognitiver Dissonanz läßt sich zeigen, daß Personen häufig Informationen bevorzugen, die ihren Erwartungen entsprechen, unangenehme, nicht passende Informationen werden selektiert (selektive Wahrnehmung). Dieser Mechanismus ist eine Verhaltensweise, die der Vermeidung kognitiver Dissonanz dient. Es sind also Persönlichkeitsfaktoren, die Wahrnehmung und Reizverarbeitung neben der Gestaltung der Kommunikationsmittel selber beeinflussen. Hieraus läßt sich zunächst einiges zur Gestaltung der Werbung ableiten, Vermeidung unangenehmer Reize, Vermeidung von Dissonanzen auslösenden Inhalten. Werbebotschaften sind u.a. unter Berücksichtigung vorhandener Einstellungsstrukturen zu gestalten, was nicht bedeutet, daß sie diesen immer vollständig entsprechen müssen. Das ist letztlich auch eine Frage der spezifischen Werbestrategie und der Werbeziele.
556
9. Messung der Kommunikationswirkung
Ähnlich verhält es sich mit Bedürfnissen. Werbebotschaften, die vorhandene Bedürfnisse aufgreifen, werden besser wahrgenommen. Auch dieser Aspekt läßt sich in der Werbegestaltung berücksichtigen. Wir können jedoch festhalten, daß die Kommunikationswirkung, und zwar schon die Wahrnehmung, die Perzeption selber neben der eigenen Gestaltung durch eine Reihe personeninterner Prozesse und Strukturen mitbestimmt wird. Das bestehende Weltbild einer Person beeinflußt die Art der Informationsverarbeitung (Pfeile k und l), diese wiederum übt direkten Einfluß auf die selektive Perzeption (Pfeile d und e) aus. Gedankliche Verarbeitung der Kommunikation und Verhaltensabsichten: Die sich an die Wahrnehmung (Perzeption) anschließende Phase ist die der gedanklichen Verarbeitung, die des Kognizierens. Dabei spielen u.a. folgende Mechanismen eine entscheidende Rolle: • Reduktion kognitiver Dissonanzen, also Abbau psychologischer Spannungen, die durch nicht erwartungskonforme Informationen oder Wahrnehmungen entstanden sind, • Widerstand gegen als einengend empfundene Beeinflussung (Psychologische Reaktanz), • Assoziative Prozesse, beispielsweise die Verbindung einer Marke mit angenehmen Erlebnissen, • Attributionen, dabei entwickelt die Person Vermutungen über den Zweck der Beeinflussung und über deren Ziele. Eine Person, die beeinflußt wird, versucht sich immer in die Situation derjenigen Instanz zu versetzen, die sie beeinflussen will, sie versucht sich deren Absichten zu erklären. Eine offensichtlich am eigenen Vorteil orientierte Beeinflussung hat es daher immer besonders schwer, ihr Ziel zu erreichen. Diese Mechanismen werden wiederum in starkem Maße nicht nur durch den gerade zu verarbeitenden Außenreiz (Werbebotschaft) bestimmt, sondern ebenso von vorhandenen Persönlichkeitsmerkmalen beeinflußt, was durch Pfeil k dargestellt wird. Ferner soll darauf verwiesen werden, daß wir hier auch emotionale Verarbeitung von Reizen sehen. Hier ist nicht der Platz, die vielen Ansätze darüber zu diskutieren, was denn nun eigentlich Emotionen sind. Die Autoren präferieren den Ansatz von Schachter und Singer (1962), wonach Emotionen die gedanklichen Erklärungen sind, die Personen in Folge körperlicher Erregungsmuster entwickeln. Wir empfinden „Schmet-
9.1 Problemstruktur
557
terlinge im Bauch“ und fassen das als Verliebtheit auf - oder als Angst, je nachdem, welche Gründe wir für die eine oder andere Emotion haben. Auf das Marketing übertragen bedeutet dies: Wir nehmen einen Reiz wahr, dieser löst Empfindungen oder Gefühle aus, und wir beginnen uns für den Inhalt zu interessieren. Interesse ist nach Izard (1994, S. 244) vermutlich die häufigste Emotion, wäre also die häufigste Folge körperlicher Erregungsmuster. Das ist eine kognitive Erklärung für Emotionen. Die gefühlsmäßigen Erregungen spielen sich im Augenblick der Perzeption ab. Sie bestimmen durch ihre Intensität die Qualität des Lernens. Die gedanklichen Erklärungen spielen sich zunächst im Feld der kognitiven Reizverarbeitung ab und beeinflussen längerfristig die kognitiven Strukturen der betroffenen Person. Das Zusammenspiel von Kognition und Perzeption wird durch die Pfeile e und d berücksichtigt. Außerdem wird die Informationsverarbeitung durch Gedächtnisinhalte (Pfeile h und i) beeinflußt. Kognitive Strukturen: Das Weltbild jedes Menschen besteht aus einer unüberschaubaren Vielzahl von Wünschen, Bedürfnissen, Meinungen, Überzeugungen, Einstellungen und Attitüden. Einstellungen werden hier als die Wahrnehmung beeinflussende Faktoren verstanden. Nehmen wir dazu an, eine Person trinke Kaffee und erkenne vorher anhand der Verpackung eine Discount-Marke. Es ist wahrscheinlich, daß die Person (so sie normalerweise markenorientiert konsumiert) den Geschmack anders wahrnehmen wird, als wenn sie vorher eine Premium-Marke erkennt. Würden wir dieser Person an unterschiedlichen Tagen den gleichen Kaffee aus unterschiedlichen Verpackungen verabreichen, so wird das die geschmackliche Wahrnehmung beeinflussen. Das könnte man als eine Folge von Markeneinstellungen erklären. Attitüden sind umfassender. Sie beinhalten die bekannte Drei-KomponentenStruktur, nämlich das Erkennen von Reizen, deren Bewerten und daraus folgend möglicherweise eine Verhaltensbereitschaft. Einstellungen dagegen sind lediglich Erwartungshaltungen in der Wahrnehmung. Es ist ganz sicherlich ein wichtiges Werbeziel, diese kognitiven Strukturen nachhaltig zu beeinflussen. Die Veränderung kognitiver Strukturen kann folgendes beinhalten: • • • • • • • • •
Beeinflussung psychologischer Kaufhemmnisse, Erwartungshaltung verändern, Steigerung sozialer Akzeptanz von Produkten, Produktinteresse schaffen, Produktwissen verändern, Wichtigkeit unterschiedlicher Qualitätsmerkmale beeinflussen, Sympathiegewinn, Präferenzen schaffen, Nutzungserwartungen wecken.
558
9. Messung der Kommunikationswirkung
Daneben kommt Werten eine große Bedeutung zu. Man kann Werte als besonders zentrale Attitüden auffassen. Eine Person mag Attitüden bezogen auf bestimmte Fruchtsaftmarken aufweisen, auf bestimmte Kaffeemarken, auf Gemüseprodukte usw. Alle diese Attitüden werden von einer zentralen Attitüde beeinflußt, nämlich dem Wert, der Gesundheit zugeschrieben wird. Gesundheitsorientierung, Umweltbewußtsein usw. sind Werte, die eine Vielzahl anderer Attitüden steuern. Alle diese, das Weltbild einer Person bestimmenden Größen, werden oft als Kognitionen bezeichnet. Gemeinsam bilden sie die kognitive Struktur von Personen. Diese vorhandene Struktur hat großen Einfluß auf die kognitive, gedankliche Verarbeitung aller auf die Person einströmender Reize (Pfeile k und l). Wir müssen beachten, daß die Veränderung kognitiver Strukturen oft (meistens) nicht nach einmaliger Wahrnehmung einer Botschaft (Kommunikation) erfolgt. Auch das ist ein Problem des Werbemittel-Pretest. Dieser beruht oft auf einmaliger Darbietung werblicher Reize. Die Beeinflussung kognitiver Strukturen ist nach der hier vertretenen Auffassung auch nicht das Feld des Werbemittel-Pretests.1 Hierüber müssen wir zunächst spekulieren. Die Beeinflussung kognitiver Strukturen sollte aber auf jeden Fall durch begleitende Marktforschung kontrolliert werden. Dabei müssen wir aber beachten, daß Einstellungen, Attitüden, Werte usw. nicht nur durch Werbedarbietungen beeinflußt werden, sondern durch Produktwahrnehmung und Konsumerfahrungen, ebenso durch die Vielzahl anderer Kommunikationsmaßnahmen, der Wettbewerber, des Handels, der Medien. Das macht es schwierig, Imageveränderungen auf eine Ursache, z.B. die eigene Kommunikation, eindeutig zurückzuführen. Auch emotionales Erleben prägt sich in die kognitiven Strukturen einer Person ein, ist also in diesem Feld enthalten. Verhaltensabsicht (Entscheidung) und beobachtbares Verhalten: Aus der Reizverarbeitung können Handlungsabsichten (z.B. Kaufabsichten) resultieren und daraus Handlungen, z.B. Kaufverhalten. Dieses ist das finale Ziel jeglicher Aktivitäten im Konsumgüter-Marketing und ist dennoch der schlechteste Indikator für die Qualität irgendeiner Maßnahme, z.B. der Kommunikation, weil es am stärksten von zusätzlichen Faktoren bestimmt wird. Wieder wirken sich alle internen Persönlichkeitsfaktoren aus, die soziale Umwelt, das KonkurrenzMarketing, Konsumhandlungen in ganz anderen Bereichen, die aber Kaufkraft binden, und schließlich das Marketing des Handels. Entscheidungen sind nicht nur die Folgen der Informationsverarbeitung (Pfeil m), sie steuern diese auch rückwirkend (Pfeil n). Wer sich einmal für etwas entschieden hat, wird später eingehend Informationen anders verarbeiten als vorher.
1
Anderer Auffassung sind Bauer, Huber & Hägele (1998); wir kommen darauf im Abschnitt 9.2.5.2 zurück.
9.1 Problemstruktur
559
Ferner resultieren Entscheidungen nicht nur aus der Verarbeitung eingehender Informationen. Auch vorhandene kognitive Strukturen spielen eine große Rolle (Pfeil o). Nach einer Entscheidung paßt die betreffende Person ihre Meinung nachträglich eben dieser Entscheidung an (Pfeil p). Je weiter wir uns in unserem Modell von der eigentlichen Wahrnehmung hin zum beobachtbaren Verhalten fortbewegen, um so schwieriger sind Rückschlüsse auf die Qualität der Kommunikation. Immer mehr Faktoren, die nichts mit der Qualität der augenblicklichen Werbemaßnahmen selber zu tun haben, treten in Erscheinung. Verhaltensweisen aller Art sind als Folge des Informationsverarbeitungs-Prozesses letztendlich das Ziel des Marketing. Sie sind das Feld der Marktforschung generell, nicht das Feld der Werbewirkungsforschung. Erst in letzter Zeit beginnen wir mit Hilfe elektronischer Panelforschung einzelne Marketing-Instrumente in ihren Wirkungen isoliert zu untersuchen. Wir können also sagen, welchen Anteil einzelne Maßnahmen am eintretenden Verhalten haben. Diese Forschung kann aber nichts über die dem Verhalten zugrundeliegenden psychologischen Mechanismen aussagen. Rückwirkend beeinflussen aktuelle Verhaltensweisen anstehende Entscheidungen (Pfeil r). Das was wir tun, wird von uns selber wahrgenommen (Pfeil s) und später rückbewertet (Pfeil y), um weitere Entscheidungen zu steuern (Pfeil z). In ein umfassendes Kommunikationsmodell fließen weitere Zusammenhänge ein: Unsere Sozialumwelt (Bekannte Kollegen) nimmt unser Verhalten wahr (Pfeil t) und reagiert darauf (Pfeil w). Das Verhalten vieler Konsumente wird in den Medien registriert (Pfeil u) und spiegelt sich in deren Aktivitäten wider (Pfeil b). Schließlich wird das gesamte Konsumentenverhalten vom Marketing der Unternehmen wahrgenommen (Pfeil v und x) und beeinflußt deren Kommunikationspolitik (Pfeil a).
9.2 Meßmethoden Zuerst müssen wir also klären, welche Fragen wir präzise durch Marktforschung beantwortet haben wollen. Das betrifft den Bereich der Hypothesenformulierung. Dann ist zu prüfen, in welchen Bereich der Kommunikationswirkung das formulierte Problem fällt. Hieraus läßt sich ableiten, welche Methoden, Instrumente der Marktforschung in Betracht kommen. Jedes Instrument kann nur ganz bestimmte Fragen beantworten. Dabei darf nicht übersehen werden, daß die Kommunikationswirkung insgesamt viel komplexer ist und nicht durch Anwendung nur eines Ansatzes der Forschung erklärt oder analysiert werden kann.
560
9. Messung der Kommunikationswirkung
Vermutlich sind weder Befragungen noch physiologische Prozesse messende Verfahren alleine dazu geeignet, Werbewirkung zu analysieren. Es geht vielmehr um die sinnvolle Kombination solcher Verfahren.
9.2.1 Der Bereich der Perzeption Wahrnehmung ist Voraussetzung für Kommunikationswirkung. Ohne Wahrnehmung gibt es keine Wirkung. Die Mär von der Beeinflußbarkeit durch unterschwellige Wahrnehmung kann wohl als Legende abgetan werden (vgl. Brand, 1978). Das bedeutet keinesfalls, daß sich Personen darüber bewußt sind, in welcher Form sie beispielsweise eine Anzeige betrachten, welche Elemente zuerst wahrgenommen werden und wie lange dieses geschieht. Eine Person ist sich vielleicht nicht darüber im klaren, daß sie eine Marke aufgrund einer bestimmten Gestaltungskomponenten schätzt (unbewußt), aber es eine Wahrnehmung stattgefunden (keine unterschwellige Wahrnehmung). Auf jeden Fall gibt es Wahrnehmungsprozesse, die von den Wahrnehmenden (den Rezipienten) nicht verbalisiert werden können. Derartige Prozesse können dann auch nicht durch Befragungen analysiert werden. Daher ist gerade die Perzeption, die physiologische Seite der Wahrnehmung, das Feld apparativer Werbewirkungsforschung. Besondere Bedeutung kommt dabei der Messung der Intensität der Wahrnehmung (Aktivierungsforschung) und dem visuellen Abtasten von Werbung (Blickaufzeichnung) zu.
9.2.1.1 Messung der Aktivierung als Indikator für Aufmerksamkeit Die Aufmerksamkeit, die Menschen äußeren Reizen zuwenden, wird sowohl durch vorhandene Bedürfnisse, Einstellungen und Erfahrungen der Person selber, als auch durch von diesen Reizen selbst ausgelöste Erregung gesteuert. Menschen wenden sich Reizen mehr oder weniger intensiv zu, mit anderen Worten, das Gehirn ist mehr oder weniger aktiv. Das Aktivierungsniveau des Gehirns läßt sich als Indikator für Aufmerksamkeit heranziehen. Aktivierung ist ein physiologischer Prozeß im Gehirn. Das Ausmaß an Aktivierung besagt also nur etwas über die Intensität von Wahrnehmung, das besagt nichts über die Art der Reizverarbeitung. Um diese zu messen sind andere Indikatoren zu berücksichtigen, als die Aktivierung. Der Prozeß der Aktivierung läuft im Gehirn folgendermaßen ab:
9.2 Meßmethoden
561
Stimulus-Komplex Werbemittel und Werbeumfeld
Perzeption (Wahrnehmung)
Gedankliche Verarbeitung (Kognition) Verständnis Übereinstimmung Assoziationen
Gedächtnis
kognitive (gedankliche) Struktur Einstellungen Wünsche Bedürfnisse
Verhaltensabsicht
Verhalten
Abbildung 9-2: Perzeption als „Einstieg“ in die Kommunikationswirkung (Diese und diverse folgende analogen Abbildungen sind vereinfachte Darstellungen der Abbildung 9-1 mit Betonung der jeweils zu behandelnden Wirkungskomponente.) Über ein Gewebe aus Nervenzellen wird dem Gehirn permanent Erregungspotential zugeleitet, das zur Aktivierung der Gehirnleistung führt. Diese ist verantwortlich für Aufmerksamkeit, Lernleistung. Die geringste Aktivierung erfolgt beim Menschen während des Tiefschlafes. Aktivierung kann im Wachzustand bis zur höchsten Aufmerksamkeit und damit höchster Lernfähigkeit gesteigert werden und darüber hinaus bis zur Panik mit wieder abnehmbarer Lernleistung. Für die Werbung ist letzteres jedoch nicht relevant, da Panikreaktionen auf werbliche Appelle völlig abwegig sind. Aktivierung wird auch durch äußere Reize ausgelöst. Nimmt eine Person etwas für sie Interessantes wahr, z.B. innerhalb der Werbebotschaft, so führt dieser Reiz dazu, daß das Gehirn aktiviert wird. Dadurch wird der diese Ak-
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9. Messung der Kommunikationswirkung
tivierung auslösende Reiz besser wahrgenommen und in Erinnerung behalten. Es kann also unter dem Gesichtspunkt der Aktivierungstheorie nur darum gehen, hohe Aufmerksamkeit/Aktivierung zu erzielen. Wir unterscheiden zwischen tonischem Aktivierungsniveau und phasischer Aktivierung. Das tonische Aktivierungsniveau steht für eine generell in einem bestimmten Zeitpunkt bestehende Aufnahmebereitschaft von Umweltsignalen. Es ist nicht auf spezifische Reize bezogen und wird auch durch die Medien beeinflußt. Die phasische Aktivierung wird durch konkrete Außenreize ausgelöst, beispielsweise eine bestimmte Anzeige oder eine bestimmte Filmszene. Sie ist kurzfristigen Änderungen unterworfen. Die Gesamtaufmerksamkeit für Werbung hängt also einmal davon ab, welches Aktivierungsniveau das Nutzen einer Werbeträgergattung allgemein auslöst. So finden Appel, Weinstein und Weinstein (1979) und Weinstein, Appel und Weinstein (1980) beispielsweise, daß Zeitschriften insgesamt aktiver genutzt werden als TV, d.h. die tonische Aktivierung ist höher. Außerdem ist relevant, welche phasische Aktivierung eine bestimmte Anzeige, ein bestimmter TV- oder Funk-Spot auslöst. Aktivierung und Kommunikationswirkung: Die ausgelöste (tonische und phasische) Aktivierung bei Werbebotschaften steuert die Wahrnehmung, Verarbeitung, Erinnerung und somit auch die Beeinflussungsleistung. Das Ausmaß der Aktivierung läßt sich über Veränderungen des elektrischen Hautwiderstandes messen (Kroeber-Riel & Weinberg, 2003, S. 68 ff.; 273, Meyer-Hentschel, 1983, S. 20-22, von Keitz, 1986, S. 107-110). Je geringer der Hautwiderstand, desto höher die Aktivierung, die durch den gerade wahrgenommenen Reiz ausgelöst wird. Zur Messung der Aktivierung werden den Versuchspersonen Elektroden auf die Handinnenfläche gelegt. Diese übertragen Veränderungen des elektrischen Hautwiderstandes auf ein Schreibgerät, das jede Veränderung im Zeitablauf exakt aufzeichnet. In diesem Zusammenhang wird auch von der Messung der Elektrodermalen Reaktion gesprochen (EDR-Messung). Diese ist sehr zeitgenau. Es sind also präzise Aussagen über Veränderungen der Aufmerksamkeit im Zeitablauf möglich. Eine sehr umfassende Darstellung der Meßprobleme liefert Mayerhofer (1990, S. 112-146). So stellt sich die Frage der Meßansätze, nämlich die der Messung des Hautwiderstandes oder der Hautleitfähigkeit oder die Frage der Plazierung der Elektroden, der Elektrodengröße usw. Wir wollen hier auf derartige technische Fragen nicht weiter eingehen. Aktivierungsmessung bei Anzeigen: Beim Test können den Versuchspersonen Zeitschriften zur Durchsicht vorgelegt werden. Über eine versteckte Kamera kann festgehalten werden, welche Seiten
9.2 Meßmethoden
563
aufgeschlagen werden. Entscheidend ist dann, welches Aktivierungspotential beim Aufschlagen der tatsächlich interessierenden Testanzeige ausgelöst wird. Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist der, daß der Versuchsperson sogar verborgen bleiben kann, daß es sich um einen Werbetest handelt. Das Risiko ist, daß viele Testpersonen die eigentliche Testanzeige nicht aufschlagen. Als Alternative könnte man den Versuchspersonen einen Folder mit beispielsweise 10 Testanzeigen vorlegen und sie bitten, diesen durchzusehen. Die Wahrscheinlichkeit, daß die eigentlich interessierende Testanzeige tatsächlich aufgeschlagen wird und damit eine Messung des ausgelösten Aktivierungspotentials möglich wird, steigt. Dafür ist davon auszugehen, daß den Anzeigen insgesamt unnatürlich hohe Aufmerksamkeit gewidmet wird, weil die Testsituation offensichtlich ist. Aufgrund der insgesamt kurzen Betrachtungszeit von Anzeigen erhalten wir jedoch nur ein mehr oder weniger pauschales Gesamtmaß für die ausgelöste Aktivierung. Bei einer Gesamtbetrachtungszeit von 2 bis maximal 5 Sekunden sind selbst bei der recht zeitgenauen Aktivierungsmessung keine Aussagen darüber möglich, welche einzelnen Elemente für die ausgelöste Aktivierung verantwortlich sind. Dazu ist eine Kombination mit dem Verfahren der Blickaufzeichnung erforderlich (vgl. nächsten Abschnitt). Die in Abbildung 9-3 dargestellte Anzeige zeigt ein Beispiel für Aktivierung durch ungewöhnliche Personendarstellung. Die Anzeige weckt vermutlich hohe Aufmerksamkeit und wirkt auch bei kürzester Wahrnehmungszeit. Aktivierungsmessung bei TV-Spots: Die Aktivierungsmessung ist insbesondere für die Messung der Aufmerksamkeit für Werbebotschaften geeignet, die über einen längeren Zeitraum beachtet werden, also in erster Linie für TV-Spots. Dabei werden den Versuchspersonen Werbefilme vorgespielt, einer davon ist der eigentlich interessierende Test-Spot. Man kann die Versuchspersonen auch jetzt darüber im unklaren lassen, daß es sich um einen Werbetest handelt. Man erklärt, daß es um einen Test „des Vorabendprogrammes im Fernsehen“ gehe. Jetzt besteht die Möglichkeit, nicht nur ermitteln welches Ausmaß an Aufmerksamkeit insgesamt ausgelöst wird, viel mehr kann die Aufmerksamkeit, die den einzelnen Szenen zukommt, genau ermittelt werden. Nach der Untersuchung liegen die Daten zur Aktivierung pro Versuchsperson in Form einer Kurve vor. Aus der Vielzahl von Einzelkurven läßt sich eine Durchschnittskurve oder bei großer Streuung der Einzeldaten auch eine Zusammenfassung auf mehrere typische Kurven erstellen. Jede Senkung des elektrodermalen Hautwiderstandes, sogenannte elektrodermale Reaktion (EDR), ist ein Indikator für zunehmende Aktivierung und damit Aufmerksamkeit. Dabei werden folgende Aktivierungsmaße unterschieden:
564
9. Messung der Kommunikationswirkung
Abbildung 9-3: Aktivierung durch ungewöhnliche Darstellung • Die Summenamplitude, das ist die Summe sämtlicher Amplituden während eines Werbefilms, dabei können sehr viele kleine Reaktionen zu einem gleichen Wert führen, wie wenige starke Reaktionen.
9.2 Meßmethoden
565
• Die Anzahl der Reaktionen; beschreibt die Häufigkeit, mit der Personen mit gesteigerter Aufmerksamkeit auf einen Spot reagieren, sie ist ein Indiz für die Anzahl der Aktivierung auslösenden Elemente innerhalb eines Werbefilmes. • Die durchschnittliche Amplitude; diese beschreibt die durchschnittliche Stärke der gemessenen Amplituden. Die Aussagen darüber, ob viele mittlere oder wenige starke Amplituden vorteilhaft sind, sind nicht eindeutig. Es kann folgende Strategie verfolgt werden: Die einzelne Amplitude, Aktivierung pro Szene, sollte möglichst hoch sein. Gleichfalls sollte eine gewisse Häufigkeit elektrodermaler Reaktionen angestrebt werden. Das spricht für eine ausreichende Lebendigkeit, Abwechslung im TV-Spot. Das ist dann von Vorteil, wenn die Vielzahl aktivierender Elemente nicht von der Botschaft ablenkt, sondern mit der Basisaussage zusammen eine integrative Einheit bildet. • Die Maximal-Amplitude; dieser Wert bezeichnet die Phase höchster Aufmerksamkeit, also die am stärksten aktivierende Szene, die nach der Aktivierungstheorie am besten erinnert werden müßte. Da es bei der Konzeption von TV-Spots darauf ankommt, die Zuschauer möglichst schnell zu fesseln, werden folgende Werte beachtet: • Latenz der ersten Amplitude; also die Zeitspanne, die vergeht, bis es zur ersten meßbaren elektrodermalen Reaktion kommt und • die Stärke der ersten Reaktion. Hieraus wird deutlich, daß die Aktivierungsforschung einen Ansatz zur Analyse der Wirkung der TV-Werbung darstellt, weniger für Zeitschriftenwerbung. Im letzten Fall ist infolge der kurzen Betrachtungszeit, von meistens lediglich wenigen Sekunden, der Aussagewert der elektrodermalen Reaktion im Zeitablauf sehr eingeschränkt. Bei Funk und Film läßt sich relativ genau sagen, welche Szenen die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ob es sich dabei um für die Werbestrategie wesentliche Szenen oder Aussagen handelt oder nicht. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, daß bei einem Vergleich „Fernsehen/Zeitschriftenwerbung“ zu berücksichtigen ist, daß die gesamte Kommunikationswirkung einer Anzeige in einem Heft sich aus Mehrfachkontakten zusammensetzen kann. Ein drei- bis viermaliges Durchblättern einer Zeitschrift kann so durchaus nahe an die Betrachtungszeit von TV-Spots heranreichen.
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9. Messung der Kommunikationswirkung
Aussagen der Aktivierung über die Kommunikationswirkung: Die Aktivierungsmessung hat gegenüber der Befragung zur Gedächtniswirkung („Recall“) den Vorteil eines geringeren Einflusses vorhandener Gedächtnisinhalte auf die gemessene Reaktion. Die Messung der Aktivierung kann jedoch keinerlei Aussagen über die Art der Verarbeitung und Aufmerksamkeit erregender Elemente innerhalb der Werbung machen. Sie mißt die Aufmerksamkeit und verwendet als Indikator dafür die elektrodermale Reaktion. Damit ist nicht gesagt, ob die Aufmerksamkeit ein Indikator für Gefallen oder Mißfallen ist. Aber immerhin ist die Aufmerksamkeit ein entscheidender Faktor. Ohne Aufmerksamkeit gibt es keine Kommunikationswirkung. Es besteht allerdings die Möglichkeit, Personen während des Aktivierungstests per Videokamera zu beobachten. So ist es durchaus möglich, durch Beobachtung und Auswertung der Mimik der Versuchsperson auf positive oder negative Bewertung des Wahrgenommenen zu schließen. Auf den ersten Blick scheint der Gedanke naheliegend, die Aufmerksamkeit durch Befragung zu messen. Wenn man Versuchspersonen eine Reihe von Anzeigen, Funk- oder TV-Spots vorlegt bzw. vorspielt und diese anschließend danach befragt, welche Werbung sie erinnern, dann könnte das als Indikator für die Aufmerksamkeit herangezogen werden, die ein bestimmtes Kommunikationsmittel zu wecken imstande ist. Diese Ausnahme unterliegt jedoch einem Trugschluß. Erinnerung wird nicht nur durch das Wahrgenommene hervorgerufen, sondern durch ein besonders intensives Zusammenspiel vorhandener Gedächtnisinhalte und Wahrnehmung. So erzielen bekannte Marken bei durchschnittlicher Aktivierung höhere Erinnerungswerte als unbekannte Marken bei gleich hoher Aktivierung. Das bedeutet, ein hohes Erinnerungsmaß bei Werbung für bekannte Marken kann zu dem Trugschluß führen, die Werbung wecke höchstmögliche Aufmerksamkeit. Ganz auszuschließen ist eine derartige Variablenkonfundierung - also eine gleichzeitige Wirkung mehrerer Variablen (Einflußfaktoren), was eine genaue Interpretation der Resultate unterbindet - allerdings auch bei der Messung der Aktivierung nicht. Es wird bekanntlich davon ausgegangen, daß Emotionen ansprechende Werbung zu stärkerer Aktivierung führe, als weniger emotional gestaltete Werbung. Nach dem Modell emotionaler Konditionierung2 läßt sich die emotionale Reaktion von emotionshaltigen 2
Emotionale Konditionierung erfolgt im Prinzip folgendermaßen: Ein emotional eigentlich neutrales Produkt, z.B. ein Softdrink wird in der Werbung häufig mit karibischer Urlaubsstimmung in Verbindung gebracht. Das führt dazu, daß die Personen, die diese Werbung häufig genug gesehen haben, schließlich bei Erkennen dieses Produktes sofort an Urlaub und Karibik denken. Diese scheinbar automatisch ablaufende Reaktion wird als Konditionierung bezeichnet, hier bezieht sie sich auf Emotionen, daher emoti-
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Reizen auf ursprünglich neutrale Reize übertragen. Demnach müßte eine objektiv gesehen weniger emotional gestaltete Werbung bei bereits erfolgter Konditionierung ebenfalls höhere Aktivierung auslösen als wenn dieser Prozeß noch nicht erfolgte. So könnte eine mit durchschnittlich emotionalen Reizen ausgestattete Werbung durch vorangegangene Konditionierung ebenfalls gegenüber einer möglicherweise sogar mit stärkeren emotionalen Reizen ausgestatteten Werbung gewinnen. Dennoch scheint das Problem der Variablenkonfundierung bei reiner Erinnerungsmessung eben doch höher. Darin liegt auch der Vorteil der Aktivierungsmessung bei Anzeigen. Es gibt aber keine wirklich „reine“ Wahrnehmung, da, wie aus dem Modell von Irle (1975, S. 30) ersichtlich, selbst die Perzeption durch Gedächtnisinhalte und sofortige Informationsverarbeitung beeinflußt wird (vgl. Abbildung 9-1, Pfeil y). Per Recall, also durch Befragung, ist zudem lediglich die Messung verbalisierbarer Erinnerung möglich. Bildhaft gespeicherte Erinnerung kann so nicht immer erfaßt werden, da die Voraussetzung der Verbalisierbarkeit nicht zwangsläufig gegeben ist. Aktivierungsmessung durch Befragungen: Die Messung der Aktivierung durch apparative Verfahren, trifft in der Praxis aufgrund des vermeintlich hohen Aufwandes auf Widerstand. Zur Lösung dieses Problems schlägt Meyer-Hentschel (1983) die Messung des Potentials zur Aktivierung von Anzeigen bestimmte Befragungsmethoden vor. Es erscheint in der Tat naheliegend gerade bei Anzeigen den apparativen Aufwand zu vermeiden, da der Aussagewert der EDR-Messung im Vergleich zur Fernsehwerbung hier doch recht gering ist. Da in einem Test per Befragung nicht die ausgelöste, sondern nur die mögliche Aktivierung gemessen wird, ist vom Begriff des Aktivierungspotentials von Anzeigen auszugehen, das in Anlehnung an Berlyne (1974, S. 226) als die Fähigkeit eines Reizes, phasische Aktivierung auszulösen verstanden wird. Bei Befragungen sieht Meyer-Hentschel (1983) zwei Probleme: „Je positiver Personen das soziale Potential einer Anzeige wahrnehmen, desto stärker schätzen sie das Aktivierungspotential der Anzeige ein“ (ebenda, S. 48) und:
onale Konditionierung. Heute wird übrigens angenommen, daß Konditionierungen keineswegs zu reflexartigen Reaktionen führen, sondern die Folge lernbarer Erwartungen oder Antizipationen sind (vgl. die Diskussion bei Popper, Sexl, Riedl, u.a., 1985, S. 65).
