Mahomet: Repräsentationen des Propheten in deutschsprachigen Texten des 18. Jahrhunderts [1 ed.] 9783666540707, 9783525540701


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German Pages [567] Year 2018

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Mahomet: Repräsentationen des Propheten in deutschsprachigen Texten des 18. Jahrhunderts [1 ed.]
 9783666540707, 9783525540701

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Daniel Cyranka

Mahomet Repräsentationen des Propheten in deutschsprachigen Texten des 18. Jahrhunderts

Beiträge zur Europäischen Religionsgeschichte (BERG)

Herausgegeben von Christoph Auffarth, Marvin Döbler, Ilinca Tanaseanu-Döbler Band 6

Vandenhoeck & Ruprecht

Daniel Cyranka

Mahomet Repräsentationen des Propheten in deutschsprachigen Texten des 18. Jahrhunderts

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.de abrufbar.  2018, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Gçttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschþtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Katze I (2017) von Alfred Cyranka Satz: 3 w + p GmbH, Rimpar

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage j www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2197-0920 ISBN 978-3-666-54070-7

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.

2.

Prolog: Mahomet-Bilder angesichts des Krieges gegen das Osmanische Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Das Mahomet/Muhamed-Bild eines Konvertiten als authentisches Zeugnis (1685) . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Biographisches zu Juan Andr s und zu Rudolf Cappell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.2 Das 1685 im „Türkenkrieg“ publizierte Buch als Beispiel geglückter Bekehrung und authentische Nachricht gegen „Mahomed und die Mahomedische falsche Lehre“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3 Die „Vorrede des bekehrten Muhammedischen Doctoris“ Juan Andr s in deutscher Fassung – sein Lebensweg und sein Bekehrungserlebnis . . . . . . . 1.1.4 Ein christliches Erfolgsbuch aus der Zeit der späten Reconquista, publiziert im „Großen Türkenkrieg“ . . 1.2 Mahomet als arglistiger Staatsmann mit „natürlicher“ Staatsreligion (1699) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Der Anlass der Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Die Türken als Gottesgericht . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Erste Aussagen über Mahomet im Vorwort . . . . . . 1.2.4 Mahomets Koran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.5 Die Hauptartikel des Glaubens . . . . . . . . . . . . 1.2.6 Der „Islam“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.7 Das Leben Mahomets . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.8 Mahomet und das Ende des „Türkischen Reichs“ . . Der Erfinder der Religionsbetrügerei – Humphrey Prideaux’ Life of Mahomet in deutscher Übersetzung (1699) . . . . . . . . . . . . 2.1 Zur Situation der deutschen Veröffentlichung des englischen Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Das vorgestellte Mahomet-Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Mahomets Lebensweg . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 „Sein erstes vorgeben ein prophet zu seyn.“ . . . . . 2.2.3 Der Koran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Die Wunderfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Der Koran als das eigentliche Wunder . . . . . . . .

17 39 40 40

41 45 47 49 49 52 53 54 56 57 58 62 63 63 64 64 68 70 71 71

6

Inhalt

2.2.6 2.2.7 2.2.8 2.2.9 2.3 2.4

2.5 2.6 2.7 3.

4.

Der Koran als Betrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mahomets weiterer Lebensweg und die Sonnah . . . Charakterisierung Mahomets . . . . . . . . . . . . . Mahomet und die Frauen, die Juden und die Christen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenbilanz: Das Leben „dieses betrügers“, geschrieben „aus den besten scribenten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der englische Kontext des Life of Mahomet . . . . . . . . . . 2.4.1 Biographisches zu Humphrey Prideaux . . . . . . . . 2.4.2 Der erste Letter to the Deists von 1696 . . . . . . . . 2.4.3 Exkurs: William Nicholls 1697 . . . . . . . . . . . . . 2.4.4 Der zweite Letter to the Deists von 1697 . . . . . . . 2.4.5 Zur Publikationsgeschichte des zweiten Letter to the Deists und des Life of Mahomet . . . . . . . . . . . . 2.4.6 Der Betrugsvorwurf im zweiten Letter to the Deists (1697) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.7 Die sieben Merkmale wirklichen Betrugs . . . . . . . 2.4.8 Die Verbindung des zweiten Letter to the Deists mit dem Life of Mahomet . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.9 Prideaux’ Auseinandersetzung mit den Unruhen . . Vergleich der Kontexte: England ist nicht Deutschland . . . . Exkurs: Eine englische Streitschrift gegen Prideaux: A Defence of Mahomet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bilanz des Vergleichs der Kontexte . . . . . . . . . . . . . . .

Muhammed als Erfinder einer Religion, überzeugt von der Gewissheit der christlichen Religion – Gottfried Arnolds Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie (1700) . . . . . . . . 3.1 Gottfried Arnolds Unpartheyische Kirchenund Ketzer-Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Muhammed in Arnolds Kirchengeschichte des 7. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Muhammeds Erfolgsgründe . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Arnolds Strategie: Muhammeds Betrug im Spiegel der Überlieferung dargestellt . . . . . . . . . . . . . 3.3 „… so könnte er sich auch Muhammedisch nennen“ – Kritik an Arnold . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Ein umstrittenes Muhammed-Bild eines umstrittenen Autors.

71 73 75 76 78 80 80 82 85 88 88 90 92 98 100 104 106 112

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Ein anderer Gott: Mahomet als endzeitlicher Antichrist, dessen Anhänger zu bekehren sind – David Nerreters Neueröffnete Mahometanische Moschea (1703) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 4.1 Nerreters Adaption von Ross . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

7

Inhalt

4.2

4.3 5.

6.

7.

Nerreters Neueröffnete Mahometanische Moschea . . . 4.2.1 Mahomet und der Koran bei Nerreter . . . . . . 4.2.2 Mahomet der große Antichrist? . . . . . . . . . 4.2.3 Das Ende des Türkischen Reiches . . . . . . . . 4.2.4 Der Koran als Mittel zur Bekehrung – Nerreters Vorrede zur Koranübersetzung . . . . . . . . . 4.2.5 Beispiele für Nerreters Koran-Kommentare und Widerlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bekehrungsabsichten in der Endzeit . . . . . . . . . . .

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. . . .

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. . . 140 . . . 141 . . . 145

Mahomed als listiger Religionsbetrüger und gewaltsamer Erfinder einer Staats-Religion – Johann Franz Buddeus’ Allgemeines Historisches Lexicon (1709) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Buddeus’ Einordnung seines Lexikons . . . . . . . . . . . . . 5.2 Der Artikel „Alcoran“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Der Artikel „Mahomed“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Mahomed in einem Lexikon für die Deutschen . . . . . . . . Mohammed als falsch beschriebene historische Figur – Adrian Relands De Religione Mohamedica in deutscher Übersetzung (1716) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Die deutsche Fassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Relands Position nach der Vorrede . . . . . . . . 6.1.2 Zur Struktur des Werkes . . . . . . . . . . . . . . 6.1.3 Das erste Buch – Ein „kurtzer Begriff Der Mohammedischen Theologie“ . . . . . . . . . . . 6.1.4 Das zweite Buch – Relands 39 Widerlegungen falscher Auffassungen von Mohammed und seiner Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Reland – ein Anti-Prideaux? . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Bestätigung der Lesart durch Relands zweite (lateinische) Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Holland ist nicht Deutschland . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

. . . .

147 148 149 150 151

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. . 160 . . 163 . . 172 . . 175 . . 176 . . 180

Mahomed als vornehmster Prophet und als Beherrscher der schwarzen Kunst – Das Neu-eröffnete Amphitheatrum Turcicum aus Erfurt (1724) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Einleitende Bemerkungen zur Reihe Amphitheatrum . . . . . 7.2 Das Amphitheatrum Turcicum von 1724 – Ein „Einschub“ in die Reihe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Das Vorwort – Die Bedeutung der Geschichte des „Türckischen Reiches“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Der „Kern der Türckischen Historie“ . . . . . . . . .

182 182 183 183 184

8

Inhalt

Das Verhältnis der Mahomed-Schilderung zum historischen Hauptteil des Werkes . . . . . . . . . . Das Verhältnis des Neu-eröffneten Amphitheatrum Turcicum zu den übrigen Bänden der Reihe . . . . . . . . . . . . . . . Mahomed im Neu-eröffneten Amphitheatrum (Band 4) von 1728 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Widersprüchliche Lehrbücher für die Jugend . . . . . . . . .

190 192

Mahomet als epileptischer Betrüger und gewalttätiger ,Putschist‘ – Johann Heinrich Zedlers Großes vollständiges Universal-Lexicon (1739) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Der Artikel „Mahomet“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Der Artikel „Mahomedischer Glaube“ . . . . . . . . . . . . . 8.3 Alte Ansichten in einem neuen Lexikon . . . . . . . . . . . .

194 196 200 203

Mahomed als wahnsinniger Betrüger und Anti-Held – Ludvig Holbergs Heltehistorier in deutscher Übersetzung (1741) . . . . 9.1 Das Gesamtwerk: Vergleichung der Historien und Thaten verschiedener insonderheit Orientalisch- und Indianischer Grosser Helden und berühmter Männer . . . . . . . . . . . 9.2 Holbergs Absicht – Was sind Helden? . . . . . . . . . . . . 9.3 Zoroaster und Mahomed . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.1 Warum dieser Vergleich? . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.2 Die Mahomed-Darstellung . . . . . . . . . . . . . . 9.3.3 Die Wunderfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.4 Mahomeds Strategiewechsel . . . . . . . . . . . . . 9.3.5 Weiterer Lebensweg Mahomeds . . . . . . . . . . . 9.3.6 Einschätzung Mahomeds . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.7 War Mahomed ein Betrüger? . . . . . . . . . . . . 9.3.8 Positive Aspekte in der Mahomed-Darstellung . . . 9.4 Holbergs Prideaux-Adaption . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.5 Betrug oder Wahnsinn? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

205 206 208 210 211 212 214 215 216 218 220 221 224

7.2.3

7.3 7.4 7.5 8.

9.

184 188

. 205 . . . . . . . . . . . . .

10. Mahomet als größter Staatsmann der Weltgeschichte, verkleidet in eine Karikatur des Maximus Infernorum Conquestor – Henri de Boulainvilliers La vie de Mahomet in (versteckter) deutscher Übersetzung (1742) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 Ein Verteidiger Mahomets – Henri de Boulainvilliers . . . . . 10.2 Die erste deutsche Ausgabe – Mimikry! . . . . . . . . . . . . 10.3 Äußeres Erscheinungsbild und Vorwort des Verlegers David Jungnicol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Das (anonymisierte) Vorwort Boulainvilliers . . . . . . . . . 10.5 Das Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.1 Zur Charakterisierung des Werks . . . . . . . . . . .

226 226 227 228 234 235 236

9

Inhalt

10.5.2 10.5.3 10.5.4 10.5.5 10.5.6

Der erste Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der zweite Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Boulainvilliers’ Kritik an Ockley . . . . . . . . . . . . Boulainvilliers und der Betrugsvorwurf . . . . . . . . Mahomet und das zeitgenössische Christentum – „Reformation“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.7 Noch einmal: War Mahomet ein Betrüger oder nicht? – Boulainvilliers’ Selbstbeschreibung . . . . . 10.5.8 Mahomet als Prophet . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.9 Doch ambition and lust – also Betrug? . . . . . . . . 10.6 Der nach Boulainvilliers’ Tod angefügte dritte Teil des Buches – Der weitere Lebensweg Mahomets . . . . . . . . . . 10.7 Viele Positionen in einem Buch – Mahomet, ein auch durch Betrug erfolgreicher Staatsmann, der die Wahrheit sagte und als polemische Karikatur verkleidet erscheint . . . . . . . . . 11. Mahomet als bilderstürmender Eiferer nach dem Gesetz, kein Betrüger, sondern ein Werkzeug Gottes – Jonas Kortes Reise nach dem weiland Gelobten Land (1743) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 Biographisches zu Jonas Korte (1663–1747) . . . . . . . . . 11.2 Die verschiedenen Auflagen und Supplemente seines Reiseberichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Darstellung der Aspekte nach der zweiten (der „Hallenser“) Auflage von 1743 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.1 Zweck und Ziel seiner Reise . . . . . . . . . . . . . 11.3.2 Wer ist der Antichrist? . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.3 Drittes Buch: Vom Gericht über die Morgenländische Kirche . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.4 Kortes Heilige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.5 Korte über Mahomet . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.6 Extract aus Relands Tractat von der Türckischen Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.7 Weitere Aspekte: Sprachen, Wallfahrt . . . . . . . . 11.3.8 Pietisten, Separatisten und Mahometaner . . . . . 11.3.9 Mahomets Charakter, und Ursachen der weiten Ausbreitung seiner Lehre und Reichs . . . . . . . . 11.3.10 Mahomet als (ketzerisches) Werkzeug Gottes – kein Betrüger! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.11 Mahomet – ein Eiferer nach dem Gesetz . . . . . . 11.3.12 Mahomet und Luther . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.13 Mahomets christliche Eltern . . . . . . . . . . . . . 11.3.14 Lob der Mahometanischen Religion . . . . . . . . . 11.3.15 Mahomet und Konfuzius . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.16 Der orientalische Antichrist . . . . . . . . . . . . .

236 239 240 241 245 249 250 252 254 256

. 258 . 258 . 261 . 262 . 263 . 266 . 268 . 271 . 271 . 272 . 273 . 275 . 276 . . . . . . .

278 279 281 282 283 283 283

10

Inhalt

11.3.17 Lob der Protestanten . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.18 Bileams Zauberei – eine Richtigstellung . . . . . 11.3.19 Kortes ,Mahomet-Pointen‘ in der zweiten Auflage 11.4 Viertes Supplement 1747 (1751) – Kortes Boulainvilliers-Lektüre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5 Eine antikatholische und antiorthodoxe Auffassung – Mahomet als „Bilderstürmer“ . . . . . . . . . . . . . . . .

. . 284 . . 285 . . 285 . . 286 . . 288

12. Mahomet als machtorientierter Religionsbetrüger – Pierre Bayles Dictionnaire Historique et Critique in der Fassung Johann Christoph Gottscheds (1743) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1 Gottscheds Kommentar im Vorwort . . . . . . . . . . . . . 12.1.1 Bayles Artikel „Mahomet“ . . . . . . . . . . . . . . 12.1.2 Die christliche Mahomet-Geschichtsschreibung . . 12.1.3 Mahomet – ein Betrüger und sein Erfolg . . . . . . 12.2 Bayle, Gottsched und Prideaux . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

289 289 290 291 293 294

13. Mahomet als Werkzeug Gottes und nicht vorsätzlicher Betrüger – Theodor Arnolds Übersetzung von Simon Ockleys History of the Saracens (1745) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.1 Biographisches zu Theodor Arnold (1663–1771) . . . . . . . 13.2 Arnold als Übersetzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3 Arnolds Ockley-Übersetzung von 1745 . . . . . . . . . . . . 13.3.1 Arnolds Positionierung im Vorwort . . . . . . . . . . 13.3.2 Arnolds Literaturbericht im Vorwort . . . . . . . . . 13.4 Differenzierte Bemerkungen des Übersetzers über Mahomet und die zeitgenössische Literatur zum Thema . . . . . . . . .

298 298 299 301 302 304

14. Mohammed als Staatsmann und als Betrüger, aber mit wahren Begriffen von Gott – George Sales Koran und Preliminary Discourse in der Übersetzung Theodor Arnolds (1746) . . . . . . . 14.1 Biographisches zu George Sale . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2 Sales Positionierung in der Vorrede . . . . . . . . . . . . . . 14.3 Sales Preliminary Discourse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3.1 Christentum und Judentum und die Einführung der Religion Mohammeds . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3.2 Mohammeds Plan als „Würckung der Enthusiasterey und verrückten Einbildung, oder nur ein Anschlag, sich zu der Oberherrschaft oder höchsten Gewalt seines Landes zu erheben“? . . . . . . . . . . . . . . 14.3.3 Mohammeds Motive: Ambition? Ja! – Lust? Nein! . . 14.3.4 Mohammed und Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3.5 Der Koran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4 Sales Kommentare zu seiner Koran-Übersetzung . . . . . . .

308

310 310 311 313 314

316 318 320 321 322

11

Inhalt

14.5 Wie heißt diese Religion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 15. Mahomed als größter Staatsmann der Weltgeschichte – Henri de Boulainvilliers’ La vie de Mahomet in der Übersetzung Theodor Arnolds (1747) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1 Arnolds Vorbemerkung zu diesem Buch . . . . . . . . . . . . 15.1.1 Exkurs: Der Verweis auf Simonetti – Arnold und die Ehre des Übersetzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1.2 Die verschiedenen deutschen Übersetzungen (1742, 1747, 1786) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Theodor Arnolds Beitrag – Veröffentlichung positiver Sichten auf Mahomet/Mohammed/Mahomed . . . . . . . . . 16. Mahomet/Muhammed als Zinzendorf-Karikatur – Johann Leonhard Fröreisens Vergleichung Des Grafs Zinzendorfs Mit dem Mahomet (1748) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1 Ein streitbarer Theologe – Johann Leonhard Fröreisen . . . 16.2 Fröreisens Vergleich von Zinzendorf und Mahomet . . . . . 16.2.1 Die Abschilderung Des Mahomets Und Des Zinzendorfs Als seines heutigen Affens . . . . . . . 16.2.2 Fröreisens Muhammed-Darstellung . . . . . . . . . 16.2.3 Der Vergleich mit Zinzendorf . . . . . . . . . . . . 16.2.4 Muhammed als Zinzendorf-Karikatur . . . . . . . 16.3 Muhammed als Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

326 326 329 332 332

. 334 . 334 . 336 . . . . .

17. Mahomet als Betrüger – Voltaire und Marigny in der Übersetzung Lessings (1752/1753) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.1 Zur Vorgeschichte: Voltaires Mahomet . . . . . . . . . . . . . 17.2 Lessings Voltaire-Übersetzung von 1752 . . . . . . . . . . . . 17.2.1 Lessings Voltaire-Beschreibung im Vorwort . . . . . 17.2.2 Voltaires Mahomed – ein erhabener und verwegener Marktschreyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.3 Lessing und seine Voltaire-Übersetzung . . . . . . . 17.3 Lessings Marigny-Übersetzung 1753 . . . . . . . . . . . . . . 17.3.1 Lessings Verteidigung Marignys gegen Baumgarten . 17.3.2 Marignys Mahomet – Plan, Betrug, Überredungskunst und Gewalt . . . . . . . . . . . . 17.3.3 Lessing und seine Übersetzung . . . . . . . . . . . .

338 339 341 344 347 349 349 352 353 354 356 357 357 359 365

18. Lessings „Rettung“: Mahomets vernünftige Religion (1754) . . . . 366 18.1 Lessings Rettung des Hier. Cardanus . . . . . . . . . . . . . . 366 18.2 Lessing, Voltaire und Bayle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370

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Inhalt

19. Mohammed als Betrüger im Rahmen der Weltgeschichte betrachtet – Siegmund Jacob Baumgarten, Johann Salomo Semler und die Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie (1759) . . . . . 19.1 Siegmund Jacob Baumgarten und Johann Salomo Semler . . 19.2 Baumgartens Nachrichten von einer hallischen Bibliothek von 1748 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.1 Mahomed und der Schwerpunkt ,Orient‘ – Kritik an Boulainvilliers und an Arnold . . . . . . . . . . . . . 19.3 Semlers Kommentar und Herausgabe der Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie von 1759 . . . . . . . . . . . . . . . 19.3.1 Semlers Umgang mit dem Muhammed/Mohammed-Bild der von ihm herausgegebenen Übersetzung des Modern part of an universal history . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3.2 Ein Lob der englischen Verfasser . . . . . . . . . . . 19.3.3 Semlers Bücherkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3.4 Semlers Kommentare zum Haupttext des Buches . . 19.3.5 Die Diskussion um Sale . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3.6 Semlers Kritik an dem von ihm herausgegebenen Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3.7 Wie heißt diese Religion bei Semler und im Haupttext? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3.8 Vorstellung des von Semler kommentierten Werks im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3.9 Die Beschreibung von Mohammeds Person und Charakter (§§ 169–172) . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3.10 Die Ergänzung zum Haupttext – „Mohammed ein geiler, stolzer und grausamer Mensch“ . . . . . . . . 19.3.11 Ein weiterer nachgereichter Kommentar Semlers . . 19.4 Muhammed in Baumgartens Geschichte der Religionspartheyen, herausgegeben von Semler 1766 . . . . . 19.4.1 Die Struktur des Werks . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.2 Literaturempfehlungen im Werk . . . . . . . . . . . 19.5 Baumgartens und Semlers Äußerungen zum Muhammed/Mohammed-Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20. Mahomed als unaufgeklärte Figur – FranÅois de Marsys Histoire moderne, erschienen bei Voß in Berlin in der Übersetzung von Justus Friedrich Wilhelm Zachariae (1763) . . . . . . . . . . . . 20.1 Zum Werk: Marsys Vorrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.2 Die Darstellung Mohammeds . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.3 Der Koran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.4 Mahomed als unaufgeklärte Gestalt – Der Koran hält vernünftiger Prüfung nicht stand . . . . . . . . . . . . . . .

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21. Mohammed als Opfer seines Erfolgs, kein Betrug nach Plan, sondern nach den Umständen – Die General History of the World von Guthry/Gray in der Übersetzung von Christian Gottlob Heyne, kommentiert von Johann Jacob Reiske (1768) . . . . . . . 21.1 Biographisches zu Heyne und Reiske . . . . . . . . . . . . 21.2 Die Übersetzung der Allgemeinen Weltgeschichte . . . . . . 21.3 Heynes Vorwort zum sechsten Band . . . . . . . . . . . . . 21.4 Der Text über Mohammed und die kritischen Kommentare von Heyne und von Reiske . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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22. Mahomed als Antichrist, der Koran als das Thier sowie als Erbauungsbuch für Christen und Lehrbuch für Juden – David Friedrich Megerlins Koran-Übersetzung (1772) . . . . . . . . . . . 421 22.1 Megerlins Vorwort zu seiner Koran-Übersetzung . . . . . . . 423 22.2 Der Koran als Erbauungsbuch für Christen und Lehrbuch für Juden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 23. Muhammed als Reformator und Stifter einer philosophischen Religion – Friedrich Eberhard Boysens Koran-Übersetzung (1773). 23.1 Boysens Koran-Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2 Die Vorrede von 1773 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.3 Rezensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.4 Die Vorrede von 1775 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.5 Muhammeds Leben nach Boysen . . . . . . . . . . . . . . . . 23.6 Muhammeds Blasphemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.7 Boysen, Gleim und Lessing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.8 Eine Spitze gegen Neologen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24. Mahomeds Religion als Vorbereitung zum Christentum – Johann Christoph Döderleins Antifragmente (1779) . . . . . . . . . . . . 24.1 Döderleins Antifragmente von 1778 . . . . . . . . . . . . . 24.2 Döderleins Antifragmente von 1779 . . . . . . . . . . . . . 24.2.1 Die Position des Fragmentisten . . . . . . . . . . . 24.2.2 Döderleins Gegenposition im Antifragment . . . . 24.2.3 Döderleins Wertschätzung und Kritik des Muhamedanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.3 Wertschätzung Muhammeds aufgrund evangelischer Apologetik gegen deistische Christentumskritik – ein Antifragment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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25. Muhammed als Kompilator neutestamentlicher Vernunftreligion und Vorbereiter des Christentums – Gottfried Leß’ Ueber die Religion (1784) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 25.1 Beweis der Wahrheit der Christlichen Religion (1768) . . . . 466

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25.2 Auferstehungsgeschichte nach allen vier Evangelisten nebst einem doppelten Anhange gegen die Wolfenbüttelschen Fragmente von 1779 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.3 Geschichte der Religion von 1783 . . . . . . . . . . . . . . . . 25.3.1 Zum Zweck des Buches . . . . . . . . . . . . . . . . 25.3.2 Grundaussagen dieser Religionsgeschichte . . . . . . 25.3.3 Leß’ Wertschätzung Muhammeds und des Koran . . 25.3.4 Leß’ Muhammed-Bild im Spiegel der Geschichtsschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.4 Muhammeds Koran als Zeugnis einer vom Neuen Testament abhängigen vernünftigen Religion – auch ein Antifragment . Repräsentationen des Propheten im 18. Jahrhundert – Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Triumph über das Osmanische Reich . . . . . . . . . . . . . . . . Mahomet, der erste Religionsbetrüger . . . . . . . . . . . . . . . . Muhammed, dargestellt wie ein christlicher Ketzer . . . . . . . . . Der Antichrist Mahomet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissensvermittlung zur Bekehrung – Man muss den Gegner besser kennen I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Religiöser Betrug – politische Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . Orientalistische Richtigstellungen – Man muss den Gegner besser kennen II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Negative Integration der Osmanen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alte Fronten im neuen Lexikon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein betrügerischer, gewalttätiger und wahnsinniger Anti-Held . . . Ansätze zur Historisierung I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das göttliche Werkzeug gegen Rom und Konstantinopel . . . . . . Ein Standardwerk der Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Theodor Arnolds Würdigung und Verteidigung Mahomets . . . . Mahomet als Zinzendorf-Karikatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lessings ambivalente Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verschärfte Polemik bei Semler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auf dem Weg zur ,Aufklärung‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansätze zur Historisierung II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ambivalenzen I – Antichrist mit Erbauungsbuch . . . . . . . . . . Ambivalenzen II – Reformation trotz Blasphemie . . . . . . . . . . Ein Protochrist für die Völker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muhammeds Vernunftreligion, Monotheismus und Moral . . . . . Der geschmiedete Koran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Islam und Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 Anhang 1: Eine Darstellung Mohammeds im Amphitheatrum Turcicum (1724) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 Anhang 2: Zwei Gedichte („Suren“) Gleims nach dem Vorabdruck Boysens (1773) und nach der Erstausgabe Gleims (1774) . . . . . . 521 Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 1. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 2. Sekundärliteratur und Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . 541 Index der Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551

Vorwort Wir beginnen die ersten Überlegungen mit einer anekdotenhaft wirkenden Beobachtung: In der Bunzlauischen Monathsschrift aus dem Verlag des Waisenhauses dieser niederschlesischen Stadt, wird im Jahre 1774 ein Artikel Von der Schädlichkeit der Katzen und der unerkannten Gefahr, die man von ihnen zu befürchten hat geboten. Der ungenannte Verfasser zitiert darin aus dem Schreiben eines Arztes an den königlich-preußischen Hofrat Joseph Du Fresne de Francheville (1704–1781). Es wird die Geschichte einer Katze erzählt, die im englischen Canterbury den hugenottischen Geistlichen Mariette ermordet haben soll. Die mörderische Katze wird durch Nachstellen der Situation als Wiederholungstäterin überführt – so der abgedruckte Bericht.1 Eröffnet wird dieser seltsame Text mit folgender Anekdote: Busbek erzählet, daß der Türkische Prophet Muhamed, als er beim Lesen sich mit einem Arm auf den Tisch gestützet, und seine Katze auf dem Aermel eingeschlafen wäre, sich, da er nach dem Tempel gehen müssen, lieber den Aermel abgeschnitten, als die Katze aus dem Schlaf erwecket hätte. Ohnstreitig würde Muhamed in ähnlichen Fällen auch heute noch getreue Nachfolger finden; denn es giebt nur allzu viele Menschen, welche die Katzen mit einer wirklichen Art von Leidenschaft lieben.2

Vor solcher Liebe zu Katzen wird in dem erwähnten Artikel in einer „zum Nutzen und Vergnügen“ erscheinenden Monatsschrift allerdings so ausführlich wie eindringlich gewarnt: Harn, Haar, Klauen, Zähne, der Atem und sogar 1 Dieser Bericht wird vielfach in englischen und amerikanischen Journalen des 19. Jh.s wiederholt. Eine Adaption von 1786 im 36. Band der Oekonomisch-technologischen Encyclopädie enthält ebenfalls diese Überlieferung sowie den Hinweis auf die Katzenliebe des Propheten in wörtlichen Auszügen aus dem hier erwähnten Text (vgl. nächste Anm.). 2 Physicalische Betrachtungen. Von der Schädlichkeit der Katzen und der unerkannten Gefahr, die man von ihnen zu befürchten hat. In: Bunzlauische Monathsschrift zum Nutzen und Vergnügen, Erster Jahrgang, Bunzlau 1774, S. 292–298, Zitat S. 294. Bei Busbek lautet die Stelle folgendermaßen: Anstelle von Hunden würden von den Türcken Katzen als schamhafte und züchtige Tiere gehalten „welches sie bestettigen mit dem Exempel deß Machomets ihres Gesetzgebers, welcher die Katzen so lieb gehabt hat, daß, da er auff ein Zeit gestudirt, ihme eine Katz auff seines RocksErmel entschlaffen, da er aber eilendts zum Gottesdienst gehen müssen, hat er ihme ehe den Ermel vom Rock abschneiden lassen wöllen, dann das Kätzlein von seinem süssen Schlaff erwecken“; Reysen und Bottschafften, welche auff gnedigsten Befelch, beyder Unüberwindlichsten Allermächtigsten Keyser Ferdinandi und Maximiliani II. Der gantzen Christenheit zu höchsten nutzen glücklich vollendet hat, Der Edel Ehrnvest und hochgelert Augerius Gislenius Busbeck, ihrer Maiest. Rath, und bestellter Orator, an Soleiman den Türckischen Käyser. Sampt beygefügtem Nachschlag, welchen der hoch und wolgeborne Fürst und Herr, Herr Carle Graff zu Mansfeld, wie in der Prefation zu sehen, vor der Festung Gran, Ritterlich ins werck gerichtet hat. MDXCVI. Gedruckt zu Franckfurt am Mayn, in Verlegung Andree Wechels seligen Erben, S. 199.

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der Blick der Katzen seien reines Gift. Auf diese Warnungen folgt die genannte Geschichte der (erwiesenermaßen) mordenden Katze in Canterbury. Was geschieht hier? Die von dem hier erwähnten Busbek (Augerius Gislenius Busbequius/Ogier Ghislain de Busbecq; 1522–1592) und anderen Autoren in Reiseberichten und ähnlichen Texten überlieferte Katzenliebe des Propheten erscheint in der Bunzlauischen Monathsschrift als Teil einer Warnung gegen die Vorliebe für ein gefährliches, ja giftiges und offensichtlich auch den Tod bringendes, rachsüchtiges Wesen. Nun könnte man diese kleine Lesefrucht als Bunzlauer Provinzposse abtun. Wenn man sich allerdings vergegenwärtigt, dass dieser Artikel ein knapper Auszug aus einem größeren Werk ist, stellt sich die Sache etwas anders dar: Die Korrelation von giftiger, schädlicher und mörderischer Katze mit dem Propheten stammt aus dem zweiten Band der durch den Mediziner und Naturforscher Friedrich Heinrich Wilhelm Martini (1729–1778) besorgten deutschen Übersetzung der Naturgeschichte von Georges-Louis Leclerc Comte de Buffon (1707–1788).3 Der Kontext ist also nunmehr die monumentale Naturgeschichte, die der Naturforscher Buffon, Mitglied u. a. der Acad mie franÅaise als evolutionäre Stufenleiter verstand und gegen das hierarchische System des schwedischen Naturgeschichtlers, Königlichen Akademiepräsidenten und Rektor der Universität Uppsala Carl von Linn (1707–1778) setzte. Die Anekdote von der Katzenliebe des Propheten erscheint als illustrierendes Element einer naturgeschichtlichen Abhandlung über Katzen, v. a. über deren Schädlichkeit und Gefährlichkeit. Friedrich Heinrich Wilhelm Martini, Mitglied der Kaiserlich LeopoldinoCarolinischen Akademie der Naturforscher (Apollonius III.) und Gründer der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin fügte neben einem ersten Anhang zu Buffons Kapitel zum Thema „Katzen“ auch diesen Brief an seine Übersetzung von Buffons Naturgeschichte an. Es ist zu vermuten, dass der mit „M…“ unterzeichnete Brief eines ungenannten Arztes von dem Berliner Arzt Martini selbst stammt. Der Text wurde demnach vermutlich von seinem eigenen Autor „in einer getreuen Uebersetzung“ veröffentlicht, nachdem ihn auch der Empfänger publiziert hatte: Das erwähnte Schreiben eines ungenannten Arztes an den Hofrat Francheville war 1768 in der von Francheville selbst edierten Gazette litt raire de Berlin in französischer Sprache abgedruckt worden.4 3 Vgl. Herrn von Büffons Naturgeschichte der vierfüßigen Thiere. Mit Anmerkungen und Vermehrungen aus dem Franz. Übersetzt. Zweeter Band. Mit allergnädigtsen Königl. Preuß. Privilegio. Berlin 1773. Bey Joachim Pauli, Buchhändler, S. 241–247. Nach Martinis Tod wurde die Übersetzung zunächst von Georg Forster in Kassel (Bd. 6) und dann von Christian Otto in Greifswald fortgeführt. 4 Lettre d’un Docteur en m dicine l’auteur de la Gazette litt raire de Berlin. In: Gazette litt raire de Berlin. Par Joseph du Fresne de Francheville, 6/1768, S. 11–13; vgl. dazu FranÅois Labb , La gazette litt raire de Berlin (1764–1792), Paris 2004 (Les dix-huiti mes si cles. Collection dirig e par Raymond Trousson et Antony McKenna, 79).

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Eine Lesefrucht aus einem alten Reisebericht wird in einem preußischen, französischsprachigen Wissenschaftsjournal geboten, das sich v. a. auch Nachrichten aus der Preußischen Akademie der Wissenschaften widmet. Von dieser Wochenschrift aus wird die Lesefrucht einige Jahre später – 1773 – in die deutsche Fassung der monumentalen Naturgeschichte Buffons transportiert. Dies macht deutlich, dass der Kontext den Text bestimmt: Die in diesen Publikationen als wissenschaftlich erwiesen behauptete Schädlichkeit und Gefährlichkeit der Katzen korreliert mit einer Repräsentation Muhammads und gibt dieser die Richtung. Muhammad wird als Liebhaber eines˙ gefährlichen und äußerst schädlichen, ja, ˙wie der Fortgang des Textes zeigt, sogar mörderischen Wesens inszeniert. Diese anekdotenhafte Beobachtung macht deutlich, wie sehr diese Repräsentationen des Propheten von ihren Kontexten leben. Aus Muhammads in Reiseberichten erwähnter Tierliebe wird ein Moment tödlicher ˙Gefahr. Die möglicherweise aus einer älteren Hadith-Sammlung stammende Überlieferung wird hier mit wissenschaftlichem Anspruch im Rahmen der Naturgeschichte neu kontextualisiert, was sich durch Wiederabdruck in einer Zeitschrift 1774 wiederholt. Was tritt hier in Erscheinung? Eine Repräsentation Muhammads oder der „Türkische Prophet Muhamed“? Oder ganz etwas oder ˙ jemand anderes? Repräsentationen treten an die Stelle dessen, was – oder wen – sie repräsentieren. Das gilt nicht nur für die Repräsentationen eines Staates in einem anderen Staat, für das Auftreten von Diplomaten also, das gilt ebenfalls für historische Persönlichkeiten und das gilt auch für große Gesamterzählungen, die wie Kollektivsingulare in Erscheinung – in Rede – gebracht werden. Zumeist werden diese großen Erzählungen dann als handelnde Personen in Szene gesetzt: Ismen gerinnen zu Quasi-Akteuren: der Kommunismus habe ausgedient; die Menschenrechte würden sich nicht durchsetzen und der Islam kenne keine Aufklärung. Repräsentationen stehen in dieser Hinsicht also nicht vordergründig für eine vorgehende Realität, sondern sie konstituieren und validieren Realität, sie erzeugen Geltung. In der folgenden Untersuchung, die als Gegenstandsbereich deutschsprachige Quellen des 18. Jahrhunderts hat, wird eine Annäherung an das Thema „Islam“ gesucht. Mit dem 18. Jahrhundert wird meistens das Thema „Aufklärung“ aufgerufen; man redet seit der Mitte des 19. Jahrhunderts auch immer wieder vom „Jahrhundert der Aufklärung“ (age of enlightenment, si cle de lumi res).5 Setzt man nun den Ausdruck „Aufklärung“ mit dem Ausdruck 5 Allein die Buchtitel, die diese Formulierungen enthalten, sind Legion. Die Redewendung findet sich gegen Ende des 19. Jh.s in englischsprachigen sowie seit Beginn des 20. Jh.s in französischsprachigen Texten. In der neuesten Monographie von Steffen Martus fungiert „die Aufklärung“ als Kondensationspunkt und Chiffre für ein „Epochenbild“. „Die Aufklärung“ wird hier als handelndes Subjekt inszeniert; so gibt es „Aktivitäten der Aufklärung“ (S. 19), die mit Kant eine „Speerspitze“ (S. 17) habe, die etwas „wollte“ oder „definierte“ (S. 376). Resümierend schreibt Martus darüber, „wie die Aufklärung sich zwischen den Zeiten zurecht fand, in die

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„Islam“ in Verbindung, ist sofort die oben genannte und immer wieder behauptete oder diskutierte Opposition zwischen (orientalistischem) „Islam“ und (westlicher) „Aufklärung“ mit im Spiel.6 Somit könnte man an dieser Stelle eine Auseinandersetzung darüber führen, in welchem Verhältnis „Islam“ und „Aufklärung“, die sprachlich oftmals als handelnde Subjekte inszeniert werden, nun eigentlich oder wirklich zueinander stehen. Doch das wird hier unterbleiben. Vielmehr ist davon zu reden, in welcher Weise „Islam“ im „Jahrhundert der Aufklärung“ überhaupt zu finden ist. (Mit derartigen Benennungen wird in den vorliegenden Studien zurückhaltend umgegangen, um die Vielschichtigkeit und Offenheit der zu Tage tretenden Debatten nicht von vornherein ideologisch einzuebnen.) Wie wird „Islam“ in deutschsprachigen Texten des 18. Jahrhunderts repräsentiert? Repräsentationen sind Organisationsformen des Wissens, mit deren Hilfe Wissen geordnet und organisiert und damit erzeugt wird. Dieses Erzeugen hat jeweils einen spezifischen Referenzrahmen, dessen Bedingungen es unterliegt und den es auch beeinflusst. Es geht um die Ordnung des Diskurses, in dem die jeweilige Repräsentation eines Autors ihren Ort hat.7 Das gilt für Quellen aus dem 18. Jahrhundert ebenso wie für heutige Interpretationen und Forschungsdebatten. Es geht hier nicht um die Frage, was oder wie „der Islam“ im 18. Jahrhundert „wirklich war“. Vielmehr geht es um sprachliche Repräsentationen, um das Erzeugen von Bildern, die jeweils disGeschichte schielte, zugleich zurück in die Vergangenheit und nach vorn in die Zukunft blickte“ (S. 886); Steffen Martus, Aufklärung. Das deutsche 18. Jahrhundert – ein Epochenbild, Berlin 2015 (Lizenzausgabe Darmstadt 2015). Doch auch mit Blick auf orientalistische Themen ist diese dichotome Redeweise zu finden. So z. B. in Nina Bermans breit angelegter Untersuchung über deutsche Literatur zum Mittleren Osten, wo das entsprechende Kapitel unter dem Label „Age of Enlightenment“ firmiert; Nina Berman, German Literature on the Middle East. Discourses and Practices, 1000–1989, Ann Arbor 2014, S. 113. 6 So etwa, wenn Ziad Elmarsafy mit seiner Untersuchung zum Thema „The Enlightenment Qur’an“ stabile bzw. fixe Größen anzeigt, wenn er „snapshots of the interaction between Enlightenment Europe and the Muslim world“ bieten will und feststellt: „Whereas solid information about the Muslim world was available to Europe, its uneven penetration in various societies underlines the extent to which Westeners and Western intellectuals often choose to believe what they want to believe about Islam, rather than believing what the evidence suggests that they believe.“ Auch wenn Elmarsafy dem „Huntingtonian ,clash of civilizations‘“ entgehen will, setzt er durch seine permanente, binär codierende Setzung von ,zwei Welten‘ ebenso stabile wie homogene Entitäten bzw. Identitäten – und damit eine bipolare „Muslim-Western dynamic“ selbst in Betrieb; Ziad Elmarsafy, The Enlightenment Qur’an. The Politics of Translation and the Construction of Islam, Oxford 2009, S. xi f. 7 „Es wäre sicherlich absurd, die Existenz des schreibenden und erfindenden Individuums zu leugnen. Aber ich denke, daß […] das Individuum, das sich daranmacht, einen Text zu schreiben, aus dem vielleicht ein Werk wird, die Funktion des Autors in Anspruch nimmt. Was es schreibt und was es nicht schreibt, was es entwirft, und sei es nur eine flüchtige Skizze, was es an banalen Äußerungen fallen läßt – dieses ganze differenzierte Spiel ist von der Autor-Funktion vorgeschrieben, die es von seiner Epoche übernimmt oder die es seinerseits modifiziert.“ Michel Foucault, Die Ordnung des Diskurses. Aus dem Französischen von Walter Seitter, Frankfurt/M. 1991 (u. ö.), S. 21.

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kursiv bestimmte Stellen besetzen, die auch Räume implizieren.8 Dass damit auch spezifische Räume erzeugt oder determiniert werden, hat Reinhard Schulze jüngst noch einmal am Beispiel der „islamischen Welt“ und der „westlichen Welt“ deutlich gemacht.9 Ausgangspunkt der hier vorgelegten Studien ist folgende, etwas zugespitzt formulierte Beobachtung: Sucht man in der Literatur des 18. Jahrhunderts nach dem Islam, so findet man diese geschlossene Größe nicht. Pointierte Aussagen betreffen in aller Regel den Propheten und den Koran. Der Ausdruck „Islam“ ist dagegen so gut wie gar nicht zu finden – er ist in den deutschsprachigen Debatten dieser Zeit noch nicht erfunden. Insofern wäre die Bezeichnung der vorliegenden Studien als „Repräsentationen des Islam in deutschsprachigen Texten des 18. Jahrhunderts“ irreführend. „Islam“ ist keine im 18. Jahrhundert diskutierte oder repräsentierte Größe.10 Dagegen begegnet man in den Quellen des 18. Jahrhunderts einer Vielzahl von textlichen Darstellungen Muhammads, ein Name, der übrigens in allen ˙ Es finden sich Muhammad-Bilder, die möglichen Schreibweisen erscheint. ˙ facettenreich und widersprüchlich erscheinen. Neben eigentlich bildhaften Darstellungen Muhammads, die Alberto Saviello neulich unter dem Titel ˙ 8 Man denke etwa an die Rede von der „Welt des Islam“, wobei es gerade nicht um deren außerdiskursive Existenz oder Nichtexistenz geht: „Nicht die Existenz von Gegenständen außerhalb unseres Denkens wird bestritten, sondern die ganz andere Behauptung, dass sie sich außerhalb jeder diskursiven Bedingung des Auftauchens als diskursive Dinge konstituieren könnten.“ E. Laclau/C. Mouffe, Hegemonie und radikale Demokratie. Zur Dekonstruktion des Marxismus. Wien 32006, S. 143 f. 9 Reinhard Schulze, Geschichte der Islamischen Welt. Von 1900 bis zur Gegenwart, München 2016, S. 16 f. Schulze verweist auf den Göttinger Orientalisten Heinrich Ewald, der 1842 zuerst die (heute völlig geläufige und gleichwohl hoch problematische) Bezeichnung „islamische Welt“ gebraucht habe; zu Ewald vgl. Christian Stahmann, Protestantische Orientalistik. Die archäologische Konstruktion des Orients im Werk von Heinrich Ewald (1803–1875), Habil. Heidelberg 2015. Zum Zusammenhang von Repräsentation und Raum vgl. Iris Dzudzek, Paul Reuber und Anke Strüver, Räumliche Repräsentationen als Elemente des Politischen – Konzeptionelle Grundlagen und Untersuchungsperspektiven der Humangeographie. In: Iris Dzudzek/Anke Strüver (Hg.), Die Politik räumlicher Repräsentationen. Beispiele aus der empirischen Forschung, Berlin 2011, S. 3–23. 10 Andrea Polaschegg, die sich in einem kürzeren Beitrag mit dem (deutschsprachigen) Orientalismus zwischen 1770 und 1850 beschäftigt, stellt am Ende ihrer Beobachtungen – offenbar etwas enerviert – fest: „Unsere Islam-Besessenheit […] scheint so raumgreifend zu sein, dass wir nicht einmal in historische Distanz zu ihr treten mögen, sondern sie vielmehr in die Geschichte zurück projizieren und selbst im Orientalismus des 18. und 19. Jahrhunderts, der doch von so vielen verschiedenen morgenländischen Zeitaltern, Lebenswelten und Religionen fasziniert war, nichts anderes sehen können als das, was uns heute umtreibt: eine Auseinandersetzung mit ,dem Islam‘.“ Andrea Polaschegg, Die Regeln der Imagination. Faszinationsgeschichte des deutschen Orientalismus zwischen 1770 und 1850. In: Charis Goer/Michael Hofmann (Hg.), Der Deutschen Morgenland. Bilder des Orients in der deutschen Literatur und Kultur von 1770 bis 1850, München 2008, S. 13–36, Zitat S. 36. Eher religiös oder theologisch interessierte Autoren wie Clinton Bennett suchen dagegen in interreligiöser Perspektive nach Prophetenbildern durch die Zeiten; vgl. Clinton Bennett, In Search of Muhammad, London/New York 1998.

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Imaginationen des Islam vorgestellt hat, gibt es eine ganze Reihe von Studien, die Wahrnehmungen, Bilder, images, perceptions oder auch „europäisches Denken“ (European Thought) oder „Moderne“ als Referenzgröße markieren. Bereits auf den ersten Blick lässt sich an dem Werk Saviellos eine wichtige Beobachtung machen. Denn Titel und Gegenstandsbereich divergieren massiv und setzen gleichzeitig „Muhammad“ und „Islam“ in eins: Der Gegenstand – ˙ – wird unter die Chiffre „Islam“ gestellt. bildliche Darstellungen des Propheten Die an dieser Stelle im Überblick zu erwähnende Literatur der letzten Jahre operiert also mit einem Ausdruck, der weder für das Mittelalter noch für die Frühe Neuzeit, ja beinahe noch über das gesamte 18. Jahrhundert hinweg, gar kein Ausdruck war – und erst recht kein Begriff für eine geklärte Referenzgröße „Islam“.11 Damit werden angesichts der neueren und neuesten Literatur zum Thema bestimmte Erwartungen an europäische oder westliche, jedenfalls nicht-islamische Islam-Bilder geweckt: Moderne Muslime. Ernest Renan und die Geschichte der ersten Islamdebatte 1883 (2016)12; Imaginationen des Islam (2015)13; Repräsentationen der islamischen Welt im Europa der Frühen Neuzeit (2010)14; Studien zu Islambildern im pädagogischen Jahrhundert Deutschlands (2009)15; The Enlightenment Qur’an. The Politics of Translation and the Construction of Islam (2009)16; Wahrnehmung des Islam zwischen Reformation und Aufklärung (2008)17; The Image of Islam in Western Thought (2008)18; Orient- und IslamBilder (2007)19; Perceptions of Islam in European Writings (2004)20; Lessings Auseinandersetzung mit dem Islam (2004)21; Ehrenthron 11 Darauf weisen auch Birte Platow und Dietrich Klein hin, indem sie die Verwendung des Begriffes als anachronistisch problematisieren, ihm aber einen entscheidenden Vorteil für ihren Aufsatzband bescheinigen, weil „jede Verwendung einer bestimmten vom 16. bis zum 18. Jahrhundert gebräuchlichen Bezeichnung zu einer Verengung der Perspektive auf eine bestimmte Dimension der Wahrnehmung geführt hätte, was der Absicht des Bandes zuwiderliefe“ (Klein/ Platow, Wahrnehmung, S. 7). Dieses Problem hat eine auf Repräsentationen des Propheten fokussierte Studie nicht. 12 Birgit Schäbler: Moderne Muslime. Ernest Renan und die Geschichte der ersten Islamdebatte 1883, Paderborn 2016. 13 Alberto Saviello, Imaginationen des Islam. Bildliche Darstellungen des Propheten Mohammed im westeuropäischen Buchdruck bis ins 19. Jahrhundert, Berlin/München/Boston 2015. 14 Gabriele Haug-Moritz/Ludolf Pezilaeus (Hg.), Repräsentationen der islamischen Welt im Europa der Frühen Neuzeit, Münster 2010. 15 Andreas Fischer, Vom Konflikt zur Begegnung? Studien zu Islambildern im pädagogischen Jahrhundert Deutschlands, Marburg 2009; vgl. auch die Zweitverwertung dieses Textes in der auf vier Bände angelegten Reihe „Die deutsche Aufklärung und der Islam“ (Norderstedt 2010). 16 Ziad Elmarsafy, The Enlightenment Qur’an. The Politics of Translation and the Construction of Islam, Oxford 2009. 17 Dietrich Klein/Birte Platow (Hg.), Wahrnehmung des Islam zwischen Reformation und Aufklärung, München 2008. 18 Frederik Quinn, The Sum of All Heresies. The Image of Islam in Western Thought, Oxford 2008. 19 Iman Attia, Orient- und IslamBilder. Interdisziplinäre Beiträge zu Orientalismus und antimuslimischem Rassismus, Münster 2007. 20 Ahmad Gunny, Perceptions of Islam in European Writings, Leicester 2004.

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oder Teufelsbrut? Das Bild des Islams in der deutschen Aufklärung (2001)22; Goethe und der Islam (2001)23; Lessing und die Herausforderung des Islam (1998)24; Islam and Romantic Orientalism (1994)25; Islam in European Thought (1992)26. Im Unterschied zu den Quellen findet sich in der Forschungsliteratur „Islam“; es findet sich auch das europäische (und deutsche) 18. Jahrhundert, sein „Denken“, seine „Schriften“, seine „Bilder“ – als aufeinander bezogene oder beziehbare feste Größen. In Texten des 18. Jahrhunderts ist allerdings die Rede von Türcken, von türckischer, mohamedischer, mahomedischer oder mahometanischer Religion und natürlich denkt nicht das Jahrhundert, sondern Menschen dachten, u. a. wenn sie Texte schrieben oder lasen, die uns heutzutage als Quellen zugänglich sind. Almut Höfert kritisiert zu recht, dass im Zusammenhang des europäischen ,Islam-Bildes‘ auf der Grundlage eines Alterierungsdiskurses eine begriffliche Achse vom Fremden und vom Eigenen entstehe und fortgeschrieben werde. Sie mahnt an, den Ethnozentrismus in der Beschreibung des ,Anderen‘, in diesem Falle des ,Islam‘ zu überwinden. Denn sonst sei festzustellen, dass das Eigene eigen und das Fremde fremd bleibe, erst recht, wenn man ausschließlich westeuropäische Quellen heranziehe, „so dass das Eigene über das zum Schweigen verurteilte Fremde spricht“27. Dieser Vorwurf trifft auch die vorliegenden Studien, und er trifft zu. Hier werden ausschließlich westeuropäische bzw. deutschsprachige Quellen und (wenige) Übersetzungen aus dem Arabischen herangezogen. Der berechtigte Vorwurf trifft allerdings nur dann zu, wenn man diese Studien zum deutschen Muhammad-Bild im 18. Jahr˙ hundert als eine Beschäftigung mit dem Islam betrachtet. Doch das sind sie aus zwei Gründen nicht. Neben dem genannten Fehlen dieser Größe in den Quellen ist erstens darauf aufmerksam zu machen, dass auch das Verständnis von Religion im Sinne eines modernen Religionskonzepts erst in dieser Zeit entwickelt wird.28 Zweitens geht es in aller Regel nicht um Reiseeindrücke oder 21 Silvia Horsch, Rationalität und Toleranz. Lessings Auseinandersetzung mit dem Islam, Würzburg 2004 (Ex oriente Lux. Rezeptionen und Exegesen als Traditionskritik 5). 22 Marc-Oliver Rehrmann, Ehrenthron oder Teufelsbrut? Das Bild des Islams in der deutschen Aufklärung, Zürich 2001. 23 Katharina Mommsen, Goethe und der Islam, Frankfurt/Leipzig 2001. 24 Karl-Josef Kuschel, Vom Streit zum Wettstreit der Religionen. Lessing und die Herausforderung des Islam, Düsseldorf 1998 (Weltreligionen und Literatur 1). 25 Mohammed Sharafuddin, Islam and Romantic Orientalism. Literary Encounters with the Orient, London/New York 1994. 26 Albert Hourani, Islam in European Thought, Cambridge 1992; dt.: Der Islam im europäischen Denken, Frankfurt 1994. 27 Almut Höfert, Alteritätsdiskurse: Analyseparameter historischer Antagonismusnarrative und ihre historiographischen Folgen. In: Gabriele Haug-Moritz/Ludolf Pezilaeus (Hg.), Repräsentationen der islamischen Welt im Europa der Frühen Neuzeit, Münster 2010, S. 21–40, Zitat S. 22. 28 Vgl. dazu Ernst Feil, Religio. Bd. 4: Geschichte eines neuzeitlichen Grundbegriffs im 18. und frühen 19. Jahrhundert, Göttingen 2007 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 91). Zur Diskussion vgl. Michael Bergunder, Was ist Religion? Kulturwissenschaftliche Überle-

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um Begegnungen, sondern um die immer wieder auftauchende Konstruktion von Muhammad-Bildern aus bereits länger vorhandenen Quellen, die teil˙ in Reiseberichte nachträglich einschrieben werden. Damit spielt weise auch auch der durch diese Bilder geprägte bzw. erzeugte Raum, die imaginäre Geographie eine Rolle, die räumliche Repräsentationen erzeugt, fort- und festschreibt.29 Es wird sich erweisen, dass die Konstruktionen von Muhammad-Bildern in ˙ Kontexten stattfinden, die in der Regel mit konkreten Muslimen nichts zu tun haben, sondern als westliche, großenteils innerchristliche, näherhin sogar als protestantische Kontexte zu identifizieren sind. Hier wird im Laufe des 18. Jahrhunderts über Christentum debattiert, später auch über Religion und Deismus. Es wird positive Religion (Christentum und Kirche) kritisiert.30 Darüber hinaus finden sich sehr häufig innerchristliche Polemiken als Hingungen zum Gegenstand der Religionswissenschaft. In: Zeitschrift für Religionswissenschaft 19/2011, S. 3–55; engl. Fassung: What is Religion? The Unexplained Subject Matter of Religious Studies. In: Method and Theory in the Study of Religion 26/2014, S. 246–286. 29 Dabei werden Reisebeschreibungen oftmals um zirkulierendes Bücherwissen ergänzt. Es findet sich ein ausführliches Kompilationswesen im 18. Jahrhundert; vgl. Carola Hilmes, Türkeiberichte in den großen Reisesammlungen des 18. Jahrhunderts. In: Schmidt-Haberkamp, Europa, S. 287–304. Alexander Clauß diskutiert das Verhältnis von Augenzeugenschaft und Kompilation am Beispiel von Christoph Wilhelm Lüdeke; vgl. Alexander Clauß, Christoph Wilhelm Lu¨deke (1737–1805): ,Glaubwu¨ rdige Nachrichten‘ und ,Beschreibung des Tu¨ rkischen Reichs‘ im historischen Kontext, Diss. Theol. Halle 2015, S. 230–235 (urn:nbn:de:gbv:3:4–15911; 11. 11. 2016). 30 Dietrich Klein, der rezeptionsgeschichtliche Aspekte zum Werk Asˇ-Sˇahrastanis untersucht, stellt zusammenfassende Vermutungen über Gründe für die zunehmende Wertschätzung „des Islam“ im 18. Jahrhundert an. Die demgegenüber viel häufiger kolportierte, karikierende Ablehnung der Prophetengestalt und des Koran wird dabei allerdings nur am Rande erwähnt. Damit fällt das damalige Provokationspotenzial derartiger Äußerungen leider unter den Tisch; vgl. Dietrich Klein, An der Wiege der islamischen Vernunft. Asˇ-Sˇahrastanis Bericht über die MuCtaziliten und seine protestantischen Deutungen. In: Jörg Lauster/Bernd Oberdorfer, Der Gott der Vernunft. Protestantismus und vernünftiger Gottesgedanke, Tübingen 2009, S. 147–168, Zitat S. 148: „Welche Faktoren die sukzessive Aufwertung des Islam in den frühneuzeitlichen Religionsdiskursen bedingt haben, lässt sich lediglich vermuten. Kulturvergleichende Beobachtungen zu den Türken schon im 16. Jahrhundert mögen eine Rolle gespielt haben, die Parallelwahrnehmung von sozinianischer und koranischer Kritik christlicher Zentraldogmen, die ab dem 17. Jahrhundert eng verbunden ist mit der aufklärerischen Kritik an den alten Autoritäten von Klerus, Schrift und Bekenntnis, der apologetische Rekurs auf das islamische Modell einer mit dem Ur-Monotheismus Abrahams beginnenden Religionsgeschichte oder eine sich gegenüber der Theologie verselbständigende Philologie, die zunehmend bereit ist, Quellen ,unparteiisch‘ zu lesen und polemische Vorurteile der Tradition zu überwinden. Auch die Bedeutung der Niederlande und Englands als Zentren der orientalischen Philologie mag zur Popularisierung, des Islam in Europa beigetragen und orientalische Studien zu einem Erkennungszeichen derer gemacht haben, die für den Fortschritt in Wissenschaft, Handel und Politik eintraten. Alles das können Assoziationen sein, die die Rede vom ,türkischen Glauben‘ als der historischen Realisierung des ursprünglichen, vernünftigen Monotheismus Abrahams wach ruft. Der Islam avanciert zur Utopie, wird manchem christlichen Gelehrten zu einer besseren Gegenwelt, in der die uralte Vernunftreligion, die in Europa unter dem dogmatischen Despotismus jeweiliger Orthodoxien nicht zu gedeihen vermag, eine Bleibe findet.“

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tergründe für die Muhammad-Darstellungen. Der zweite Grund, der als Ent˙ gegnung auf den richtigen Vorwurf Höferts geltend gemacht wird, lautet also: In dieser Studie geht es nicht um den Islam im 18. Jahrhundert und eine Beurteilung seiner mehr oder weniger angemessenen Wahrnehmung bzw. Konstruktion in zeitgenössischen Texten, sondern es geht um unterschiedlich motivierte und unterschiedlich eingesetzte Bilder von Muhammad in ihren ˙ jeweiligen, diversen Kontexten. Eine Beurteilung der Angemessenheit oder Unangemessenheit nach damaligem oder heutigem Kenntnisstand, ein Vergleich alter und neuer Bilder also, findet nicht statt – es geht nicht um eine Biographie Muhammads, sondern um sprachliche Bilder des 18. Jahrhunderts, um Repr˙äsentationen. Solche Bilder sind nach wie vor neuralgische Punkte. Sie stehen zunächst für sich selbst und sind Gegenstände grundsätzlicher Auseinandersetzungen und Positionierungen. Das hat sich seit dem 18. Jahrhundert offensichtlich nicht wesentlich geändert.31 Trotz der oben genannten Fülle der Untersuchungen zum Themenfeld „Islam“ und „der Westen“ bzw. Europa fehlt im Unterschied zu England32 bislang ein fundierter Überblick über das deutsche 18. Jahrhundert in dieser Frage.33 Für das 19. Jahrhundert gibt es eine Menge einander überschneidender Studien zum 31 Auch Hamed Abdel-Samad, der dezidiert keine Biographie vorlegen wollte, publizierte 2015 ein entsprechendes Mohammed-Bild unter dem Titel Mohamed. Eine Abrechnung (vgl. Hamed Abdel-Samad, Mohamed. Eine Abrechnung, München 2015). Interessanterweise beschreibt er einen historischen Vorgang, den er mit seiner „Abrechnung“ selbst bedient: „Mohamed als historische Person, seine Taten und Worte sind eine Projektionsfläche, die nach Belieben gefüllt werden kann. Jeder kann daraus machen, was er will, um darin eine Bestätigung und Legitimation dessen zu finden, wonach er trachtet und wer er ist.“ A. a. O., S. 10. 32 Matthew Dimmock, Mythologies of the Prophet Muhammad in Early Modern English Culture, Cambridge/Mass. u. a. 2013. 33 Die Erwartung einer Studie zum Thema „Islambild in der deutschen Aufklärung“ wird immer wieder geäußert; vgl. zuletzt Monika Fick, Lessings Nathan der Weise und das Bild vom Orient und Islam in Theatertexten aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: Goethezeitportal (eingestellt 15. 02. 2017; http://www.goethezeitportal.de/db/wiss/lessing/fick_orient.pdf; 28. 03. 2017), S. 6 f, Anm. 13. Ungeachtet der mit solchen Erwartungen verbundenen Setzungen („Islam“, „Aufklärung“, „Westen/westliche Welt“) ist das Thema tatsächlich noch nicht hinreichend bearbeitet worden. Das gilt unbeschadet der unter verschiedenen Titeln 2009 und 2010 publizierten Potsdamer Dissertationsschrift von Andreas Fischer; vgl. Fischer, Konflikt. Einen thematisch deutlich weiter gefassten Überblick gibt Jürgen Osterhammel, Die Entzauberung Asiens. Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert, München 2010 (1998). Die breit angelegte Studie von Nina Berman widmet dem Thema 40 Seiten, die einen systematischen Überblick über Literatur zum Mittleren Osten geben; vgl. Nina Berman, German Literature on the Middle East. Discourses and Practices, 1000–1989, Ann Arbor 2014, S. 104–143. Ziad Elmarsafys Untersuchung ist wiederum an wenigen „Höhenkamm-Autoren“ orientiert, unter denen außer Goethe keine deutsche Stimme zu finden ist; vgl. Ziad Elmarsafy, The Enlightenment Qur’an. The Politics of Translation and the Construction of Islam, Oxford 2009. Die von Barbara Schmidt-Haberkamp publizierten Beiträge der DGEJ-Tagung von 2008 gehen wiederum auf religionsfokussierte Themen wie „Islam-Bilder“ oder „Muhammad-Bilder“ nicht weiter ˙ ein; vgl. Barbara Schmidt-Haberkamp (Hg.), Europa und die Türkei im 18. Jahrhundert / Europe and Turkey in the 18th Century, Göttingen 2011.