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9. Messung der Kommunikationswirkung
„Je positiver Personen das soziale Potential einer Anzeige wahrnehmen und je stärker das Akzeptanzbedürfnis dieser Personen ist, desto stärker schätzen sie das Aktivierungspotential der Anzeige ein“ (ebenda, S. 53). Durch den Terminus „Soziales Potential“ wird das in der Befragung bekannte Problem sozialer Erwünschtheit von Antworten ausgedrückt. Es wird ferner völlig zu Recht davon ausgegangen, daß derartige Probleme der Befragung durch „schwer durchschaubare Befragungen“ wenigstens reduzierbar sind. Das gelingt insbesondere dadurch, daß weder das Ziel der Befragung noch die Bedeutung von Antworten erkennbar sind. Meyer-Hentschel testet ausgehend von diesen Vorüberlegungen drei Verfahren zur Messung des Aktivierungspotentials vor: a) Eine klassische bipolare Skalierung, entsprechend Abbildung 9-4 Dabei sollten Versuchspersonen auf einer Skala von 1 (für wenig intensiv) bis 7 (für sehr intensiv) angeben, wie stark ein Anzeige auf sie wirkte. wenig intensiv
1
2
3
4
5
6
7
sehr intensiv
Abbildung 9-4: Bipolare Skala zur Messung des Aktivierungspotentials (Meyer-Hentschel, 1983, S. 83). Diese Skala hat den Nachteil, daß die Versuchspersonen die Bedeutung ihrer Antworten und das Ziel der Befragung erkennen. Das führt zu Verzerrungen. Bei der folgenden Methode ist das nicht mehr der Fall: b) Eine Farbskala, bei der man sich aufgrund von Voruntersuchungen und meßtechnischen Überlegungen auf folgende Farben festgelegt hat: dunkelrot, rötlich-orange, orange, dunkelgrün, blau (Meyer-Hentschel, 1983, S. 92). Diese Skala gibt von oben nach unten gelesen das Aktivierungspotential der getesteten Anzeige wieder, dunkelrot steht für höchstes, blau für niedrigstes Aktivierungspotential. Die Validierung erfolgte durch Korrelationsberechnungen mittels EDR-Messung. Die Versuchspersonen wurden nun gebeten, den Anzeigen die Farbe zuzuordnen, die ihrer Meinung nach der Intensität der Wirkung entspricht.
9.2 Meßmethoden
569
Dabei besteht jedoch das Problem, daß die Personen sich nicht vom eigenen Intensitätsempfinden der Wirkung, sondern von in der Anzeige vorherrschenden Farben beeinflussen lassen. Trotz einer entsprechenden Anweisung, dieses nicht zu tun, ist das Problem kaum zu lösen. Daher wurde eine dritte Skala entwickelt und durch Korrelationsberechnungen mittels EDR-Messung validiert: c) Musterzuordnung (Meyer-Hentschel, 1983, S. 94-95). Nunmehr wurden folgende Muster als Skalenwerte herangezogen und empfohlen:
Abbildung 9-5: Muster des Zuordnungsverfahrens nach Meyer-Hentschel (1983, S. 94) Auch hier wurden die Versuchspersonen gebeten, diejenigen Muster den Anzeigen zuzuordnen, die der empfundenen Intensität der Wirkung entsprächen. Dieses Verfahren hat sich offensichtlich am besten dazu geeignet, das Aktivierungspotential einer Anzeige zu messen. Aus den Störfaktoren für eine Befragung ergeben sich im Grunde vier Situationen (soziales Potential des Reizes: hoch/niedrig - und Akzeptanzbedürfnis der Versuchspersonen: hoch/niedrig). Korrelationsberechnungen zwischen Befragung und EDR-Messung bringen in zwei Fällen hohe, in zwei Fällen niedrigere Korrelationswerte, wie in Abbildung 9-6 dargestellt. Dabei wird die Korrelation zwischen dem durch Befragung gemessenen Aktivierungspotential und dem apparativ gemessenen Aktivierungsniveau ausgedrückt. Je höher das Korrelationsmaß ist, um so eher kann man annehmen, daß das Aktivierungspotential auch durch Befragung meßbar ist.
570
9. Messung der Kommunikationswirkung
Bild
soziales Potential
neutral
Akzeptanzbedürfnis:
Akzeptanzbedürfnis:
Akzeptanzbedürfnis:
Akzeptanzbedürfnis:
schwach
stark
schwach
stark
Ergebnis: gut
Ergebnis: sehr gut
Ergebnis: schlecht
Ergebnis: sehr schlecht
(r = 0,97)
(r = 0,99)
(r = 0,21)
(r = 0,17)
Abbildung 9-6: Korrelationen zwischen EDR-Messung und Befragung in Abhängigkeit von Akzeptanzbedürfnis der Versuchspersonen und dem sozialen Potential von Anzeigen (Meyer-Hentschel, 1983, S. 141) Es läßt sich abschließend als Ergebnis festhalten: Bei niedrigerem sozialen Potential von Anzeigen ist eine direkte Befragung durch einfache Ratingskalen möglich und zulässig. Das reduziert den apparativen und damit auch den kostenmäßigen Aufwand erheblich. Bei hohem sozialem Potential aber nicht sehr hohen Anforderungen an die Meßgenauigkeit der Resultate eignen sich schwer durchschaubare Befragungen, insbesondere nach dem Verfahren der Musterzuordnung. Bei hohem sozialen Potential und hohen Ansprüchen an die Genauigkeit der Meßresultate sind apparative Meßverfahren, insbesondere die EDR-Messung angebracht. Grundsätzlich sind diese Überlegungen sowohl für die Beurteilung von Print- als auch TV-Werbung angebracht. Es gibt jedoch einige tendenzielle Unterschiede: Die Erkenntnisse aus der EDR-Messung bei Anzeigenwerbung sind doch etwas eingeschränkt. Daher sollte man hier eher an kostengünstigere Verfahren denken. Bei TV-Werbung ist die EDR-Messung zu einer Analyse der Kommunikationswirkung geeignet, die durch die hier angesprochenen Skalierungen doch nicht in der Form realisiert werden, wenngleich eine globale Beurteilung nach Lebhaftigkeit, Aktivierungspotential usw. möglich ist. Die Messung von Veränderungen,
9.2 Meßmethoden
571
insbesondere der Aktivierung im Zeitablauf ist durch derartige Befragungen jedoch nicht möglich. Daher scheint der Verzicht auf apparative Verfahren wie die EDR-Messung bei TV-Werbung weniger angebracht.
9.2.1.2 Blickaufzeichnung Wahrnehmungstheoretische Grundlagen Der Mensch nimmt beim Sehen nicht sein gesamtes Blickfeld wahr. Es wird nur jeweils ein Anteil von etwa 2° des Gesichtsfeldes wirklich scharf wahrgenommen, sogenanntes foveales Sehen. Der Rest wird peripher wahrgenommen. Für das foveale Sehen sind im Auge die Stäbchen als Sehzellen zuständig, die gleichzeitig für das Farbsehen verantwortlich sind. Dieser Teil des Auges bzw. der Netzhaut (Retina), die Fovea, hat eine besonders hohe Wahrnehmungsfähigkeit. Der Bereich des peripheren Sehens wird in die Netzhaut durch Zellen repräsentiert, die Zäpfchen genannt werden. Von diesem Bereich erfaßte visuelle Reize werden nicht farbig und relativ unscharf wahrgenommen (vgl. Barton, 1980; von Keitz-Krewel, 1994). Die ungenauen Informationen, die peripher erfaßt werden, bestimmen allerdings den weiteren Blickverlauf, sie steuern das foveale Sehen. Da dieser Prozeß besonders schnell vonstatten geht, glaubt der Mensch, laufend das gesamte Gesichtsfeld wahrzunehmen. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Prozeß visueller Wahrnehmung erfolgt also durch Abtasten des Gesichtsfeldes. Dabei bewegt sich das Auge diskontinuierlich und erfaßt dabei das Wahrzunehmende. Die Augenbewegungen bestehen aus Sprüngen, den Saccaden und den Fixationen. Während einer Fixation wird ein bestimmter Punkt für sehr kurze Zeit konstant erfaßt, dann springt das Auge zum nächsten Fixationspunkt. Für eine Fixation ist ein Zeitraum von 0,2 bis 0,4 Sekunden, für eine Saccade von 0,03 bis 0,09 Sekunden anzunehmen (Böcker & Schwerdt, 1981, S. 355; vgl. ausführlich Leven, 1991). Pro Sekunde sind somit maximal 5 Fixationen möglich, bei einer Betrachtungszeit für eine Anzeige von angenommen 5 Sekunden, können also nur ca. 25 Elemente fixiert werden. Da davon ausgegangen wird, daß nur diejenigen Elemente gelernt werden können, die tatsächlich fixiert oder wenigstens durch Saccaden „gestreift“ werden, ist einsichtig, daß Anzeigen, die nur relativ kurz betrachtet werden, nur wenige Botschaften transportieren können. In der Praxis werden tatsächlich sehr viele Anzeigen mit Informationen überlastet. Allerdings ist kurze Betrachtungszeit nicht unbedingt als Datum hinzunehmen. Das hängt auch sehr stark vom Produktinteresse ab. Es besteht ferner durchaus die Möglichkeit, durch entsprechende Gestaltung ein höheres Informationsbedürfnis zu wecken und dadurch die Betrachtungszeit auszudehnen. Darauf sollte man sich jedoch niemals verlassen und diese erhoffte Wirkung auf jeden Fall per Pretest überprüfen (z.B. durch das Compagnon-Verfahren der Blickbeobachtung).
572
9. Messung der Kommunikationswirkung
Das Verfahren der Blickaufzeichnung Da dieser Prozeß der Wahrnehmung nicht direkt beobachtbar ist, wird versucht ihn apparativ zu erfassen, nämlich mit dem bekannten Verfahren der Blickaufzeichnung. In einer speziellen Brille befinden sich zwei Infrarotsender. Diese richten einen feinen Infrarotstrahl auf jeweils eine Pupille, die das Infrarotlicht reflektiert. Die Reflektion wiederum wird von Fotozellen empfangen und in elektrische Impulse umgewandelt, die sich auf ein Schreibgerät übertragen lassen. Jede Bewegung des Auges läßt sich auf diese Art graphisch festhalten, da sich dadurch auch die Reflektion ändert. Eine gleichfalls in die Brille eingebaute Kamera zeichnet das jeweilige Blickfeld auf. So ist auch eine ausreichende Bewegungsfreiheit des Kopfes gewährleistet. Die Technik verlangt eine Brille vom Ausmaß einer größeren Motorradbrille. Das Gewicht beträgt 380 g (vgl. Abbildung 9-7). Die Versuchsperson betrachtet nun in einem Test eine Zeitschrift oder TVProgramm, in denen sich die zu testenden Anzeigen oder Werbe-Spots befinden. Bei der Anzeigenwerbung wird gemessen, in welchem Maße die Anzeige überhaupt den Blick des Betrachters auf sich zieht, welche Elemente in welcher Reihenfolge und wie lange fixiert werden, sowie welchen Verlauf die Anzeigenbetrachtung tatsächlich nimmt. Dabei ist außerordentlich wichtig, die Versuchsperson darüber im Unklaren zu lassen, daß es sich um einen Werbetest handelt, da ansonsten mit atypischen Betrachtungen zu rechnen ist. Man sollte also den Versuchspersonen Zeitschriften unter einem Vorwand zum Betrachten geben (z.B. Untersuchungen des Leseverhaltens von Zeitschriften). In die Zeitschriften sind unbemerkt die Testanzeigen zu montieren. Um den Test nicht unnötig lange dauern zu lassen, wird man die eigentliche Testanzeige weit vorne im Heft montieren. Um möglichst wenige Ausfälle durch Überblättern der Anzeige zu erzielen, kann die Testanzeige mehrfach in das Heft montiert werden. Nach der ersten Betrachtung der Anzeige wird der Test abgebrochen. In früheren Untersuchungen, in denen die Versuchspersonen wußten, daß es sich um einen Werbetest handelt, glaubte man festgestellt zu haben, daß die zuerst fixierten drei bis vier Elemente deutlich bessere Erinnerungswerte erzielen als alle später fixierten. Die Konsequenz daraus wäre, daß man z.B. den Markennamen in Elemente integriert, die zuerst fixiert werden, z.B. die Headline. Das aber wiederum führt zu noch kürzeren Beobachtungszeiten von Anzeigen. Leven (1983) wies nach, daß diese Untersuchungen falsch angelegt waren. In Testsituationen, in denen die Versuchspersonen über den Zweck der Untersuchungen getäuscht wurden, konnte dieser Erinnerungseffekt nämlich nicht nachgewiesen werden. Die Erinnerungsleistungen waren dann unabhängig von der Fixationsreihenfolge. Das zeigt sehr deutlich, wie wichtig es ist, Versuchspersonen über den eigentlichen Zweck der Untersuchung im Unklaren zu lassen.
9.2 Meßmethoden
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Abbildung 9-7: Blickaufzeichnung nach dem NAC Eye-Mark Recorder 4 Die folgende Abbildung zeigt vereinfacht die Darstellung der Resultate der Blickaufzeichnung: Die Punkte geben die Fixationen wieder, die Verbindungslinien stehen für alle Saccaden. Eine Anzeige besteht aus einer bestimmten Anzahl von als wesentlich anzusehenden Elementen. Man kann die Gesamtheit aller Blickverläufe eines Pretests dahingehend auswerten, daß festgestellt wird, wieviel Prozent aller Versuchspersonen die jeweiligen Elemente fixiert haben. Ferner läßt sich aus der Gesamtheit aller Blickaufzeichnungen ein „typischer“ Blickverlauf für eine Anzeige ermitteln.
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9. Messung der Kommunikationswirkung
Abbildung 9-8: Darstellung eines fiktiven Blickverlaufes einer Versuchsperson
Aussagen der Blickaufzeichnung Ähnlich wie man durch EDR-Messung, also die Messung der Aktivierung die Wirkung eines TV-Spots analysieren kann, läßt sich durch die Blickaufzeichnung die Anzeigenbetrachtung analysieren. Es werden nur Anzeigenelemente betrachtet, die genügend Aufmerksamkeit wecken. Es läßt sich auch formulieren: „Ohne Betrachtung keine Kommunikationswirkung“. Nun könnte man einwenden, daß Versuchspersonen doch einfach danach befragt werden können, welche Elemente in einer Anzeige, die sie soeben betrachtet haben, gesehen wurden. Leider kann der Mensch selber nicht immer verbal wiedergeben, wie er eben eine Anzeige betrachtet hat. Bildhafte Eindrücke mögen vorhanden sein, können jedoch nicht verbalisiert werden. Schließlich kann die Blickaufzeichnung auch Hinweise geben, warum ein bestimmtes Element nicht verbal erinnert wird und damit auch Hinweise, wie die Anzeigen optimiert werden können. Ein Beispiel möge das verdeutlichen: Es ist durchaus möglich, daß die Erinnerung an ein bestimmtes Anzeigenelement (z.B. eine „Headline“) in anschließenden Befragungen ausbleibt, jedoch aus völlig unterschiedlichen Gründen. Diese „Headline“ mag nicht wiedergegeben werden, weil sie tatsächlich nicht vom Auge erfaßt wurde (der Blickverlauf ging daran deutlich vorbei). Dann ist sie falsch positioniert, die Anzeige muß neu strukturiert werden. Möglicherweise wurde die „Headline“ jedoch erfaßt und zwar, aus der Blickaufzeichnung ersichtlich, sogar sehr intensiv. Das Auge „sprang“ mehrmals über die „Headline“, vielleicht sogar auf ihr hin und her, dennoch wurde sie nicht wiedergegeben. Dann ist die „Headline“ möglicherweise mißverständlich formuliert oder sehr schlecht
9.2 Meßmethoden
575
lesbar. Beides kann man korrigieren, ohne deswegen die gesamte Anzeige neu zu gestalten. Die dritte Möglichkeit ist, daß das Auge die „Headline“ sozusagen in „Idealform“ erfaßt und dennoch die Erinnerung im Pretest ausbleibt (meßbar in anschließender Befragung). Das ist ein Indiz dafür, daß die „Headline“ richtig positioniert und gestaltet ist, sie muß lediglich verbal noch besser gelernt werden. Dieses Problem ist eine Frage der Schaltfrequenz. Wir finden also drei mögliche Erklärungen für ein einziges Problem, das sich in Befragungen herausstellen kann. Hier liegt ein Vorteil des Verfahrens der Blickaufzeichnung: In Verbindung mit anschließender Befragung liefert es Hinweise zur Anzeigenoptimierung, liefert Hinweise für Ursachen möglicher Probleme! Auf den dritten Fall wollen wir noch einmal vertiefend eingehen: Es kann bei der Auswertung der Daten aus der Blickaufzeichnung mit anschließender Befragung also festgestellt werden, daß trotz visuellen Abtastens eines Reizes dieser nicht verarbeitet oder erinnert wird, d.h. keinerlei emotionale oder kognitive Wirkung eintritt. Natürlich ist es als Schwäche einer Werbebotschaft zu werten, wenn ein (aus Sicht des Managements) wichtiges Element visuell erfaßt wird, jedoch nur so oberflächlich, daß es anschließend nicht auch korrekt erinnert wird, dazu also mehrere Werbekontakte notwendig sind. So gesehen ist auch die Tatsache, daß beispielsweise eine „Headline“ oder ein Markensymbol zwar scheinbar ideal visuell abgetastet wird, jedoch nicht wiedergegeben wird, ein Hinweis für eine mögliche Verbesserung in der Gestaltung. „Headline“ oder Markensymbol (um bei diesen Beispielen zu bleiben) könnten in so einem Fall zwar in ihrer gestalterischen Struktur belassen werden, müssen jedoch möglicherweise intensiver oder noch prägnanter hervorgehoben werden. Negativschrift oder fehlende Farbintensität könnten mögliche Ursachen für derartige Probleme sein. Andererseits ergibt sich daraus auch ein Hinweis auf die Mediaplanung: Die Anzeige benötigt höhere Kontaktdosierung. Auch die Betrachtungsdauer von Anzeigen oder Teilen davon, kann verschiedene Ursachen haben. Längere Betrachtungsdauer von Anzeigen kann natürlich auch ein Zeichen von erhöhter Aufmerksamkeit oder Gefallen sein, ebenso von schwer verständlich gestalteten Anzeigen. Das läßt sich jedoch nur durch das Verfahren der Blickaufzeichnung in Verbindung mit anschließender Befragung ermitteln. Die folgenden Abbildungen 9-9 zeigen Anzeigen mit vermutlich gut prognostizierbarem Blickverlauf.
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Abbildung 9-9 a: Anzeige mit prognostizierbarem Blickverlauf „Rolex“
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Abbildung 9-9 b: Anzeige mit prognostizierbarem Blickverlauf „Omega“ Beim Rolex-Beispiel können wir erwarten, daß der Blick vom Reiterbild über die Unterschrift und den Text direkt auf die Rolex-Uhr läuft, abschließend auf das Logo. Die Anzeigenwirkung ist unabhängig davon, wie intensiv der Text verarbei-
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tet wird. Ähnlich ist der Blickverlauf beim Omega-Beispiel. Hier ist zu erwarten, daß der Blick zunächst auf das Gesicht des bekannten Golf-Star fällt, von dort nach unten auf die Omega-Uhr und anschließend auf das Omega-Logo.
Abbildung 9-10: Blickfangwerbung
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Die Idee ist bei beiden Konzepten ähnlich, über hoch anspruchsvolle Sportdarstellungen Image zu gewinnen, der Blick geht über die Sport/Star-Darstellung über das Produkt auf das Logo. Beim Omega-Beispiel wird auf Text verzichtet, beim Rolex-Beispiel ist der Text nicht zwingend erforderlich. Die Anzeige (Abbildung 9-10) von YvesSainLaurent ist eindeutig eine emotionale Blickfangwerbung. Augen ziehen immer den Blick auf sich, es geht um Augenkosmetik, also sind wir „hart am Produkt“. Ein Problem könnte die Plazierung des Markennamens im oberen Bildbereich sein, da der Blick in der Regel auf emotionale Bildelemente fällt und von dort eher nach unten geht, also über die Produktdarstellung unten rechts, und dann die Anzeige verläßt. Aufgrund des hohen Bekanntheitsgrades der Marke, wäre genau das ein Fall für den Test des Blickverlaufs. Das Compagnon-Blickaufzeichnungs-Verfahren Es ist noch ein zweites Verfahren der Blickaufzeichnung bekannt, das sogenannte Compagnon-Verfahren. Hierbei bemerkt die Versuchsperson in keiner Weise, daß sie an einem Test teilnimmt, es findet zunächst keine Befragung statt, der apparative Aufwand bleibt völlig unbemerkt. Die Versuchspersonen werden angeblich zu einem Produkttest oder einer anderen Befragung gebeten. Zur Überbrückung einer scheinbaren Wartezeit werden sie in ein Wartezimmer gebeten, das folgendermaßen ausgestattet ist: Ein Tisch mit einem Stuhl, der so konstruiert ist, daß eine ganz bestimmte Sitzhaltung besonders bequem ist, neben dem Tisch steht eine Stehlampe mit einem Lampenschirm, der so beleuchtet ist, daß man nicht in das Innere hineinsehen kann. In dem Stehlampenschirm ist eine Kamera montiert. Der Versuchsperson wird eine Zeitschrift zum Lesen ausgehändigt. Beim Durchblättern dieser Zeitschrift wird durch die Kamera einmal die jeweils aufgeschlagene Seite gefilmt und über eine bestimmte Spiegelung des Tisches (die von der Versuchspersonen ebenfalls nicht bemerkt wird) das Gesicht dieser Person. Durch Auswertung des Videofilmes läßt sich durch Analyse der Augenbewegungen sagen, welche Seiten und auch welcher Bereich der jeweiligen Seite (oben/unten und links/rechts) beachtet worden ist. Der Versuchsaufbau ist aus Abbildung 9-11 ersichtlich. Dieses Verfahren ist insbesondere dann empfehlenswert, wenn es darauf ankommt, in einer natürlichen Situation zu überprüfen, wie lange eine - nun wirklich zufällig aufgeschlagene - Anzeige tatsächlich betrachtet wird, und wenn die Kontrolle des Blickverlaufs nicht extrem genau sein muß. Damit ein möglichst hoher Anteil der Versuchspersonen tatsächlich „zufällig“ auf die zu testende Anzeige stößt, kann
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9. Messung der Kommunikationswirkung
man wie bei anderen Verfahren der Blickaufzeichnung auch beim CompagnonVerfahren die eigentliche Testanzeige mehrfach in das Testheft montieren.
Abbildung 9-11: Blickaufzeichnung nach dem Compagnon-Verfahren Der Versuch kann nach erstem Kontakt mit der Anzeige abgebrochen werden, so daß die Mehrfachplazierung im Heft nicht stören kann. Gegen dieses Verfahren läßt sich einwenden, daß möglicherweise keine heimische Zeitschriftennutzung beobachtet wird, sondern das Betrachten einer Zeitschrift in einer Wartesituation (Wartezimmer), was nicht mit üblicher Zeitschriftennutzung übereinstimmen muß. Der Einwand „nicht-heimischer“ Nutzung läßt sich allerdings auch gegen das oben dargestellte Verfahren der Blickaufzeichnung einbringen. Nehmen wir als Anwendungsbeispiel eine Textanzeige. Derartige Anzeigen sind aufgrund der üblicherweise kurzen Betrachtungszeit problematisch. Im Management wird aber die Auffassung vertreten, daß eine ganz bestimmte Textanzeige soviel Aufmerksamkeit erweckt, daß sie gelesen wird. Diese Hypothese läßt sich empirisch überprüfen, wenn sie bei Anwendung des Compagnon-Verfahrens bei
9.2 Meßmethoden
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zufälligem Aufschlagen der Anzeigenseite, daß die betreffende Anzeige entgegen der Hypothese nur kurz betrachtet wird, kann die Annahme einer überdurchschnittlichen – und damit ausreichend – langen Betrachtungszeit nicht aufrecht erhalten werden. Das Verfahren der Blickaufzeichnung findet auch in der Analyse des Betrachtungsverhaltens von TV-Werbung Anwendung. Die Versuchsperson betrachtet hier ebenfalls „bebrillt“ ein TV-Programm, in welches ein Werbeblock eingebaut ist, in dem sich der eigentlich zu testende TV-Spot befindet. Auch hier soll die Versuchsperson den Eindruck haben, eigentlich das TV-Programm zu testen und nicht die eingebauten Werbespots. Die „Cover Story“ kann hier lauten, daß es darauf ankäme, das Betrachtungsverhalten bei Fernsehprogrammen zu testen. Der Blickverlauf wird nun nicht auf eine Graphik übertragen, sondern erscheint auf einem parallel ablaufenden Bildschirm auf dem zu testenden Film als kleiner weißer Punkt oder Pfeil. Während des gesamten Filmablaufes ist dieser kleine weiße Hinweis zu verfolgen und gibt somit über die gesamte Laufzeit die jeweils gerade fixierten Elemente im Film an. Legt man nun alle so gemessenen Blickverläufe aller Versuchspersonen übereinander, so läßt sich wiederum ein „typischer Blickverlauf“ erkennen.
9.2.1.3 Kombination von Blickaufzeichnung und EDR-Messung Da die Messung der elektrodermalen Reaktion bei Anzeigen lediglich eine pauschale Information über das Ausmaß der Aktivierung liefert, empfiehlt es sich, zur Analyse der Kommunikationswirkung von Anzeigen, diese mit der Blickaufzeichnung zu kombinieren. Um den apparativen Aufwand nicht auszuweiten und somit eine zusätzliche Störvariable zu schaffen, können bei 50% der Versuchspersonen die Blickverläufe gemessen werden, bei der anderen Hälfte kann die elektrodermale Reaktion erfaßt werden. Auch bei der Analyse der TV-Werbung ist diese Kombination denkbar. Wir können so erfahren, welche Szenen in einem TV-Spot in welchem Maße aktivieren, und welche Elemente im Bild visuell erfaßt werden. Letzteres ist gerade bei der TV-Werbung sinnvoll, da hier eine mehr sensorische Ansprache über akustische und bewegte optische Reize erfolgt. Die Testergebnisse sind jedoch nur dann realistisch, wenn der zu testende Spot - wie in der Realität - im Rahmen und als Bestandteil eines wenigstens 5-minütigen Werbeblocks gemessen wird.
582
9. Messung der Kommunikationswirkung
9.2.2 Reizverarbeitung während der Darbietung und deren Messung Die Reizverarbeitung beginnt als Wechselspiel zwischen Perzeption und ersten kognitiven Prozessen. Diese erste Stufe der kognitiven Verarbeitung kann durch die Tachistoskopie erforscht werden.
Stimulus-Komplex Werbemittel und Werbeumfeld
Perzeption (Wahrnehmung)
Gedankliche Verarbeitung (Kognition) Verständnis Übereinstimmung Assoziationen
Gedächtnis
kognitive (gedankliche) Struktur Einstellungen Wünsche Bedürfnisse
Verhaltensabsicht
Verhalten
Abbildung 9-12: Wechselspiel zwischen Perzeption und Kognition
9.2.2.1 Tachistoskopie Menschen erfassen visuelle Reize durchaus nicht sofort vollständig. Es werden nacheinander mehr und mehr Elemente mehr und mehr intensiv wahrgenommen. Wahrnehmung ist also nicht als ein augenblicklicher Vorgang, sondern als Prozeß
9.2 Meßmethoden
583
zu verstehen. Wahrnehmung beginnt mit ersten, durchaus noch diffusen emotionalkognitiven Orientierungsreaktionen. Wahrnehmung ist ein Prozeß, bei dem zuerst ein allererster Eindruck entsteht, der jedoch die folgende Wahrnehmung und Reizverarbeitung steuert. Dieser allererste Eindruck bildet sich beim ersten Kontakt mit dem Reiz in einem Zeitraum von Bruchteilen von Sekunden und wird auch als „vorbewußte Wahrnehmung“ (Steffenhagen, 1984a und b) bezeichnet. Damit wird deutlich, daß es hier nicht um unterschwellige Wahrnehmung geht, schon gar nicht um Beeinflussung durch unterschwellige Wahrnehmung. Es geht um eine dermaßen kurze bildhafte Wahrnehmung, die von Rezipienten verbal nicht wiedergegeben werden kann. Zwar beeinflußt dieser allererste Eindruck den folgenden Prozeß der Wahrnehmung und Verarbeitung, die Rezipienten sind jedoch nicht in der Lage, diesen Prozeß kognitiv nachzuvollziehen, ihn selber zu erklären. Daher versagen klassische verbale Methoden der Marktforschung, bei denen die Versuchspersonen gebeten werden, intensiv und ausführlich wahrgenommene Reize zu beurteilen. Das Tachistoskop ist nun in der Lage, Abbildungen wie Anzeigen oder auch Packungsbilder für sehr kurze Zeit darzubieten, wobei die Projektionszeit auf Tausendstel Sekunden genau erfolgen kann. Die Darbietung erfolgt mittels Projektion auf eine Leinwand oder auf einem Bildschirm. Außerdem gibt es Verfahren, bei denen das Bildmaterial kurz angestrahlt wird. Die Versuchspersonen sind bei dieser Kurzzeitvorlage noch nicht dazu in der Lage, das Gesehene genau zu identifizieren, sie empfinden vielmehr einen noch gefühlsmäßigen Eindruck. Durch anschließende Befragung hinsichtlich der Beurteilung kann ermittelt werden, in welche Richtung dieser Eindruck geht. So besteht die Möglichkeit, anhand der Aussagen auf Prädispositionen zu schließen, die wahrgenommenen Reize weiter zu verarbeiten. Diese Art der Befragung unterläuft die gedankliche Kontrolle, die bekanntermaßen ein Problem bei der Befragung von Empfindungen darstellen kann. Die Befragung selber kann beispielsweise nach der Methode des semantischen Differentials erfolgen (vgl. ausführlich Raab, Unger & Unger, 2004, S. 85 ff.). Für Werbung und auch Packungsgestaltung ist ferner von Interesse, bei welcher Betrachtungszeit bestimmte Elemente erfaßt und erkannt werden. Man kann durch die genaue Kontrolle der Darbietungszeit und anschließende Befragung untersuchen, welche Anzeigen oder Packungen welche Botschaften am schnellsten transportieren oder bei welchen Alternativen beispielsweise die Marke am schnellsten erkannt wird. Das ist eine besonders realitätsnahe Untersuchung. Bei Spontankäufen in Verbrauchermärkten ist die schnelle Identifikation von Packungen von Bedeutung, beim Durchblättern von Zeitschriften entfallen auf manche Anzeigen nur extrem kurze Betrachtungszeiten. Um die Schnelligkeit zu erfassen, mit der Kom-
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9. Messung der Kommunikationswirkung
munikationsmittel die Botschaft transportieren, wird die Anzeige (oder Packung) verschiedenen Versuchsgruppen unterschiedlich lange dargeboten. Aus der anschließenden Befragung kann man schließen, welche Elemente bei welcher Darbietungszeit erfaßt werden. Man kann dabei auch mehrere Alternativen einer vergleichenden Analyse unterziehen. Der Versuchsaufbau ist aus der folgenden Abbildung 9-13 ersichtlich. Jedes Kästchen erfordert allerdings eine eigene Versuchsgruppe. Alternative: Betrachtungszeit: I z.B. 1/10 Sec. II z.B. 2/10 Sec. III z.B. 5/10 Sec. IV z.B. 10/10 Sec.
A B C z.B. Anzeigen- oder Packungsvarianten
Abbildung 9-13: Versuchsaufbau der vergleichenden Analyse mehrerer Anzeigen- oder Packungsalternativen mittels Tachistoskopie Mit Hilfe der Tachistokopie läßt sich feststellen, ob die wichtigsten Figur-GrundRegeln bei der Gestaltung ausreichend berücksichtigt worden sind, ob die verwendeten Bildelemente den Erfahrungen der Zielgruppe entsprechen (vertraut sind), klar und eindeutig genug sind und somit schneller erkannt werden. Die hier gefundenen Resultate lassen sich bis zu einem gewissen Grad mit der Blickaufzeichnung erhärten. Das Verfahren der Tachistokopie kann folgendermaßen variiert werden: • unterschiedliche Darbietungszeit für gleiche Reize, • unterschiedliche Reize bei gleicher Darbietungszeit oder • Kombinationen beider Vorgehensweisen Die Tachistoskopie in Verbindung mit der Befragung bietet Einblick in den Informationsverarbeitungsprozeß der Konsumenten. Sie unterliegt der Annahme, daß Wahrnehmung in Stufen erfolgt, wobei die ersten Stufen einen eher gefühlsmäßigen Eindruck vermitteln.
9.2 Meßmethoden
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9.2.2.2 „Cognitive Response“-Forschung Die kognitive Verarbeitung werblicher Beeinflussung ist in der Praxis das Gebiet der Befragung. Welche spontanen, gedanklichen Verbindungen Personen mit Werbebotschaften herstellen, das muß in der Tat erfragt werden.3
Stimulus-Komplex Werbemittel und Werbeumfeld
Perzeption (Wahrnehmung)
Gedankliche Verarbeitung (Kognition) Verständnis Übereinstimmung Assoziationen
Gedächtnis
kognitive (gedankliche) Struktur Einstellungen Wünsche Bedürfnisse
Verhaltensabsicht
Verhalten
Abbildung 9-14: Gedankliche Reaktionen müssen erfragt werden Mögliche Erklärungen für die Wirkung der Werbung liefert die „Cognitive Response“-Forschung. Es hat sich gezeigt, daß sich die gedankliche Verarbeitung der Werbung (eigentlich jeder Beeinflussung) durch das Erfassen aller durch diese 3
Es gibt Ansätze, durch die Erfassung von Muskelbewegungen (Muskulations-PotentialAmplituden EMG) im Gesicht auf die Qualität von Gedanken und Emotionen, also der Informationsverarbeitung zu schließen (vgl. Mayerhofer, 1990, S. 168 ff.) oder Muskelbewegungen in Fingerkuppen aufzuzeichnen (Neibecker, 1985).
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9. Messung der Kommunikationswirkung
Werbung ausgelösten Assoziationen messen läßt. Die Qualität der Assoziationen gibt Hinweise auf die Richtung der Beeinflussung. Die Menge der ausgelösten Assoziationen erlaubt die Intensität der Verarbeitung und damit die dauerhaft mögliche langfristige Kommunikationswirkung zu schätzen. Erfassung der „Cognitive Responses“ Die Methoden, mit denen in der „Cognitive Response“-Forschung gearbeitet wird, sind nicht neu. Die größte Bedeutung haben freie Assoziationstechniken und in besonderem Maße Gedächtnisprotokolle, aber auch Tonbandaufzeichnungen während der Darbietung (sogenannte Methode des „lauten Denkens“). Die Methode geht auf die Würzburger Schule zurück. Sie findet jetzt wieder verstärkt Beachtung (siehe auch die Denkschrift für Otto Selz, einem der Opfer des Dritten Reiches, zu seinem einhundertsten Geburtstag 1981 von Frijda & de Groot, 1981 oder Métraux & Herrmann, 1991). Zur Ermittlung der „Cognitive Responses“ erhalten die Versuchsteilnehmer Instruktionen darüber, ob sie über • alle durch die beeinflussende Botschaft hervorgerufenen Gedanken, • allgemeine Gedanken zum Gegenstand der Botschaft oder • alle Gedanken, die während der Beeinflussung entstehen, berichten sollen (Six & Schäfer, 1985, S. 51; Petty & Cacioppo, 1986, S. 38). Um die Anzahl der wiederzugebenden Gedanken bei Gedächtnisprotokollen auf die tatsächlich auf die Botschaft zurückzuführenden zu begrenzen, kann ein Zeitlimit gesetzt werden und/oder ein strukturiertes Protokollformular mit einer bestimmten Anzahl von Feldern verwendet werden (Petty & Cacioppo, 1986, S. 38). Bei Tonbandprotokollen erübrigt sich dieses Problem, wenn die Aufzeichnung während der Darbietung erfolgt. Wichtig ist, daß auch scheinbar irrelevante Assoziationen in die Auswertung einfließen, da auch unthematische Vorstellungen die Kommunikationswirkung beeinflussen. Die Auswertung derartiger Protokolle erfordert das Auszählen der Menge unterschiedlicher Gedanken (Intensität der Reiz- bzw. Informationsverarbeitung) und anschließend eine Bewertung dahingehend, daß die einzelnen Gedanken im wesentlichen in die drei Rubriken „unterstützend“ - „ablehnend“ - „neutral“ eingeordnet werden. Die Menge erfaßbarer „Cognitive Responses“ ist ein guter Indikator für die Intensität der Informationsverarbeitung, die Relation „unterstützende“ zu „ablehnende“ Reaktionen ein Indikator für die Richtung möglicher Einstellungsänderungen.
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In der Marktforschung wird häufig Erinnerung an Werbung als wesentlichster Wirkungsindikator herangezogen (Recall). Aus der Kommunikationsforschung läßt sich diese Schlußfolgerung nicht ableiten. Schon die Forschungsresultate von Petty (1977) sind mit der späteren „Cognitive Response“-Forschung (vgl. Petty, Ostrom & Brock, 1981) konsistent, wonach die Erinnerung an Marken, einzelne Argumente oder andere Botschaftselemente kein Indikator für Akzeptanz von Botschaften ist. Bestätigt hat sich jedoch die Annahme, daß die Entwicklung eigener Gedanken bzw. Assoziationen eine wichtige Schlüsselgröße für eintretende langfristig stabile Einstellungsänderungen darstellen. So unterstreicht die „Cognitive Response“-Forschung Vorbehalte gegen die Aussagekraft von „Recall-Messungen“.
9.2.2.3 Messung bildhafter Eindrücke Nach dem Stand werbepsychologischer Erkenntnisse kommt nicht nur dem verbalen Verarbeiten von Reizen hinsichtlich der Beeinflussung große Bedeutung zu. Daneben steht die nonverbale Verarbeitung dargebotener Stimuli - manche Autoren gehen von einer teilweisen Überlegenheit nonverbaler Beeinflussung aus (vgl. insbesondere Kroeber-Riel, 1983, 1986, 1987). Nonverbale Beeinflussung kann in ihrer Wirkung aber nicht ohne weiteres verbal gemessen werden, wie das oft unkritisch in der Marketing-Praxis geschieht. Für die Marktforschung werden vornehmlich zwei Befragungsmethoden zur Messung nonverbaler Eindrücke vorgeschlagen: Befragung anhand von Ratingskalen oder anhand von Bilderskalen. Ruge (1988) arbeitete in Vorstudien zudem mit Pictogramm-Skalen als Alternative zu Bilderskalen, da Bilder aufgrund ihrer hohen Komplexität Probleme bei der Interpretation verursachen können, jedoch bewährten sich diese Pictogramme nicht. Bilder bzw. bildhafte Eindrücke lassen sich nach Ruge (1988, S. 102) anhand folgender Dimensionen beurteilen: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Klarheit, Leichtigkeit des Hervorrufens, Zugriffsfähigkeit, Gefallen, Aktivierungspotential, Reichhaltigkeit (Komplexität), Neuartigkeit oder Informationsgehalt, Vertrautheit oder psychische Distanz, Dominanz,
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9. Messung der Kommunikationswirkung
9. 10. 11. 12.
Stabilität, Strukturiertheit, Konsistenz und Farbigkeit.
Nunmehr ist es erforderlich, Skalen zu entwerfen, die jeweils eine dieser Dimensionen messen. Im wesentlichen wird mit bipolaren Skalen gearbeitet. Das bedeutet, daß die Versuchsperson zur Beurteilung eines Gegenstandes ein Gegensatzpaar von Worten (oder Bildern) vorgelegt bekommt. Sie soll dann auf der Skala den Punkt angeben, der ihrer Meinung nach dem zu beurteilenden Gegenstand am ehesten entspricht. Nehmen wir an, es geht um die Beurteilung einer Automarke, dann könnte die folgende Darstellung die teilweise Beurteilung einer Versuchsperson beschreiben: modern häßlich sportlich
: : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : :
altmodisch schön unsportlich
Je näher ein Kreuz an einem der Pole steht, um so stärker neigt die Person in ihrer Beurteilung zu dieser Eigenschaft (Semantisches Differential). Bei Bilderskalen stehen anstelle der Worte diesen Worten entsprechende Bilder. Diese haben den Vorteil, daß die Versuchsperson einmal die Befragung noch weniger durchschauen kann und zudem in stärkerem Maße nicht verbalisierbare Reizverarbeitung gemessen werden kann. Das Problem bei Bilderskalen ist jedoch, daß sich die Bilder eigentlich nur in einer einzigen Dimension voneinander unterscheiden dürfen, was gerade aufgrund der Komplexität der Bilder ein Problem darstellt. Ruge (1988, S. 103) geht allerdings davon aus, dieses Problem dadurch gelöst zu haben, daß die „Interpretationsmöglichkeiten durch die vergleichende Betrachtung der beiden Pole stark eingeschränkt...“ würde. Zudem wurde versucht, die Bilder auf möglichst wenige Elemente zu reduzieren. Letztendlich schlägt Ruge vor, mit einem Satz aus 17 verbalen und 14 Bilderskalen zu arbeiten und dabei 6 Dimensionen zu messen (Ruge, 1988, S. 104): Diese sind: 1. Lebhaftigkeit, 2. Gefallen bzw. Bewertung, 3. Intensität („Mit zunehmender Intensität eines Bildes steigt dessen Aktivierungspotential“), 4. Komplexität, 5. Neuartigkeit und 6. Psychische Distanz (oder Vertrautheit).
9.2 Meßmethoden
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Die Dimensionen 3, 4 und 5 betreffen gemeinsam das Aktivierungspotential eines Bildes.
9.2.3 Messung von Gedächtniswirkung Bis hierher haben wir uns mit dem Prozeß der Kommunikationswirkung über die Perzeption bis zur Kognition, der Wahrnehmung und der Reizverarbeitung beschäftigt. Dieser Prozeß wird einerseits durch das Kommunikationsmittel selber ausgelöst, andererseits durch Persönlichkeitsfaktoren beeinflußt, so durch vorhandene Gedächtnisinhalte. Diese sind aber auch Ziel der Werbung.
Stimulus-Komplex Werbemittel und Werbeumfeld
Perzeption (Wahrnehmung)
Gedankliche Verarbeitung (Kognition) Verständnis Übereinstimmung Assoziationen
Gedächtnis
kognitive (gedankliche) Struktur Einstellungen Wünsche Bedürfnisse
Verhaltensabsicht
Verhalten
Abbildung 9-15: Recall und Recognition erfassen Gedächtniswirkungen
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9. Messung der Kommunikationswirkung
9.2.3.1 Recall-Messungen Der „Recall“ ist eines der in der Praxis am häufigsten eingesetzten Verfahren in der Marktforschung, was angesichts der doch begrenzten Aussagekraft etwas verwunderlich ist. Der „Recall“ mißt die aktive Erinnerung als Indikator für Aufmerksamkeit, die dem Kommunikationsmittel gegenüber aufgebracht wird. Grundlage dafür ist die Vorstellung, die Aufmerksamkeit löse einen Lernprozeß aus, der durch die Erinnerung an Lerninhalte beigelegt werden kann. Diese Annahme ist sehr problematisch. Erinnerung ist kein sicherer Indikator für Beeinflussung. Das „Recall“-Verfahren gilt als einfach durchführbar, leicht standardisierbar und kostengünstig. Das sind jedoch denkbar schwache Argumente für ein Verfahren. Vom Recall-Test sind zwei Varianten üblich, es sind dies gestützter (aided) und ungestützter (unaided) Recall. Diese Unterteilung bezieht sich auf das Vorhandensein von Hilfestellungen, um die Erinnerung zu stützen. Die Impact-Methode Den Befragten wird ein Zeitschriftenheft vorgelegt mit der Frage, ob es gelesen wurde. Die Befragten gelten erst dann als Leser, wenn sie sich an einen Teil des Inhalts erinnern. Die Zeitschrift bleibt dabei geschlossen. Danach wird das Heft fortgelegt und die Befragten erhalten Kärtchen vorgelegt, auf denen Namen von Firmen bzw. Marken gedruckt sind, für die in der vorgelegten Testzeitschrift inseriert wurde. Daher wird vom „gestützten“ oder „Aided“ Recall gesprochen. Als Kontrolle sind auch Kärtchen mit Marken dabei für die keine Werbung im Testheft enthalten ist, worauf die Befragten hingewiesen werden. Die Befragten haben zu jedem Kärtchen anzugeben, ob sie eine Anzeige für diese Marke oder Firma gesehen haben. Danach beginnt das Interview. Die Befragten werden aufgefordert, erinnerte Anzeigen aus der Testnummer zu nennen und zu beschreiben. Es wird hierbei gefragt: • was in der Anzeige stand, • was dem Befragten bei der Ansicht der Anzeige durch den Kopf ging, • welchen Eindruck die Anzeige hinterlassen hat. Der spätere Untersuchungsbericht des Recall-Tests enthält Angaben über die Prozentsätze (scores) der Personen, -
welche die getestete Anzeige erinnern, die einzelnen Elemente der Anzeige wußten, positiv auf die Anzeige reagierten,
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-
-
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Ausführungen darüber, welche Verkaufsargumente den größten Eindruck hinterlassen haben. Die Reaktionen der Befragten werden dabei oft wörtlich zitiert, sowie Ausführungen über das Abschneiden der Anzeigen gegenüber Konkurrenzanzeigen.
Es zeigt sich im Ablauf, daß bestimmte Schritte der Normierung bedürfen: • Es gibt mehrere Stufen, ab wann ein Heft als gelesen einzuordnen ist. • Es gibt unterschiedliche Zeitspannen zwischen Exposition und Interview. • Hinzu kommt die Art der Fragestellung, die sehr ergebnisverzerrend wirken kann. Wie ein solcher Fragenkatalog auszusehen hat, zeigt folgende Aufgabenstellung: • Entsinnen Sie sich, ob Abbildungen in dieser Anzeige waren? Welche? und welche noch? • Wissen Sie noch, was man in dieser Anzeige lesen konnte? Wüßten Sie noch etwas? • Können Sie mir sagen, was diese Anzeige berichten wollte? Was wollte sie deutlich machen? Was sagte diese Anzeige aus? • Stand irgend etwas in der Anzeige, was für Sie nützlich war? Wenn ja, was war das? • Welchen Eindruck machte diese Anzeige insgesamt auf Sie? An was dachten Sie, als Sie die Anzeige sahen? • (Nach Vorlage einer Liste) Hier ist eine Liste mit Eigenschaften. Beschreiben Sie bitte den Eindruck, den diese Anzeige als Ganzes auf Sie gemacht hat? Nennen Sie alle zutreffenden Eigenschaften. z.B. lebensnah / vertrauenswürdig / glaubwürdig / auffällig / aufdringlich / vornehm / lustig / eindrucksvoll... (Hier könnte im Prinzip das bekannte „Semantische Differential“ zum Einsatz kommen, vgl. Raab, Unger & Unger, 2004, S. 85 ff.) Das Problem dieser „Impact“-Methode ist, daß nicht alle Störfaktoren standardisierbar sind, so können sich unbemerkt Plazierungseffekte auswirken oder vor allem die Faktoren „Heftumfang“ und „Anzahl der Anzeigen“. Da dieser Test mit Originalzeitschriften arbeitet, ist er entweder in einem sogenannten „High Spen-
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9. Messung der Kommunikationswirkung
ding“-Testmarkt durchführbar oder als ex post durchgeführte Kontrolluntersuchung, auch als Verfahren der Kampagnen begleitenden Marktforschung. Ebenfalls mit dem Aided Recall arbeiten Tests mit Dummy-Zeitschriften. DummyZeitschriften sind künstlich zusammengestellte Zeitschriften. Die Exposition der Zeitschriften erfolgt unabhängig von Erscheinungsdaten. Dadurch, daß es eine künstliche Zeitschrift ist, kann die Anzeigen- und Redaktionsteilabfolge variiert werden (Einfluß des Anzeigen-Umfeldes), sowie eine Anzeige in unterschiedlichen Entwicklungszuständen getestet werden. Ein wesentlicher Vorbehalt gegen diese Art der Befragung gründet darauf, daß Erinnerungen und gedankliche Verarbeitungsprozesse, die eher die gedankliche Kontrolle von Menschen unterlaufen, hier sehr bewußt und rational abgefragt werden. Das ist in hohem Maße fragwürdig. Zudem werden von einem Durchgang Aspekte der gedanklichen Verarbeitung während der Darbietung, Gedächtniswirkungen, bestehende Einstellungen und möglicherweise Verhaltensabsichten gleichzeitig zu ergründen versucht, also bis zu vier verschiedenen Wirkungsdimensionen gleichzeitig. Variablenkonfundierungen sind auf jeden Fall zu erwarten. Diese Kritik bezieht sich auf die im folgenden dargestellte Methodik: Portfolio-Test, CEDAR-Test und das Recognition-Verfahren Portfolio-Tests Portfolio-Tests sind ursprünglich als Testmethode für Anzeigen konzipiert worden. Dazu wird die zu untersuchende Anzeige zusammen mit anderen Anzeigen in einen Folder oder eine Mappe geheftet. Man kann diesen Test auch mit Entwürfen durchführen. Dann müssen aber auch alle anderen Anzeigen, neben der eigentlichen Testanzeige in Form von Entwürfen vorliegen. Den Versuchspersonen wird die Testmappe vorgelegt, mit der Bitte, sie sich so lange wie gewünscht einmal durchzusehen. Wenn der Interviewer die Mappe zurückbekommt, fragt er, an welche Anzeige der Befragte sich erinnert. Jeweils der Prozentsatz der Versuchspersonen, die die Marke der zu testenden Anzeige nennen (Sie erinnern sich daran, u.a. auch eine Anzeige von „XYZ“ gesehen zu haben) macht den ungestützten Markenrecall aus. Analog wird für die Personen, die sich an Werbung für das betreffende Produkt erinnern („Ich habe auch Werbung für ... gesehen“) der Produktrecall ausgewiesen. Alle Personen, die sich nicht an Marke und/oder Produktwerbung erinnern, werden anschließend befragt: „Haben Sie auch Werbung von XYZ gesehen?“ bzw.: „Haben Sie auch Werbung über ... gesehen?“ Die Personen, die sich jetzt erinnern, bilden zusammen mit den im ungestützten Recall enthaltenen Personen den „Gestützten Recall“, der somit immer über dem ungestützten Recall liegt. Alle Personen, die sich jetzt gestützt oder ungestützt an die Anzeige erinnert haben, werden anschließend danach befragt, an welche Ele-
9.2 Meßmethoden
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mente innerhalb der Anzeige sie sich erinnern und wie sie diese beurteilen. Die Beurteilung kann unter erneuter Vorlage der Testanzeige erfolgen. Häufig geht es darum, mehrere Anzeigen im Vergleich zu testen, um die relativ beste Anzeige zu finden. Dann muß der Test in mehreren vergleichbaren, d.h. gleich strukturierten Testgruppen durchgeführt werden. Die Mappen sind dann in jeder Gruppe bis auf die jeweilige Testvariante identisch. Der Portfolio-Test läßt sich grundsätzlich auch für die Beurteilung von TV- und Funkspots heranziehen. Dann kann den Versuchspersonen ein üblicher Werbeblock vorgespielt werden, in dem sich u.a. auch der Testspot befindet. Dieses Verfahren hat sogar den Vorteil, daß den Versuchspersonen verborgen bleiben kann, daß es sich um einen Werbetest handelt, wie das bei der Arbeit mit Foldern zwangsläufig der Fall ist. Den Versuchspersonen wird TV- oder Funkprogramm vorgespielt. Nach kurzer Zeit setzt, scheinbar zufällig, die Werbung ein. Nach Schluß des Werbeblocks erfolgt die Befragung analog zu dem eben beschriebenen Verfahren. Der Befragungsablauf könnte folgendermaßen konzipiert werden: • Unterschiedliche Recall-Werte: 1.
2. 3. 4.
Spontane Erinnerung an: Marke (ungestützter Markenrecall) und Produkt (ungestützter Produktrecall), Gestützter Produktrecall, Gestützter Markenrecall und Szenen- und Aussagenrecall.
• Beurteilungen: 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
Beurteilung des Spots, der Anzeige insgesamt, Beurteilung einzelner Szenen oder Aussagen, Welche Szene oder Aussage hat besonders gut, welche besonders schlecht gefallen (jeweils einschließlich Begründung), wichtigste Aussage, enthielt die Anzeige, der Spot neue Informationen, Glaubwürdigkeit und Gewecktes Interesse am Produkt.
Es wird also die Abfrage von Gedächtniswirkungen und kognitiver Verarbeitung kombiniert. Jegliche Art der Recall-Befragung beinhaltet ein wesentliches Problem: Marken mit hoher Markenbekanntheit erzielen tendenziell höhere RecallWerte. Das liegt daran, daß man sich an Bekanntes besser erinnert. Gemessen wird
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9. Messung der Kommunikationswirkung
also eigentlich ein Wert, der sich aus der Kommunikationswirkung des gerade im Test befindlichen Kommunikationsmittels und vorhandener Markenbekanntheit zusammensetzt. Die Beurteilung der Anzeige, des Spots wird ebenfalls durch vorhandenes Markenimage mit beeinflußt. Dieses Problem betrifft in gleicher Form den noch zu behandelnden Recognition-Test. Man sollte zur Beurteilung von Recall-Werten immer über vorhandene Markenbekanntheit und Produktkenntnisse informiert sein. Mögliche Kontrollbefragungen, die diesbezüglich durchgeführt werden, dürfen selbstverständlich niemals innerhalb der eigentlichen Versuchsgruppe durchgeführt werden. Bei einer entsprechenden Befragung vor dem Werbetest würde sonst eine unzulässige Sensibilisierung auf die betreffende Marke oder das betreffende Produkt erfolgen. Wird die Befragung nach dem Pretest durchgeführt, sind die Versuchspersonen durch den bereits stattgefundenen Pretest beeinflußt. Manche Praktiker bestreiten, daß das vorhandene Image, die vorhandene Bekanntheit überhaupt ein Problem sei. Man argumentiert gelegentlich, daß es darauf nicht ankäme, entscheidend sei das insgesamt erzielte Ergebnis. Diese Argumentation ist falsch. Wer lediglich aufgrund bereits vorhandener Images oder Bekanntheiten hohe Kommunikationswirkung realisiert, verschenkt Wirkungspotentiale und kann so im Konkurrenzvergleich verlieren. Das sei an folgendem Beispiel illustriert: Nehmen wir an, die Marken A und B befinden sich im Wettbewerb. A sei Marktführer und verfüge auch über eine höhere Markenbekanntheit als B. Dann ist es denkbar, daß A mit mittelmäßiger Werbungen hohe Recall-Werte erzielt. Dennoch kann die Werbung von B insgesamt besser wirken, weil sie möglicherweise in der Ansprache intensiver und überzeugender ist. Der Recall hat zu einem positiveren Resultat für A geführt, was A aber keinerlei Vorteil bringen muß, weil der Recall eben nicht die gesamte Kommunikationswirkung erfassen kann. Bei Verfahren der Marktforschung, die die vorhandene Markenbekanntheit weniger bis gar nicht in die Resultate einfließen lassen (z.B. die Aktivierungsforschung und die Blickaufzeichnung), hätte das Management bei A die Schwächen erkennen und beseitigen können. Lediglich dann, wenn mehrere Alternativen getestet werden und es nur darum geht, die relativ beste zu finden, ist dieses Problem gemildert, aber nicht gänzlich irrelevant. Wie ist nämlich der Recall-Wert der relativ besten Alternative zu beurteilen? Ist dieser ausreichend oder die relativ am wenigsten schlechte Alternative? Und außerdem, wie soll man vorgehen, wenn nur eine Alternative getestet wird (das ist aufgrund der hohen Produktionskosten bei TV-Werbung oft der Fall). Dann benötigt man ein hochgradig standardisiertes Verfahren, das einen weitgehend abgesicherten Durchschnittsrecall aufweist. Die Verfasser selber haben in den Jahren der Praxistätigkeit folgendermaßen gearbeitet:
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Der Folder (Anzeigen) oder Werbeblock (TV) beinhaltete grundsätzlich insgesamt 10 Anzeigen/Spots. Immer auf Platz 5 befand sich die Testanzeige, der Testspot. Die jeweils 9 „Füll-Kommunikationsmittel“ entsprachen bei Anzeigen hinsichtlich Farbigkeit und Format, bei den TV-Spots hinsichtlich der Länge, dem TestKommunikationsmittel. Die 9 „Füll-Kommunikationsmittel“ betrafen Produkte, die hinsichtlich ihrer Bedeutung, Wichtigkeit für den Konsumenten dem im TestKommunikationsmittel beworbenen Produkt in etwa entsprachen (ein „HighInvolvement“-Produkt zwischen „Low-Involvement“-Produkten erzielt überhöhte Recall-Werte, umgekehrt verliert ein „Low Involvement“-Produkt zwischen „High Involvement“-Produkten). So wurde über viele Tests hinweg ein Durchschnitts-Recall von 50% erzielt. Das ist immerhin ein Hinweis. Wer meint, der oben beschriebene Testaufbau sei künstlich, der hat nicht begriffen, daß auch dieser Recall niemals „Die Kommunikationswirkung ist“. Der Recall ist ein Indikator für Gedächtnisleistungen. Wenn man diese beurteilen will, dann benötigt man ein standardisiertes Verfahren. Viel wichtiger - und sehr kritisch zu beurteilen – ist die Frage, welchen Beitrag die genauen Erinnerungswerte zur gesamten Kommunikationswirkung zu leisten vermögen. Die Aussagekraft des Recall wurde in der Vergangenheit sicher überschätzt. Der CEDAR-Test Um bei TV-Spot-Messungen im Labor nicht eine künstliche Aufmerksamkeit und Anstrengung der Merkfähigkeit zu verursachen, wird der Controlled Exposure Day After Recall-Test (CEDAR) angewendet. Die Testperson wird in das Teststudio eingeladen und dort mit einer fingierten Wartesituation konfrontiert, wobei zur Vertreibung der „Langeweile“ ein Werbeblock mit Programmumfeld vorgeführt wird. Anschließend erfolgt ein Interview zu einem beliebigen Produkt, welches die Zielperson zur Erprobung mit nach Hause nehmen darf. Die Testperson wird um Einverständnis gebeten, ein telefonisches Nach-Interview über das Produkt zu führen. 24 Stunden später wird der Day-AfterRecall-Test durchgeführt, welcher in einem telefonischen Interview besteht. Gemessen werden die Marken- bzw. Produkterinnerung, der Inhalt des Spots und seine Erinnerung, sowie Fragen zur Akzeptanz der Spots erörtert. Das Produkt, in Verbindung mit dem Hinweis auf ein diesbezügliches Interview, dient nur der Ablenkung der Testperson. Ebenso ist die fingierte Wartesituation darauf abgestellt, eine provozierte Konzentration auf den Werbeblock zu verhindern, um so biotischere Fernsehsituationen zu simulieren. Eine artifizielle Situation ist natürlich trotzdem gegeben, nämlich wegen des räumlichen Umfeldes und
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der nicht möglichen Reproduktion des „persönlichen“ Fernsehverhaltens der Testperson mit eventuellen Nebenbeschäftigungen. Dieser Test ist grundsätzlich auch für Anzeigenwerbung durchführbar. Die Versuchsperson bekommt dann zur Überbrückung der scheinbaren Wartezeit eine Zeitschrift vorgelegt, in die die Testanzeige montiert ist. Über eine Kamera (z.B. Compagnon-Blickaufzeichnung) wird das Leseverhalten beobachtet. Die Versuchspersonen, die die Testanzeige gesehen haben, werden 24 Stunden später telefonisch befragt.