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deutschen Orientalismus, zum Türkenbild sowie zu interkulturellen Beziehungen und zur Fachgeschichte der deutschen Orientwissenschaft.34 Mit Blick auf die Zeit nach 1900 hält Reinhard Schulze in seiner gerade in neuer Fassung erschienenen Geschichte der islamischen Welt fest: „Die Modernität der islamischen Öffentlichkeit kreierte einen Islam, der frei von Geschichte zu sein schien. Er fand sein Abbild allein in der idealisierten islamischen Frühzeit, die nun als ,klassische Zeit‘ galt und zur wichtigsten Ressource für die Gewinnung von Aussagen wurde, um die Teilhabe an der Moderne zu rechtfertigen. Damit aber die islamische Frühzeit diese Funktion zeitenunabhängiger Autorität übernehmen konnte, musste sie selbst so historisiert werden, dass sie als ,wirkliches‘ und ,wahres‘ Geschehen gelten konnte. Diese Historisierung betraf auch den Propheten Muhammad, der nun ˙ weniger als spiritueller Bezugspunkt einer Frömmigkeit, sondern mehr und mehr als eine reale historische Persönlichkeit porträtiert und heroisiert wurde.“35 Beobachtungen, wie Reinhard Schulze sie für die Zeit ab 1900 vorgelegt36 und für das 19. Jahrhundert konzeptionell skizziert hat37, lassen sich in analoger Weise auch für das 18. Jahrhundert machen. Die textlichen Repräsentationen weisen in dieser Zeit ebenfalls eine Zentralstellung Muhammads bzw. eine Zentralstellung der Wertung und Beurteilung Muhammads˙ auf. Dies ˙ gilt es zu erheben und darzustellen. Muhammad-Bilder unterliegen im Laufe der Zeit ganz offensichtlich un˙ terschiedlichen Generierungsumständen und -hinsichten. Diese banal anmutende Feststellung scheint deswegen nötig zu sein, weil oftmals nicht geklärt wird, welche historischen Referenzpunkte jeweils im Blick sind. Das Thema „Muhammad-Bilder“ ist deswegen sehr hilfreich, weil es sofort Fragen ˙ des historischen Abstandes, der Historizität und der Angemessenheit aufwirft. Das Thema „Islam“ scheint das meistens nicht zu brauchen, denn weder 34 Zu Muhammad-Bildern vgl. Alberto Saviellos Arbeit, die auf Darstellungen im Kontext von ˙ Romantik und Kolonialismus eingeht; vgl. Saviello, Imaginationen, S. 231–300; Vgl. weiterhin die Bemerkungen zur Protestantisierung des Islam im 19. Jahrhundert von Reinhard Schulze mit Verweis auf Malise Ruthven: Reinhard Schulze, Islam und Judentum im Angesicht der Protestantisierung der Religionen im 19. Jahrhundert, in: Lothar Gall, Dietmar Willoweit (Hg.): Judaism, Christianity, and Islam in the Course of History. Exchange and Conflicts, München 2011, S. 139–165; Malise Ruthven, Islam in the world, New York 32006. Aus der Perspektive einer Fachgeschichte ist nach wie vor einschlägig: Johann Fück, Die arabischen Studien in Europa bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts, Leipzig 1955. Die instruktive Arbeit von Birgit Schäbler über Ernest Renan berührt sich inhaltlich mit Beobachtungen, die Edward Said bereits 1978 vorgelegt hat; vgl. Schäbler, Muslime and Said, Orientalism. Hervorzuheben sind weiterhin die Arbeiten von Andrea Polaschegg und Nedret Kuran-BurÅog˘lu; vgl. Andrea Polaschegg, Der andere Orientalismus. Regeln deutsch-morgenländischer Imaginationen im 19. Jahrhundert, Berlin/New York 2005; Nedret Kuran-BurÅog˘lu, Die Wandlungen des Türkenbildes in Europa vom 11. Jahrhundert bis zur heutigen Zeit. Eine kritische Perspektive, Zürich 2005. 35 Reinhard Schulze, Geschichte der islamischen Welt. Von 1900 bis zur Gegenwart, München 2016, S. 15. 36 Vgl. Schulze, Geschichte. 37 Vgl. Schulze, Islam.

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die Historizität oder Kontingenz noch die Frage des historischen Abstandes werden diskutiert. „Islam“ scheint ein selbstevidenter Ausdruck zu sein, seine Geburtsstunde wird im Arabien des 7. Jahrhunderts verortet und dementsprechend wird eine Ausbreitungsgeschichte aus diesem Epizentrum heraus erzählt. Die vorgelegten Studien sollen einen Beitrag dazu leisten, die Forschungslücke zum Thema „Islam und 18. Jahrhundert“ weiter zu schließen. In einem weiteren Schritt, der hier nicht gegangen aber vielleicht mit vorbereitet wird, könnte dann auch weiter nach dem ,islamischen 18. Jahrhundert‘ oder nach Aufklärung und Islam bzw. Aufklärung im Islam gefragt werden. Reinhard Schulze weist seit vielen Jahren auf das Problem der Lokalisierung durch das Konzept der Europäischen Aufklärung hin und formuliert dagegen den Anspruch einer Globalgeschichte der Aufklärung, die auch den Islam einschließt.38 Er kritisiert essentialistische Normierungen durch Sätze wie „Der Islam kennt keine Aufklärung“. Die Auseinandersetzungen über diese Stichworte sind längst nicht auf Forschungsdebatten beschränkt. Vielmehr spielen sie auch im Raum des Politischen, ja in tagespolitischen Debatten und inzwischen auch auf Straßen und Plätzen Deutschlands mit großer Energie und Härte ab. Islam und Aufklärung sind – je für sich und erst Recht in der Kombination – umkämpfte Ausdrücke, sind neuralgische Punkte. Ähnliches gilt für Repräsentationen Muhammads – von der Frage der Historizität der ˙ Prophetenfigur bis hin zum Karikaturenstreit. In den hier untersuchten Quellen des 18. Jahrhunderts finden sich zwei gegenläufige Tendenzen – nämlich Muhammad Vernunft und Aufklärung, ˙ oder doch zumindest Potential dazu abzusprechen, oder eben auch zuzuschreiben. Das Absprechen von Vernunft ist mit dem Zuschreiben von Wahnsinn, Epilepsie und anderen Konnotationen verknüpft; es geht um den wohl prominentesten Anti-Helden des 18. Jahrhunderts. Das Zuschreiben von Vernünftigkeit findet sich vor allem gegen Ende des Jahrhunderts im Zusammenhang eines neuen, vernunftorientierten und universalen Religionskonzepts, das Muhammad miteinschließt (s. Kap. 24 und 25). ˙ Edward Said kritisierte bereits 1978 in seiner Studie Orientalism – Western Conceptions of the Orient die geisteswissenschaftliche Methode. Man achte auf Phänomene wie Text, Kontext oder auch Intertextualität und erwarte vom Autor, „sein Werk aus eigener Kraft und aus den Tiefen reinen Geistes zu 38 Vgl. Reinhard Schulze, Weltbilder der Aufklärung. Zur Globalgeschichte neuzeitlicher Wissenskulturen. In: Margaret Grandner/Andrea Komlosy (Hg.), Vom Weltgeist beseelt. Globalgeschichte 1700–1815, Wien 2004, S. 161–179. Stellvertretend für die bereits länger geführte Debatte um islamische Aufklärung sei auf folgende Texte verwiesen: Reinhard Schulze, Das islamische achtzehnte Jahrhundert. Versuch einer historiographischen Kritik. In: Die Welt des Islams 30 (1990), S. 140–159, sowie den sich in diesem Heft anschließenden Beitrag (S. 160–162): Rudolph Peters, Reinhard Schulze’s quest for an islamic enlightenment. Schulzes Auseinandersetzung mit der Kritik von Bernd Radtke und Tilman Nagel ist dokumentiert in Reinhard Schulze, Was ist islamische Aufklärung? In: Die Welt des Islams 36 (1996), S. 276–325.

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schaffen“39. Den Einfluss politischer, institutioneller oder ideologischer Zwänge auf den jeweiligen Autor sehe man dagegen „etwas negativer“40 und diskutiere ihn letztlich nicht. Eine solche, nach dem linguistic turn41 und diversen diskurstheoretischen Ansätzen in der Breite wohl nicht mehr angebrachte Kritik,42 sollte die folgenden Studien nicht treffen, wenn die hier zu betrachtenden Quellen nicht im Hinblick auf den historischen Muhammad, ˙ Texte sondern an ihrem eigenen historischen Ort lokalisiert werden. Die werden also nicht als Beschreibungen Muhammads, sondern selbst als historische Konstruktionen mit einem jeweils˙ eigenen Kontext verstanden, die keine Rückschlüsse auf den ,eigentlichen‘, wirklichen oder historischen Muhammad zulassen, sondern Repräsentationen sind, die stets für die Kontexte ˙ sprechen, in denen sie generiert wurden.43 In der Forschungsliteratur findet man häufig implizit, seltener explizit, die Vorstellung von ,guten‘ Aufklärern, von ,Pionieren‘ einer „wissenschaftlicheren und objektiveren Sicht des Islam“44. Eine solche Sicht wird hier nicht angestrebt. Hier geht es nicht darum, ob die vorzustellenden Muhammad˙ werden Bilder dem historischen Befund oder muslimischer Verehrung gerecht oder etwa als ,gute Aufklärung‘ gelten könnten oder als deren vermeintliche Oppositionen verbucht werden sollen, die dann so etwas wie ,schlechte Aufklärung‘ oder ,Unaufgeklärtheit‘ (= Dunkel), ,Orthodoxie‘, ,Pietismus‘ u. a.m. 39 40 41 42

Edward Said, Orientalismus, Frankfurt 2009, S. 23. Ebd. Richard Rorty (Hg.), The Linguistic Turn. Recent Essays in Philosophical Method, Chicago 1967. Gleichwohl kann keine Rede davon sein, dass an Sprache orientierte Ansätze oder diskurstheoretische Perspektiven sich in den letzten Jahrzehnten unwidersprochen durchgesetzt hätten; vgl. Philipp Sarasins Aufsatz „Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse“ im gleichnamigen Band: Philipp Sarasin, Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse, Frankfurt 2003 (stw 1639), S. 10–60. Sarasin setzt sich mit Kritikern dieses Ansatzes auseinander, der im Verdacht stehe, „den Historikern den Sinn für die Wirklichkeit zu rauben“ (S. 10). Dagegen grenzt er einen postmodernen, an Sprache orientierten Ansatz von Historismus, von der Historischen Sozialwissenschaft, der Mentalitätsgeschichte und der Alltagsgeschichte ab und diskutiert darüber hinaus die neuere Kulturgeschichte. Auf die notwendige Theorie- und Methodendebatte kann hier nur hingewiesen werden. 43 Vgl. Iman Attia, Kulturrassismus und Gesellschaftskritik. In: ders., Orient- und IslamBilder. Interdisziplinäre Beiträge zu Orientalismus und antimuslimischem Rassismus, Münster 2007, S. 5–28. Attia beschreibt ,Islam‘ und ,Orient‘ als Ausdruck gesellschaftlicher Konstruktionsprozesse mit realen Folgen und weist auf die vielfältigen Möglichkeiten der Zuschreibung ,Muslim‘ hin. 44 Horsch, Rationalität, S. 13; vgl. auch Mommsen, Goethe, S. 19–20: „Wir sehen also in Goethes Epoche Bestrebungen sich abzeichnen, den Islam freier und unvoreingenommener zu betrachten, als es jahrhundertelang üblich gewesen war. Dabei darf man allerdings nicht vergessen: es waren doch immer nur Einzelne, die sich auf solchen vorurteilsloseren Standpunkt zu erheben vermochten. Nur von wenigen Wortführern der Zeit kann man sagen, daß sie danach trachteten, engherzige Ansichten zu beseitigen und den Geist ihrer Landsleute aufzuklären, um Gesinnungen und Denkweise zu veredeln. Demgegenüber verhielten sich die meisten Zeitgenossen, soweit sie sich überhaupt mit dem Islam befaßten, auch weiterhin noch lange zumeist verständnislos und intolerant.“

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markieren würden. Hier geht es vielmehr um die Frage, in welchem Kontext diese Bilder von Muhammad gezeichnet und wozu sie verwendet wurden. Hält man sich die Namen˙einiger hier vorzustellender Autoren (z. B. Voltaire, Bayle, Semler) oder gängige Zuschreibungen wie ,aufgeklärt‘, ,pietistisch‘ oder ,lutherisch-orthodox‘ oder ,katholisch‘ vor Augen, fragt man nach den Berufen der Autoren (unter ihnen finden sich viele Universitätstheologen und Pfarrer) oder nach vergleichbaren Markern, so verbindet man damit in der Regel eine gewisse Erwartungshaltung mit Bezug auf den Ausdruck „Aufklärung“, der im 18. Jahrhundert selbst, wie auch für die historische Beschreibung und eben auch für heutige Selbstpositionierungen eine große Rolle spielt. Vermutlich werden solche Erwartungen bei der Lektüre das eine oder andere Mal positiv oder negativ enttäuscht werden, denn eine Zuschreibung nach der Dichotomie aufgeklärt vs. nicht aufgeklärt wird hier oftmals versagen.45 Ob „Religion“ hier etwas bezeichnet, das mit heutigen Vorstellungen von „Islam“ übereinstimmt, scheint mir fraglich zu sein. Die „Religion der Türcken“ oder der „Mahomedische Glaube“ markieren etwas anderes als die im 19. Jahrhundert entstehende abstrakte Größe „der Islam“, die seitdem (im 20. und 21. Jahrhundert) massive Wandlungen erfährt.46 Gleiches gilt für „den Buddhismus“ und – später – für „den Hinduismus“.47 Es scheint, als würde „das Christentum“ – als Abstraktum statt eines konkreten Ausdrucks wie „Kirche“ o. ä. – durchaus mit dem diskursiven Entstehen dieser Religionsabstrakta („Buddhismus“, „Hinduismus“, „Islam“) in deutschsprachigen Texten korrelieren.48 (Gleiches lässt sich für das Aufkommen dieser Abstrakta in englisch- und französischsprachigen Texten feststellen.) Auch die sich in einigen Punkten mit den vorliegenden Studien berührende, äußerst informative und instruktive Arbeit von Marc-Oliver Rehrmann über „Das Bild des Islams in der deutschen Aufklärung“49 geht in diesem Sinne von einer nicht definierten, im 18. Jahrhundert noch nicht einmal als Religionsabstraktum benannten Größe – „der Islam“ – aus. Die folgende, der eingangs zitierten Kritik Saids entsprechende Beobachtung Rehrmanns scheint mir im Grundsatz – auch wenn der Ausdruck „Islam“ eingeklammert werden müsste – zutreffend zu sein: „Die Bilder einerseits vom Islam und andererseits 45 Ganz im Sinne der alltagssprachlichen Füllung von „Aufklärung“ kann dagegen Marc-Oliver Rehrmann mit Hilfe von Forschungsliteratur vom Beginn des 20. Jh.s Aufklärung als Kollektivsingular und einheitliche Bewegung bezeichnen und ihr die „Schuld“ „an dem vielerorts neuen Islambild“ geben (Rehrmann, Ehrenthron, S. 97; vgl. den ganzen Zusammenhang S. 96–98). Auch Alberto Saviello fasst das Thema für das 18. Jahrhundert unter der Überschrift „Die Mohammedbilder der Aufklärung“ zusammen, ohne das Thema „Aufklärung“ weiter zu problematisieren; vgl. Saviello, Imaginationen, S. 169–229. 46 Vgl. Schulze, Geschichte. 47 Vgl. Tomoko Masuzawa, The Invention of World Religions. Or, how European universalism was preserved in the language of pluralism, Chicago 2005. 48 Reinhard Schulze schreibt in diesem Zusammenhang von „Protestantisierung“ (Schulze, Islam, 139 u. ö.). 49 Rehrmann, Ehrenthron.

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des Propheten sind wie siamesische Zwillinge, sie sind so gut wie nicht voneinander zu trennen. Das Islamurteil wird meist an der Person des Propheten festgemacht. Zwei Eckpfeiler tragen überwiegend das Islambild der Deutschen: Muhammeds Leben und der Koran.“50 Mit der Repräsentation dieser beiden Größen – Muhammad und Koran – ˙ Offenbarungsbuch wird in den Quellen operiert, am Propheten und seinem werden die Themen, die in den diversen Kontexten virulent sind, abgearbeitet. Die Rede vom „Islambild“ setzt allerdings nicht nur das genannte Religionsabstraktum „Islam“, sondern sie setzt ebenso ein komparatives und gleichzeitig abstrahierbares bzw. abstraktes Religionsverständnis voraus. Selbst in Lessings Drama „Nathan der Weise“ finden sich Jude, Christ und Muselmann, auch Judentum und Christentum – nicht aber Islam. Das von „positiven Religionen“ (Lessing) abstrahierende Verständnis von Religion wird nun aber erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts erzeugt und auch durch weiterhin rezipierte, vorgängige Muhammad-„Bilder“ affirmativ oder ab˙ Changieren der hier vorzustellenden grenzend nachhaltig geprägt. Gerade das Repräsentationen Muhammads zwischen Wahnsinn und Betrug, Heldentum ˙ und Vernunft macht deutlich, dass es bei diesem Thema weniger um historiographischen Erkenntnisfortschritt als vielmehr um eine Chiffre geht, die in den Debatten des 18. Jahrhunderts für durchaus verschiedene, teilweise gegensätzliche, teilweise völlig voneinander unabhängige Positionierungen stehen kann. Dies soll in den folgenden Kapiteln, deren jeweilige historische Kontexte sich nur teilweise überschneiden, vorgestellt und analysiert werden. Welche Muhammad-Bilder werden in welchen Kontexten im Rahmen ˙ welcher Positionierungen (Ein- und Ausgrenzungen) erzeugt? Wofür werden die jeweils zu beschreibenden Repräsentationen Muhammads eingesetzt? ˙ eine vergleichende Wogegen? In welcher Weise kommt das Wort „Islam“ als Abstrahierung (Islam und Christentum) ins Spiel? Gibt es Kontinuitäten zur späteren Reifizierung des Islam als „islamische Welt“? Die Forschungslage ist, wie bereits mehrfach betont, divers. Allerdings findet sich als Grundton die teleologische Tendenz, heutiges Islamverständnis wie auch heutige Ansichten über Muhammad aus einer (wesenhaften) Verlaufsgeschichte herzuleiten. Das Problem ˙ist, dass dieses heutige Verständnis auf (ihm gegenüber historisch völlig disparate) Quellen des 18. Jahrhunderts projiziert wird. Die Frage, worum es konkret geht, wenn die gesuchten Sprachspiele in Texten auftauchen, ist jeweils zu stellen und zu beantworten. Man wird jedenfalls nicht ohne weiteres davon ausgehen können, dass es um ein adäquates bzw. adäquateres Muhammad-Bild nach heutigem Verständnis geht. Weder die Religionswis˙ senschaft noch die Islamwissenschaft resp. Orientalistik waren zu dieser Zeit erfunden; die Theologie steckte in massiven Umbrüchen, auf die von heute aus zurückgeblickt werden kann. Es lässt sich vor der „Entdeckung der Religi50 Rehrmann, Ehrenthron, S. 15.

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onsgeschichte“51 eben nicht mit denselben diskursiven Konstellationen rechnen wie im 20. oder 21. Jahrhundert. Wir haben es hier mit Quellen aus einer Zeit zu tun, die im Hinblick auf die Entdeckung der Religionsgeschichte zunächst als eine Art Vorgeschichte aufzufassen ist. Es wird in Zukunft zu fragen sein, inwieweit Entwicklungen im 18. Jahrhundert als Teile dieser entdeckten Religionsgeschichte verstanden werden können, ob es diachrone Gemeinsamkeiten gibt, die das 19. Jahrhundert in diesen Fragen mit dem 18. Jahrhundert verbinden. Doch das ist nicht Gegenstand dieses Buches, das deutschsprachige Muhammad-Bilder im 18. Jahrhundert zum Gegenstand hat. Muhammad-Bilder?˙ Es handelt sich um deutschsprachige ˙Texte für gebildete Leser. Deutsch wird im Laufe des 18. Jahrhunderts auch als eine Wissenschaftssprache entwickelt, die Latein nach und nach ablöst.52 So finden sich in dieser Zeit noch Übersetzungen aus dem Lateinischen (z. B. Nerreters Koran-Übersetzung 1703 oder die Übersetzung Relands 1716; vgl. Kap. 4 u. 6). Darüber hinaus finden sich in den 1770er-Jahren erstmals Koran-Übersetzungen aus dem Arabischen direkt ins Deutsche (vgl. Kap. 22 u. 23). Akademisches bzw. akademisch fundiertes Wissen wird auf diese Weise zugänglich gemacht.53 Viele der hier zu beachtenden Texte sind aus dem Lateinischen, Englischen und Französischen und auch aus dem Arabischen direkt ins Deutsche übersetzt worden. „Deutschsprachige Texte“ – wie im Titel des Buches erwähnt – markieren also durchaus auch einen europäischen Horizont mit Bezügen auf arabischsprachige und weitere Quellen. Die Diskurslagen, in denen und für die diese unterschiedlichen Texte als Neuschöpfungen, Kompilationen oder eben Übersetzungen erzeugt werden, sind allerdings auf den deutschsprachigen Raum bezogen. Oft betonen die Übersetzer das Anliegen, die jeweilige Schrift auch denjenigen, welche die jeweilige Originalsprache nicht beherrschen, zugänglich machen zu wollen. Teilweise werden die Zielgruppen genauer benannt: die Jugend, das studierende oder das lesende Publikum. Es handelt sich also meistens um Texte, die nicht für Fachwissenschaftler reserviert waren und die von ganz unterschiedlichen Autoren stammen. Reiseberichte und Kompilationen, Überblicksdarstellungen über Regionen, Lexika, Weltgeschichten, Kirchen- und Religionsgeschichten, Theaterstücke (etwa von Voltaire oder von Lessing) u. a. gehören in diesen weiteren Zusammenhang. Sehr häufig werden Texte, Textauszüge oder Übersetzungen in Form von Artikeln in den sogenannten moralischen Wochenschriften wieder abgedruckt, meistens, ohne dies kenntlich zu machen. In diesen vielfältigen 51 Hans-Georg Kippenberg, Die Entdeckung der Religionsgeschichte. Religionswissenschaft und Moderne, München 1997. 52 Vgl. Karl-Heinz Göttert, Deutsch. Biografie einer Sprache, Berlin 2010 sowie den Katalog zur Ausstellung des Deutschen Historischen Museums „Die Sprache Deutsch“ von Heidemarie Anderlik und Katja Kaiser, Berlin/Dresden 2009. 53 Peter Burke, Papier und Marktgeschrei. Die Geburt der Wissensgesellschaft, Berlin 2001, S. 175–179.

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Texten und Textsorten werden immer wieder Bilder des Propheten erzeugt. Dabei ist die Darstellung und Beurteilung Muhammads, seines prophetischen ˙ Anspruches und seines Anspruches, eine göttliche Offenbarung zu bringen, entscheidend: Wenn an den Anfang einer neueren Geschichte Arabiens oder einer Schilderung des Osmanischen Reichs das Bild eines Betrügers gestellt wird, wirft dieses einen Schatten auf das Ganze. Dies gilt ebenfalls, wenn eine Biographie vorgelegt wird, in der Muhammad etwa als der größte Staatsmann ˙ Koranübersetzung ihn als Reformator der Weltgeschichte erscheint oder eine einführt. Ob explizit intendiert oder nicht: die Beurteilung Muhammads ˙ in den entscheidet auch über die Repräsentation seiner Religion, auch wenn Darstellungen ,gute‘ Bekenner einer ,schlechten‘ Religion erscheinen (vice versa). Beruht die so repräsentierte Religion auf einem Betrug, ist die gesamte Darstellung davon imprägniert, ebenso, wenn dieser Religion oder ihrem Stifter Vernünftigkeit oder Klugheit bescheinigt wird.54 Um einen Überblick über das 18. Jahrhundert zu bekommen, wurden insgesamt ca. 700 Quellen unterschiedlichster Art – von mehrbändigen Werken über Monographien, schöne Literatur und Kompilationen bis hin zu Rezensionen und Zeitschriftenbeiträgen – gesichtet. Diese Fülle ließe sich sicherlich noch vermehren, denn der Prophet findet in allen möglichen Zusammenhängen Erwähnung. Alles darzustellen ist unmöglich, manches ist bekannt. Über die hier erwähnten Quellen hinaus sind selbstverständlich auch weitere Texte in den Blick gekommen, die hier nicht alle aufgezählt werden können. Die notwendige Auswahl erfolgte nach Gesichtspunkten wie: 1) Originalität im Hinblick auf Facetten der Darstellung oder die Ausrichtung der jeweiligen Publikation; 2) Heterogenität der Gattungen (Biographien, Lexika, Geschichtsdarstellungen etc.); 3) Rezeption der Darstellungen bei anderen Autoren. Die Reihenfolge der Darstellung folgt insofern der Chronologie, als hier das Erscheinen der jeweiligen Veröffentlichung, also ggf. auch erst der deutschen Übersetzung eines fremdsprachigen Werks die Ordnung vorgibt. Die Vorstellung und Rekonstruktion ist dabei an den konkreten Kontexten der in Deutschland erscheinenden Veröffentlichungen orientiert und versucht jeweils die diskursiven Zusammenhänge sichtbar zu machen. Die Untersuchung beginnt mit einem Zeitraum, der von der letzten großen Auseinandersetzung mit dem Osmanischen Reich, dem sogenannten großen Türkenkrieg geprägt ist. Mit dem Frieden von Karlowitz (1699) begann eine neue Phase politischer Auseinandersetzung mit den Osmanen. Die „letzte große Türkenfurcht“ war vorüber und im Laufe des 18. Jahrhunderts lassen „Turquerien“ ein neuartiges Bild aufkommen.55 Als Beispiel sei auf August den 54 Clinton Bennett legt für die interreligiöse Perspektive seiner Herangehensweise u. a. fest: „I discovered that scholars’ views of the Prophet inevitabely colour their overall evaualtion of Islam“ (Bennett, Search, S. 1). 55 Vgl. dazu Franco Cardini, Europa und der Islam. Geschichte eines Mißverständnisses, München 2000, S. 244–258 (ital. Orig.: Europa e Islam. Storia di un Malinteso, Rom/Bari 1999).

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Starken (1670–1733) verwiesen. Der sächsische Kurfürst und polnische König (ab 1697) inszenierte sich zu Beginn des Jahrhunderts selbst mehrfach als Sultan und trieb die Leidenschaft für osmanische Kunst auf einen Höhepunkt. Noch heute ist im Dresdner Schloss die größte Sammlung osmanischer Kunst außerhalb der Türkei zu sehen, die einen Eindruck damaliger Vorlieben vermitteln kann.56 Gegen Ende des 18. Jahrhunderts scheint diese Mode durchaus verbreitet gewesen zu sein. So vermutete der erste osmanische Gesandte 1777 in einem Brief, dass die Berliner Bevölkerung bereit wäre, den Islam anzunehmen,57 was auf eine nachhaltige Präsenz von „Turquerien“ im 18. Jahrhundert schließen lässt.58 Die vorliegende Untersuchung endet in den 1780er-Jahren in einem Kontext, der durch den von Gotthold Ephraim Lessing ausgelösten und geführten Fragmentenstreit angeregt ist und in dem sich – auch in den Muhammad˙ Bildern – ein neues Religionsverständnis abzeichnet, das sich bereits mit einem modernen Religionsbegriff berührt, der spätestens seit Immanuel Kants Religionsschrift59 das Konzept von Religion deutlich von ihren historischen Erscheinungen trennt, um diese wiederum an diesem Konzept zu taxonomieren. Die Frage nach der Wahrheit einer Religion und ihrer Offenbarungsansprüche wird durch die Frage nach ihrer Vernünftigkeit abgelöst.60 Muhammad kann in einer solchen Situierung ohne seinem Wahrheitsan˙ zustimmen zu müssen als besonders vernünftig apostrophiert werden. spruch Neben diesem Umbruch findet sich auch eine Tendenz zur nicht-religiösen oder nicht-theologischen Betrachtung und Beurteilung des Propheten, z. B. als Staatsmann oder als Gesetzgeber. Beide Optionen ermöglichen eine Reprä56 Vgl. Holger Schuckelt u. a., Die Türckische Cammer. Sammlung orientalischer Kunst in der kurfürstlich-sächsischen Rüstkammer, Dresden 2010. 57 Vgl. M.S. Abdullah, Geschichte des Islams in Deutschland, Graz u. a. 1981 (Islam und westliche Welt, Bd. 5), S. 16. 58 Susanne Greilich hält für die populäre Literatur der 1770er-Jahre fest: „Der ,Türke‘ war … eine gleichsam imaginäre Figur, die sich in das Figurenrepertoire des 18. Jahrhunderts einreihte, in dem auch der weise Chinese und der ,gute Wilde‘, der ehrenhafte Sklave der AbolitionismusDebatte und der edle Indianer in Voltaires Alzire ihren Platz hatten, all jene Charaktere, die als Gegenfigur zum moralisch verderbten Europäer fungierten und vielmehr der Charakterisierung und Kritik des Eigenen, der zeitgenössischen, heimischen Gesellschaft dienten, denn der wirklichkeitsnahen Repräsentation des Anderen.“ Susanne Greilich, „Alles, was sich bei den Türken ereignet, ist immer bedeutend“ – Turkophilie und Turkophobie in der populären Presse. In: Barbara Schmidt-Haberkamp (Hg.), Europa und die Türkei im 18. Jahrhundert / Europe and Turkey in the 18th Century, Göttingen 2011, S. 177–190, Zitat S. 186. 59 Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, vorgestellt von Immanuel Kant. Königsberg, bey Friedrich Nicolovius, 1793. 60 Damit soll aber keine Teleologie eingezogen werden; vielmehr gilt, was Alberto Saviello mit Blick auf die bildlichen Darstellungen Muhammads festhält: In diachroner Perspektive „wird ˙ deutlich, dass von einem Entwicklungsnarrativ Abstand genommen werden muss. Zwar änderten sich die Vorstellungen vom Propheten, aber dass sich letztendlich ein ,aufgeklärteres‘ oder gar objektives Bild durchsetzte, kann nicht behauptet werden. Die bildlichen Darstellungen Mohammeds erklären sich im Kontext ihrer jeweiligen Zeit, sie lassen jedoch kein übergeordnetes historisches Telos erkennen.“ (Saviello, Imaginationen, S. 19 f).

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sentation Muhammads, die nicht der Dichotomie wahr/falsch in Bezug auf ˙ seinen prophetischen Anspruch unterliegt. Seit dieser Zeit ist Muhammad Gegenstand unzähliger Biographien, die ihn würdigen und nicht˙ darauf konzentriert sind, den mit seinem Namen verbundenen prophetischen Anspruch bzw. Offenbarungs- und damit Wahrheitsanspruch zu kritisieren.61 Wurden im 18. Jahrhundert diese Ansprüche Muhammads vielfach bestritten, in der Regel durch die eine oder andere Form von˙ Betrugshypothese, teilweise auch durch moralische Verurteilung, so scheint heute eher der Vernunftanspruch ,des Islam‘ zur Disposition zu stehen, indem er als inkompatibel mit Demokratie und Menschenrechten, dem Ausdruck der vernünftigen Aufklärung angesehen wird: „Der Islam kennt keine Aufklärung“62. Es ist nicht zu erwarten, dass Muhammad in den hier zu untersuchenden ˙ einer gewissermaßen interessefreien Texten des 18. Jahrhunderts im Sinne Geschichtsschreibung geschildert wird. Vielmehr ist zu fragen, in welchen Zusammenhängen oder Situationen die unterschiedlichen Repräsentationen des Propheten stehen. Ob er nun im Mittelpunkt einer Äußerung steht, oder teilweise auch nur aus ,Systemzwang‘ in übergreifenden Darstellungen erwähnt werden muss, könnte für das jeweils gezeichnete Bild einen Unterschied machen. Die zeitgenössische Schreibweise der Namen und Bezeichnungen werden in den Paraphrasen in der Regel nicht heutigen Gepflogenheiten angepasst, sondern den jeweiligen Quellen entnommen und durch Kursivsetzung kenntlich gemacht. Ausnahmen sind ggf. im Deutschen geläufige Namen bzw. Bezeichnungen wie „Koran“ oder „Hidschra“. Es geht darum, die Quellen nicht (vorschnell) zu ,modernisieren‘, sondern in ihrer historischen Konkretion wahrzunehmen.63 Darum wird hier zwar in der Regel von Türcken oder von Mohammedanern geschrieben, auch etwa von Morgenländischen Christen, nicht aber von „Religion“, vom „Islam“ oder „Muslimen“, es sei denn, diese Bezeichnungen werden in den betreffenden Quellen verwendet. In diesen Fällen wird der jeweilige Kontext dieser (seltenen) Verwendung mit geboten. Auf diese Weise wird noch einmal verdeutlicht, dass es hier um Repräsentationen geht und nicht um historische Fragen bezüglich der Prophetenbiographie. 61 Eine Auflistung kann in diesem Rahmen unmöglich erfolgen. Genannt seien die letzten Biographien von Bobzin, Khoury und Nagel; Hartmut Bobzin, Mohammed, München 22002; Adel Theodor Khoury, Muhammad. Der Prophet und seine Botschaft, Freiburg u. a. 22008; Tilman Nagel, Mohammed. Leben und Legende, München 2008; ders., Allahs Liebling. Ursprung und Erscheinungsformen des Mohammedglaubens, München 2008. Zweifel an der Historizität der Muhammad-Gestalt erwägt Hans Jansen; vgl. Hans Jansen, Mohammed. Eine Biographie, ˙ München 2008. 62 Vergleiche dazu Reinhard Schulzes ausführliche Kritik an diesem stereotypen Satz; Schulze, Aufklärung. 63 Biographische Angaben folgen, soweit nicht anders angegeben, dem Deutschen Biographischen Archiv (Deutsches Biographisches Archiv. Online-Edition 2005ff).

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Man könnte an dieser Stelle auch auf das Einschreiben der äußerst voraussetzungsreichen Ausdrücke „Religion“ und „Religionen“ in wichtige, vielfach zitierte historische Texte verweisen. So wird z. B. aus De pace fidei des Nikolaus von Kues („Über den Friede des Glaubens / im Glauben“) in einer neuen deutschen Übersetzung „Vom Frieden der Religionen“. Aus der Rede von „nationes“ – konkret gemeint sind u. a. Böhmen und Tartaren werden entgegen aller historischen Evidenz „Religionsgemeinschaften“; aus „arabes“ werden „Moslems“, entsprechend einem heutigen Verständnis von „Religion“ – aber ganz gegen Cusanus’ Auffassung des einen Glaubens (fides) in verschiedenen cultus. Aus „Frieden“ wird dann „Religionsfrieden“ und diese Bezeichnungen („Religionsgemeinschaften“ und „Religionsfrieden“) implizieren dann so etwas wie „Religionskrieg(e)“.64 Ähnliches gilt für das Einschreiben des Ausdrucks „Islam“ oder „Muslime“ in historische Quellen, was in der Regel durch Paraphrase oder Übersetzung erfolgt. Es macht durchaus einen Unterschied, wenn man aus den historischen „Saracenen“ quasi übergeschichtliche ,Muslime‘ macht, aus der Bezeichnung eines historisch konkreten Volkes bzw. später historisch konkreter Völker also eine Art wesenhafte Religionsgattung, die damit letztlich als suprahistorisch und damit unkonkret, homogenisierend und praktisch überall anwendbar erzeugt wird.65 Mit Blick auf die hier darzustellenden und zu untersuchenden Quellen des 18. Jahrhunderts ist also zu fragen, wovon jeweils konkret die Rede ist und das zeigt sich bereits an der Wortwahl selbst, an der wir uns orientieren. In ähnlicher Weise geht Matthew Dimmock vor, der in seiner Untersuchung Mythologies of the Prophet Muhammad in Early Modern English Culture konsequent die in den von ihm untersuchten Quellen zu findende Schreibweise „Mahomet“ verwendet, um deutlich zu machen, worum es geht: „the multiple lives of Mahomet, this Christian construction of the Prophet Muhammad“66. Die Schreibweisen in den diversen hier darzustellenden 64 Die hier erwähnten Beobachtungen zu Nikolaus von Kues finden sich bei Friedemann Stengel, Reformation und Krieg. In: Ders./Jörg Ulrich (Hg.), Kirche und Krieg. Ambivalenzen in der Theologie, Leipzig 2015, S. 49–105. 65 So schreibt Harald Motzki, der in einem Beitrag die Schreibhaltung Benedikts XVI. mit der von Petrus Venerabilis vergleicht, dem mittelalterlichen Abt einen aus damaliger Perspektive nicht vorhandenen Gebrauch einer höchst relevanten Vokabel zu, wenn er die Schriften des Venerabilis folgendermaßen übersetzt: „Summa totius haeresis Saracenorum (Summe über die gesamte Ketzerei der Muslime) und Liber contra sectam sive haeresim Saracenorum (Schrift gegen die Sekte oder Ketzerei der Muslime)“; Harald Motzki: Bekehrung mit Gewalt – ein christliches Vorurteil u¨ber Mohammed und den Beginn des Islams. In: Manfred Hutter (Hg.), Religionswissenschaft im Kontext der Asienwissenschaften. 99 Jahre religionswissenschaftliche Lehre und Forschung in Bonn, Berlin u. a. 2009, S. 263–283, Zitat S. 264 f. Der engagierte und kritische Text gerät an dieser Stelle auf dieselbe Weise in dieselbe Falle, die in diesem Text vorgestellt und Papst Benedikt XVI. mit seiner umstrittenen Regensburger Rede von 2006 bescheinigt wird. 66 Matthew Dimmock, Mythologies of the Prophet Muhammad in Early Modern English Culture, Cambridge/Mass. u. a. 2013, S. xiii.

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deutschsprachigen Quellen variieren („Muhamed“, „Mahomet“, „Mahomed“, „Mohamed“, „Mohammed“). Es überwiegt allerdings bei weitem die Schreibweise „Mahomet“, gefolgt von „Mahomed“. In Anlehnung an diese zeitgenössischen Schreibweisen wurde der Titel für diese Studien gewählt. Im Folgenden wird in der Regel die Variante Mahomet (kursiv) zu finden sein und nicht etwa eine neuere Umschrift des arabischen Namens wie „Muhammad“, die vielleicht in einer Biographie des Propheten angezeigt wäre, ˙in der die Historizität der dargestellten Figur der Gegenstand der Betrachtung ist. Auf diese Weise wird versucht, die Repräsentationen des 18. Jahrhunderts grundsätzlich als solche kenntlich zu machen, als Vorstellungen und Positionierungen die einen eigenen Kontext, eine eigene Geschichte haben. Als Illustration für diese Entscheidung sei stellvertretend aus einem überaus stark rezipierten Buch von 1699 zitiert, das diesen Graben zwischen zwei Namen Muhammads gleich im ersten Satz sichtbar werden lässt: „MAhomet, (oder nach˙ der rechten aussprache des worts Mohammed) war gebohren zu Mecca“.67 Was folgt, ist eine Biographie Mahomets. Es ließen sich mehrere bekannte Mahomets des 18. Jahrhunderts nennen, an erster Stelle sicherlich Voltaires Le Fanatisme ou Mahomet le Proph te von 1741. Gegen solche Bilder schrieb der Wiener Orientalist Joseph von HammerPurgstall ein eigenes Theaterstück, in dem er gegen den „schändlichen französischen Bösewichts Mahomet“ Voltaires, den auch Goethe 1802 nochmals als Auftragswerk vorgelegt hatte, den „großen arabischen Seher Mohammed“ entwirft.68 Die Beispiele ließen sich vermehren. Die vorliegenden Studien sollen dazu anregen, Repräsentationen des Propheten, wie sie in Texten des 18. Jahrhunderts erscheinen, als solche wahrzunehmen und zu kontextualisieren. Das detaillierte Inhaltsverzeichnis soll das Auffinden speziell interessierender Zusammenhänge erleichtern. Worum es jeweils geht, wenn von dem als „falsch“, „vorgeblich“, „betrügerisch“ oder auch „vernünftig“ apostrophierten Propheten die Rede ist, lässt sich hier und da im Einzelnen wie auch in vielerlei quer verlaufenden Bezugnahmen entdecken. Vielleicht lassen sich durch die Lektüre der folgenden Kapitel auch Anregungen für das Verständnis oder die Kritik heutiger Repräsentationen Muhammads, „des Islam“, der „islamischen Welt“ oder „der Muslime“ finden. ˙ 67 Das Leben Mahomets beschrieben durch Humphrey Prideaux. Aus dem Englischen übersetzet. Leipzig, bey Thomas Fritsch. 1699. (S. 1). 68 [Joseph von Hammer-Purgstall], Mohammed, Oder die Eroberung von Mekka. Ein historisches Schauspiel von dem Verfasser der Schirin und des Rosenöls, Berlin 1823. In der Schlesingerschen Buch- und Musikhandlung Unter den Linden No. 34, Zitat S. XVI; vgl. dazu: Norbert Otto Eke, Orient und Okzident. Mohammed, der Islam und das Christentum. Zur Darstellung kultureller Alterität um 1800 (mit einem Seitenblick auf die Bestände der Fürstlichen Bibliothek Corvey. In: Charis Goer/Michael Hofmann (Hg.), Der Deutschen Morgenland. Bilder des Orients in der deutschen Literatur und Kultur von 1770 bis 1850, München 2008, S. 85–102, bes. S. 94–96.

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Das Thema wird derzeit so massiv traktiert, dass es mir beim Bearbeiten dieses Buches oftmals schwerfiel, mich davon zu lösen. Die den aufgeklärten Naturforschern des 18. Jahrhunderts so schädliche Katze übrigens, die der Prophet der Überlieferung nach geliebt haben soll,69 wird in einem Gedicht von Ludwig August Frankl (1810–1894)70 auch noch auf eine andere Weise vorgestellt – was mit wenigen Worten ein völlig anderes Prophetenbild erzeugt: Mohammed und die Katze Mit seinen Freunden im Gemach Saß der Prophet vertraulich, Von Menschenthum und Milde sprach Er Worte tief erbaulich. „Wer je ein weinend Herz verließ, wird nicht zu Gnaden kommen; Mild wird vom Herrn im Paradies Das Thier selbst aufgenommen.“ Sie saßen still und aufhorchsam – Denn er belehrte Jeden; Nur einen Hörer überkam Der Schlaf bei seinen Reden. Mohammed’s Lieblingskatze war’s, die, als sie ihm geschmeichelt, Auf einem Zipfel des Talars, entschlief, vom Herrn gestreichelt. Von der Moschee ließ zum Gebet Jetzt laut der Ruf sich hören, Doch mochte nimmer der Prophet, den Schlaf der Freundin stören. Und schnitt den Zipfel vom Talar, dann ging er, um zu beten. Und seinen Jüngern wurde klar, die Milde des Propheten.

69 Vgl. Annemarie Schimmel, Die orientalische Katze. Mystik und Poesie des Orients, Freiburg/Br. 3 1996, S. 11 sowie Nuha N. N. Khoury, Art.: „cat“. In: John Eduardo Campo, Encyclopedia of Islam, New York 2009, S. 131 f. 70 Gedichte von Ludwig August Frankl, Leipzig F.A. Brockhaus 1840, S. 215 f.

1. Prolog: Mahomet-Bilder angesichts des Krieges gegen das Osmanische Reich Vom 21. September bis zum 15. Oktober 1529 hatten osmanische Streitkräfte Wien belagert.1 1663 waren diplomatische Versuche, den Frieden zwischen den Osmanen und den Habsburgern zu verlängern, gescheitert. Es kam zu einer für die kaiserlichen Truppen siegreichen Feldschlacht. Am 10. August 1664 wurde der Friedensvertrag von Eisenburg zwischen Kaiser Leopold I. und dem Großwesir Ahmed Köprülü geschlossen. Als dieser Friedensvertrag von 1682 nicht mehr verlängert wurde, entstand ein neuer Konflikt. Am 14. Juli 1683 begann die zweite Belagerung von Wien durch osmanische Truppen. Die Stadt wurde von ca. 12.000 kaiserlichen Soldaten und 5.000 Bürgern erfolgreich gegen das fast zehnmal so starke osmanische Heer verteidigt. Die Belagerung endete am 12. September 1683, nachdem die kaiserliche Feldarmee Leopolds, im Bündnis mit dem polnischen König Jan Sobieski eingesetzt werden konnte, der – wie auch zuvor Bayern – seine Verbindungen zu Frankreich gelöst und per Vertrag, im Falle der Belagerung Wiens oder Krakaus die 60.000 kaiserlichen Soldaten um 40.000 polnische und litauische Soldaten verstärkt hatte. Noch vor Einbruch des Abends war der Kampf entschieden. […] Die Türken verließen in panischer Eile nicht nur ihre Angriffspositionen, sondern auch ihre Lager. Den Siegern fielen unermessliche Reichtümer und unersetzbares Militärgerät in die Hände. Jan Sobieski, dem die Prophetenfahne auf dem Schlachtfeld entgangen war, konnte am Prunkzelt des Oberbefehlshabers wenigstens das Leibpferd des Großwesirs und die Rossschweife, Zeichen seiner Würde, erbeuten.2

Das Kaiserreich, Polen und Venedig schlossen sich 1684 zur Heiligen Liga zusammen. Die Truppen eroberten Gran, Waitzen, nahmen im zweiten Anlauf am 2. September 1686 Ofen (Buda) und danach ganz Ungarn ein. Bis 1687 hatte Francesco Morosini die Peloponnes erobert, 1686 hatte sich Russland dem Krieg gegen die Osmanen angeschlossen. Es waren Siege Ludwig Wilhelms von Baden („Türkenlouis“) 1691 und Prinz Eugens von Savoyen 1697 zu verzeichnen. Am 26. Januar 1699 wurde auf Ersuchen des Sultans der Frieden von Karlowitz geschlossen, der den Erfolg der Liga über das Osmanische Reich besiegelte. Ungarn und Siebenbürgen ohne das Banat von Temesv r gingen an Kaiser Leopold I., Podolien und die Ukraine an das seit 1697 von August dem 1 Vgl. zum Folgenden Klaus-Peter Matschke, Das Kreuz und der Halbmond. Die Geschichte der Türkenkriege, Düsseldorf/Zürich 2004. 2 Matschke, Kreuz, S. 372–373.

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1. Prolog

Starken regierte Polen und die Peloponnes sowie der größte Teil Dalmatiens an Venedig. Noch wichtiger und grundsätzlicher war jedoch die osmanische Abkehr von der Vorstellung eines Kampfes gegen das Haus des Krieges, die nichtislamische Welt, zur Durchsetzung osmanischer Weltmachtambitionen. Nach Karlowitz und mit Karlowitz trat auch das Osmanenreich in die Welt der europäischen Völker ein und gab den Weg frei für neue Entwicklungen und Beziehungen.3

Dieser Krieg gegen das Osmanische Reich, auch als „Großer Türkenkrieg“ bezeichnet, bildet einen Rahmen für Schilderungen Mahomets, die durchaus an die Tradition der Türkenpolemik seit dem späten 15. Jahrhundert anschließen bzw. diese kolportieren. Zwei Veröffentlichungen sollen exemplarisch für diese Zeit herangezogen werden. Der Constantinopolitan- Oder Türckische Kirchen-Staat (1699) sowie zuvor (1685) Des für 200. Jahren bekehrten Doctoris, Professoris und Praedicatoris Der Muhammedischen Lehre, Johannis Andreae Mauri. Nachdenckliches Buch, gegen den Mahomet und die Mahomedische falsche Lehre.