9.2.3.2 Der Recognition-Test Der Wiedererkennungstest gehört zu den ältesten Methoden der Marktforschung. Er dient der Feststellung der Kontakte mit Anzeigen. Die Anforderung an die Probanden ist niedriger, als beim Recall-Test. Sie liegt nur darin, erlerntes Material zu identifizieren. Die Befragten müssen anhand vorgelegter Anzeigen nur erklären, was sie wiedererkennen oder nicht. Bei Vorlage von mehreren Anzeigen müssen sie erklären, welche davon sie wiedererkennen. Hier ergibt die Antwort einen Aufschluß über die Aufmerksamkeitswirkung, indem festgestellt wird, welche Anzeige die Probanden als erste wiedererkennen. Das bekannteste Verfahren der Recognition-Ermittlung ist der STARCH-Test: Dabei wird die letzte Nummer einer Zeitschrift am Ende des Erscheinungsintervalles einer Auswahl von Lesern dieser Nummer vorgelegt. Der Interviewer blättert die Zeitschrift vor dem Probanden Seite für Seite durch und fragt ihn, ob einzelne Anzeigen gesehen wurden oder nicht. Wenn ja, wird zusätzlich gefragt, ob auch die Marke oder Anzeigenelemente bemerkt wurden oder ob beispielsweise die Hälfte des Anzeigentextes gelesen wurde. Das Verfahren eignet sich für halb bis doppelseitige Anzeigen und kann, weil die Anforderung gering ist, bis zu 100 Anzeigen (also alle größeren Anzeigen) eines Heftes umfassen. Um die Ergebnisse nicht durch Langeweile oder Ermüdung des Probanden zu verzerren, fängt der Interviewer an unterschiedlichen Stellen im Heft an zu blättern und hört dort wieder auf. Auch hier gilt: Je weniger Anzeigen, desto ausführlicher kann man ihre Wirkung überprüfen. Ideal scheinen um die 20 Anzeigen zu sein. Die Klassifizierung nimmt STARCH wie folgt: • „noted“ (wahrgenommen, bemerkt), bedeutet die Prozent-Anteile der Leser, die angeben, die Anzeige schon gesehen zu haben • „seen associated“ (gesehen und mit Vorstellungen verknüpft), bedeutet die
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Prozent-Anteile der Leser, die bestätigen, die Anzeige gesehen zu haben, Teile gelesen zu haben und sich an Namen/Marke/Produkt erinnern • „read most“ (das meiste wurde gelesen), bedeutet die Prozent-Anteile der Leser, die bestätigen, daß sie mehr als die Hälfte der Anzeigen gelesen haben. Dabei interpretiert STARCH „noted“ als nicht uninteressiert, „seen associated“ als interessiert und „read most“ als höhergradig interessiert. Die Schwierigkeit besteht darin, daß es keine Kontrolle über die Antworten der Befragten gibt. Man weiß nicht, ob sie einen Teil der Anzeige nicht vielleicht erst bei der Vorlage näher betrachtet haben. Beim Recognition-Test kann man mit Kontrollanzeigen überprüfen, inwieweit die Befragten unsinnige Antworten geben. Wenn festgestellt wird, daß alle Anzeigen einer Kampagne beispielsweise wiedererkannt werden, kann man die Personen anhand einer Rating-Skala von „sicher“ bis „nicht so sicher“ erklären lassen, wie sicher sie sich ihrer Wiedererkennung sind. Die am sichersten wiedererkannten Anzeigen werden dann als die aufmerksamkeitsträchtigsten interpretiert. Bei Kampagnen ist es nicht unbedingt erforderlich, jede Anzeige zu testen. Am Anfang einer Kampagne ist das Maß der Wiedererkennung nicht sehr hoch, erreicht aber normale Recognition-Werte mit zunehmender Kampagnendauer. Es ergibt sich ein kumulativer Effekt.
9.2.3.3 Vergleich zwischen Recall und Recognition Die Identifikation einer wahrgenommenen Botschaft nach Wiedervorlage sowie die Erinnerung an eine Botschaft ohne nochmalige Vorlage sind verschiedene Dimensionen der Kommunikationswirkung. Einmal geht es um Wiedererkennen, im zweiten Fall um aktives Erinnern. Obwohl die Resultate beider Verfahren häufig mehr oder weniger miteinander zu korrelieren scheinen, kann ein eindeutiger Zusammenhang zwischen diesen beiden Dimensionen nicht als gesichert angenommen werden. Deshalb ist eine unterschiedliche Betrachtung angebracht. Zwischen der Durchführung der Messung der Wiedererkennung (Recognition) und der aktiven Erinnerung (Recall, ungestützt) bestehen fließende Übergänge. Wenn man als niedrigste An-
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9. Messung der Kommunikationswirkung
forderung an das Erinnerungsvermögen der Versuchsperson den Recognition-Test annimmt und als relativ höchste Anforderung den des ungestützten Recall, dann kann man zwischen diesen beiden Extremen Abstufungen mit mehr oder weniger intensiver Erinnerungshilfe vornehmen. Beim Recognition-Verfahren erfolgt die vollständige Exposition während der Befragung, beim Recall kann eine teilweise Darbietung vorgenommen werden, wobei unterschiedliche verbalisierte („Haben Sie auch Werbung von ... gesehen?“) bis hin zu visualisierten Hilfen gegeben werden können. Wie sich die Werte der ungestützten Recall-Tests und des Recognition-Tests im Zeitablauf zueinander verhalten, zeigt die folgende Abbildung: behaltene verbale Informationen (Werbebotschaften) in % 100 90 80
Messung durch Wiedererkennungstest (Recognition)
70 60 50 40 30
Messung durch Reproduktionstest (Recall)
20 10 1 Tag
2 Tage
Zeit
Abbildung 9-16: Vergleich von Recognition- und Recall-Werten im Zeitablauf (Koppelmann, 1981, S. 154) Der zeitliche Abstand zwischen der Wahrnehmung der Werbung und dem möglichen Kauf entspricht einer Erinnerungsleistung, die in gewissem Maße beim Recognition-Verfahren unterstellt wird. Die Werbung mag im Augenblick aktiv nicht abrufbar sein. Die Wahrnehmung einer Packung im Verbrauchermarkt führt den Konsumenten die vorher wahrgenommene Werbebotschaft wieder vor Augen. Die Packung wird aus der Werbung wiedererkannt. Voraussetzung dazu ist allerdings eine hohe Konstanz in der Gestaltung, die das Wiedererkennen erst ermöglicht.
9.2 Meßmethoden
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Einen weiteren bedeutenden Unterschied macht die Erinnerung an bildhafte Vorstellungen deutlich: Da beim Recognition-Verfahren das Kommunikationsmittel erneut vorgelegt wird, werden auch bildhafte Erinnerungsleistungen meßbar, die nicht verbalisierbar sind. Oft haben Menschen Eindrücke visuell „vor Augen“, ohne daß sie diese verbalisieren können. Der Recall-Test ist am verbalisierten Erinnern orientiert. So messen beide Verfahren auch unterschiedliche Gedächtnisinhalte. Da Werbung häufig besser bildhaft als verbal erinnert wird, erklärt auch das die wesentlich höheren Recognition-Werte. Hierin liegt aber auch ein wichtiges Problem der Recognition-Methode als Werbemittel-Pretest. Durch das Zusammenspiel dreier Faktoren: • höheres bildhaftes Erinnerungsvermögen • niedrigeres Anspruchsniveau an die Gedächtnisleistung und • Vermischung mit bereits anderweitig gelernten, gespeicherten Gedächtnisinhalten (dieser Punkt trifft auch auf den Recall zu), von denen nur der erste als Kommunikationswirkung akzeptiert werden kann, kommt es bei Pretests zu so stark überhöhten Werten, daß Unterschiede zwischen „guten“ und „schlechten“ Kommunikationsmitteln nicht ausreichend offengelegt werden (es liegt also ein Verlust an Trennschärfe vor, vgl. Lienert, 1989, S. 39). Daher ist dieses Verfahren als Instrument für den Werbemittel-Pretest nicht geeignet, wohl aber als Instrument zur Kampagnen-begleitenden Marktforschung.
9.2.4 Messung des Einflusses auf kognitive Strukturen Die Erfassung kognitiver Strukturen bei den Konsumenten als langfristige Folge der werblichen Beeinflussung ist nicht das Feld des Werbemittel-Pretests. Das ist die Aufgabe der begleitenden Marktforschung. Bauer, Huber & Hägele (1998) weisen nach, daß mit Hilfe der Conjoint-Analyse die kognitive Wirkung der Werbung auch nach einmaliger Präsentation von Werbemitteln erfaßt werden kann. Über die Stabilität derartiger Wirkungen ist damit nichts gesagt. Auf jeden Fall ist damit die Möglichkeit gegeben, die Werbung der Marktkommunikation auf Einstellungen und andere kognitive Konstrukte mit Hilfe eines Pretests zu erfassen. Hier geht es um längerfristige Kommunikationswirkung, die nach wiederholter Wahrnehmung eintritt. Kampagnen sollten in gewissen Abständen auf ihre Wirksamkeit hin untersucht werden. So kann man erkennen, wann es an der Zeit ist, eine Kampagne zu modernisieren, zu modifizieren. Bei jeder größeren geplanten Veränderung sollte untersucht werden, was die Kampagne bis dahin bewirkt hat, um darauf aufzubauen.
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9. Messung der Kommunikationswirkung
Einige Aspekte dieser begleitenden Kommunikationswirkungs-Forschung haben wir im Abschnitt zur „Cognitive Response“-Forschung nach Petty & Cacioppo dargestellt; bereits dort wurde auf langfristige Wirkungen der Werbung verwiesen.
Stimulus-Komplex Werbemittel und Werbeumfeld
Perzeption (Wahrnehmung)
Gedankliche Verarbeitung (Kognition) Verständnis Übereinstimmung Assoziationen
Gedächtnis
kognitive (gedankliche) Struktur Einstellungen Wünsche Bedürfnisse
Verhaltensabsicht
Verhalten
Abbildung 9-17: Langfristig stabile Veränderungen. Kognitive Strukturen werden nicht im Werbemittel-Pretest gemessen
9.2 Meßmethoden
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9.2.4.1 „Cognitive Response“-Forschung als Ansatz zur Wirkungskontrolle im Zeitablauf Praktiker führen gegen den Werbemittel-Pretest häufig an, daß langfristige Wirkungen nicht erfaßt werden, daß gerade besonders kreative Ansätze im Pretest scheitern, weil sich die Versuchspersonen an ungewöhnliche Darstellungen erst gewöhnen müssen und sich daher zunächst negativ äußern. Gerade ungewöhnliche und damit eigenständige Kampagnen leiden unter diesem Problem im Pretest, wenn falsch getestet wird. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß diese Probleme nicht auftreten, wenn die Reaktionen apparativ erfaßt werden (EDR-Messung und Blickaufzeichnung, die allerdings kaum etwas über die Qualität der gemessenen Reaktionen aussagen). Die Probleme treten zwangsläufig auf, wenn kognitive Reaktionen erfaßt werden sollen. In diesem Fall bietet es sich an, den Kommunikationsmittel-Pretest durch „begleitende“ Marktforschung zu ergänzen, also die Wirkung im Laufe der Zeit in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren. Eine besonders kreative Kampagne, die zunächst im kognitiven Bereich nicht ausreichend gut abschneidet, aber Eigenständigkeit gewährleistet und aufgrund ihrer Eigentümlichkeit hohe Aufmerksamkeitswerte verspricht, müßte dann im Laufe der Zeit auch im kognitiven Bereich bessere Werte erzielen. Einen Ansatz dazu liefert die „Cognitive Response“-Forschung. In regelmäßigen Abständen, am Anfang öfter, später vielleicht noch einmal im Jahr, wird den Versuchspersonen Werbung vorgespielt, vorgelegt und Assoziationen festgehalten. Veränderungen in der Menge und Qualität (Anteil positiver und negativer) der eintretenden Assoziationen lassen Rückschlüsse auf Veränderung der Werbewirkung im Zeitablauf zu. Es läßt sich tatsächlich zeigen, daß sich die Relation „unterstützender“ zu „ablehnender“ „Responses“ im Zeitablauf verändert. Bei neuartiger Botschaft überwiegen oft zunächst die negativen „Responses“. Eine relativ intensive Informationsverarbeitung läßt zu diesem Zeitpunkt immerhin auf Beschäftigung mit der Botschaft schließen. Bei späteren Befragungen müßte sich die Relation verbessern, um schließlich ein Überwiegen „unterstützender“ Gedanken auftreten zu lassen. Erst wenn sich nach längerer Zeit durch begleitende Marktforschung zeigt, daß sich die Relation wieder verschlechtert, ist der Zeitpunkt für größere Veränderungen der Marktkommunikation gekommen, ohne allerdings gänzlich neue Werbestrategien zu verfolgen. Es ist immer vorteilhaft, auf vorhandene Wirkung aufzubauen und Kampagnen nur so weit wie notwendig zu verändern. Da die „Cognitive Response“-Forschung auch zur Beobachtung der Kommunikationswirkung im Zeitablauf geeignet ist, erhält das Marketing-Management so auch Informationen, die eine gänzliche Aufgabe der bestehenden Kampagne veranlassen könnten. Es ist aber noch nicht einmal allgemein akzeptiert, daß neue Kampagnen
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9. Messung der Kommunikationswirkung
einem Pretest unterzogen werden sollten. Die Aufgabe einer bestehenden Kampagne ist jedoch eine Entscheidung von gleich großer Bedeutung, die gleichermaßen testwürdig ist. Viel zu oft, häufig zu früh, werden Kampagnen aufgegeben oder gravierend verändert, weil man meint, die laufende Werbung würde Redundanz erzeugen. Die unten aufgeführten empirischen Beispiele zeigen, daß hier große Fehler begangen werden können. „Begleitende“ Marktforschung, z.B. durch Messung auftretender Assoziationen liefert die notwendigen Informationen. Das Argument, Werbestrategien langfristig beizubehalten und nicht in kürzeren Abständen immer wieder zu wechseln (was leichte Modifikationen innerhalb einer Strategie nicht ausschließt), ist aus der Forschung zur Wahrnehmung und Reizverarbeitung leicht ableitbar. Krum und Culley (1984) untersuchten, ob sich das auch in der Werberealität widerspiegelt. Zu diesem Zweck wurde die Relation von Marktanteilsentwicklungen und der Anzahl der eingesetzten Werbekampagnen über einen Zeitraum von 20 Jahren bei insgesamt 18 Marken untersucht (vgl. Abschnitt 8.6.4.2). Die Resultate sprechen eine deutliche Sprache zugunsten der Kontinuität. Durchweg waren die Marken im Vorteil, die innerhalb der untersuchten 20 Jahre nur eine (!) bis maximal drei Kampagnen ausprobierten. Durchweg im Nachteil waren die Marken, die zwischen neun und fünfzehn verschiedene Kampagnen einsetzten. Wichtig ist es, darauf hinzuweisen, daß die kontinuierlich beworbenen Marken ihre Kampagnen zum Teil bereits vor dem Untersuchungszeitraum einsetzten und diese auch zum Teil über den Untersuchungszeitraum hinaus beibehielten. Selbstverständlich „beweist“ diese Untersuchung nicht, daß die Kontinuität die Ursache für den Erfolg und die Diskontinuität für den Mißerfolg war. Es ist denkbar, daß ein aufgrund irgendwelcher anderer Faktoren eingetretener Erfolg keinen Anlaß gab, die Werbekampagnen zu wechseln. Ist denkbar, daß Mißerfolg, der aufgrund irgendwelcher Einflüsse eintrat, zu Überreaktionen in der Werbung geführt haben. Es kann aber nicht abgestritten werden, daß die Kontinuität in der Werbung den erfolgreichen Marken zumindest nicht geschadet hat. Das Argument, eine Werbestrategie zu wechseln, nur weil sie schon lange „gelaufen“ ist, ist nicht haltbar!
9.2.4.2 Messung weiterer kognitiver Wirkungen durch Befragungen Einstellungsänderungen, Meinungen, Produktkenntnisse und Präferenzen sind kognitive Kommunikationswirkungen, die über die reine Gedächtnisleistung hinausgehen. Diese und andere kognitive Wirkungen, aber auch einige der emotionalen Kommunikationswirkungen, lassen sich zum Teil durch Befragungen erheben. Es gibt bereits einige bekannte Dienstleister, die regelmäßige Befragungen zur Kommunikationswirkung innerhalb größerer Stichproben anbieten. Hier läßt sich
9.2 Meßmethoden
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erfassen, in welchem Maße sich die eigene Werbung im Konkurrenzumfeld durchsetzt, und welche spezifischen Werbeinhalte gelernt bzw. erinnert werden, oder wie sich Sympathiewerte verändern. Schließlich kann erfaßt werden, ob die eigenen Werbeaussagen von den Befragten tatsächlich der eigenen Marke zugeordnet werden. Bei nicht genügend eigenständiger Werbegestaltung kann es bekanntlich geschehen, daß die eigenen Werbeaussagen dem Wettbewerb zugeordnet werden.
Insbes. folgende Wirkungen können durch Befragungen erhoben werden: Aktualitätsgrad
„Welche Marke macht zur Zeit am meisten Werbung?“
Aktive Markenbekanntheit
„Welche Marken kennen Sie innerhalb der Produktgattung?“
Passive Markenbekanntheit
„Welche dieser Marken ist Ihnen bekannt?“ (Vorlage einer Liste)
„Top of mind“
„Welche Marke fällt Ihnen zuerst ein, wenn Sie an... (Produktgattung)... denken? Dieser Aspekt kann auch erfaßt werden, wenn einfach die bei der Frage nach der aktiven Markenbekanntheit zuerst genannte Marke entsprechend bewertet wird.
Markenpräferenzen
„Welche dieser Marken halten Sie für die Beste?“
Kampagnenspezifische Faktoren
z.B.: Kenntnis von Werbeaussagen zu einer bestimmten Marke, Glaubwürdigkeit, Akzeptanz, Kaufbereitschaft. Kaufbereitschaft liefert nur unter Vorbehalt brauchbare Erkenntnisse. Es gibt keinen allgemein gültigen Faktor, mit dem von einem bestimmten Prozentsatz der Befragten, die Kaufbereitschaft angeben, auf tatsächliche Kaufbereitschaft geschlossen werden kann. Lediglich dann, wenn dieser Wert im Konkurrenzvergleich erhoben wird, läßt der Vergleich Rückschlüsse auf die Kaufbereitschaft auslösende Wirkung der Werbung zu. Man erfährt also lediglich, ob die eigene Werbung im Konkurrenzvergleich mehr oder weniger Kaufbereitschaft auslöst. Ähnlich sind die Resultate zu bewerten, wenn in einem möglichen Pretest bei mehreren Alternativen nach der Kaufbereitschaft gefragt wird.
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9. Messung der Kommunikationswirkung
Penetration
Aktive Slogankenntnis, „Welche Argumente benutzt Marke...?“ Passive Slogankenntnis: „Für welche Marke gilt die folgende Aussage?“
Wiedererkennung
In Anzeigen wird z.B. der Markenname herausretuschiert, die Versuchsperson soll die richtige Marke einsetzen.
Sympathiewerte
Dazu gehören auch emotionale Aspekte.
Derartige Fragestellungen liefern insbesondere im Vergleich brauchbare Resultate. Dazu ist es erforderlich, daß über einen längeren Zeitraum in hoch standardisierter Form wechselnden aber vergleichbaren Stichproben von Versuchspersonen immer wieder die gleichen Fragen gestellt werden und so Veränderungen im Zeitablauf gemessen werden. Die Befragung unterliegt allerdings auch diversen Problemen. Antworten geben kein fotografisches Abbild von Meinungen, Einstellungen usw. wieder. Sie sind nichts anderes als Reaktionen auf bestimmte Fragen, die in einer ganz bestimmten Situation gestellt wurden. Sie sind lediglich mehr oder weniger gute Indikatoren für Meinungen, Einstellungen, Präferenzen usw. Ein großes Problem ist das der Antwortverzerrung durch vermutete soziale Erwünschtheit (d.h. Personen antworten oft so, wie sie glauben, daß es gewünscht wird), durch Fehlinterpretation von Fragen, durch tendenziös formulierte Fragen (d.h. die Frageformulierung legt bestimmte Antworten nahe) oder durch Unkenntnis. Fehler können durch die befragten Personen, durch die Interviewer, den Befragungsgegenstand, die Frageformulierung, den Interviewablauf und die Situation auftreten. Die Interviewer können aufgrund aller für die Befragten sichtbaren Faktoren das Antwortverhalten beeinflussen, damit ist der bekannte Interviewer-Effekt angesprochen. Dieser Effekt ist nur bei schriftlicher Befragung oder bei computergestützter Befragung (die Befragten interagieren mit einem Computer und nicht mit einer Person) auszuschließen. Der Interviewer-Effekt läßt sich nur durch intensive Schulung und sorgfältige Auswahl der Interviewer mildern. Die Gruppe der Befragten stellt die zweite Ursache fehlerhafter Erhebungen dar. Es kann beispielsweise sein, daß die Befragten keine Antwort geben können, weil sie die Antwort nicht wissen, nicht erinnern oder sich ihrer nicht bewußt sind. Es kann aber auch sein, daß Befragte keine Antwort geben wollen, weil sie die Antwort in besonderem Maße berührt bzw. sie das Gefühl der Bloßstellung empfinden.
9.2 Meßmethoden
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Wichtig ist bei den Befragungen der Aspekt des Unwillens der Befragten, genaue Auskünfte zu geben: Die Befragten haben unter Umständen Angst, Meinungen kundzutun, die zu den vermuteten Ansichten des Interviewers konträr sind. Den Unwillen Befragter provozieren auch Fragen, welche deren Privatsphäre, wo auch immer ihre Grenze ist, betreffen. Dieses Gebiet betrifft Fragen des Sozialprestiges, Fragen zur Hygiene, politischer Meinung, Religion, Familienleben, Finanzsituation und Sexualität.
Die Gruppe der Befragten per se beinhaltet schon das Problem des Verfahrens ihrer Auswahl. Viele Befragungsfehler resultieren aus systematischen Auswahlfehlern. Die Fehlerquelle der Fragestellung ist zu reduzieren, indem nach neutralen, nicht emotionsgeladenen, nicht provozierenden oder fordernden Fragestellungen gesucht wird. Die Anzeigeninhalte werden von Befragten unterschiedlich aufgenommen. In der Befragungssituation empfinden Befragte eine Frage nach der Wirkung, oder dem Eindruck der Anzeige, als Frage zur eigenen Person. Die Personen neigen dann dazu, wie Meyer-Hentschel (1983) anhand diverser Versuche belegt, eine verbale Selbstdarstellung zu geben und sich in sozial wünschenswerter Weise darzustellen. Die Tendenz, sich sozial wünschenswert darzustellen, wächst mit dem Maß an Akzeptanzbedürfnis. Um den Befragten die Scheu vor einer Blöße zu nehmen, können Interviewer scheinbare Antwortfehler teilweise abwerten, indem ein Vertrauensverhältnis zu den Befragten aufgebaut und betont wird, daß es weder richtige noch falsche Antworten gäbe, und es vielmehr auf die ehrliche Beantwortung ankäme. Es ist dem Gesprächsverlauf förderlich, wenn die Befragten Ungezwungenheit empfinden, obwohl das Gespräch in Wahrheit sehr bewußt und zielgerichtet verläuft. Je standardisierter eine Befragung wirkt, desto gezwungener empfinden die Befragten die Gesprächssituation. Gleichzeitig gilt natürlich, daß mit Abnahme der Standardisierung eine Befragung mehr qualitatives als quantitatives Gewicht erhält. Quantitative Auswertungen setzen standardisierte Befragungen zwingend voraus. Durch entsprechende Schulung müssen die Interviewer lernen, selbst ein hochgradig standardisiertes Interview so sicher zu führen, daß es für die Befragten als ein fast frei geführtes Gespräch erscheint. Das Problem der Befragung ist dermaßen umfassend, daß eine vollständige Behandlung den Rahmen dieses Kapitels sprengen würde. Eine ausführliche Darstellung findet sich beispielsweise bei Friedrichs, (1984, S. 194-246), Holm, (1975, S. 9-126), König, (1976) oder Raab, Unger & Unger, (2004, Kap. 1, 2 und 5).
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9. Messung der Kommunikationswirkung
9.2.5 Kann man Verhaltensabsichten messen? Hiermit befinden wir uns auf dem Weg von Einstellungen, Wünschen usw. hin zur konkreten Verhaltensweise. Das Problem ist, daß alleine schon die Aussagekraft gemessener Einstellungen bezogen auf späteres Verhalten zumindest unsicher ist.
Stimulus-Komplex Werbemittel und Werbeumfeld
Perzeption (Wahrnehmung)
Gedankliche Verarbeitung (Kognition) Verständnis Übereinstimmung Assoziationen
Gedächtnis
kognitive (gedankliche) Struktur Einstellungen Wünsche Bedürfnisse
Verhaltensabsicht
Verhalten
Abbildung 9-18: Verhaltensabsichten: Das unsicherste Feld der Marktforschung Noch problematischer ist es, in einem Werbemittel-Pretest nach einmaliger Darbietung Verhaltensabsichten zu messen und insbesondere hiervon auf tatsächliches späteres Verhalten schließen zu wollen. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die Messung von Verhaltensabsichten auf der Basis direkter Abfragen nicht sinnvoll ist. Prognosefehler aufgrund der berühmten „Sonntagsfrage“ („Wenn am Sonntag Wahl wäre, welche Partei würden Sie wählen?“) der Wahlforschung liefern dafür starke Hinweise.
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Wir vertreten den Standpunkt, daß geäußerte Verhaltensabsichten, im Vergleich zu anderen Kampagnen, Informationen über eine mehr oder weniger starke Auswirkung einer Verhaltensbereitschaft im Vergleich zu Wettbewerbern liefern können. Hochrechnungen auf späteres Kaufverhalten ausgehend von in WerbemittelPretests geäußerten Kaufabsichten sind nicht möglich. Möglicherweise liefern Entwicklungen auf dem Gebiet der Testmarktsimulation weitere Fortschritte (vgl. Hammann & Erichson, 1994, S. 183; Vöhl-Hitscher, 1994, S. 45).
9.2.6
Messung beobachtbaren Verhaltens: Daten aus der Panelforschung
Stimulus-Komplex Werbemittel und Werbeumfeld
Perzeption (Wahrnehmung)
Gedankliche Verarbeitung (Kognition) Verständnis Übereinstimmung Assoziationen
Gedächtnis
kognitive (gedankliche) Struktur Einstellungen Wünsche Bedürfnisse
Verhaltensabsicht
Verhalten
Abbildung 9-19: Der Anteil der Werbung am Kaufverhalten ist meßbar Daten aus der herkömmlichen Panelforschung (z.B. Haushaltspanel oder Handelspanel von Nielsen oder GfK) können niemals ein Instrument systematischer
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9. Messung der Kommunikationswirkung
Kommunikationsforschung sein. Hier wird immer der Erfolg des gesamten Marketing-Mix gemessen, und auch dies nur im Umfeld zusätzlicher Faktoren wie Konkurrenz, Konjunktur und Handelseinflüsse, die nicht alle durch eigenes Marketing beeinflußt werden können. Selbst der häufig gebrauchte Ausdruck „Werbeerfolg“ (im Gegensatz zur „Kommunikationswirkung“) ist in diesem Zusammenhang falsch, es kann nur um den „Marketing-Erfolg“ gehen. Erst Möglichkeiten elektronischer Panelforschung, wie sie derzeit in der BRD von der GfK als GfKBehavior-Scan und ERIM-Panel bzw. von Nielsen als Nielsen-Telerim angeboten werden, liefern die Möglichkeit, den Anteil der Werbung am Marketing-Erfolg, jetzt also tatsächlich den „Werbeerfolg“ zu messen. Seit 1977 wird in damals 13 europäischen Ländern die bekannte EAN-Codierung eingeführt, zunächst nur, um die Preisauszeichnung der Artikel einzusparen und den Kassiervorgang zu vereinfachen. Zudem liefert die EAN-Codierung bekanntlich eine automatische Erfassung sämtlicher Abverkäufe. In diesem Zusammenhang ist auch eine Zuordnung der Abverkäufe zu einzelnen Kaufvorgängen möglich (elektronische Speicherung aller „Kassenzettel“). Es ist somit möglich, den Abverkauf eines Artikels in Relation zu den insgesamt einkaufenden Personen zu setzen. Daneben sind folgende Kennziffern und Daten zu gewinnen (Simon, 1985, S. 10): 1. Preis des betreffenden Artikels; 2. Absatz aller Artikel gleicher Art (einschließlich Konkurrenz); 3. Preisaktivitäten von Wettbewerbern im gleichen Geschäft; 4. Anzahl der Käufer, die in einem bestimmten Zeitraum den betreffenden Artikel erwarben. 5. Mit welchen anderen Artikeln wurde der betreffende Artikel wie häufig gleichzeitig gekauft? 6. Substitutionsbeziehungen 7. Kauf während einer bestimmten Werbemaßnahme oder kurz nach Ladendurchsagen. Diese Information wird durch die extrem zeitgenauen Daten möglich. 8. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Kaufakt auch spezifischen Haushalten und dann auch deren Mediaverhalten zugeschrieben werden. Voraussetzung ist die Schaffung kombinierter elektronisch gestützter Haushalts- und Handelspanels. 9. Maßnahmen im Rahmen der klassischen Konsumgüterwerbung über TV oder Testanzeigen, die bestimmten Haushalten zugeleitet werden, können diesen zugeordnet werden.
9.2 Meßmethoden
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Die Informationen 7, 8 und 9 sind dann möglich, wenn das Handelspanel auf EAN-Basis mit einem neuartigen Haushaltspanel verbunden wird: Die Panelhaushalte erhalten Scanner-lesbare Identifikationskarten, die bei jedem Kaufvorgang in den mit Scannerkassen ausgestatteten Geschäften vorgezeigt und gemeinsam mit den Einkaufsdaten festgehalten werden. Außerdem wird das Mediaverhalten dieser Haushalte erfaßt. Das geschieht einmal durch das bekannte System der GfKFernsehforschung, bei dem die Panel-Haushalte ein Aufzeichnungsgerät an ihr Fernsehgerät anschließen lassen, das sämtliche TV-Nutzungen extrem genau auf die zentrale Datenbasis überträgt. Die Haushalte erhalten ferner Gratiszeitschriften. In diese Zeitschriften können Testanzeigen plaziert werden. So ist auch der Einfluß auf das Kaufverhalten von Print-Werbung oder der eines Media-Mix aus TV und Print meßbar (vgl. Litzenroth, 1996). Erfaßbar sind alle Einkäufe der Panelhaushalte in den an das Handelspanel angeschlossenen Geschäften. Man benötigt also in einem abgegrenzten lokalen Raum jeweils ein Haushalts- und Handelspanel. Da der Erhebungsaufwand durch die elektronische Datenerfassung auf ein Minimum gesunken ist, ist theoretisch der Aufbau mehrerer lokaler elektronischer Panels möglich. In den USA ist das bereits Realität und wird sicher im europäischen Binnenmarkt durchgesetzt werden. Lokale Handelspanels auf Scannerbasis in Verbindung mit einem Haushaltspanel erlauben jederzeit die Durchführung von Testmärkten: dies ist parallel in mehreren lokalen Testmärkten mit verschiedenen Kommunikationskonzepten durchzuführen. Durch den Einsatz dieser neuen Kommunikationstechnologien ist auch das Überprüfen mehrerer Werbestrategien in einem lokalen Testmarkt möglich. Dabei besteht die Möglichkeit, aus den Daten über das bisherige Einkaufsverhalten der Panelhaushalte in den lokalen Panelmärkten völlig strukturgleiche Testgruppen in jedem der geplanten Testmärkte zu bilden. Innerhalb des gesamten Haushaltspanels werden dann nur die Einkäufe der für den Test ausgewählten Versuchsgruppen erfaßt und ausgewertet. Da die Bildung der Versuchsgruppen und die Erfassung des Kaufverhaltens innerhalb der Versuchsgruppen während des Tests ohne jede Befragung, sondern ausschließlich aufgrund elektronischer Daten erfolgt, sind Testeffekte auf ein Minimum reduzierbar. Lediglich das Wissen der Haushalte, daß sie zu einem Haushaltspanel gehören und die Notwendigkeit, bei den Einkäufen die Identifikationskarte vorzulegen, bleiben bestehen. Damit wird exakt erfaßbar, wie viele Haushalte einen Kontakt mit der TVWerbung (laufender Fernsehapparat bedeutet jedoch bekanntlich nicht zwangsweise einen Kontakt mit der Werbung) und/oder Zeitschriften hatten. Über die Erfassung des Kaufverhaltens durch Identifikationskarten ist exakt meßbar, wie viele Mitglieder der betreffenden Haushalte mit möglichem Werbekontakt Werbung überhaupt kauften und was sie kauften. Kauften sie ein Produkt der betreffenden Warengruppe, kauften sie ein Konkurrenzprodukt oder das beworbe-
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9. Messung der Kommunikationswirkung
ne Produkt? Anhand der Auswertung des Kaufverhaltens dieser Haushalte in der Vergangenheit ist es auch möglich, Aussagen darüber zu erhalten, ob und wie häufig sie in der Vergangenheit Produkte der beworbenen Produktgattung und welche Marken sie gekauft haben. Auch Markenwechsel nach möglichem Werbekontakt ist erfaßbar. Der Zeitaufwand für diese Analysen ist wesentlich kürzer als zuvor, die Daten sind genauer. In Verbindung mit Kabelanschluß ist es schließlich sogar möglich, verschiedene TV-Werbungen in einem lokalen Testmarkt auf ihre Kaufwirkung hin zu untersuchen. Zunächst sind wiederum Versuchs- und Kontrollgruppen zu bilden, die sich nach Sozio-Demographie und Kaufverhalten in der Vergangenheit genau vergleichen lassen. Über Kabelfernsehen wird diesen Versuchsgruppen dann jeweils ein unterschiedlicher Werbespot in das Programm eingespeist. Versuchsgruppe I erhält den Testspot A, Versuchsgruppe II den Testspot B; die Kontrollgruppe erhält gar keine Werbung für dieses Produkt, sondern irgendeinen anderen Werbespot. Eine gleiche Variation ist auch bei Anzeigen machbar: Ein Teil der Testhaushalte erhält Motiv A, der andere Motiv B. Auch die Anzahl der Anzeigenkontakte pro Testgruppe ist variierbar. Jetzt sind alle Variablen kontrollierbar: Die Haushalte in den verschiedenen Testgruppen sind vergleichbar, die Situation in den Geschäften ist für alle Versuchspersonen gleich, die Testspots und Testanzeigen stehen im identischen Umfeld. Das bedeutet, daß sich die Haushalte in den verschiedenen Gruppen tatsächlich nur durch eine Variable unterscheiden, nämlich die eingespeiste Werbealternative. Wer jetzt noch einmal die Anforderungen an die kausalanalytische Forschung betrachtet, sieht, daß alle Anforderungen erfüllt sind. Unterschiedliches Kaufverhalten ist dann tatsächlich in einem ursächlichen Zusammenhang mit der unterschiedlichen Werbung zu sehen, denn es läßt sich exakt messen, welche Haushalte in den beiden Versuchsgruppen tatsächlich mit der Werbung erreicht werden konnten, welche Haushalte in der Folgezeit in den Panelgeschäften einkauften, was sie kauften, was sie vorher kauften. Der Testaufbau ist aus Abbildung 9-20 ersichtlich. Damit wird auch die Messung der Wirkung unterschiedlicher Werbeintensitäten möglich. Budgetoptimierung ist nun keine Utopie mehr. Kommunikationswirkungskurven sind empirisch erfaßbar. Ebenso können verschiedenen Untergruppen im Haushaltspanel Zeitschriften zugeschickt werden, die mit unterschiedlichen Testanzeigen versehen sind. Auch dann ist unter Verwendung der oben beschriebenen Methode später eine genaue Zuordnung der Käuferhaushalte möglich. Das Zusenden präparierter Zeitschriften ist relativ unproblematisch, da die Panelhaushalte als Anreiz zur Teilnahme u.a. Gratislieferungen von Zeitschriften erhalten können, die dann für Testzwecke präpariert werden. Dadurch, daß in lokalen Märkten mehrere exakt vergleichbare Versuchs- und Kontrollgruppen gebildet und alle Störfaktoren kontrollierbar werden, weil sie in
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allen Gruppen exakt gleich wirken, ist ein echtes Kommunikationswirkungsexperiment im Feld, d.h. in der Realität möglich. Aber auch dieses Experiment mißt nur einen Aspekt der Kommunikationswirkung: Da sich alle anderen MarketingMaßnahmen in allen Versuchsgruppen gleichartig auswirken, wird nun tatsächlich der Werbeerfolg, die Kaufwirkung der Werbung gemessen.
Zeitschriften mit Testanzeigen
Testwerbung A (TV und/oder Print) Testwerbung B
Haushaltspanel mit Kabel-TV
Decoder Scannerlesbare Identifikationskarte
Handelspanel mit Scannerkassen
Rückmeldung der TV-Einschaltung im 5-Sekunden-Intervall
Elektronische Datenbank
Abbildung 9-20: Testaufbau bei Kombination von Haushalts- und Handelspanel mit Marktforschung über Kabel-TV Damit erfahren wir allerdings etwas über das letztendlich eintretende Verhalten, nichts jedoch über die zugrundeliegenden kognitiven und emotionalen Prozesse. Das Wissen darüber ist aber Voraussetzung für eine systematische Optimierung der Werbung. Wer hierauf verzichtet und seine Marktforschung auf die ScannerForschung reduziert, der begibt sich forschungsmethodisch zurück auf die Vorstellung des Menschen als eine „Black Box“, die den Einblick in den Ablauf innerer Prozesse verwehrt. Danach sind lediglich die äußeren Reize feststellbar und das Resultat, nämlich beobachtbares Verhalten. Innere Prozesse der Person bleiben verborgen. Dieser Einblick ist jedoch eine unabdingbare Voraussetzung zur Analyse der Kommunikationswirkung, die wiederum Voraussetzung zur Werbeoptimierung ist. Wer Werbung langfristig durch graduelle Variationen immer weiter optimieren und geänderten Verhältnissen anpassen will, der muß wissen, warum eine Werbemaßnahme gewünschte oder auch unerwünschte Wirkungen bekommt oder nicht. Diese Analyse erfolgt in Befragungen oder durch den Einsatz apparativer Verfahren. Der „Königsweg“ der Marktforschung liegt in der Kombination der hier behandelten Verfahren.
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9. Messung der Kommunikationswirkung
Es muß betont werden, daß die Werbewirkung nur unter der Annahme eines ganz bestimmten Marketing-Mix gemessen wird. Es ist danach denkbar, daß wir bei zunehmendem Kontakt pro Person einen unzureichenden Anstieg im Kaufverhalten feststellen. Das muß nicht an mangelhafter Werbung liegen. Die Preispolitik kann falsch sein, die Plazierung der Artikel in den Geschäften mag unangemessen sein, vielleicht löst die Verpackung unangenehme Assoziationen aus. Im Markt wird die gesamte Wertung des gesamten Marketing-Mix gemessen!
9.2.7 Expertensysteme für die Kommunikationsforschung Expertensysteme können wir als ein Instrument im Rahmen der Kommunikationsforschung ansehen, das die Möglichkeit einer vernetzten Wirkungsanalyse liefert. Es können simultan unterschiedliche Wirkungsdimensionen beurteilt werden. In der Praxis der Marktforschung sind im wesentlichen drei verschiedene Expertensysteme bekannt (Matulla, 1996): • ADEXPERT • ESWA • CAAS-Diagnosesystem Mit Hilfe von ADEXPERT ist eine Verknüpfung von Analyse (Beratungssystem) und Prognose möglich. Der Prognoseteil verknüpft das gewählte Kommunikationskonzept in seiner konkreten Umsetzung/Gestaltung mit den in das System ebenfalls einzugebenden Kommunikationszielen (Levermann, 1995, S. 118). ADEXPERT erfüllt zudem die Anforderung an Expertensysteme, mit unsicheren Situationen und mehreren Handlungsalternativen und Ziele durch Einbezug vergleichender Beurteilungen unter gleichzeitiger Berücksichtigung von Wahrscheinlichkeitsurteilen unterschiedlich zu gewichten und ggf. auch zu modifizieren (vgl. Winter & Rossiter, 1994, S. 93). Insbesondere komparative Wahrscheinlichkeitsurteile für das Eintreten bestimmter Wirkungen lassen sich durch das Expertensystem bewältigen, demgegenüber sind monadische Wahrscheinlichkeitsangaben häufig nicht realistisch, aber auch nicht erforderlich. Mit anderen Worten: es läßt sich oft nicht sagen, ob für das Eintreten eines Ereignisses eine Wahrscheinlichkeit von x% oder y% anzunehmen ist; es kann aber eher gesagt werden, daß das Eintreten von Ereignis A doppelt so wahrscheinlich ist, wie das Eintreten von Ereignis B. ESWA ist ein Beratungssystem, welches die wahrscheinlichen Wirkungen verschiedener alternativer gestalterischer Umsetzungen von Kommunikationsmaßnahmen gegenüberstellen kann. „ESWA kann so die Entscheidungsqualität verbessern und Diskussionen über antizipierte Werbewirkung versachlichen“ (Neibecker, 1990, S. 25).
9.2 Meßmethoden
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ESWA ist im Prinzip ein System, das das derzeit verfügbare theoretische Wissen aus der Kommunikations- und Konsumentenforschung vereint. Schon daraus wird natürlich auch deutlich, daß Expertensysteme kein gesichertes Wissen vermitteln können. Aller Erkenntnis nach ist ein System mehr oder weniger gut bewährter Hypothesen. Sichere Erkenntnis kann es niemals geben. So gesehen kann man Expertensysteme auch als ein System mehr oder weniger gut bewährter Vermutungen auffassen. Aber das ist schon sehr viel und sehr nützlich. Esch (1990, S. 40) versteht ESWA als ein regelbasiertes System, das mit Rückwärtsverkettungen und Tiefensuche arbeitet. Rückwärtsverkettung bedeutet, daß bei einer konkreten Gestaltungsalternative die „dahinter“-liegenden Wirkungsmechanismen herangezogen werden. Daraus können sich zusätzliche Fragestellungen ableiten lassen, die ebenfalls durch „dahinter“-liegende wissenschaftliche Aussagen erklärt werden können. Die besondere Stärke wird in der Möglichkeit gesehen, unsicheres Wissen zu verarbeiten. Da es anderes Wissen nicht geben kann, sollte man das allerdings als eine Grundvoraussetzung für funktionsfähige Expertensysteme ansehen. ESWA erlaubt nicht nur die Beurteilung pauschaler, „ganzheitlicher“ Werbe- bzw. Kommunikationswirkung, sondern auch die einzelner Wirkungsdimensionen wie Wahrnehmung, Gedächtnisleistungen, eintretende Assoziationen, Verhaltensaufforderungen, usw. CAAS (Computer Aided Advertising System) wurde am Institut für Konsum- und Verhaltensforschung der Universität des Saarlandes in Saarbrücken unter Leitung von Kroeber-Riel entwickelt. CAAS kann die Entwicklung eines Konzeptes im Rahmen der Marketing-Kommunikation von der Idee bis zur Realisierung mehrerer Gestaltungsalternativen begleiten und abschließend beurteilen. Durch den frühzeitigen Einbezug von CAAS können Fehlentwicklungen in der Konzeptionsphase rechtzeitig erkannt und ausgeschaltet werden (vertiefend vgl. Lorson, 1992). Dazu beinhaltet CAAS drei Komponenten (Teilsysteme): • ein Suchsystem, zur Unterstützung der Kreation in der Werbung (von Kreativen eingegebene Aufgaben lösen eine Suche nach kreativen Ideen aus), • ein Bild- und Textverarbeitungssystem zur Erstellung von Entwürfen und fertigen Werbemitteln, • ein Beurteilungs- und Diagnosesystem, das Expertisen über Stärken und Schwächen von Gestaltungsalternativen liefert (Kroeber-Riel, 1994a, S. 123). Das System arbeitet nach einen hierarchischen Wirkungsmodell, das einem hierarchischen Zielsystem mit Ober- und Unterzielen entspricht. So lassen sich strategische und operative Entscheidungen differenziert, entspricht ihrer Bedeutung berücksichtigen. Strategische als auch sozialtechnische Beurteilungen der Kommunikationsmittel fließen in die Gesamtbeurteilung ein. Dabei können auch strategische
614
9. Messung der Kommunikationswirkung
Ziele, wie angestrebte Marken- oder Produktpositionierungen und Konkurrenzwerbung sowie die bestehenden Einstellungen der Konsumenten mit einbezogen werden. „Die Gesamtbeurteilung umfaßt ... eine Stärken/Schwächen-Analyse, an die sich in einer schriftlichen Expertise Empfehlungen für die Verbesserung des jeweiligen Werbemittels anschließen“ (Levermann, 1995, S. 120). CAAS ist im Prinzip eine Erweiterung von ADEXPERT oder ESWA, es berücksichtigt Konkurrenzaspekte, die integrierte Betrachtung aller Kommunikationsmaßnahmen, liefert eine diagnostische Beurteilung Kommunikationmittel und einer bewertende Prognose wahrscheinlich eintretender Effekte. „Das CAASDiagnosesystem soll eine schnelle und versachlichte Einschätzung der Werbewirkungen ermöglichen, insbesondere durch die Feststellung, ob und inwieweit der Werbemittel grundlegende Regeln, wie die Erkenntnisse aus der Werbeforschung, einhält, gegen die nicht ohne wesentliche Einbußen an Werbewirkungen verstoßen werden kann“ (Kroeber-Riel, 1994b, S. 137). Die Benutzer haben dazu am Bildschirm Fragen zu den Kommunikationszielen und der Gestaltung der Kommunikationsmittel zu beantworten. Die Antworten werden im System mit dem gespeicherten Wissen über Kommunikationswirkungen verknüpft. Daraus ergibt sich die Beurteilung möglicher Wirkungen. Benutzer erhalten anschließend Vorschläge über mögliche Verbesserungen der Gestaltungsalternativen in Form einer ausgedruckten Expertise (Kroeber-Riel & Weinberg, 2003, S. 43). CAAS kann als System bezeichnet werden, das -
datengetrieben, regelbar und zielgerichtet
ist. Datengetrieben bedeutet, daß vorwärtsverkettete Inferenzmechanismen vorhanden sind. Vorwärtsgerichtet bedeutet, daß man von den relevanten Vorbedingungen auf die Ausprägungen der abhängigen Variablen schließt, ähnlich wie es bei Diagnosen und Prognosen geschieht. Um einer derartige Vorwärtsverkettung bei einem zielgerichteten System zu ermöglichen, wurden mögliche Kommunikationsziele jeweils in den Antecedenzbedingungen relevanter Regeln spezifiziert (Esch, 1990, S. 67 ff. und 1991). Eine Regel hat die allgemeingültige Form: „Wenn a, dann folgt b“. Geprüft werden muß dann jeweils, ob die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Regel/Theorie gegeben sind. Sind diese Bedingungen so, daß von dem Vorhandensein von „a“ ausgegangen werden kann? Das sind die Antecedenzbedingungen. Damit ein System zielgerichtet arbeiten kann, muß die Möglichkeit vorhanden
9.2 Meßmethoden
615
sein, auch Ziele in diese Voraussetzungen einzubauen. Eine vertiefende Analyse des Zusammenspiels von Regeln, Antecedenzbedingungen und Prognose findet sich bei Raffée (1995, S. 30-35). Regelbasiert bedeutet, daß in Verbindung mit Vorwärtsverkettungen eine Tiefensuche einsetzt. „Eine bestimmte Regelkette wird, soweit es die vorhandenen Daten erlauben, immer tiefer ins Detail gehend verfolgt, so daß inhaltlich sinnvoll zusammenhängende Teilbereiche auch gemeinsam abgearbeitet werden“ (Esch, 1990, S. 68). Zielgerichtet bedeutet, daß geprüft werden kann, in welchem Maße vorliegende Problemlösungsalternativen, hier Kommunikationsmittel, z.B. ein TVSpot, das angestrebte Ziel (hier Kommunikationsziel) erreicht, teilweise erreicht oder verfehlt. Um die Verknüpfung zwischen Problemlösungsalternativen und Zielen herstellen zu können, ist die Kenntnis sozialtechnischer Gesetzmäßigkeiten in Form von Regeln notwendig. Nehmen wir an, es sei die theoretische Gesetzmäßigkeit (Regel) bekannt: „wenn a, dann b“. Wenn man die Problemlösungsalternative weitgehend mit „a“ deckungsgleich ist, sonstige Randbedingungen erfüllt sind, dann kann die Prognose aufgestellt werden, daß „b“ realisiert wird. Wenn nun „b“ mit dem Ziel übereinstimmt, dann kann vorausgesagt werden, daß bzw. in welchem Maße Zielerreichung angenommen werden kann. Das alles ist im Einzelfall sicher auch ohne ein Expertensystem möglich. Der Vorteil liegt in der jederzeit verfügbaren Präsenz sehr umfangreichen (Vermutungs-) Wissens, der von jedem Interessierten genutzt werden kann. Der Vorteil liegt auch in der von Individuen unabhängigen Systematik in der Wissen präsentiert und genutzt werden kann. Bei CAAS wird die entstandene Wissensbasis (als Resultat theoriegestützter Informationsbeschaffung) durch ein umfassendes Werbewirkungsmodell repräsentiert. Das hier herangezogene Modell der Kommunikationswirkung (vgl. Abbildung 9-21) gibt einen Überblick über die relevanten inhaltlichen Werbe- bzw. Kommunikationswirkungskomponenten. In die Beurteilung fließen hier sowohl strategische als auch sozialtechnische Aspekte ein. Die strategische Beurteilung betrifft die Frage, ob eine Kommunikationskampagne dazu geeignet ist, die langfristigen Ziele und Positionierungen zu realisieren, ob eine Alleinstellung in kommunikativer Hinsicht erreicht wird, die gewünschten Vorstellungsbilder realisiert werden, usw. Die sozialtechnische Seite betrifft die Frage der wirksamen Gestaltung einzelner Kommunikationsmittel (vgl. Kroeber-Riel, 1994b, S. 137). In der Verbindung von strategischer und sozialtechnischer (operativer) Beurteilung der Kommunikationsmittel liegt ein wesentlicher Vorteil dieses Modells und des darauf aufbauenden Expertensystems.
616
9. Messung der Kommunikationswirkung
Gesamtbeurteilung des Werbemittels
Strategische Durchsetzung
Abstimmung
Unternehmen
Eigenständigkeit
Zielgruppe
Sozialtechnische Wirkung
Durchgängigkeit
bei den Werbemitteln
im Zeitablauf
Durchschlagskraft der Werbung
Aktivierung
Einprägsamkeit
Zielerreichung
Lernen Marke
Lernen Schlüsselbotschaft
Akzeptanz
Abbildung 9-21: Das Werbewirkungsmodell (Esch, 1990, S. 88)
Beratungssystem
BeurteilungsSystem
SuchSystem
Bildmanipulationssystem
Datenbank
Bild- und Datenbank
Abbildung 9-21: Das CAAS-System (Kroeber-Riel & Weinberg, 2003, S. 42)
9.2 Meßmethoden
617
Das Beratungssystem dient der Bildung von Empfehlungen für die Praxis. Das Suchsystem unterstützt die kreative Gestaltung von Kommunikation durch Suche nach möglichen Gestaltungselementen. Das Bild- und Text-Manipulationssystem dient der visuellen Umsetzung der Marketing-Kommunikation. Mit Hilfe des Beurteilungssystems sind Prognosen zur möglichen Kommunikationswirkung möglich (ebenda, S. 43).
9.2.8 Fazit Jedes Verfahren hat seine spezifischen Stärken und erlaubt Einblick in jeweils spezifische Aspekte der Kommunikationswirkung. Kognitive, also gedankliche Wirkungen können nur durch Befragungen erfaßt werden. Befragungen führen allerdings zu besseren Resultaten, wenn sie schwerer für die befragte Person zu durchschauen sind. Physiologische Wahrnehmungen sind in erster Linie durch apparative Verfahren erfaßbar. Die angeblich störende Künstlichkeit der Laborsituation ist keineswegs ein Störfaktor, sondern notwendig, um unkontrollierbare Faktoren auszuschließen. Spezifische Analysen der Kommunikationswirkung sind nur im Labor möglich. Um so besser es gelingt, die Wahrnehmung frei von sonstigen Einflußfaktoren, außer denen des zu analysierenden Kommunikationsmittels zu messen, desto größer ist die Aussagekraft der Befunde. Das gilt um so mehr, je weniger die Versuchspersonen über den Zweck der Untersuchung aufgeklärt sind. Aus der experimentellen Marktforschung ist ableitbar, daß den Versuchspersonen nicht bekannt sein sollte, daß es um den Test von Werbemaßnahmen geht. Man kann ihnen meistens vor dem Versuch erklären, daß es um die Überprüfung der Gestaltung von Zeitschriftenkonzepten oder Fernsehprogrammen gehe. Die darin enthaltenen Anzeigen oder TV-Spots werden dann von den Versuchspersonen als normale Bestandteile von Zeitschriften bzw. Fernsehprogrammen aufgefaßt. Erst wenn die Personen nach der apparativen Untersuchung noch zu den überprüften Kommunikationsmitteln befragt werden sollen, ist eine „Aufklärung“ der Versuchspersonen unvermeidbar. Diese Probleme treten in der Panelforschung auf elektronischer Basis nicht auf. Über mögliche Paneleffekte liegen noch keine Informationen vor. Es sollte ein Einblick in die Vielfalt möglicher Meßinstrumente der Marktforschung vermittelt werden, ebenso in die Vielfalt möglicher Wirkungskriterien. In der Abstimmung zu messender Kriterien mit der Wahl der Meßinstrumente liegt der Schlüssel zu sinnvoller Marktforschung als Beitrag zu rationaler MarketingPraxis. Die Diskussion über die allgemein richtige Methode, wie sie in MarketingPraxis und -Lehre zuweilen geführt wird, ist in der Grundlagenforschung überwunden (vgl. Jäncke, 1990, S. 373). Die Vielfalt möglicher Testverfahren entspricht der Vielfalt möglicher Fragen, die hinsichtlich der Qualität einer Kommunikationskampagne gestellt werden können.
618
9. Messung der Kommunikationswirkung
Hinter jedem Verfahren stehen ganz bestimmte Hypothesen, und nur diese können durch ein bestimmtes Verfahren geprüft werden. Daraus folgt auch, daß es keine Verfahren gibt, mit deren Hilfe die „Richtigkeit“ einer Kommunikationsmaßnahme belegt werden kann. Es sind nur Aussagen in der Art möglich, „daß eine bestimmte Schwäche nicht gefunden werden konnte“. Wir können nur feststellen, daß -
eine Werbemaßnahme nicht unzureichend aktiviert, die zentralen Elemente nicht übersehen werden, Text nicht ignoriert wird, Überschriften (oder Unterschriften) nicht falsch plaziert sind usw.
Wer einen bildhaften Vergleich sucht: Ein Arzt kann nach einer Röntgenuntersuchung nicht behaupten, daß der Patient keine TB habe, er kann lediglich aussagen, daß TB nicht nachgewiesen werden konnte. Untersuchungen zur Kommunikationsforschung sind von gleicher Struktur.
10. Internationale Marktkommunikation Im Rahmen der zunehmenden Internationalisierung der Wirtschaft, des internationalen Wettbewerbs, des Zusammenwachsens von Wirtschaftsräumen wie der EU in Europa und der NAFTA in Amerika, gesättigten nationalen Märkten, dem Abbau von Zollschranken, einer wachsenden transnationalen Mobilität der Bevölkerung einerseits, sowie technologischen Entwicklungen, wie die moderne Telekommunikationstechnik, Ausbreitung supranationaler Medien andererseits hat sich bereits in den achtziger Jahren eine heftige Diskussion um die Internationalisierung von Marketingstrategien und -aktivitäten entwickelt, die bis heute andauert. Insbesondere die Debatte über eine Internationalisierung der Marktkommunikation und hier speziell der Werbung wurde und wird intensiv geführt, denn je wichtiger die Kommunikation für das einzelne Unternehmen und die Wirtschaft insgesamt wird, desto mehr tritt die Relevanz und die Frage einer länderübergreifenden Marktkommunikation in den Vordergrund. Wobei allerdings festzustellen ist, daß weltweit konzipierte Werbekampagnen keine Novität sind, sondern einzelne Unternehmen wie Coca Cola oder Marlboro bereits vor Jahrzehnten ihre Produkte und Dienstleistungen in weltweiten Aktionen kommunizierten. Deutschland ist eines der werbeintensivsten Märkte in der Welt, jedoch hat die seit Jahren andauernde Schwäche des deutschen Werbemarktes dazu geführt, dass Deutschland von Platz drei auf Platz fünf der werbestärksten Ländern abgerutscht ist. Tabelle 10-1: Die werbeintensivsten Länder 2002 (ZAW 2004, S. 22) Staat USA Japan China Großbritannien Deutschland Mexiko Frankreich Italien
Werbung in Mio.$ 104 510 46 497 18 221 17 566 15 712 10 356 8 941 7 924
620
10. Internationale Marktkommunikation
10.1 Die Diskussion: Global versus Local Marketing Das Thema des internationalen Marketing wurde bereits Mitte der fünfziger Jahre in die Lehrveranstaltungen amerikanischer Universitäten aufgenommen. Der Grund dafür war die rasche internationale Expansion amerikanischer Unternehmen. Im Zentrum dieser neuen Teildisziplin stand der Fragenkomplex, ob nationale Marketingkonzepte und -methoden auf ausländische Märkte übertragbar sind oder gegebenenfalls den ausländischen Märkten anzupassen sind. Ein solcher Ansatz impliziert, bedingt durch die unterschiedlichen soziokulturellen und sozioökonomischen Strukturen und Prozesse, eine höhere Kontext- und Umweltabhängigkeit und damit eine erhöhte Komplexität des internationalen Marketing. Grundlegende Themen waren die Suche nach entsprechenden Parametern der einzelnen Ländermärkte und der relevanten supra-nationalen Determinanten der Weltwirtschaft. Angestrebt war „soviel Differenzierung wie notwendig und soviel Standardisierung wie möglich“ zur Erreichung weltweiter Synergievorteile (Soldner 1983, S. 139). Bei dieser Internationalisierungsstrategie geht das Unternehmen von einer ethno-zentrischen Orientierung aus, überträgt also Marketingkonzeptionen des nationalen Marktes (home markets) soweit als möglich auf ausländische Märkte, es wird dabei kaum auf länderspezifische Besonderheiten eingegangen. Multinationales Marketing - als eine weitere Entwicklungsstufe von Internationalisierungstrategien - zeichnet sich dadurch aus, daß für jeden Ländermarkt spezielle, auf die nationalen Besonderheiten ausgerichtete Marketingkonzeptionen entwickelt werden (polyzentrische Orientierung). Die einzelnen Landesgesellschaften erhalten einen relativ großen Entscheidungsspielraum, sie treten als quasi autonome nationale Unternehmen auf. Revitalisiert wurde diese Diskussion über Internationalisierungsstrategien in den achtziger Jahren durch Levitt (1983). Er geht davon aus, daß es zu einer zunehmenden Homogenisierung der Nachfrage in den verschiedenen Ländermärkten kommt (Konvergenzthese), welche die Unternehmen zu einer weltweiten Standardisierung ihrer Konzepte (Standardisierungsthese) zwingt, um dadurch die Kostenvorteile der „economics of scale“ zu nutzen und somit im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Diese Entwicklung führt zu einer entsprechenden Zentralisierung der Führung (Zentralisierungsthese). Damit wird der Schritt zum Global Marketing vollzogen, einer Internationalisierungsstrategie, die durch eine geozentrische Orientierung charakterisiert ist. Kotler (1984) steht diesen Thesen von Levitt sehr skeptisch gegenüber, er betont, daß es nur ganz wenige Produkte gibt, die man weltweit problemlos standardisieren kann. Der Trend zum globalen Marketing wurde seiner Meinung nach von Werbeagenturen initiiert, um neue Märkte zu eröffnen. Es kann auch davon ausgegangen werden, daß die Konvergenzthese einer stark ausgeprägten Selbstbezogenheit us-amerikanischen Managements zuzuschreiben ist, da dieses in starkem Maße davon ausgeht, us-amerikanische Trends auf andere Märkte übertragen zu können.