1.1 Das Mahomet/Muhamed-Bild eines Konvertiten als authentisches Zeugnis (1685) 1.1.1 Biographisches zu Juan Andr s und zu Rudolf Cappell Die neue deutsche Fassung der zuerst 1515 erschienenen Confusio Sectæ Muhammedanæ von Juan Andr s (Johannes Andreas Maurus; getauft 1487) wurde angesichts des Krieges gegen das Osmanische Reich, des sogenannten „Großen Türkenkriegs“ (1683–1699) nach beinahe zweihundert Jahren aufgelegt und ist in diesem Kontext zu lesen. Im Titel findet sich neben der Schreibweise „Mahomet“ auch „Muhamedische Lehre“ und „Mahomedische falsche Lehre“. Der Herausgeber Rudolf Capell (1634–1684), Professor für Geschichte und Griechische Sprache am akademischen Gymnasium in Hamburg,4 machte mit dieser Übersetzung vor allem die auf 1487 datierte Bekehrungsgeschichte von Juan Andr s, hier Johannes Andreas Maurus genannt publik. Über Juan Andr s, dem seiner Herkunft wegen der Beiname „Maurus“ (moro) gegeben wurde, ist nicht mehr bekannt, als aus dem Lebensbericht hervorgeht, der in der Confusio Sectæ Muhammedanæ vorliegt.5 3 Matschke, Kreuz, S. 378. 4 Vgl. Allgemeine Deutsche Biographie, Band 3, Leipzig 1876, S. 770. 5 Vgl. etwa Johann Gottlob Wilhelm Dunkels […] Historisch-Critische Nachrichten von verstorbenen Gelehrten und deren Schriften, Insonderheit aber Denenienigen, welche in der allerneusten Ausgabe des Jöcherischen allgemeinen Gelehrten-Lexicons entweder gänzlich mit

1.1 Das Mahomet/Muhamed-Bild eines Konvertiten

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Allerdings hat Ryan Szpiech mehrere Studien über die Andr s-Texte vorgelegt, die u. a. die Historizität des Autors bzw. dieser Repräsentation im Vorwort problematisieren. Szpiech erhebt diverse Unstimmigkeiten zwischen der Selbstpräsentation als inzwischen zum Christentum konvertierter gebildeter und einflussreicher Muslim Juan Andr s im Vorwort und diversen Aussagen im Buch und stellt die Historizität der Figur in Frage.6 Er sieht in der strategischen Positionierung des Textes bzw. seines ,Autors‘ als bekehrter Experte den hauptsächlichen Grund für die enorme Rezeptionsgeschichte des Werkes mit einzelnen Ausläufern bis in das 20. Jahrhundert hinein. Auch die zweite deutsche Übersetzung, die an der Schwelle zum 18. Jahrhundert in Kriegszeiten erscheint, spricht für diese enorme Bedeutung des Textes.7 Laut der seit dem Ende des 15. Jahrhunderts immer wieder zitierten Präsentation des gebildeten Konvertiten in der Confusio lebte Juan Andr s im Königreich Valencia und konvertierte 1487 zum Christentum. 1.1.2 Das 1685 im „Türkenkrieg“ publizierte Buch als Beispiel geglückter Bekehrung und authentische Nachricht gegen „Mahomed und die Mahomedische falsche Lehre“ Das ursprünglich 1515 in spanischer bzw. aragonesischer Sprache publizierte Buch ist ab 1537 mehrfach in italienischer Fassung erschienen, die auch Grundlage der französischen Ausgabe von 1574 und der ab 1594 mehrfach gedruckten lateinischen Ausgabe war, die wiederum Grundlage einer holländischen (1651) und einer englischen Übersetzung (1652) wurde.8 Die erste Stillschweigen übergangen, oder doch mangelhaft und unrichtig angeführet werden. Des Dritten Bandes erster Theil. Cöthen und Dessau, In der Cörnerischen Buchhandlung 1757, S. 266–267. Dunkel bezieht seine wenigen biographischen Informationen offensichtlich aus dieser Quelle. Gleiches gilt für die spanischsprachigen biographischen Werke im WBIS. 6 „Perhaps the ,Juan Andr s‘ associated with Mart n Garc a and Mart n de Figuerola and named as a canon of the Cathedral of Granada was a real but unremarkable convert. Perhaps also his story was embellished with the names of plausibly real characters (such as ,Abdalla‘) from the real history of X tiva and his book was composed by a group rather than a single person.“, Ryan Szpiech, A Witness of Their Own Nation: On the Influence of Juan Andr s. In: Mercedes Garc aArenal (Hg.), After Conversion. Iberia and the Emergence of Modernity, Leiden/Boston 2016, S. 174–198, S. 184. 7 Insofern werden Szpiechs Analysen und Beobachtungen hier um die deutschsprachige Rezeptionsgeschichte ergänzt; vgl. Szpiech, Witness. Die rhetorischen Strategien sind ausführlicher dargestellt in: Ryan Szpiech, Conversion and Narrative: Reading and Religious Authority in Medieval Polemic (Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 2013), S. 33–40; Ders., Preaching Paul to the Moriscos: The Confusi n o confutaci n de la secta Mahom tica y del Alcor n (1515) of Juan Andr s. In: La Cor nica, 41/2012, S. 317–343. 8 Vgl. dazu Hartmut Bobzin, Bemerkungen zu Juan Andr s und zu seinem Buch Confusion dela secta mahomatica (Valencia 1515). In: Martin Forstner (Hg.), Festgabe für Hans-Rudolf Singer. Zum 65. Geburtstag am 6. April 1990 überreicht von seinen Freunden und Kollegen, Teil 2, Frankfurt/M. u. a. 1991, S. 529–548, bes. S. 530–533. Eine von Bobzin noch nicht gefundene

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1. Prolog

deutsche Ausgabe erschien wie die lateinische während des sogenannten Langen Türkenkrieges (1593–1606). Veranstaltet wurde die lateinische Ausgabe von dem Melanchthon-Schüler und Doktor beider Rechte Johannes Lauterbach von Noskowitz (um 1550 bis nach 1616), der diese lateinische Fassung 1594 in Dresden einzeln sowie 1595 in Leipzig als Anhang zu seinem Buch De bello contra Turcas suscipiendo commentatio publizierte. Den italienischen Text, nach dem er seine Übersetzung anfertigte, hatte Lauterbach, der nach der Wittenberger Zeit u. a. in Paris, Heidelberg und Italien gewesen war, von einem venezianischen Freund erhalten.9 Der Weg des später vielfach zitierten spanischen Textes führte also über die italienische Fassung von Venedig aus nach Deutschland, wo während des „Langen Türkenkrieges“ die lateinische Übersetzung angefertigt und publiziert wurde. Eine erste deutsche Übersetzung wurde kurz darauf von Christian Caelius, Magister aus Triptis erstellt, und 1598 bei Nerlich in Leipzig „allen Christgleubigen, sonderlich aber Kriegßleuten und anderen, so sich wieder den Erbfeind brauchen lassen“ als „nützlich zu lesen“ publiziert.10 Eine weitere Ausgabe dieses Textes erschien vor 1664 oder 1665 bei Kempffer in Frankfurt.11 Gegen Ende des Jahrhunderts, während des „Großen Türkenkrieges“ erschien 1685 nun die neue deutsche Fassung auf der Grundlage des lateinischen Textes und mit Verweis auf Caelius’ Übersetzung und Vorwort.12 Verantwortlich dafür zeichnete Rudolf Capell (1634–1684).13 Der Theologe und

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Ausgabe Leipzig 1598 ist inzwischen in der Staatsbibliothek München und in der Staatlichen Bibliothek Regensburg nachweisbar. Eine weitere Liste findet sich in der Bibliograph a General de Moriscos (www.cervantesvirtual.com/obra-visor/bibliografia-general-de-moriscos–0/pdf/). Dies geht aus der Vorrede von Christian Caelius von 1598 hervor; zu den biographischen Angaben vgl. den Artikel „Lauterbach, (Johann)“. In: Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschaften und Künste, Band 16, Leipzig 1737, Sp. 1203. Confusio Sectae Mahometanae, Die scheindliche vormischung der mahometischen Sect, darinnen deß Mahomets Ursprung, Ankunfft, Leben und Tod, angezeiget, auch desselben Alcorans anfang und herkommen, sampt seiner viehischer, schedlicher, ungereimbter und lecherlicher Lehr und Glauben, gründlichen aus seinen eignen Büchern und anderen Türckischen Schrifften widerleget wird, erstlichen in einem Buch von Johanne Andrea einem türckischen Pfaffen, so nachmals in der Stadt Valentz zum Christlichen Glauben bekehrt worden, in Hispanischer Sprach geschrieben, und durch Dominicum de Gazelu, zu gefallen Herculi Estensi, Hertzogen zu Ferrar in Italianische Sprach gesetzt, Newlicht aber von Herrn Johanne Lauterbach beyder Rechte D. ins Latein transferirt, Und endlichen jetzo erstmals in unser Deutsches gut meinende gebracht durch M. Christiernum Caelium Triptisensem. Welchs allen Christgleubigen, sonderlich aber Kriegßleuten und anderen, so sich wieder den Erbfeind brauchen lassen, nützlich zu lesen und zu wissen. Zu Leipzig bes Nicol Nerlich. Im Jahre 1598. Vgl. Bobzin, Bemerkungen, S. 532 f. Der Wortlaut beider Fassungen (1598 und 1685) ist nicht identisch, sondern sprachlich und orthographisch erneuert. Des für 200. Jahren bekehrten Doctoris, Professoris und Praedicatoris Der Muhammedischen Lehre, Johannis Andreae Mauri. Nachdenckliches Buch, gegen den Mahomet und die Mahomedische falsche Lehre; Von newen in Teutscher Sprache außgefertiget durch D. Capell P.P. Hamburg In Verlegung Georg Wulff, Buchhandler in St. Johannis Kirchen. 1685. Zur Biographie

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Philologe Capell war von 1675 bis zu seinem Tode 1684 Professor für Geschichte und Griechische Sprache am akademischen Gymnasium in Hamburg. Er hatte sich bereits zuvor zum Thema geäußert und 1683 eine Dissertatio publica unter dem Titel De Alcorano Sive Alfurcano, Muhamedis et Muhamedanorum vorgelegt, in der er fünfzehn ausgewählte Reiseberichte und Tagebücher aus seiner Bibliothek in Auszügen, hauptsächlich in lateinischer, teilweise in deutscher Sprache vorlegte.14 Capells Begründung für diese erneute deutsche Veröffentlichung der Confusio Sectæ Muhammedanæ im Jahre 1685 findet sich in der Dedicatio an den Hamburger Senator Diedrich (Dieterich) Langermann. Er schreibt dort: Die edle Gottes-Gabe der Druckerei werde – wie vieles andere auch – leider missbraucht, um ärgerliche, sündige und schändliche, gotteslästerliche Dinge zu veröffentlichen. Es fänden sich „vom Muhamed, Muhamedanern, Arabischen Saracenen und Sceniten, endlich auch Ottomaniern und Türcken“ entbehrliche Schriften, „davon es billig heissen solte: Besser gelassen als gethan“ (2v). Capell meint, dass man eher lesen solle, was Luther gegen die Türken geschrieben habe, und nennt zeitgenössische Ausgaben der Schrift vom Krieg wieder die Türken (1524), zwei Heerpredigten wieder den Türcken von 1529, Luthers 1542 erschienene Übersetzung der Confutatio Alcorani Fratris Richardi ordinis Praedicatorum von Ricoldus (Richardus) de Monte Crucis (um 1300) und Luthers Warnung für des Mahmets oder Türcken greußlicher Lehre und Glauben mit der Meldung, dass nicht der Mahmet [!], sondern der Papst der Antichrist sei, ebenfalls von 1542. „Diese vier Bücher Lutheri sein in allem 29. Bogen gros, und um so viel leichter durchzulesen.“ Manche würden diese „pia gravia, solida, & erudita opuscula des grossen Mannes“ aber liegen lassen und stattdessen mit „vanis & profanis, ineptis & supefluis, spissiis & sinuosis voluminibus“ die Zeit zubringen. (3v) In das Register unnützer und unnötiger Bücher gehöre das vorgelegte Buch nicht, es würde vielmehr Gottes Ehre befördern und der Kirche nützlich sein, wie man schon vor einhundert Jahren geurteilt habe, „und es die Erfahrung bey 200 Jahren lang würcklich, in vieler tausend Muhamedaner Bekehrung erweisen hat“ (4r). Laut Capell habe der Autor des Buches den Koran als Gotteslästerung erkannt und sich zum Christentum bekehrt. Es sei zu wünschen, dass „ihm viel Lehrer und Zuhörer aus der Muhamedaner grausahm grosser Anzahl, daraus der starcke und leidige Teuffel so viel tausenden der armen Seelen immer zu sich holet, noch heute folgen möchten“ (4v). Die vgl. Johann Heinrich Zedler, Grosses uns vollständiges Universal Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 5, Halle/Leipzig 1733, Sp. 627 f. 14 Der Wortlaut der Titelseite ist wie folgt: Jesus. Dissertatio publica, instituta in Gymnasio Hamburgensium de Alcorano Sive Alfurcano, Muhamedis et Muhamedanorum; Quam ex bibliothecae suae electis & excerptis, prout illa obvia, sub stilum venerunt, collectam edi voluit D. Capellus P.P. Hamburgi, Typis Georgii Rebenlini Gymnasii Typographi. A. C. 1683. Der Text stellt diverse, hauptsächlich lateinische aber auch einige deutsch- und französischsprachige Überlieferungen zusammen.

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1. Prolog

Bekehrung sei aber schwierig, weil man unter ihnen nichts gegen „den falschen Propheten und seinen gotteslästerlichen Alcoran“ (5r) sagen könne, ohne in Todesgefahr zu kommen. Sie wollten nichts gegen ihren Koran hören und weil sie Christus verloren und den Heiligen Geist auch nicht hätten, „sind sie also ohne Gott und von Gott abgefallen“ (5v). Wenn im Orient, Klein- und Großasien, in Griechenland und Afrika bei vielen Christen reinere Lehre und besseres Leben wäre, würden sich mehr Türken bekehren als an beidem ärgern. „Die Armenier in Asia, (die der Lutherischen, reinen, Evangelischen Lehre nahe kommen, und einiger Meinung nach, die reinesten unter den Orientalischen Christen sein,) thun mit Lehre und Leben viel gutes“, ähnlich sei es mit den „Haebissinen“ und unter den Türken selbst gäbe es „Nicodemiten und Nachtschüler“, bei denen unter türkischen Turbanen noch heimliche christliche Gedanken steckten. (6v) Capell vermutet, dass das Buch auf Arabisch geschrieben sei und zugleich „auch in lingua Hispanica (Aragonischen oder Valenzischen dialecto) auch einigen hohen Persohnen in Hispanien zum gefallen mit versetzet“, kurz nach 1480, spätestens 1487.15 Der zum Christentum bekehrte Autor gebe den Namen seines Vaters (Abdala), nicht aber seinen eigenen vorchristlichen Namen preis. Bemerkenswert ist der Hinweis, dass in (Capell offensichtlich vorliegenden aber nicht näher bezeichneten) spanischen, italienischen und lateinischen Ausgaben des Buches die Ausdrücke „Muhammedanus, Maurus, Saracenus, Turca“ promiscue gebraucht würden (Bl. VIIv). Hier, gegen Ende des 17. Jahrhunderts findet sich also keine klare Terminologie zum Thema „Muhammedaner“, „Muslime“ oder gar „Islam“. Capell, der Theologe und Philologe macht angesichts dieser Feststellung auch keinerlei Vorschlag. Vielmehr fährt er fort: Der „verständige und erleuchtete Evangelische Leser“ (ebd.) werde mit dem Autor wegen dessen dunkler Art Geduld haben und ihn nach Gottes Wort examinieren. Capell weiß nicht, ob es das Buch auch in arabischer oder türkischer Sprache gibt, damit es durch heimliche Lektüre unter den Türcken Zweifel streuen könnte. Und wenn es nicht in dieser Weise zur Bekehrung der Türcken eingesetzt werden könne, so würde es Christen als Bestätigung ihrer reinen Lehre dienen können. Die Widmung an Langermann in Hamburg erklärt Capell mit guten Erfahrungen in 25 Jahren öffentlichem Professorenamt. Es folgt eine (leicht geänderte) Übersetzung der Vorrede von Christian Caelius vom ersten Januar 1598, aus der deutlich hervorgeht, dass dieses Buch damals vor allem für die Soldaten aus dem Lateinischen übersetzt worden war. Denn die Soldaten sollten ihren Feind kennenlernen; auch damit ja nicht die vom Türcken gefangene arme Christen Sclaven, insonderheit auch Teutscher Nation, aus der leibes-Gefengnus, Sclaverey und Dienstbahrkeit, in 15 Zur Datierung s. u.

1.1 Das Mahomet/Muhamed-Bild eines Konvertiten

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CHristi Verleugnung, Seelen-Gefengnus und Satans Sclaverey verfallen und gerathen; der Gotteslesterlichen Türckischen Sect und Hæresi beyfallen, und sich in die ewige Hellenpein und Seelen und Leibes-verderben stürtzen möchten? Der Leser sey in Christi Schutz empfohlen. (14v)

Im Jahre 1685, während des sogenannten Großen Türkenkrieges mit dem Osmanischen Reich, bestand ebenfalls eine Kriegs-Situation. Und dementsprechend wird die Zielgruppe der 1598 erschienenen Fassung aus deren Vorwort zitiert. Auch die Leser am Ende des 17. Jahrhunderts werden auf diesem Wege „Christi Schutz empfohlen“ (14v).

1.1.3 Die „Vorrede des bekehrten Muhammedischen Doctoris“ Juan Andr s in deutscher Fassung – sein Lebensweg und sein Bekehrungserlebnis Schließlich folgt die „Vorrede des bekehrten Muhammedischen Doctoris, welcher nach seiner Bekehrung zum Christenthum Johannes Andreas genant ist“. Sie beginnt mit einer christlich-theologischen Annäherung an das Thema, in der die Zweinaturenlehre nach dem Neuen Testament betont wird. Das gepredigte und durch Wunder bestätigte Wort Gottes habe die Apostel, Märtyrer, Bekenner, Männer, Frauen und Jungfrauen zu sich, durch eine Göttliche mehr als Natürliche Magnetische Krafft, gezogen, biß im Jahr Christi 610. in der Stadt Mecha in Arabien, Abdala Motalib, und sein Weib Hæymnia, beyde Abgötter, und Heyden, aus der line Ismaelis des Sohns Hagar herrührend, den Sohn des Wiedersprechens und der Zweitracht, den falschen Propheten Mahoma oder Mahomet erzeuget haben. (17v)

Dieser habe mit böser Gesellschaft, „seiner Verkehrten Rotte“ (ebd.), die Leute von dem Weg der Seligkeit, den Christus, die Apostel und Nachfolger gewiesen haben abgeführet, und ihnen, mit anfahung einer neuen Secte, (dadurch er vielen milli nen Seelen, ja ich sage unzehlbare Seelen, aus Gottes Rache, Straffe, Zulassen und Verhengnus, in die ewige Höllische Pein gebracht hat,) einen irrenden und ungerechten Weg, der von der ewigen Seeligkeit ab- und zur Hölle hinführet, gezeiget. (18r)

Die Ausbreitung in Asien und Afrika und durch die Sarazenen in Ägypten und Mauretanien habe diese Länder „mit Mahomets Alcoran vergifftet“ (ebd.), ebenso – mit Feuer und Schwert – Spanien, Konstantinopel und Griechenland, so dass „dieser Gifft in Europa auch erschrecklich ausgebreitet ist“ (18v). Juan Andr s wird hier als ein Anhänger bzw. Mitarbeiter an der Rekatholisierungspolitik Ferdinands II. und seiner Frau Isabella erkennbar, die als „Vernichter der Mahometanischen Sekte“, als „Mohameticae sectae prostra-

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1. Prolog

tores“ in die Geschichte eingingen.16 Nach Bobzin war dieses Werk vor allem geschrieben, „um dem spanischen Inquisitor Don Mart n Garc a (ca. 1441–1521) Informationen für seine Predigt an die Hand zu geben“.17 Der Autor Andr s ordnet sich zunächst im Königreich Valencia ein. Er sei von seinem Vater Abdal , „einem Priester im Gesetze Mahomets“ (18v) unterwiesen worden und habe sein Amt nach dessen Tod übernommen. Seine Bekehrung sei im August 1487 am Marienfest in der großen Kirche Valencias durch die Predigten „des Ehrwürdigen Wohlgelahrten Freyherren Marquesii Adesora“ (19r) erfolgt. Getauft wurde er wohl durch den genannten Dominikaner Adesora, der als Giacomo IV. Antonio von 1484 bis 1494 Bischof im Bistum Patti auf Sizilien war. Danach sei er in einen Orden (vermutlich den Dominikanerorden) eingetreten und habe „viel Muhamedaner, die des Teufels eigen waren, und zur Hölle eileten, in diesem Königreiche und in der Stadt Valentz bekehret, ihnen den Weg zur Seeligkeit gewiesen, und das Ende ihres Glaubens ihnen vorgestellet.“ (19v–20r) Später habe er im Auftrag Ferdinands II. von Aragon und seiner Frau Isabella in Granada gewirkt (1482–1492 erobertes vorheriges Emirat und dann Königreich). „Ich freue mich, das so viel tausenden, so eine fast unzehlbare menge Menschen, den falschen Propheten Mahomet verlassen haben, und zu Christo gebracht sein.“ (20r) Zum Canonicus erhoben habe er im Auftrag Isabellas im Bereich der Krone von Aragon gepredigt, allerdings nur bis zu ihrem Tod (im Jahre 1504). Damit ich aber noch etwas gutes thäte, habe ich den gantzen Alcoran mit seinen Glossen und Außlegungen, sampt den sieben Büchern Zunæ, auf anhalten des Episcopi Barcinonensis Martini Garziæ aus der Muhamedanischen Arabischen in die Hispanische und absonderliche Arragonische Sprache übergesetzet […]. (20v)

Der Herausgeber Capell fragt an dieser Stelle: „Wo ist diese nützliche Arbeit geblieben? Ich möchte wünschen das wir sie hetten, wir wolten gerne 20 andere überflüssige Bücher von dieser materi, dafür entbeeren.“ (20v–21r) Die Übersetzung habe seinem Lehr- und Predigtamt als nunmehr christlicher Lehrer unter den Ungläubigen gedient. Nach der Übersetzung des Koran und der Kommentare sowie der Überlieferung (Librorum 7 Zunae) habe er das vorliegende Werk in zwölf Teilen verfasst, den Ungläubigen zur Bekehrung und den Rechtgläubigen zur Bestätigung deutlich gesetzt und ohne falsch erzehlet, die Betriegerey, Fabeln, Narheiten, unverschempte Possen, ungereimpte Sachen, grobe Lügen, klare Unmöglichkeiten und nie vergleichliche Wiederwertigkeiten, welche durch des Teufels Eingeben und Einblasen, von diesem verfluchten und schendlichen Araber, zum Betrug der Einfeltigen, vornehmich im Alcoran, hernach auch in andern seiner Anhänger, Glau16 Vgl. dazu John Edwards, The Spain oft the Catholic Monarchs 1474–1520, Oxford 2000 sowie Joseph P rez, Ferdinand und Isabella. Spanien zur Zeit der Katholischen Könige, München 1989. 17 Bobzin, Bemerkungen, S. 533 f.

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bensgenossen und Nachfolger Büchern und Schrifften, so in meiner Bibliothec verhanden und zu finden sein, gesetzet worden sind. (21v–22r)

Das Buch trage den Titel Confusio Sectæ Muhammedanæ (Die Verwirrung/ Beschämung der Muhammedanischen Sekte/Gefolgschaft). Es solle den Einfältigen zeigen, dass im koranischen Gesetz kein Grund und keine Wahrheit, dass es der gesunden Vernunft zuwider sei. Die Klügeren unter ihnen würden im Herzen ohnehin nicht glauben, sondern „nur euserlich wegen des Zeitlichen, Leiblichen und fleischlichen der Ehre reichthum und Wollust, wie sie erzogen, also ihm dienen, und sein Gesetze deßhalben nur vorschützen und beybehalten“ (22v). Die einfältigen und die klugen Christen könnten „diese von ihrem rechten Glauben irrende, und demselben wiederwertige Muhamedanische Lehre recht betrachten […], auch der Muhamedaner Blindheit und nahes Verderben, etwas mehr zu Hertzen nehmen, weil es nicht genug ist, das man ihrer spottet“ (23r). Eine Folgerung aus dieser letzten Bemerkung wird allerdings nicht mehr gezogen. Das Vorwort ist in dieser deutschen Fassung mit der Jahreszahl 1487 unterschrieben. Dieses Datum markiert aber nicht das Erscheinen des vorliegenden Werkes. Wann wurde es verfasst? Mart n Garc a Puyazuelo war von 1511 bis 1521 Bischof in Barcelona, Königin Isabella war wie erwähnt 1504 gestorben. Die Übersetzung von Koran und Sunna ins Spanische bzw. Aragonesische auf Anregung Puyazuelos wird also nicht vor 1511 erfolgt sein. Das Erscheinungsdatum des Werkes wird mit 1515 angegeben.18 Das vorliegende Buch ist laut Vorwort nach diesen Übersetzungen verfasst worden. Die Jahreszahl 1487 markiert also nicht die Abfassung des Vorworts, sondern steht für das Datum der Taufe von Juan Andr s mit dem Beinamen „Maurus“ (Johannes Andreaus Maurus), der ihn als „moro“ bzw. „morisco“, also als Mauren oder Morisken (Zwangsgetauften) benennt und der sich klar auf die Reconquista bezieht.19

1.1.4 Ein christliches Erfolgsbuch aus der Zeit der späten Reconquista, publiziert im „Großen Türkenkrieg“ Das Buch ist bei seinem erneuten Erscheinen in Deutschland 1685, zwei Jahre nachdem die Osmanen vor Wien standen, ein Beispiel für geglückte Bekehrung und Eroberung, für einen religiösen Sieg gewissermaßen, insofern Spanien längst wieder unter christlicher Herrschaft stand, geprägt von Reconquista und Inquisition. Es lässt sich in dieser Hinsicht – im Zusammen18 Vgl. Bobzin, Bemerkungen, S. 530. 19 Szpiech hält fest: „Knowing as we do that Mart n Garc a was a canon in Zaragoza in the 1480s confessor of the Queen after 1487, inquisitor in Zaragoza and Tarazona after 1492, preacher in Granada after 1500 and bishop of Barcelona by 1515, it is possible to construct a rough chronology of Juan Andr s’ movements in relation to him.“ (Szpiech, Whitness, S. 178, dort auch weitere Literatur).

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1. Prolog

hang des „Großen Türkenkrieges“ – durchaus als Erfolgsbuch und Vorbild verbreiten. Mahomet erscheint im Vorwort von Juan Andr s vorrangig als Proselytenmacher unter den Christen und nicht etwa als Bekehrer ,heidnischer Araber‘, eine Schilderung die sich spiegelbildlich auf die damaligen Umstände auf der spanischen Halbinsel bezieht, die von Eroberung, Katholisierung, Zwangsbekehrung und dem Ende der Mudejaren, der muslimischen Untertanen nach der Einnahme Grenadas (1492) geprägt waren.20 Capell lässt hier einen ,authentischen Experten‘ erscheinen, wenn er in der Inhaltsangabe des Buches unter der Überschrift „JESUS“ schreibt, dass es die „schendliche Verwirrung und gründliche Widerlegung der Muhamedische Sekte“ (24r) enthalte, Leben Muhameds, Ursprung und Herkunft des Koran „und die gantze Muhamedische und Muhamedanische falsche, schedliche, ungereimte, viehische, lecherliche und Gotteslesterliche Un- und Aberglaubens-Lehre, Wandel und Leben“ (ebd.). Dies werde aus dem Koran und den dazu gehörenden Büchern ausgelegt und widerlegt (zurückgetrieben): „So wie es auß Unterweisung und Erlernung, auch vielfeltiger selbst-eigener Erfahrung eines Muhamedicæ & Turcicæ Falsæ Theologiæ Doctoris, Professoris und Praedicatoris Alcoranici“ (24v) geschrieben sei. Die hier in Anspruch genommene Autorität bezieht sich also auf die Authentizität eines Doctoris, Professoris und Preadicatoris Alcoranici und erst in zweiter Linie auf die Tatsache der Bekehrung und späteren Reconquista-Tätigkeit des Dominikaners Juan Andr s, genannt Maurus. Auf eine kleine Besonderheit dieses Buches ist hinzuweisen. Es findet sich in sehr vielen Texten die Aussage, der Koran sei „zusammengeschmiedet“ (S. 30 f., 44), ohne dass die von Juan Andr s erwähnte Überlieferung, Mahomet habe zwei Messerschmiede zu Helfern gehabt, erwähnt würde.21 Der 20 Zu den Mudejaren und Mosricos vgl. Jos Hinojosa Montalvo, Mudejaren im Königreich Arag n: Integration und Segregation. In: Klaus Herbers, Nikolas Jaspert (Hg.), Integration – Segregation – Vertreibung. Religiöse Minderheiten und Randgruppen auf der Iberischen Halbinsel (7.–17. Jahrhundert), Berlin u. a. 2011, S. 261–299. 21 In der deutschen Fassung von Capell (1685) lautet diese Überlieferung folgendermaßen (S. 30): „Und es wird erzehlt in den Glossen des Alcorans, auch im Buch Azear, daß ihm zween MesserSchmiede, welche ein Bürger zu Mecha in seiner Dienstbahrkeit gefangen hielte, geholffen haben. Denn dieselben brauchte Mahomet, weil sie viel wusten aus dem Alten und Neuen Testament, drumb fragte er sie von der Bibel, daraus sie ihm etliche Ding berichteten.“ In der 1646 erschienenen lateinischen Fassung von Johann Lauterbach, die der deutschen Fassung wohl zugrunde liegt, lautet dieselbe Passage (S. 23): „Ac refertur in glossematis Alcorani & libro Azear, coadjutores illi fuisse duos cultrarios Christianos raptos in servitutem a cive quodam Mechae, quibis, cum multa es Testamento veteri & novo tenerent, Mahometes utebatur, varia ex illis quaerens de Bibliis, qui & responsa illi dabant“. Es handelt sich bei Capell also um gefangene „Messer-Schmiede“, bei Lauterbach um „duos cultrarios Christianos raptos“. Ein „cultrarius“ ist ein Opferschlächter; wobei culter auf das Messer bzw. Schlachtmesser verweist. Die englische Fassung von 1647 lautet (S. 29 f): „The glossers of the Alcoran and the said book Azar doth say, that those which helped him were two sword-cutlers, (Christian slaves unto one of Mecca) who knew much of the new testament; with these Muhamed conversed, and questioned them about many things of the Bible, of which they resolved him […]“. Es handelt sich in dieser Fassung um

1.2 Mahomet als arglistiger Staatsmann mit „natürlicher“ Staatsreligion

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Ausdruck „zusammenschmieden“ steht durchaus auch in Texten, die ganz andere ,Helfer‘ Mahomets benennen, hat sich aber offenbar verselbständigt und weitgehend durchgesetzt. Das Motiv vom Texte-Schmieden wird im gesamten 18. Jahrhundert immer wieder eingesetzt, nicht aber mit irgendeiner Quelle oder inhaltlichen Überlieferung (wie hier mit Bezug zu den Messerschmieden) verbunden. Deutlich ist, dass mit dieser Redewendung vom Schmieden die handwerkliche, also selbst- und nicht etwa gottgewirkte Herstellung des Korans betont wird, ähnlich wie bei dem ebenfalls häufig auftauchenden Sprachbild zum Zusammenflicken des Korans, womit Flickschusterei, Flickenteppich oder gar ein flickenhaftes Narrenkleid assoziiert werden konnte. Die 1685 durch Capell besorgte Ausgabe des alten Buches von Juan Andr s befindet sich gewissermaßen mitten im „Großen Türkenkrieg“. Die nächste zu nennende Publikation erscheint gegen Ende dieses Krieges und liefert ebenfalls ein profiliertes Mahomet-Bild an zentraler Stelle.

1.2 Mahomet als arglistiger Staatsmann mit „natürlicher“ Staatsreligion (1699) 1.2.1 Der Anlass der Veröffentlichung Der Constantinopolitan- Oder Türckische Kirchen-Staat22 ist das Werk eines ungenannten evangelischen Autors, das 1699 bei Friedrich Groschuff in christliche Sklaven, deren Beruf mit „sword-cutlers“ angegeben wird, „Schwertschneider“ also. Hier ist die Ausgabe von 1515 zu konsultieren, um Klarheit zu bekommen: Juan Andr s, Confusi n o confutaci n de la secta Mahom tica y del Alcor n. Estudio preliminar, edici n y notas Elisa Ruiz Garcia; Transcripi n des texto Ma Isabel Garc -Monge, M rida (Editora Regional de Extremadura), 2003. Dort heißt es auf S. 114: „Dizen los glosadores del Alcor n y el libro de Acear que estos ayudadores fueron dos espadores christianos, esclavos de uno de Mequa, que sab an mucho del Testamento Viejo y Nuevo, con los quales dos practicava Mahoma, y fablava y pregunt vales de muchas cosas de la Biblia, y ellos le respondi n.“ Und in der italienischen Fassung von 1543 lautet dieser Satz: „Dicono gliossatori dell’ Alcoran, e libro de Azear che questi che l’aiutarone furono dui maestri che facea¯ spade Christiani schiaui di uno de Mecha che sapena¯o molto dil testame¯to uecchio, e nuouo co¯ quelli praticans e gli dimandana de molte cose della Bibia e q–lli gli rispo¯denano […]“ (Opera chiamata confvsione della setta Machumetana, composta in lingua Spagnola per Giouan Andrea gia Moro, Alfacqui, della Citta de Sciatiua, hora per la diuina bont Christiano e Sacerdote, tradotta in italiano, per Domenico de Caztelu Secretario del illustrissime Signor Don Lope de Soria Imbasciador Cesareo appresso la Illustrißima Signoria di Venetia. M.D.XLIII., S. 14.) 22 Constantinopolitan- Oder Türckischer Kirchen-Staat, In welchem Die vornehmsten GlaubensPuncten des Alcorans, wie nicht weniger der gantze Mahometanische Gottesdienst nebst des falschen Propheten Mahomets Leben, In einer kurtz gefaßeten doch gewissen und deutlichen Erzehlung vorgestellet wird. Leipzig, Verlegts Friedrich Groschuff. 1699. Im selben Jahr findet sich auch eine Ausgabe im Leipziger Verlag von Thomas Fritsch, in dem 1699 auch Humphrey

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1. Prolog

Leipzig erschien.23 Laut Bircher24 handelt es sich um den damaligen (1690–1699) Prediger der Leipziger Nikolaikirche Johann Georg Priz/Pritius (1662–1732), der mit August Hermann Francke in Leipzig studiert hatte. Im Vorjahr hatte Priz bereits den Moscowitischen oder Reußischen Kirchen-Staat ebenfalls bei Groschuff in Leipzig herausgebracht, laut Vorrede allerdings nicht selbst verfasst.25 Der Moscowitische oder Reußische Kirchen-Staat wird von Priz hier in eine Reihe mit diversen neueren Büchern gestellt und im Titel an diesen Publikationen orientiert. Er nennt namentlich von Heinrich Ludolph Bentheim (Benthem) den Engelländischen Kirch- und Schulen-Staat von 1694 und seinen zweibändigen Holländischer Kirchen- und Schulen-Staat von 1698; den 1697 ins Deutsche übersetzten dritten Teil von Paul Rycauts Neueröffneter Ottomanischer Pforte über die Unter der Türckischen Tyrannei seuffzenden Griechisch- und Armenischen Kirchen; Thomas Smiths An Account oft the Greek Church (1680) sowie Gottfried Wilhelm Leibniz’ Novissima Sinica (1697) über den Zustand der Kirche in China. Unerwähnt bleibt der ebenfalls im Jahr 1699 in Gotha erscheinende Orientalische Kirchen-Staat. Sowohl der von Priz 1698 herausgegebene Moscowitische oder Reußische Kirchen-Staat als auch der hier interessierende Constantinopolitan- Oder Türckische Kirchen-Staat zählen zu einer gesteigerten Menge von Literatur über diverse „Kirchen-Staaten“ – ein Ausdruck, der um 1700 offenbar Konjunktur hat. Dass der Constantinopolitan- Oder Türckische Kirchen-Staat als solcher erscheint, ist bemerkenswert und erläuterungsbedürftig. In der Erläuterung des Ausdrucks „Kirchen-Staat“ bezeichnet Priz Kirche als eine Sekte, die von einem anderen Glauben unterschieden ist – Kirche, Kirchen-Staat, Glaube und Sekte werden also weitgehend synonym eingesetzt. Das Frontispiz dieses Werkes zeigt eine Adaption der Wallichs Religio Turcica (1659) vorangestellten Abbildung mit Mahomet, dem Koran, Feuer und Schwert, der Taube und dem Ochsen im Licht des Halbmondes.26

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Prideaux’ Life of Mahomet in deutscher Übersetzung erschien (s. u.). Eine Ausgabe von 1690 konnte ich noch nicht nachweisen. Vgl. Kirchen-Staat, S. 53–54. Vgl. die Nr. 17119 in Martin Bircher, Deutsche Drucke des Barock 1600–1720. Katalog der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, begründet von Martin Bircher, Bd. 20, München u. a. 1992, S. 348. Moscowitischer Oder Reußischer Kirchen-Staat. Zum ersten mahl in Deutschland mit einer Vorrede heraus gegeben von M. Io. Georgio Pritio, Sonnabends-Prediger bey der Kirchen zu St. Nicolai in Leipzig. Leipzig, In Verlegung Friedrich Groschuffs, 1698. „Wer davon der Urheber sey, solches können wir nicht gewiß sagen; Es ist aber ein Mann, welchr zu dem Wercke selbst geschickt genug gewesen; Denn Er hat nicht allein dass Land in Person gesehen und sich lange in Moscau aufgehalten: sondern Er hat auch alles mit sonderbahrem Fleisse untersuchet und sich der Unterrichtung glaubwürdiger Leute gebrauchet, woferne Er in einem und dem andern Stücke sonsten nicht hat hinter die Sache kommen können.“ (Bl. 8v) Vgl. dazu Saviello, Imaginationen, S. 334. Die deutschsprachige Ausgabe von Johann Ulrich Wallichs Religio Turcica von 1664 bietet dagegen keine Mohammed-Darstellung, sondern

1.2 Mahomet als arglistiger Staatsmann mit „natürlicher“ Staatsreligion

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Der Anlass zu diesem Buch ist offenbar die für die Sachsen neue Nachbarschaft zwischen dem Königreich Polen und dem Osmanischen Reich. Das türckische Reich, „dieser mächtige Staats-Colossus“ scheine dem Untergang nahe zu sein, schreibt Priz zu Ende seines Vorworts. Er hat bißhero von den harten Streichen der Christl. Waffen hefftig gewanket, anitzo aber fängt er an, aus allen leibeskräften zu zittern und beben, nachdem er an dem Heldenmüthigen Könige von Polen einen andern Scanderberg zum Nachbar bekommen, dessen tapfere und unüberwündl. Faust dieses ungläubige Reich leichtl. vollends übern Hauffen werffen könte. Und gleich wie sich dz occidentalische Käyserthum mit einem welt-bekandten Augusto angefangen, dargegen aber unter einem Augustulo gebändiget; Also wird das orientalische Käiserthum verhoffentl. unter dem Aller- durchlauchtigsten Augusto II. aus seinen Ruinen zu immerwährendem Nachruhm wiederum in die Höhe geführet werden. Als die Stadt Constantinopel 1453 unter das Türckische Joch gebracht wurde, bekleidete Fridericus III. dem Abendländischen Käiser-Thron, und vielleicht soll diese Käiserl. Residentz nach so langwieriger Sclaverey durch einen großmüthigen Fridrich in kurtzem aus ihren beschwehrlichen Banden wiederum erlöset werden. Alsdenn möchte des in Sachsen bekanten Crimeri wundersame Prophezeyung, die er im Jahre 1553. geschrieben, und welche schon in vielen Stücken genau eingetroffen, zu ihrer gäntzlichen Erfüllung gedeyhen, worvon wir allhier nichts weiters gedencken, sondern einen gewissen Poeten dißfals einige Zeilen zum Beschluß abborgen, die er seinem Glück-Wünschungs-Gedichte in verwichenen Jahre einverleibet: DEr Pohlen Fußfall ist nun allbereit geschehen, Der Churfürst, der nunmehr gekröhnte Würde trägt, Wird sich, wenns GOtt so fügt, ie mehr u. mehr erhöen. Trifft nach des Höchsten Rath, die Prophezeyung ein: So dürffte Mahomet ein schlimmes Antheil kriegen, Fürst, Chur- und König muß in kurtzen Käyser seyn, Den weder Trotz noch Feind ohnmächtig übersiegen, Crimerus geht mit Recht den Reichs-Oraculn für, Der den gestürtzten Stuhl vor langer Zeit gezeiget. Es darff noch kurtze Frist, so triumphiren wir, Wenn Er dem Hunde dort den Rücken vollends beuget.

Auf der Rückseite dieses ausfaltbaren Gedichtblattes findet sich die „StammTaffel oder Geschlechts-Register des falschen Arabischen Propheten Mahometis“. (10v) Der Autor beschließt mit dem zitierten Glückwunschgedicht auf August den Starken anlässlich dessen Krönung zum König in Polen 1697 sein Vorwort über den Constantinopolitan- Oder Türckischen Kirchen-Staat. August der Starke wird – illustriert mit der Prophezeiung der Kaiserwürde – symbolisiert die religio turcica als superstitio, zwischen einer Mose-Figur und der Figur eines christlichen Soldaten.

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gegen ein Mahomet-Bild gesetzt, als kämpfte dieser Sachse direkt gegen den Propheten.27 Der Kontext dieses Buches, ist also offenbar einerseits die vermehrt publizierte Literatur über diverse „Kirchen-Staaten“ sowie die geänderte politische Lage in Sachsen und Polen v. a. gegenüber dem Osmanischen Reich insgesamt. Der im Vorwort erwähnte Anlass ist die Krönung Augusts des Starken zum König von Polen 1697. Das Erscheinen der Ausgaben von 1699 fällt mit dem Sieg über die Osmanen und dem Frieden von Karlowitz zusammen. Die im Vorwort zitierte, auf Kurfürst August von Sachsen (1526–1586) anlässlich seiner Thronbesteigung 1553 bezogene Prophezeiung28 hat sich aus dieser Sicht zwar nicht mit Blick auf die Kaiserwürde aber auf den Sieg über die Osmanen („So dürffte Mahomet ein schlimmes Antheil kriegen“) erfüllt. Das Osmanische Reich wird als „Mahometanisches Reich“ mit „Türckischem Aberglauben“ (s. u.) in die Reihe der „Kirchen-Staaten“ eingereiht. 1.2.2 Die Türken als Gottesgericht Die Titelbezeichnung „Kirche“ erfolge im Constantinopolitan- Oder Türckischen Kirchen-Staat im allgemeinen Sinne, „soferne nehmlich derselbe eine von andern Glauben unterschiedene Secte bedeutet“ (2r). Es werde niemand schaden, etwas über die Meinungen der Völker zu erfahren, „welche man nach langwierigen weltlichen Kriegen letztlich auch mit dem Schwerte des Geistes zubestreiten, und selbige der Heerde Christi zuzuführen sich eüßerst bemühen solte.“ (2v) Wenn man „die Macht des Mahometanischen Reichs, uneracht es durch die siegreichen Waffen der Christlichen Alliirten seither einigen Jahren zieml. geschwächet worden, nebst der grossen Ausbreitung des Türckischen Aberglaubens, als welcher gantz Arabien, Persien, die Tartarey und einen grossen Theil von Indien vergifftet hat, nur oben-hin betrachtet“ (2v–3r) sollte man statt in Hoffnung auf das Seelenheil dieser verführten Völker eher in Verwunderung geraten, „daß die aberwitzigen Träume eines gottlosen Betriegers von so schlechter Ankunft und geringem Ansehen, in kurtzer Zeit gantze Länder überschwemmet“ (3r). Mit Blick auf den verdorbenen Zustand der damaligen christlichen Kirchen lasse sich dies aber als Gottesgericht be27 Die enormen Ambitionen August des Starken zwischen Kaisertum und Turquerien lassen sich sehr gut an den späteren Hochzeitsfeierlichkeiten ablesen, die er für seinen Sohn und die Kaisertochter Maria Josepha veranstaltete; vgl. Claudia Schnitzer (Hg.), Constellatio Felix. Die Planetenfeste Augusts des Starken anlässlich der Vermählung seines Sohnes Friedrich August mit der Kaisertochter Maria Josepha 1719 in Dresden, Dresden 2014. 28 Vgl. zu Augusts Interesse an Astrologie Jürgen Helfricht, Astronomiegeschichte Dresdens, Dresden 2001, bes. das Kapitel „Kurfürst Augusts astronomisch-astrologische Ambitionen“ (S. 15–19). Helfricht hält fest, dass August im Jahre 1576 eine Prophezeiung über die Nachfolge im Königreich Polen an seinen Korrespondenten Wilhelm IV. von Hessen-Kassel schickte, der solche Prognostik allerdings abgelehnt habe; vgl. Helfricht, Astronomiegeschichte, S. 18.

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greifen, so der Autor. Dem Kaiser Phocas gebühre wohl besser der „Titul eines Tyrannen und einer Mißgeburt des Menschlichen Geschlechts“ (3v), er habe das Reich verwüstet und sei darüber hinaus den „Monotheleten oder Voluntariorum“ (ebd.) verfallen, habe seine Nichte geheiratet und diese Blutschande durch Gesetz sanktioniert, was Heiden und Christen gleichermaßen ein Ärgernis gewesen sei.

1.2.3 Erste Aussagen über Mahomet im Vorwort Das Buch verspricht bereits im Titel, „des falschen Propheten Mahomets Leben“ zu schildern. Dem entspricht die Darstellung von Anfang an. Einige Zeit zuvor hatte der Lügen-Prophet Mahomet in Arabien seine neue Religion auff die bahn gebracht, welche aus dem Catholischen, Arrianischen, Nestoranischen, Jüdischen und Heydnischen Glauben zusammen geschmiedet war, und also konte jedermann in Orient etwas in dem Alcoran finden, daß sich mit seiner vorgefassten Meynung reimete, da denn sein, dem äußerlichem Ansehen nach, frommes Leben, worvon die Christen schon dazumahl ziemlich abgewichen waren, nebst den falschen Mahometanischen Wunderwercken ein kräfftiges Mittel war, die Einfältigen theils von der Warheit abzuführen, theils in noch grössere Irrthümer zuverwickeln. Hierzu kam ferner, daß die Saracenen von Käyser Heraclio in langer Zeit keinen Sold erlangen konten, und dannhero erwählten sie den Propheten Mahomet zu ihren Heerführer, also daß in weniger Zeit Syrien, Africa, Egypten und Jerusalem sich dem Käyserlichen Gehorsam gäntzlich entzohe. Niemand konte Mahomets ehrgeitziges Vorhaben besser unterbrechen, als die Christenheit, und dieses war ihm als einem arglistigen und scharffsinnigen Kopffe, keineswegs verborgen: Darum ließ er überall, wo er Meister spielete, öffentlich kund machen, daß alle Religionen geduldet werden solten, inmassen denn auch noch heute zu Tage ein wahrhaffter Syncretismus in Türckey regieret, gegen das Christenthum erzeigt er sich aber, dem Scheine nach, am allergewogensten, und damit er sich desselben Lehre zu seinem Zweck und Vortheil, zu Nutze machen, hingegen aber die Christen von seiner phantastischen Lehre nicht abschrecken möchte, so gab er vor, Christus sey ein weit grösserer Prophet als Moses, und von der Jungfrau Maria, welche von aller Erb-Sünde und Versuchung des Teufels befreyet, gebohren worden. Inmassen denn auch der Alcoran ausdrücklich besaget, CHristus seye das Wort GOttes, und haben nicht allein selbsten Krancke geheilet, Todte aufferwecket, und andere dergleichen Wunder gethan, sondern seine Jünger hätten auch eben dergleichen in seinem Nahmen ausgerichtet. (4r–5r)

Mahomet habe Duldung der Religion angekündigt und auf diese Weise – „ein geistlicher Staats-Streich“ (5v) – von Rom verfolgte Christen an sich gezogen. Also hatte er seine Gewalt und Ansehen unter dem arglistigen Fuchsbalge der Schmeicheley und Religions-Duldung nach und nach vergrössert, biß er sich in seinem auffgerichteten Lügen-Reiche feste genung gesetzet, worauff er nunmehro

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rathsam zu seyn erachtete, die Wolffshaut der Tyranney heraus zu kehren, und schrib das 4te Capitel des Alcorans vom Schwerdt […]. (5v–6r)

In diesem nach Christen-Blut dürstendem Capitul unter andern auch diese Worte zubefinden: Wenn ihr an die Ungläbigen gerathet, so schlagt sie zu tode; hauet ihnen die Köpffe ab oder nehmet sie gefangen, und bindet sie so lange, biß sie sich mit dem Gelde lösen, oder biß ihr vor rathsam achtet, sie wieder lauffen zu lassen. Lasset euch nicht abhalten, sie zuverfolgen, biß sie die Waffen niederlegen und euch unterthänig werden. (6r–6v).

Eine noch größere Verbreitung dieser Religion sei wegen der Zersplitterung in viele Sekten nicht erfolgt, wenn aber auch andersherum die Christen nicht besser dastünden: Jedoch wäre zu wünschen, dz der Christen gleichmäßige Uneinigkeit nicht ebenfals als eine Verhindernis des völligen Sieges über diese Feinde der Wahrheit müste angesehen werden, welches leider! so offenbar, daß es zu Bedeckung unsrer eigenen Blösse besser verschwiegen als erzehlet wird. (9r)

Dennoch sei der Untergang des türkischen Staates nahe und der Autor des Vorworts, der Leipziger Nikolai-Prediger Johann Georg Priz, bezeichnet es als eine Aufgabe des neuen Königs von Polen, die Türken endgültig zu besiegen. Soweit die Aussagen des Vorworts. Das Buch über den ConstantinopolitanOder Türckischen Kirchen-Staat selbst ist von einem Mahomet-Bild her aufgebaut und entspricht insofern den Aktualisierungen des Vorworts, in denen August der Starke direkt als Gegenbild zum Propheten inszeniert wird. 1.2.4 Mahomets Koran Die Darstellung beginnt wiederum mit Mahomet und mit dem Koran. Quelle dieser Absätze ist die Chronica Turcica gedruckt von Wilhelm Serlin (1625–1674) in Frankfurt am Main 1664.29 Serlin war Eigentümer der von 29 Chronica Turcica Oder Außführlich und Wahrhafftige Beschreibung, Von deß Türckischen Reichs Ursprung und Auffnehmen. Von dessen Stiffter dem Mahomet, nebenst seinem gantzen Lebenslauff, auch von Regierung der ersten Türck- und Tartarischen Königen. So wol auch von der Türcken Religion, Gottesdienst, Gebotten, Kirchengehen, Beten, Fasten, Beschneidung, und andern dergleichen Ceremonien. Von Regierung aller Türckischen Käysern, sampt denen unter ihnen verlauffenen fürnembsten Geschichten und Kriegshändeln, biß auff den jetztregierenden Mahomet den Vierdten. Ingleichen von dero Hoffhaltung, Hoff- und Kriegsbedienten, von deren Nahmen und Verrichtungen, und von der Türcken gemeinem Leben und Wandel: Dann auch vom Reichthumb, Einkommen, Königreichen und Ländern deß Türckischen Reichs. Sampt einem Anhang, so eine Beschreibung derjenigen Potentaten, welche mit dem Türckischen Reich gräntzen, und daran zu prätendiren haben: Wie auch unterschiedliche Weissagungen von demselben: Nebenst dem Kriegsbedencken Hrn. Lazari von Schwendi, Röm. Käy. May. Gewe-

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Martin Meyer begründeten, zwischen 1659 und 1683 in 45 Bänden erschienenen Monumentalgeschichte Diarium Europaeum, die über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg über zeitgenössische Entwicklungen im Heiligen Römische Reich und anderen europäischen Ländern sowie über die Türkei berichtete. In dieses Themenspektrum des Verlages passt sich die deutsche Chronica Turcica durchaus gut ein. Auch aus dieser Quelle schöpfte Georg Priz für seinen Constantinopolitan- Oder Türckischen Kirchen-Staat. Unter der Überschrift „Glauben, Gottesdienste, Gewohnheiten und Wallfahrten“ heißt es in den ersten Sätzen des von ihm kompilierten Buches: MAchomet, Mahomet, Muhamet, Mahumet, Muhammed, Mehemet oder Mehmet (welcher Nahme in Arabischer und Türckischer Sprache so viel bedeutet, als ein Geliebter oder Gelobter, nachdem er das vierzigste Jahr seines Alters erreichet, hat von sich ausgegeben, als ob er göttliche Offenbahrungen hätte, auch durch den Engel Gabriel ihme ein neues von GOtt verordnetes Gesetz, welches er in drey und zwanztig Jahr lang, insonderheit bey denen in Arabia gelegnen beyden Städten Mecca und Medina hernach geprediget, auffgetragen worden. Von solchen himmlischen Offenbarungen nun, so seinem Vorgeben nach, zu verschiedenen Zeiten ihm wiederfahren, ist das Buch, der Alcoran genannt, geschmiedet und zusammen geraffet worden. Was der Nahme des Alcorans anlanget, so heisset derselbe, wie etliche wollen, GOttes Gesetze, und wird hergeleitet von Al oder Allah, GOtt und Curan oder Zunan Gesetze. Andere deuten es von dem Hebreischen radice Kara, id est, vocavit, von welchem radice, das Wort mikra, das ist, Lectura eine Zusammenlesung, und gleichsam propter excellentiam sacra scriptura herühret. Und meldet ein gewisser Author, daß wie der Homar oder Omar zu Damasco ein Mahumetanisches Concilium angestellet, den Alcoran in eine richtigere Ordnung zu bringen, habe er die übrigen manuscripta (welche theils der Mahomet selbst, da er, was ihm nur eingefallen, nach Art der weisen Sybillen, wie hiernechst in der Beschreibung seines Lebens gemeldet soll werden, so fort auff eine Schartecke ungeachtet es dem vorigen zuwider oder nicht, gesetzet, theils auch seine Nachfolger aus sonderbahrer Eingebung auffgezeichnet) durch zweyhundert Maulesel, so darmit beladen worden, wegtragen und in den Fluß Jordan werffen lassen. (1–3)30

senen Kriegs-Obristen, wegen deß Türckenkriegs, in sich hält. Ordentlich und umständlich auß vielen glaubwürdigen Scribenten und Historicis zusammen gelesen, mit vielen Kupfferstücken geziert an Tag und hervor gegeben. Sambt einem zweyfachen Register. Frankfurt am Mäyn, In Wilhelm Serlins Verlag. Im Jahr, M.DC.LXIV. Vgl. Josef Benzing, Die deutschen Verleger des 16. und 17. Jahrhunderts. Eine Neubearbeitung. (Separatdruck Archiv für Geschichte des Buchwesens 18), Frankfurt 1977, S. 1268. 30 Vgl. Chronica Turcica, S. 44 f.

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Priz gibt den von ihm wiedergegebenen Texten durchaus auch eigene Noten. So wird aus der Bezeichnung „Buch“ für den Koran – so die der Vorlage von 166431 – in Priz’ neuer Fassung von 1699 ein „Lügen-Buch“: Dieses Lügen-Buch wird bey den Türcken so heilig geachtet, daß solches niemand mit ungewaschenem Leibe und Händen nur berühren, vielweniger auffthun oder lesen darff, es sey denn, daß er es aus Noth thue, auff welchem Fall er doch ein wöllen leinen oder ander Schnupf-Tuch darum winden muß, damit es mit blossen Händen nicht angegriffen werde. (3–4)

Man dürfe diesem Buch auch nicht den Rücken zuwenden. Die Schreiber würden reich belohnt und die es auswendig können „fast als Götter geehret“ (4). 1.2.5 Die Hauptartikel des Glaubens Als Hauptartikel des Glaubens werden aus derselben Quelle, der Chronica Turcica von 166432 benannt: Koran und Tradition; Gott; Engel, Teufel; Offenbarungen (Bibel-Mose, Psalmen-David, Evangelium-Jesus Christus); Propheten; Jüngster Tag (Antichrist, Christi Sieg, Mahdi, Gog und Magog/Scythen, Sonne, Tod aller Tiere, Berge fliegen, Himmel schmelzen/neue Himmel, Totenauferstehung, paradiesische Kleider für Propheten am Thron Gottes, Strafzustand der andern Völker, Waagschale des Gerichts, Brücke über die Hölle, jeder Prophet hat einen Teich zum Trinken für seine Völker, Fromme im Himmel) und schließlich die Vorsehung Gottes. Diese Hauptartikel seien mit dem Herzen zu glauben und mit dem Mund zu bekennen: „Amentu billahi ve, malai, Hetihi ve, Kutubili ve, rusulihi, velgevim ill hiri ve Kader hayir ve scerrinim llah: das ist: Ich gläube an GOtt und die Engel, und die Bücher und die Propheten, und an den Tag des Gerichts, und an die Verordnung gutes und böses von dem höchsten GOTT.“ (24–25)33 Dieser Glaube sei durch fünf Werke (Bekenntnis, Gebete, Almosen, Fasten, Wallfahrt) zu unterhalten, die einzeln mit Hinweis auf weitere religiöse Zeremonien und Praktiken wie z. B. die Beschneidung, wie auch andere Umstände (Schulen, Hospitäler etc.) und Themen (Caba und ihre Begründung durch Abraham, Opferung Isaaks etc.) vorgestellt werden.

31 Chronica Turcica, S. 45. 32 Vgl. Chronica Turcica, S. 46–51. 33 Vgl. Chronica Turcica, S. 51: „Amentu Billahi ve, malai Ketihi ve, Kutubili ve, rusulihi, velgevim illahiri ve Kader hayir vo scerrenim llah: das ist: Ich glaube an Gott und die Engel, und die Bücher und die Propheten, und an den Tag des Gerichts, und an die Verordnung Gutes und Böses von dem höchsten Gott.“

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1.2.6 Der „Islam“ Als letztes Thema wird das Begräbnis angesprochen, das zu Fragen des Glaubens an das künftige Leben überleitet. Hier, im Zusammenhang von Tod und Gericht, führt Georg Priz aus der Chronica Turcica34 den Ausdruck „Islam“ ein. Sie glauben auch, daß die Seelen und Leiber biß an den Tag des jüngsten Gerichts, begraben werden, eine viertel Stunde aber nach ihrem Begräbnüß werden zu den Todten zween Engel, Nahmens Nechir und Remonchir, oder Nekir und Mankir oder Mukir, mit einem grossen Kolben und brennenden Falckeln [!] schrecklich anzusehen kommen, und die Verstorbenen um viererley Dinge fragen. Alß 1. Wer ist dein GOtt? 2. Wer ist dein Prophete? 3. Welchs ist dein Glaube? und 4. Welches ist dein Zweck? Auff diese Fragen antworten diejenigen, so den Mahumetischen Glauben beständig bekant haben, unerschrocken. 1. Mein GOtt ist der, so dich und mich erschaffen hat; 2. Mein Prophet ist Mahomet 3. Mein Glaube ist Islam, das ist der Mahumetanische einträchtige Glaube, als eine Seligmachung, und denn 4. Mein Zweck ist Caba, das ist die Kirche zu Mecha. Deßwegen geben die Türcken sich selbst den Namen Islami, dadurch anzuzeigen, daß sie einig und friedsam unter einander seind; (111–112)

Die Ungläubigen und Bösen werden den fragenden Engel für Gott halten und darum gepeinigt werden; die Gläubigen werden sanft ruhend auf den jüngsten Tag warten und durch ein offenes Fenster im Himmel sehen, was geschieht. Mahomets Seele bleibe im Grab, weil er nicht ohne seine Gläubigen den Himmel genießen wolle. „Dieser Seelen nun, als einer Führerin, werden aller Musulmenner das ist aller gläubiger Türcken Seelen, zur ewigen Freude und Herrligkeit nachfolgen.“ (113)35 Im Rahmen der Eschatologie verwendet Georg Priz die Bezeichnung Musulmenner, die sich sonst in diesem Buch nicht findet. In der Beschreibung des Kirchen-Staats ist sonst von Türcken die Rede. Es wird deutlich, dass der kompilatorische Text den an einer Stelle kurz erläuterten Ausdruck „Islam“ nicht verwendet. 34 Vgl. Chronica Turcica, S. 75. 35 Vgl. Chronica Turcica, S. 76.

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1.2.7 Das Leben Mahomets Das zweite Kapitel (114–139) widmet sich der Geistlichkeit – „Von dem Muffti, Pfaffen, München und Einsiedlern“, das dritte (139–168) dem Leben Mahomets. Die Interpretation seines Lebensweges ist aus dem 1688 erschienenen Thesaurus exoticorum, einer Kompilation des Hamburger Schriftstellers Eberhard Werner Happel (1647–1690) übernommen, der ihrerseits eine Fülle von Darstellungen zugrunde liegt.36 Dieser vielfach kompilierte Text liest sich in der Fassung von Georg Priz37, der die Vorlage kürzte sowie Ausdrücke wie „After-Abt“ (für Sergius) zusätzlich einfügte, so: Wiewohl nun Mahomet schon vorhero, wie hernach selbst offtmahls bekennt, Gedancken gehabt, durch eine neue Lehre sich groß und berühmet zu machen, so haben ihm doch die zu einem solchen Vorhaben benöthigte Mittel gemangelt; Als er derowegen durch diese erwünschte Heyrath ansehnliche erreichet, hat er den Vorsatz genommen, sein lang vorhero beschlossenes Absehen, nunmehr ins Werck zu setzen, 36 Eberhard Werner Happel, Thesaurus Exoticorum, Hamburg 1688. (thesaurus EXOTICORUM// Oder eine mit Ausländischen// Raritäten und Geschichten// Wohlversehene// Schatzkammer// Fürstellend// Die ASIATIsche, AFRICANIsche und// AMERIKANIsche// NATIONES// Der Perser/ Indianer/ Sinesen/ Tartarn// Egypter/ Barbarn/ Libyer/ Nigriten/ Guineer/ Hottentotten// Abyssiner/ Canadenser/ Virgenier/ Floridaner/ Mexicaner/ Peruaner// Chilenser/ Magellanier und Brasilianer etc. Nach ihre Königreichen// Policeyen, Kleydungen/ Sitten und Gottes=Dienst.// Darauff folget eine Umständliche// von Türckey Beschreibung// Der Türcken Ankunfft; aller Sultanen Lebens=Lauff und Bildnüß; Aller hohen// Staats=Bedienten; Des Sultans Hoff/ Regierung intraden, Macht und// Vasallen; Wie auch ihres Propheten Mahomets Lebens=Beschreibung und sein// Verfluchtes Gesetz=Buch oder Alcoran// Alßdann eine Kuertzbündige// Beschreibung von Ungarn:// […] Alles mit grosser Mühe und Fleiß aus den berühmtesten Scribenten zusammen// getragen/ mit schönen Kupfern und Landkarten/ auch andern Figuren in sehr grosser/ Anzahl außgezieret/ und denen Liebhabern zur Ergetzlichkeit heraußgegeben// von EVERHARDO GUERNERO HAPPELIO// HAMBURG;// Gedruckt und verlegt durch Thomas von Wiering, Buchdrucker und Formschneider// bey der Börse/ im Gülden A. B. C. Im Jahr 1688.) Der von Priz gebotene Text entspricht großen Teilen der ersten Abteilung des Thesaurus Exoticorum, die der Beschreibung des osmanischen Militärwesens vorangestellt ist; vgl. Happel, Thesaurus, S. 1–6; die Übernahmen beginnen auf Seite 2. Happel hatte im Gegenstz zu Priz eine Liste der von ihm verwendeten Autoren in der Vorrede vorgelegt (vgl. Bl. 2r–3r) sowie die Darstellung bis zur Seite 104 als nicht seiner Feder entstammend und seiner Auffassung entsprechend gekennzeichnet. Zu Happel vgl. Wilhelm Kühlmann, Art.: „Happel, Eberhard Werner“. In: Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes, hg. V. Wilhelmm Kühlmann u. a. Bd. 4 Fri – Hap, Berlin/New York 22009, S. 653–655; Flemming Schock, Die Kunst-Kammer. Populäre Wissenssammlungen des Barock am Beispiel der „Relationes Curiosae“ von E.W. Happel, Köln 2001, bes. S. 46 ff.; Annette Katzer, Araber in deutschen Augen. Das Araberbild der deutschen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, Paderborn u. a. 2008, S. 72 f.; vgl. weiterhin die Bemerkungen von Stefanie Rudolf mit Verweis auf Johann Langes im Thesaurus Exoticorum enthaltene Koranübersetzung in: Hartmut Bobzin/ Peter Kleine (Hg.): Glaubensbuch und Weltliteratur. Koranübersetzungen in Deutschland von der Reformationszeit bis heute. Katalog zur Ausstellung Koranübersetzungen – Brücken zwischen Kulturen, Arnsberg 2007, S. 23 sowie Rehrmann, Ehrenthron, S. 46–53. 37 Vgl. Happel, Thesaurus, S. 2–3.

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massen er in währender seiner Dienstbarkeit von zween abgefallenen Mammelucken, nehmlich von einem der Arrianische oder (wie andere meynen) Monothelitischen Secte zugethanen Münche, Sergio (welcher, alß er im Closter Callistrati zu Constantinopel Apt gewesen, und ihn die Griechen pseudabbas, oder der After-Abt und der verflüchte Münch genennet, seiner GOtteslästerlichen lehr halber von Constantinopel durch den Bann vertrieben worden, in Palæstinam und Arabiam geflogen) und denn von Johanne de Antiochia (so der Nestorianischen Sect zugethan gewesen,) ziemlichen Unterricht bekommen hatte; Alß ihn aber, wie etliche dafür halten, erst in währendem seinem Ehestand die fallende Seuche oder schwere Noth angestossen, wormit sein Weib übel zufrieden gewesen, und sich sehr darüber bekümmert, ihm auch einsten zugeredet, wie es doch käme, daß er ihr solchen Mangel oder Kranckheit nicht vorher entdecket, so hat hierauf Mahomet geantwortet: Liebes Weib, bekümmere dich nicht, dieses alles geschiehet aus sonderlichem Rathe GOttes, der mir zu gewissen Zeiten durch seinen Engel Gabriel seinen Willen offenbahret. Worauff die gute Frau voller Freude worden, ihren prophetischen heiligen Ehemann mehr, denn zuvor geschehen, geehret, geliebet, und bey ihren Nachbahren und Bekandten wegen solcher seiner ihm von GOtt und dem grossen Engel Gabriel geschehener himmelichen Offenbarungen hin und wieder Meldung gethan. (143–145)

Die weiteren Ausführungen, die Priz hier anbietet, sind ebenfalls aus beiden Quellen, der Chronica Turcica und dem Thesaurus Exoticorum von Happel übernommen.38 Priz fährt fort: Man hält auch dafür, daß er aus obiger Ursache durch der Medicorum Einrathen keinen Wein getruncken, noch Schweinefleisch gegessen, als welches beyderseits bey solcher Kranckheit höchst schädlich, und dannenhero hernach ein Gesetze seiner verführischen Lehre daraus gemachet. Nachdem er nun vieler Menschen Gunstgewogenheit erlanget, hat er sich in dem viertzigsten Jahre seines Alters hervor gethan, und den vermaledeyten Alcoran (worüber er dreyzehen Jahr zugebracht haben sol, auch deßwegen, und beschuldigter Zauberey halber aus Mecha entfliehen müssen) an den Tag gegeben; Dieses Buch ist sowohl aus Jüdischer als heydnisch- und verschiedner Christl. Secten vornehmlich aber der Valentinianer, Photinianer, Arrianer, Adamiten, Eytichianer, Triformianer, Nestorianer und vieler anderer Irrthümern (welche damahls in Orient befindlich gewesen,) und zwar nach Arth der Sybillen, nur auff eintzele Bletter und Schartecken, aus sonderlicher Geheimnüß, daß man darinnen die Folge, Ordnung, Ursache, oder Weißheit nicht so genau nachforschen konte, zusammen geflicket worden. Damit aber auch solcher neuen Lehre destomehr Glauben beygemessen würde, hat er sie durch betriegerische vermeinte Zeichen und Wunderwercke, alß erstlich durch eine schwartze dicke Wolcke, von welcher er soll überschattet worden seyn, durch einen Ochsen, so durch das anwesende stehende Volck, (jedoch gleich 38 Dies ist anhand der beiden Texte leicht nachvollziehbar und wird hier nicht für jeden einzelnen kompilierten Satz oder Absatz angemerkt.

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wie auch die Taube vorhero darzu heimlich abgerichtet) von sich selbsten zum Mahomet gelauffen, und Speise gefordert, denn auch durch eine Taube, welche ihm aus den Ohren Körner gelanget; durch die Freundschafft mit dem Monde, und zuletzt auch durch seine böse Kranckheit, welche Entzückung er vor Göttliche Offenbahrungen aus gab, bekräfftigen, und sich dadurch in Ansehen bringen wollen. (145–147)

Diese „Freundschaft mit dem Monde“ sei im Übrigen der Grund für das Mondjahr und die Verehrung des Mondes. Mahomet habe die Rebellion der nicht ausgezahlten Söldner des Kaisers Heraclius ausgenutzt, die ihn zu ihrem Anführer wählten. Schon zuvor sei er wegen böser Taten zusammen „mit einer ansonderlichen räuberischen Rotte“ (149) flüchtig gewesen und habe auf seinen Fluchten seine Lehre ausgebreitet. Hierauff ist er als ein kluger Kopff und der nunmehr durch dieses Glück auch die Macht erlanget, sein Vornehmen mit desto mehrer Beständigkeit fortzusetzen, darauf bedacht gewesen, wie er ein solches Barbarisches, grobes, unbesonnenes und unverständiges Volck von Sarracenern, Sclaven, Uberläuffern, Missethätern und allerhand zusammen gerottetem losen Gesinde mit vor gemahlten und den Menschlichen Begierden annehmlichen Dingen zu seiner fernern devotion befestigem könte […] (149–150)

Er habe ihnen vorgemacht, sie seien von Sara entsprungen, sie seien der gebenedeite Same Abrahams der die Erde besitzen sollte. Darum sollten sie sich ihr Erbteil von den „Gaurs“ holen und sie durch Feuer und Schwert verfolgen. Mahomets Predigt von glückseligem Leben, von Wohlstand und Herrlichkeit in diesem Leben oder nach dem Tode habe ihm die Saracenen zugeführt. Die Eroberung und Verwüstung habe begonnen, so dass Gen 16,12 auf Mohammed und seine heutigen Nachfolger, die Türken bezogen werden könne. Mekka habe Mahomet im dritten Anlauf eingenommen, die Saracenen zehn oder zwanzig Jahre regiert, sei zwischen 62 und 64 arabische Jahre alt geworden und in Medina oder in der Nähe des Roten Meeres begraben. Wie Christus, so habe man gemeint, würde er nach drei Tagen, drei oder dreitausend Jahren wieder lebendig, warum man ihn nicht begraben habe. Alleine es hat nach seinem Abscheiden der Cörper also zu stincken angefangen, daß man ihn am dritten oder vierten Tage seiner vermeinten, Lügenhafftigen Auffahrt tiefer in die Erde verscharren müssen; Allwo er biß an den jüngsten Tag neben allen seinen Mitgenossen und Lehrmeister den Lohn gethaner Arbeit zu erwarten haben wird […]. (156)

Mohammed sei ein arglistiger Staatsmann gewesen. Es sei anzunehmen, dass er Religions- und Staatsregeln aufgestellt habe, die für ihn selbst nützlich gewesen wären. In der Religion hat er 1. nichts anzunehmen und zu glauben geboten, was nicht mit dem gemeinen Sinn des Menschen gleichstimmig wäre, hingegen alle Geheimnüsse

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des Glaubens, so die Menschliche Vernunfft übertreffen, zu verwerffen. 2. Hat er seine Secte aus allerhand andern Secten, insonderheit aber aus dem Heyden- Juden- und Christenthum, welche zu der Zeit die Stärckesten waren und in Orient am meisten Herrscheten, zusammen gezogen, und also dadurch einem ieden, der etwas von seiner Religion darinnen gefunden, einem appetit zu der Seinigen erregen wollen. 3. hat er seinen Anhängern allerhand liebliche und anmuthige Belohnungen versprochen ohne daß er sich um die Geistlichen viel bekümmert: Welches denn auch gemeiniglich allen Menschen, und insonderheit diesen orientalischen groben und zu allerhand fleischlicher Wollust von Natur geneigten Völckern wohl gefallen. (162–163)

Der Autor, Georg Priz, der an dieser Stelle das Ende des Osmanischen Reiches herbeiwünscht, schließt den kompilierten Text mit einem Grabspruch: „Hier lieget Mahomet, der große Lügenmeister, Der fast gantz Orient ans Narrenseil gebracht: Anitzo quälen ihn die schwartzen Höllengeister, Allwo er dz Quartier vor seine Brüder macht. ENDE.“ (168) Bemerkenswert ist, dass Priz genauso vorgeht, wie der oben erwähnt Eberhard Werner Happel, der seinen von Priz genutzten Thesaurus Exoticorum 1688 vorgelegt hatte. Auf den ersten Seiten, gewissermaßen als zweite Vorrede des Buches, findet sich bei Happel eine klischeehaft negative Darstellung Mahomets, die für sich steht. Der ganze Thesaurus wird damit eingeleitet. Im Zusammenhang der Darstellung der Türkei jedoch wird eine andere, differenziertere Schilderung geboten, die von Happel deutlich abgegrenzt wird: „Ohnerachtet droben die Materie von dem Mahomet angeführet wird, so ist es doch in solcher Kürtze und nach dem Fürgeben der Christen geschehen, daß ich Ursache habe, dieselbige anitzo wieder auff das neue vor die Hand zu nehmen, und solche mit gebührlichen Umbständen und aus den Türckischen Originalen abzuhandeln.“39 Happel macht also deutlich, dass er diverse Mahomet-Bilder kolportiert, die einander nicht entsprechen (müssen). Eine ähnliche Spannung findet sich auch bei Priz im ConstantinopolitanOder Türckischen Kirchen-Staat: Die kompilierten Teile zu Mohammed im Vorwort, zu den Glaubenslehren sowie zum Thema Auferstehung sind äußerst inhomogen, teilweise wertend verändert („Lügen-Buch“), teilweise in Spannung untereinander gelassen (vgl. die Aussagen zur Eschatologie). Redaktionell überwiegen dabei die negativen Töne, wie die oben zitierte Schlussbemerkung verdeutlicht.

39 Happel, Thesaurus, S. 245.

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1.2.8 Mahomet und das Ende des „Türkischen Reichs“ Dieses Buch beschreibt den aktuellen politisch-militärischen Feind im Gestus der Überlegenheit. Die Gestalt Mahomet dient dabei als personifizierte Folie, als Chiffre für den ,Ertz-Feind‘. Mahomet wird auf eine ablehnende Art als Betrüger dargestellt. Priz’ Opus steht in dieser Hinsicht in der Tradition westlich-christlicher „Türckenbüchlein“40 und wurde 1699 in Sachsen mehrfach aufgelegt.41 Die Schilderung scheint dem Anlass unter- oder zugeordnet zu sein. Besonders bemerkenswert ist die dabei zum Ausdruck gebrachte Freude über den Sieg gegen die Osmanen. Im Vorwort wurde aus dem Gedicht auf die Krönung Augusts des Starken zum König von Polen zitiert („Trifft nach des Höchsten Rath, die Prophezeyung ein: / So dürffte Mahomet ein schlimmes Antheil kriegen“). „Mahomet“ steht also für den militärischen Gegner. Die zitierte Prophezeiung schien sich mit dem Frieden von Karlowitz vom 26. Januar 1699, den neben dem deutschen Kaiser und Reich auch Venedig, Russland und Polen ausgehandelt hatten, als wahr zu erweisen. Es ergab sich eine Situation der Überlegenheit über das Osmanische Reich, das hier als ein Reich neben anderen in einer Reihe von Kirchen-Staaten erscheint. Das Buch steht gewissermaßen im Zeichen dieses Triumphes über eine gerade besiegte Macht. Mahomet erscheint als Chiffre für die Besiegten; August der Starke erscheint als Kondensationspunkt für die Sieger. In demselben Jahr – 1699 – erschien in dem einflussreichen Verlag von Thomas Fritsch in Leipzig,42 der ebenfalls eine Ausgabe des Constantinopolitan- oder Türckischen Kirchen-Staats gedruckt hatte, eine umfangreichere Abhandlung in deutscher Übersetzung, mit vielfach geäußerten Betrugsvorwürfen gegenüber Mahomet. Das Buch passt ganz gut zu dem hier von Priz kompilierten bzw. erzeugten Bild. Durch Kürzung ist dieses Buch jedoch völlig seines ursprünglichen thematischen Zusammenhanges entkleidet. Das Leben Mahomets von Humphrey Prideaux erscheint in seiner deutschen Fassung von 1699 als eine Biographie, nicht als eine Streitschrift.

40 Thomas Kaufmann, „Türckenbüchlein“. Zur christlichen Wahrnehmung „türkischer Religion“ in Spätmittelalter und Reformation. Göttingen 2008 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 97). 41 An das Hallenser Exemplar (ULB: Ha 179: Hb 2282a) ist angebunden: Des für 200. Jahren bekehrten Doctoris, Professoris und Prædicatoris Der Muhammedischen Lehre, Johannis Andreæ Mauri. Nachdenckliches Buch, gegen den Mahomet und die Mahomedische falsche Lehre; Von newen in Teutscher Sprache außgefertiget durch D. Capell P.P. Hamburg In Verlegung Georg Wulff, Buchhandler in St. Johannis Kirchen. 1685. (Vgl. dazu den vorigen Abschnitt). 42 So Martus mit Verweis auf Rosenstrauch; vgl. Martus, Aufklärung, S. 428, 436 f. u. 926.

2. Der Erfinder der Religionsbetrügerei – Humphrey Prideaux’ Life of Mahomet in deutscher Übersetzung (1699) 2.1 Zur Situation der deutschen Veröffentlichung des englischen Buches Das Leben Mahomets beschrieben durch Humphrey Prideaux1 war ursprünglich nicht in einem vom Krieg mit dem Osmanischen Reich betroffenen Gebiet, sondern weit davon entfernt, auf den britischen Inseln verfasst worden. Gleichwohl wurde es schnell ins Deutsche übersetzt und in Leipzig gedruckt. Es wird ebenfalls kurz nach dem am 26. Januar 1699 besiegelten Sieg über die Osmanen auf den deutschen Markt gekommen sein. Es erschien bei Thomas Fritsch in Leipzig, in demselben Verlag, der in demselben Jahr, 1699, auch eine Fassung des Constantinopolitan- Oder Türckischen Kirchen-Staats verlegt hatte. Der Kontext der Veröffentlichung ist also identisch. Zunächst soll die 1699 in Leipzig erschienene deutsche Fassung vorgestellt werden, die in diesen Kontext eingespielt wurde.2 In einem nächsten Schritt ist auf den Autor des Buches und auf den ursprünglichen Kontext einzugehen. Das handliche Buch war sehr schnell auch in einer französischen Übersetzung erschienen. Der Übersetzer ist nicht bekannt. Der Autor des englischen Originals ist Humphrey Prideaux. Sein Life of Mahomet wird in der deutschen (und europäischen) Literatur immer wieder zustimmend wie ablehnend zitiert und zählt zu den im 18. Jahrhundert und darüber hinaus meisterwähnten Autoren. Sein Werk wurde auch noch im 19. Jahrhundert nachgedruckt.3

1 Das Leben Mahomets beschrieben durch Humphrey Prideaux. Aus dem Englischen übersetzet. Leipzig bey Thomas Fritsch. 1699. 2 Das Buch hat folgenden Aufriss: „Mahomets geschlecht und heyrath mit Cadigha; Sein erstes vorgeben ein prophet zu seyn; Von seinem Alcoran; Die verfertigung des Alcorans; Mahomets heyrath 3er weiber; Seine nächtliche reise nach dem himmel; Sein mündliches gesetz; Der anfang der Hegira, und die Arabische jahr-rechnung; Seine raubereyen; Von Mecca, und dem Tempel daselbst; Ihr jährlicher fast-monat Ramadan; Mahomets vertraulicher umbgang mit dem Juden Caab; Die ursachen, warumb er den wein u. das spielen verboten; Seine walfahrten nach Mecca; Mahomet zu Chaibar mit gifft vergeben; Sein tod und begräbniß zu Medina; Allgemeine anmerckungen über Mahomets leben; Streitigkeiten in dem Alcoran; Texte aus der heiligen schrifft von Mahomet zu vertheidigung seines Gottes-dienstes angezogen“. Die Orthographie bzw. die Groß- und Kleinschreibung ist offensichtlich am englischen Original orientiert. 3 Vgl. Matthew Dimmock, Mythologies of the Prophet Muhammad in Early Modern English Culture, Cambridge/Mass. u. a. 2013, S. 253 Anm. 113.

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2. Der Erfinder der Religionsbetrügerei – Prideaux’ Life of Mahomet

2.2 Das vorgestellte Mahomet-Bild 2.2.1 Mahomets Lebensweg Prideaux’ Mahomet-Darstellung ist eine der umfangreichsten Darstellungen dieser Zeit und aufgrund ihrer enormen Rezeptionsgeschichte etwas ausführlicher wahrzunehmen. Das hier konstruierte Bild ist auch in seiner deutschen Fassung – Das Leben Mahomets beschrieben durch Humphrey Prideaux – sehr bedeutsam für die Debatten zu diesem Thema im 18. Jahrhundert. Prideaux führt in den hier zitierten Passagen viele Belege aus diverser christlicher und muslimischer Literatur bzw. Überlieferung an. Der Text erscheint auf diese Weise als gelehrt und abgesichert. Für unsere Betrachtung geht es um achtzehn relevante Namen bzw. Lektüren vornehmlich christlicher Provenienz.4 Prideaux’ Umgang mit den Quellen schätzt Peter Malcolm Holt 4 Die im deutschen Text oftmals schwer identifizierbaren Namen bzw. Titel sollen hier erwähnt werden: 1) Der muslimische Chronist Abul Feda (Abu’l-Fida; 1273–1331) aus Syrien; 2) Die arabische Geschichte des Bischofs (Katholikos/Maphrian) Abul Faragius (Gregorius Bar-Hebraeus; 1226–1286, auch Abu¯ l-Faragˇ Ibn al-’Ibrı¯) in Edward Pocockes (1604–1691) Ausgabe von 1663 (Gregorius Abulfaragii historia compendiosa dynastiarum); 3) Der koptische Chronist Georgius Elmacin (Girgis Al-Makin, auch Ibn al-’Amid; 1205–1273), dessen Quelle Bidawi (alBaida¯wı¯; gest. um 1290) Prideaux benennt; 4) Das Lexicon Arabico-Latinum (1653) des Niederländers Jacob Golius (Jacob van Gool; 1596–1667); 5) Die Apologie des Franziskaners Guadagnol (Filippo Guadagnoli; 1596–1656) von 1631, die sich auf das in lateinischer Fassung Politor Speculi genannte Werk von Ahmed Ebn Zin (Zain-al-’Abidı¯n; gest. zwischen 1644 und 1650; in der Apologie „Ahmed filius Zain Alabedin“ genannt) bezieht, dessen Namen Prideaux ebenfalls erwähnt; 6) Die Confusio Sectæ Muhammedanæ des zum Christentum konvertierten muslimischen Rechtsgelehrten Johannes Andreas Maurus (Juan Andr s; getauft 1487) von 1515 (vermutlich) in der lateinischen Fassung von 1594/95; 7) Nennt Prideaux den französischen Naturforscher und Orientreisenden Bellonius (Pierre Belon, 1517–1564), dessen Reisebericht von 1553 in den 1690er-Jahren auch in englischer Sprache publiziert worden war; 8) Erwähnt er die aus dem Griechischen von Bartholomäus Picenus ins Lateinische zurückübersetzte Schrift Confutatio Alcorani seu legis Saracenorum von Pater Richard (Ricoldo Peninni/Ricoldus de Monte Croce; ca. 1243–1320); 9) bezieht er sich auf Cantacuzen (Johannes VI. Kantakuzenos; ca. 1295–1383), den zwischenzeitlichen byzantischer Kaiser, Theologen und Historiker; 10) auf die Cribratio Alcorani des Nikolaus von Kues (1401–1464) von 1460/61; 11) auf Hermanno Dalmata (Hermann von Dalmatien/von Carinthia; um 1100 bis um 1155); 12) auf Vincentii Bellovacensis Speculo Historico (Vinzenz von Beauvais; geb. zwischen 1184 und 1195 gest. um 1264); 13) führt Prideaux auch den Patriarchen Eutychius (Eutychios von Alexandria/Sa’id ibn Batriq; gest. 940) an. Außer dem unter Nr. 1 erwähnten Ismael Abu’l-Fida sind dies nur christliche Autoren. Ergänzt werden diese bei Prideaux durch 14) Nennung des ismailitischen Autors Al ˇ anna¯bı¯; gest. 913); 15) wird der Shafi’it Al Kodai Jannabi – (Abu¯ Sa’ı¯d al-Hasan ibn Bahra¯m al-G ˙ (Muhammad ibn Sala¯ma al-Quda¯’ı¯; gest. 1062) genannt und 16) schließlich der in Syrien wir˙ ˙ kende muslimische Philosoph Abunazar (Abu¯ Nasr Muhammad al-Fa¯ra¯bı¯; um 872–950). Die Reihenfolge dieser Aufzählung folgt den Erwähnungen in Prideaux’ Text. Zu erwähnen sind schließlich noch 17) Wilhelm Schickards Tarich regum Persiae (1628) als Bezugsgröße; sowie 18) auch die später so genannte Confutatio Agareni des Bartholomaeus Edessenus (Bartholomäus von Edessa) aus dem 13. Jahrhundert.

2.2 Das vorgestellte Mahomet-Bild

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allerdings als „secondhand, from translations or quotations in the works of orientalists“5 ein. Er bescheinigt der Biographie bei aller orientwissenschaftlichen Kritik aber „at least a historical framework“, allerdings stark überlagert durch „legendary material (both Christian and Muslim) and distorted by polemical bias“.6 Im Hinblick auf eine Perspektive historisch-philologischer Orientalistik ist diese Kritik ein Moment in der Fachgeschichte, die nach jeweils heutigen bzw. zeitgenössischen Maßstäben und Debattenlagen geschrieben wird. Die hier zu stellende Frage ist zunächst aber etwas anders gelagert und zielt auf die Gestalt und Ausformung der Repräsentation. Was fachgeschichtlich als tendenziös oder obsolet betrachtet wird, ist hier von Interesse: Wie sieht die Repräsentation Mohammeds in Prideaux’ Buch – für deutschsprachige Leser um 1700 übersetzt, gedruckt und auf den Buchmarkt gebracht – eigentlich aus? Was wird erzählt, wie? Das Anliegen besteht darin, damalige Texte nicht nach heutigen diskursiven Maßstäben zu frisieren. Eigentlich sei die korrekte Aussprache „Mohammed“, wie Prideaux in der englischen und auch in dieser deutschen Fassung gleich im ersten Satz festhält, um daraufhin konsequent die Form „Mahomet“ zu verwenden. Wie bereits oben in der Einleitung betont, wird diesem Bild Rechnung getragen und darum wird auch diese Bezeichnung verwendet, die nicht auf den historischen Muhammad, sondern auf die Repräsentation Mahomets von 1697 bzw. 1699 zielt.˙ Prideaux geht ausführlich auf die vornehmen Vorfahren Mahomets ein und datiert dessen Geburt auf den Mai 571. Hier, gleich zu Anfang seines Buches, stellt er seine ausführlichen Betrugshypothesen vor, die wegen ihrer enormen Wirkung zunächst im Zusammenhang ihrer deutschen Übersetzung wiedergegeben werden sollen. Der hier wiederzugebende Text enthält eine ganze Reihe von Fußnoten und Verweisen auf Literatur zum Thema, erscheint also durchaus als akademisch gewirkter Text. Prideaux macht die Feststellung, daß Mahomet nicht von so geringem geschlecht, wie einige sagen, entsprossen. Dann als ein Korashite, war er aus dem edelsten stamm der Araber, und sein hauß war das ansehnlichste selbigen stammes, als welches in vielen nach einander folgenden geschlechtern die herrschaft geführet. (9)

Nach dem frühen Tod seines Vaters sei aber das ganze Vermögen an seine Vettern gefallen, besonders an den in Mekka angesehenen Onkel Abu Taleb. Bereits hier geht es um Betrug: Unter seiner beschützung ward Mahomet, wie er seine betrügerey erstlich suchte durchzubringen, gegen alle seine widersacher gestützet, und stiege so weit, daß 5 Peter Malcolm Holt, The Treatment of Arab History by Prideaux, Ockley and Sale. In: Bernard Lewis/Peter Malcolm Holt (Hg.), Historians of the Middle East. London/New York/Toronto 1962 (Historical Writing on the People of Asia), S. 290–302, Zitat S. 293. 6 Holt, Treatment, S. 294.

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2. Der Erfinder der Religionsbetrügerei – Prideaux’ Life of Mahomet

nachgehends auf erfolgtes absterben seines vettern, er selbsten mächtig genug war, seine autorität in gantz Arabien auf festen fuß zu stellen. (9–10)

Auf seiner Geschäftsreise im Auftrag Abu Talebs nach Syrien habe ihn ein gelehrter Mönch namens Bahira am prophetischen Licht seines Gesichts erkannt, das von Abraham auf Isaak und die israelitischen Propheten sowie auf Ismael und nach ihm erst auf Mahomet gekommen sei. Eine andere Überlieferung deute ein Mal zwischen den Schultern als das von Bahira erkannte prophetische Siegel. In Wahrheit, so Prideaux, habe Mahomet erst viel später mit diesem Mönch Kontakt gehabt. Drei Jahre habe er für Cadigha in Damaskus Handel getrieben, bevor die 40-jährige, reiche Witwe den 28-jährigen Mahomet geheiratet habe. Er sei somit gleich auf die Herrschaft in Mekka aus gewesen und habe besondere Mittel gebraucht: Wie er nun ein scharfsinniger, verschmitzter mensch ware, auch alle mittel und wege, die zu seinem zweck dienlich, reifflich erwogen hatte, befand er, daß keines zulänglicher, als den betrug zu schmieden, welchen er nachgehends zu grossem schaden der welt ausgebreitet; dann er wie durch seinen kauff-handel, den er in Syrien, Egypten und Palästina trieb, mit x) [x) Disput. Christ. c.1.] Christen und Jüden vielfältig bekandt worden, und fleißig abgemercket, wie sie unter einander nicht weniger, als die Christen, so im morgenlande in unterschiedliche secten zertheilet waren, so sich hefftig zanckten, beschloß er, daß kein kräfftigers mittel seyn würde, ihm einen starcken anhang zu ausführung seiner ehrsüchtigen anschläge zu machen, als eben die einführung eines neuen gottes-dienstes. Er muthmassete, es würden seine mitbürger zu solcher veränderung nicht eben ungeneigt seyn, indem ihr täglicher handel und umbgang mit den Christen bey ihnen den eiffer zu ihrer groben abgötterey, deren sie bißher nachgehangen, ziemlich gemindert, und sie durchgehends aus dm heidenthumb auf den y) [y) Liber Almosta, traf. Pocockii Spec. Hist. Arab. p. 136. Mahomet wirfft ihnen dieses im 6ten haupt-stück und andern orten seines Alcorans öffters vor.] Zendicismum verfallen; Dieses war ein irrthum unter den Arabern, so dem Jüdischen Saducismo sehr nahe kam, sie läugneten die göttliche providentz, aufferstehung der todten, und zukünfftiges leben. Wie dieses nun in der that nichts anders war, als ohne gottes-dienst zu leben, so waren sie umb desto geschickter, weil sie von allen erinnerungen GOttes und seines dienstes entfernet, einen Gottes-dienst anzunehmen, den er ihnen vorschreiben würde. Er begab sich darauff einen solchen Gottes-dienst zu schmieden, den sie am leichtesten würden verdauen, und machte einen entwurf der betrügerey, dadurch er sich hernach groß gemacht. Wie nun dieses ein gemisch war von dem Judenthum, verschiednen ketzereyen, der morgenländischen Christen, und alten heidnischen gebräuchen, neben denen er alle fleischliche wollüste frey verstattete, fand er sich in seiner hoffnung nicht betrogen, sondern vielmehr allerhand menschen, die seiner neuen lehre beyfielen. Damit er aber nicht gleich einen prediger abgäbe gegen die abgötterey, die er bißhero nebst seinen mitbürgern selbst getrieben hatte, und weil er von seiner damahligen

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lebens-art, welche sehr ungebunden und gottloß war, auch gar nicht überein kam mit dem ambte eines Propheten, ohne vorhergängige änderung kein ansehen erlangen konte; sonderte er sich im acht und dreyßigsten jahr seines alters von seiner vorigen gesellschaft ab, z) [z) Liber Agarenus Jo. Andreas de confusione sectæ Mahumetanæ c. 1. Bartholomæus Edessenus. Bellonius l. 3.c.1. Guadagnol. Tract. 2.c.10. Sect. 1.] affte denen einsiedlern nach, und begab sich gewöhnlich des morgens in eine ohnfern Mecca belegene einsame höle, die höle von hira genant, blieb daselbst den gantzen tag über, und übte sich, wie er vorgab, im beten, fasten und heiligen betrachtungen: man hält davor, daß er daselbst zuerst raths gepflegt mit seinen gehülffen, die ihm den Alcoran verfertigen helffen. Bey seiner heimkunfft des abends hatte er die gewohnheit, seiner hauß-frauen Cadigha die gesichte zu erzehlen, so er gesehen, und die frembde stimmen, so er in solcher seiner einsamkeit gehört habe. Denn sein erstes absehen war, sie zum ersten in seinen betrug mit einzuwickeln, weil er wohl wuste, daß er hiedurch sich seiner haußgenossen zu seinem anschlage versichern, (als ohne deren beyhülffe es gar gefährlich seyn würde, sich eines solchen werckes zu unternehmen) auch an ihrer person eine nachdrückliche vorsprache bey dem frauenzimmer gewinnen würde. Wie sie aber alle seine mährlein, als leere einbildungen, oder teuffelsche eingebung verwarff, offenbarte er sich weiter an ihr, erdichtete eine vertrauliche gemeinschafft mit dem engel Gabriel, biß sie, nachdem er ihr verschiedne historien von solchem engel Gabriel beygebracht, sich endlich bey einem flüchtigen mönchen in ihrem hause, (von dem wir nachgehends reden werden) a) [a) Theophanes, cedrenus. Miscella Historia. Zonaras.] raths erholte. Wie dieser nun mit an solchen anschlägen theil hatte, also stärckte er sie in dem jenigen, welches Mahomet ihr geoffenbart, wodurch sie gäntzlich überzeugt, daß Mahomet zum prophetischen ampt beruffen, ihm ihren glauben gantz und gar auffopfferte, und seine erste neu-bekehrte in dem betrug ward. Nachdem er diese sache gewonnen, und durch zweyjähriges streng-geführtes leben, einen gnugsamen nahmen einer sonderen Heiligkeit (seiner meynung nach) erworben hatte, b) [b) Abul Feda, Abul Faragius p. 102. Elmacin. l.1.c.1.]“ begonte er im vierzigsten jahr seines alters den ehren-titul eines Göttlichen Apostels anzunehmen, und den betrug würcklich fortzusetzen, woran er so lange gekünstelt hatte. (16–21)

Prideaux’ Darstellung des biographischen Anfangs enthält die Grundzüge dessen, was in seiner Schilderung des Lebens Mahomets noch folgen soll. Seine Aussagen enthalten viele Motive, die auch in älteren Quellen zu finden sind. Sie lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: 1) 2) 3)

Mahomet stamme aus dem edelsten Stamm der Araber und sei verwaist und verarmt gewesen. Sein Onkel Abu Taleb und die reiche Witwe Cadigha seien seine Beschützer gewesen. Mahomet habe auf Handelsreisen viele Erfahrungen auch mit Christen und Juden gemacht.

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2. Der Erfinder der Religionsbetrügerei – Prideaux’ Life of Mahomet

4)

Nach der Hochzeit mit Cadigha habe sich sein Ehrgeiz gleich auf die Herrschaft über Mekka gerichtet. 5) Zu diesem Zweck sei dem scharfsinnigen und verschmitzten Mahomet kein anderes Mittel geeigneter erschienen, als eine neue Religion zu „schmieden“. 6) Die Situation sei durch die Bekanntschaft mit dem Christentum und durch neue Bewegungen (Zendicismus) günstig für eine neue Religion in Ablösung des weniger attraktiv gewordenen Polytheismus (heidenthumb) geworden. 7) Diese neue Religion sei ein Gemisch aus Judentum, verschiedenen Ketzereien der morgenländischen Christen, alten heidnischen Gebräuchen und der Erlaubnis fleischlicher Lüste gewesen. 8) Um sein schlechtes Ansehen zu verbessern, habe Mahomet sich vor der Verkündung seiner neuen Lehre für mehrere Jahre in der Art der Einsiedler tagsüber in eine Höhle zurückgezogen. 9) Vermutlich habe er sich dort mit denen getroffen, die im halfen, den Koran zu verfassen. 10) Als erstes habe er seine Frau überzeugen wollen, um seine Hausgenossen und die Frauen insgesamt auf seine Seite zu bekommen. Dafür habe er auch Begegnungen mit dem Engel Gabriel erdichtet. 11) Letztlich überzeugt worden vom Prophetentum Mahomets sei Cadigha durch einen von ihr zu Rate gezogenen entlaufenen Mönch, der in ihrem Haus lebte, denn dieser habe an Mahomets Betrug mitgewirkt. 12) Durch zweijährige Einsiedelei habe Mahomet genug Ansehen bekommen, um sich mit vierzig Jahren als Apostel Gottes ausgeben zu können. 2.2.2 „Sein erstes vorgeben ein prophet zu seyn.“ Mahomet habe zunächst neun Schüler gesammelt, unter ihnen fünf Militärs, mit deren Hilfe er „seine herrschaft und betrügerey in dem theile der welt festgestellt“ (23) habe. In seinem vierundvierzigsten Lebensjahr habe er angefangen „seine betrügerey an h) [h) Abul Feda, Abul Faragius p. 102. Elmacin. l.1.c.1.] das volck zu Mecca öffentlich zu verkündigen, und sich selbsten vor einen Propheten auszugeben, der von GOtt gesandt wäre, sie von dem irrenden heydenthum abzuführen, und in dem wahren Gottes-dienst zu unterweisen” (23). Nachdem die Betrügerei nach Absicht und Vorgehen vorgestellt ist, gibt Prideaux erste Hinweise darauf, worum es inhaltlich geht: den Glauben an den einigen Gott. Indem Mahomet den Sohn und Mitregenten Gottes leugne, wende er sich gegen die Christen. Er habe so getan, als wollte er den alten Gottesdienst wiederherstellen, der nach Adam verlorengegangen und durch Abraham wiederhergestellt sowie an seinen Sohn Ismael, den Erzvater der Araber weitergegeben worden sei. Weil dessen Nachkommen diesen Gottes-

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dienst verfälscht hätten und in Abgötterei verfallen seien, habe Gott Mahomet zur Wiederherstellung des ismaelitischen Gottesdienstes geschickt. Prideaux erkennt hier also Gottes Werk, wenn er Mahomet beschreibt. Dieser sei nunmehro von GOtt gesandt, den götzen-dienst zu vertilgen, und den wahren Gottesdienst ihres ertz-vaters Ismaels wieder einzuführen. Und von diesen nennen auch die Juden deßwegen die Mohammedische lehre, nicht ohne grund in dessen eigenen fürgeben, den Ismaelismum, wiewohl sie nur diesen nahmen zum schimpff durch einem blossen buchstabenwechsel gebrauchen, an statt Islamismus, mit welchem nahmen die Mahometaner ihren Gottesdienst am liebsten nennen. Denn dieser name stammet von dem Arabischen wort p) [Golii Lex. in voce Salama, & Pocockius, ubi supra.] Salama her, welches in der vierdten conjugation Aslama in den stand der seligkeit treten heist. Und daher kommt auch Eslam, welches den seligmachenden Gottes-dienst, und Musliman, oder wie wir sprechen Muselman, so den, der dem seligmachenden Gottes-dienst zugethan ist, bedeutet. (25–26)

Prideaux kennt also auch den Ausdruck „Eslam“ (so auch in der englischen Fassung) und die Selbstbezeichnung „Musliman“ (engl. „Musleman“), verwendet ihn aber selbst nicht. „Eslam“ wird somit nicht zu einem Thema, das durch textlichen Gebrauch entstehen könnte; insofern ist „Eslam“ hier weder Begriff noch eine Repräsentationsvokabel für die Religion Mahomets oder seiner Nachfolger. Das Alte und das Neue Testament habe Mahomet „vor gut angenommen“ – so fährt Prideaux fort und stellt fest, Mahomet habe Christus und Moses als Propheten anerkannt. Juden und Christen hätten seiner Meinung nach aber die Schrift verfälscht, darum seien die betreffenden Stellen im Koran anders als in den Testamenten. Hierin aber hat er gewiß viel klüger und listiger gehandelt, als unsere Socinianer, die eben wie er die H. Dreyeinigkeit, und unsres Seligmachers Gottheit läugnen, nichts desto weniger aber die heilige schrifft wie sie in unsern händen ist, vor auffrichtig und ohnverfälscht erkennen, da doch ihre lehre mit solcher augen-scheinlich streitet. (27)

Prideaux bezeichnet Mahomet als „Lehrmeister“ der Socinianer, weil sie von Christus dasselbe sagten wie er, außer dass er sich für grösser als Christus hielte.7 Hätten sie die Schriften (wie Mahomet) geändert, „würde ihr gottloses vorgeben der wahrheit etwas ähnlicher scheinen“ (27). (Mit den Socinianern zielt Prideaux nicht auf die historische Bewegung, sondern er auf Zeitgenossen.8)

7 In der Anmerkung verweist Prideaux auf das dritte Kapitel im zweiten Buch von Hottingers Historia Orientalis, in dem beide verglichen werden. 8 Vgl. dazu den Abschnitt 2.4. in diesem Buch.

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2.2.3 Der Koran Seine Lehre wolle Mahomet vom Engel Gabriel empfangen haben, und seine „fallende sucht“ (Epilepsie; 28) sei die Entzückung während der Offenbarungen. „Er brachte seine eingebildete offenbarungen in verschiedne hauptstücke, welche insgesamt den Alcoran oder die Mahometanische Bibel ausmachen.“ (ebd.). Das Original des Koran liege im Himmel. „Wann er ein neues hauptstück geschmiedet hatte, lase er selbiges seinem Secretario erstlich vor, mit befehl es ins reine zu bringen […].“ (29)9 Die Abschriften wären seinen Nachfolgern zum auswendig lernen vorgelesen worden, aufbewahrt habe er sie in einer Lade, womit er nach Prideaux die Bundeslade des Gesetzes der Juden habe „nachaffen wollen“. (ebd.). Eine seiner Frauen habe die Lade bewacht. Nach seinem Tode seien die Blätter von Abu Beker gesammelt und von Othman später geordnet worden. In der ersten Zeit sei er als Zauberer, oder als Lügner und Betrüger verlacht worden. Er sei ein leutseliger Mann von angenehmem Umgang und großem Verstand gewesen, der sich nicht habe beirren lassen. Ja er gebrauchte durchgehends so viele künste, sich in aller leute gunst einzuflechten, als in welchem er alle menschen übertraff, daß er endlich alle schwürigkeiten, denen ein solcher kühner betrug anfangs nothwendig unterworfen seyn muste, überwand […]. (31 f)

Im fünften Jahr seiner „eingebildeten sendung“ (ebd.) habe er 39 Anhänger gehabt, sein Großvater habe ihn vor Anfeindungen geschützt. [D]er vornehmste innhalt seiner predigten bestand darinnen, daß er das volck zu genauer observantz einiger moral-pflichten, sodann einen einigen Gott, und die würdigkeit seiner eignen eingebildeten apostelschaft zu glauben antrieb. Worinnen gewißlich, wenn man einige wenige jüdische und heydnische ceremonien, die er beybehielte hinzusetzet, sein gantzer nagel-neu-geschmidter gottes-dienst bestand.“ (34)10

Ein wollüstiges Paradies nach dem Wunsch der Araber habe er versprochen, die Hölle für die Ungläubigen aber äußerst schrecklich und unerträglich beschrieben. Durch diese Verlockungen und Bedrohungen habe er einige an sich gebunden. Seine Schilderung der Propheten vor ihm sowie seine Darstellung der aufgrund des Unglaubens erfolgten Strafen sollten zum Glauben bringen. 9 An dieser Stelle, wo der Ausdruck „schmieden“ (engl. „forge“) erscheint, wird ohne Verweis auf die Legende von den Messerschmieden auf Juan Adr s’ zweitel Kapitel der Confusio verwiesen (s. o.). 10 In der englischen Fassung von 1697 ist an dieser Stelle (S. 24) von „his new forged Religion“ die Rede.

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2.2.4 Die Wunderfrage Wunderzeichen habe man von ihm verlangt, darauf habe er sich als bloßen Menschen bezeichnet oder die Wundertaten der Propheten verachtet. Nachdem ihn verschiedene Anhänger deswegen verlassen hatten, habe er das Schwert ergriffen. Mose und Christus hätten zwar Wunder gewirkt, wegen des Unglaubens aber sei er – Mahomet – von Gott mit dem Schwert gesandt worden. Disputationen in der Religion habe er verboten, vielmehr sollten Widerständige vertilgt werden, wofür im künftigen Leben belohnt, im Todesfall gar die „märtyrer-crone“ (45) locke. Darum werde spitzfindig zwischen den Propheten unterschieden, Jesus Christus habe Gottes Gerechtigkeit, Macht und Allwissenheit, Salomo Gottes Herrlichkeit, Weisheit und Majestät, Mose seine Providenz zu offenbaren gehabt. Weil diese keine Macht gehabt hätten, wären Wunder nötig gewesen. Mahomet aber sei ein Prophet, dessen Sendung es mit sich bringe, „die krafft GOttes durch die macht des schwerdts zuerweisen“ (46). Darum würden auch die Prediger ein Schwert vor sich aufstellen. 2.2.5 Der Koran als das eigentliche Wunder Die dennoch über Mahomet berichteten Wunder stammten von Dichtern und Legendenschreibern. Als das eigentliche Wunder werde der Koran angesehen, da er von einem des Lesens und Schreibens unkundigen Mann herkomme. Im Koran selbst werde erklärt, kein Mensch oder Teufel könne etwas Vergleichbares hervorbringen. Den Koran kann Prideaux durchaus auch positiv beurteilen: „Was nun die sachen, so in diesem raisonnement enthalten, betrift, muß man gestehen, daß der Alcoran (fals man die thorheiten, verwirrungen und schlechte ordnung ausnimmt) der sprache wegen, ein rechter probstein der zierlichkeiten in der Arabischen sprache ist […]“. (50) Nicht nur Mahomet, keiner seines Stammes habe lesen können. Deswegen seien die Mekkaner Ungelehrte, medinische Christen und Juden aber „büchermenschen“ genannt worden. (51) Erst seine Nachfolger hätten Lesen und Schreiben gelernt: „Unter Mahomets nachfolgern war Othman der hurtigste im lernen, wodurch er nachgehends zum geheimen schreiber, oder Secretario des betrügers erhoben ward.“ (52) 2.2.6 Der Koran als Betrug Wenn aber der ungebildete Mahomet einen so feinen Stil geschrieben habe, stelle sich die Frage nach seinen Gehilfen, zumal die Urheber des Koran sich in der christlichen und der jüdischen Religion auskennen mussten. „Es ist aber dieses eine frage, die so leicht nicht zu beantworten stehet, weil der sachen beschaffenheit erfoderte, daß sie geheim gehalten werden muste.“ (54) „Die

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Mahometanische scribenten“ werden davon nichts gestehen wollen, die Christen dagegen zu viel erzählen. „Daher kömt es, daß so viele ertichtete und spöttliche historien von Mahomet und seinem betrug gangbar seyn.“ (55) Prideaux stellt die aus seiner Sicht wahrscheinlichsten Erklärungen vor und will damit den Synkretismus des Korans belegen. Er zitiert aus Sure 5: „daß der Alcoran nichts anders sey, als eine lügen von eurer eigenen erfindung, und daß andere euch darinnen behülflich gewesen“ (56), und merkt an, dass sie von den Auslegern (Guadagnol, Johannes Andreas) auf einen christlichen Schwertfeger in Mekka gedeutet werde, der Mahomet im Alten und Neuen Testament unterrichtet habe. Bellonius verweise auf zwei Christen in Mekka, die Abschriften des Alten und Neuen Testaments besessen hätten. Der Vorwurf an Mahomet habe sich damals aber nicht auf diesen Umgang, sondern auf geheimen Umgang bezogen, auf „seine geheime bundgenossen, die er heimlich in seinem hause gebrauchte, den gantzen betrug auffzusetzen“ (57). Weiterhin zitiert Prideaux aus Sure 16: „Ich weiß, daß sie sagen werden, es habe ein anderer mensch ihn den Alcoran gelehrt, derjenige aber, den sie meynen, daß er ihn unterwiesen habe, ist ein Persianer, und redet die Persische sprache: der Alcoran aber ist in Arabischer sprache, voller lehre und beredsamkeit.“ (57 f) Auch hier finden sich entsprechende Anmerkungen zum Synkretismus. Pater Richard in seiner Widerlegung (13. Hauptstück, wie auch Cantacuzen und Cusanus und die meisten anderen) identifizierten ihn als den persischen Juden „Abdia Ben Salon“, den er arabisch in „Abdollah Ebd Salem“ umbenannt habe. Elmacin nenne (nach Bidawi) diesen Juden „Salman der Persianer“ (59), der ein gelehrter Rabbi gewesen sei. Mit Berufung auf Johann Andreas, „ein Alfacki, oder Mahometanischer Gesetzeslehrer“ (60), der aus arabischen Zeugnissen berichte, schreibt Prideaux, daß dieser „Abdala Selen“ zehn Jahre lang „ein vornehmer erfinder, oder tichter“ des Korans gewesen sei. Weiterhin sei ein arabischer Traktat von Hermannus Dalmata zu erwähnen, der in lateinischer Fassung am Ende der Bibliander-Ausgabe des Koran zu finden ist. Diese Unterredung zwischen Mahomet und „diesem Abdolla“ zeige „viele thorheiten des Mahometanischen Gottes-dienstes“ (61) und enthalte die richtige Schreibweise des Namens. Neben diesem Juden habe Mahomet einen christlichen Mönch zur Hilfe gehabt, nach Vincentii Bellovacensis Speculo Historico (in der BiblianderAusgabe) heiße dieser sonst nur „Nestorianischer Mönch“ genannte Syrer Sergius, ein Name der in orientalischen Schriften nicht zu finden sei, dort heiße dieser Mönch Bahira, vermutlich sei Sergius sein Ordensname. Dieser sei, aus dem Kloster verstoßen, nach Mekka in Mahomets Haus geflohen, „ein mitgehülffe an seinem betrug, verblieb auch allezeit bey ihm, biß der betrüger, da er seiner nicht mehr benöthigt, umb das geheimniß zu versichern, ihn umbringen d) [Richardi Confut. c. 13. Confutat. Mahometis Gr.edita per le Moine] liesse.“ (65) Prideaux liefert nun gewissermaßen eine Drei-Quellen-Theorie für die Entstehung des Koran. Er identifiziert Abdolla als Urheber des Jüdischen,

2.2 Das vorgestellte Mahomet-Bild

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Bahira als Urheber des Christlichen und Mahomet als Urheber dessen, was „von den heydnischen Arabern entlehnet“ (67) ist. Die üblichen Betrugsgeschichten (abgerichteter Stier, dressierte Taube) verwirft Prideaux. Die verfertigung des Alcorans (worinn das vornehmste seines betrugs bestunde) geschah in seinem hause, und zwar so heimlich als immer möglich; und wagte man nichts außerhalb des hauses, als das predigen an das volck: Hierin ward weder kunst noch list gesparet, umb solches so glaubwürdig zu machen, als immer möglich, sein absehen zu erreichen: und kan man also versichert seyn, daß alle die historien, die mit solcher conduite nicht übereinkommen, nichts als eitele gedichte einiger eiffrigen Christen sind, die solche erdacht, den betrug zu vernichtigen, der solcher mittel zu seiner widerlegung dennoch nicht bedurffte. (69–70)

Prideaux kritisiert also durchaus westliche Überlieferungen über Mahomet, die er als unwahr beschreibt. An seiner Darstellung von Mahomets Biographie als einer Betrugsgeschichte im Kontrast zu seinem eigenen Wahrheitsanspruch ändert dies jedoch nichts.

2.2.7 Mahomets weiterer Lebensweg und die Sonnah Prideaux hat damit sämtliche gängigen Betrugs-Theorien vorgelegt und setzt an dieser Stelle wieder mit der Verlaufsgeschichte ein. Was folgt, ist eine Schilderung von Machtbesessenheit, Bosheit und Tyrannei, die jedoch zu der Frage nach dem Prophetentum Mahomets und nach seiner Offenbarung im Koran substantiell nichts mehr beiträgt. Prideaux berichtet – etwas widerwillig – auch ausführlicher von der Himmelsreise und sieht darin folgende Absicht: Bisher habe sich Mahomet als Bote Gottes ausgegeben, der den Koran ohne Erklärung überbringe. Nun aber – da er „von seinem freunde Abdolla vernommen, daß die Juden ausser dem geschriebenen gesetze, welches GOtt ihnen gegeben, noch ein anderes hätten, das sie das mündliche gesetz nannten“ (94), welches Mose auf dem Berg neben dem schriftlichen empfangen habe – habe er seine Reden und Sprüche als göttliche Aussprüche vorgestellt. Darum habe er die Himmelsreise so ausgeschmückt, die ein himmlisches Gespräch mit Gott enthalte. Dieses Ziel habe er auch erreicht. „Dann wie dieses ganze getichte einmahl von den jenigen angenommen worden, die den rest seiner betrügerey verdauen konten, so nahme man nach der zeit alle seine reden an als lauter heilige aus dem himmel herfliessende wahrheiten […].“ (96) Daraus sei die Sunna („Sonnah“) entstanden, „welche bücher ihre gantze Theologie, so wohl Theoreticam, als Practicam ausmachen“ (98). Weil ein so großer Anteil des Betrugs, den Prideaux schildern wolle, „in diesen traditionibus besteht, und diese alle sich gründen auff Mahomets reise nach dem himmel“ (ebd.), sei die Weitläufigkeit der Erzählung über die Himmelsreise zu entschuldigen.