10.1 Die Diskussion: Gobal versus Local Marketing
621
Daß diese Sicht nicht nur günstige Auswirkungen hat, könnte teilweise durch die Krise der GM-Tochter Opel illustriert werden, die teilweise auch auf eine verfehlte, aus den USA diktierte Modellpolitik zurückgeführt wird. Bezüglich der Standardisierungsmöglichkeiten von Produkten ist es sinnvoll zwischen sogenannten „culture free products“, d.h. Produkten, die nicht an Kulturspezifika gebunden sind (z.B. Benzin, Flugreisen) und „culture bound products“, d.h. Produkten, die stark durch die Kultur mitgeprägt sind (z.B. Nahrungsmittel), zu unterscheiden. Ob die Aussagen von Levitt gültig sind oder einer Modifikation bedürfen, soll anhand der wesentlichen Thesen erfolgen: Die Konvergenzthese Der Ausgangspunkt des Ansatzes von Levitt - die Konvergenzthese - wird mit einer zunehmenden Ähnlichkeit potentieller Zielgruppen auf allen hochentwickelten Märkten, insbesondere auf den wichtigsten Märkten in den USA, Europa und Japan, begründet. Auf Verbraucherseite gleichen sich die demographischen Merkmale der Konsumenten zusehends an (stagnierendes Bevölkerungswachstum, ähnlicher Lebensstandard und Bildungssysteme), zudem werden durch das Aufkommen hochentwickelter Kommunikationssysteme (z.B. Satellitenfernsehen) einheitliche Lebensstile gefördert, vor allem bei der jüngeren Generation. Diese Entwicklungen führen zu einer zunehmenden Annäherung im Verhalten der Verbraucher. Auch im Investitionsgüterbereich gleichen sich die Anforderungen international operierender Investitionsunternehmen an, und die technischen Standards werden vereinheitlicht. Kritiker dieser These erheben dagegen den Vorwurf, sie stelle eine zu grobe Simplifizierung dar. Nach ihrer Meinung gibt es kaum einen Auslandsmarkt, bei dem sich alle relevanten Konsummerkmale gleichzeitig oder nur annähernd decken. Dies gilt auch für Investitionsgüter, wenn man etwa an die unterschiedlichen Strukturen der Buying-Center bzw. der individuellen Einstellung von Schlüsselpersonen im Kaufentscheidungsprozeß denkt. Ein weiteres Argument, das gegen diese These angeführt wird ist, daß in zahlreichen Märkten eher eine wachsende Fragmentierung und Regionalisierung der Nachfragestrukturen, als eine Homogenisierung zu beobachten ist. Meffert und Wagner (1986) ziehen als Fazit der Diskussion, daß zwar bestimmte Marktsegmente existieren, die sich von der Bedürfnis- und Nachfragestruktur her ähneln und eine einheitliche Ansprache solcher transnationaler Zielpersonen - sogenannte „cross cultural groups“ - durchaus sinnvoll sein kann, daß diese Konvergenzthese jedoch nicht nur zu pauschal formuliert ist, sondern für viele Branchen auch fragwürdig ist .
622
10. Internationale Marktkommunikation
Standardisierungsthese „The global competitor will seek constantly to standardize his offering everywhere“ (Levitt, 1983, S. 94 ). Denn durch die Homogenisierung des Verhaltens der Konsumenten wird es für global operierende Unternehmung zunehmend möglich und auch erforderlich, mit einheitlichen Marketingkonzeptionen eine Vielzahl von Ländermärkten zu bearbeiten. Damit knüpft diese These an die alte Diskussion standardisierter versus differenzierter Marktbearbeitung an. Standardisierung kann dabei unter instrumentalen und prozessualen Gesichtspunkten gesehen werden (Meffert & Wagner, 1986). Häufig steht nur die Diskussion um die Frage standardisierter bzw. differenzierter Einsatz der Marketinginstrumente im Mittelpunkt. Bei völliger Standardisierung der Marketinginstrumente wird ein Angebot in den verschiedenen Ländermärkten mit dem gleichen Marketing-Mix vermarktet, ohne auf kulturspezifische und länderspezifische Eigenheiten einzugehen. Die Forderung nach einer Standardisierung wird vor allem für diesen Bereich erhoben. Die prozessuale Standardisierung meint die Vereinheitlichung der MarketingMethoden (Planungs-, Informations- und Kontrollprozesse) zur Koordination der Marketingentscheidungen zwischen den einzelnen Landesgesellschaften. Befürworter der Standardisierungsthese betonen die Ausnutzung von Degressionsund Lerneffekten sowie die Nutzbarmachung von Ausstrahlungseffekten des Produkt- und Firmenimages, eine Steigerung der Effizienz der Planung und Kontrolle, die Nutzung des Know Hows der Muttergesellschaft und die Erleichterung eines Personaltransfers als positive Auswirkungen einer Standardisierung. Kritiker befürchten dagegen bei einer zu weitgehenden Standardisierung einen Gewinnrückgang, da lukrative Marktsegmente nicht angemessen angesprochen werden, eine Begrenzung der Internationalisierung auf ausgewählte Schlüsselmärkte, eine Hemmung innovativer Prozesse sowie die Gefahr wachsender Konflikte zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften. Meffert und Wagner (1986) plädieren bei der Frage globale Integration oder lokale Anpassung im Sinne einer Synthese für ein situationsgerechtes und abgestuftes Vorgehen. Dabei muß die Vorteilhaftigkeit globaler Unternehmens- und Marketingstrategien für einzelne Branchen und Produkte, letztlich für jede Unternehmung differenziert beurteilt werden. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung länderübergreifender Aktivitäten in wachsenden Wirtschaftsräumen und der damit verbundenen Absicherung von Wettbewerbsvorteilen wird einer Standardisierung des Marketings eine besondere Bedeutung zuwachsen. Im Rahmen solcher individualisierten Vorgehensweise es je nach Unternehmenssituation möglich, daß einige Marketinginstrumente standardisiert
10.1 Die Diskussion: Gobal versus Local Marketing
623
werden und andere Instrumente nach länderspezifischen Bedingungen differenziert werden. So kommen Meffert und Bolz (1995) als Ergebnis einer empirischen Studie bei Herstellern langlebiger Konsumgüter aus vier europäischen Ländermärkten zu dem Ergebnis, daß eine Standardisierung der Produkt- und Distributionspolitik sowie der Informationsprozesse sich positiv auf die Rentabilität auswirkt, sich dagegen bei einer Standardisierung der kommunikationspolitischen Instrumente negative Konsequenzen zeigen. Im folgenden wird näher auf Strategien, Managementmöglichkeiten, Chancen und Risiken im kommunikationspolitischen Bereich eingegangen.
10.2 Internationale Kommunikation: Standardisierungsund Differenzierungsstrategie Vor allem in Folge der Konvergenzthese von Levitt wurde die Konzeption des Global Marketing auch und in besonderem Maße auf die Kommunikation übertragen. Propagandisten dieser Konzeption waren und sind die Werbeagenturen. So publizierte Saatchie und Saatchie bereits Mitte 1984 eine Anzeige in der New York Times und Times London mit der Headline „The Opportunity for World Brands“. Ziel dieser Aktion war es sich als erste globale Werbeagentur darzustellen. Das spricht für die bereits erwähnte These von Kotler (1984). Die Gründe dafür sind klar, bietet doch eine solche Strategie eine gutes Argument, die Dienste einer Agentur nicht nur in einem Land verkaufen zu können, sondern in mehreren Ländern bzw. weltweit.
10.2.1 Basisstrategien Grob differenziert lassen sich zwei Basisstrategien der internationalen Kommunikation unterscheiden: • standardisierte Strategien und • differenzierte Strategien. Eine standardisierte, globale internationale Kommunikationsstrategie zeichnet sich dadurch aus, daß ein und dieselbe Kommunikationspolitik weltweit einheitlich eingesetzt wird, d.h. basierend auf einer einheitlichen Kommunikationskonzeption werden gleiche Werbemittel (Exekution) in den unterschiedlichen Ländermärkten eingesetzt. Ein Fernsehspot wird beispielsweise in den unterschiedlichen Ländermärkten unverändert eingesetzt, der Text wird lediglich synchronisiert. Auch Anzeigenkampagnen werden häufig ohne länderspezifische Adaption europaweit geschaltet, lediglich der Text wird in die einzelnen Landessprachen übersetzt.
624
10. Internationale Marktkommunikation
Voraussetzung für eine solche Standardisierung ist einerseits, daß der Gegenstand der Werbung, der von ihr ausgehende Nutzen sowie die potentielle Zielgruppe identisch sind, andererseits aber auch, daß die Zielgruppen kommunikativ identisch angegangen werden können, sowohl bezüglich ihrer medialen Erreichbarkeit, als auch ihrer kommunikativen Ansprechbarkeit, wie beispielsweise bestimmte Emotionen ausgedrückt werden, kann von Kultur zu Kultur unterschiedlich sein (Fuchs, 1995a). Das spricht für Differenzierung. Bei einer differenzierten Strategie werden dagegen länderspezifische Konzepte entwickelt und realisiert, d.h. in jedem Land wird eine individuelle Kommunikationspolitik durchgeführt. Diese beiden Strategien einer internationalen Kommunikationspolitik stellen Extrempunkte dar, zwischen denen eine Vielzahl von Abstufungen existiert. Zum einen können nur einzelne Kommunikationsinstrumente standardisiert werden, z.B. wenn eine globale Werbestrategie durch differenzierte nationale Verkaufsförderungsaktivitäten ergänzt wird. Zum anderen ist auch bei den einzelnen Kommunikationsinstrumenten ein abgestuftes Vorgehen möglich. So differenziert z.B. Tostmann (1985) drei konkrete Ausgestaltungsformen von internationalen Werbemitteln: • Einsatz der Werbemittel ohne eine länderspezifische Adaption, z.B. ein Fernsehspot der über Satellitenprogramm in mehrere Länder ausgestrahlt wird oder eine Anzeige, die in einem internationalen Medium geschaltet wird. • Einsatz der Werbemittel mit formaler Adaption, d.h. der inhaltliche und visuelle Auftritt bleibt gleich, es findet nur eine sprachliche Anpassung statt. Wichtig ist bei einer solchen Exekutionsform die entsprechende Übersetzungsleistung, hier ist eine Überprüfung in dem Land zu empfehlen, in dem die Werbung eingesetzt werden soll. Übersetzungen sollten erfahrungsgemäß durch Inländer/innen erstellt werden. • Die situations- und/oder kulturbedingte Adaption der Werbemittel. In diesem Fall bleibt nur die Grundgestaltung gleich, die inhaltlichen und visuellen Aussagen werden den länderspezifischen Bedingungen angepaßt. Diese gestalterisch-inhaltlich Alternativen können noch mit entsprechenden Media-Strategien kombiniert werden. Es lassen sich folgende Media-Strategien differenzieren: -
Einsatz von nationalen, unverbundenen Medien, Supranationale Medienkooperationen (mit einem oder mehreren Verlagen) und Einsatz supranationaler Medien (mit und ohne regionale Teilbelegungen).
10.2 Standardisierungs- und Differenzierungsstrategie
625
In der Praxis gibt es Mischformen, wie z.B. bei Citroen, wo eine international einheitliche TV-Werbung geschaltet, aber in Anzeigen und Plakaten national unterschiedliche Kampagnen realisiert wurden Neben dieser Differenzierung nach dem Standardisierungsgrad können unter Einbeziehung der verschiedenen Kommunikationsinstrumente auch verschiedene Arten der internationalen Kommunikation differenziert werden: -
die internationale Corporate-Identity-Politik, die internationale Werbung, die internationalen Verkaufsförderungsaktivitäten, das internationale Sponsoring und das internationale Product Placement (Berndt, 1993a und 1993b).
In der Praxis scheint sich ein Trend weg von einer hauptsächlich standardisierten internationalen Werbung hin zu einer Kombination aus standardisierter und differenzierter Strategie zu etablieren. Das ist das Ergebnis einer Studie von Hite und Fraser (1988) bei multinationalen Unternehmen in den Vereinigten Staaten. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine deutsche Studie, die 125 international operierende Investitionsgüterunternehmen analysierte. Nur relativ wenige Unternehmen (circa 20%) verfolgen eine standardisierte Strategie (vgl. Langner, 1996).
10.2.2 Determinanten der Übertragbarkeit Die Übertragbarkeit von Kommunikationskonzeptionen ist nach Althans (1982) abhängig von den Merkmalen des Objekts der Kommunikationspolitik, des anbietenden Unternehmens, der Umwelt und der Konsumenten bzw. Käufer.
Unternehmensinterne Determinanten
KommunikationsObjekt
Unternehmensbezogene Determinanten
Übertragbarkeit von Werbekonzeptionen
Unternehmensexterne Determinanten
Umweltbezogene Determinanten
Konsumentenbezogene Determinanten
Abbildung 10-1: Determinanten der Übertragbarkeit von Werbekonzeption in Anlehnung an Althans (1982)
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10. Internationale Marktkommunikation
Im Kontext der produktbezogenen Determinanten bzw. dem Objekt der Kommunikation ist auch von Bedeutung, ob es sich um ein Konsumgut, ein Investitionsgut oder eine Unternehmensmarke handelt. Je nach dem sind unterschiedliche kommunikative Aktivitäten erforderlich. Bei Imagekommunikation sind langfristige Maßnahmen zu planen, kurzfristig und spontan gekaufte Konsumgüter werden durch Verkaufsförderung unterstützt, bei Investitionsgütern kommt der persönlichen Kommunikation eine besondere Bedeutung zu. Das gilt international, wie national. Eine Übertragbarkeit wird auch nur dann möglich sein, wenn auf gleiche oder ähnliche Produkteigenschaften und Nutzenkategorien in den verschiedenen Auslandsmärkten bezug genommen werden kann (z.B. Fahrräder sind in manchen Ländern primär Freizeit- und Sportgerät, in anderen Ländern überwiegend ein Transportmittel). Zudem ist die Lebenszyklusphase zu beachten. Wenn sich ein Produkt in den verschiedenen Ländermärkten in unterschiedlichen Phasen befindet, z.B. in einem Land in der Einführungsphase, in einem anderen Land in der Wachstums- oder Reifephase - so ergeben sich daraus unterschiedliche kommunikative Aufgabenstellungen und damit erhebliche Einschränkungen für eine Standardisierung. Zu den unternehmensbezogenen Einflußgrößen gehören Merkmale der internationalen Unternehmenstätigkeit. Zum Beispiel die Frage, in welcher Form das internationale Marketing betrieben wird, ob es sich um eine konzentrierte Marktbearbeitungsstrategie handelt (wenige Märkte werden intensiv bearbeitet) oder um eine diversifizierte Strategie (viele Märkte werden extensiv bearbeitet). So geht Althans (1982) davon aus, daß eine konzentrierte Vorgehensweise, stärker zu einer differenzierten Marktbearbeitung führt, während bei einer Diversifikationsstrategie, durch die schnelle Abfolge von Erschließungen, stärker die Notwendigkeit eines standardisierten Vorgehens besteht. Auch das Ausmaß und die Bedeutung der internationalen Betätigung hat Auswirkungen auf die Strategie der Kommunikationsarbeit, denn eine geringe Bedeutung des Auslandgeschäftes wird vermutlich eher zu Standardisierung führen. Auch die Form der internationalen Unternehmensorganisation kann Auswirkungen auf die internationalen kommunikativen Aktivitäten haben. Je nach Zentralisierungs- bzw. Dezentralisierungsgrad kommunikativer Entscheidungen (Was wird wo von wem entschieden?) und der internationalen Orientierung eines Unternehmens (ethnozentrisch, polyzentrisch oder regiozentrisch bzw. geozentrisch) wird ein Rahmen für die Ausgestaltung kommunikativer Aktivitäten vorgegeben. In den Kontext diese Komplexes gehört auch die Frage, wie die Zusammenarbeit mit Werbeagenturen durchgeführt werden soll (vgl. hierzu Kapitel 10.3). Zu den umweltbezogenen Einflußgrößen gehören neben der internationalen Marketing-Umwelt, zu denen Variablen gehören, welche die Beziehungen zwischen
10.2 Standardisierungs- und Differenzierungsstrategie
627
den Ländern auf verschiedenen Ebenen beschreiben (z.B. politische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen), insbesondere die jeweiligen nationalen Marketing-Umwelten. Althans (1982, S. 22) differenziert dabei: • • • •
sozio-ökonomische Merkmale, sozio-kulturelle Merkmale, natürlich-technische Merkmale und politisch-rechtliche Merkmale.
Zu den sozio-ökonomischen Merkmalen eines Landes gehören zum einen die ökonomischen Rahmenbedingungen, wie Marktpotential und seine Bestimmungsfaktoren, das Konkurrenzverhalten, insbesondere auch im kommunikativen Bereich und der Werbeaufwand, zum anderen die Analyse der Media-Szene und der werblichen Infrastruktur, denn eine Ähnlichkeit der Mediensysteme ist eine wesentliche Voraussetzung für die Übertragbarkeit von Kampagnen. Die Media-Szene eines Landes läßt sich durch Angebot, Leistung, Kosten und Verfügbarkeit der verschiedenen Werbeträger beschreiben.
1200 1000 800 600 400 200 0
A
B
CH
D
DK E
F 1984
GB GR
I
IRL N
NL
P
S
SF
1990
Abbildung 10-2: Verfügbare TV-Werbezeiten (Minuten pro Tag) (The Media Scene in Europa 2/3, Initiativ Media, Hamburg, 1991, S. 3.) Zu den sozio-kulturelle Einflußgrößen rechnet Althans (1982) Sprache und Bildungsstand, den Bereich der nonverbalen Kommunikation, Religion, Werte und Einstellungen (vgl. hierzu auch Kapitel 10.2.3). Die natürlich-technischen Merkmale umfassen die Variablen geographische Nähe, die klimatischen Gegebenheiten (mit Auswirkungen auf die Mediennutzung), topographische Aspekte und den technischen Entwicklungsstand. Dieser letzte Ge-
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10. Internationale Marktkommunikation
sichtspunkt betrifft insbesondere die Art und die Qualität der zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel und -kanäle. Die letzte Merkmalsdimension der umweltbezogenen Determinanten umfaßt die politisch-rechtlichen Einflußgrößen. Dazu gehört auch die politische Risikoanalyse, diese ist aber diesem Kontext (der Frage der Standardisierung oder Nichtstandardisierung in der Marketing-Kommunikation) weniger von Relevanz. Wesentlich wichtiger sind die rechtlichen Vorgaben, die den Handlungsspielraum der Werbetreibenden einengen können, dazu gehören Fragen nach dem Zugang zu dem Medien, der Werbeverbote für manche Produktarten und der Werbemittelgestaltung, dieses kann insbesondere unter religiösen Aspekten zu beachten sein. Bei den konsumentenbezogenen Kriterien geht es darum, ob und inwiefern sich die Zielgruppen in den einzelnen Ländern nach gleichen oder zumindest nach ähnlichen Kriterien beschreiben lassen und ob solche erfaßten Zielpersonen dann auch eine gleiche oder ähnliche Kommunikationswirkung erwarten lassen. Als Einflußgrößen dafür können: • demographische, • sozio-ökonomische und • psychologische Merkmale (persönliche Einstellungen, Lebensstil usw.) herangezogen werden. Zwei methodische Vorgehensweisen zur Definition und Entwicklung dieser Zielgruppen sind möglich: • Ein zweistufiges Vorgehen, indem durch Cluster-Analyse von Ländern zuerst Gruppen von ähnlichen Ländern gebildet werden (Segmentierung der Weltmärkte) und in einem zweiten Schritt eine Cluster-Analyse von Konsumenten innerhalb eines Länderclusters bzw. innerhalb einzelner Länder vorgenommen wird. • Eine einstufige integrale Segmentierung, hier werden Konsumenten bzw. Mitglieder kommunikativer Zielgruppen weltweit nach diesen o.g. Kriterien beschrieben. Für Europa gibt es z.B. einmal den Typologieansatz des französischen Marktforschungsinstituts RISC (Research Institute on Social Change), das jährlich 30 000 Personen befragt und drei hauptsächlichen Konsumentengruppen festgestellt hat (Tietz, 1990):
10.2 Standardisierungs- und Differenzierungsstrategie
629
• Traditionalisten: circa 30% aller Europäer, ältere Leute mit einfacher Ausbildung mit geringer Wandlungsbereitschaft, • wandlungsoffene Bürger: circa 40 aller Europäer, dieses Segment wächst nach Ansicht von RISC und • Globalisten: circa 30%, sie sind Träger des Wandels, sie verfügen über eine überdurchschnittliche Ausbildung und überdurchschnittliches Einkommen. Zum anderen die Euro-Socio (früher Life)-Style-Typologie vom Institut Europanel (ein Zusammenschluß von 15 europäischen Marktforschungsinstituten mit Beteiligung der GfK in Nürnberg). Diese Typologie wurde 1995 aktualisiert und in „Euro-Socio-Styles“ umbenannt. Hier werden 24.000 Europäer in 15 Ländern über ihre Konsum-, Einkaufs-, und Mediagewohnheiten, ferner über ihren Besitzstand sowie über ihre Einstellungen zu kommunikativen Marktaktivitäten befragt. Aus etwa 1,5 Mio. Daten zu Einstellungen, Verhaltensweisen und Motiven in verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens wurde dabei eine dreidimensionale Karte entwickelt, deren Achsen grundlegende unabhängige Orientierungen von Menschen repräsentieren. Als Dimensionen wurden einerseits Gegenwarts- und Vergangenheitsorientierung gewählt. Sie soll beschreiben, ob eine Person kreativ, innovativ, beweglich und interessiert ist oder eher konservativ, traditionalistisch und sicherheitsorientiert geprägt ist. Die andere Dimension wird durch die Pole Ich-orientierung und Gesellschaftsorientierung geprägt. Diese Untersuchung ergab 15 Euro-Socio-Style-Typen, die in allen europäischen Ländern vertreten sind, aber mit divergenten nationalen Gewichtungen. Beispielhaft werden im Folgenden einige dieser Typen kurz beschrieben: •
Preservers: Sind ältere Menschen, traditionell orientiert, puritanisch geprägt, Protektionisten und darauf bedacht, die Welt auf den richtigen ethischen Weg zurückzuführen.
•
Isolated: Ältere, isolierte Menschen, die in Städten leben, passiv, die sich in der Gesellschaft nicht mehr zurecht finden und sich mit Gleichgesinnten zurückziehen.
•
Easy Going: Junge Unverheiratete und junge materialistische Haushalte auf der Suche nach dem sozialen Erfolg und Geld, individualistisch und opportunistisch, in sozialer Hinsicht leicht repressiv, aber permessiv gegenüber sich selbst.
Die Entwicklung oder die Existenz solcher transkulturell identischer Zielgruppen ist eine wesentliche Voraussetzung für einen effizienten Einsatz transnationaler standardisierter Kommunikationskampagnen. Levitt sieht die kreative Aufgabe der Werbung darin, „die bei allen Unterschieden zugrundeliegenden gemeinsamen
630
10. Internationale Marktkommunikation
Grundpräferenzen und -bedürfnisse der Menschen zu erkennen und anzusprechen. Das ist die große Herausforderung für die Werbung unserer Zeit“ (ZV+ZV, 1987). Die Reduktion der Werbeinhalte auf die Gemeinsamkeiten kann dazu führen, daß Werbung auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ reduziert wird, was das kreative Potential erheblich einschränken und zu austauschbarer Werbung führen kann.
Self-Orientation Easy Going Gamblers Go Ahead Fellows
Safety Oriented Unapproachables Isolated Bonivants Guardians
Creation Present Reformers
Creation Past
Stabilzers
Free Thinkers Censors
Eldest
Preservers
Pilots Community Orientation
Abbildung 10-3: Euro-Socio-Style-Typen (GfK zitiert nach Kloss 2000, S. 336)
10.2.3 Pro und Contra standardisierter transkultureller Kommunikation Von den Befürwortern einer standarisierten Kommunikationsstrategie werden im wesentlichen folgende Argumente vorgetragen: • • • • • •
die Homogenisierung der Märkte und Bedürfnisse, die Entwicklung einer grenzüberschreitenden Kommunikation, die erzielbaren Kostenvorteile, das einheitliche Erscheinungsbild, die Nutzung bereits erfolgreicher Kampagnen und die Vereinfachung organisatorischer Abläufe.
10.2 Standardisierungs- und Differenzierungsstrategie
631
Das erste Argument, die bereits dargestellte Konvergenzthese, geht bei differenzierter Betrachtung nicht von einer weltweiten Marktunifizierung aus, sondern von der Vorstellung einer weltweiten Marktsegmentierung. D.h., daß es trotz aller kulturspezifischen Eigenheiten, in jedem Land Konsumenten mit ähnlichen Merkmalen gibt, die in Bezug auf ihr Konsumverhalten gegenüber bestimmten Produkten einander stärker gleichen als Angehörige desselben Landes, die ein unterschiedliches Konsumverhalten an den Tag legen. Für diese transkulturell gleichen Zielgruppen (cross culture target groups) ist ein standardisiertes kommunikatives Vorgehen sinnvoll und effizient, denn es müssen nicht verschiedene nationale Kommunikationskonzeptionen entwickelt werden. Dieses Pro-Argument wird durch folgende Fragestellungen relativiert: Auch wenn sich bestimmte Personenkreise (z. B. Jungmanager/innen) in den Großstädten der Welt hinsichtlich des äußerlich zu beobachtenden Lebensstils zu gleichen scheinen, so stellt sich doch die Frage, ob sich dahinter die gleichen Motivations- und Emotionsstrukturen finden. Sind sich in vielen Bereichen nicht doch Personen ganz unterschiedlicher Schichten innerhalb eines Kulturkreises ähnlicher als Personen einer Schicht in unterschiedlichen Kulturkreisen? Wem ähnelt ein Börsenbroker in New York mehr, dem Broker in Berlin oder dem Arbeiter in New York? Ein zweites gewichtiges Pro-Argument, daß in die Diskussion eingebracht wird, ist die Entwicklung einer grenzüberschreitenden Kommunikation. Nicht erst seit der aktuellen Publikationsflut zum Thema „Information Highways“, „Multi Media“ und digitalem Fernsehen wird dieses Argument eingebracht; sondern bereits durch die Einführung des Satellitenfernsehens, der zunehmenden Verkabelung und dem damit einhergehenden erhöhtem Angebot ausländischer Sender wird auf den zunehmenden Informationsfluß über Ländergrenzen hinweg (media overspill) hingewiesen. Durch diese grenzüberschreitende Kommunikation können Kulturen verstärkt in einen informatorischen Kontakt miteinander gelangen - auf die grenzüberschreitende Mobilität der Bürger (z.B. durch Tourismus) sei hier nur kurz verwiesen. Damit besteht auch die Möglichkeit, daß die Konsumenten mit verschiedenen - autonom entwickelten - Werbekonzeptionen konfrontiert werden. So kann ein Verbraucher einer Marke in einem bestimmten Land nun überraschend mit mehr oder minder abweichenden Botschaften der gleichen Marke, die eigentlich für ein anderes Land bestimmt war, in Kontakt kommen. Dadurch können Mißverständnisse, Irritationen und Verunsicherung beim Konsumenten resultieren. Eine international standardisierte Kommunikation sorgt dagegen für einen einheitlichen Auftritt und ermöglicht den Aufbau eines einheitlichen internationalen Firmenoder Markenimages. Bereits in der Untersuchung von Althans (1982, S. 161) war die Reduzierung der Kosten eines der wichtigsten Argumente für eine Standardisierung. Die Notwendigkeit Kosten zu reduzieren, hat sicherlich in der Zwischenzeit noch an Bedeu-
632
10. Internationale Marktkommunikation
tung gewonnen. Kostenvorteile können dabei auf der Konzeptions-, Produktionsund Schaltebene realisiert werden. Einsparungspotentiale auf der Konzeptionsebene entstehen dadurch, daß es nicht mehr notwendig ist, in den einzelnen Ländern verschiedene Agenturen mit der Entwicklung von Kampagnen zu beauftragen, sondern nur eine Agentur mit der Konzeption einer Kampagne beauftragt wird. Eine Senkung der Produktionskosten läßt sich durch die Mehrfachnutzung von Werbemitteln erzielen. So ist es sicherlich ein Unterschied, ob ein Unternehmen neun verschiedene nationale Spots produziert oder nur mit einem international einsetzbaren Spot operieren kann. Die Frage ist, ob eine zielgruppengenauere, international differenzierte Gestaltung die Mehrkosten durch höhere Wirkung überkompensieren kann. Kostenvorteile im Schaltbudget können sich durch die zunehmende Internationalisierung der Medienunternehmen ergeben. So versuchen viele Verlage national erfolgreiche Titel auch international zu vermarkten (z.B. Cosmopolitan). Die Verlage bieten dabei teilweise den Inserenten Sonderkonditionen an, wenn sie ein Medium nicht nur national belegen. Auch Theis (1994) weist darauf hin, daß insbesondere durch Zusammenschlüsse großer nationaler Tageszeitungen zu gemeinsamen europäischen Anzeigenringen künftig mit einem wachsenden internationalen Marktangebot zu rechnen ist. Das Argument der Nutzung bereits erfolgreicher Kampagnen basiert auf der Annahme, daß „the selling concept that propels in its first market will be the selling concept, that succeds in every other market at least 60 percent of the time“ (Wells, Burnett & Moriarty, 1992, S. 679). Kampagnen von IBM, Ford, Waterman, Seiko und vielen anderen Unternehmen haben ihren Ursprung in einem erfolgreichen Auftritt in einem nationalen Markt und sind erst dann weltweit eingesetzt worden. Damit bietet eine solche Übernahme dem Management scheinbar ein gewisses Maß an Sicherheit für den Erfolg einer Kampagne. Ein Gegenbeispiel liefert die Werbung für den „Clio“ (Renault), der in Frankreich und in Deutschland mit dem gleichen Slogan „made in paradise“ im TV beworben wurde. Diese in Frankreich entwickelte Werbekonzeption war in Deutschland erfolgreicher als in Frankreich. Als letztes Pro-Argument wird angeführt, daß durch eine standardisierte Form der Kommunikation sich die Planungs-, Koordinations- und Kontrollprozesse vereinheitlichen lassen und sich somit eine Vereinfachung der innerbetrieblichen Abläufe ergibt. Dazu tragen auch universelle Richtlinien und einheitliche Qualitätsstandards bei (Mooji, 1991, S. 143). Harris (1996, S. 554) fand bei der Analyse von 38 amerikanischen und europäischen mulitnationalen Unternehmen, daß „ the research results indicated in several instances that standardization is employed as a part of a genereal organizational drive to achieve greater co-ordination, rather than specifically to improve advertising efficiency and brand performance“. Die Contra-Argumente gegen eine Standardisierung beziehen sich vor allem auf:
10.2 Standardisierungs- und Differenzierungsstrategie
• • • •
633
die Gültigkeit der Konvergenzthese für die Kommunikation, die Defizite im medialen Bereich, den rechtlichen Divergenzen zwischen den einzelnen Ländern und auf produkt- und unternehmensbezogene Aspekte (vgl. Fuchs, 1995b).