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2. Der Erfinder der Religionsbetrügerei – Prideaux’ Life of Mahomet

Prideaux sieht in Medina eine neue Phase des Betruges Mahomets anbrechen. Dort habe dieser sein längst gewünschtes absehen erreicht, nemlich eine stadt zu seinem dienste, darinn er seinen anhang mit gewehr versehen, und sich selbsten zum ober-haupt zur ausführung seiner anschläge ungescheut aufwerfen durftte, begunte er eine neue rolle zu spielen. Biß dahin hatte er seinen betrug dreyzehn jahr lang mit predigen fortgepflanzt, nunmehro aber nahm er die übrigen zehn jahr seines lebens das schwerdt zur hand, seine lehre zu verfechten. (122 f)

Mahomet habe einen jüdischen Rabbiner, Caab, erbittert verfolgt, der ein großer Arabischer Poet seiner Zeit gewesen sei und anlässlich der Konversion seines Bruders ein Gedicht gegen Mahomet verfasst haben solle. Vergeblich habe Mahomet ihm nachstellen lassen, um dieses Gedicht mit dem Tod zu rächen. Als Mohammed schließlich sehr mächtig geworden war, habe dieser Caab sich zu Mahomets Partei erklärt und sei – letztlich durch eine List – einer seiner vertrautesten Freunde geworden. Es wird von diesem Caab erzehlet, daß er nach der hand ein solcher hertzens-freund des betrügers geworden, daß er ihm alle seine heimlichkeiten geoffenbahret, so gar in dem betrug selbsten und verfertigung des Alcorans, wozu ihn seine grosse wissenschaft in der Arabischen sprache, und andere damahls gebräuchliche gelehrsamkeit überaus geschickt machten. (142)

Hiermit deutet Prideaux an, dass Mahomet in Caab noch einen weiteren Helfer gehabt habe, mindestens einen fähigen Mitwisser. Nach der Niederlage bei Ohud (nach Prideaux Ende 624 oder 625) habe Mahomet, um die Verwandten der Opfer zu besänftigen, eine neue Lehre erdacht: seine lehre von dem verhängniß oder schicksahl, ihnen einbildend, daß diejenigen, so in der schlacht das leben eingebüsset, um eben selbige zeit hätten sterben müssen, wann sie gleich zu hauß geblieben wären, weil eines jeden menschen lebenszeit von GOtt also vorher ausersehen und fest gesetzet, daß sie durch keine menschliche vorsichtigkeit auch im geringsten nicht könte verlängert werden: Massen eines jeden bestimmte zeit sogar biß auff eine stunde beniemet, welche nicht verändert werden könne, derhalben diejenigen, so auff der wahlstatt geblieben, nicht eher verstorben, als sie sonsten hätten thun müssen: sondern daß sie vor dem glauben sterbende den vortheil der Märtyrer-crone, samt allen dazu gehörenden belohnungen, im Paradies genössen, woselbsten sie seinem vorgeben nach mit GOtt in ewiger glückseligkeit lebten […]. (144–145)

Mahomet habe diese Lehre ständig weiterverbreitet und die Mahometaner hätten sie, „auch nach der zeit begierig angenommen“ (ebd.). Ähnliche Überlieferungen führt Prideaux auch zum Weinverbot an, verweist aber letztlich auf Sure 5. Die Wallfahrt nach Mekka hätte Mahomet eigentlich abschaffen wollen, aus Rücksicht auf die Mekkaner aber beibehalten; er „flickte

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sie vielmehr in seinen Gottes-dienst mit ein, und unterhielte sie auff eben solche art, mit allen denen närrischen gebärden, wie sie vorhin bey ihnen war im brauch gewesen, und also wird sie noch biß auff diesen tag von seinen nachfolgern als eine gründliche nothwendigkeit betrieben“ (161). Auch die Geschichte von dem Giftanschlag durch eine Jüdin wird berichtet, in der deutlich wird, dass Mahomet die Fähigkeit, dies prophetisch zu erkennen letztlich nicht gehabt habe. Nachdem also die macht des betrügers so gewaltig angewachsen, erschracken die übrigen Araber, die seine waffen noch nicht geprüfet hatten, durch den blossen ruff dermassen, daß sie zu ihm kamen, x) [x) Elmacin. l.1.c.1. Abul Feda, Abul Farag. pag. 103] und seine falsche Lehre annahmen: daß also in diesem Jahr [631] seine herrschaft und religion in gantz Arabien fest gesetzet und von ihm stadthalter in alle Arabische provincien ausgesandt wurden, […] auch alle menschen durch das schwerdt zwungen, selbigen [Glauben] anzunehmen. (178)

Nach der letzten Wallfahrt nach Mekka sei Mahomet in Medina an den Folgen des Gifts gestorben, das ihm die Jüdin gegeben hatte. Ein letztes Buch, das vor Irrtum schützen sollte, habe Mahomet wegen des Streits unter seinen Anhängern, ob nur der Koran oder auch noch ein solches Buch nötig sei, nicht mehr schreiben können. Solches k) [k) Eutychius Tom. 2. p. 251. Elmacin. l.1.c.1. Abul Faragius p. 103. Abul Feda Al Jannabi Al Kodai] ende nahm das leben dieses betrügers, der an dem tage seines todes 63 jahr alt war, nemlich nach Arabischer zeit-rechnung, welche aber nur 61 unserer jahre ausmachen. Drey und zwanzig jahre lang hatte er sich vor einen propheten ausgegeben, und dreyzehn jahr zu Mecca, und zehen zu Medina deßwegen gewohnet. In solcher zeit stieg er auff antrieb seines ehrgeitzes durch seinen scharffen verstand so hoch, daß er die gröste estats-veränderung machte, die jemahls in der welt gemacht worden, aus welcher eine Monarchie entsprossete, die ihre herrschaft innerhalb 80 jahren über mehrere königreiche und länder ausgebreitet, als die Römische in acht hundert jahren thun können. (188)

2.2.8 Charakterisierung Mahomets So weit ein Überblick über die von Prideaux gezeichnete Lebensgeschichte Mahomets. Abschließend gibt er noch eine Charakteristik von Mahomets Person: Mahomet l) [l) Elmacin. l.1.c.1. Abunazar. Abul Feda. Al Kodai. Schickardi Tarich p.32.] war, so viel die person betrifft, von starcker natur, und wohl proportionirt, sahe auch sehr gerne, daß man ihn schätzte dem Abraham gleich zu seyn. Er hatte einen sehr durchdringenden und scharffsinnigen verstand, war auch zur fortsetzung seines vorgenommenen wercks, vollkommen in allen listigen streichen abgerichtet, sich in der menschen gunst einzuschmeicheln, und sie zu seinem absehen zu bereden,

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2. Der Erfinder der Religionsbetrügerei – Prideaux’ Life of Mahomet

welchen künsten er auch den gücklichen ausgang seines unernehmens vornehmlich zu dancken hatte. In seinen jungen jahren m) [m) Bartholomæus Edessenus Disput. Christiani &c.] führte er ein sehr gottloses, wildes leben, hatte seine gröste lust an rauben, plündern und blutvergiessen, nach gewohnheit der Araber, die dieser lebens art alle gewohnet, indem fast allezeit ein stamm gegen den andern im krieg begriffen, umb alles, was sie können, einer dem andern zu rauben und abzunehmen. (190–191)

Der vorangegangenen Darstellung entsprechend, lautet die Einschätzung seiner Persönlichkeit folgendermaßen: Seine herrschende gemüths neigungen waren ehrgeitz und unkeuschheit. Die mittel, so er gebraucht, die herrschaft zu erlangen, beweisen das erste sattsam; und die männer der weiber, mit denen er zu thun hatte, bezeugen das letztere. Diese beyde dinge findet man auch in der gantzen composition seines glaubens, weil schwerlich ein eintziges hauptstück im Alcoran anzutreffen, darinn nicht ein gesetz von krieg und blutvergiessen, zu fortsetzung des ersten, oder eine freiheit sich der weiber zu bedienen, zu vergnügung der letzteren passion angeführet wird. (192)

2.2.9 Mahomet und die Frauen, die Juden und die Christen Auch das Thema Mahomet und die Frauen wird behandelt. Zu Lebzeiten von Cadigha habe er zwar keine andere Frau gehabt, je nach Überlieferung insgesamt aber 15 bis 21 Frauen, die Kebsweiber nicht mitgerechnet. Von seinen Frauen wiederholt beim Ehebruch erwischt, habe er Sure 66 eingeführt, die den Beischlaf bei Mägden erlaube. Eine der grösten schutz-reden, n) [n) Ahmed Ebn Zin.] die Mahomeds nachfolger gebrauchen, die vielheit seiner weiber zu beschönen, ist diese, daß solches geschehen, umb junge propheten zu erzeugen. Doch hat er von allen seinen weibern nicht einen eintzigen jungen propheten oder prophetin hinterlassen. (208)

Das Thema ist offenbar von großem Interesse und liegt durchaus im Zentrum der Darstellung, wird doch auf diese Weise auch der Koran in diesen Zusammenhang einbezogen. Wie die vergnügung seines ehrgeitzes und fleisches-lust sein gröstes absehen in dem betrügerischen Alcoran war, so leuchten selbige in dessen verfertigung allemahl hervor. Anfangs hatte der ehrgeitz die oberhand bey ihm, nachdem selbiger einiger massen durch die erlangte macht vergnüget zu werden begunte, fieng seine unkeuschheit an mit dem alter zuzunehmen, und schiene er letztlich gar darinn ersoffen zu seyn. Man erzehlet gar seltsame dinge von ihme in diesem stücke, daß er es in liebes-wercken p) [p) Guadagnol. Tract. 2. cap. 7. Sect. 1. Richardi Confutatio c. 8. Disputatio Christiani c. 6.] viertzig andern männern gleich thun können, auch daß er alle seine weiber, da er ihrer bereits eilffe hatte, q) [q) Johannes Andreas e libro Assamail cap. 7. Guadagnol. ex eodem libro Tract. 2. c. 7. Sect. 1.] eine nach der andern

2.2 Das vorgestellte Mahomet-Bild

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in einer stunden erkannt habe. Er mochte auch gesetze ausgeben wie er wolte, bey andern die unzucht einzuschräncken, so war er doch vor sich sorgfältig, und schlosse sich allemahl aus, so daß er dem ansehen nach beschlossen, ohne einige hinderniß dieser fleischeslust gantz und gar nachzuhängen, wie ihm sein viehischer trieb dazu anleitung geben würde […]. (209–210)

Niemand solle mehr als vier Frauen haben, ausgenommen Mahomet selbst, und alle vier Frauen seien gleich zu behandeln. Für sich selbst habe Mahomet in der Sure 33 eine Ausnahme geschaffen, die es seinen Frauen unmöglich machte, wie die anderen Gleichberechtigung einzuklagen. Auch die in der vierten Sure niedergelegten Regeln zur Eheschließung würden nach der 33. Sure für Mahomet nicht gelten. „Dann es befürchtete sich der alte Susannenbruder, wie es scheinet, es möchte seine wollust nicht ersättiget können werden, im fall ihm etwas weniger, als das gantze weibliche geschlecht zu deren genugthuung zugestanden würde […].“ (213) Prideaux’ Wortwahl lässt auch hier nichts zu wünschen übrig: „Wie er also aus viehischer brunst der frauen liebe nachhieng, so war er auch über alle massen eifersüchtig über die jenigen, die er zu weibern genommen hatte.“ (214) Man habe seine Frauen nicht unverschleiert sehen dürfen und nach seinem Tode durften sie sich nicht wieder verheiraten. Summa summarum: Mahomet habe den Betrug „zu ersättigung seiner wollust gebraucht.“ (216) Und wiederum werden Folgerungen für den Koran gezogen: Dann gleich wie des betrügers interesse und anschläge der veränderung unterworfen, waren, also war er auch gezwungen seine offenbahrungen zu ändern; welches unter denen, so seines glaubens sind, so bekandt, daß sie es selbst gestehen müssen, und wann dergleichen schwürigkeiten vorkommen, die sie nicht miteinander zu vergleichen wissen, geben sie vor, daß einer von den streitigen örtern durch den andern wiederruffen sey. (217)

Das Thema Veränderung wird nun auch auf Mahomets Verhältnis zu Juden und Christen angewendet: anfangs habe er die Juden, später die Christen bevorzugt. Im anfang seiner betrügerey schiene er den Juden mehr als den Christen zugethan zu seyn, folgte auch, da er seinen neuen GOttes-dienst erst auffs tapet brachte, ihrer lehre mehr als einigem andern. Allein nach seiner ankunfft zu Medina fasste er einen solchen widerwillen gegen sie, daß er nach der zeit ihr bitterster, und unversöhnlichster feind ward, sie auch allemahl mit grösserer grausamkeit tractirte, als andere, mit denen er zu schaffen hatte. Gegen die Christen aber betrug er sich mit so viel gewogenheit, als man immer von einem solchen barbarischen menschen erwarten können, und erhielten sie allemahl gute conditiones, wann sie in seine gewalt verfielen. (218–219)

Hier findet sich bemerkenswerterweise eine partiell positive Aussage Prideaux’ über Mahomet, der die Christen mit „Gewogenheit“ behandelt habe.

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2. Der Erfinder der Religionsbetrügerei – Prideaux’ Life of Mahomet

Dies lässt allerdings sich auch als Bemerkung gegen die von Prideaux kritisierten Deisten lesen, denen die Stoßrichtung seines Textes gilt.

2.3 Zwischenbilanz: Das Leben „dieses betrügers“, geschrieben „aus den besten scribenten“ Nachdem Prideaux sich mit einigen Koran- und Bibelzitaten noch einmal gegen Mahomets Anspruch ausspricht, der von seinen Anhängern aufrechterhalten werde, schließt er sein Buch über das Leben Mahomets mit folgenden Worten: So weit habe ich, so genau als müglich, aus den besten scribenten, die dieses betrügers erwehnen, alles zusammen gebracht, welches glaubwürdig erzehlt wird von ihm und seinen mitteln zur erfindung und ausbreitung der leichtfertigen betrügerey, wodurch er einen so grossen antheil des menschlichen geschlechtes, das er hiezu verleitet, hinter das licht geführet. ENDE. (228)

Prideaux war offenbar von der Qualität seiner Quellen überzeugt.11 Das Leben Mahomets, wie Prideaux es beschreibt, hat nicht nur durch vielfache englische Ausgaben und durch die französische Übersetzung Wirkung entfaltet, es ist auch in der vorgestellten deutschen Fassung sehr wirksam geworden, denn es wird im Laufe des 18. Jahrhunderts immer wieder zustimmend wie ablehnend zitiert. Wie kommt es aber zu dieser auffälligen Darstellung, die einerseits fundierte Informationen enthalten soll, andererseits aber in einer auffälligen Sprache Mahomet wieder und wieder als Betrüger bezeichnet? Dass Mahomet abgelehnt und kritisiert wird, dass seinem Anspruch widersprochen und er als unmoralischer, selbstsüchtiger und machtbesessener Betrüger dargestellt wird, ist nichts Neues. Die Literatur über Sarazenen und Türken, die Türkenbüchlein und Traktate, Predigten oder andere Quellen zeigen dies bis zum Ende des 17. Jahrhunderts zur Genüge. Was bringt einen mit dem ersten Inhaber des orientalistischen Lehrstuhls in Oxford (Edward Pococke, 1604–1691) gut bekannten, in damaligen orientalischen Wissenschaften ausgebildeten Theologen in England dazu, jede dargestellte Facette des Lebens Mahomets so ausgeprägt, man könnte sagen penetrant, mit dem Stichwort „Betrug“ zu versehen? Das Buch enthält ja durchaus Kritik an christlichen Legenden über Mahomet, die Prideaux als unhaltbar zurückweist. Dennoch zeichnet es dieses auffallend ablehnende Bild, das anhand einer historischen Kontextualisierung überprüft werden soll, um den Ursprung und die Ausrichtung dieser auffälligen Mahomet-Biographie zu erheben. Dazu soll zu11 Vgl. dagegen Holt, Treatment.

2.3 Zwischenbilanz: Das Leben „dieses betrügers“

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nächst ein Einblick in die Biographie des Autors und in den Kontext des Werkes dienen. John Valdimir Price beginnt seine Einleitung zum 1995 erschienenen Reprint des Letter to the Deists mit der Bemerkung, dass der Titel von Prideaux’ bekanntestem Buch, The Life of Mahomet von 1697, wahrscheinlich besser bekannt sei als sein Name.12 A Letter to the Deists von 1696 sei der Vorläufer dazu. Das Werk sei in den zahlreichen Auflagen des Life of Mahomet im 18. Jahrhundert enthalten gewesen. Damit liegt ein Text vor, der wesentlich zum Grundverständnis des Life of Mahomet beiträgt. Allerdings ist gleich festzuhalten, dass die Verbindung dieser beiden Texte keineswegs alle Ausgaben betrifft. Es finden sich, neben zehn durchgezählten, fünf weitere englischsprachige Ausgaben. Zu Prideaux’ Lebzeiten erschien das Buch in London, danach in Dublin, Glasgow, Philadelphia/USA, Fairhaven/USA nochmals in London sowie in Kalkutta, mehrmals ohne den Letter to the Deists. Weiterhin gab es bereits früh (1698/99) zwei französische Übersetzungen, ohne den Letter to the Deists als Appendix.13

12 John Valdimer Price: Introduction. In: A Letter to the Deists/Humphrey Prideaux; A short and easie method with the Deists/Charles Leslie. With a new Introduction by John Valdimer Price. London/Tokio 1995 (History of British Deism); S. v–xvi, S. v: “The title of Humphrey Prideaux’s best known book, The Life of Mahomet, will probably be better-known than his name. The True Nature of Imposture Display’d in the Life of Mahomet, to give it its full title, was first published in 1697, was translated into French the following year, and was frequently republished throughout the eighteenth century. A Letter to the Deists (1696) is in fact the pre-cursor of The Life of Mahomet, to which it is affixed after 1697 as an appendix to that work. It was included in the numerous reprints of the Life of Mahomet in the eighteenth century.” 13 Englischsprachige Ausgaben: London 1697, 21697, 31698, 41708, 51712, 61717, 71718, 81723, Dublin 91730, Glasgow 1795 (ohne Letter to the Deists), Philadelphia/USA 1796 (ohne Letter to the Deists), Fairhaven/USA 1798 (ohne Letter to the Deists), Glasgow 1799, London 101808, Kalkutta 1820 (mit Verweis auf 51712); Französischsprachige Ausgaben: La vie de Mahomet, o l’on d couvre amplement la verit de l’imposture, Amsterdam Chez George Gallet 1698, 21699 (ohne Letter to the Deists), La Vie de l’imposteur Mahomet recueillie des auteurs arabes, persans, h breux, calda ques, grecs et latins avec un abr g chronologique qui marque le temps o ils ont v cu, l’origine et le charact re de leurs crits traduit par Daniel de Larroque, Paris, J. Musier 1699 (ohne Letter to the Deists); Deutsche Ausgabe: Das Leben Mahomets beschrieben durch Humphrey Prideaux. Aus dem Englischen übersetzet. Leipzig bey Thomas Fritsch. 1699 (ohne Letter to the Deists); Dänische Teilübersetzung (ohne Verfasserangabe, ohne Letter to the Deists) vgl. Ludvig Holberg sowie Übersetzung Holbergs ins Deutsche 1742 (s. u.).

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2. Der Erfinder der Religionsbetrügerei – Prideaux’ Life of Mahomet

2.4 Der englische Kontext des Life of Mahomet 2.4.1 Biographisches zu Humphrey Prideaux Humphrey Prideaux wurde am 3. Mai 1648 in Padstow/Cornwall geboren.14 Prägend war bereits seine Schulzeit in der Westminster School bei Richard Busby, der Hebräisch, Aramäisch und Arabisch ins Curriculum aufgenommen hatte.15 Nach dem Besuch der Westminster School wurde er 1668 Student bei John Fell am Christ Church College in Oxford (B.A. 1672, M.A. 1675). Dort arbeitete er an einer Ausgabe von Lucius Florius und publizierte zu römischen Inschriften auf Marmorstatuen (Marmora Oxoniensa, 1676), ein bald vergriffenes und im Ausland (Deutschland, Frankreich, Italien) begehrtes Buch, das ihm zur Bekanntschaft mit dem Lord Chancellor Heneage Finch (1621–1682), späterem Earl of Nottingham, verhalf, dessen Sohn er unterrichtete und der ihn dem Rektorat von St. Clemens in der Nähe Oxfords vorstellte. 1679 veröffentlichte Prideaux zwei hebräische Abhandlungen von Maimonides mit lateinischer Übersetzung und Anmerkungen unter dem Titel De Jure pauperis et Peregrini apud Judaeos – zur Einführung ins unpunktierte rabbinische Hebräisch für Studierende der hebräischen Sprache gedacht, deren Hebräisch-Lektor am Christ Church College er war. 1682 bekam er den Grad eines Bachelor of Divinity verliehen und blieb als ehrenamtlicher Bibliothekar des Christ Church College ohne Salär am Ort seines Studentenlebens. Ab 1683, als Rektor von Bladen cum Cappella de Woodstock, weiterhin in Christ Church residierend, widmete er sich ganz seinen Studien und griff immer wieder streng und ordnend in die Angelegenheiten am College ein, was ihm viel Feindschaft, aber auch Zuneigung und Respekt, insbesondere von Bischof Fell, Dr. Mill und Edward Pococke einbrachte. Im Jahr seiner Hochzeit mit Bridget Bokenham (1686) promovierte er zum Doctor of Divinity und wechselte auf den Rektorposten in Saham/Norfolk. Prideaux setzte sich mit Vertretern der römischen Kirche auseinander (in der Nachfolge Bischof Fells war das Dekanat des Christ Church College inzwischen von König James II. römisch-katholisch besetzt worden) und veröffentlichte 1688 ein Werk über die Gültigkeit der englischen Weihen (2. Aufl. 1715). Im selben Jahr wurde er als Archidiakon von Suffolk eingesetzt und 14 Vgl. Price, Introduction, S. V–XVI; British Biography […] from Wickliff […] to the present time. 10. vol. 1773–1780; Aikin, J. General biography. 10. vol. 1799–1815; Chalmers, A., The general biographical dictionary, 32. vol 1812–1817. In RGG3 (Bd, 2: III. Englischer Deismus, von Martin Schmidt, wird Prideaux nur kurz im Sinne des Widerspruchs erwähnt, allerdings mit dem Vornamen James versehen (in der Literaturliste dann mit H. abgekürzt). Die vierte Auflage der RGG erwähnt ihn nicht mehr. Dafür findet sich der Name „James Prideaux“ auch in der kurzen Nennung im Artikel „Aufklärung II. Theologisch“ in TRE 4, S. 594–608, erwähnt 598,14, wiederum von Martin Schmidt. 15 Vgl. Holt, Treatment.

2.4 Der englische Kontext des Life of Mahomet

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visitierte und examinierte Kandidaten in dieser Funktion. Er setzte sich für eine Verständigung mit den Dissenters (A letter to a Friend, relating to the present convocation at Westminster, 1689) und für Liturgiereformen in der Church of England ein. 1691 hatte er den Ruf als Professor für Hebräisch an der Universität Oxford als Nachfolger Edward Pocockes (1648–1727) abgelehnt, was er später allerdings bereut haben soll. 1694 zog er der Familie wegen von Saham/Norfolk nach Norwich um, zwei seiner Kinder starben, sein Sohn Edmund überlebte. Prideaux hatte den für seine Familie ungesunden Ort verlassen, ohne ihm zustehendes Vermögen von dort mitzunehmen, vielmehr installierte er einen Kuraten für die Gemeinde. Selbst wurde er Vicar in der kleinen Gemeinde Trowse, nahe Norwich (bis 1710), mit sehr kleinem Einkommen. 1702 wurde er zum Dean von Norwich ernannt und blieb dies bis zu seinem Tod am 1. November 1724. Er hinterließ ca. 300 Werke zum Orient dem Clare College in Cambridge, an dem sein Sohn ausgebildet worden war. As a clergyman, he was strict and punctual in the performance of all the duties of his function himself, and carefully exacted the same from the inferior clergy and canons of his church. He behaved with moderation and candour towards those who differed from him in sentiment, eihter in religion, or politics; but he was always firmly attached to the interest of the Prostestant cause, and the principles of the Revolution.16

Als Vicar einer kleinen Landgemeinde in der Nähe von Norwich, Jahre bevor er zum dortigen Dean ernannt wurde, und Jahre nachdem er Oxford verlassen hatte, verfasste Prideaux zwei bzw. drei Texte, die hier von Interesse sind, und die er vielfach wieder auflegen ließ. Neben seiner letzten großen Publikation von 1716–1718, The Old and New Testament Connected, sind diese Texte über Deismus und über Mahomet als die wirkungsvollsten Bücher Prideaux’ anzusehen, nicht zuletzt, weil sie über die theologischen Debatten hinaus wirksam wurden. In der Forschung erschien Prideaux’ Life of Mahomet unter dem Stichwort „Wissenschaft als Waffe der Apologetik“.17 Schrieb Prideaux eine apologetische Schrift gegen den Islam? Um solche Interpretationen beurteilen zu können, vor allem aber um das Werk historisch angemessen einzuordnen, ist ein Blick in Kontext und Text nötig.

16 British biography; or, an accurate and impartial account of the lives and writings of eminent persons, in Great Britain and Ireland; from Wickliff, who begun the Reformation by his writings, to the present time, Bd. 7, London 1772, S. 223–231; zur Biographie vgl. auch die Bemerkungen bei Holt, Treatmet, S. 290 f. 17 Bernd Roling, Humphrey Prideaux, Eric Fahlenius, Adrian Reland, Jacob Ehrharth und die Ehre des Propheten: Koranpolemik im Barock. In: Dietrich Klein/Birte Platow (Hg.), Wahrnehmung des Islam zwischen Reformation und Aufklärung, München 2008, S. 61–76, Zitat S. 62.

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2. Der Erfinder der Religionsbetrügerei – Prideaux’ Life of Mahomet

2.4.2 Der erste Letter to the Deists von 1696 1696 veröffentlichte Prideaux einen Letter to the Deists, 1697 sein Life of Mahomet. Entstehungskontext und Wirkung dieses Buches gehen dabei teilweise durchaus unterschiedliche Wege. Ursprünglich hatte Prideaux vorgehabt, ein größeres Werk über die Geschichte des östlichen Christentums zu schreiben. Veröffentlicht hat er jedoch zwei Texte bzw. drei Texte, die er über Jahre aneinanderband. Der erste dieser drei Texte soll zunächst kurz vorgestellt werden. In seinem Letter to the Deists von 169618 spricht Prideaux die Deisten seiner Zeit folgendermaßen an: Your Title is New. At least, it is not many Years, since Deism has been taken for a Characteristical Distinction, of any considerable Number or Body of Men. But however New that Title be, I confess, I esteem it more honourable, in its true Signification, than any thing can be, upon the account of meer Antiquity. (1–2)

Wahrer Deismus sei den Menschen so natürlich wie Prosa oder einfache Rede. Prideaux selbst sei schon lange ein Deist gewesen, bevor ihm diese Bezeichnung überhaupt bekannt geworden wäre, habe die Konsequenzen dieses Prinzips des Gottesglaubens für sich selbst kultiviert und dessen Notwendigkeit anderen eingepflanzt, völlig überzeugt davon, dass dies die einzige Grundlage wahrer Glückseligkeit sei, auf der Personen oder Gesellschaften aufbauen könnten. „But, Alas, how have I been mistaken! Is Deism an ill thing? Or have Ill Men shrowded themselves under that Specious Name?” (5) Der Aufschrei gegen Deisten sei so stark, dass man nicht annehmen könne, er geschehe ohne Grund. Prideaux schließt sich mit ein, wenn er den Deisten Klärung verspricht: „And if you are true Deists, I assure you we are Brethren.“ (6). Er nimmt für sich in Anspruch, wahrer Deist zu sein und definiert Deismus dann folgendermaßen: Ein Deist glaube an Gott; Deismus sei die Religion derjenigen, die so glaubten. Diese Bezeichnungen schlössen keinen anderen Glauben aus, es sei denn er sei entgegengesetzt oder inkonsequent. Gott hindere niemand daran, irgendetwas anderes zu glauben. Die Idee des Gottesglaubens sei aber nicht klar beweisbar, es lasse sich nur ihre Wahrscheinlichkeit durch die Glaubwürdigkeit der Zeugen prüfen. „And so, in the Histories that we have of the Life of Moses, of Christ, of Apollonius, or of Mahomet, I may give more or less credit to any of them, according to the different strength of their testimonials.“ (8) Ein Deist könne Jude, Christ, Philosoph oder Türke sein, alle „Religionists“ seien notwendigerweise Deisten. Keine andere Bezeichnung sei wahrhaftiger katholisch, nur Atheisten 18 Humphrey Prideaux, A Letter to the Deists; Charles Leslie, A short and easie method with the Deists. With a new Introduction by John Valdimir Price, London/Tokyo 1995 (History of British Deism). Diese Ausgabe enthält ein Reprint von: A Letter to the Deists. London, Printed for Edward Castle, next Scotland Yard, by Whitehall, 1996.

2.4 Der englische Kontext des Life of Mahomet

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seien ausgenommen. Die Leugnung des Grundes geoffenbarter Religion unter der Bezeichnung „Deismus“ überdehne diesen Begriff. Prideaux ist hier also durchaus einverstanden mit einem deistischen Gottesglauben, spricht sich aber gegen radikale Offenbarungskritik aus. Dass Prideaux hier Apollonius und die Philosophen einschließt, ist eine Anspielung auf den damals sehr bekannten und umstrittenen Charles Blount (1654–1693), der mit einem Werk über Apollonius, in dem er diesen mit Christus nebeneinander stellt, bekannt geworden war (The Two First Books of Philostratus Concerning the Life of Apollonius Tyaneus, 1680).19 Blount bringt dort zum Ausdruck, dass Untersuchungen über Christi Leben und Verdienst genauso zu verfahren hätten wie solche über Mahomet oder Apollonius. Blount galt Anfang der 1690er-Jahre als Erbe bzw. Nachfolger Lord Herbert of Cherburys (1583–1648), der damals als erster englischer Deist angesehen wurde. In einem Werk von 1683 (Miracles no Violation of the Laws of Nature) bediente er sich vor allem bei Thomas Burnet, Thomas Hobbes und Baruch de Spinoza, Autoren die im ausgehenden 17. Jahrhundert in England heftig umstritten waren. Seine Oracles of Reason, 1693 kurz vor oder nach seinem Freitod erschienen, lösten eine breite literarische Diskussion aus. Nicht zuletzt an Blounts Sympathisanten richtet sich Prideaux’ Letter to the Deists, wenn er auf Apollonius und die Religion der Philosophen anspielt.20 Prideaux versteht Deisten nicht als Gottesleugner, er schreibe sein Buch nicht über und nicht für Atheisten. Die Kenntnis einer Gottheit sei weltweit so verbreitet, dass die kleine Zahl von Atheisten eigentlich ungefährlich sei. Das ist eine Aussage, die sich direkt gegen Behauptungen Blounts über die weite Verbreitung des Atheismus richtet. Mit seinem Versuch, den Deismus vom Atheismus zu unterscheiden und den Deismusbegriff christlich zu besetzen, widerspricht Prideaux in der Sache einem anderen Gegner Blounts, Josiah King, der Christentum und Deismus als Gegensätze verstand, da das Christentum eines Mittlers bedürfe, den der Deismus gerade ausschließe.21 Prideaux’ Versuch, Deismus von Atheismus zu unterscheiden und positiv auf die Offenbarung zu beziehen, ist damals offenbar eine seltene Minderheitsposition. Prideaux zitiert in seinem Text deistische Positionen, die sich gegen die Offenbarung richteten. Es gebe Männer, die Gott als Hypothese beschrieben: „Not the Creator or Disposer of this Universal Frame of things, but the Effect of some Peculiar Disposition in it; Posterior to Matter, and liable (if not to Extinction) at least to Inconstancy, Fluctuation, and Change. If this be He, no wonder if they bear little respect to him.” (20 f) Andere sagten, es sei unter der

19 Vgl. Price, Introduction. 20 Vgl. dazu auch den Exkurs zu William Nicholls (Kap. 2.4.3.). 21 Josiah King, Mr. Blount’s Oracles of Reason, Examined and Answered, In Nine Sections. In which His many Heterodox Opinions are Refuted, the Holy Scriptures and Revealed Religion are Asserted, against Deism and Atheism, Exeter: Philip Bishop, 1698.

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Würde Gottes, sich durch unmittelbaren Einfluss für die vergeblichen Verwirrungen der Menschheit zu interessieren. His business, if it be any, is about higher things; far remote from our Cognizance. We are pitiful Engines, moved any way by the Impressions made upon our Senses, by things without us; And so necessitated to whatsoever we do, by the fatal Chain of Causes in which he at first linked the whole Universe. (23)

Prideaux nennt nur kurz die Atomtheorie Demokrits, die Gottesvorstellung der Epikureer und die „fatal Necessity“ der Stoiker, die jedoch nicht Gegenstand seiner Untersuchung seien. Aber eine Mischung dieser Ansichten fülle offenbar die Köpfe derjenigen, die sich Deisten nennten. Eine weitere Auffassung streift Prideaux, wenn er die Abhängigkeit des Denkens von der Disposition der körperlichen Organe erwähnt, die keine bewussten Gedanken im künftigen Leben mehr zuließen. Zusammenfassend stellt er fest, dass die „Philosophical Absurdity of any of these Opinions“ (25) allerdings ausreichend erwiesen und nicht sein Gegenstand sei. Jedoch interessiere ihn der moralische Einfluss dieser Meinungen auf Menschenleben und Gesellschaften. Soweit ein Einblick in seinen 1696 erschienenen Brief an die Deisten, in dem er gegen Ende auch positiv auf The Reasonableness of Christianity, as delivered in the Scriptures von John Locke (1696), auf William Stephens An Account of the Growth of Deism in England (1696) und auf The Five Letters concerning the Inspiration of the Holy Scriptures von Jean Le Clerc, erschienen 1690 in englischer Übersetzung, eingeht.22 Dieser Text von Prideaux markiert eine Auseinandersetzung um die Deutungshoheit. Was ist Deismus? Diesen Ausdruck möchte Prideaux in seinem ersten Letter to the Deists positiv besetzen, kurz darauf wird er ihn allerdings aufgeben. Die Ablehnung der Offenbarung durch – seiner Definition nach falsche Deisten – spielt eine Rolle, eine konkrete Betrugshypothese jedoch nicht.23 Das verwundert, denn dieser Text soll nach Auskunft von Price Annex seines bereits dargestellten Life of Mahomet sein.24 Dort findet sich allerdings ein ganz anderer Text, ein zweiter Letter to the Deists, der 1697 erstmals erschien.25 Dieser zweite Letter to the Deists verfolgt eine ganz andere Strategie. Nachdem 22 John Tolands ebenfalls 1696 erschienenes Buch Christianity not mysterious erwähnt er dagegen nicht. 23 Price, Introduction, S. X–XI: „Interest in Prideaux’s book has probably not survived beyond the eighteenth century, because he was often fighting straw figures; but it is one of the earliest contributions to the controversies about deism in England, and some if its naivet is amusing. No one who gave voice to deistic principles in the late seventeenth century was quite saying, baldly, that Christianity was an imposture and a cheat, though that was certainly what many rigidly righteous readers inferred.“ 24 Vgl. Price, Introduction. 25 So auch Price, der den von ihm als Reprint edierten (ersten) Letter to the Deists allerdings als Appendix zum Life of Mahomet bezeichnet: „A Letter to the Deists (1696) is in fact the pre-cursor of The Life of Mahomet, to which it is affixed after 1697 as an appendix to that work“ (S. V). Den Vorlauf mag das Werk ausdrücken, Appendix ist jedoch ein anderer Text.

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Prideaux in seinem ersten Letter to the Deists von 1696 versucht hatte, den Deismus für das Christentum zu reklamieren, setzte er sich nun, im zweiten Text, direkt mit der Betrugshypothese auseinander. Der zweite Letter to the Deists verfolgt einen anderen Ansatz, gibt allerdings keine direkten Auskünfte über die Situation. Zur Klärung der Situation, in der Prideaux schreibt, mag kurz eine weitere Quelle herangezogen werden: William Nicholls’ A Conference with a Theist von 1697/98.26

2.4.3 Exkurs: William Nicholls 1697 William Nicholls (1664–1712) stand wie Prideaux John Fell bzw. Christ Church nahe. Der frühere Sekretär des Oxforder Bischofs John Fell, Dean of Christ Church, veröffentlicht 1697/1698 unter dem Titel A Conference with a Theist einen Dialog zwischen Credentius und Philologus, vor allem gegen Charles Blounts Oracles of Reason. Es sei an der Zeit, so schreibt er im Vorwort, dass professionelle Lehrer und Verteidiger des Christentums sich gegen die „total subversion of our common Christianity“ wendeten. Socinians, Papists, and Schismaticks, it is true, are guilty of very grievous and dangerous Errours, but yet the worst of them maintain some part of the Ground-work of Christianity still; but Atheists who deny a God, and Theists who disown a Revelation, make our whole Religion an Imposture, and all that have to do with it either Cheats or Fools. So that we that are Ministers of the Gospel, are highly concerned to use the utmost of our force, against these Opinions, which debauch and damn so many Men, whose Souls we have the charge of, which tend to the discredit and total overthrow of our Profession, and expose our Persons to all the foolish scoffs of idle Men. Nay farther, there is the greatest danger from these Infidel Doctrines, because they are espoused by Men of all Parties, and by many of those who join themselves with some particular Body of Christians; for it is easy to observe, a great many men railing bitterly against Papists or Phanaticks, when they believe no more of Jesus Christ, than they do of Transsubstantiation; and have no more liking of the Gospel, than to a long Canting Sermon. Now because such Infidels lie herded among divers Sects of Christians, as they are not so easily discerned, so they are not so vigorously opposed; and by this means they have of late gained such strength, that now they begin to look formidable. It is dreadful to think what numbers of Men are poisoned by Infidel Principles; for Atheism and Theism are now got from Court to the Exchange, they begin to talk them in Shops and Stalls, and the Cavils of Spinosa and Hobbs are grown common, even to the very Rabble. But the greatest encouragement 26 William Nicholls, A Conference with a Theist. Containing an Answer to All the most Usual Objections of the Infidels Against the Christian Religion. In Four Parts. By William Nicholls, D.D. London, Printed by T.W. for Francis Sanders at the Blue-Anchor in the New-Exchange; and Thomas Bennet at the Half-Moon in St.-Paul’s Church-Yard, 1697–1698. (Hier zitiert nach der zweiten Auflage 1698).

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which Infidelity meets with, is from some Philosophical Gentlemen, who find that the Scripture seems to contradict some Notions in Philosophy, which they have espoused, or some Experiments which they are persuaded of the Truth of; and therefore for that reason, they will disbelieve that and all Revealed Religion. Now some of these Gentlemen, being Men of Parts and Letters, and able to manage an Argument, they generally set upon some unlearned Christian; they puzzle and confound him with Philosophick Terms and Experiments, and with a Set of Jests and Bantering Expressions against Scripture; and when thus they have beat the poor Man out of his Road, they think they have for ever triumphed over Christianity. –Pudet hæc opprobia nobis Et dici potuisse, & non potuisse refelli. (A4r–A5r)27

Die in den Dialogen behandelten Gegenstände stammten teilweise aus Gesprächen, die Nicholls mit Deisten (!) „Deists“ geführt habe, vor allem aber aus 27 Sozinianer, Papisten und Schismatiker, das ist wahr, sind schuld an sehr schweren und gefährlichen Irrtümern aber sogar die schlimmsten von ihnen vertreten immer noch einen Teil der Grundlage des Christentums; Atheisten aber, die einen Gott bestreiten, und Theisten die eine Offenbarung verleugnen, machen unsere ganze Religion zu einem Betrug und alle die mit ihr zu tun haben entweder zu Betrügern oder zu Dummköpfen. So dass wir, die Diener des Evangeliums sind, in höchster Weise damit zu tun haben unsere größte Kraft gegen diese Meinungen zu verwenden, die so viele Menschen verderben und verdammen, für deren Seelen wir die Verantwortung haben, die auf Misskredit und totalen Umsturz unseres Berufes gerichtet sind, und unsere Personen dem ganzen dummen Spott untätiger Menschen aussetzen. Nicht abgelegener/ ferner, (sondern) hier ist die größte Gefahr dieser ungläubigen Lehren, weil sie von Leuten aller Parteien beansprucht werden, und von vielen derer, die sich zu einigen bestimmten Gemeinschaften von Christen gesellen; denn es ist leicht festzustellen, sehr viele Leute grenzen sich heftig gegen Papisten oder Fanatiker ab, wenn diese nicht mehr an Jesus Christus glauben, sondern an Transsubstantiation; und haben keinen Gefallen mehr am Evangelium als an einer langen frömmelnden Predigt. Nunmehr, weil solche Ungläubigen mitten unter verschiedenen Sekten von Christen versteckt (herded-Herde) lägen, und nicht so einfach zu erkennen sind, so dass ihnen nicht so energisch widersprochen wird; und dadurch haben sie neuerdings eine solche Stärke bekommen, dass sie nun anfangen furchteinflößend zu erscheinen. Es ist schrecklich daran zu denken, wie viele Leute durch ungläubige Prinzipien vergiftet sind, denn Atheismus und Theismus kommen nun vom Hinterhof auf den Markt, man fängt an darüber in Geschäften und in Kirchenstühlen zu reden, und die Nörgeleien von Spinoza und Hobbes sind sogar dem größten Pöbel bekannt geworden. Aber die größte Aufmunterung, mit der Unglaube sich trifft, kommt von einigen Philosophischen Gentlemen, die meinen, dass die Schrift manchen philosophischen Ansichten widerspricht, die sie dargelegt haben, oder einigen Versuchen, von deren Wahrheit sie überzeugt sind. Und darum, aus diesem Grund, werden sie diese [die Schrift] und aller offenbarte Religion bezweifeln. Nun sind einige dieser Gentlemen, die Leute von Künsten [arts?] und Wissenschaften, und in der Lage mit einem Argument umzugehen, sie setzen dies in der Regel einem ungebildeten Christen vor, sie verblüffen und bringen ihn durcheinander mit philosophischen Begriffen und Versuchen und mit einer Menge von Scherzen und neckischen Redensarten gegen die Schrift; und wenn sie dadurch den armen Mann von seiner Straße geprügelt haben, denken sie, sie hätten für immer über das Christentum triumphiert. Ich schäme mich, dass uns diese Vorwürfe gemacht werden können und dass sie nicht abgewehrt werden können. (Ovid, Metamorphosen, 1.758).

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den Oracles of Reason, „the first Book I ever saw which did openly avow Infidelity“ (A5v). Dieser Text kann helfen, die Umstände zu beschreiben, die in Prideaux’ zweitem Text vorausgesetzt sind, in dem er sich wiederum direkt an Deisten wendet, die seiner Darstellung nach das Christentum bzw. das Evangelium als Betrug bezeichneten. Unabhängig von seinem ersten literarischen Niederschlag bei Prideaux dürfte der Betrugsvorwurf gegen das Christentum nach dieser eben zitierten Einschätzung in den Debatten der 1690er-Jahre eine große Rolle gespielt haben.28 Prideaux war dieser Vorwurf sicherlich bereits aus seinen jüdischen Studien in Oxford bekannt. Dort hatte er sich als Hebräisch-Lektor auch ausführlich mit Maimonides beschäftigt und Texte von Maimonides vor allem zu Unterrichtszwecken publiziert. In seinem berühmten Brief nach Jemen von 1172, der die jüdische Gemeinde vor einer schiitischen Bekehrungswelle und gleichzeitig vor einem falschen Messias schützen sollte, schrieb Maimonides Jesus, Paulus und Mahomet Betrug zu.29 Für die 1690er-Jahre sind außerdem die Debatten über den wohl 1688 verfassten anonymen Traktat De tribus impostoribus hier wenigstens zu erwähnen, auch wenn nicht ohne Weiteres historische Evidenz für eine direkte Bezugnahme zu erzeugen ist.30

28 Price bestreitet diesen, durch Nicholls Vorwort oben belegten Umstand, wenn er feststellt: „but it is one of the earliest contributions to the controversies about deism in England, and some of its naivet is amusing. No one who gave voice to deistic principles in the late seventeenth century was quite saying, baldly, that Christianity was an imposture and a cheat, though that was certainly what many rigidly righteous readers inferred. Prideaux could say some very clear headed things about deism on the one hand, and, on the other, some quite insupportable things.“ (Price, Introduction, S. X–XI). 29 Maimonides spricht von einer für die Juden gefährlichen Gruppe, die Eroberung mit Polemik und Disput zu verbinden versucht habe, um die jüdische Gemeinschaft auszulöschen. Sie habe ein neues göttliches Gesetz gebracht und Verwirrung gestiftet. Dieser Trick könne großen Schaden anrichten, Jesus sei der erste gewesen, der diesen Vorsatz gehabt habe. Er wollte glauben machen, dass er von Gott geschickt sei, die Thora zu erklären und dass er der geweissagte Messias sei. Die Weisen hätten dies erkannt und ihm den gebührenden Empfang bereitet. Später habe sich eine Religion verbreitet, die von den Nachkommen Esaus (Römer, gemeint ist wohl Paulus) auf Jesus zurückgeführt werde. Die Sache habe ihr wohlbekanntes Ende gefunden. Nach diesem Vorbild habe der Besessene (wohl M.) auf dem vorbereiteten Weg mit Herrschaftsansprüchen erfolgreich agiert. Vgl. Moses Maimonides, Der Brief in den Jemen. Texte zum Messias, hg. übersetzt und kommentiert von Sylvia Powels-Niami, Berlin 2005 (Jüdische Geistesgeschichte 1), S. 35–37. 30 Vgl. Friedrich Niewöhner, Art.: „De tribus impostoribus“ In: Franco Volpi (Hg.), Großes Werklexikon der Philosophie, Bd. 2: L–Z, Anonyma und Sammlungen, Stuttgart 1999, S. 1633 sowie Winfried Schröder, Einleitung. In: Anonymus, Traktat über die drei Betrüger. Trait des trois imposteurs (L’esprit de Mr. Benoit de Spinoza); kritisch herausgegeben, übersetzt, kommentiert und mit einer Einleitung versehen von Winfried Schröder, Hamburg 1992 (Philosophische Bibliothek, Bd. 452), S. VII–XLIII.

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2. Der Erfinder der Religionsbetrügerei – Prideaux’ Life of Mahomet

2.4.4 Der zweite Letter to the Deists von 1697 In England war offenbar eine Situation entstanden, in der sich das Christentum mit dem Betrugsvorwurf konfrontiert sah, diesmal allerdings von ,Deisten‘ und ,Atheisten‘ – einer offenbar strittigen Zuschreibung. Nachdem Prideaux versucht hatte, in seinem Letter to the Deists von 1696 seinen christlichen Deismusbegriff zu etablieren, wandte er sich nun direkt gegen den Betrugsvorwurf und machte ihn in seiner Druckschrift damit weiter publik: Nun allerdings ohne sich selbst noch als ,Deist‘ zu bezeichnen. Der Begriff ließ sich offenbar doch nicht mehr auf die Weise füllen, wie Prideaux es in seinem ersten Letter versucht hatte. Er stand nun wohl für einen offenbarungskritischen, das Christentum (und vielleicht alle Offenbarungsreligion) ablehnenden Deismus. Der von Prideaux zeitgenössisch diagnostizierte Deismus wird von ihm möglicherweise mit seiner Kenntnis von Texten Maimonides’ kombiniert. Nicht auszuschließen aber auch nicht zu beweisen ist der Einfluss klandestiner Texte wie des eben erwähnten anonymen Traktats De tribus impostoribus. Deutlich ist, dass die Oracles of Reason Charles Blounts z. T. viele Jahre vor der Drucklegung heimlich kursierten. Dass zeitgenössische Deisten sich (noch) nicht mit einem Betrugsvorwurf zu Wort gemeldet hätten, wie Prideaux es darstelle, müsste noch genau historisch belegt werden.31 Bei dem zeitgleich publizierenden Nicholls findet sich jedenfalls eine solche Beschreibung. Prideaux verbindet seinen zweiten Letter to the Deists mit seinem Life of Mahomet, dessen deutsche Übersetzung bereits vorgestellt wurde. Seine auffällige Mahomet-Darstellung steht in diesem Kontext. Sie lässt sich als Reflex auf den zeitgenössischen Deismus bzw. auf die Betrugshypothese, wie er sie auch bei Maimonides fand, auffassen.32 Prideaux agiert hier als ein Apologet – aber nicht etwa Apologet des Christentums gegen Mahomet und seine Anhänger, die es im England des ausgehenden 17. Jahrhunderts so nicht gab und für (bzw. gegen) die dieser Text auch nicht geschrieben ist. Vielmehr agiert Prideaux hier als Apologet seines englischen Christentums gegenüber ,Deisten‘ und/oder ,Atheisten‘, die dem Christentum Betrug vorwerfen.

2.4.5 Zur Publikationsgeschichte des zweiten Letter to the Deists und des Life of Mahomet Der genannte zweite Brief an die Deisten von 1697 erhält einen neuen Titel, eine andere Ausrichtung und – vor allem – einen neuen Text: A Letter to the Deists shewing that the gospel of Jesus Christ is no imposture; but the sacred 31 Vgl. die Anmerkung zu Price (s. o.) sowie die Überlegungen zum Traktat De tribus impostoribus. 32 Prideaux geht in seinem zweiten Letter to the Deists mehrfach auf Maimonides ein.

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truth of God.33 Im Vergleich mit dem Letter to the Deists von 1696 ist eher von einem eigenständigen Text als von einer neuen Auflage zu reden. Dieses Urteil bestätigt sich durch Briefe Prideaux’ an John Ellis, aus denen hervorgeht, dass dieses Manuskript zunächst lange keinen Verleger gefunden habe, dann aber in kürzester Zeit (nach spätestens 14 Tagen) in London vergriffen gewesen sei, so dass eine Neuauflage nötig wurde. Diese Neuauflage trug den Titel A discourse for the vindicating of Christianity from the charge of imposture.34 Dieser Text erschien nun gemeinsam mit dem Life of Mahomet unter dem neuen Titel The true nature of imposture fully display’d in the life of Mahomet.35 Prideaux dachte damals übrigens auch über eine Erweiterung des Textes um ein theologisches Traktat („system of Mahometan Divinity“) nach, das er einer dritten Auflage beigeben wollte. Dies würde das Buch vervollständigen, heißt es in einem Brief an John Ellis. Dass er von der Auseinandersetzung mit den Deisten ausging und die Biographie Mahomets hinzunahm, verdeutlicht folgende Bemerkung in diesem Brief an John Ellis: „The life of Mahomet I find is a novelty that makes the booke acceptable.“36 Das Buch ändert seinen Wert 33 A Letter to the Deists: shewing That the Gospel of Jesus Christ is no Imposture; but the Sacred Truth of God. By Humphrey Prideaux, D.D. And Arch-Deacon of Suffolk. London, Printed by J.H. for W. Rogers […] 1697. Bereits dieser Text war mit dem Life of Mahomet verbunden und hat 152 Seiten. A Letter to the Deists von 1696 hat 154 Seiten. 34 A discourse for the vindicating of Christianity from the charge of imposture Offer’d by way of letter, to the consideration of the deists of the present age, By Humphrey Prideaux, D.D. and arch-deacon of Suffolk, London: printed by J.H. for W. Rogers […], 1697. 35 The true Nature of Imposture Fully Displayed in the Life of Mahomet. With A Discourse annexed, for the Vindicating of Christianity from this Charge; Offered to the Consideration of the Deists of the present Age. By Humphrey Prideaux, D.D. London: Printed for William Rogers […] M DC XC VII. 36 Letters of Humphrey Prideaux sometime Dean of Norwich to John Ellis sometime UnderSecretary of State. 1674–1722. Edited by Edward Maunde Thompson, Barrister-At-Law and Assistant-Keeper of Mss. in the British Museum. Printed for the Camden Society, [London] 1875. An John Ellis in London: „Norwich, May 14, 1697. I thank you for the kind acceptance of the booke I sent you. I know not whether it might not be a presumption in me to present one of them to Mr Secretary; as beeing your friend, I would gladly show him my respects, and as haveing been ambassador in Turkey, perchance such a booke might not be unacceptable unto him. However, I durst offer at it noe further than to leave you master of the matter, to doe as you should think fitteing; and, since you have thought fitt to present it to him, I hope I made noe wrong step in this tender of my respects unto him. I had much adoe to get it printed, for it lay a year in towne before any bookeseller would venture on it. I am just now returned from Suffolk to here. I find nothing remarkeable, but that a gentleman of the countrey hath lately marryed one sister of his late deceased wife and whored another. He is a man of 1000 per annum; however, I am resolved he shall not escape my censure.“ (S. 185). An John Ellis in London: „[Norwich], May 28, 1697. […] My bookseller writes me that he hath already sould of one impression of my booke and is now on a second edition. I have by me a systeme of the Mahometan divinity, which is the oddest stuffe that I believe you ever saw; but to ad this will double the bulk of the book, which will not be for the booksellers profit now paper is soe dear. This would make that booke compleat. Perchance paper may be cheaper by that time the 2d edition is of, and then it shall be ready to be inserted into the 3d. The life of Mahomet I find is a novelty that makes the booke acceptable.“ (S. 186–187)

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durch die Hinzunahme des Life of Mahomet. Diese später hinzugekommene Lebensbeschreibung Mahomets gibt nun den Haupttitel für das zusammengefasste Werk ab, die vorangegangene Beschäftigung mit den Deisten erscheint als Appendix, die in dem Brief erwogene Erweiterung des Textes fand nicht statt. Darum ist bei der Rekonstruktion des Kontextes von Prideaux’ zweitem Letter to the Deists (A Letter to the Deists shewing that the gospel of Jesus Christ is no imposture; but the sacred truth of God) von 1697 auszugehen, der ab der zweiten Auflage Discourse genannt wird und nach dem wohl etwa gleichzeitig entstandenen Life of Mahomet angebunden wird, auf dessen Text er mehrfach verweist.37 Diese, bereits im Mai 1697 notwendig gewordene zweite Auflage bekam den Titel A Discourse For the Vindicating of Christianity from the Charge of Imposture.38 Zusammen gebunden mit dem Life of Mahomet trägt sie jedoch den (Teil-)Titel A Letter to the Deists: shewing That the Gospel of Jesus Christ is no Imposture; but the Sacred Truth of God. Die Gesamtveröffentlichung beider Texte heißt: The true Nature of Imposture Fully Displayed in the Life of Mahomet. Die frühe Publikationsgeschichte der beiden verbundenen Texte ist, wie zu sehen ist, sehr unübersichtlich. Entscheidend ist jedoch, dass auf diese Weise deutlich wird, welcher Letter to the Deists zur unmittelbaren Vorgeschichte und zur Publikation des Life of Mahomet gehört, nicht der erste von 1696, sondern der zweite Letter to the Deists von 1697. Dies wird auch aus inhaltlichen Gründen nicht zu bestreiten sein.

2.4.6 Der Betrugsvorwurf im zweiten Letter to the Deists (1697) Die Verteidigung des Christentums richtet sich gegen den Betrugsvorwurf von Deisten, der gleich zu Anfang zitiert wird. Hatte der erste Letter to the Deists – wie gesagt – den Deismus-Begriff füllen und retten sollen und den Autor darin positiv miteingeschlossen, soll die zweite Auflage das Christentum bzw. das Evangelium vor dem Betrugsvorwurf retten. Prideaux gibt keine so ausführliche Beschreibung der Situation wie etwa der eben zitierte Nicholls im Vorwort seines Dialoges; er spricht vielmehr, wie im ersten Letter to the Deists, die Deisten direkt an: „Gentlemen, IF I am not mistaken, the reason you give for your Renouncing that Religion ye were baptized into, and is the religion of the Country in which ye were born, is, That the Gospel of Jesus Christ is an Imposture: An Assertion that I tremble to repeat.“ (3) Ob das Evangelium oder 37 Ein kurzer Textbeleg, der auch inhaltlich von großer Bedeutung ist, mag hier genügen: „That it is possible such a cheat may be imposed upon Men, cannot be denied. It is sufficiently proved in the foregoing History, which is a very full instance of it; and I have laid it before you for this very purpose, that you may therein see clearly delineated and displayed in all its proper colours the whole nature of the thing, which you charge our holy Religion with.“ (S. 5–6) 38 A Discourse For the Vindicating of Christianity from the Charge of Imposture. Offer’d By way of Letter, To the Consideration of the Deists of the Present Age. By Humphrey Prideaux, D.D. And Arch-Deacon of Suffolk. The Second Edition. London, Printed by J.H. for W. Rogers 1697.

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seine Zurückweisung richtig sei, entscheide sich an der Betrachtung der Natur eines Betrügers und am Leben des infamsten Betrügers, den beide Seiten für einen solchen hielten und den Prideaux (im vorangestellten Life of Mahomet) exakt beschrieben habe. Darum wolle er erstens beschreiben was ein Betrüger sei, zweitens dessen Anzeichen und Charaktereigenschaften beschreiben und drittens zeigen, dass keines dieser Anzeichen zum Evangelium Jesu Christi gehöre. „And when I have done this, I hope I shall convince all such of you, who have not totally abandoned your selves to your Infidelity, That the Gospel of Jesus Christ is that sacred Truth of God, which you are all bound to beliefe.“ (4). Der Ton seines zweiten Schreibens an die Deisten hat sich merklich verändert. Ging der erste Text den Weg einer positiven Füllung des Deismusbegriffes, versucht der zweite den Beweis und die Verpflichtung der (christlichen) Deisten auf das Evangelium von Jesus Christus. Der Weg, den Prideaux nun einschlägt, beginnt mit der unterstellten gemeinsamen Ablehnung Mahomets „whom we, as well as you, acknowledge to be such [an impostor]“ (4). Nicht ein gemeinsamer positiver Deismusbegriff, sondern eine gemeinsame Ablehnung des wahren Betrügers sollte seine Zeitgenossen überzeugen. Das Evangelium sei ein falscher Betrug und darum kein Betrug, sondern vielmehr die zu glaubende Wahrheit. Die ganze zu erörternde Frage sei also, ob die christliche Religion eine Wahrheit sei, gegeben durch göttliche Offenbarung von Gott dem Schöpfer oder eine rein menschliche Erfindung, erkünstelt von ihren ersten Propagatoren, um der Menschheit einen Betrug aufzudrängen. Dass ein solcher Betrug über die Menschheit kommen könne, sei nicht zu bestreiten. Dies sei in der vorangestellten Geschichte Mahomets gezeigt worden. Prideaux habe diese Geschichte vorgelegt, damit die Deisten (die von Betrug mit Bezug auf das Christentum sprächen) die Natur ihres Vorwurfes klar dargestellt sähen.39 Dass auch seine Gegner Mahomet für einen Betrüger halten müssten, wird immer wieder betont: All that I contend for, is, That if Christianity be such an Imoposture as we all acknowledge the Religion of Mahomet to be, it must be just such another thing as that is, with all the same Marks, Characters, and Properties of an Imposture belonging thereto; and that if none of those Marks, Characters, and Properties can be discovered in it, it must be a clear eviction of the whole charge, and manifestly prove, That our holy Religion cannot be that thing, which you would have it to be. For our only way of knowing things, is by their Marks and Properties; and it is by them only that we can discover what the nature of them is. It is only by the Marks and Properties of a Man, that we know a Man from another living Creature, for we cannot see the essences of things. And so it must be only by the Marks and Properties of an Imposture, that we can know an Imposture from that which is a real truth, when attested unto us. And as 39 „[A]nd I have laid it before you for this very purpose that you may therein see clearly delineated and displayed in all its proper colours the whole nature of the thing, which you charge our holy Religion with“ (S. 6).