Viele Kritiker stellen die Validität des Arguments von transkulturell identischen Kommunikationszielgruppen in Frage. Dabei werden besonders die kulturellen Aspekte und Unterschiede fokussiert. Einfach sozio-demographische Daten zur Belegung einer Konvergenz der Märkte heranzuziehen reicht nicht, vielmehr müssen dazu weitere kultur- und marktbezogene Daten herangezogen werden (Zandpour, 1994). Auf diese Fragestellungen sind wir oben bereits eingegangen. Argyle (1982) hat auf die wesentlichen kulturellen Differenzen hingewiesen, die allgemein Kommunikationsprobleme bei interkulturellen Interaktionen hervorrufen können. Diese lassen sich auch auf die Marktkommunikation übertragen: Erstes Kriterium ist die Sprache - eine der offensichtlichsten und basalsten Barrieren zwischen Kulturen. Dabei geht es aber nicht nur um Übersetzungsprobleme, sondern auch um Interpretationsprobleme. So werden sicherlich die Begriffe „Arbeit“ oder „Luxus“ von Dänen anders interpretiert als von Süditalienern oder Mexikanern. Die Hoffnung Englisch als lingua franca zu benutzen, wird heute noch durch Verständnisschwierigkeiten stark eingeschränkt, in Zukunft kann jedoch insbesondere für jüngere Zielgruppen diese Sprache verstärkt für eine standardisierte Kommunikation benutzt werden. Wer diesbezüglich Prognosen anstellen möchte, darf aber die zunehmende Bedeutung der spanischen Sprache, insbes. auch in den Vereinigten Staaten nicht übersehen. Tabelle 10-2: Beherrschung der englischen Sprache in ausgewählten europäischen Ländern (Nach Lintas, in: The Media Scene in Europa 3, Initiative Media, Hamburg, S. 3, zitiert nach Drewes, 1992) Understanding of spoken English
Belgium France Germany Italy Netherland Spain
Self-Assessment 41% 20% 32% 9% 51% 9%
Actual Understanding 17% 3% 15% 1% 28% 3%
634
10. Internationale Marktkommunikation
Das zweite Kriterium von Argyle bilden die Verhaltensregeln von Kulturen. Auch hier existieren Unterschiede zwischen den Kulturen, die zu Schwierigkeiten und Mißverständnissen bei der transkulturellen Kommunikation führen können, so z.B. divergente Regeln in den Ess- und Trinkgewohnheiten, in den Zeitregeln oder im Schenkverhalten. Ein weiterer Aspekt betrifft die Muster in den sozialen Beziehungen im Berufsleben, in der Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis sowie in den Hierarchiestrukturen der Gesellschaft. Auch in diesem Bereich gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Gesellschaften. Kommunikative Botschaften, die solche Themen aufgreifen, können in einem Land richtig interpretiert werden, in einer anderen Kultur jedoch zu Irritation führen. Ideen und Werte als breitere, abstraktere Zielverstellungen einer Gesellschaft sind eine weiteres von Argyle angeführtes Kriterium. Als ein aktuelles Beispiel für erhebliche Divergenzen in diesem Bereich kann der Umweltschutzgedanken herangezogen werden. So läßt sich bezüglich dieser Wertvorstellung ein klares Gefälle zwischen Frankreich und Deutschland konstatieren. Die Werte-Unterschiede gehen hin bis zur Beurteilung und generellen Akzeptanz oder Nicht-Akzeptanz von Werbung. So findet in Großbritannien Werbung eine sehr viel größere Akzeptanz als in Schweden oder Frankreich. Das fünfte Kriterium sind die Motivationen; diese können sich in ihrer durchschnittlichen Verteilung von Kultur zu Kultur unterscheiden. Zum Beispiel hat in einigen Ländern die Leistungsmotivation und eine entsprechende materielle Belohnung einen sehr hohen Stellenwert, während in anderen Ländern die Belohnung aufgrund der sozialen Stellung der Familie erwartet wird. Als letztes Kriterium werden Unterschiede im Bereich der nonverbalen Kommunikation angeführt. Dieser Aspekt ist insofern von besonderer Bedeutung, da in der Marktkommunikation eine zunehmende Tendenz zur Visualisierung feststellbar ist. Auch hier gibt es neben phylogenetisch hervorgerufenen einheitlichen Mustern kulturspezifische Unterschiede, die es bei der visuellen Kommunikation zu beachten gilt. Z.B. hat der Mitteleuropäer in seinem Territorialverhalten eine normale Distanz zu seinem Gesprächspartner von circa einer Armlänge, alles was darunter liegt, wird als unangenehm empfunden und nur in Ausnahmesituationen geduldet, anders die Situation im arabischen Raum, hier ist die soziale Distanz wesentlich kürzer. Araber und Mitteleuropäer können demnach ein Bild, das zwei Menschen im Gespräch zeigt, sehr unterschiedlich interpretieren. Aber auch andere Bilder bedürfen einer Übersetzung oder Überprüfung. So bedeutet beispielsweise der Tiger in Thailand Gefahr und nicht Stärke wie von der Esso-Werbung in Deutschland intendiert. Die gedanklichen Reaktionen der Empfänger können also je nach Kulturkreis erheblich voneinander abweichen (vgl. Dmoch, 1996).
10.2 Standardisierungs- und Differenzierungsstrategie
635
Viele Kulturkreise weisen in den angeführten Kriterien, die für eine Verständigung und damit auch eine effektive Marktkommunikation wichtig sind, wesentliche Unterschiede auf und diese Unterschiede können zu Mißverständnissen, falschen Interpretationen, schwächeren Aufmerksamkeitswerten von internationalen Kampagnen führen. Selbst in relativ ähnlichen Märkten wie dem amerikanischen und britischen Markt zeigen sich erhebliche kulturelle Divergenzen, und das gilt selbst für scheinbar ähnliche Kulturen, wie zwischen dem us-amerikanischen und dem kanadischen Markt (vgl. Raab, Unger & Unger, 2004, S. 266 ff.). So kommen Caillat und Mueller (1996, S. 86) zu dem Ergebnis: „In two countries where most marketing factors are strikingly similar - physical environment, economic development, industry conditions, marketing institutions, language and legal restrictions - the differences in culture alone are significant enough to warrant a specialized advertising approach“. Ähnlich skeptisch bewerten Müller und Kornmeier (1996a und 1996b) aus einer kulturellen Perspektive die Standardisierungsstrategie. Diese Probleme sieht er jedoch primär dann gegeben, wenn eine erlebnisorientierte, emotionale Positionierung gewählt wird, da eine solche Positionierung, unter Rückgriff auf einen kulturell konventionalisierten Kode an den Unterschieden in den kulturellen Bedeutungen scheitert. Positiver bewertet er die Chancen einer Standardisierung bei informativer Werbung und bei einer Aktualisierungsstrategie. Ein zweites Hauptargument gegen eine Standardisierungsstrategie bezieht sich auf mediale Aspekte und thematisiert vor allem Unterschiede in der Erreichbarkeit der Zielgruppen in den verschiedenen Gesellschaften. Sechs Gesichtspunkte lassen sich darunter subsumieren. Erstens sind die unterschiedlichen Strukturen und Organisationsformen in den einzelnen nationalen Mediensystemen relevant. Kommunikativ virulent wird dabei die unterschiedlich national geprägte Medienpolitik. So wird z.B. die Verfügbarkeit von TV-Werbezeiten durch länderspezifische Normen eingeschränkt. Handelt es sich um duale Mediensysteme wie in der Bundesrepublik Deutschland oder um stärker privatwirtschaftliche Systeme wie in den Vereinigten Staaten? Wie forciert die nationale Medienpolitik die neuen Medien und Kommunikationsnetze? Diese medienpolitischen Entscheidungen beeinflussen die Möglichkeiten der Marktkommunikation und Unterschiede in diesen Strukturen können eine Standardisierung erheblich erschweren oder verhindern. Zudem unterscheiden sich Länder auch partiell erheblich in den Möglichkeiten andere Mediengattungen einzusetzen z.B. in der Anzahl der verfügbaren Filmtheater oder Plakatanschlagstellen (vgl. hierzu Abbildung 10-4). Zweitens sind die unterschiedlichen Nutzungsmuster der Medien zu beachten – es finden sich erhebliche Unterschiede im Mediennutzungsverhalten zwischen einzelnen Ländern. So gilt Großbritannien als klassisches Zeitungsland. Hier entfällt im Durchschnitt auf jeden Erwachsenen mehr als eine Zeitung, in Spanien dagegen entfällt nur auf jeden 9. Spanier eine Zeitung. Konsequenz dieser unterschiedli-
636
10. Internationale Marktkommunikation
chen Nutzungsmuster sind erhebliche Probleme bei der Erstellung pannationaler Mediapläne.
Spanien Schweiz Schweden Portugal Österreich Norwegen Niederlande Italien Irland Großbritannien Griechenland Frankreich Finnland Deutschland Dänemark Belgien 0
10
20
30
Außenstellen pro 1000 Einwohner
Abbildung 10-4: Verfügbare Werbeaußenstellen pro Einwohner in Westeuropa 1992 (Berndt, Altobelli & Sander, 1995, S. 192) Diese Unterschiede führen zu erheblichen Divergenzen bei den Einsatzpotentialen der unterschiedlichen Mediengattungen in den einzelnen Ländermärkten. 250 200 150 100
50 0
GB IRL
I B-FR
D-W
F E
P
NL
B-NL CH-I CH-F SF
A
S CH-D
DK N
Abbildung 10-5: Durchschnittliche Fernseh- und Hörfunk-Nutzungsdauer (in Minuten pro Tag) (Hasebrink, 1995, S. 199)
10.2 Standardisierungs- und Differenzierungsstrategie
637
Drittens werden diese medialen Probleme dadurch verschärft, daß es derzeit noch keine transnationalen Medien gibt, die eine flächendeckende- und zielgruppenabdeckende Ansprache der Zielgruppen erlauben. Die Medienstrukturen sind weiterhin im wesentlichen national oder regional geprägt. S verkaufte z.B. Time Anfang 2003 nur circa 94.000 Exemplare in Deutschland. Durch neue Medien, insbesondere durch das Internet, ergeben sich jedoch für die Zukunft neue Potentiale im Bereich solcher transnationalen Medien. Ein vierter defizitärer Aspekt im medialen Bereich ist die mangelnde internationale Vergleichbarkeit der Mediadaten. Viele Media-Analysen sind nationalorientiert und die Methoden variieren von Land zu Land. So werden z.B. in Dänemark und den Niederlanden Personen ab 13 Jahren befragt, im Mediapanel der Türkei erst ab 19 Jahren; oder die TV-Nutzung wird mit unterschiedlichen Instrumenten erhoben, einmal elektronisch, in einem anderen Land per Tagesbuchabfrage. Bei der Erforschung der TV-Nutzung wird in einigen Ländern lediglich das TV-Meter eingesetzt, in anderen das TV-Meter in Verbindung mit einem People-Meter. Das führt zu unterschiedlichen Daten hinsichtlich der TV-Reichweiten. Transnationale Media-Analysen liegen zwar für verschiedene geographische Räume vor (z.B. für Europa oder den südostasiatischen Raum), diesen Studien weisen allerdings den Nachteil auf, daß sie sich im wesentlichen auf bestimmte eingeschränkte Grundgesamtheiten beziehen und (noch) nicht auf die Gesamtbevölkerung (vgl. hierzu Tabelle 10-3). Die TGI (Target Group Index) Europa versucht seit kurzem dieses Defizit in Europa zu beseitigen. Die Grundgesamtheit dieser Studie ist die Bevölkerung ab 15 Jahre in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien. Neben soziodemographischen Merkmalen werden 18 Produkt- und Dienstleistungsbereiche abgefragt und über 250 Statements zu Vorlieben und Mediennutzung erhoben (Franzen 2003). Resümierend kann man feststellen, daß es „den“ einheitlichen internationalen medialen Werbemarkt (noch) nicht gibt, die nationalen und kulturellen Unterschiede sind (noch) gravierend. Fünftens: Ein weiteres wichtiges Contra-Argument bezieht sich auf den rechtlichen Rahmen der Marktkommunikation, insbesondere für die Instrumente Werbung und Verkaufsförderung aber auch teilweise für PR-Aktivitäten (zu denken ist dabei an die unterschiedlichen rechtlichen Möglichkeiten der Gegendarstellung). Auch hier sind noch erhebliche Varianzen festzustellen, selbst in dem zusammenwachsenden Wirtschaftsraum Europa existiert derzeit noch kein einheitliches Werberecht.
638
10. Internationale Marktkommunikation
Tabelle 10-3: Ausgewählte transnationale Media-Analysen (Berndt, Altobelli & Sander, 1995, S, 215 und Lüdi, 1997)
Untersuchte Medien
Größe der Stichprobe Grundgesamtheit
PES 4 TV, Radio, nat. und inern. Publikationen 8604 Personen 5,371 Mio. Pers. „Highstatus professionals“ in 13 europ. Ländern
EBRS 89 IATS 89 PETAR 90 TV nat. und nat. und intern. Publi- intern. Publikationen kationen
9812 Personen ca. 250.000 Personen in 17 Ländern „Senior executives in medium and large size companies“ face to face TelefoninterErheviews, Frabungsmeth- Interviews gebogen per ode Post - Demo- DemoZielgrupgraphie graphie peninforma- Haushalts- - Kauf- und tion Gebrauch ausstattung von - Kauf und Produkten Gebrauch und von DienstProdukten leistungen und Dienstleistungen
32377 Personen Passagiere von europ. Fluglinien, die zu intern. Flügen starten
40003 Personen 53,7 Mio. Personen in 11 europ. Ländern
Schriftliche Befragung
Tagebuchaufzeichnungen
- Demographie - Kauf- und Gebrauch von Produkten und Dienstleistungen
-. Demographie - Haushaltsausstattung - Kauf und Gebrauch von Produkten und Dienstleistungen
EMS 95 TV, nat. und intern. Publikationen 18225 Personen 40,2 Mio. Personen in 17 europ. Ländern (die bestverdienenden 6% der Gesamtbevölkerung Telefoninterviews
Die Länder unterscheiden sich partiell darin, ob in den einzelnen Mediengattungen geworben werden darf und für was (Regelungen für die Werbung in bestimmten Medien und Regelungen für die Werbung für bestimmte Produkte). Hier nur einige kurze Beispiele: In Norwegen gibt es kein Werbefernsehen, Tierfutterwerbung ist im italienischen Fernsehen verboten. Zudem unterscheiden sich die nationalen und internationalen „Werbegesetze“ hinsichtlich der Aussage- und Gestaltungsmöglichkeiten von werblichen Botschaften wie z.B. durch unterschiedliche Vorgaben bezüglich irreführender Werbung oder vergleichender Werbung (allgemeine Regelungen für jede Art von Werbung). So hat zwar die Europäische Gemeinschaft 1984 eine Richtlinie über irreführende Werbung verabschiedet, aber die Rechtssprechung in den europäischen Staaten geht von unterschiedlichen Perspektiven aus: In Deutschland orientiert sich der Richter bei der Frage, ob eine Werbemaßnahme irreführend ist oder nicht an der Auffassung der umworbenen Minderheit. In Frankreich oder Italien ist der Maßstab in der Rechtssprechung aber das Verständnis der Mehrheit der Verbraucher (ZAW, 1993).
10.2 Standardisierungs- und Differenzierungsstrategie
639
Eine ähnliche rechtliche Situation, vielleicht noch problematischer, ergibt sich für Verkaufsförderungsaktivitäten. Auch hier zeigen sich erhebliche juristische Unterschiede zwischen den einzelnen nationalen Gesetzen. Eine Konsequenz dieser intransparenten Situation ist wie Wells, Burnett und Moriarty (1992, S. 685) sagen „international advertisers do not fear actual laws; they fear not knowing those lows“. Sechstens: Ein letztes relevantes Argumentationsfeld bezieht sich auf produkt- und unternehmensbezogene Aspekte. Hier ist ja bereits früher in diesem Kapital auf die Differenzierung zwischen „culture free“- und „culture bound“ -Produkten sowie den Aspekt Produktlebenszyklus und die Konsequenzen für eine Standardisierungbzw. Differenzierungsstrategie hingewiesen worden. Kommunikativ relevant ist natürlich auch, von welchem Bekanntheitsgrad oder/und Image ein Unternehmen oder eine Marke bei seinen kommunikativen Aktivitäten in den einzelnen Ländermärkten ausgehen kann. Treten hier gravierende Unterschiede auf, so hat dies auch Auswirkungen auf die Kommunikationsarbeit und die Möglichkeit einer Standardisierung. Versucht man ein Fazit zu ziehen, so scheint es angesichts der dargestellten Problemfelder fraglich, ob es sinnvoll ist standardisierte transkulturelle Kampagnen zu realisieren. Mit einem generellen Trend hin zu über Ländergrenzen hinweg einheitlich ansprechbaren Konsumenten kann noch nicht gerechnet werden. Die Frage welche Strategie realisiert werden kann, ist abhängig von einer Vielzahl von Variablen. Abbildung 10-6 versucht die wesentlichen Einflußfaktoren zu beschreiben, die nach Ausprägungsart eine stärkere Standardisierung oder Differenzierung bedingen. Es ist durchaus möglich, daß es länderübergreifende transnationale Subkulturen (cross culture groups) für bestimmte Angebot gibt, generell kann man jedoch aus einer kommunikativen Perspektive noch nicht davon ausgehen. Eine Strategie der differenzierten Internationalisierung wird deshalb in nächster Zukunft das Merkmal internationaler Marktkommunikation sein, basierend auf einer einheitlichen kommunikativen Dachstrategie. Jedoch ist in Zukunft sicherlich verstärkt über Gemeinsamkeiten nachzudenken und diese zu fokussieren, denn „if you look for differences you will always find them. Equally if you look for similarities you will find them“ (Lannon, 1991, S. 161). Es ist demnach immer die Frage nach den relativen Vorteilen und den relativen Nachteilen im Verhältnis zur jeweils anderen Alternative zu stellen.
640
10. Internationale Marktkommunikation
Dachstrategie • homogene kommunikationsrelevante kulturelle Einflußfaktoren • transnational homogene Zielgruppen (Motive, Einstellungen, Lifestyles) • culture free products
Differenzierung
Standardisierung
• heterogene kommunikationsrelevante Einflußfaktoren • heterogene Zielgruppen • culture bound products
Additive Einflußfaktoren: Mediale Aspekte, Produkt- und Unternehmensbezogene Gesichtspunkte, Rechtssprechung
Abbildung 10-6: Standardisierung - Differenzierung von internationalen Kampagnen: Einflußfaktoren.
10.3 Management der internationalen Marktkommunikation Viele Beteiligte sind in die Organisation, Planung, Exekution und Kontrolle einer internationalen Marktkommunikation involviert. Daraus und aus der Vielzahl von kommunikationsrelevanten Daten und Fakten aus den unterschiedlichen Ländermärkten ergibt sich für das Management der internationalen Marktkommunikation eine große Komplexität. Wie ein Unternehmen diese Aufgabe angeht, ist vor allem und zuerst von der globalen Unternehmensstrategie und -organisation abhängig. Eine entsprechende Kommunikationsstrategie - standardisiert oder differenziert ist auch häufig abhängig z.B. von der Zentralität bzw. Dezentralität in der Organisationstruktur, die oft Ausdruck der generellen unternehmerischen Internationalisierungsstrategie ist. Hier spielt insbesondere das Verhältnis zwischen den Kommunikationsabteilungen von Mutter- und Tochtergesellschaften eine wesentliche Rolle. Handelt es sich stärker um eine zentralisierte Kontrolle mit einer Aufgaben- und Kompetenzfülle in der zentralen Kommunikationsabteilung oder um eine stärkere Dezentralisierung, bei der wichtige Entscheidungen in den einzelnen Tochtergesellschaften getroffen werden? Wichtig in diesem Kontext ist auch, welche Strategie der Zusammenarbeit mit den entsprechenden externen Agenturen ausgewählt wird. Auch hier gibt es unterschiedliche Möglichkeiten von der Auswahl einer internationalen Agentur oder einem internationalen Netzwerk mit der/dem weltweit kooperiert wird, durch die Zentrale bis hin zur Auswahl national orientierter Agenturen durch die Kommunikationsabteilungen in den Ländern. Welche Form der Koope-
10.3 Management der internationalen Marktkommunikation
641
ration gewählt wird, ist auch abhängig vom Grad der Standardisierung/Differenzierung der gewählten Kommunikationsstrategie (vgl. hierzu Mooij, 1991, S. 335 ff.). Damit wird zumindest auch indirekt die Frage gestellt – insbesondere für die werbliche Kommunikation – wer die Schaltung der Medien vornimmt und wo dies geschieht. D.h. wichtige Parameter für die Planung, Realisierung und Kontrolle der internationalen Marktkommunikation sind die Entscheidungen hinsichtlich der Zentralität bzw. Dezentralität der Kommunikationsbefugnisse in einer Unternehmung und der Form der Kooperation mit externen Kommunikationsagenturen. Der Prozeß der Planung, Exekution und Kontrolle der internationalen Markt- Kommunikation, wie er im folgenden beschrieben und in Abbildung 10-7 dargestellt wird, ist Grundlage für das Management dieses Aufgabenfeldes. Untenehmensstrategie und -organisation
Zentrale Kommunikationsabteilung
Internationale Marketing-Ziele
Internationale Situations-Analyse
Lead-Agentur/ Zentrale der Agentur
Markt- Kommunikationsstrategie und Ziele, Zielgruppen, Positionierung Interaktion zentral-lokal
Kommunikationsprogramm (Auswahl der Instrumente und Maßnahmen)
Interaktion zentral-lokal
Gesamt-Kommunikationsbudget Budget Allokation
Lokale Kommunikationsabteilungen
Gestaltung Lokale Agenturen Implementierung und Realisation
Evaluation
Abbildung 10-7: Modell zur Planung internationaler Markt-Kommunikation Aufbauend auf den generellen Unternehmensstrategien und -strukturen bilden einerseits die internationalen Marketing-Ziele und andererseits die entsprechende kommunikative Situationsanalyse den Ausgangspunkt. Bei der kommunikationsorientierten Situationsanalyse werden die wichtigsten Variablen, die die kommunikationspolitischen Entscheidungen beeinflussen, herangezogen. Dazu gehören u.a.:
642
10. Internationale Marktkommunikation
• die Unternehmensstruktur (international, multinational, global), • der Grad der Standardisierung der Marke, Markenpositionierung, • die Strukturen der Märkte (geographische und kulturelle Grenzen, Marktgröße und -potentiale, Marktanteile, Konsumentenverhalten, Distribution, etc.), • Wettbewerbsanalyse, Stärken und Schwächen, Positionierung, kommunikativer Auftritt, Vergleich mit dem eigenen Image oder Bekanntheitsgrad, etc. • und die nationalen/transnationalen Mediensysteme. Es ist also eine Vielzahl von aktuellen und relevanten Marketing-Informationen über weltweite Entwicklungen erforderlich. Diese Daten sind aber nicht immer einfach zu erhalten, da es im Bereich der internationalen Marktforschung noch erhebliche Defizite gibt, insbesondere hinsichtlich der Datenharmonisierung und der Standardisierung der Forschungsinstrumente. Diese Situationsanalyse hat die Aufgabe die relevanten unternehmens- und umweltbezogenen Informationen einzuholen. Auf Basis der internationalen Marketing-Ziele und der länderübergreifenden Situationsanalyse kann dann über die internationale Kommunikationsziele, die Zielpersonen und Kommunikationsziele entschieden werden. Ob einheitliche Ziele gewählt werden können, ist abhängig von der jeweiligen speziellen Situation, z.B. gleichem Reifegrad im Lebenszyklus in verschiedenen Ländern. Ein Beispiel für ein einheitliches Kommunikationsziel wäre Aufbau eines Umweltschutz-Images in Europa. Bei der Festlegung der Zielgruppen geht es um die Frage, ob es entsprechende supranationale Marktsegmente (cross-cultural target groups) gibt – auch von der entsprechenden Größe –, die in sich homogen sind, also z.B. gleiches Mediennutzungs- und Konsumverhalten aufweisen und die auch kommunikativ gleich angesprochen werden können (vgl. Kapitel 10.2). Im Falle, daß solche Zielgruppen nicht vorfindbar sind, müssen länderspezifische Zielgruppen gefunden werden. Diese Feststellung ist auch wichtig hinsichtlich der Möglichkeit einer Vereinheitlichung der kommunikativen Positionierung, nur wenn solche supranationalen Zielgruppen vorhanden sind, ist auch eine einheitliche Positionierung möglich. Die wesentliche strategische Entscheidung betrifft die Frage der Standardisierung oder der Differenzierung der Marktkommunikation oder die Wahl einer Mischform. Die Auswahl der Kommunikationsinstrumente und -maßnahmen ist bei internationalen Kampagnen noch schwieriger als für nationale Kampagnen. Jedes Instrument und jede Maßnahme hat seine Stärken und Schwächen. Bevor Entscheidungen gefällt werden, müssen diese Stärken und Schwächen hinsichtlich der Kommunika-
10.3 Management der internationalen Marktkommunikation
643
tionsziele geklärt werden. Die Auswahl eines Instrumenten- und Maßnahmenmixes ist dabei abhängig von der entsprechenden Produkt-Marktkombination, dem Strategietyp (push or pull), der Lebenszyklusphase, dem Involvement der Zielpersonen, dem Entscheidungsprozeß der Konsumenten, etc. (Mooij, 1991, S. 381). Diese Kriterien können von Ländermarkt zu Ländermarkt unterschiedlich sein. Je nach Ähnlichkeit oder Verschiedenheit ist die Realisation gleicher, ähnliche oder unterschiedlicher Kommunikationsprogramme in den einzelnen Ländermärkten vorteilhaft. Aus diesem Programm können die Kosten – im Sinne einer aufgabenorientierten Budgetierung – für die Aktivitäten zur Zielerreichung ermittelt und bewertet werden, daraus ergibt sich sinnvollerweise das notwendige Kommunikationsbudget und die Allokation für die einzelnen Ländermärkte. Häufig wird jedoch in der Praxis nicht auf diese aufgabenorientierte Methode zurückgegriffen, sondern auf Vorgaben, die wir schon aus der nationalen Budgetierung kennen, wie: • Budget als Prozentsatz des Umsatzes, • Budget wie die Konkurrenz, • oder nach der „all you can afford“-Methode. Bei solchen Budgetzuteilungen ist auch im internationalen Marketing zu prüfen, ob mit den entsprechenden Mitteln auch die für die Zielerreichung notwendigen Maßnahmen zu realisieren sind, wenn nicht, sind Zielanpassungen erforderlich. Die Verteilung des Gesamtbudgets auf die einzelnen Länder erfolgt häufig anhand entsprechender Praxisregeln, wie: • gleichartige Berücksichtigung aller Länder, • proportional zu den Absatzmengen oder • wie die Konkurrenz (vgl. Berndt, 1993, S. 787). Die bisherigen konzeptionellen Entscheidungen sind die Basis für die gestalterische Umsetzung sowohl inhaltlich (z.B. weltweit gleicher Auftritt oder gleiche Positionierung aber länderspezifische Gestaltung) als auch hinsichtlich der Form der Kooperation mit Kommunikations-Agenturen (z.B. global nur eine Agentur oder eine Lead-Agentur und nationale Agenturen). Eine effektive Implementierung und eine erfolgreiche Realisation internationaler Kommunikation bedingt nicht nur bei standardisierten Strategien eine gute Organisation und enge Kooperation zwischen den Zentralen und Peripherien im Unternehmen und im Zusammenspiel zwischen den Kommunikations-Agenturen (vgl. hierzu Hartleben 2003). Nach Ansicht von Mooij (1991, S. 385) eignen sich Richtlinien und ein enger Kontakt zwischen den Beteiligten dazu, die Zusammenarbeit zu verbessern.
644
10. Internationale Marktkommunikation
Der letzte Schritt betrifft die Frage der Evalution der Kommunikationswirkung. International gesehen variieren jedoch die Meßmethoden. Die beiden populärsten Methoden sind Verkauf- und Recall-Studien. Die Popularität von Methoden sagt jedoch gar nichts über deren Angemessenheit aus. Wie in Kapitel 9 ausgeführt, sind gerade Recall-Studien höchst bedenklich. Transnationale Wirkungsvergleiche von internationalen Kampagnen sind nur möglich, wenn die Forschungsmethoden harmonisiert sind. Die Ergebnisse dieser Studien können dann herangezogen werden, um die Kommunikationsstrategie neu zu überdenken und gegebenenfalls zu verändern. Die Grundstruktur dieses Planungsprozesses der internationalen Kommunikation unterscheidet sich nicht gravierend von dem Planungsprozess nationaler Marktkommunikation, aber es sind weitere Variablen einzubeziehen, die diesen Prozeß komplexer werden lassen.
10.4 Ausgewählte Instrumente der internationalen Kommunikation Primär konzentrierte sich die Diskussion der Internationalisierung der Kommunikation um das Instrument Werbung, die anderen kommunikativen Instrumente wie Verkaufsförderung, Public Relations oder Product Placement wurden meist nur am Rande mit einbezogen. Aber mit zunehmender Bedeutung einzelner dieser Instrumente, der Internationalisierung im Mediensystem und der Gesellschaft sowie der Diskussion um eine integrierte Kommunikation wird auch für andere Kommunikationsinstrumente die Frage nach einer Internationalisierbarkeit gestellt. Deshalb sollen im folgenden einige dieser Instrumente, denen häufig ein besonderer nationaler oder lokaler Bezug unterstellt wird, dargestellt werden. Bei der wachsenden Bedeutung dieser kommunikativen Instrumente müssen auch die internationalen Möglichkeiten, die diese Instrumente bieten, verdeutlicht werden, insbesondere auch in Hinsicht auf einen kommunikativ einheitlichen Auftritt.
10.4.1 Public Relations (PR) Internationale Public Relations (Öffentlichkeitsarbeit) kann verstanden werden als die bewußt geplante, dauerhafte Verbreitung interessengebundener Information mit dem Ziel, ein positives Image eines sozialen Systems (z.B. Unternehmen) im Ausland generell oder bei bestimmten Teilöffentlichkeiten aufzubauen oder zu stabilisieren, bzw. ein negatives Image abzubauen (Kunczik, 1992, S. 335 f.). Grob kann man „corporate public relations“ und „marketing public relations“ (Mooij, 1991, S. 280 ff.) differenzieren. Die „corporate public relations“ beziehen sich dabei primär auf das gesamte Unternehmensimage. „Marketing public relations“ beziehen sich im wesentlichen auf die Vermarktung des Unternehmens-Angebotes.