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2. Der Erfinder der Religionsbetrügerei – Prideaux’ Life of Mahomet

where we find none of the Marks and Properties of a Man, we assuedly know that cannot be a Man, how much soever any one may tell us that it is: So where we find none of the Marks and Properties of an Imposture, we may assuredly know that cannot be an Imposture, how much soever you, or any other like you, may assert it so to be. (6 f)

Der Vergleich dient hier also dem Erweis der Unähnlichkeit. Die vorangestellte Biographie Mahomets wird in diesem zweiten Brief an die Deisten zu einem Mittel der Verteidigung des Christentums. Die Situation und Zielrichtung beider Texte sind klar benannt. Es geht darum, Betrug und Nicht-Betrug voneinander abzugrenzen und das Christentum vom Betrugsvorwurf zeitgenössischer Deisten zu entlasten.

2.4.7 Die sieben Merkmale wirklichen Betrugs Prideaux gibt hier sieben Merkmale des Betrugs an, die er im Laufe des Textes diskutiert.40 Ein Betrug: 1) müsse als Zweck immer fleischliche Interessen haben; 2) könne er nur niederträchtige Autoren haben; 3) beides müsse notwendigerweise genau in seinem Umfeld erscheinen; 4) könne er als solcher niemals völlig verborgen sein, sondern müsse einige offensichtliche Falschheiten enthalten, die die Falschheit des Ganzen entblößten; 5) wo immer er auch zuerst propagiert werde, müsse es mit List, Kunstfertigkeit und Betrug sein; 6) wenn er vielen Verschwörern anvertraut sei, könne er niemals lange verheimlicht werden; 7) er könne niemals eingeführt werden, wenn er nicht mit Zwang und Gewalt unterstützt werde. Das alles gehöre zu jedem Betrug und finde sich besonders im Mahometism. Nichts davon könne dem Christentum vorgeworfen werden. Das wolle Prideaux nun an jedem der Punkte zeigen. Sein zweiter Letter to the Deists ist durch die zitierten sieben Merkmale des Betrugs, in sieben Abschnitte eingeteilt. Prideaux weist den jeweiligen Vorwurf in der Regel Mahomet zu und entlastet Jesus und die Apostel davon. ad 1. Diesseitige Interessen (Ehrgeiz und Wollust) bescheinigt er Mahomet: „What it was that put Mahomet on his Imposture the foregoing History of his life sufficiently shews, it was his ambition and his lust.“ (10) Jesus habe nicht einmal den Messiaserwartungen der Juden zu entsprechen versucht. Die Apostel, ein paar arme Fischer, hätten im Römischen Reich wegen ihrer Ver40 „1. That it must always have for its end some carnal interest. [8–36] 2. That it can have none but wicked Men for the Authors of it. [36–44] 3. That both these must necessarily appear in the very contexture of the Imposture it self. [45–81] 4. That it can never be so framed, but that it must contain some palpable falsities, which will discover the falsity of all the rest. [81–100] 5. That it where-ever it is first propagated, it must be done by craft and fraud. [100–126] 6. That when entrusted with many conspirators, it can never be long concealed: [127–130] And, 7. That it can never be established, unless backed with force and violence. [130–137]“ (S. 7).

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kündigung gelitten. Sie hätten eine unterdrückte und verfolgte Gruppe geleitet. ad 2. Einen niederträchtigen und lasterhaften Autor, der durch Betrug und falsches Gottesbild sowohl Gott seiner Verehrung durch die Menschen beraube als auch die Menschen von seiner Gnade und Erlösung entferne, findet Prideaux ebenfalls bei Mahomet. Dagegen hätten nicht einmal Celsus oder Porphyrius, Julian oder andere Heiden, noch die Juden, „who were the bitterest enemies of Christianity“ (37), Jesus Christus oder seine heiligen Apostel dergleichen beschuldigt. Wenn man die Fehler derzeitiger Kirchenmänner ins Visier nähme, um wie viel mehr hätten das diese frühen Feinde des Christentums getan? Doch sei davon nichts zu finden, obwohl die ersten Christen nicht unter ungebildeten Barbaren wie Mahomet, sondern in den Zentren aufgetreten seien, wo man nichts hätte verbergen oder verheimlichen können. Vielmehr habe man in den Schriften der Gegner Zeugnisse dafür, dass den ersten Christen nie ein schlechtes oder lasterhaftes Leben vorgeworfen wurde. ad 3. Die für einen Betrug notwendige Lasterhaftigkeit müsste außerdem in den Schriften des Neuen Testaments auftauchen. Der selbstsüchtige Zweck des Betruges müsste erscheinen. Dies sei im Koran der Fall. Für das Neue Testament könne man die größten Feinde bitten, ihr äußerstes Geschick anzuwenden, um dergleichen darin zu finden. Dies sei schon über Jahrhunderte nicht gelungen. „For as the Kingdom of Christ is not of this World, so neither do those Books, in which are written the Laws of this Kingdom, favour any thing thereof.” (47 f) Angesichts der Christenverfolgungen könne keine Rede von selbstsüchtigen, weltlichen Interessen sein. Betrügerische oder selbstsüchtige Absichten müssten – wenn sie vorhanden gewesen wären – im Neuen Testament zu finden sein, im Gegensatz zum Koran seien sie es aber nicht. Die Lehren und Bücher müssten gegen Christus und die Apostel sprechen, sie täten es aber nicht. Let what is written in them be tried by that which is the Touchstone of all Religions, I mean that Religion of Nature an Reason, which God hath written in the hearts of every one of us from the first Creation; and if it varies from it in any one particular, if it prescribes any one thing, which may in the minutest circumstance thereof be contrary to its Reighteousness; I will then acknowledge this to be an argument against us, strong enough to overthrow the whole Cause, and make all things else that can be said for it, totally ineffectual to its support. But it is so far from having any such flaw therein, that it is the perfectest Law of Righteousness, which was ever yet given unto Mankind, and both in Commanding of Good, as well as forbidding of Evil, vastly exceeds all others that went before it, and prescribes much more to our practice in both, than the wisest and highest Moralist was ever able without it to reach in speculation. (59)

Eine solche Religion könne nicht das Produkt eines boshaften Geistes sein. Ganz anders sei es mit Mahomet, dessen Gesetze auf ihn zugeschnitten seien.

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2. Der Erfinder der Religionsbetrügerei – Prideaux’ Life of Mahomet

Man müsse kein so großer Betrüger sein wie Mahomet, könnte ein Einwand lauten. Es gäbe Betrug aus guter Absicht und auch Selbstbetrug (Täuschung) „by Enthusiasm“ (64). Wenn dem so wäre, fragt Prideaux, welche Art wären Jesus und die Apostel, Atheisten, Deisten oder „Believers of an instituted Religion“ (73)? Ein Atheist müsse immer ein perfekter Betrüger sein, ein Deist wäre gegen institutionalisierte Religion und würde darum keine neue einrichten. Der Anhänger einer Religion müsste diese zuerst vernichten, bevor er seinen Betrug, den er als falsch erkenne, einrichten könnte. Er müsste seinen alten wahren Glauben durch einen neuen Betrug ersetzen. Durch Selbstbetrug oder Fehler seien viele seltsame Dinge entstanden wie die Wiedertäufer in Deutschland, die Qäker, die Batenisten der Mahometaner (Batiniyya) oder einige Einsiedler der römischen Kirche. Enthusiasmus als Fehler könne man dem Christentum aber nicht zuschreiben, es sei rational, gut und weise. ad 4. Ein Betrug müsse offensichtliche Irrtümer enthalten, die Lüge würde sich in sich selbst verstricken. Eine perfekte Lüge könne kein Mensch hervorbringen. Der Koran könne daraufhin untersucht werden. Er gebe dem Alten und Neuen Testament göttliche Autorität und widerspreche ihnen doch, erkläre dies als Korruption durch Juden und Christen. Als Beispiel bringt Prideaux hier die Verwechslung der Mutter Jesu mit Miriam, der Schwester des Mose. Die „monstrous Mistakes“ (84) bezüglich der Moral würden aber am deutlichsten den betrügerischen Charakter des Koran zeigen – Unzucht, Ehebruch, Räuberei und Abschlachtung als Teile der in ihm gelehrten Religion. Dies widerspreche der göttlichen Natur, der ewigen Wahrheit im menschlichen Herzen und den gewöhnlichen Prinzipien jeder menschlichen Vernunft und zeige die Falschheit des Koran. Mit Bezug auf das Neue Testament hält Prideaux dagegen fest: 1) Das neue Testament sei bereits in seiner Entstehungszeit von den Feinden des Christentums nicht der Falschheit überführt worden, was diese sicher gern getan hätten, zumal Jesus und die Apostel öffentlich gehandelt hätten. Alle anderen Betrüger seien von Zeitgenossen entlarvt worden. Jesus und die Apostel seien von ihren Gegnern nicht des Betrugs bezichtigt worden. Im Gegenteil, Prideaux nennt externe Zeugen für Aussagen des Neuen Testaments wie Macrobius und Phlegon von Tralleis (Phlegon Trallianus). 2) Die Prophezeiungen des Erlösers erwiesen weiterhin seine Wahrheit, wofür Prideaux die Tempelzerstörung als ausführlicheres Beispiel bringt. Die Verbreitung des Evangeliums unter allen Völkern, die Verstoßung der Juden, ihr andauerndes Exil und die vollkommene Zerstörung ihres Tempels bewiesen bis heute Jesu göttliche Sendung. 3) Was könne würdiger sein als die Vorstellungen, die Jesus von Gott gab? Was könne würdiger sein als der von ihm gebotene Gottesdienst und als sein Gesetz? Diese seien selbst mit den weisesten Philosophen nicht zu vergleichen. Plato habe in seinem Staat den gemeinsamen Gebrauch der Frauen erlaubt, Aristoteles verteidige es als natürlich und gerechtfertigt, dass die Griechen die Barbaren bekriegen nur weil sie Barbaren waren. Er und Cicero („Tully“)

2.4 Der englische Kontext des Life of Mahomet

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hätten Rache gar zu ihren Tugenden gezählt. Von solchen Absurditäten sei die Lehre Christi und der Apostel frei. Sie habe mehr als menschliche Umstände. Sie habe als ursprünglichen Autor den, der unendlich im Wissen und in allem anderen Vollkommenheiten sei. ad 5. Ein anderes Kennzeichen sei, dass Betrug, wo immer er zuerst propagiert werde, mit List und Täuschung auftrete. Eine Lüge müsse als Wahrheit und eine Erscheinung („appearance“) als Realität („reality“) auftreten. Besonders ein Religionsbetrug müsse mit großer Kunstfertigkeit einhergehen, da die Menschen ihre alte Religion nicht einfach verließen. Wenn eine neue Religion wirklich von Gott komme, wie das Christentum nach dem Judentum, führe sie ihre Beglaubigungs-Zeugnisse mit sich, welche die Macht der Wunder seien, um den Weg zu ihrer Aufnahme zu bahnen. Die Menschen spürten die Allmacht Gottes in ihr und nähmen sie an. Fehlten diese Wunder, komme List und Täuschung ins Spiel. Mahomet, einer der listigsten Schwindler, die je aufgetreten seien, um eine falsche Religion über die Menschheit zu setzen, und der einzige, der Erfolg damit gehabt habe, habe keine List ausgelassen, die ihm einen Vorteil verschaffen hätte können. Keine dieser Betrügereien finde sich aber im Christentum. 1) Mahomet habe alle Möglichkeiten Armen und Reichen gegenüber genutzt, um ihre Zuneigung zu gewinnen und so für seinen Betrug einzunehmen. Christus und die Apostel hätten aber das Gegenteil getan, alle Menschen von ihren Sünden nur mit Blick auf ihre Mission überzeugt. Statt Harmonie mit den Menschen brachten sie die Welt gegen sich auf. 2) Mahomet habe den arabischen Barbaren ein Gesetz der Wollust und des Krieges gebracht, ihnen viele Frauen, freien Gebrauch der Sklavinnen und Krieg gegen die nicht Dazugehörigen erlaubt. Jesus Christus und die Apostel hätten solches nicht getan, sondern strikt alle Arten von Sünde verboten. 3) Mahomet habe die meisten Riten und Zeremonien wie auch den Tempel in Mekka beibehalten, um den Arabern zu gefallen. Jesus Christus habe Tempel, Gesetz und Opfer der Juden abgeschafft. 4) Mahomet habe seine neuen Gesetze geändert, wenn sie ihm nicht dienlich gewesen seien, wie die Gebetsrichtung („Kebla“) von Jerusalem zurück nach Mekka und die dortige Wallfahrt. Ähnliche Änderungen habe er vielfach vorgenommen, so wie jeder Betrüger es tun müsse. Jesus Christus habe niemals die kleinste Änderung an seinen Lehren vorgenommen. Er und seine Apostel hätten standgehalten, wie gewaltsam die Welt ihnen auch entgegengetreten sei. 5) Im Angesicht des Todes habe Mahomet alles Disputieren über seine Religion verboten, um ihre Torheiten und Absurditäten vor Entdeckung zu schützen, denn diese Religion könne keiner vernünftigen Prüfung standhalten. Christus und die Apostel seien gegenteilig vorgegangen. Das Christentum verbiete nicht das Disputieren, sondern lade vielmehr zur Untersuchung und Prüfung ein. Dies zeige, wie überzeugt seine ersten Lehrer von seiner Wahrheit

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2. Der Erfinder der Religionsbetrügerei – Prideaux’ Life of Mahomet

gewesen seien und dass also ein Betrug gar nicht beabsichtigt gewesen sein konnte. 6) Mahomet habe seinen Betrug unter Unkundigen vorgebracht. In Mekka habe nur ein Mensch Lesen und Schreiben können. Dies habe den Betrug erleichtert. Die Papisten hätten dies neben Mahomet auch verstanden und hielten ihre Leute ebenfalls in Unwissenheit und verdrehten alle, die sie Häretiker schimpften, zu Atheismus und Unglauben, damit sie – nun ohne Religion – wiederum besser vorbereitet seien, ihre römische Religion zu empfangen. „And that there are so many Atheists now among us, it is too well known how much it is owing to this [das Atheismusgeschimpfe der Papisten] their Hellish artifice [List/ Trick] against us.“ (107) Dass es in England so viele Atheisten gebe, erklärt Prideaux also als einen trickreichen Erfolg der Papisten, die Häretiker zu Atheisten stempelten – offenbar bis diese selbst dies glaubten. Jesus und die Apostel seien gegenteilig vorgegangen: Die Juden und die Heiden seien im Gesetz oder in der Idolatrie fest verankert gewesen und ihr Zeitalter habe die Gelehrsamkeit so hoch geschätzt wie sonst keines. Die Menschen seien also niemals weniger empfänglich für eine neue Religion gewesen. Doch das Christentum habe trotz dieser unwilligen und gebildeten Feinde durch seine nackte Wahrheit triumphiert und tue dies durch Gottes Gnade bis heute.

7) Mahomet habe nicht prophezeit, aber Jesus habe Prophezeiungen geäußert, die schon zu seinen Lebzeiten anerkannt gewesen seien. 8. Mahomet habe keine Wunder getan. Prideaux erwähnt seine Gespräche mit dem Engel Gabriel, seine Himmelsreise und die Engelsarmee, die ihm in seinen Schlachten geholfen habe. Allerdings habe sich dies alles nur mit Mahomet selbst als Zeugen hinter dem Vorhang abgespielt. Jesus und die Apostel dagegen hätten öffentlich vor Tausenden Wunder getan. Selbst die Gegner des Christentums hätten lieber die Autorität der Wunder aufgehoben als ihre Wahrheit und Wirklichkeit bestritten und andere als die göttliche Autorität als Urheber angenommen. Prideaux beschreibt hier sehr ausführlich den Charakter wahrer göttlich gewirkter Wunder im Gegensatz zu Erscheinungen aufgrund guter und böser Geister oder falscher Propheten, die als Wunder erscheinen könnten, aber keine göttlichen Wunder seien. Der Teufel versuche, Gottes Wunder zu imitieren. Die Wunder Christi und der Apostel seien nur teilweise von der Art, dass niedrigere Wesen ohne göttliche Autorität sie auch vollbringen könnten. Totenauferweckungen oder die Heilung eines von Geburt an Blinden zum Beispiel, könnten nur von Gott kommen. ad 6. Kein Betrug, der mit vielen Konspiranten geteilt wird, könne lange geheim bleiben. Sei nicht jeder Betrug, von dem man gehört habe, von einem falschen Bruder oder anderen Leuten aufgedeckt worden? Bosheit oder Gefahr seien bei der Einführung einer falschen Religion am größten und würden schnell zu Verrat führen. Dies sei im Christentum aber nicht geschehen. Wenigstens 500 Leute hätten das Geheimnis der Auferstehung des Erlösers geteilt

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(1 Kor 15,6). Keiner habe dies als Verschwörung eines Betruges bezeichnet. Unter den zwölf Aposteln sei ein Verräter gewesen – um wie viel mehr wäre dies unter den 500 Zeugen zu erwarten gewesen? Dieser Hauptartikel der Christlichen Religion sei ja ein Betrug an den Seelen der ganzen Menschheit. Sehr viele der 500 Zeugen hätten sogar Verfolgung und Martyrium erlitten. ad 7. Ein Betrug könne nie ohne Macht und Gewalt etabliert werden. Dies sei Mahomets Methode gewesen, die falsche Religion auszubreiten, die er erfunden habe. Prideaux vergleicht hier wieder mit der römischen Kirche: „And the Romanists have learnt from him to take the same course, as to those Doctrines of Imposture which they have super-added to the Christian Religion.” (131) Sie hätten mit Feuer und Schwert, mit der Macht der Inquisition die Irrtümer eingeführt und bis heute erhalten, die weder Vernunft noch Religion jemals unterstützen könnten. So müsse jeder Betrug vorgehen. Jesus Christus und die Apostel aber hätten die ganze Macht und Gewalt der Welt gegen sich gehabt. Nur die Wahrheit sei auf ihrer Seite gewesen. Nach dreihundert Jahren habe diese den größten Verfolger und Feind, das Römische Reich, besiegt. Hier zeigten sich die Wahrheit und die Hand Gottes. And what but the hand of God himself backing and strengthening it in the conflict, could be sufficient to give it such a victory herein? For that a few poor Fishermen, the Disciples of a Crucified Master, should without power, learning or reputation, or any other of the interests, or favours of the world on their side, be able to introduce a new Religion into the World directly opposite to all the interests, pleasures, and prevailing humours of it, as Christianity then was, and that this Religion in spight of all the powers, cunning, malice, and learning of the World joyned together in most fierce opposition, and bitter persecution against it for three hundred years together should not only bear up, but also at length prevail over the World, and subject the highest powers therein to the obedience of its Laws is an event so strange and wonderfull, and morally speaking so far above the possibility of all ordinary means to bring it to pass, as plainly manifesteth the extraordinary working of God himself herein. And for my part had the Christian Religion no other Miracle to bear witness thereto, this alone would be Miracle enough to me sufficiently to convince me of the truth thereof. At least since it thus entered into the World, and thus became established in it, it must be allowed to be so far differing from an Imposture in that method of violence which that needs for its establishment, as to be totally opposite thereto, and in this particular (as I hope I have shown of all the rest) not to have the least mark or character thereof. (135–137)

Nach diesem abschließenden Plädoyer fasst Prideaux sein Ergebnis noch einmal zusammen. Die Prüfung habe ergeben, „[t]hat our Holy Christian Religion cannot be such an Imposture, as you would have it to be, but really is that sacred truth of God, which you are all bound to believe.“ (137)

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2. Der Erfinder der Religionsbetrügerei – Prideaux’ Life of Mahomet

2.4.8 Die Verbindung des zweiten Letter to the Deists mit dem Life of Mahomet Entscheidend für die Verbindung dieses zweiten Letter to the Deists (der sich in größter Ausführlichkeit mit dem Betrugsvorwurf auseinandersetzt) mit dem Life of Mahomet ist eine abschließende Passage des Textes, in der Prideaux seine Motive benennt. Diese Offenlegung seiner Gründe führt noch einmal deutlich vor Augen, warum Prideaux eine so auffällige Biographie verfasst hat. Dies ist entscheidend für die ursprüngliche Kontextualisierung des Life of Mahomet, das in diversen Übersetzungen und Nachdrucken ohne diesen konkreten Kontext wirksam wurde und das Bild Mahomets mitgeprägt hat. Ursprünglicher Kontext und Rezeption differieren. Die Rezeption der deutschen Fassung des Life of Mahomet lässt sich wohl durchaus im Kontext antiislamischer Polemik oder auch christlicher Apologetik im Angesicht des Islam beschreiben, wie dies Bernd Roling41 und vor ihm andere längst vielfach getan haben. Diese Rezeption scheint allerdings in aller Regel eine innerchristliche bzw. „innerwestliche“ Angelegenheit zu sein, insofern diese Polemiken erzeugt werden, um Gegnern „vor Ort“ zu begegnen. Prideaux’ und anderer Autoren Texte mögen als antiislamisch, islamkritisch oder besser „muhammadkritisch“ eingeschätzt werden, sind polemisch im ˙ Ton und apologetisch in den Argumentationsweisen. Allerdings sind diese Texte deswegen nicht als Apologetiken und Polemiken im Sinne von Streitschriften gegen Muslime aufzufassen. Die Adressaten und die Kontexte dieser Texte sind andere. Es geht nicht um Muhammad, sondern um Mahomet. ˙ Der Kontext von Prideaux’ Life of Mahomet provoziert eine andere Interpretation als die etwas einlinige Charakterisierung als anti-islamische Polemik. Damit soll das negative Mahomet-Bild, das hier gezeichnet wird, nicht übersehen werden. Aber Prideaux’ Life of Mahomet ist kein „anti-islamischer“, sondern ein „anti-deistischer“ Text, der sich eines Mahomet-Bildes bedient bzw. eine umfassende, negative Repräsentation des Propheten als Waffe gegen eine bestimmte Art von Deismus einsetzt, nachdem die positive Übernahme des Ausdrucks „Deismus“ durch Prideaux gescheitert war. Als Leben Mahomets, – das ohne den Brief an die Deisten 1799 in deutscher Sprache erscheint, wird der Text jedoch zu einer Art Anti-Mahomet-Propaganda, die für viele Zwecke verwendbar ist. Diese Rezeption ist darum gesondert zu untersuchen. Sie lässt nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf den englischen Text, seinen Kontext oder seinen Autor zu. Die Repräsentation Mahomets ist zwar – inhaltlich wie sprachlich – mehr als deutlich von einer konsequenten Ablehnung durchzogen, wie sie seit dem Mittelalter in christlicher Literatur zu finden ist. Dennoch ist dieser Text Prideaux’ wie bereits erwähnt nicht einfach als antiislamische Polemik zu bezeichnen, sondern er ist Bestandteil theologischer Apologetik gegenüber 41 Vgl. Roling, Prideaux.

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antichristlichen Betrugsvorwürfen im deistisch-anti-deistischen Diskurs. Entscheidend ist, wie Prideaux begründet, warum er gerade Mahomet gewählt hat, um sich mit dem Betrugsvorwurf der Deisten auseinanderzusetzen: But here, perchance it may be asked, and I think it reasonable to give you satisfaction herein, Why I have set forth unto you an Imposture by so foul a picture as that of Mahomet? And to this I have these two answers to return: 1. Because I have none other to do it by, Mahomet being the only Impostor, who could ever prevail so far, as to establish his Imposture, and make it a standing Religion in the World; and had it not gone so far, it could not have been such an Imposture, as you would have Christianity to be, or at all fit to be compared with it in the Argument now before us. And 2dly. How foul soever the Picture of Mahomet may be, we have no reason from the nature of the thing ever to imagine that any other Impostor can have a fairer, till you bring us an instance thereof. And these two I hope may be sufficient to clear me from acting any way unfairly in this matter, as if I had made choice of the Life of so wicked a person as Mahomet therein to picture out an Imposture unto you only to make it appear in the foulest dress it is capable of, the better to advantage thereby that Cause which I handle.42 (142–143)

Mit anderen Worten: Wenn das Christentum (das Evangelium) ein Betrug sein solle, dann könne dieser Betrug nur mit Mahomet und dessen Betrug verglichen werden. Die Auswahl des Stoffes begründet Prideaux vom deistischen Betrugsvorwurf gegen das Christentum her. Dass Mahomet der größte Betrüger sei, unterliegt in dieser Argumentation keinem Zweifel. Dass er auf diese Weise in Prideaux’ Buch vorgestellt wird, liegt allerdings an dem – aus seiner Sicht ungeheuerlichen – Betrugsvorwurf gegen das Christentum. Die Schärfe in der Repräsentation Mahomets ergibt sich in dieser Perspektive aus den scharfen Konsequenzen, die es hat, wenn man das Evangelium und das Christentum als Betrug bezeichnet. Dieser Mittel bedient sich Humphrey Prideaux zur Verteidigung seines Christentums mit Konsequenzen für das zeitgenössische Mahomet-Bild. Denn nicht sein Beitrag in der deistischen 42 „Hier könnte vielleicht gefragt werden – und ich denke es ist vernünftig euch darin Genugtuung zu geben – warum ich Euch einen Betrug darlege mit einer so widerlichen Darstellung wie der Mohammeds? Darauf habe ich diese zwei Antworten zu geben: 1. Weil ich kein anderes habe, mit dem ich es tun könnte. Mohammed ist der einzige Betrüger, der sich jemals so weit durchsetzen konnte, seinen Betrug zu etablieren und ihn zu einer beständigen Religion in der Welt zu machen; und wenn es nicht so weit gekommen wäre, könnte es nicht so ein Betrug sein, wie ihr das Christentum haben wollt, oder überhaupt dazu taugen, in der Auseinandersetzung, die wir nun vor uns haben, mit ihm verglichen zu werden. Und 2. Wie widerlich auch immer die Darstellung sein mag, wir haben aus dem Wesen der Sache keinen Grund uns jemals vorzustellen, dass irgendein anderer Betrüger eine Gerechtere haben könnte, bis Ihr uns ein Beispiel dafür bringt. Und diese zwei [Argumente], so hoffe ich, können hinreichen, mir [den Vorwurf] zu beseitigen, in dieser Sache irgendwie ungerecht zu handeln, weil ich das Leben einer so boshaften Person wie Mohammed dafür gewählt habe, Euch einen Betrug zu beschreiben, nur um ihn [den Betrug] im dem möglichst verdorbensten Kleid auftreten zu lassen, um dadurch den Vorteil der Sache zu verbessern, die ich befördere.“

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2. Der Erfinder der Religionsbetrügerei – Prideaux’ Life of Mahomet

Debatte, sondern sein Text über Mahomet ist es, der in England und vor allem darüber hinaus wirksam geworden ist. Das lässt sich schon daran ablesen, dass in mehreren späteren englischsprachigen Ausgaben des Life of Mahomet (Glasgow 1795, Philadelphia/USA 1796, Fairhaven/USA 1798) der eben vorgestellte Text nicht enthalten ist.43 Die sehr früh erfolgten französischen Übersetzungen (Amsterdam 1698 und 1699; Paris 1699) sowie die deutsche Fassung (Leipzig 1699) erscheinen als reine Mahomet-Kritik „in the foulest dress it is capable“. Ludwig Holbergs Adaption des Stoffes (dt. 1741)44 geht ebenfalls nur von der Mahomet-Biographie aus. Entstehungskontext und Rezeptionsgeschichte gehen unterschiedliche Wege.

2.4.9 Prideaux’ Auseinandersetzung mit den Unruhen Der Betrüger Mahomet habe eine Religion begründet, die seinen Ehrgeiz und seine Lust befriedigen sollte („ambition and lust“), wie es im englischen Original von Humphrey Prideaux heißt. Auf diese Kurzformel lässt sich die Aussage des Buches bringen. Diese Auffassung ist nicht neu. Prideaux zitiert hier vielmehr Ricoldus de Monte Crucis (ca. 1243–1320) und seine Confutatio Alcorani aus dem 14. Jahrhundert, die übrigens von Martin Luther 1542 auch ins Deutsche übertragen worden war.45 Diesen Rückgriff sieht auch Roling in seinem Beitrag über Koranpolemik im Barock: „Prideaux stand mit dieser Auffassung nicht allein, sie deckt sich mit dem Katalog an Vorhaltungen, der dem Propheten seit dem Mittelalter zuteilgeworden war, doch war er bislang nicht mit solchem Aufwand vorgebracht worden.“46 Es bleibt in dem Beitrag Rolings bei dieser Feststellung. Die konkrete Situation kommt kaum in den Blick. So betrachtet erscheint Prideaux’ Text als eine Art Verlängerung des Mittelalters und seiner ,unaufgeklärten‘, polemischen, jedenfalls ,nicht objektiven‘ Sicht. Der historische Kontext birgt allerdings andere Hinweise. Prideaux hatte seinen zweiten Letter to the Deists und sein Life of Mahomet 1697 zu einer Gesamtveröffentlichung verbunden: The true Nature of Imposture Fully Displayed in the Life of Mahomet. With A Discourse annexed, for the Vindicating of Christianity from this Charge; Offered to the Consideration of the Deists of the present Age. Dieses Buch versah er mit einem ausführlichen Vorwort, in dem er die Situation einschätzt und seine Absicht erläutert. Die große Vorherrschaft des Unglaubens im jetzigen Zeitalter verpflichte jeden, der den Dienst des Evangeliums Jesu Christi tue, sich darum zu bemühen, diesen 43 Vgl. Vorwort, Anm. 50. 44 Vgl. unten Kap. 9. 45 Vgl. Ricoldus de Montecrucis Confutatio Alcorani (1300). Kommentierte lateinisch-deutsche Textausgabe von Johannes Ehmann, Würzburg/Altenberge 1999. 46 Roling, Prideaux, S. 68.

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Zustand zu beenden. Dass er in gewisser Hinsicht selbst seinen Teil dazu beitrage, bezeichnet Prideaux als hinreichend, um diese Publikation zu rechtfertigen. Er betrachte sie als Gegengift gegen die derzeitigen Unruhen. And if I can hereby avail any thing with those who have cast off Christianity as an Imposture, to make them see the error of their Apostacy, I shall then obtain the full end I propose; If not, at least I shall discharge my Conscience, and my Duty, in doing the best I can in order therto. (ii)

Zu viele, besonders Jüngere, neigten dazu, dem zu folgen, was in Mode („in fashion and vogue“) sei und ohne weitere Überlegung in diesem vornehmen Kleid in ihrer Gesellschaft zu erscheinen. And therefore that kind of Infidelity, which is called Deism, being of late impiously patronized by too many of those who govern the Humours of the Times, abundance of this sort unthinking People, have merely, out of compliance with them, run in thereto, and confidently take upon them to call Christianity a Cheat, and am Imposture, without ever having considered what an Imposture is, or wether any of the Marks and Properties thereof can possibly agree with this Holy Religion or no. (iii)

Man solle sehen, wessen man das Christentum beschuldige. Dazu diene das im Folgenden geschilderte Leben des berühmten Betrügers Mahomet, der auf beiden Seiten als solcher angesehen werde sowie auch der angehängte Discourse, der zeige, dass keines der Kennzeichen, die auf Mahomet zuträfen, dem Christentum entgegengehalten werden könnte. „[…] I hope I have taken the properest method of coming home to the Consciences of those to whom I write.“ (iv) Prideaux schreibt also vornehmlich für junge Leute, deren Leugnung des Christentums in Form einer Betrugshypothese er als eine gedankenlose Modeerscheinung bezeichnet. Er appelliert mit den zwei Texten an ihr Gewissen. Um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, Mahomets Leben in ungerechtfertigter Weise zu schildern, habe Prideaux seine Autoritäten in den Randglossen und am Ende des Buches aufgeführt. Prideaux präsentiert und kommentiert seine Quellen und Autoren im Anhang, darunter 27 arabische, fünf hebräische bzw. chaldäische, 20 griechische, 32 alte und neue lateinische Autoren sowie drei englische und einen französischen. Die Auflistung der Quellen im Anhang fehlt in der deutschen Übersetzung, die Verweise werden allerdings beibehalten.47 Die Funktion der Zitate bzw. Verweise auf Literatur ist also, den Gewissenstext an junge Leute mit Sachlichkeitsbezug und Autorität zu untermauern. Das Gewicht liegt allerdings ganz offensichtlich nicht auf der Präsentation neuester Forschungsergebnisse zum Leben Mahomets, sondern darauf, diese Biographie in den laufenden Religionsdebatten einzusetzen. Um allen Verdacht zu beseitigen, erwähnt Prideaux noch, dass der publizierte Text eigentlich in einer anderen Absicht geschrieben worden sei. 47 Vgl. dazu auch die Bemerkungen oben in Abschnitt 2.2.1.

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And that I may the more remove all suspicion of this matter, I think it requisite to acquaint you, That altho at present I have adapted the Life of Mahomet to this purpose; yet it was not originally designed for it; it being, when I first wrote it, only the interspersed Parts of one Chapter of a much larger Work, which I intended for the Publick, viz. The History of the Ruin of the Eastern Church; which beginning from the Death of the Emperor Mauricius, Anno Dom. 602. was designed to have been brought down to the full of the Saracen Empire, which happen’d Anno Dom. 936. when the Governors of Provinces under the Caliph, usurping the sovereign Authority, each in their several Districts, did put an end to that large and formidable Emipre, by dividing it among them. (v–vi.)

Prideaux veröffentlichte hier also nur Teile eines Kapitels aus einem größeren Werk über die östlichen Kirchen. Er benennt ausführlicher die Gründe, die ihn dazu bewogen hatten, eine Geschichte des östlichen Christentums zu schreiben. Seine Einschätzung der östlichen Kirchen – der einstmals „most flourishing [Churches] of the whole Earth“ (vii) – fällt dabei äußerst negativ aus: For they having drawn the abstrusest Niceties into Controversy, which were of little or no moment to that which is the chief end of our Holy Christian Religion, and divided and subdivided about them into endless Schisms and Contentions, did thereby so destroy that Peace, Love, and Charity from among them, which the Gospel was given to promote, and instead thereof continually provoked each other to that Malice, Rancour, and every evil Work, that they lost the whole Susbtance of their Religion, while they thus eagerly contended for their own Imaginations concerning it, and in a manner drove Christianity quite out of the World by those Controversies in which they disputed with each other about it. So that at length having wearied the patience and long-suffering of God, in thus turning this Holy Religion into a Firebrand of Hell for Contention, Strife, and Violence among them, which was given them out of his infinite Mercy to the quite contrary end for the Salvation of their Souls, by living Holily, Righteously, and Justly in this present World, he raised up the Saracens to be the Instruments of his Wrath to punish them for it; who taking advantage of the Weakness of Power, and the Distractions of Councils, which these Divisions had caused among them, soon over-run with a terrible devastation all the Eastern Provinces of the Roman Empire. (vii–viii)

Die Sarazenen hätten ihre Tyrannei über diese Christen errichtet, ihre Kirchen in Moscheen verwandelt und ihren Gottesdienst in scheußlichen Aberglauben. Prideaux beschreibt die Sarazenen als Strafe Gottes und legt dies auch noch aus. Anstelle der von ihnen missbrauchten heiligen Religion hätten die Sarazenen den östlichen Christen den abscheulichen Betrug des Mahometism aufgezwungen, der Krieg, Blutvergießen und Gewalt in Religionsdingen als Haupttugenden vorschreibe. In Wahrheit wäre dies jenen Christen angemessen gewesen, die zuvor durch ihre Schismen und Streitigkeiten alle ihre Religion beseitigt hatten. Einige ihrer zuvor größten Verteidiger des Christentums seien dann die ersten Apostaten gewesen, und sie, „who would not afore

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part with a Nicety, an abstruse Notion, or an unreasonable Scruple, for the Peace of the Church, were soon brought by the Sword at their throats to give up the whole in compliance to the pleasure of a Babarous and Savage Conqueror.“ (ix) Die einst glanzvollen und blühendsten Kirchen seien für ihre Bosheit bestraft worden. Sie seien plötzlich so fürchterlich zerstört worden und bis heute ein Beispiel und eine Warnung für andere vor der Bosheit der Trennung und Teilung. I said Memento to us; for of all Christian Churches now remaining in the World, Which is there that hath no more reason than we at this present, to learn instruction from this Example, and take warning therefrom? For are not our Divisions now brought to much the same height with theirs, which drew down from the just hand of God this terrible destruction upon them; when men making no conscience of breaking the publick peace of the Church, divide and subdivide from it into endless Factions, Schisms, and Contentions, about their own Imaginations? (xi)

Für Prideaux verbindet sich die Sicht auf die Kirchengeschichte direkt mit seiner zeitgenössischen Situation. Hier zeigt sich am deutlichsten sein Kontext: Have we not reason to fear, that God in the same manner raise up some Mahomet against us for our utter confusion; and when we cannot be contended with that blessed Establishment of Divine Worship and Truth, which he hath in so great purity given unto us, permit the Wicked One by some other such Instrument to overwhelm us instead thereof with his foulest Delusions? And by what the Socinian, the Quaker, and the Deist begin to advance in this Land, we may have reason to fear, that Wrath hath some time since gone forth from the Lord for the punishment of these our Inquities and Gainsayings, and that the Plague is already begun among us. (xiii–xiv)

Darum sollte man vollständig sehen, wohin diese Dummheiten führten, man solle sich ändern. Dies sei der Grund, der Prideaux dazu gebracht habe, die Veröffentlichung der Geschichte zu konzipieren, „wherein my purpose was to give an account first of the Controversies which miserably divided those Eastern Churches and then of that grievous Calamity and Ruin which hapned to them thereupon trough that deluge of Mahometan Tyranny and Delusion“ (xiv–xv). Denn der menschliche Geist werde eher durch Beispiele als durch Prinzipien oder Ermahnungen beeinflusst. Die Dummheiten der alten östlichen Kirchen, unter denen sie noch heute zu leiden hätten, hätten dazu dienen sollen, die derzeit streitenden Parteien wachzurütteln. Sie sollten dazu beitragen, den Frieden wiederherzustellen – das sei Prideaux’ ursprüngliche Absicht gewesen. Während er aber an der Sammlung und Ordnung dieses Materials arbeitete, hätten ihn die Auseinandersetzungen bzw. Unruhen über die Trinitätslehre dazu bewogen, den Stift wieder aus der Hand zu legen und das Werk abzubrechen. Denn die ausführliche Darstellung dieser alten Kontroversen würde

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2. Der Erfinder der Religionsbetrügerei – Prideaux’ Life of Mahomet

den Atheisten, Deisten und Sozinianern in die Hände gespielt haben. Der Streit über die zwei bleibenden großen Mysterien des Christentums (Trinitätslehre und Hypostasenlehre) habe den Ruin der östlichen Kirchen verursacht und für die zeitgenössischen trinitarischen Streitigkeiten habe Prideaux damit kein Material liefern wollen. Er habe nur den Teil, der mit dem Leben Mahomets zusammenhängt – zusammengezogen aus dem entsprechenden Kapitel und verbunden mit anderen Dingen – hier publiziert. Der angefügte Discourse sei nur an diejenigen Deisten gerichtet, die gemäß Blounts Beschreibung an der Vorsehung und künftigen Belohnungen und Strafen und damit an den Prinzipien der natürlichen Religion und der Vernunft festhielten. Atheisten und epikureische Deisten ließen dagegen keinen Raum für irgendein Argument außer der Peitsche. Besides, if you will know the true Reason which induceth the Atheist to deny the Being of God, and the Epicurean Deist his Government over us; it is that they may give themselves up, without fear of future Judgment, to all those Bestial Enjoyments of Lust and Sensuality which their corrupt Hearts carry them after; and therefore it not being the Reason of the Man, but the Brutal Appetite of the Beast that makes them such, they deserve no otherwise than as Beasts to be treated by us; and for this Reason, as I write not to them, so I desire to be understood to have nothing to do with them. (xx)

Schuld an der zeitgenössischen Misere, so scheint es, sind für Prideaux eigentlich die östlichen Christen, die er in der Beschreibung seiner ursprünglichen Publikationspläne hart beurteilt. Sie hätten die christliche Religion durch abstruse Streitereien in ihr höllisches Gegenteil verkehrt und damit das Licht so weit verdunkelt, dass Mahomet als Strafe Gottes einen bis heute auch über sie herrschenden Betrug veranstaltete; einen Betrug, den ungläubige Zeitgenossen Prideaux’ nunmehr dem wahren Christentum vorwarfen. Diesen Zeitgenossen wollte Prideaux ursprünglich eine Geschichte des östlichen Christentums vorlegen. Um aber angesichts der Unruhen um die Trinitätsund Hypostasenlehre nicht auch noch kirchengeschichtliches Material für diese Auseinandersetzungen zu liefern, das ausführlich die Streitigkeiten vorstelle, habe er sich entschlossen, die Arbeit abzubrechen und nur das Leben Mahomets zu veröffentlichen, das er als Mittel gegen deistische Betrugsvorwürfe einsetzt, die seiner Angabe nach vor allem unter jüngeren Leuten kursierten.

2.5 Vergleich der Kontexte: England ist nicht Deutschland Warum Prideaux diesen apologetischen Aufwand für nötig hielt, sollte mit Hilfe des Kontextes deutlich geworden sein. Das Aufgreifen alter Polemik gegen Mahomet in Verbindung mit neuen orientalistischen Einsichten ist kein

2.5 Vergleich der Kontexte: England ist nicht Deutschland

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Zufall. Das Werk ist nicht „hybride“, keine „Chimäre“,48 es ist vielmehr Teil einer Streitschrift gegen Angriffe auf die Basis des Christentums, gegen Angriffe auf ,das Evangelium‘ um 1700 in England.49 Deutschsprachige Texte des 18. Jahrhunderts, die Gegenstand der Untersuchung sind, kolportieren derartige Positionen zustimmend und auch ablehnend. Hier findet sich allerdings eine andere Situation. Während die britischen Inseln von den Auseinandersetzungen zwischen Anglikanern, Katholiken, Dissenters und Deisten geprägt sind und in den reformierten Niederlanden gegen die Habsburger der Leitspruch „Liever Turks dan Paaps“50 gilt, sind einige deutsche Staaten immer wieder mit dem Osmanischen Reich beschäftigt. Der Kontext ist ein anderer, die Texte sind es auch. Prideaux’ Leben Mahomets wird mit der deutschen Übersetzung völlig seinem Kontext in England entzogen. Weder die deistischen Auseinandersetzungen noch der Rückgriff auf die trinitarischen und christologischen Streitigkeiten der östlichen Kirchen oder ihre Verlaufs- und Untergangsgeschichte spielen eine Rolle.51 Prideaux’ True Nature of Imposture mutiert hier von einer christlich-theologischen Streitschrift zu einem davon losgelösten Anti-Mahomet-Buch.52 Das ist ein neuer Text! Deutsche Übersetzungen aus englischen, französischen oder anderen fremdsprachigen Publikationen sind – einer solchen Einsicht entsprechend – neu kontextualisiert. In Deutschland erscheint das Buch im Jahr 1699, am Ende des „Großen Türkenkrieges“ (1683–1699), zusammen mit einer Ausgabe des Constantinopolitan- oder Türckischen Kirchen-Staats bei Thomas Fritsch in Leipzig und steht in diesem Kontext (s. o.). Diese Mahomet-Darstellung Prideaux’ gerinnt hier gewissermaßen auch zu einer Chiffre für die gerade besiegten Türken. Dass die Debatte in England ganz anders verlief, zeigt abschließend der folgende Exkurs.

48 Roling, Prideaux, S. 65. 49 So auch ein knapper Hinweis bei Rehrmann, Ehrenthron, S. 25. 50 J. van Ammersfort/W.J. van Asselt, Liever Turks dan Paaps? De visies van Johannes Coccejus, Gisbertus Voetius en Adrianus Relandus op de islam, Zoetermeer 1997 (Missiologisch Onderzoek in Nederland 17). 51 Erst mehr als 75 Jahre später werden in Deutschland Diskussionen geführt werden, die dem Gegenstand entsprechen, der Prideaux hier umtreibt (s. u.). 52 So ist Prideaux der einzige Name, der noch 1773 von Friedrich Eberhard Boysen in seiner Vorrede zur deutschen Koranübersetzung erwähnt wird: „Prideaux hat in dem Leben Muhammeds die gröbsten Unwahrheiten niedergeschrieben, und sowol den Charakter des Religionsstifters verunglimpft, als auch sein Lehrgebäude verkehrt vorgestellt.“ Friedrich Eberhard Boysen, Der Koran, oder das Gesetz für die Muselmänner, Halle 1773, S. 13.

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2. Der Erfinder der Religionsbetrügerei – Prideaux’ Life of Mahomet

2.6 Exkurs: Eine englische Streitschrift gegen Prideaux: A Defence of Mahomet Die hier zu erwähnende Streitschrift gegen Prideaux zeigt diesen anderen, englischen Kontext noch einmal deutlich auf. In London erschien 1720 eine Sammlung älterer, nicht datierter Texte unter dem Titel: Miscellanea Aurea: or the Golden medley.53 Diese Sammlung enthält einen ,Anti-Prideaux‘, wie aus dem Vorwort hervorgeht. And I flatter my self, that in the great Variety which this Volume contains, there will be something that may prove an Amusement to every Reader. This I am sure of, that no one will be able to charge me with committing to Print any thing contrary to good Manners, Modesty or Religion. The only thing that I have the least Apprehension can have any Appearance of Offence, is the Translation out of Arabick; and yet upon the Perusal the Reader will find, that there is nothing in it derogatory of the Christian Religion, but on the contrary a great Deference perpetually paid to the Divine Precepts of the Gospel; and that no where through the whole Discourse the Author pretends to prove the Divine Mission of Mahomet, or that he was a Prophet of God, any farther than by a Confutation of a particular Author, who had written against him. This Author seems to be Dr. Prideaux in his Life of Mahomet; at least it is certain, the Translator takes it to be that, since he has quoted his very Words in his Translation [.] It is true indeed, that the Arabian reproaches the modern Christians of Europe with a scandalous Neglect in their Practice of the Divine Precepts of the Gospel: But that is a Truth too evident to suffer us to condemn him for asserting what we ourselves cannot deny. –Pudet hæc opprobia nobis Et dici posse, & non potuisse refelli. (A5r–A5v)

Interessanterweise schließt dieses Vorwort mit demselben Ovid-Zitat, das auch William Nicholls verwendet hatte: Ich schäme mich, dass uns diese Vor53 Miscellanea Aurea or the Golden medley. Consisting of I. AVoyage to the Mountains of the Moon under the Æquator, or Parnassus reform’d. II. The Fortunate Shipwreck, or a Description of New Athens, being an Account of the Laws, Manners, Religion, and Customs of that Country; by Morris Williams, Gent. who resided there above Twenty Years. III. Alberoni, or a Vindication of that Cardinal. IV. The Secret History of the Amours of Don Alonzo, Duke of Lerma, Grandee of Spain. V. The Garden of Adonis, or Love to no purpose; being above Twenty Copies of Verses and Love-Letters, by a Lady. VI. Mahomet no Impostor, written in Arabick by Abdulla Mahumed Omar. VII. An Account of Bad and Good Women, Ancient and Modern. Among which is the Story of the Spartan Dame, the Subject of Mr. Southern’s Play. With several other Epistolary Essays in Prose and Verse By Mr. Milton, the Lady W-, Mr. Philips, Mr. Killegrew, Author of the Chit Chat, and several others. London. Printed for A. Bettesworth in Pater-Noster-Row, and J. Pemberton in Fleet-street. MDCCXX.

2.6 Exkurs: Eine englische Streitschrift gegen Prideaux

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würfe gemacht werden können und dass sie nicht abgewehrt werden können. (Ovid, Metamorphosen, 1.758) Mahomet no Impostor findet sich als fünfter Brief54 unter dem Titel: Letter V. A Defence of Mahomet. A Paradox. Nil tam difficile, tamque occultum, quod non dicendo fiat Probabile. Abdullah Mahumed Omar to Eben Mecca, Health, the 15th of the Month Moharram, in the Year of the Hegera 1094. […] and I can’t but think that our Arabians have done wisely in not translating the Books of other Nations into our Language, at least, that what they have done in this kind, is contain’d in a very small Compass. The Book which you sent me by the faithful Caleb, against our great Prophet, confirms me in this Opinion; and I must needs tell thee, that you might have better employ’d your Hours, than in translating it into Arabick. It is no new Matter to find a ft hen Author railing at the great Prophet, and heaping together a company of false and scandalous Reflections, to render him and his Religion odious to their own People. The Author you send me, indeed, seems much the most fair and candid Enemy that I have met with among them; he has, to my Hands, confuted the lying Narrations of most of those who before him have written on the Life of Mahomet; but yet there remains so much Rancour drest up in abundance of Falshood, that I can’t help sending you a few cursory Reflections upon what he has ft he’d; for a full Answer to every Particular of his two Tracts would take up too much Time. If ever you fall into Company with the Author, who you tell me is still alive, I would have you, as far as you dare venture in that Country, to urge to him what I shall here offer. That Author is very much to be suspected of Falsehood, who lays his Foundation on such Facts, the Truth of which it was impossible for him ever to come at a certain Knowledge of; but when such an Author becomes very particular in the most minute Circumstances of Things not capable of being known, it is an evident Demonstration, that Truth is the least of his Care. The Author you send me is of this kind, and makes it his Business to pick up a company of Stories, equally foolish and scandalous, from the ignorant Enemies of the great Mahomet, whom he represents as a most sagacious and cunning Person, and not therefore likely to expose either his Design or his Defects to such as could or would make use of them to prejudice that illustrious Character, which, as this Author contends, was his Aim to establish of himself in the World [.]

Wie könne der Autor (im folgenden „Prideaux“) denn an seine Informationen gekommen sein, z. B. über die privaten Unterredungen zwischen Mahomet und seiner Frau? Statt einen Betrug Mahomets zu beweisen zeige Prideaux seine eigene Fälschung oder wenigstens die Falschheit seiner Informationen, 54 Ebd., S. 165–188.

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2. Der Erfinder der Religionsbetrügerei – Prideaux’ Life of Mahomet

die entweder von einem Freund oder von einem Feind stammen müssten. Ein Freund würde derartiges nie überliefern, bei einem Feind müsse man zeigen, wie er an diese Informationen gekommen sein könnte. Diese Quelle müsse entweder Muslim („Musselman“) oder Renegat („Renegado“) sein. Ein Gläubiger aber würde derartiges nie über den Propheten sagen und einem Renegaten sei grundsätzlich zu misstrauen, „such Men generally endeavour to make themselves agreeable to those to whose Religion they are Converts, by blackning those whose Religion they have forsaken“ (168). Das gleiche ließe sich gegen die Aussage vorbringen, der Koran sei mit Hilfe des christlichen Mönches Bahira und des persischen Juden Abdollah Ebn Salem verfasst. Die „Excellence“ der arabischen Sprache könne kaum von zwei Fremden stammen. Verdienste würden immer Feinde hervorbringen und darum sei es kein Wunder, dass Mahomet Feinde in Mekka gehabt habe wie auch Jesus in Jerusalem. Der Autor wolle sich auf den Betrugsvorwurf konzentrieren, „that is, of delivering a new Religion prejudicial to Mankind, as the Revelation of God, which was yet his own Invention, to promote and gratify his Ambition and Lust; for this is the Sum of the Charge brought against him by this Author“ (169). Prideaux gehe dabei aber von seinem eigenen Standpunkt aus: der Monogamie, während in anderen Zusammenhängen, ja sogar im Alten Testament die Polygamie der Normalfall gewesen sei. Neben dem Unterschied zwischen nördlichen und südlichen Verhältnissen (Männerüberschuss in nördlichen, Frauenüberschuss in südlichen Ländern) wird auch auf das Alte Testament, u. a. auf Davids Frauen verwiesen. Whether Mahomet were really a Prophet or not, I shall not in this Place examine; that will best appear by the great End of this Undertaking, and the wonderful Accomplishments thereof; for it will be a difficult Matter to conceive how a Man, from a private Station, in spight of all the Opposition he met with, should arrive at that great and indisputable Power of uniting a divided nation, compos’d of distinct Governments, into one Body; and of overturning and extirpating that false idolatrous Religion, which prevail’d in all the East Parts, at his Appearance, without allowing that his Actions were conducted by a particular Indulgence and Care of Providence itself. (172)

Mitten in der Dunkelheit der Idolatrie sei Mahomet der erste, der entweder durch besondere Stärke seiner Vernunft oder eine besondere Inspiration vom Himmel zur Erkenntnis des einen ewigen Gottes, dem Schöpfer aller Dinge, dem allein unsere Anbetung gebühre, gelangt sei. Was habe er nun gegen die Idolatrie seiner Landsleute tun können? Die Erfahrung habe gezeigt, dass nur wenig Hoffnung auf Rettung durch die äthiopischen oder die wenigen arabischen Christen zu erwarten gewesen sei, die unter ihnen siedelten: and, indeed, their Lives and Conversations, and those Pagan Corruptions and Superstitions, which they had receiv’d into their Faith, together with the Divisions

2.6 Exkurs: Eine englische Streitschrift gegen Prideaux

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that reign’d among them, and render’d their Religion so uncertain, and often contradictory, made them the most unfit People in the World for such an Undertaking, and had drawn upon them the Contempt of the Idolaters; and where there is Contempt, there can never be an Influence strong enough to produce or bring about so great a Work. All Hopes therefore being cut off from their neighbouring Christians, Mahomet must either have given over his strong Desire of rescuing his beloved People and Countrymen, or be oblig’d to seek among the remoter Christians for Relief. (173)

In dieser Zeit habe Mahomet sich von Bahira in die Lehren von Jesus Christus einführen lassen, die er immer als göttlich hoch geschätzt habe. Die beigemischten heidnischen Vorstellungen hätten aber zu verschiedenen Lehren geführt, die das Christentum in Parteien und Fraktionen spalteten, „that each Side gave the contrary ft he Devil“ (174). Mahomet hätte gar nicht wissen können, welcher christlichen Partei er sich mit der in dieser Sache nötigen Sicherheit hätte anschließen sollen; „the only means he had left, was to make choice ft he moral Doctrines of Jesus Christ; and recommend them to his People, in such a manner as might make them agreeable unto them.“ (174) Der anonyme Autor zitiert Prideaux’ Aussage, dass Mahomet, der neun Schüler gehabt habe, mit 44 Jahren begonnen habe, seinen Betrug öffentlich zu verbreiten und sich selbst als von Gott gesandten Propheten auszugeben, sie vom Irrtum des Heidentums abzubringen und sie die wahre Religion zu lehren. Die erste von ihm propagierte Lehre sei die von dem einen Gott gewesen, der allein zu verehren sei. Alle Götzenbilder und der Götzendienst seien endgültig abzuschaffen. Wer Gott Söhne oder Töchter beigeselle, sei zu verabscheuen. Mahomets Grundlehre könne kein Betrug sein. Before I come to this first Doctrine itself, I can’t but take Notice of the Word Imposture; by which, I suppose, he means a Falshood or Forgery, which Mahomet advanc’d for Truth. But he very oddly gives this for an Instance of the Forgery, that the great Prophet establish’d for his first Principle the Unity of Godhead. And does this Christian Declaimer against Mahometism really think this Principle a Forgery? if so, he is rather an Advocate for Polytheism, and not for Jesus Christ, who preach’d, that there was but one God as well as Mahomet; so blind has his Zeal against us made him. But perhaps he may say, that the Word Imposture relates to his Pretensions of being a Prophet sent from God to abolish Idolatry; but whether Mahomet was a Prophet, I shall not in this Place dispute; yet sure I am, that the abolishing Idolatry, and the setting up the Worship of the one true God, among a People lost in the first, and unknowing of the latter, was an Errand worthy of a Mission from Heaven. I am likewise sure, that Mahomet did establish the Worship of one God amongst us, and so effectually abolish’d Idolatry in these Parts, that it has never risen again in any Shape amongst us for above one thousand Years; whereas Idolatry so soon got footing again among the Christians, that the prevailing Part of them condemn’d the Iconoclasts as

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2. Der Erfinder der Religionsbetrügerei – Prideaux’ Life of Mahomet

Hereticks, only for breaking or destroying the Idols that were crept into the Christian Churches.55 (175–176)

Der grundlegende Punkt aller Religion werde, trotz aller auf diesem Fundament errichteten Falschheiten auch von den Feinden als ewige Wahrheit anerkannt. Die anderen Teile der Lehre Mahomets bestünden aus den moralischen Pflichten für das Zusammenleben und seien „enforc’d with a wonderful Warmth thro’ the whole Alcoran“ (176), oft eingekleidet in Parabeln und Allegorien nach dem Geschmack der Araber. Dies hätten auch die größten Feinde, z. T. Nachbarn des Autors, anerkannt. Metaphern, Gleichnisse und Fiktionen fänden sich im Koran, den Mahomet bewusst in dieser Sprache angelegt habe. Wenn Prideaux dies gewusst hätte, würde er nicht so eine Aufregung um Mahomets Himmelsreise veranstaltet haben, denn diese sei eine auf diese Weise leicht erklärbare Allegorie. Der unbekannte englische Autor streift das Problem der wörtlichen Auffassung auf muslimischer wie christlicher Seite (Christus als Tür, als Weg). Durch das Verwerfen der Metapher in der Rede vom Leib und Blut Christi in Brot und Wein, sei die berüchtigtste Abgötterei entstanden, wie der Autor selbst zugebe. Also sollte man durch allegorisches und metaphorisches Verständnis die Schwierigkeiten und scheinbaren Absurditäten lösen, die dem anderen System vorgeworfen werden könnten. Was verstehe Prideaux wohl unter „Religion“? Bestimmte kultische Formen und Zeremonien oder die Verehrung selbst und die Pflichten, die von ihr abhängen? Die erste Variante würde Mose und Christi Religion und jede christliche Partei zu einer neuen Religion erklären. Sogar der römische Teil des Christentums bestünde aus zwei Religionen, weil die Messe der Dominikaner sich von der des restlichen Klerus unterscheide. Wenn aber nur das eine neue Religion sein solle, was sich von früherer Religion im Objekt der Verehrung und den damit auferlegten moralischen Pflichten unterscheide, dann sei weder die Religion Mose, noch Jesu Christi noch Mahomets neu. Mahomet, wie auch Jesus und Mose sagten die Wahrheit, wenn sie nicht als Stifter einer neuen, sondern als Erneuerer der alten Religion auftraten; „I am really of [that] Opinion, that not only Mahomet, but Jesus Christ and Moses also were sent from God for the Benefit of Mankind“ (181). Mose sei zu den Israeliten gesandt worden. Die Apostel hätten anfänglich an der Predigt unter den Heiden gezweifelt. Sobald die christliche Religion am Hof etabliert war, habe sie sehr wenig von der Reinheit und Einfachheit behalten, die in den Evangelien so erkennbar ist. Pride, Ambition, Avarice, Feuds and Factions, divided the Teachers of it, and immortal Wars were commenc’d by the Pens of the Writers of all Sides, that true Religion was soon forgot; and the Propagation of it remain’d chiefly in the Emperors, by excluding all from Places of Profit or Trust thro’ their vast Dominions, but such as 55 Diese Argumente werden erst nach Lessings Fragmentenpublikationen der 1770er-Jahre öffentlich diskutiert.

2.6 Exkurs: Eine englische Streitschrift gegen Prideaux

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were Christians. Thus for two hundred Years longer their Confusions and Divisions increased, and will never be ended, till some other great Prophet appear among ‘em, who may put an End to their Disputes, and unite all Parties. (182)

Zur selben Zeit, im 6. Jh., sei Mahomet aufgetreten, habe seine Religion begründet und den Götzendienst aus großen Teilen Asiens, Afrikas und Europas vertrieben, wo bis heute der eine wahre Gott verehrt werde. „And I am of Opinion, that there will other Prophets arise in other Parts of the World, who shall destroy what remains of Idolatry upon the Face of the Earth.“ (182 f) Der anonyme Autor des Anti-Prideaux erwartet also neue Propheten des einen Gottes.56 Weiterhin sei das Christentum nicht in so einer ungebildeten Wüste wie Arabien entstanden, wie Prideaux meine, sondern in Jerusalem, in der Römischen Provinz Judäa. Der unbekannte Autor bezweifelt ausführlich, dass Judäa römische Provinz war. Die Römer hätten dieses Land kaum gekannt (Justin). Er unterschlägt allerdings Prideaux’ Argument, dass die Apostel und ihre Nachfolger in Rom und Athen aufgetreten waren/seien und niemand ihnen Schlechtes nachgesagt habe.57 Prideaux unterstelle dem Volk von Mekka Atheismus und Ablehnung aller Religion. Dies sei ein fader Widerspruch zum Common Sense, and it is as much as to say, That those who are most against us, are most for us; that those who have no Faith at all, should be the most likely to be credulous; and that those should believe the Rewards and Punishments hereafter, who did not belief [in] any Hereafter at all; that those should credit Mahomet’s Assurance of his being sent by God, who did not so much as believe a God. (185)

Weiterhin zitiert der Autor Prideaux’ Argument gegen den Koran, dass dieser zur Verbreitung der Religion – im Gegensatz zur Lehre des Evangeliums – Krieg und Vernichtung der Feinde vorschreibe. „I might ask him indeed for what it might be done with greater Justice? I suppose he does not contend, that all Manner of War betwixt Princes is unlawful, and against the Gospel; if that be his Opinion, let him convince his Christians of it first, who are almost always at War with one another.“ (185) Was Gott einmal geboten habe, könne zu keiner Zeit Unrecht werden. Er habe Israel geboten, die Völker Kanaans wegen ihres Götzendienstes auszurotten und habe wunderhaft daran mitgewirkt. Sei Saul nicht die Krone versagt worden, weil er Agag verschont hatte? Sei Götzendienst damals hassenswürdiger für Gott gewesen als heute oder zu Mahomets Zeiten? Im Evangelium finde sich dergleichen nicht. Es habe aber auch keine Veranlas56 Hier zeigt sich wohl eine antitrinitarische oder unitarische, jedenfalls eine theologiekritische Position. 57 Dieses Argument, bespricht Prideaux im betreffenden Kontext (zweiter Abschnitt des Letters to the Deists).

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2. Der Erfinder der Religionsbetrügerei – Prideaux’ Life of Mahomet

sung dafür gegeben, denn seinen Hörern sei keine Macht versprochen gewesen. Ihre Waffen waren nur Gebet und fester Glaube: Man was invited into the Gospel, but he refus’d the Invitation; and therefore Mahomet came with Power to force Men into his Religion, which seems to be foretold in the Parable of the Marriage-Feast, to which the invited Guests did not come; and therefore the Master of the Feast orders his Servants to go out, and force in the Passengers, the Blind and the Lame, till his Table was full. Mahomet was in this foretold, and was one of the Servants sent out to force in the Blind and the Lame; that is, the Idolaters, into the House of God, the heavenly Bridegroom. (186)

Prideaux werde antworten, dass dies die Überlegenheit der Moral des Evangeliums über den Koran zeige. „Suppose I grant this, I cannot see what Advantage that would be to any of the present Christians.“ (186) Die heutigen Christen hätten dieses Buch, könnten oder wollten seine Moral aber nicht praktizieren. Wenn sie es nicht könnten, erklärten sie diese Moral für reine Spekulation, die nicht praktiziert werden könne – was tatsächlich Gott anklage, weil er dem Menschen Gesetze vorschreibe, die der Natur des Menschen nicht entsprächen. Wenn sie nicht wollten, wiesen sie das von Gott gesandte Evangelium geradezu zurück. An Impiety that, I hope, no true Musselman will ever be guilty of. That the present Christians are not the Disciples of Christ, tho’ they usurp his Name, is plain from the Mark that Christ gives of his Disciples; By this shall all Men know that ye are my Disciples, if ye love one another. Now, in all the twenty Years that I formerly spent among the Infidels in Europe, I never could find this Mark, even in any one of the Teachers of the Christians; Pride, Ambition, Avarice, Revenge, Calumny, Detraction, Envy and Malice, run tro’ the whole Sect: They are all warm and hot about speculative Points in which they will never agree, but all remiss and cold in the Duties of Action, tho’ they all agree in them. And here I take my Leave of this Author, notwithstanding there are many things remaining, which are very disputable, tho’ he pronounces all certain and undoubted. (187)

Seine Quellen bzw. Autoren habe er nicht zitiert, meint der unbekannte englische Verfasser, weil er, zurück im glücklichen Klima Arabiens, aus dem Gedächtnis habe zitieren müssen. Dieser Brief muss zwischen 1697 und 1720 gegen eine der vielen Ausgaben des Letter to the Deists (incl. Life Of Mahomet) verfasst worden sein. Hier erscheinen Argumente und Hinsichten, die sich in der deutschen zeitgenössischen Debatte nicht finden.

2.7 Bilanz des Vergleichs der Kontexte Die Rekonstruktion des englischen Kontextes und der Vergleich mit dem deutschen Kontext zeigen, dass sich die Zusammenhänge stark unterscheiden.

2.7 Bilanz des Vergleichs der Kontexte

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Während The Life of Mahomet in England in der Auseinandersetzung mit dem Deismus konzipiert ist und zusammen mit dem (zweiten) Letter to the Deists wirksam wird (vgl. z. B. den Anti-Prideaux im Exkurs), wird der deutsche Text – Das Leben Mahomets – dieser Aktualität in England durch das Weglassen des Briefes an die Deisten entkleidet. Dass die Veröffentlichung 1699 bei Thomas Fritsch zeitnah zu einer Ausgabe des Constantinopolitan- Oder Türckischen Kirchen-Staats erfolgt, verdeutlicht diesen kurfürstlich-sächsischen und königlich-polnischen, vom Sieg über das Osmanische Reich 1699 gekennzeichneten Zusammenhang. In Deutschland wird Prideaux’ Buch über lange Zeit immer wieder in den unterschiedlichsten Zusammenhängen zitiert. Der Letter to the Deists spielt dagegen in diesem Zusammenhang im ganzen 18. Jahrhundert keine Rolle.58 Die Rekonstruktion des englischen Kontextes verdeutlicht, dass Prideaux’ Betrugsvorwürfe gegen Mahomet einen konkreten historischen Ort haben, der sich vom deutschen Kontext, der nun weiter dargestellt werden soll, deutlich unterscheidet. Für die historische Beschreibung Prideaux’ ist dieser englische Kontext entscheidend. Für die deutsche Debatte kann er als eine Art Kontrastfolie gelten, mit deren Hilfe sich deutsche Spezifika erheben lassen. In Deutschland werden deistische Angriffe auf das Christentum erst nach der Fragmentenveröffentlichung Lessings zu einer entsprechenden Beschäftigung führen, allerdings mit völlig anderem Ergebnis hinsichtlich des Mahomet-Bildes (s. u.). Als zeitgenössisch ist zunächst Gottfried Arnold mit seiner Unpartheyischen Kirchen- und Ketzer-Historie zu beachten, ein lange umstrittenes, selbst verketzertes, wie auch hoch gelobtes Werk. Es erschien ebenfalls, wie der Constantinopolitan- oder Türckische Kirchenstaat und auch Prideaux’ Leben Mahomets bei Thomas Fritsch (allerdings nicht in Leipzig, sondern in Frankfurt am Main).

58 Er wird noch in der 1995 erfolgten Reprint-Ausgabe von John Valdimir Price falsch identifiziert; vgl. Humphrey Prideaux, A Letter to the Deists; Charles Leslie, A short and easie method with the Deists. With a new Introduction by John Valdimir Price, London/Tokyo 1995 (History of British Deism).

3. Muhammed als Erfinder einer Religion, überzeugt von der Gewissheit der christlichen Religion – Gottfried Arnolds Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie (1700) 3.1 Gottfried Arnolds Unpartheyische Kirchenund Ketzer-Historie Bemerkenswert ist bereits die Tatsache, dass Gottfried Arnold Muhammed in seiner Unpartheyischen Kirchen- und Ketzer-Historie im Rahmen der Kirchengeschichte darstellt.1 Der Grund dafür liegt sicherlich in der KetzerThematik, denn wenige Gestalten waren so intensiv verketzert worden wie diese. Allerdings ist immer von Belang, welche Ketzer-Filiationen jeweils aufgemacht werden. Erich Beyreuther hält fest: „Das ist eine unerhört neue Sprache, wenigstens im deutschen Raum, von einer Tragik im Leben des ,armen Mohammed‘ zu reden. Da zieht nach Arnolds Schilderung ein Gottsucher aus.“2 Gottfried Arnolds Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie, Vom Anfang des Neuen Testaments Biß auf das Jahr Christi 1688 erschien mit königlich-polnischem, kurfürstlich-sächsischem sowie mit kurfürstlich-brandenburgischem Privileg bei Thomas Fritsch, allerdings nicht wie der Constantinopolitan- oder Türckische Kirchenstaat und auch Prideaux’ Leben Mahomets in Leipzig, sondern in Frankfurt am Main.3 Im Unterschied zu den beiden andern Werken gab es um die Unpartheyische Kirchen- und KetzerHistorie bald große Auseinandersetzungen, die der Verleger vielleicht auch erwartet hatte, wie man aus den mehrfachen Privilegien schließen könnte. Zu den Gründen für die Wahl des Verlagsortes lassen sich aber zunächst keine Angaben machen.

1 Darauf macht auch Erich Seeberg aufmerksam; vgl. Erich Seeberg, Gottfried Arnold, Die Wissenschaft und die Mystik seiner Zeit. Studien zur Historiographie und zur Mystik, Darmstadt 1964, S. 96. 2 Erich Beyreuther, Die Gestalt Mohammeds in Gottfried Arnolds Kirchen- und Ketzerhistorie. In: ThLZ 84 (1959), Sp. 255–264, Zitat Sp. 256. 3 Gottfrid Arnolds Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie, Vom Anfang des Neuen Testaments Biß auf das Jahr Christi 1688. Mit Königl. Pohlnischen, Churf. Sächsischen und Churfürstl. Brandenburgischen Privilegiis. Franckfurt am Mayn, bey Thomas Fritsch. 1700.

3.2 Muhammed in Arnolds Kirchengeschichte

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3.2 Muhammed in Arnolds Kirchengeschichte des 7. Jahrhunderts Im siebenten Buch, gewidmet der Kirchengeschichte im 7. Jahrhundert, geht Arnold auch auf Muhammed ein, dessen Namen Mahomed er nennt, aber nicht selbst verwendet. Die ersten Paragraphen widmen sich den griechischen Kaisern und den Auseinandersetzungen der Christen untereinander und mit den Sarazenen. Insonderheit aber ist dieses seculum merckwürdig von dem anfang des Muhammeds, oder, wie man ihn insgemein nennet, Mahomeds, (das so viel heißt als Desiderius oder Verlangt) mit welchem die Göttliche gerechtigkeit die unchristen straffen wollen, wie die Scribenten bekennen. Dieser hat ihnen nach und nach mehr abbruch gethan, als nie kein anderer feind, biß endlich seine nachfolger den sitz der Christen in Orient gantz einnahmen. So ward nun dieser Muhammed schon unter Heraclii regierung Anno 622 bekant. Er war erst ein Arabischer cameltreiber, und sonst zwar ungelehrt, aber doch von natur verschlagen und mit der fallenden sucht sehr beladen; wie ihn die Auctores beschreiben, deren relation zwar nicht allezeit zu trauen ist, weil die Türckischen lauter wunder aus seinen dingen machen, und unzehliche fabeln drein mengen; die Christlichen aber, sonderlich die schwätzigen Griechen, ihm auch offt mehr aus verbitterung nachsagen, als wahr ist: damit ja nichts auch natürlich gutes an ihm bliebe. o) zu solcher feindschafft mag diese bewogen haben, weil Muhammed in seinem Alkoran nicht selten der Christen verderbnüß und gottloses wesen, item, ihre unreinigkeit, aberglauben und abgötterey beschreibet. Worinnen er denn ihnen nicht unrecht thut, da ihre eigene historien ein gleiches bezeugen, und die schrecklichen ärgernüsse gestehen, welche die Namenchristen diesen und andern völckern mit ihren greueln gegeben. [4] 5. Und eben die umstände haben ihm weiter anlaß gegeben sich umzusehen, nachdem er, wie man schreibet, auch von natur zu tieffsinnigem nachdencken und einsamen leben geneigt, hingegen vor aller abgötterey einen abscheu gehabt. Weil er nun bey den Christen nichts tüchtiges, und von ihren lehren nichts als nur noch leere worte fand, die Heydnische greuel und thorheiten ihm auch nicht anstunden, vielweniger der Jüden elender zustand, so fiel der arme mensch endlich auff seine eigene erfindungen. Die Christlichen Historici sagen zwar, er habe sich in Arabien von 4 In den Fußnoten verweist Arnold in diesem Zusammenhang auf die von Thomas Erpenius besorgte lateinische Fassung Historia Saracenica (Leiden 1625) von Georgius Elmacin (Girgis AlMakin, auch Ibn al-’Amid; 1205–1273), auf die byzantinische Geschichte von Johannes Zonaras (gest. 1130); er verweist weiterhin auf Paulus Diaconus, der in seiner Geschichte der Langobarden ausführlicher auf das Byzantinische Reich und auch auf die Auseinandersetzungen mit den Sarazenen eingegangen war; weiterhin werden erwähnt Georg Cedrenus (Kedrenos), der 1050 eine Synopsis historion vorgelegt hatte sowie Theophanes, auf den Cedrenus sich bezieht. An neuerer Literatur findet sich Johannes Leunclavius’ (Johannes Löwenklau, 1541–1594) Historiae Musulmanae Turcorum von 1591 und Johann Heinrich Hottingers (1620–1667) Historia Orientalis (zuerst 1651) sowie seine Historia Ecclesiasticae (1651–1667).

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3. Muhammed als Erfinder einer Religion

Christen unterweisen lassen, aber sie nennen lauter kätzer, nemlich Johannem Antiochenum, einen Arianer, Sergium einen Mönch und Nestorianer, und Bairam, einen Jacobiten. Dazu man noch zwey Jüden Phineam und Abdiam setzt. (268)

In Arnolds Kirchen- und Ketzer-Historie hat die letzte Bemerkung einen guten Platz. Wer christlicherseits Muhammed eine Abhängigkeit von christlichen Lehrern bescheinige, beziehe sich immer auf Ketzer. Implizit könnte das heißen, für Arnold habe Muhammed vom wahren Christentum abgeschrieben. Dann wären diese Arianer, Nestorianer und Jacobiten keine Ketzer. Arnolds Interesse liegt bei den Ketzern im Gegensatz zur Kirche. Muhammed wird in diese Verdammungsgeschichte der letztlich falschen Orthodoxie eingetragen. Die entgegengesetzte Position hieße dann: Auch Muhammed war ein christlicher Ketzer, weil er sein Christentum von Ketzern gelernt hat. Und genau das bringt Arnold hier zum Ausdruck. 3.2.1 Muhammeds Erfolgsgründe Die Koreischiten hätten zwar schon die Vielgötterei verlassen, einen Gott zu ehren angefangen, als Ismaels Nachkommen auch an die Beschneidung praktiziert, an die Auferstehung geglaubt, viel Almosen gegeben, viel gebetet und im Äußerlichen besser als die Christen gelebt. Darum hätten sie etwas Neues viel leichter angenommen. Dennoch aber hätten ihre Oberen Muhammed verfolgt. Er sei nach Medina geflohen und habe später Mekka und ganz Arabien eingenommen. Die Ursachen für seinen Erfolg seien zum einen gewesen, dass er jedem seine Religion und Gewissensfreiheit gelassen und Disputieren bei Todesstrafe verboten habe, wogegen unter Christen das „Ketzermachen“, Streit und Verfolgung geherrscht hätten. Zum anderen habe er Polygamie gestattet und ein sinnliches Paradies versprochen. Muhammeds Theologie beschreibt Arnold ebenfalls im Horizont des Ketzerthemas. 6. Von Muhammeds lehren berichten auch die meisten nicht einstimmig, auch nicht so gar unpartheyisch: die alten, welche damals mit ihnen gestritten, setzen dieses davon: Er habe von den Jüden gelernet, daß [nur] ein einiger GOtt sey, von den Arianern, daß das Wort und der H. Geist erschaffen sey, von den Nestorianern, daß ein mensch, nemlich die menschliche natur Christi, anzubeten sey. Von Christo sage er, daß er das Wort GOttes sey, wie auch sein Geist; aber daß er erschaffen und ein diener sey, und von der Maria ohne samen gebohren. Denn das Wort GOttes und der H. Geist sey in die Mariam kommen, und habe JEsum gezeuget, als einen Propheten und Diener GOttes. Diesen hätten die Jüden wollen ,creutzigen, und hätten nur seinen schatten gefangen und gecreutziget.‘ Christus sey aber nicht gestorben, sondern GOtt habe ihn lieb gehabt und in himmel auffgenommen. r) so viel bekennen gleichwohl die Scribenten selbst von ihm, wenn sie ihn widerlegen wollen. Dabey aber gedencken sie, daß Muhammed mit dem schein der gottseligkeit die leute betrogen und von den Christen abgezogen habe, und gestehen damit zugleich, daß er im äusserlichen

3.2 Muhammed in Arnolds Kirchengeschichte

117

schein frömmer gelebet, als die Christen, welche im blinden trotz auff ihre religion in allen schanden und lastern sich herum wältzeten. Imgleichen beschweren sie sich, daß die Christen von den Mahumedanern vor abgötter gehalten wurden, weil jene das creutz anbeteten. s) Daraus man sieht, wie sehr diese leute sich an der sicherheit und abgötterey der falschen Christen geärgert, und ihre meynungen dadurch fest gesetzet haben, weil sie bey der Christen äusserlichem wesen nichts bessers gefunden, als sie in ihren eigenen lehren zu haben vermeinet. Daß sie aber von Christo so viel schon bekant, siehet man auch aus ihren eigenen worten, wenn sie im Alkoran den verstand, das wort und den Geist GOttes nennen. t) Item, wenn darin also geredet wird: O Maria, GOtt sendet dir eine gute bottschafft durch sein Wort, welches aus ihm ist, sein name heisset Messias oder Christus JEsus ein sohn Mariä, der da mächtig ist in dieser und der zukünfftigen welt, der weiseste u.s.f. u) Daher ein Arabischer Scribente vom Muhammed setzet: Er hat auch den seinen befohlen, daß sie glauben solten den Propheten und Aposteln, und allen büchern, die zu ihnen gesandt wären. Imgleichen daß Christus der sohn Mariä ein sohn GOttes sey, sein Wort und sein Abgesandter. Er hat auch das Gesetz und Evangelium vor wahr erkannt. (269)

Der Text zeigt Muhammed in der Auseinandersetzung mit (verketzerten) christlichen Positionen im Spiegel der von Arnold abgelehnten alten Kirchengeschichtsschreibung. Arnold schreibt aus der Distanz und gibt die Texte der (christlichen) Scribenten im Konjunktiv wieder.

3.2.2 Arnolds Strategie: Muhammeds Betrug im Spiegel der Überlieferung dargestellt Es lässt sich kaum davon reden, dass Arnold hier ein eigenständiges – im Sinne von „positives“ – Bild von Muhammed entwirft. Vielmehr setzt er sich mit üblichen Mahomet-Bildern auseinander, wenn er bemerkt, dass weitere Anmerkungen zu weit führen würden und dass man an dem Vorgestellten sehen könne, wie wahr oder falsch die Berichte der falschen Christen über ihre Feinde seien. Die falschen Berichte der falschen Christen kontrastiert Arnold nun auch noch mit dem Koran, der seiner Auskunft nach zugestehe, dass auch Christen selig werden könnten. Daran könne man sehen, dass Muhammed von der Wahrheit der christlichen Religion überzeugt gewesen sei.5 Dennoch stellt auch Arnold Muhammed als Betrüger vor: Sein „Hauptbetrug“ bezüglich der übrigen Lehrpunkte sei, dass er gefordert habe, ihm ohne weitere Prüfung zu glauben. Der von Arnold hier genannte Betrug Muhammeds ist letztlich ein 5 Arnold verweist hier auf die Suren eins und zwölf („Azoara I. & XII.“) sowie auf den ,antihäretischen‘ Euthymius Zigabenos (Zygadenos, gest. nach 1118), der seine Panoplia dogmatike u. a. auch gegen die „Saracenen/Ismaeliten“ geschrieben hatte. Möglicherweise gilt dieser Verweis auch dem Dialog mit einem Muslim, der unter seinem Namen geführt wurde. Schließlich wird von Arnold noch das erste Kapitel der Confutatio Agareni des Bartholmäus von Edessa aus dem 13. Jh. erwähnt.

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3. Muhammed als Erfinder einer Religion

Maulkorb, eine Zensur die aus Arnolds Sicht auch die Orthodoxen verhängt hatten und die er in seiner Unpartheyischen Kirchen- und Ketzer-Historie umfänglich kritisiert. Der Betrug, den Arnold Muhammed hier zuschreibt, ist also eigentlich kein Betrug. „Seine übrige lehrpuncten betreffend, so war dieses der hauptbetrug darin, und ein zeichen, daß Muhammed nur sich selbst damit groß zu machen gesuchet hat, wenn er forderte, man solte ihm gleich ohne weitere prüfung und untersuchung glauben.“ (269) Darum habe er auch verboten, die heiligen Bücher zu lesen. Wer höher stehe, Muhammed oder Christus, sei umstritten, viele Christen (Arnold nennt Petrus Cluniacensis) würden gestehen, dass Muhammed Jesus für den Größten, Besten und Höchsten gehalten habe, den er über alle Menschen setzte. Darum würden ihn einige (Arnold nennt Marsilio Ficino) als christlichen Ketzer betrachten und unter die Arianer oder Manichäer rechnen. Dass Muhammeds Leute niemand zu ihrer Religion zwingen würden, beschäme wiederum die Christen. Arnold erwähnt die Verehrung des einen Gottes, Gebet, Fasten, Almosen sowie harte Strafen für Diebstahl, Ehebruch, Mord etc. und das Weinverbot. In Reisebeschreibungen finde sich die über den Christen stehende Zucht, Frömmigkeit und Redlichkeit der Türken gespiegelt, diese habe auch Luther gelobt. Allerdings habe Muhammed Ehescheidung und Polygamie gestattet sowie „die gewaltsame art durch waffen alles auszuführen“ (270). Muhammed habe viel von Christus gehalten „und ihm etwas übermenschliches und Göttliches zugeschrieben, so weit sich nemlich sein begriff erstrecket“ (270). Das ist nach Arnold verwunderlich, denn die Christen selbst seien in ihrer Lehre „ungewiß, verfallen und unrein [gewesen]“ und dennoch habe Muhammed etwas erkannt und sich nicht durch ihr ärgerliches Leben abschrecken lassen. Und das destomehr, je unbesonnener und ungereimter die Christen offt denen Muhammedanern begegneten; zum exempel, diese pflegten sich insgemein vor allen lügen zu hüten, wie es das naturlicht lehrete, und was sie vor fabeln in ihren büchern hatten, davon waren sie nicht anders überzeuget; die Christen aber schämeten sich nicht die allergreifflichsten Lügen jenen öffentlich und wider ihr besser wissen vorzubringen. Wer die erzehlungen der Griechischen schwätzer gegen die Historische wahrheit halten wolte, der würde unzehliche exempel finden. (270)

Arnold zitiert als Beispiel aus dem vermeintlichen Testament Muhammeds, erwähnt die sogenannte Venus-Verehrung zu Mekka, die Beschreibung Muhammeds als Zauberer und den schwebenden Sarg zu Mekka oder auch zu Medina. Dies zeige die Gewohnheit der falschen Christen, wie keiner unverleumdet von ihnen kommen, obgleich sonst ohne dem sein betrug klar gewesen. Wer die Scribenten hiervon zusammen hält, wird mehr aufflagen hiervon antreffen, (m) und sonderlich bemercken können, wie elend, obscur und lächerlich sie offt den armen Muhammed widerleget, und damit das Christenthum nur noch mehr prostituiret haben. (270)

3.3 Kritik an Arnold

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Was Arnold an Muhammed lobt, verbindet sich mit Seitenhieben auf die „Griechischen Schwätzer“ und auf die ketzermachende ,wahre Kirche‘ überhaupt.

3.3 „… so könnte er sich auch Muhammedisch nennen“ – Kritik an Arnold Diese Darstellung stieß offenbar auf Widerspruch, denn Arnold sah sich genötigt seine Haltung bezüglich Muhammed noch einmal zum Ausdruck zu bringen. In den von Arnold herausgegebenen Supplementa6 zu seiner Unpartheyischen Kirchen- und Ketzer-Historie findet sich eine Entgegnung Arnolds auf einen Vorwurf: Im VII. Buch. Bey dem I. Cap. § 4. u. f. SOlte es fast das Ansehen vor manchen passionirten Leser haben, als wolte ich die gottlose Lehre der Türcken selbst rechtfertigen, indem ich verschiedene falsche Relationes von ihnen und ihrem Mahomed wiederlegt, und hingegen das Elend der damahligen Christen, wie auch ihre schwache Argumenta, wieder den Alcoran, und hingegen was in diesem noch Guts zu finden, gezeiget. Allein es hat damit eben eine solche Bewandnüß, wie mit den vorigen Ketzer-Geschichten: Daß ich nemlich, vermöge der Gesetze einer unpartheiischen Historie, von beyden Theilen die Warheit vorstellen müssen. Und also habe ich nechst jenen auch daselbst observiret, wie zum Exempel. §.4. Die Türcken aus Muhammeds Dingen lauter Wunder machten, und unzehlige Fabeln vorbringen. §.5. Wie dieser arme Mensch auff seine eigene Erfindungen gerathen, die Leute mit dem Schein der Frömmigkeit betrogen habe, u.s.w. Bey der Allegation des Alcorans aber und dessen Greueln, erinnere ich mich, was noch letztens Herr Andreas Acoluthus bewiesen hat, daß wir nemlich noch nicht einmal eine rechte Version des Alcorans, geschweige einen genauen Begriff dieser Lehre haben, die doch zu rechter Einsicht in diese Historie sehr nöthig ist. Vid. ejus tetqapka Alcoranica. Berlin. 1701. fol. (124)

Welche passionierten Leser Arnold meint, geht allerdings weder aus diesem Text, noch aus den im Anhang der Supplementa zitierten Streitschriften über die Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie hervor. Diese Ergänzung findet sich auch in der zweiten und in der dritten Auflage dieses Buches (1715 und 1729) im Anhang. In der erweiterten Ausgabe von 1740 wurde diese Bemerkung wörtlich in den Haupttext als Erläuterung Arnolds aufgenommen.7 6 Supplementa, Illustrationes und Emendationes Zur Verbesserung Der Kirchen-Historie, Heraußgegeben Von Gottfried Arnold. Franckfurt, Bey Thomas Fritschen. Anno M DCC III. 7 Gottfrid Arnolds unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historien, Vom Anfang Des Neuen Tes-

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3. Muhammed als Erfinder einer Religion

1742 erschien der dritte Band dieser letzten Ausgabe, der ein Gesamtregister, eine Darstellung der Streitschriften gegen Arnold wie auch dessen Entgegnungen enthält. Doch auch hier findet sich keine wirkliche Auskunft über die von Arnold angedeuteten Äußerungen betreffs seiner MuhammedDarstellung. Deutlich wird aus dieser Äußerung von 1703 zumindest, dass Arnolds kurze Darstellung Muhammeds Widerspruch erfahren hat, der diese Schilderung als zu positiv ansah. Indirekt beleuchtet eine Äußerung Ernst Salomon Cyprians dieses Thema. In Ernst Salomons Cyprians Antwort Auf Arnolds sogenannte Erklärung vom gemeinen Secten-wesen, kirchen- und abendmahlgehen, die im dritten Band zitiert wird, heißt es: § 7: Er sagt ferner, daß diejenigen hauffen, so sich vor wahre Lutheraner ausgäben, nicht die geringste krafft in lehre und leben von Lutheri erstem lauterm sinn aufweisen. Wie viel tausend ihm unbekannte, theils recht fromme seelen lästert und verdammet doch der mann! Er hat etliche worte Lutheri, so er in der ersten hitze geschrieben, aufgesuchet, und führet sie, wiewohl offt sehr verstümmelt, und, ohne auf die connexion zu sehen, vor sich an; meynet daher, wir wären nicht mehr Lutherisch, sondern er wäre es; und so ist es zu verstehen, wenn er sich Lutherisch nennet: nicht, als wenn er so Lutherisch wäre, wie es in der Christenheit, bey aufrichtung des religions-friedens, und actis publicis genommen worden, und jetzo in der gantzen welt genommen wird; sondern weil er etliche plätze aus Lutheri schrifften gezogen, so er vor wahr hält. Aber so könnte er sich auch Muhammedisch nennen, denn im Alcoran stehen auch Dinge, so er vor wahr hält. Ich wollte sagen, diß wäre ein kindischer brauch des wortes Lutherisch, wenn er nicht zu seinem vortheil sehr arglistig erfunden worden: wiewohl ich doch nicht sehe, wie es sonderlich klug heissen könne, wenn man, dadurch die welt berücken zu können, geglaubet. (128)8

Weil Arnold einiges im Koran für richtig halte, könne er sich statt Lutherisch auch Muhammedisch nennen, denn seine positiven Luther-Bezüge seien genauso eklektisch wie seine positiven Koran-Bezüge. Diese Äußerung, die bei Cyprian im Zusammenhang des Themas „Secten-Wesen“ steht,9 dürfte sich in taments biß auf das Jahr Christi 1688. bey dieser neuen Auflage, An vielen Orten, nach dem Sinn und Verlangen, Des seel. Auctoris, Verbessert, vermehret, und in bequemere Ordnung gebracht, und mit dessen Bildnus und Lebens-Lauff gezieret. Schaffhausen, druckts und verlegts Emanuel und Benedict Hurter, Gebrüdere. 1740, S. 292. 8 Gottfried Arnolds unpartheyischer Kirchen- und Ketzer-Historie, Dritter Band. In welchem so wohl die von den verschiedenen Gelehrten gegen die Arnoldische Historie herausgegebene Bedencken, Anmerckungen, Untersuchungen und andere dergleichen Schrifften, Als auch die theils von dem seel. Verfasser selbst, theils von seinen Freunden ans Licht gestellte und zur Erläuterung der Kirchen-Historie dienende Vertheidigungs-Schrifften Ingleichem verschiedene nützliche Zusätze mitgetheilet werden. Nebst Einer Vorrede und unpartheyischen Einleitung in die Historie der Arnoldischen Strittigkeiten wie auch Einem allgemeinen und vollständigen Register über alle drey Bände. Schaffhausen, druckts und verlegts Emanuel und Benedict Hurter, Gebrüdere. 1742. 9 Vgl. das erste Kapitel („Vom Secten-Wesen“) der „Antwort Auff Arnolds so genannte Erklärung vom gemeinen Secten-Wesen, Kirchen- und Abendmahl-gehen“ in: Ernsti Salomonis Cypriani,

3.4 Ein umstrittenes Muhammed-Bild

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diesem Punkt auf Arnolds oben dargestellten Muhammed-Artikel beziehen, in dem zum Ausdruck kommt, dass laut dem Koran Christen in ihrer Religion, die Muhammed grundsätzlich für richtig gehalten habe, selig werden könnten. Im Detail diskutiert wird hier allerdings gar nichts.10

3.4 Ein umstrittenes Muhammed-Bild eines umstrittenen Autors Man hat Arnold alle möglichen Ketzernamen beigelegt wie Anabaptist, Arianer, Sozinianer, Weigelianer, Antitrinitarier und Quäker. Nach Ernst Salomon Cyprian wäre Arnold dann auch Muhammedaner. Die zitierte Erwähnung von Muhammeds Religion spielt in den literarischen Auseinandersetzungen demgegenüber in Irmfried Martins Darstellung eine marginale Rolle.11 Einen ähnlichen Eindruck gewinnt man in Erich Seebergs großer Studie: Arnold als der „unpartheyische Historiker“ habe Muhammed von beiden Seiten vorzustellen versucht, denn die Türken hätten einerseits Legenden um ihn gesponnen und die „geschwätzigen Griechen“ ihm mehr als die Wahrheit nachgesagt. Muhammed sei durch das damalige Christentum abgestoßen gewesen. Arnold beschreibe ihn gewissermaßen als natürlichen Menschen im Gegensatz zum depravierten Christentum. Nach diesem natürlichen Maßstab werde Muhammed geschildert. Seine Religion entspräche dem natürlichen Menschen.12 Seeberg betont darüber hinaus die Größe von Arnolds unabhängiger Darstellung: des Athenæi Casimiriani dermahlen Directoris und Theologiæ Prof. Publ. Ord. Allgemeine Anmerckungen über Gottfried Arnolds Kirchen- und Ketzer-Historie, Worinnen bescheidentlich und gründlich erwiesen wird, daß Arnold vermöge seiner vorgefaßten Meynungen, nothwendig partheyisch schreiben, seine Klagen wider die Kirche auff schwache Gründe bauen, und einiger Scribenten Meynung so gar verdrehen müssen, daß auch nur in einem halben paragrapho der Sinn und die Worte Augustini, denen Donatisten zum Behuff, über sechsmahl verfälschet worden. Zum Drittenmahl gedruckt, Und sowohl mit einer Antwort auff alle dagegen edirte Schrifften, als Vorbericht von Arnolds Religion, wie auch ferneren Anmerckungen von deßen historischen Verfälschungen und Fehlern vermehret. Franckfurth und Leipzig, bey Paul Günther Pfotenhauern, Buchhändlern in Coburg Im Jahr 1701, S. 129–149. 10 Es findet sich in diesem Zusammenhang auch eine Kritik Cyprians an Halle: Im Anhang zum 1742 erschienenen Band der Unpartheyischen Kirchen und Ketzerhistorie wird Ernst Salomon Cyprians Urtheil von Arnolds Religion, woher die Partheylichkeit nothwendig entspringen müssen u. a. mit folgenden Worten zitiert: „Zu Hall schreibt man diese Verse (ohne zweiffel wider der Herrn Theologen und vieler wackerer leute willen und wissen) ohne scheu in die stamm-bücher: At vel Turca fiet, vel hebræus Apellas, / Qui bene vivet, erit Christicola ille mihi. Das ist: Es mag einer ein Türck oder Jude seyn, wer wohl lebt, den halte ich vor einen Christen.“ (Arnold 1742, Bd. 3, S. 120). 11 Vgl. Irmfried Martin, Der Kampf um Gottfried Arnolds Unpartheyische Kirchen- und Ketzerhistorie. Vornehmlich auf Grund des dritten Bandes der Schaffhaisener Ausgabe von 1740–42 [Diss. Masch. Heidelberg 1972], S. 134. 12 Erich Seeberg sieht eine Verwandtschaft zwischen Arnolds Mohammed-Bild und dem Vorwort

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3. Muhammed als Erfinder einer Religion

Wenn man sich vergegenwärtigt, daß Muhammed neben dem Papst in den üblichen Kirchengeschichten als der Antichrist erscheint, wenn man weiß, daß Koranherausgeber oder Biographen der damaligen Zeit wie Bibliander, Schweigger oder Prideux [!] nur von dem ,Greuel‘ des ,Herostratus‘ und seiner Sekte zu erzählen wissen, so ermißt man die innere Freiheit und Größe des Urteils Arnolds. Nur einem Mann war diese Freiheit möglich, der eine Empfindung hatte für den Wert der Religion überhaupt; und diese aus dem Spiritualismus heraus sich ergebende Empfindung findet ihren wissenschaftlichen aber verkürzten Ausdruck in der Wendung ,nach der Natur‘.13

Seeberg zieht in Erwägung, dass dies von Jakob Böhmes Vorrede zu Aurora oder die Morgenröte abhängig sein könnte, geht auf Quellen Arnolds aber kaum ein. Es sei charakteristisch, dass Arnold die populäre zeitgenössische Literatur kaum herangezogen habe, wie sich an den Hinweisen Arnolds unschwer erkennen lässt (s. o.). Es wäre zu fragen, wie dieses Schweigen Arnolds über neuere Literatur zu deuten sein könnte. Deutlich ist, dass Gottfried Arnold Muhammed in seiner Unpartheyischen Kirchen- und Ketzer-Historie als verketzerte Figur und damit als Opfer schildert. Arnolds großes Werk sorgte für so viele Diskussionen,14 dass seine Muhammed-Darstellung offenbar weniger ins Gewicht fiel. Sie ging gewissermaßen im Sog seiner Kirchenkritik unter. Dass er als Verteidiger Muhammeds angesehen wurde, wie seine Bemerkung im Supplementband von 1703 zeigt, passt als Vorwurf gegen Arnolds Verteidigung von Ketzern in das Bild, wird offensichtlich aber selten erwähnt. Es ist allerdings bemerkenswert, dass in der so wichtigen Unpartheyischen Kirchen- und Ketzer-Historie mit einiger Selbstverständlichkeit ein Muhammed-Bild erzeugt wird, das ihn nicht als Solitär zeichnet, sondern in eine Reihe mit anderen verketzerten Gestalten aufnimmt, seine Positionierung also gegen zeitgenössischen Mainstream vornimmt. Dies ist im Hinblick auf zeitgenössische Repräsentationen des Propheten – erst recht bei der sachlichen Nähe etwa zu Leibniz’ Jahre später verfassten Theodizee, in der die Nähe zum Konzept der natürlichen Religion als Maßstab anlegt wird – bemerkenswert. Eine ähnliche Positionierung wie bei Arnold findet sich später auch bei dem in der Literatur als ,pietistisch‘ apostrophierten Autor Jonas Korte, der in seiner Mahomet-Darstellung zwar nicht direkt aus Arnolds vieldiskutiertem Werk zitiert, aber ganz ähnliche Fronten herstellt (vgl. Kap. 11). von Leibniz’ Theodizee. Aus Gründen der historischen Abfolge kann dies für die ersten beiden Auflagen von Arnolds Werk nicht gelten. Es wäre also umgekehrt Leibniz Text auf sein Verhältnis zu Arnold zu befragen; vgl. Seeberg, Arnold, S. 97. Einige Überlegungen zu Leibniz, der in seiner Theodizee auf die Gestalt des Propheten gar nicht weiter eingeht, finden sich bei Rehrmann, Ehrentrhron, S. 39–41. 13 Seeberg, Arnold, S. 98. 14 Dietrich Blaufuß/Friedrich Niewöhner (Hg.), Gottfried Arnold (1666–1714). Mit einer Biographie der Arnold-Literatur ab 1714. Wiesbaden 1995 (Wolfenbütteler Forschungen 61)

3.4 Ein umstrittenes Muhammed-Bild

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Von 1740 bis 1742 ist Arnolds Kirchen- und Ketzer-Historie zum letzten Mal erschienen. Und in dieser letzten Ausgabe findet sich – nunmehr in den Mohammed-Artikel integriert – Arnolds 1703 verfasste Verteidigung gegen den Vorwurf, er sei Anhänger Muhammeds ebenso wie Ernst Salomon Cyprians Vorwurf, Arnold könne sich statt Lutherisch genauso gut auch Muhammedisch nennen. Nachdem dieses Buch auf dem Markt war, fing Gottfried Arnolds erzgebirgischer Vetter Theodor Arnold 1745 in Leipzig an, bedeutende englische und französische Werke zur Geschichte der Saracenen, zum Koran und zu Mahomet ins Deutsche zu übersetzen. Eine Verbindung zu Arnolds vieldiskutiertem Werk lässt sich mit direkten Verweisen nicht belegen, ist aber durchaus möglich. Doch Jahrzehnte zuvor, kurz nach Arnolds Einschreibung Muhammeds in die Ketzergeschichte von 1700, wird ein Werk des damaligen bayerischen Pfarrers David Nerreter publiziert, in dem der Prophet als endzeitlicher Antichrist repräsentiert wird und das einen Beitrag zur Bekehrung seiner Anhänger – in der hereinbrechenden Endzeit – leisten soll.

4. Ein anderer Gott: Mahomet als endzeitlicher Antichrist, dessen Anhänger zu bekehren sind – David Nerreters Neueröffnete Mahometanische Moschea (1703) David Nerreter veröffentlichte 1703 eine deutsche Übersetzung des Koran nach der lateinischen Ausgabe von Marracci (1698). Damit lag der Koran arabisch (Abraham Hinkelmann 1694),1 lateinisch (Ludovico Marracci 1698)2 nun auch deutsch vor. Der Text findet sich in einem umfangreichen Werk, das letztlich in einen Missionsaufruf mündet. Sein Autor, David Nerreter3 (1649–1726), ein gebürtiger Nürnberger, hatte in Altdorf und Königsberg studiert und nach der Magisterpromotion schließlich im Jahre 1672 in Königsberg seine philosophische Dissertation vorgelegt.4 Bereits 1670, mit 21 Jahren, war er zum „poeta laureatus“ gekrönt und unter dem Namen „Philemon“ in den Nürnberger „Pegnesischen Blumenorden“ (Societas Florigera ad Pegnesum) aufgenommen worden,5 in dem damalige pietistische Ansichten 1 Abraham Hinckelmann, Al-Coranus S. Lex Islamitica Muhammedis, Filii Abdallae Pseudoprophetae. Ad optimorum Codicum fidem edita ex Museo Abrahami Hinckelmanni, Hamburgi. Officina Schultzio-Schilleriana, 1694. 2 Ludovico Marracci, Alcorani textus universus: Ex correctioribus Arabum exemplaribus summa fide, atque pulcherrimis characteribus descriptus, Eademque fide, ac pari diligentia ex Arabico idiomate in Latinum translatus; Appositis unicuique capiti notis, atque refutatione. His omnibus præmissus es Prodromus Totum priorum Tomum implens, Patavii, Ex Typographia Seminarii, 1698. 3 Zur Biographie Wolfgang Wießner, David Nerreter (1649–1726). Ein Lebensbild aus dem Zeitalter des beginnenden Pietismus. In: Zeitschrift für Bayerische Kirchengeschichte, 2/1954, S. 144–164; vgl. Heinrich Döring, Die gelehrten Theologen Deutschlands im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert. Nach ihrem Leben und Wirken dargestellt von Dr. Heinrich Döring, Dritter Band N – Scho. Neustadt a. d. Orla bei Johann Karl Gottfried Wagner. 1833. S. 29–31; Vgl. auch Rehrmann, Ehrenthron, S. 59–70 auf der Grundlage der eher knappen Bemerkungen von Clemens Alois Baader, Lexikon verstorbener Baierischer Schriftsteller des achtzehenten und neunzehenten Jahrhunderts. Ausgearbeitet von Clemens Alois Baader. Des ersten Bandes Zweiter Theil. M–Z. Augsburg und Leipzig, in der von Jenisch- und Stage’schen Buchhandlung. 1824, S. 75–77; vgl. weiterhin Michael Fisch, umm-al-kit b. Ein kommentiertes Verzeichnis deutschsprachiger Koranausgaben von 1543 bis 2013. 470 Jahre europäisch-abendländische Koran-Rezeption, Berlin/Tübingen 2013, S. 56 f. (ohne Angabe weiterer Quellen); 4 Dissertatio physica de fontium origine, quam Divini Numinis auxilio, Consentiente Amplissimo Philosophorum Ordine Pro Receptione in Facultatem In Illustri Regiomontana placide Eruditorum disquisitioni submittit praeses M. David Nerreter, Potea Laur. Czs. Norimbergensis, respondente Jacobo Auschwitz, Mariae-Insula Prusso. In auditorio Philosophico. Ad d. Martii A. C. 1673. Regiomonti typis exscripsit Josua Segebad. Anno M. DC. LXXIII. 5 Zu David Nerreter im Pegnesischen Blumenorden vgl. Renate Jürgensen, Melos conspirant

4. Nerreters Neueröffnete Mahometanische Moschea

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eine große Rolle spielten.6 Kontakt zu Philipp Jakob Spener nahm Nerreter allerdings erst Anfang der 1680er-Jahre auf.7 Der Titel eines „poeta laureatus coronatus“ war einem Doktortitel der medizinischen oder juristischen Fakultät der Altdorfer Universität gleichwertig.8 Ab 1677 arbeitete der 1674 ordinierte Nerreter zunächst als Hofkaplan, dann als Diakonus und Konsistorialrat in Oettingen, ab 1694 als Diakonus und Prediger in Nürnberg und schließlich ab 1696 als Pfarrer in Wöhrd. Neben seinem Pfarramt verfasste er erbauliche bzw. katechetische Schriften. Seine Catechetische Firmung oder Glaubens-Stärckung eines erwachsenen ThatChristen von 1686, sein Beweglicher kurtzer Begriff des Thätigen oder zeitlichewig- wahrhafftig- seeligmachenden Christentums und sein Wegweiser zur zeitlichen und ewigen Glückseligkeit von 1688 erschienen mit Widmungen Speners.9 Nerreter wird zeitgenössisch als frommer Theologe mit poetischer Begabung beschrieben. In seiner 1707 erschienenen Schrift Schauplatz der streitenden Kirche, die er Friedrich I. von Preußen gewidmet hatte, sprach er sich für Kirchenunionen aus. Im Gefolge dieser Publikation wurde er im Jahre 1709 von Friedrich als Generalsuperintendent und späterer Konsistorialrat ins Pommersche berufen. Nerreter starb 1726, bereits im Ruhestand befindlich, in Stargard. Die hier interessierenden Publikationen mit theologischen und kirchen- bzw. religionsgeschichtlichen Themen stammen aus seiner Zeit als Gemeindepfarrer in Wöhrd, einer Vorstadt von Nürnberg, in der er wohl keine kirchenleitenden Funktionen hatte. David Nerreter hatte sich ausführlich mit Alexander Ross (ca. 1590–1654) beschäftigt. Er schrieb Adaptionen bzw. Fortsetzungen des vielfach auch in deutscher Sprache erschienenen Werkes Pansebeia, or View of all Religions in the World, with the Lives of certain notorious Hereticks (1652) von Ross, dem schottischen Theologen, der ab 1634 Vicar auf der südenglischen Kanalinsel Wight war, und dort zuvor (1649) auch Andr du Ryers aus dem Arabischen ins Französische übersetzte Koranfassung von 1647 wiederum ins Englische übersetzt hatte. Deutsche Fassungen der Pansebeia wurden z. B. 1660, 1668 und 1674 in Heidelberg publiziert, allerdings zunächst (1660) aus der niederländischen Übersetzung von B. Varenius, erst 1668 direkt aus dem Englischen unter dem Titel Alexander Rossen Unterschiedliche Gottes-dienste in der gantzen Welt.10

6 7 8 9 10

singuli in unum: Repertorium bio-bibliographicum zur Geschichte des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg (1644–1744), Wiesbaden 2006, S. 379–386. Vgl. Wießner, Nerreter, S. 147 f.; vgl. auch die Bemerkungen von Peter Schmitz in Hartmut Bobzin/Peter Kleine (Hg.), Glaubensbuch und Weltliteratur. Koranübersetzungen in Deutschland von der Reformationszeit bis heute, Arnsberg, 2007, S. 26. Vgl. Jürgensen, Melos, S. 380. Vgl. Wießner, Nerreter, S. 147 Anm. 12. Vgl. dazu Horst Weigelt, Geschichte des Pietismus in Bayern. Anfänge – Entwicklung – Bedeutung, Göttingen 2001 (Arbeiten zur Geschichte des Pietismus, 40), S. 66 f. Alexander Rossen Unterschiedliche Gottes-dienste in der gantzen Welt. Das ist: Beschreibung

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4. Nerreters Neueröffnete Mahometanische Moschea

Welchen Zweck diente dieses umfängliche Werk von Alexander Ross? Die Wahrheit, schreibt Ross in der Vorrede an den Leser, sei zwar an sich selbst zierlich und schön, aber viel schöner, wenn sie mit Unwahrheit und Lüge verglichen werde: „Wie würden wir die Herzlichkeit des Liechts erkennen, wo keine Finsternüß wäre; die Wolthat der Gesundheit, wo keine Kranckheit wäre; und die Lustigkeit des Sommers, wo kein Winter wäre?“ (iiv–iiir). Der Zweck des Buches sei, die eigene Erlösung aus der Finsternis durch den Blick auf die Menge der falschen Religionen zu erkennen, um Gott verbunden zu sein. Der gebotene Überblick lasse sich außerdem gegen die Atheisten verwenden. Zu allen Zeiten und an allen Orten hätten Menschen Religion gehabt (wenn auch barbarische) und sie hätten eine Vorstellung von Gottheit gehabt: wenn wir sage ich, dieses ansehen, verwunderen wir uns dann nicht über die Unverschämptheit der Atheisten zu dieser Zeit, welche entweder innerlich in ihrem Hertzen, oder äusserlich mit ihrem Munde, das Wesen oder gewißlich die Fürsehung Gottes, dürffen läugnen, und alle Religionen für nichts denn für Fünde Menschlicher Policey und Arglistigkeit halten? Wie können die Atheisten der Schmach und Schande entgehen, wenn sie dieses Buch lesen, worin sie sehen werden, es sey kein Volck dermassen greulich gewest, daß es eine Gottheit geleugnet, und alle Religion verworffen habe? Welche Religion ist eine Eigenschafft, die nicht weniger dem Menschen wesendlich ist, und ihn von den unvernünfftigen Thieren unterscheidet, als die Vernunft selbst. (iiiir–iiiiv)

Die Kinder der Welt würden keine Mittel unversucht lassen, um zu ihrer Seligkeit zu gelangen. „Sie, wie munter, andächtig, und eifferig sie seyn, auch bis zum Aberglauben; wie embsich im Wachen, Fasten, Beten, Almosen geben, casteyen ihrer Leiber, auch bißweilen biß zum Tode; da wir im Gegenteil sehr kalt, sicher, träge, und überauß lau seyn, in Sachen die unsere ewige Seligkeit so eigentlich betreffen.“ (iiiiv) Man werde beim Lesen feststellen, dass die phantastischen oder gottlosen Meinungen des Volkes eben keine neuen Offenbarungen, sondern alte Träume alter Ketzer seien. Man könne durch die Lektüre Mitleid mit dem elenden Zustand vieler Teile der Welt entwickeln. Das Buch solle zur Prüfung der alten Wege und zum Auffinden und Gehen des guten Weges dienen (Jer 6,16). Die gegen Atheisten gewendete Grundthese lautet also, dass Religion dem Menschen wesentlich sei wie die Vernunft. Sie lasse sich in allen Zeiten und Völkern finden. Die wahre Religion sei der christliche Glaube, dem man sich aller bewusten Religionen, Secten und Ketzereyen, So in Asia, Africa, America, und Europa, von Anfang der Welt, biß auf diese gegenwertige Zeit, theils befindlich, theils annoch gebräuchlich. Aus Englischer, in die Hochteutsche Sprache, mit allem Fleiß, übersetzt. Denen Bernh. Varenii kurtzer Religions-bericht, von mancherley Völckern, beygefügt. Samt einem neuen Anhang, Etzliche Altsächsische Wochen- und andere Teutsche Götzenbilder betreffend. Alles mit schönen Kupfferstücken vermehrt. Cum Privil. Vic. S.R. Imper. Heidelberg, In Verlegung Joh. Andreas Endters, und Wolffg: Endters deß Jüngeren seel. Erben. M. DC. LXVIII.

4.1 Nerreters Adaption von Ross

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umso mehr zuwenden werde, je mehr man den Aberglauben und die Ketzereien kennenlerne.