10.4 Ausgewählte Instrumente der internationalen Kommunikation
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Weltweit operierende Unternehmen haben erkannt, daß ihr Unternehmenserfolg auch davon abhängt, wie sie von außen, in den Märkten gesehen werden, in denen sie agieren. Das Unternehmensimage sowohl auf lokaler aber auch auf weltweiter Ebene wird für sie immer bedeutender. Es lassen sich folgende Strategien internationaler PR unterscheiden: • Strategien, die auf einer ethnozentrischen Einstellung basieren, • polyzentrische Strategien, die sich an den Eigenheiten des jeweiligen Landes orientieren, • regionale Strategien, die sich nach regionalen Märkten (z.B. EU, Südostasien, etc.) ausrichten und • globale PR-Strategien, die sich am gesamten Weltmarkt zu orientieren versuchen (Kunczik, 1992). Auch internationale PR-Aktivitäten müssen oft länderspezifischen Gegebenheiten angepaßt werden, soziokulturelle Unterschiede müssen beachtet werden und viele Aktivitäten müssen lokalorientiert realisiert werden, weil sie sich an den Interessen der lokalen Medien orientieren müssen. Die Organisation der PR-Funktion in einem internationalen Unternehmen ist abhängig von der Unternehmensstruktur und kann, ähnlich wie bei der Werbung, mehr oder weniger zentralisiert oder dezentralisiert gestaltet werden.
10.4.2 Verkaufsförderung Die Bedeutung der Verkaufsförderung ist auch in Deutschland in den letzten Jahrzehnten erheblich angewachsen und wird heute nicht mehr nur als ein kurzfristiges, taktisches Instrument gesehen, sondern wird immer häufiger als ein strategisches Instrument eingesetzt, um entsprechende Beziehungen zu seinem Außendienst, seinen Händlern und seinen Kunden aufzubauen. Gerade die Verkaufsförderung wird häufig als ein primär nur im nationalen, regionalen oder gar lokalen Rahmen einzusetzendes Instument gesehen. Mooij (1991, S. 260 ff.) unterscheidet zwei Hauptkategorien von Verkaufsförderungsaktivitäten für Endverbraucher, die klassischen Promotions, die aktionsorientiert, kurzfristig angelegt sind und die sogenannten „value promotions“ oder „loyalty promotions“, die image-orientiert sind und häufig mit anderen Kommunikationsinstrumenten wie Werbung oder PR verknüpft sind. Die klassischen Aktivitäten sind seiner Ansicht nach wesentlich stärker national geprägt, bedingt durch nationale Bedürfnisse, Wettbewerbssituationen und gesetzliche Regelungen.
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10. Internationale Marktkommunikation
Image-orientierte Verkaufsförderungsaktivitäten sind jedoch seiner Ansicht nach für eine Internationalisierung offen. Im Hinblick auf eine international integrierte Kommunikation ist es daher sinnvoll zu prüfen, ob solche Aktivitäten z.B. bei einer standardisierten Dachkampagne nicht auch standardisiert werden können. Unterschiede oder Ähnlichkeiten in den Distributions-Systemen und im Verkaufs/Einkaufsverhalten in den einzelnen Länder-Märkte setzen u.a. den Rahmen für die Ausgestaltung der Verkaufsförderungsaktivitäten. Je nach Situation sind entsprechende Strategien zu realisieren. Ähnlich wie bei der Werbung ist auch im Fall der Verkaufsförderung zu klären, wie die Zusammenarbeit mit den Agenturen gestaltet werden soll. Auch in diesem Bereich haben sich und werden sich zunehmend Agentur-Netzwerke gebildet haben bzw. bilden, um z.B. paneuropäische Vermarktungsaufgaben zu realisieren (vgl. Tröscher, 1989, S. 66). Ein Beispiel für eine thematisch integrierte Kampagne war die pan-europäische Einführung von Natrel Plus, einem Deodorant von Gillette. Ein TV-Spot für ganz Europa wurde dabei eingesetzt. Die Promotion-Aktivitäten orientierten sich an dieser Werbekampagne und setzten die gleiche Botschaft und die entsprechende Positionierung in den einzelnen nationalen Verkaufsförderungs-Maßnahmen um. Ziel war es ein einheitliches Image in diesem Wirtschaftsraum zu erreichen.
10.4.3 Direkt Marketing Direkt Marketing-Aktivitäten werden bis dato international primär im Business-toBusiness-Bereich – also bei speziellen Zielgruppen – eingesetzt. Diese Maßnahmen sind für Märkte geeignet, in den kleine Segmente unterschieden werden können und wo es möglich ist, entsprechende Datenbasen aufzubauen. Sie sind hervorragend geeignet, um den Export zu unterstützen, vor allem wenn die einzelnen nationalen Vertriebssysteme noch nicht ausgebaut sind. Im Konsumgüterbereich wird dieses Kommunikations-Instrument dagegen noch recht selten eingesetzt. Eine Möglichkeit des Einsatzes wäre unter dem Dach einer internationalen Werbekampagne Direkt-Marketing-Maßnahmen lokal adaptiert – aber thematisch integriert – einzusetzen. Da viele Direkt Marketing-Maßnahmen auf dem geschriebenen Wort basieren, ist hier das Sprachen- und Übersetzungsproblem relevant. Korrekte Übersetzungen am besten durch Native-Speaker sind für den Erfolg wesentlich. Bei der Internationalisierung von Direkt Marketing-Aktivitäten ist neben sprachlichen Problemen u.a. auf folgendes zu achten: • Unterscheiden sich im Business-to-Business-Bereich die Entscheidungseinheiten – z.B. Buying Center – in den einzelnen Ländermärkten? • Wie werden Direkt-Marketing-Aktivitäten in den einzelnen Ländern gesehen und bewertet?
10.4 Ausgewählte Instrumente der internationalen Kommunikation
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• Hat das angebotene Incentive in den verschiedenen Ländern den gleichen Wert (vgl. Mooij, 1991, S. 278)? • Wie sieht der rechtliche Rahmen in den einzelnen Ländern aus (z.B. bzgl. Telefon-Marketing, Nutzung des Faxes)? In Zukunft werden sich durch die Weiterentwicklung der Telekommunikation, durch internationale Datennetze (Informationshighways), ISDN, etc. für die Internationalisierung solcher Maßnahmen neue und interessante Möglichkeiten ergeben. So plant z.B. Hewlett Packard via Internet einen europaweiten Restpostenverkauf. Angesprochen werden sollen versierte Zielgruppen, die in offiziellen Listen nicht mehr geführte Produkte bzw. Lagerrestbestände kaufen können (vgl. Wißmeier, 1997, S. 204).
10.4.4 Sponsorship Internationales Sponsoring liegt dann vor, wenn ein Ereignis, ein Team, ein Individuum gesponsert wird, über das normalerweise in den Medien in verschiedenen Ländern berichtet wird (vgl. Berndt, 1993, S. 798). Die Formen des Sponsorings, die international am häufigsten genutzt werden sind: • große Sportveranstaltungen oder Sport-Organisationen (z.B. Olympische Spiele, Weltmeisterschaften), • der Musikmarkt, -veranstaltungen und -konzerte (z.B. Pepsi Cola und Michael Jackson, Fernet Branca und Pavarotti, VW und Rolling Stones), • Sponsorship für international bekannte Teams oder Individuen. Aufgrund der häufig nur begrenzten Darstellungsmöglichkeiten eines Produktes, einer Marke oder eines Unternehmens sind die wesentlichen Ziele, auch des internationalen Sponsorships, vor allem Image- und Bekanntheitsziele. Eine effektiver Einsatz des Sponsorings verlangt in vielen Fällen die Unterstützung durch ergänzende kommunikative Maßnahmen, wie Werbung, Promotions und Public Relations, diese Aktivitäten müssen also integriert in ein gesamtes Kommunikations-Mix sein, um synergetische Effekte zu erzielen. Damit ist die Strategie des internationalen Sponsorings - von standardisiert bis differenziert - verknüpft mit der gesamten Kommunikationsstrategie. Ähnlich wie bei der Bewertung des nationalen Sponsorings ergeben sich auch für das internationale Sponsoring folgende Vor- und Nachteile (vgl. Berndt, 1993, S. 801 f.):
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10. Internationale Marktkommunikation
• kostenlose Nutzung des Multiplikatoreffekts der Massenmedien bei jedoch reduziertem Einfluß auf die Darstellung innerhalb der Medien, • Erzielung relativ hoher Reichweiten, die sich allerdings ebenfalls oft einer genauen Kontrolle entziehe, • Werbeverbote können umgangen werden (Werbeverbot für bestimmte Produkte im Fernsehen sind in verschiedenen Ländern unterschiedlich geregelt), • begrenzte Darstellungsmöglichkeiten des Kommunikationsobjektes, (dieser Aspekt ist vollständig mit der Problematik beim national begrenzten Sponsoring identisch, • Gefahr von Imageeinbrüchen bei den gesponserten Teams oder Individuen (ein klassischer Fall dafür ist Ben Johnson, dem Hundert-Meter-Sprinter, der Sponsorverträge in Millionenhöhe hatte und dem Doping nachgewiesen wurde), • Die Auswahl von Sponsorpartnern kann sich im internationalen Marketing als schwieriger erweisen als im nationalen Marketing.
10.4.5 Product Placement Product Placement ist die gezielte Plazierung eines Produktes in die Handlung eines Spielfilmes oder einer Fernsehsendung gegen eine entsprechende Gegenleistung. Beim Corporate Placement wird dagegen das Unternehmen als Namen oder Zeichen in die Filmhandlung integriert. Internationales Product/Corporate Placement ist die Plazierung des Produktes oder des Unternehmens in einen Film, der normalerweise in mehreren Ländern ausgestrahlt wird (z.B. die Automarke Ferrari in der Fernsehserie Magnum oder Michelin, Renault, Nikon, etc. im James Bond Film 007 - Im Angesicht des Todes). Bei einem internationalen Product Placement ist auf folgende Punkte hinzuweisen: • höhere Reichweiten als bei nationalem Product Placement, • die verlangte Gegenleistung ist erheblich höher, • bei der angestrebten Kommunikationswirkung sind die (möglichen) nationalen Unterschiede zu beachten, • und das zu plazierende Produkt/Unternehmen muß international eingeführt sein.
10.4 Ausgewählte Instrumente der internationalen Kommunikation
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10.4.6 Messen/Ausstellungen/Kongresse Einige Messen/Ausstellungen oder Kongresse haben schon immer ein internationales Publikum angezogen und es besteht ein Trend hin zu einer weiteren Internationalisierung dieses wichtigen Kommunikationsinstruments. Internationale Messen und Ausstellungen haben u.a. folgende Funktionen: • Sie sind wichtig für Unternehmen, die gerade mit einer Internationalisierung ihres Geschäftes beginnen und besonders auf den Export zielen; • sie sind wichtig für internationale Unternehmen, die in neue nationale Märkte oder Wirtschaftsräume eintreten wollen; • sie dienen der internationalen Einführung von neuen Produkten, • und sie dienen zum Aufbau und zur Stabilisierung von Geschäftsbeziehungen (Mooij, 1991, S. 284). Ein Grund für die Teilnahme an international wichtigen Messen ist, daß sowohl die relevanten Wettbewerber als auch die wichtigen Zielgruppen present sind. Entsprechend dem internationalen Anspruch und Bedeutung der einzelnen Messen sind auch die kommunikativen Instrumente zu gestalten. Von der mehrsprachigen Standgestaltung, zu den zielgruppenadäquaten Einladungen und Informationsmittel bis hin zur Auswahl des Standpersonals.
10.5 Integration der internationalen Kommunikationspolitik Die Komplexität der Integrationsaufgabe ist bereits auf nationaler Ebene beträchtlich, steigt aber im internationalen Bereich noch deutlich an. Einmal weil noch mehr Beteiligte involviert werden müssen, ferner aufgrund der notwendigen Berücksichtigung der Besonderheiten einer Vielzahl von Ländermärkten. Damit stellt sich dem Kommunikations-Management eine komplexere Aufgabe als im nationalen Marketing. Angesichts der Herausforderung internationaler Märkte, wie hohem Sättigungsgrad, Angleichung der Produkte, der Informationsüberlastung und dem „Low-Involvement“ vieler Verbraucher, einer zunehmenden Marktsegmentierung einerseits und einer zunehmenden Internationalisierung, dem Näherrücken der Märkte durch zunehmende Mobilität der Verbraucher und der Entwicklung der Telekommunikationssysteme andererseits ist auch international eine weitergehende Integration der Kommunikation erforderlich. Internationale Kommunikation ist ein wesentliches Thema der integrierten Kommunikation. Integration der Kommunikation kann sich dabei auf:
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10. Internationale Marktkommunikation
• die Kommunikationsinstrumente, • die Kommunikationspartner und • die Planungs-, Informations- und Kontroll-Prozesse beziehen. Erste empirische Untersuchungen hinsichtlich der Effektivität einer instrumentellen Integration liegen vor (Brandt, 1993, S. 804). Eine verstärkte Integration und Standardisierung der Ablauf-Prozesse in der Kommunikationsarbeit tragen sicherlich auch dazu bei, die Effektivität der Marktkommunikation zu fördern. Einige Firmen entwickeln bereits „tools“ für die Kommunikationsarbeit, die dann in den einzelnen Ländern eingesetzt werden. Die Partner-Integration umfaßt die Fragen mit wem und wie das Unternehmen kommunizieren soll. Hier ist sicherlich verstärkt auf die Besonderheiten einzelner Märkte einzugehen. Wie insgesamt das richtige Vorgehen gewählt wird, die beste Strategie bestimmt wird, ist abhängig von der jeweiligen unternehmensspezifischen Situation und den relevanten Umweltsegmenten.
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Stichwortverzeichnis A A.G.M.A., 361 ff. Ablenkung, 492 Abschlußphase, 279 Absendereigenschaft, 488 Abverkauf, 93,100 Accept Set, 86 ACD, 267 Achetyp, 168 f. Ad-a-card, 189 Ad-Click, 333 ADEXPET, 612 ff. Adressengewinnung, 262 Adressenverlag, 263 Adressierbarkeit, 262 Affinität, 409 f. Affinitätsindex, 410 f. AIDA, 105, 264, 495 AIO-Ansatz, 119 Aktionsebene, 215 ff. Aktionsnutzen, 222 Aktivierung, 183, 499 ff.,550 ff., 566 ff. Aktivierungspotential, 503, 567 Aktivierungssystem, 498 ff. Aktivität, 106 Aktualisierung, 138 Aktualitätsgrad, 603 Angebotspositionierung, 67 Anzeigenaufbau, 191ff. Anzeigenformat, 186 ff. Anzeigen-Splitt, 190 Appetenz, 519 Archaisierung, 97 Argumentationsphase, 278 Art-Direktion, 450 Assimilations-Bereich, 493 f. Assimilations-Effekt, 493 Attitüde, 523 Attitüdenstruktur, 524 Attribution, 556 Auditing, 28
Austauschbarkeit, 137 f., 179 AWA, 361, 364 ff. Awareness Set, 87 B Balancing, 97 Basis Good Will, 229, 234 Beharrungseffekt, 340 Behaviorismus, 554 Behavior-Scan, 608 Beihefter, 190 Beilage, 190 Beratungsagentur 305 Bevorratungslücke, 93 Bevorratungszeit, 93 Bilderskala, 587 f. Bildersprache, 172 Bildgedächtnis, 167 Bildgestaltung, 170 f. Blickfang, 193 Blickfangwerbung, 578 Blickverlauf, 193 Botschaftskanal, 492 Bottom-up-Planung, 24 Brand Asset Valuator, 36 Briefing, 445 ff., 479 Briefinggespräch, 450 Bruttoreichweite, 377 f., 409 Buying Centger, 134 f. C CAAS, 612 ff. Call Center, 266 Carry-Over-Effekt, 307, 356 Cash Cow, 60 f., 65 f. Casting, 202 Catering, 313 CD-ROM,. 315, 323 ff., 331,334 CEDAR, 592, 595 ff. Central Route to Persuasion, 538 City-Light-Poster, 387
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Stichwortverzeichnis
City-Theater, 396 Client-Programm, 319 Codierungssystem, 164, 171 Cognitive Overlap, 534 Comic, 520 Compagnon, 579 ff. Conjoint-Analyse, 599 Consumer Benefit, 80, 144 Content Design, 335 Corporate Behavior, 10,12 Corporate Brand, 32 Corporate Communications, 10,12 Corporate Design, 10,12,15 Corporate Image, 12 Corporate Placement, 291 Cost per Contract,, 268 Cost per Order, 268 Cowboy, 520 Creative Placement, 292 Cross-Impact-Analyse, 147 CTS, 267 Customer Relationship, 39 D Datenbasis, 262 Delay-Effeklt, 340 De-Spezialisierung, 26 Dialoggruppe, 240 Dialogkommunikation, 5 Dialogkomponente, 461 Dialogwerbung, 200 Differentialstimulus, 404 Differenzierungsstrategie, 139 ff. Digitalisierung, 317 Dink, 119 Direct Mail, 258, 263 Direct Response TV, 258 f. Diskriminanzanalyse, 70 Distanzmodell,. 34,35 Distributionsanalyse, 93,100 Distributionsziel, 285 Doppelspot, 204, 396 Dramatisierung, 201, 222 Dreh buch, 199 Drive, 502
Drive-Modell, 490 Dschungelabenteuer, 520 Dual Channel Processing, 166 Durchführungsagentur, 305 Durchschnittskontaktchancen, 373 E EAN, 549 Eck-Anzeige, 196 Eckanzeige, 387 EDR-Messung, 563, 581 Efficient Consumer Response, 228 f. Eigenständigkeit, 169, 182 Einführungsphase, 129 Einstellung, 523 Einstellungsstruktur, 505 Einstellungsziel, 108 Einzigartigkeit, 177 Elchtest, 103 ELM, 537 ff. Emotionskomplex, 516 Empfängereigenschaft, 491 Endbenefit, 117 Entscheidungsprozeß, 51, 479 Entscheidungsvorbereiter, 134 Erfahrungskurveneffekt, 58 Ergebniskontrolle, 28 ERIM-Panel, 608 Erlebnisprofil, 520 Erlebniswert, 159, 518, 520 f. Erotik, 179 ff., 184 Erregungspotential, 502 ESWA., 612 ff. Etat-Direktion, 450, 454 f. Euro-Socio-Style, 629 f. Evaluationspyramide, 246 Evoked Set, 86 f. Experte, 134 Export-Fachzeitschrift, 383 Exposé, 199 F Fabel, 160 Fachzeitschrift, 163
Stichwortverzeichnis
Faktorenanalyse, 70 Familienlebenszyklus, 111 Familientheater, 396 Farbskala, 568 First Rule, 87 Fixation, 571 Foggy Set, 87 Freiheitsbedrohung, 532 Freiheitseinengung, 533 Fremdbild, 11 Führungsprinzip, 480 Furcht, 490 G Gain and Loss, 79 Game-Show, 393 Gatekeeper, 134 Gedächtnisbild, 163, 169 Gedächtnisprotokoll, 586 Generic Placement, 291 Gesamteinstellung, 85 f. Geschäftstyp, 89 Gestik, 174 ff. Gewichtung, 423 ff. Gewinnmaximierung, 354 Gewöhnung, 544 f., GfK-Fernsehforschung, 369 GfK-Meter, 362 Glaubwürdigkeit, 487 Gleichgewichtstheorie, 531 Grazing, 390 Großendverbraucher, 277
Hierarchie der Effekte, 514 Hold Set, 87 Home-Shopping 329 Hörer, 375 Human Relations, 231, 236, 239 Humor, 491 Hund, 21, 60 Hypothesenstärke, 525 Hypothesentheorie, 107, 524 ff. I Identifikationspotential, 17 Image Placement, 292 Imageaffinität, 304 Image-Effekt, 435 Imagery, 163 f., 172 Impact-Methode, 590 Impact-Modell, 514 Informationsüberlastung, 521 Information Overload, 92 Informationsbedürfnis, 511 f., 571 Informationsdesign, 335 Informationsselektierer, 134 Informationsüberflutung, 259 Informationsziel, 108, 285 Input-Output-Prozeß, 351 f. Integration, 15 Inselanzeige, 387 Intelligenz, 492 Interaktionsdesign, 335 Interaktivität, 317 Issue-Monitoring, 235 IVW, 369, 382
H J H.O.T., 329 Handelskonzentration, 210 Handelspanel, 607 Handelspanel-Forschung, 93 f. Händlerbefragung, 223 hard-sell-Werbung, 547 Haupt-Spot, 395 Haushaltspanel, 89, 607 heavy user, 115 Heft-Kontakt, 371
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Jahresgespräch, 323 Jingle, 205 Jingle-Werbung, 201 Jugend-MA, 368 K Karriereorientierung, 48 Kaufbereitschaftstest, 223
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Käuferanalyse, 368 Kaufverhaltensrelevanz, 77 Kaufhemmnis, 107 Kaufnachbereitung, 279 Kennzifferzeitschrift, 383 Kernbotschaft, 80 Kernzielgruppe, 217, 428 Kinobesucher, 375 Kinokategorie, 396 KISS, 264 Klärungsphase, 278 Kognition, 552 ff., 582 Kommunikationsaufgabe, 29 Kommunikationsbedingung, 6 Kommunikationsfluß, 127 f. Kommunikationskanal, 46 Kommunikations-Matrix, 241 Kommunikations-Mix-Audit, 29 Kommunikationsmodell, 487 Kommunikationsziel, 108 Kompatibilitätsdesign, 335 Kompetenz, 488 Komplementarität, 151 Konditionierung, 518 f., 566 Konsistenztheorie, 531 Kontakthäufigkeit, 373, 400 ff. Kontaktherstellung, 278 Kontaktklassen, 373 Kontaktvorbereitung, 278 Kontaktwahrscheinlichkeit, 370 Kontaktziel, 285 Kontinuität, 547 Kontrast-Bereich, 493 f. Kontrast-Effekt, 493 Konvergenzthese, 621 Kooperation, 480 Kosmetikwerbung, 181 f. Kreativ-Direktion, 450 Krisen-PR-Strategie, 248 Kultursponsoring, 298 Kundenbindung, 48, 260 Kundenloyalität, 48 Kundennutzen, 93 Kunstsponsoring, 298
Stichwortverzeichnis
L LAE, , 368 LA-Med, 367 LA-Pharm, 367 Layoutfilm, 199 Lebenssituation, 119 Lebensstil, 120 f. Legende, 160,169 Lerntheorie, 293 Leser, 374 Life-Style, 376, 435 Life-Style-Konzept, 123 Life-Style-Kriterium, 239 light user, 115 Lila Kuh, 164 List Broking, 263 Live-Durchsage, 204 Location, 312 f. Logo, 21 M Märchen, 160,169, 172 Marginalanalyse, 352 ff. Markenbekanntheit, 107 Markenbild, 169 Markengleichheit, 3 Markenkernmodell, 33,34 Markenkraft, 36 Marken-Loyalität, 505 Markenpositionierung, 18 Markenpräferenz, 603 Markenstatur, 36 Markenwissen, 107 Markenzielgruppe, 19 Marktanteil, 78 Marktbreite, 78 Markt-Lebenszyklus, 53 Marktsättigung, 517 Marktvolumen, 78 Matterhorn, 164 Maximal-Amplitude, 565 McDonaldisierung, 98 Media-Agentur, 441 Media-Selektions-Programm, 424
Stichwortverzeichnis
Mediaziel, 349 Megatrend, 96 Messebeteiligung, 284 Messe-Nachphase,288 f. Messe-Phase, 287 f. Messequalität, 286 Messe-Vorphase, 287 Me-Too-Srategie, 139 Mission Statement, 101 Mitläufer-Variante, 143 Milieu, 121 f. Modell-Lernen, 293 Monitorfunktion, 247 Multifunktionalität, 317 Multimedialität, 317 Multiplikatoreffekt, 304 Musik, 161 f. Musikeffekt, 205 Musikeinblendung, 396 Musiksender, 392 Musterzuordnung, 569 N NAC Eye-Mark Recorder, 573 Neo-Behaviorismus, 554 Nettoreichweite, 377 f., 425 Netzmodell, 35 Neupositionierung, 138 Neuron, 497 f. New Ludism, 97 Nielsen-Telerim, 608 Niveaustimulus, 404 Nullsummenspiel, 518 Nutzenanalyse, 92 Nutzungsdauer, 321 O Ökosponsoring, 298 f. Omnibus, 389 On Set Placement, 292 On-Demand-Service, 329 One-to-One-Marketing, 77 Onlinenutzer, 320 Outfit, 118,121
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P Page-View, 332 Panorama-Anzeige, 196 Panorama-Anzeige, 387 Penetration, 604 People-Meter, 362 Performance Design, 335 Peripheral Route to Persuasion, 538 Personality Relations, 236 Perzeption, 552 ff., 561 ff., 582 Phasensequenz. 501 Picture-Superiority-Effekt, 296 PIMS, 62 Point of Information, 323 Polarisierungstendenz, 4 Poor Dog, 60 f., 65 f. Portfolio-Test, 59 f.2 Positionierung, 68 ff., 80 Positionierungsmodell, 70 ff. Positionsaktualisierung, 138 Positionsverstärkung, 138 Positivismusproblem, 550 Postkartenbeihefter, 190 Power-Variante, 143 Prägnanz, 206 Präsentationsziel, 285 Präsenter-Technik, 200 Preisschwelle, 42 Pre-Production-Meeting, 202 Pressemarketing, 258 Primacy-Effekt, 489 Printpromotion, 190 Problemlösungskomponente, 461 Produktaffinität, 304 Produktdemonstration 200 Produktkommunikation, 5 Produkt-Lebenszyklus, 2, 53, 57 f.,63 Produkt-Management,450, 476, 482 Produkt-Markt-Segment, 55 Produkt-Team, 482 Profit-Cener, 455 Programm-Kino, 396 Programm-Sponsring, 359 Promotion-Mix, 211
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Stichwortverzeichnis
Prospektanzeige, 190 Protection-Motivations-Modell, 491 Proxy, 333 Prozeßanalyse, 28 Pulsationsvorteil, 405 Q Question-Mark, 59 f, 64 ff. R Rahmenbedingung, 2 Rangreihe, 413 ff., 425 Rangreihenbeispiel, 414 Ratingskala, 587 Rätselwerbung, 179 Readerscan, 362 Reaktanz-Effekt, 490, 534 f. Reaktanz-Stärke, 533 f. Reaktivierung, 394 Reason Why, 80, 144 f. Recall, 566, 589 ff. Recency-Effekt, 489 Recognition, 589 ff. Redundanz, 544 f. Regressionsanalyse, 356 Regressionskoeffizient, 356 Reichweite, 349, 400 ff, 409, 433 Reichweitenzuwachs, 410 f. Reifephase, 130 Reject Set, 87 Re-Positionierung, 142 Resourcing, 97 Respiritualisierung, 97 RIC, 264 Rollenverteilung, 132 Romantik, 178 Rückbewertung, 106 Rücklauftest, 223 S Saccade, 5761 Sage, 172 Sales-Promotion-Spiel, 395 Söättigungsgrad, 213
Sättigungsphase, 130 Schlüsselreiz, 163 See and write, 189 Seher, 374 Seiten-Kontakt, 371 Seiten-Mehrfach-Kontakt, 371 Selektivität, 106 Sexualität, 178 Share of Advertising, 81, 339, 343 Share of Mind, 821 ff., 339, 343 Share of Voice, 81 ff., 339, 343 Single-Source, 369 Skalierung, 70 Slice-of-life-Technik, 200 soft-sell-Werbung, 547 Sonderfarbe, 190 Sonderformat, 189 Sortiments-Lebenszyklus, 215 Sound, 203 Soziosponsoring, 299 Special Interest Zeitschrift, 163 Spider Web, 72 Spill-Over-Effekt, 307 Sponsoring-Agentur, 305 Sponsoringarten, 298 Sponsoring-Kontrolle, 307 Sponsorsendung, 395 Sportsponsoring, 297 Stäbchen, 571 Standardisierungsthese, 6223 Star, 60 f. 65 f. Storyboard, 200 f. Streuplanzählung, 418 Studio-Theater, 396 Sub-Mix Messe, 284 Subjektivität, 106 Sucial Judgement-Theorie, 492 Summenamplitude, 564 SWOT, 54 Sympathiewert, 604 Synergie-Effekt, 430 Synergiepotential, 15 Szenario, 54
Stichwortverzeichnis
T
V
Tailormade, 210 Tandem-Spot, 204, 395 Target Group Index, 637 Task-Force, 481 Tausenderkontaktpreis, 294 Tausend-Heftpreis, 420 Tausend-Kontaktpreis, 378, 415, 419, 427 Tausend-Leserpreis, 419, 427 Tausend-Nutzerpreis, 378, 412, 414, 419, 427 Teamorientierung, 26 Teilbelegung, 190 Telefon-Marketing, 258 f., 266 Testimonial-Werbung, 200 Textteilanzeige, 195, 386 Textverständlichkeit, 172 Titelkopfanzeige, 387 Tonality, 80, 144 f. Top of mind, 603 Top-down-Planung, 24 Total Set, 86 Trademarketing, 95 Transoformationsprozeß, 479 Treatment, 199 Trittbrett-Variante, 143 TV-Meter, 369 Typologie der Wünsche, 116 f., 367
Varianz, 421 Verantwortung, 1 Verbraucheranalyse, 116, 367 Verbraucherbefragung,223 Verbrauchertypologie, 120 Verhaltensabsicht, 558 Verhaltensgewohnheit, 501 Verhaltensstruktur, 524 Verkaufsförderungs-Mix, 214 Verkaufsgespräch, 273 Verkaufsziel, 285 Verkehrsmittel, 388 Verknüpfung, 363 Vermittlungsagentur, 305 Visit, 332 Vor-Spot, 395 Vorstellungsbild, 394
U Überpositionierung, 74 Überzeugungsstrategie, 237 Umpositionierung, 138 Umschlaghäufigkeit, 273 Unique Selling Proposition, 67,136, 266 (auch USP) Unternehmenspersönlichkeit, 9, 11 Unternehmensphilosophie, 49 Unternehmens-Positionierung, 239 Unterpositionierung, 74 Urbild, 169
699
W Wachstumsphase, 129 Wahrnehmungsbild, 163 Warenprobe, 190 Warenwirtschaftssystem, 275 Werbedruck, 177, 350 Werbeeffizienz, 7 Werbe-Response-Modell, 165 Werbewirkungskurve, 403 Wertewandel, 123 Wettbewerbskommunikation, 5 Wettbewerbs-Profilierung, 17 Wiedererkennung, 604 Wirksame Reichweite, 379 Wissenserwerbskomponente, 460 Wissenskomponente, 460 Woopy, 119 Y Yuppy, 119
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Z Zäpfchen (Zapfen), 571 Zapping, 390 ff. Zeichentrick-Werbung, 201 Zeitansage, 395 Zeitungstypologie, 385 Zellgruppierung, 501 Zielgruppenaffinität, 304, 412 Zielgruppenbeschreibung, 111, 124 Zielgruppenbildung, 126 Zielgruppenidentifikation, 124 Zielgruppenkommunikation, 5 Zielhierarchie, 40, 101 f. Zielinhalt, 102 Zuseheranteil, 378 Zwei-Faktoren-Theorie, 545
Druck und Bindung: Strauss GmbH, Mörlenbach