4.1 Nerreters Adaption von Ross David Nerreter schrieb nun das ebenso umfangreiche wie bekannte Werk von Alexander Ross fort, und er schrieb es um. Zunächst adaptierte und erweiterte er die erste bis fünfte der fünfzehn Abteilungen11 aus Ross’ großem Werk. Dieses Buch erschien 1701 unter dem Titel Der Wunderwürdige Juden- und Heiden-Tempel.12 1703 ließ er einen weiteren Band folgen, der hier von Interesse ist: David Nerreters Neu eröffnete Mahometanische Moschea.13 Die VII. Abteilung aus Ross’ Buch war schließlich die Grundlage für Nerreters drittes Werk in dieser Reihe, das 1707 unter dem Titel David Nerreters Schau-Platz Der Streitenden doch unüberwindlichen Christlichen Kyrchen mit Widmung an Friedrich I. von Preußen erschien.14 11 1. Der gantzen Welt Religionen, Oder Fürstellung aller Gottesdienste und Ketzereyen auf dem gantzen Erdboden; 2. Beschreibung dero Religionen in Asia; 3. Beschreibung dero Religionen in Africa und America; 4. Beschreibung dero Religionen in Europa (Römer und Griechen); 5. Beschreibung dero Religionen in Europa (weitere europäische Völker); 6. Beschreibung dero Religionen in Europa („Die Religion der Mahometaner“); 7. Beschreibung dero Religionen in Europa (Christen bis zum 6. Jahrhundert); 8. Beschreibung dero Religionen in Europa (Christen bis nach der Reformation); 9. Beschreibung dero Religionen in Europa (Mönchtum bis zum 11. Jahrhundert); 10. Beschreibung dero Religionen in Europa (Mönchtum ab dem 11. Jahrhundert); 11. Beschreibung dero Religionen in Europa (Mönchtum seit dem 16. Jahrhundert); 12. Beschreibung dero Religionen in Europa (Wiedertäufer, Socinianer, Millenaristen, Independenten, Presbyterianer u. a.); 13. Beschreibung dero Religionen in Europa (Römische Kirche); 14. Beschreibung dero Religionen in Europa (Morgenländische Christenheit); 15. Religion und Obrigkeit (Zweck der vorhergehenden Darstellung der Religionen). 12 Der Wunderwürdige Juden- und Heiden-Tempel, Darinnen derselben Gottes- und GötzenDienst eröffnet und gezeigt wird. Anfangs vom Alexander Roßen in Englischer Sprach beschrieben, Nunmehro aber verbessert, und, mit vielem Zusatz vermehret, ausgeführt von David Nerreter. Samt dessen Bericht Vom Ursprung der Abgötterey, wie auch von denen Poetischen Fabeln, und deren Bedeutung. Wodurch der Daifel, als GOttes aff, mit seiner List und Verführung vorgestellt, und alles gründlich untersucht wird. Nürnberg, In Verlegung Wolfgang Moritz Endters Gedruckt bey Johann Ernst Adelbulner. An. M. DCCI. 13 David Nerreters Neu eröffnete Mahometanische Moschea, worinn nach Anleitung der VI. Abtheilung von unterschiedlichen Gottes-Diensten der Welt, Alexander Rossens, Erstlich Der Mahometanischen Religion Anfang, Ausbreitung, Secten, Regierungen, mancherley Gebräuche, und vermuthlicher Untergang, Fürs andre der völlige Alkoran, Nach der besten Edition Ludovici Marraccii, verteutscht, und kürzlich widerlegt wird. Nüernberg, In Verlegung Wolffgang Moritz Endters. Gedruckt bey Johann Ernst Adelbulner. An. 1703. Eine Neuauflage soll 1763 erschienen sein (vgl. Megerlin, 1772, Vorwort). 14 David Nerreters Schau-Platz Der Streitenden doch unüberwindlichen Christlichen Kyrchen, Auf welchem, Nach Anleitung der VII. Abtheilung des unterschiedlichen GOttes-Diensts, Alexander Rossens, Der Christlichen Kyrchen Anfang, Fortgang, Ausbreitung, Verhinderung, Verfolgung, Verwirrung, Kätzereyen, Spaltungen, deren Ursachen, und wie solche durch GOttes Gnade zu

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4. Nerreters Neueröffnete Mahometanische Moschea

4.2 Nerreters Neueröffnete Mahometanische Moschea Hier interessiert jedoch Nerreters Neueröffnete Mahometanische Moschea von 1703. Als Erklärung für das von ihm traktierte Thema heißt es in der Widmung – ähnlich wie schon bei Ross –, dass die rechte Erkenntnis Gottes als des Menschen Glückseligkeit durch die aufgrund des Sündenfalls mögliche Verblendung des Satans getrübt sei. Die Menschen glaubten, was sie wollten, der Satan trete zwischen Gottes Wort und den Menschen. Wenn die Christen sich nicht nach dem äußerlichen Schein gerichtet hätten, nicht die breite Straße gegangen wären und neben dem fleischlichen Sinn noch etwas anderes beachtet hätten, dann würde der Satan keinen so großen Vortheil gewonnen haben, das Wort GOttes den Leuten aus den Herzen zu reissen, oder zu verdrehen, daß dadurch unzehliche Menschen Christum, den Weg der Wahrheit und das Leben, verlohren. Und diß ist eben auch die waare Ursach, warum der Ertzbetrüger Mahomet durch Trieb des Satans, nebst sich so viel tausend Menschen verderbt, und einen grossen Theil der Erden-Welt bezaubert hat. Dann da zu seiner Zeit die Christen untereinander uneinig und sicher waren, Gottes Wort wenig achteten, oder lieber davon disputiren, als nach demselben gottseelig leben wollten, war es ihm ein leichtes, solches nach ihrem fleischlichen Sinn auszulegen, seine verführische Lehre einzuschieben, und mit fleischlicher Lust und Furcht (wie der Satan auch zu thun pflegt) sich einen grossen Anhang zu machen. (6r–6v)

Das Christentum habe dem Fortgang der „Mahometanischen Religion und Reichen […] gleichsam Thür und Thor gemacht“ (7r). Dieses Gericht Gottes werde besser und leichter erkannt, wenn man „Ursprung, Fortpflanzung und vermuthlichen Ausgang dessen eigentlich betrachtet, und alsdann die ganze Mahometanische Lehr, wie solche in dem sogenannten Alkoran verfasset ist, gegen das helle Liecht deß Evangelii hält.“ (7v). Damit hat Nerreter sein Programm skizziert, das er zunächst unter Rückgriff auf Ross vorstellt. Im zweiten Teil seiner Neueröffneten Mahometanischen Moschea liefert Nerreter eine deutsche Übersetzung des lateinischen Korans von Marracci, die er mit Kommentaren versieht. Nerreter möchte hier also – weit über Ross’ Vorlage hinausgehend – über die historischen Zusammenhänge aufklären und theologische Urteile fällen. Er nimmt das weit verbreitete Buch, das seit 1660 mehrmals auch in deutscher heben, und die zertrennten Myrchen ohne Syncretisterey waarhafftig zu vereinigen, vorgestellet wird. Nürnberg, In Verlegung Wolffgang Moritz Endters. Gedruckt bey Johann Ernst Adelbulnern. Anno 1707. In diesem Buch, vier Jahre nach der Neueröffneten Mahometanischem Moschae erschienen, wiederholt Nerreter einige zentrale Aussagen: Mohammed sei der Antichrist aus dem Osten (S. 57, 399) und als Strafe Gottes über die Christen gekommen (S. 299ff), er bringe die Christen in Bedrängnis (S. 315–316). Seine Grundposition hat sich also in dieser Zeit nicht geändert.

4.2 Nerreters Neueröffnete Mahometanische Moschea

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Sprache erschienen war, zum Anlass, genauere Informationen über Mahomet und den Koran zu geben und weitschweifig über die Religionspraxis zu informieren. Die Literatur, die er dabei zu Rate zieht, ist durch seine Verarbeitung von Prideaux’ Das Leben Mahomets vermittelt, die viele Quellen anführende Biographie, die 1699 in deutscher Sprache erschienen war und von Nerreter vielfach wörtlich übernommen ist.15 Der Aufriss stammt allerdings von Alexander Ross und Nerreter kommentiert die zitierten Abschnitte jeweils in mehreren, mit Paragraphen durchgezählten Fragen. (Das vorangestellte Verzeichnis der Fragen Alexander Ross’ stimmt in Reihenfolge und Zählung nicht ganz mit den von Nerreter traktierten Fragen überein.) 1. Frage. Welches sind heutigen Tages die beyden mächtigsten Religionen in Europa? 2. Frage. Was vor ein Gesetz gab Mahomet seinen Jüngern oder Lehr Schülern? 3. Frage. Was vor andere Opinionen oder Meinungen in der Religion, haben die Mahometaner heutigen Tages? 4. Frage. War Mahomet der grosse Antichrist davon Paulus 2. Thess. 2 St. und Johannes in seiner Offenbarung reden? 5. Frage. Bekennen sich dann alle Mahometaner zu einerley Lehre oder Glauben? 6. Frage. Was für Geistliche Orden haben die Mahometaner?16 15 Als Beispiel dafür können Nerreters Bemerkungen über die Himmelfahrt angeführt werden, die mit Literaturangaben versehen sind, die allesamt aus Prideaux’ Buch übernommen und umgeordnet wurden; vgl. Nerreter, Moschea, S. 30 mit Prideaux, Leben, S. 74 f. Übernahmen finden sich z. B. bei der Diskussion der Himmelfahrt; vgl. Nerreter, Moschea, S. 31 mit Prideaux, Leben, S. 92. Sie werden von Nerreter nur teilweise als solche gekennzeichnet. 16 Ein Beispiel für Nerreters Bearbeitung ist die hier bei Ross folgende Frage mit der entsprechenden Antwort, die Nerreter weglässt: „Frage. Sind keine andere Heuchlerische Orden unter ihnen?“ (Ross, Gottesdienste, S. 290). Mit Verweis auf „Georgiovitz, Septemcastrensem, Busbequium, und andere“ hatte Ross allerlei Merkwürdigkeiten über diverse Asketen berichtet, unter denen sich u. a. auch unterstellte Vorurteile fanden, die z. T. wohl mehr an die eigenen Verhältnisse unter den Christen erinnern, als über Dritte Auskunft geben: „Etliche unter ihnen halten heimliche Conversation mit Weibern, und geben dann für, daß dieselben empfangen haben und schwanger worden, ohne Zuthun eines Mannes, des Fürhabens, die Wunder-Geburth CHristi dadurch zu verkleinern. Etliche sind Antinomer, und sagen, daß das Gesetz keinen Nutzen mehr habe, sondern daß die Menschen aus Gnaden selig werden. Etliche halten auf Traditionen und Verdienste, wodurch die Seligkeit solle erlanget werden, und nicht aus Gnaden: Diese ergeben sich gäntzlich der Betrachtung, dem Gebet, Fasten, und andern geistlichen Ubungen. Es sind auch etliche, so vor Ketzer gehalten werden, weil sie gläuben, daß ei ieglicher Mensch in seiner Religion selig werden könne, und daß das Gesetz CHristi ja so gut sey, als Mahomets Gesetz; daher sie sich nicht scheuen, in der Christen Kirchen zu gehen, sich mit dem Creutz zu zeichnen, und mit Weyh-wasser zu besprengen: diese Geistlichen haben ihre Heiligen, zu welchen sie in der Noth Zuflucht nehmen, und denen sie absonderliche Aembter zulegen; daß etliche die Verwaltung haben über reysende Leute, etliche über Kinder, etliche über schwangere Weiber, etliche über Geheimnüssen und dergleichen. Sie haben auch ihre Märterer, Reliquien, und lügenhaffte Wunderzeichen.“ (Ross, Gottesdienste, S. 291–292).

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4. Nerreters Neueröffnete Mahometanische Moschea

7. Frage. Was haben sie vor Welt-Priester? 8. Frage. Worinn bestehet fürnemlich die Mahometische Devotion und Heiligkeit? 9. Frage. Was halten sie vor Ceremonien in ihren Wallfahrten nach Mecha? 10. Frage. Was vor Ceremonien gebrauchen sie bey ihrer Beschneidung? 11. Frage. Was haben sie vor Gebräuche bey den Krancken, und Todten? 12. Frage. Wieweit hat sich dieser Mahometanische Aberglaube ausgebreitet in der Welt? 13. Frage. Von was Langwierigkeit, oder Alter ist die Mahometische Religion? Das umfangreiche Buch kann hier nur in knapper Auswahl vorgestellt werden. Von Interesse ist, wie Mahomet und sein prophetischer Anspruch in Bezug auf die Offenbarung des Koran dargestellt und kommentiert werden. An diesen Punkten entscheidet sich grundlegend das theologische Urteil des Autors. Diese Fragen werden anhand einiger Passagen des Buches zu klären sein.

4.2.1 Mahomet und der Koran bei Nerreter Ross’ erste Frage und Antwort lauteten in Nerreters Übersetzung folgendermaßen: Welches sind heutiges Tages die beyden mächtigsten Religionen in Europa? Antwort: DIe Mahometische und Christliche. Die erste ist herkommen von Mahomet dem Araber, welchen geholffen Sergius, ein Nestorianischer Münch, nebst etlichen andern Haupt-Ketzern und Jüden, etwa 600. Jahr nach der geburt Christi. Denn Mahomet ward geboren unter dem Kaiser Mauritio, An. 591. Er ward erwählet zum General über die Kriegs-Macht der Saracenen und Araber. Nachmals ward er ein Prophet derselben, welchen er seine gottlose Lehre und Gesetz beygebracht, davon er fürgegeben, daß sie ihm vom Engel Gabriel überantwortet worden. Aber sein Buch, der Alcoran genannt, ward nach seinem Tode sehr verändert, und wurden mancherlei ungleiche Exemplaria desselben ausgebreitet, wovon viele verbrandt, eines aber behalten worden, welches annoch im guten esse und Gebrauch ist. Dieses Buch wird vertheilet in 124. Capitel, welche angefüllet seyn mit Fabeln, Lügen, Lästerungen, und einem Gemüse vom Unverstand und Gottlosigkeit, ohne alle Zahl oder Ordnung; inmassen ich gezeiget habe in der Warnung, so ich an die Leser des Alcorans gethan. Gleichwohl wird demjenigen, so diß Buch tausendmal durchliset, eine solche Fraue im Paradis Mahomets verheissen, welcher Augenbrauen so weiß wie der Regebogen seyn sollen. Ihrem lächerlichen Buche, Musaph genannt, erweisen sie grosse Ehre, daß niemand selbiges anrühren darff, er habe sich denn vorhin vom Haupt zu Fusse gewaschen: auch mag man es nicht handhaben mit blossen Händen, sondern muss dieselben in rein Leinwand einwickeln. Wenn diß Buch in ihren Tempeln öffentlich gelesen wird, darff es der Leser nicht niedriger, als seine Rieme oder Gürtel ist, halten,

4.2 Nerreters Neueröffnete Mahometanische Moschea

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und wenn er aufhöret zu lesen, küsset er das Buch, und drücket es an seine Augen. Besihe Lonicerum, und andere. (1–2)

Nerreter zitiert diese Frage und gibt einen Zusatz und Erläuterungen, in denen er sich auf Mahomets Geburt, Leben, Lehre und Anhänger bezieht. Dieser Zusatz ist wiederum in zwanzig Fragen gegliedert.17 Nerreter weitet die von Ross vorgelegte Betrachtung also gehörig aus und verwendet Ross’ Text letztlich nur als Stichwortgeber. Einige Aspekte seiner Beantwortung dieser 20 Fragen werden hier aufgeführt. Von Interesse ist wie gesagt, wie Mahomet – neben vielen Einzelaussagen – vorgestellt und kommentiert wird. § 1. Was schreiben die Mahometanische Scribenten von ihres Propheten Wunder-Geburt? OBgleich aus dem Alkoran erhellet, daß Mahomet (Mahammed, Muhamed) biß ins vierzigste Jahr seines Alters ein grosser Sünder und Abgötter gewesen, nichts destoweniger geben seine Arabische Scribenten unterschiedliche Wunder-Werke vor, die sich bei seiner Geburt sollen zugetragen haben. (3)

Nerreter berichtet mit Verweis auf Marracci18 und auf Hottinger19 Folgendes: Mohammeds Mutter habe ihn ohne Schmerzen geboren. Er habe sie sofort 17 „§ 1. Was schreiben die Mahometanische Scribenten von ihres Propheten Wunder-Geburt? § 2. Was hat sich aber mit dem Mahomet nach seiner Geburt zugetragen? § 3. Wie soll er dann zu der ihm befreundeten reichen Chadiga (Chadigha) und dadurch zu seinen fernern Auffnehmen gekommen seyn? § 4. Was hat sich dann auf seiner Reise nach Syrien mit ihm begeben? § 5. Was hat sich aber ferner nach der Mahometaner Fürgeben mit Mahomet zugetragen bey seiner Zuruckkunfft auß Syrien? § 6. Wann und wie hat aber Mahomet seine neue Lehr angefangen und angebracht? § 7. Was hat sich nun Mahomet ferner für einen Anhang gemacht? § 8. Hatte Mahomet mit den Seinigen auch Verfolgungen? Und wie verhielten sie sich dabey? § 9. Wie ists dann mit der Nächtlichen Reise, die Mahomet nach Jerusalem und dann in Himmel gethan? Als nach welcher seine Secte sonderlich solle zugenommen haben? § 10. Haben auch alle Innwohner zu Mecha dem Mahomet alsdann geglaubt, und ihn als GOttes Gesandten geehrt und gehört? § 11. Weil nun die Mahometaner ihre Geschichten nach der Hegira oder Flucht Mahomets zehlen, so möchte ich wissen, was von derselben Zeit an sich sonderlichs mit ihm ferner zugetragen. § 12. Was begab sich sonderlich merkwürdiges im zweyten und folgenden Jahren der Hegira? § 13. Wie giengs aber nach Mahomets Tod? § 14. Was hatte aber Mahomet mit seinen Nachfolgern für eine Regierungs Art? § 15. Wie ist wol Mahomet sonst beschaffen gewesen nach seiner Gestalt, Natur und Qualitäten? § 16. Was hat es mit dem Alkoran für eine eigentliche und ausführlichere Beschaffenheit? § 17. Was hält der Alkoran sonst noch vor Sachen in sich? § 18. Was verspricht Mahomet den Seinigen für ein Paradeis? § 19. Was bringt der Alkoran ferner für ungereimte und gottlose oder Frevelhaffte Dinge vor? § 20. Was hält dann der Alkoran von der Christlichen Religion?“ 18 Alcorani textus universus Ex correctioribus Arabum exemplaribus summa fide, atque pulcherrimis characteribus descriptus. Eademque fide, ac pari diligentia ex Arabico idiomate in Latinum translatus; Appositis unicuique capiti notis, atque refutatione: His omnibus praemissus est Prodromus Totum priorem Tomum implens, in quo contenta indicantur pagina sequenti, Auctore Ludovico Marraccio E Congregatione Clericorum Regularium Matris Dei,

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4. Nerreters Neueröffnete Mahometanische Moschea

erkannt und das Bekenntnis zu Gott und seinem Propheten gesprochen. Entweder sei er beschnitten auf die Welt gekommen oder sein Großvater habe ihn nach sieben Tagen beschnitten, oder der Engel Gabriel, der ihm auch das Herz gereinigt habe. Die Teufel hätten nicht mehr vom Himmel kommen können. Die Götzenbilder seien „auf ihre Mäuler gefallen“ (4); der See Sava sei ausgetrocknet, der Bach Samava übergelaufen; das Feuer der Perser sei erloschen und vierzehn Türme der Residenz Persiens seien eingestürzt. Seine Mutter habe unter der Geburt Engelserscheinungen gehabt, die Engel hätten Mahomet in einer Wolke um die Welt transportiert und er sei mit den Schlüsseln des Sieges, der Prophezeiung und des Tempels zu Mekka zurückgekehrt. Verschiedene andere Erscheinungen hätten seine prophetische Sendung für die Welt eröffnet, während sein Großvater die Götzen im Tempel zu Mekka fallen sah. Auf dem Weg zum Geburtshaus habe er Berge hüpfen gesehen, im Gemach seien eine weiße Wolke und Düfte gewesen. Erst hätten ihn die Engel sehen sollen, dann der Großvater. Viele Teufel seien erblindet oder gestorben. § 2. Was hat sich aber mit dem Mahomet nach seiner Geburt zugetragen? Hier zitiert Nerreter wiederum Marracci.20 Seine Amme habe ihn aufgrund einer Vision gefunden. Mahomet habe so geglänzt, dass nachts kein Licht nötig gewesen sei. Der Teufel habe vierzig christliche Mönche angestiftet, ihn zu töten; doch sie wurden durch himmlisches Feuer vernichtet. Eine Hungersnot sei wunderbar zu Ende gegangen, das Kind habe Kranke geheilt, seine Windeln und Kleider hätten nie gewaschen werden müssen. Als Siebenjähriger sei er Schafhirte mit wunderbaren Fähigkeiten gewesen. Zwei schwarze himmlische Jünglinge hätten seinen Bauch aufgeschnitten und einen schwarzen Blutstropfen des Satans aus dem Herzen gepresst. Nach siebenmaligem Umrunden der Kaaba habe seine Amme Mahomet unter einem Baum wiedergefunden, nachdem sie ihn verloren hatte. Er sei von einem weißen Vogel dorthin gebracht worden. Nach dem Tod des Großvaters sei er zu Abu Talib gekommen. Als er sieben Jahre alt war, sei seine Mutter gestorben; einige schrieben, er habe sie später „wieder aufferweckt, und zur Muselmännin gemacht. Andre aber wollen dieses nicht glauben (weil sie gescheiter sind,) und sagen dafür; er habe nur seiner Mutter Grab besucht, und sich da genug geweint.“ (10).

Innocentii XI. Gloriosissimae memoriae olim Confessario. Patavii, MDCXCVIII. Ex Typographia Seminarii. Superiorum permissu. 19 Historia Orientalis: quae ex variis orientalium monumentis collecta […]. Authore Joh. Henrico Hottingero, Tigurino. Tiguri, Typis Joh. Jacobi Bodmeri. Anno M DC LI. Hottinger unterscheidet übrigens einen auf den Propheten bezogenen Muhammedismum vom Saracenismo als der Religion der alten Araber. 20 „[D]er in den Arabischen Wissenschaften fürtreffliche Italiener Lodovicus Marraccius, des Innocentii XI. Beichtvatter, in seinem zu Padua An. 1698. gedruckten aus ausgelegten Alcorao [!] Præfat. de Vit. Mahum.“ (S. 6).

4.2 Nerreters Neueröffnete Mahometanische Moschea

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Nach der Vorstellung dieser disparaten Überlieferungen kommt Nerreter zu der Frage: § 3. Wie soll er dann zu der ihm befreundeten reichen Chadiga (Chadigha) und dadurch zu seinen fernern Auffnehmen gekommen seyn? Als Vermittler wird ein jüdischer Priester erwähnt; die zweimalige Witwe Chadiga habe sich gleich in Mahomet verliebt. Mahomet sei von einem Drachen bewacht worden, ein Abt habe ihn zu Chadiga gebracht. Diese habe ihm ihre Geschäfte übertragen, ihn aber mit einem wilden Kamel erprobt, welches ihm zu Füßen fiel und sprach. Chadiga habe dies nicht als Zauberei, sondern als Tat des Propheten angesehen und ihn nach Syrien verabschiedet. § 4. Was hat sich dann auf seiner Reise nach Syrien mit ihm begeben? Nerreter gibt Schilderungen einer gefährlichen und wunderbaren Reise wieder, auf der ihm ein teuflischer Drache begegnete, der auch Zeuge Christi Himmelfahrt und Befehl an seine Apostel gewesen sei, dem Mahomet zu folgen. Ein Wasser- und Speisungswunder wird ebenso zitiert, wie eine Begegnung mit dem christlichen Abt Felix, der ein Buch über Mahomet gehabt habe und in dauernder Erwartung seiner erblindet sei. Die Geschäfte in Syrien habe Mahomet mit doppeltem Gewinn abgewickelt. Einem Anschlag durch einen jüdischen Priester namens Said sei er erfolgreich entgangen. § 5. Was hat sich aber ferner nach der Mahometaner Fürgeben mit Mahomet zugetragen bey seiner Zuruckkunfft auß Syrien? Gabriel habe auf der Reise eine Rasthütte aus dem Paradies gebracht und die himmlischen Jungfrauen hätten Gott gelobt, dass er Mahomet auf die Erde gesandt habe. Chadiga habe ihn in der strahlenden Hütte von Ferne erkannt, ihn wiederum von Gabriel begleitet gesehen und heiraten wollen. Die Hochzeit sei himmlisch begleitet worden, Berge und Täler hätten frohlockt und in Mekka sei gefeiert worden. Die wunderbaren Schilderungen von der Geburt bis zur Hochzeit schließt Nerreter mit einem einzigen kommentierenden Satz: „Und so viel von diesem Mährlein.“ (17) § 6. Wann und wie hat aber Mahomet seine neue Lehr angefangen und angebracht? Hier erwähnt Nerreter verschiedene Überlieferungen, die um Gabriel, Mahomet und Chadiga kreisen. Chadiga sei seine erste Anhängerin gewesen. Mahomet habe mit der Erklärung seiner Begegnung mit Gabriel „seine Leibsund Seelen-Krankheit“ (19) geschönt. Durch Fasten in der Einöde und in der „Höle (Gar Harra)“ sei „ihm das Hirn davon geschwunden, und er habe allerhand Gesichte gesehen, sonderlich auch den Engel Gabriel, der ihn ohngedachter massen, als einen Gesandten GOttes, in seiner unternommenen Verzweifflung auffgerichtet und gestärket habe“ (20).

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4. Nerreters Neueröffnete Mahometanische Moschea

§ 7. Was hat sich nun Mahomet ferner für einen Anhang gemacht? Sein zweiter Anhänger sei Ali, sein dritter Said geworden. Als Mahomet öffentlich zu verkündigen begann, habe ihn Abu Talib gegen die Mekkaner verteidigt. Indeßen aber wurden andere mehr von Mahomet zu seiner religion angelocket, indem er bewieß, daß GOTT, als der Höchste, nur ein einiger, und die Vielgötterey ganz ungereimt wäre, schröckte die Leute mit dem jüngsten Gericht und der Hölle, wo sie ihm nicht wollten beyfallen, hingegen machte er ihnen sonderbaren Lust, mit Vorstellung der unvergleichlichen Wollüste, die seine Glaubens-Genossen im Paradeis nach allem Wunsch ihres Herzens genießen sollten, und versprach seinen Anhängern große Herrschaft und Gewalt. (21–22)

In diesem Stil fasst Nerreter die damals bekannte Überlieferung zusammen. Er konstruiert dabei eine Verlaufsgeschichte, deren Einzelheiten er höchstens als „seltsame Dinge“ kommentiert (so etwa S. 30). Erst die „Behauptung nun dieser Himmelfahrt“ habe Mahomet das Ansehen als vollkommener Gesandter Gottes und dem Koran Eingang als Gesetz Gottes verschafft. Worinn er es den Juden nachgemacht, und von seinem Freund dem Rabbi Abdalla (Abdia) hierinn ohne Zweiffel unterrichtet worden, dahero wurden alle seine Reden und Thaten als Göttliche Dinge aufgezeichnet, und die Sonna (Zuna) in unterschiedlichen Theilen, wie bei den Juden der Thalmud, daraus verfertigt.21 (31)

§ 15. Wie ist wohl Mahomet sonst beschaffen gewesen nach seiner Gestalt, Natur und Qualitäten? Mit dieser Frage kommt Nerreter zu einem bis auf die Physiognomie ausgedehnten, kurzen Charakterbild Mahomets. Sein Bildnis ist in der Histoire de la Relig. de Turcs par Mich. Baudier L. I. p. 13.[22] also zu sehen. Sonsten geben hierinn die Mahometaner mancherley, theils lächerliche und fabelhaffte, theils aber auch glaubwürdige Händel für. Mit jenen ist uns nichts gedient, wollen also nur anführen, was sie von demselben wahrscheinlich fürbringen. Seine Statur belangend, so ist er gewesen von vierschrödiger Gestalt, weder zu lang noch zu kurtz, und von sehr gutem Ansehen […]. Von seinen Tugenden rühmen seine Scribenten zwar viel, und daß er unter andern auch nicht Böses mit Bösen vergolten, jedoch melden sie in seiner Lebens-Beschreibung in der That das Widerspiel, als zum Exempel, daß er einstmals, die Räuber, so ihm seine Cameel weggetrieben, überfallen, und unmenschlich tractirt, 21 Nerreter verweist hier auf Prideaux, Leben, S. 90. 22 Histoire generale de la religion des Tvrcs, avec la naissance, la vie & la mort de leur Prophete Mahomet; Et les actions des quatre premiers Caliphes qui l’ont suiuy, Celles du Prince Mahuuias; Et les rauages des Sarrazins en Europe, aux trois premiers siecles de leur Loy. Ensemble le tableau de toute la Chrestient la venu de Mahomet. Par le Sieur Michael Baudier, le Languedoc. A Rouen, Chez Iean Berthelin, dans la Cour du Palais. M. DC. XLI.

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indem er ihnen Hände und Füsse abgehauen, die Augen mit glühenen Eisen ausgebrannt, und so verzappeln lassen. Sie wollen von ihm vorgeben, als wäre er sehr züchtig gewesen; da er doch seine Aische, als sie nur noch sieben Jahr alt war, mißbraucht; ja auch mit seiner Tochter Fatima, da er sie schon verheurathet, sich gemein gemacht, wie Aly Ebrahim, ein Sohn Hascem berichtet, anders zu geschweigen. Vid. Marracc 1 c.p.31&c.[23] allwo zugleich berichtet wird, daß er nach der gemeinen Meinung ein und zwanzig Weiber gehabt, wiewol ihm andere sechs und zwanzig zueignen, und noch vier Kebsweiber zu Mägden. Von seinen Weibern hat er sechs verstossen, fünf sind ihm gestorben bey seinen Lebzeiten. So lang aber Chadige lebte, durffte er keine andre darzu nehmen. Seltsam ists, daß die Mahometaner fürgeben, er habe keine von seinen Weibern, als eine Jungfrau geheurathet, ausser der Aische, die damals nur sieben Jahr alt war. Seine vier Söhne die er mit der Chadige gezeuget, starben in der Kindheit, und blieben ihm nur noch vier Töchter übrig, welche er verheurathet, worunter seine Fatima die fürtrefflichste war, also daß sie auch bey den Muselmännern für ein Muster aller Weibsbilder gehalten wird, und diese war des Aly Haußfrau. Hatte also Mahomet keinen Sohn, dem er seine mit so großer Mühe und Gefahr erworbene Herrschaft hinterlassen kunte, auch keinen leiblichen Bruder nicht. Funfzehen Schreiber hatte er immer um sich, darunter vier seine Herolden waren, die achte aber musten in dem Treffen auch bey seiner LeibGuarde dienen. Wiewohl er bey funfzig Feldzug gethan, soll er doch nicht mehr als neunzehen bis zwanzig Schlachten gehalten haben, wodurch er sich so weit emporgeschwungen. (44–46)

Nerreter zeichnet insgesamt eine Lebensgeschichte, die fast völlig frei von Interpretationen und Kommentaren ist, jedoch aufgrund der Vielzahl an nebeneinander stehenden Traditionen als äußerst widersprüchlich erscheint. Dass Mahomet ein Erzbetrüger sei, wie es in der Widmung heißt, der mit dem Teufel zusammenhänge, findet sich in der Darstellung seines Lebens nicht wieder. In seinem hier von Nerreter gezeichneten Charakterbild fallen allerdings die negativen Züge auf, die Nerreter aber nicht weiter kommentiert. Anders verhält es sich mit der Darstellung des Koran (§ 16). Dessen Geschichte wird knapp geschildert, wobei nach Entstehungslegenden auf Helfer hingewiesen wird: Sergius (auch „Bohairam“ oder „Bahiram“), ein nestorianischer Mönch und Mahomets jüdischer Freund Abdalla, von denen er die Lehre der Heiligen Schrift (bes. des Neuen Testaments) und die „Thalmudischen Fabeln“ gelernt habe. Das übrige stamme

23 Alcorani textus universus Ex correctioribus Arabum exemplaribus summa fide, atque pulcherrimis characteribus descriptus. Eademque fide, ac pari diligentia ex Arabico idiomate in Latinum translatus; Appositis unicuique capiti notis, atque refutatione: His omnibus praemissus est Prodromus Totum priorem Tomum implens, in quo contenta indicantur pagina sequenti, Auctore Ludovico Marraccio E Congregatione Clericorum Regularium Matris Dei, Innocentii XI. Gloriosissimae memoriae olim Confessario. Patavii, MDCXCVIII. Ex Typographia Seminarii. Superiorum permissu.

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4. Nerreters Neueröffnete Mahometanische Moschea

von seinen Heidnischen Arabern und eignen Einfällen, wie auch unterschiedlicher Gelegenheit zur Erlangung seines Zwecks, und Erfüllung seiner weltlichen und fleischlichen Begierden hergenommen und beygefüget, und also auß denen berühmten drey Religionen eine vierdte, so dem Fleisch und der Welt nicht unanständig, zusammen geschmiedet. (49–50)

Inhaltlich lasse sich der ungeordnete Koran in drei Teile bringen: Historien, Lehren und Widerlegungen anderer Religionen. Nerreter gibt eine Übersicht über diese und weitere Themen. Dass der Koran „ungereimte und gottlose oder Frevelhaffte Dinge“ (61) enthalte, scheint fraglos zu sein. Erwähnt werden einige Unterschiede zur Bibel (Isaak-Ismael, goldenes Kalb, Maria als Schwester Moses und Aarons u. a.), abweichende Schreibweisen von Namen sowie Widersprüche im Text. Der als „geil“ bezeichnete Mahomet habe z. B. Sure 33 und 66 nur für sich selbst geschaffen. Man finde also Ausnahmeregeln nur für die Person Mahomets. Die christliche Religion lehne der Koran als „sehr ungereimt, und im Grund verderbt“ (63) ab, er enthalte aber auch zum Schein (!) viel Gutes über Christus und die Jungfrau Maria. Die Gottessohnschaft, die Dreieinigkeit sowie Kreuzigung würden geleugnet. Ob Jesus gestorben oder lebendig entrückt worden sei, bliebe offen.

4.2.2 Mahomet der große Antichrist? Eine entscheidende Frage mit Blick auf Mahomet war, ob er als der Antichrist anzusehen sei. Auch dieses Thema lässt Nerreter sich von Alexander Ross vorgeben, allerdings kommt er zu einem ganz anderen Schluss als dieser. Ross’ vierte Frage und Antwort lauteten folgendermaßen: War Mahomet der grosse Antichrist, davon Paulus 2. Thes. 2 St. und Johannes in seiner Offenbarung reden? Antwort: Nein; denn Mahomet war ein Araber, entsprossen von Ismael und Hagar; der Antichrist aber (so wir den alten Kirchenlehrern glauben wollen) soll ein Jude seyn, aus dem Stamm Dan. (159)

Damit hatte Ross sein erstes Argument benannt; 2) sei Mahomet vor über tausend Jahren gekommen, nicht am Ende der Welt unmittelbar vor der Wiederkunft Christi; 3) Enoch und Elias müssten zuvor kommen; 4) Mahomet habe länger als 3 12 Jahre geherrscht, dies war mündliche Lehre der ersten Kirche; 5) Mahomet widersetzte sich nicht gänzlich dem Christus und setzte sich nicht an seine Stelle; 6) Forbesius,[24] Cartwright[25] und andere meinten, 24 Arnoldi Montani Forbesius Contractus, sive compendium Instructionum Historico-Theologicarum De Doctrin Christian & vari rerum statu ortisque erroribus & controversiis, jam inde temporibus Apostolicis, ad tempora saeculi decimi septimi priora. Studio Joannis Forbesii Corse Presbyteri & S.S. Theologiae Doctoris, ejusdemque Professoris in Academi Aberdoniensi. Amstelodami, Apud Aegidium Janssonium Valckenier, Anno 1663. 25 Thomas Cartwright (1535–1603).

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der Antichrist als Stern vom Himmel in Apk 9 bezeichne nicht Mahomet, dieser sei dort unter den vier gebundenen Engeln im Euphrat zu suchen; 7) Mahomet habe nicht im Tempel Gottes gesessen, wie 2. Thess. 2 vom Antichrist sagt, sondern sich von der Gemeinde abgesondert; 8) Der Antichrist komme mit lügenhaften Zeichen und Wundern, Mahomet aber mit dem Schwert; 9) Der Antichrist sei keine Person wie Mahomet, sondern eine ganze Gesellschaft; 10) Mahomet sei nicht durch den Odem Gottes, sondern natürlich gestorben. Mahomet war für Ross also nicht der große Antichrist, der am Ende der Welt kommen soll, sondern ein Antichrist wie etwa Arius, Nero, Domitian, Diocletian oder andere, die er als Verfolger nennt. Die Zahl des Tiers 666 finde sich in seinem wie in anderer Verfolger Namen. Mahomet werde wohl durch den Tod auf dem fahlen Pferd (Apg 6) bezeichnet, dem Macht über den vierten Teil der Erde gegeben war und der Tod und Verwüstung hinterlassen habe. Nerreter stellt diese Frage nun noch einmal und kommt zu einem anderen Ergebnis als Ross, indem er Daniel 11,36–12,13 einbezieht und damit die Geschichte Mahomets und seiner Nachfolger bis zu Mahomet II. deutet. Den dort genannten König, der sich überheben und gegen den höchsten Gott unerhörte Reden führen und Erfolg haben wird, identifiziert Nerreter als das Osmanische Reich bzw. als Mahomet, der sich von allen Gesetzen losgemacht habe und ein eignes, nämlich seinen Alkoran an statt des Göttlichen Gesetzes, nach seinem Willen abgefasst, und der Welt fürgeschrieben, sich dadurch über alles was GOtt ist, nämlich über alle Obrigkeiten, welche in der heil. Schrift als Psalm 82. v. 6. und Joh. X, v. 34. Götter genennt werden, erhebet und aufgeworffen, die DreyEinigkeit, Christi Leiden und Verdienst, und den an ihn seeligmachenden Glauben verläugnet und geschändt, wormit es ihm doch gelungen, daß er durch GOttes Verhängnis seine Lügen weit und breit angebracht, und so viel Länder und Königreiche damit erfüllet, welches währen soll biß zum Jüngsten Gericht. (165)

Nerreter geht weiterhin davon aus, dass Mahomet an einen anderen Gott glaubt, wie es in Dan 11,37 f. beschrieben wird. Er bezieht dabei den Gott „Mäusim“ mit Martin Geier („Gejer“)26 auf die Bezeichnung Moschee, in der 26 Martin Geier, Praelectiones Academicæ in Danielem Prophetam, habitatæ antehac Lipsiæ, Lipsiæ, Sumtibus Hæredum Friderici Lanckisii, 1702, S. 932–933: „Ad in hæc ipsa ver BF:=B præsidida referuntur porr Basilicæ, templa ac monasteria Papalia, arcibus qvandoqve similiora, qv m ædibus sacris; qv ratione express templum Hierosolymitanum in singulari appellatur 8BF:C vers.31. hujus capitis; unde non mal colligitur, Regem hunc habiturum plura BF:=B templa splendida, novumqve illic Numen templis illis præfectum, qvod ignorarunt majores, &c. Inde Alstedius præcogn. Theol. pag. 604. Deum Mausim vertit, Deum basilicarum seu Numen templarium, intelligens de De in Miss fact . Huc etiam, qv d Arabes templa sua vocant Meussin, unde Moscheæ vel Mosqvæ: apud Graserum de Anti-Chr. p. 215. […] ade qvue sicut Deus Mahumetistarum, utut ab ipsis dicatur Creator cœli ac terræ unicus & supremus, nihilomin s Christianis vocatur idolum, Mahumetistæqve ob id idilolatræ; ita & hic Deus Anti-Christi, utut secund m aliqva notus etiam fuerit Ecclesiæ antiqvæ, tanqvam Triunus, &c.“.

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dieser fremde Gott verehrt werde, den man auch einen Tempel-Gott nennen könne, indem auff deren Thürmen täglich von denen hierzu bestellten Pfaffen für den einigen Gott (in Wesen und Person) dessen Prophet Mahomet sey, außgeruffen und in denen Moscheen also geehret und angebetet wird. Von welchem Mahometischen Gott und dessen falschen Dienst seine Väter nichts gewust haben. Diesen ehret Mahomet (mit seinem Anhang) in den Moscheen mit Gold, Silber, Edelgestein und Kleinodien, mit welchen sie solchen innwendig behängen und außschmücken. (166)

Als Beispiel nennt Nerreter die Hagia Sophia in Konstantinopel. Auch auf Mahomets reich geschmücktes Grab in Medina treffe die Beschreibung aus dem Danielbuch zu. Worauß schon gnug erhellet, wie der Gott Mahomets, (der Gott Mäusim) von den Mahometanern in ihren Reichen, sowohl in Tempeln (Moscheen) als in Beehrung des Propheten (Mahomets) mit Gold, Silber und Edelgestein, und andern Kostbarkeiten geehrt werde. (169)

Für Nerreter ist Mohammed mit seinen Nachfolgern also der Antichrist, zumal er feststellt, daß die meisten Ausleger Daniel 11 und 12 auf 2. Thess 2 und auf Offb 13 und 17 bezögen. Die in Dan 11,40–44 getroffenen Aussagen deutet Nerreter auf die Kriege Selims I. zwischen 1512 und 1517: Selim I. ist für ihn der hier geschilderte König des Nordens (König gegen Mitternacht). Die in Vers 45 erwähnten Prunkzelte habe Mahomet II. aufgeschlagen, als er Konstantinopel einnahm. Nerreters Aussage ist: Mahomet, der Antichrist, glaubt an einen anderen Gott.27 4.2.3 Das Ende des Türkischen Reiches Ross hatte auf die Frage nach dem Ende des Türkischen Reiches noch einmal seine relative Wertschätzung zum Ausdruck gebracht und letztlich folgendermaßen geantwortet: 4. GOTT lässet es geschehen, daß diese Mahometische Secte so lange Zeit bleibe, weil unter ihnen Gerechtigkeit geübet wird, ohne welche eine Republic oder Königreich nicht länger kan Bestand haben, als ein Baum ohne Wurtzel, oder ein Hauß ohne Fundament; auch sind sie sehr andächtig und eiferig in ihrer Lehre, und grosse Feinde der Abgötterey, welche ein Geistlicher Ehebruch ist, ganz schädlich und nachtheilig der ehelichen Vereinigung zwischen GOtt und uns Menschen. 5. GOtt will durch die Langwierigkeit des Mahometischen Aberglaubens heimsuchen und straffen die Treu- und Gottlosigkeit dero Griechischen Kaiser, wie auch die grosse 27 Rehrmann, Ehrenthron, S. 66 kommt zu der gegenteiligen Einschätzung. Dies liegt daran, dass Rehrmann die von Nerreter übersetzte Position von Alexander Ross, nicht aber die daran anschließende differierende Position von Nerreter zugrunde legt.

4.2 Nerreters Neueröffnete Mahometanische Moschea

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Menge der Secten und Ketzereyen, so in der Kirchen ausgebrütet seyn. 6. Diese Mahometische Secte ist dergestalt vom Christen-, Juden- und Heidenthum zusammen geflickt, daß keine Secte von diesen Völkern es groß machet, noch eine ernstliche Lust und Begierde hat dieselbe auszurotten. (xx)

Ross versteht diese Religion also als Sekte, die eine Strafe Gottes sei und Bestand haben werde. Er lobt sogar, dass in ihr Gerechtigkeit geübt, die Lehre ernst genommen und die Abgötterei bekämpft werde. Auch hier findet sich in der Substanz eine Gegenrede Nerreters, der ja sogar so weit gegangen war, den Gott Mahomets zu einem anderen Gott zu erklären. Auf dieser Grundlage kann er natürlich nicht von einer (quasi-)christlichen Sekte reden und beschäftigt sich ausführlich mit diversen aus der Schrift abgeleiteten Berechnungen zum Ende des Türkischen Reichs. Wenn man so etwas wie eine Position Nerreters aus der umständlichen Darstellung lesen möchte, dann bietet sich Nerreters Diskussion zum Danielbuch an, in dem von der Auskunft Gabriels über Jerusalem die Rede ist (Dan 9,20–27). [D]ie ganze Währung der verfolgung der Kyrche GOttes, von dero Morgen ode ersten Anfang, so im alten Testament begonnen, biß auf deren Abend oder äusserstes Ziel und gänzliches Ende, welches im Neuen Testament zu erwarten, sey eingeschlossen in die Zeit von 2300. Jahren. Wann wir nun diese 2300. Jahr anfangen zu zehlen von der ersten Wegführung der Juden nach Babel, als Daniel auch mit weggeführt worden, da die Verdruckung der Jüdischen Kyrchen, ihren Anfang genomen hat […], so ist solches geschehen 599. Jahr vor Christi Geburt. (487)

Zu dieser Zahl seien 1701 Jahre zu setzen, so komme man auf 2300 Jahre. Da die Zeitrechnung von der Babylonischen Gefangenschaft bis zu Christus aber ungewiss sei, so kan die Zahl der Jahren nach dem neuen Seculo 1700. leichtlich sich noch um einen guten Theil weiter als nur um 1701. erstrecken, welches der Ausgang am besten zeigen wird. Bey welcher Muthmassung mans billig bewenden lässt. (488)

Ganz im Gegensatz zu Ross sieht Nerreter Mahomet und die Türcken als Antichrist (nach dem Propheten Daniel) und erwartet das Ende ihrer Herrschaft ab dem Jahr 1701. Einige Seiten weiter wird Nerreter noch etwas genauer, wenn er andere Interpretationen wiederum auf die Zahl 2300 bringt und wenn er sich am Ende auf die Lesart einlässt, die das Jahr 1773 oder das Jahr 1776 als das Ende der Vorbereitungszeit angibt, die 75 Jahre (30 plus 45 Jahre nach Dan 12,11) betrage. In dieser Zeit solle die Macht des Antichrist anfangen zu wanken und er werde seinen letzten Zorn gegen die Kirche Christi wenden. Gleich darauf werde das Antichristentum vertilgt werden (Apk 18). In den ersten dreißig Jahren werde das Evangelium (Donnerstimme) durch den Heiligen Geist bei Mahometanern, Juden und Heiden ausgebreitet (Mt 24,14). Der Zorn werde

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4. Nerreters Neueröffnete Mahometanische Moschea

über die Gottlosen kommen. Es sei eine Bekehrung der Mahometaner, Juden und Heiden zu erwarten. Nerreter deutet diese Aussagen auf seine Gegenwart. Man lebe bereits in der letzten Zeit. Es komme auf die Vernichtung Gogs und Magogs (Ez 38,22; Dan 9,17) an. Am besten solle man missionieren, indem man den Anhängern Mahomets gegenüber den Koran widerlege. Dies sei in der Türkei schwierig, könne aber über Kaufleute in allen anderen Gebieten durch den Koran entlarvende, aufklärende Bücher erfolgen, deren Titel den Zweck aber nicht verraten dürften. Wichtig wäre der rechte christliche Lebenswandel als Beispiel. Die letzte Frage des ersten Teils seiner Neu-eröffneten Mahometanischen Moschea widmet Nerreter dem Bekehrungsschreiben des Papstes Pius II. an den Sultan Mahomet II., das er in Grundzügen vorstellt. Der zweite Teil seines umfänglichen Werkes enthält dann eine deutsche Übersetzung des Koran nach der lateinischen Ausgabe Marraccis als Mittel zur Mission.

4.2.4 Der Koran als Mittel zur Bekehrung – Nerreters Vorrede zur Koranübersetzung Es sei besser, den Koran bekannt zu machen, als ihn wie der Erzbischof von Toledo, Franciscus Ximenius28, verbrennen zu lassen, denn man könne durch den Vergleich mit der Heiligen Schrift umso besser dessen Betrug erkennen. Nerreter verweist auf die lateinische Ausgabe Biblianders29, die aber mit dem Grundtext nicht übereinstimme. Er nennt die (zugrundeliegende) Übersetzung von Robertus Retinensis Anglus30 und die von Hermannus Dalmata31, aus der eine italienische Übersetzung gemacht worden sei. Weiterhin habe Andr. du Ryer32 eine französische Übersetzung angefertigt, die auch noch ins Lateinische und Englische übertragen wurde. Diese Übersetzungen seien fehlerhaft, wie auch Georg Calixt angemerkt habe, der eine vertrauenswürdige Übersetzung wünschte. Zwar habe auch der Nürnberger Prediger Salomon Schweigger den Text mit Widerlegung aus dem Italienischen übersetzt. Die Ausgabe sei bei Endter (damals Johann Andreas und Wolfgang Endters d.J. Erben, auch Nerreters Verlag) erschienen, enthalte aber Teile, die gar nicht zum Koran gehörten. Außerdem sei die zugrunde gelegte Fassung des Andreas 28 Francisco Kardinal Jim nez de Cisneros (1436–1517), ein Franziskaner, war ab 1495 Erzbischof in Toledo. 29 Theodor Bibliander (1509–1564) publizierte auf der Grundlage der lateinischen Koranfassung von Robert von Ketton (ca. 1110 bis ca. 1160) im Jahre 1543 in Basel die erste Druckfassung des Koran mit einer Vorrede von Martin Luther: Mahumetis Saracenorum principiis eiusque successorum vitae ac doctrina ipseque Alcoran […],[Basel] 1543. Eine weitere Fassung des Bibliander-Korans enthält ein Vorwort von Philipp Melanchthon. 30 Robert von Ketton. 31 Hermann von Dalmatien/von Carinthia (um 1100 bis um 1155). 32 Andr du Ryer (1606–1656).

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Arrivabenius nicht aus dem Arabischen, sondern aus der englischen Fassung Roberti Retinensis mit all ihren Fehlern erstellt worden. Nerreter nennt dies „Betrug“.33 Seine Vorrede schließt mit folgenden Worten: Wie vielmehr aber kan ein Christ in seinem Glauben gestärckt werden, wann er nunmehro den Alkoran auch selbst lesen und verstehen mag, welcher gegen der heiligen Schrifft ihm nicht anderst als ein finsterer Gestanck fürkommen kan, der vernünfftigen Menschen, geschweige geheiligten Christen, ja noch vielmehr dem allerheiligsten GOtt nothwendig ein Greul seyn muß, und dahero Gelegenheit gibt, die Gnade GOttes in Christo desto höher zu achten, und für so viel unzehlichverführte zu beten, und zu ihrer Bekehrung was müglich ist, beyzutragen. (515)

Nerreter versteht seine Koranübersetzung also als Mittel zur Bekehrung, die er bereits zuvor mit praktischen Hinweisen angesprochen hatte. Dementsprechend fallen auch seine Kommentare aus, die nicht zuerst dafür da sind, den Koran in seinen Facetten und Bezügen zu erläutern, sondern dazu dienen sollen, dessen Aussagen und Ansprüche zu widerlegen. Einige Beispiele mögen dies illustrieren.

4.2.5 Beispiele für Nerreters Koran-Kommentare und Widerlegungen Die erste Sure gibt Nerreter wie folgt wieder: 1. IM Namen GOttes deß Erbarmers, deß Barmhertzigen. 2. Lob sey GOtt, dem HErrn der Welten. 3. dem Erbarmer, dem Barmhertzigen. 4. dem Herrschenden am Tag des Gerichts. 5. Dich ehren wir, und dich ruffen wir um Hülffe an. 6. Führe uns auf rechter Bahn: auf den Weg derer, gegen welche du Gutthätig gewesen (den Mahometanern) wider welche nicht zornig gehandelt worden (als die Juden) und die so da irren, (als die Christen.) (516)

Sein Kommentar dazu lautet: „Also muß der Heilige Name GOttes, deß Betrugs Schand-Deckel seyn wie sich auch der Satan zu dem Ende in einen Engel des Lichts verstellt. 2. Cor. 11.v.14.“ (516) Sure 2, 25 lautet in Nerreters Text: Und verkündige denen, die da geglaubt und recht gethan haben, daß sie werden bekommen Gärten, unter welchen Ströme fliessen. So oft sie von den Früchten einer derselben Gärten essen werden, werden sie sagen: Die ists, von welcher wir zuvor genossen. Aber es wird ihnen also desselben gleiche gegeben werden, (einerley An33 Seit dem 16. Jh. wurde diese Ausgabe als Kopie des Korans von Bibliander bezeichnet; eine Auffassung, der allerdings in jüngster Zeit deutlich widersprochen wurde; vgl. Pier Mattia Tommasino, L’alcorano di Macometto. Storia di un Libro del Cinquecento Europeo, Bologna 2013 sowie Maria Teresa Chicote Pompanin, L’Alcorano of Andrea Arrivabene. An Iconographical Framework. In: Church History and Religious Culture 96/2016, S. 130–154.

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4. Nerreters Neueröffnete Mahometanische Moschea

sehens aber unterschiedlichen Geschmacks,) und in denselben Gärten werden sie gereinigte Weiber haben: Und werden immerzu mit denselben umgehen. (518–519)

Sein Kommentar dazu lautet: Sonderlich erhellet der Betrug genugsam allen Vernünftigen daraus, daß das Paradeis zur fleischlichen Wollust dargepriesen wird, welches denen Bestien und nicht vernünftigen Menschen, zu geschweigen seeligen Leuten, vorzuhalten ist. Dann diese werden den heiligen Engeln gleich seyn. Matth. 22.v.30. und it denselben ihre Freude in GOtt haben. 1. Joh.3.v.2. (520)

Sure 2,137 lautet in Nerreters Text: Sagt: (ihr Muselmänner) wir glauben an GOtt, und an das, so uns vom Himmel herab gesandt worden (den Alkoran,) und was auch dem Abraham herab gesandt worden, und dem Ismael, und Isaac und Jacob, und denen Stämmen Israel, und was anvertraut und übergeben worden dem Mosi und JEsu, (das Gesetz und Evangelium,) und was gegeben worden denen Propheten von ihrem HErrn. Wir machen keinen Unterschied zwischen einigen unter ihnen, (wir nehmen alle Büche mit gleicher Ehrerbietung an,) und sind ihme (GOtt) ergeben. (542–543)

Sein Kommentar dazu lautet: Hier zeigt Mahomet offenbahr, wessen Geists Kind er sey, nämlich des Lügen-Geists. Dann wann Mahomet der Patriarchen, Propheten und JEsu Christi Lere wahr, und für seine Religion hält, warum bringt er ihre Lehre nicht bey und folget ihnen, und warum macht er eine Neue, die offenbahrlich der lehr der H. Schrifft zuwider ist? (550–551)

Ihm unterlaufen dabei auch Fehler. Sure 3,19 lautet in Nerreters Text: Gewieß bey GOtt ist Eslam ein heiliger Dienst. dann diejenige, welchen das Buch ist gegeben worden, sind nicht uneinig gewesen, biß die Wissenschafft unter sie gekommen, aus Neid untereinander. Wer aber gegen die Zeichen GOttes unglaubig seyn wird, mit dem wird GOtt bald zusammen rechnen. (578–579)

Sein Kommentar dazu lautet: Eslam ist das Gesetz von der Einheit GOttes, und bedeutet das Wort eine Tradition (Ubergebung.) Worinn die Juden und Christen allezeit einig gewesen.

In Sure 3,35 ff. zeige Mahomet seinen Unverstand in der wahren Historie der H. Schrifft gantz deutlich, indem er die Jungfrau Maria Joachims Tochter mit Miriam (oder Maria) Amrams Tochter, und Mosis und aarons schwester verwechselt, welche über tausend und sechshundert Jahr von einander unterschieden gelebt haben, welches zwar einige unter den gelehrten Arabischen Auslegern (als Thalebiensis, Zamchascerius und andre beobachtet, aber vergebens damit entschuldigen wollen, weil entweder beeder Marien Vätter, Amram geheisen, oder jene Maria, Aarons Schwester, seye von GOtt

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durch ein Wunderwerck auf diese Letzte aufbehalten worden, welches beedes ein Fabel ist, als wider welche die H. Schrifft einen gantz andern und klaren Beweiß gibt, und der Alkoran in dem ersten ihm selbst widerspricht, da er Mariam, Joachims Tochter, Aarons Schwester nennt, von Amrams Tochter aber (der Mirjam) ausdrücklich stehet, daß sie gestorben und begraben worden zu Kades. Num. 20. v. 1. (587–588)

Sure 4,81 lautet in Nerreters Text: Merken sie wol auf den Alkoran! So solcher von einem andern als von GOtt wäre, so würden sie gewieß viel widerwärtige Reden drinnen finden. (626)

Sein Kommentar dazu lautet: Hier stösst Mahomet seinen Alkoran selbsten um; dann weil in demselben vielhundert widerwärtige Reden gefunden werden, (wie die Ausleger selbst gestehen, und nur damit vergeblich entschuldigen, daß der eine Theil davon abgeschafft worden sey, womit sie aber GOtt in einerley sach, so auf einen Zwek auf einerley Zeit und Weiß zielt, widerwärtige Meinung ausdichten, welches noch gröber heraus kommt,) also muß nothwendig solcher nicht von GOtt seyn, welches er also wider seinen Sinn selbsten gestehen, und sich dahero die Lügen in ihrem eignen Strick verwickeln, und fangen muß. (633)

Zur 25. Sure „Alphorcan oder der Unterscheider“ merkt u. a. Nerreter an: Und ist sich zu verwundern, daß die Mahometaner glauben können, als ob der Alkoran von GOtt, auf einmal in einem Buch wäre vom Himmel herab gesandt worden, da er doch selbst (der Alkoran, in dem die Suren bald Mechis, bald Medinisch, bald vermischt sind) und das Leben Mahomets, genugsam ein anders zeigen, als, daß es wol drey und zwanzig Jahr gebraucht, biß diß schöne Muster dergestalt zusamm gebracht, und fertig worden. Aber was kan der Satan nicht ausrichten bey den Kindern des Unglaubens, wann man ihme einmal die Herrschaft eingeraumt hat? (919)

Immer wieder weist Nerreter darauf hin, dass biblische Erzählungen durcheinander und falsch wiedergegeben würden, benennt oftmals den Talmud als Quelle und zeigt innere Widersprüche im koranischen Text. Mahomet versuche sich im Koran auch als Prophet, der von künftigen Dingen weissagen könne, wenn er in Sure 30 vom Krieg der Perser und Römer schreibe, der Ausgang aber auf beide Seiten gedeutet werden könne – „also hat ers redlich seinem Meister dem Erzlügner Satan nachgemacht, der auch also durch das Oraculum geweissagt, daß die Sache auf beyde widerwärtige Parthey hat können ausgelegt werden“ (964–965). Der Koran könnte „leicht auf wenig, etwa 3. oder 4. Blätter […] gebracht werden“, schreibt Nerreter zu Sure 39, wann eine Sach nur eininigsmal gedacht würde, welche aber mehr als zehen, ja wol funfzig biß hundertmal herfür muß. Als zum Exempel: Wie offt wird die Historie

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4. Nerreters Neueröffnete Mahometanische Moschea

Abrahams und Noæh, und der Sündflut, und Loths, und Davids, und Salomos u. Huds, u. Mosis fürgebracht? Theils über zehen, theils über zwanzigmal, das höllische Fabel-Gebräu und Werk über dreyßig, des viehischen Paradeises Beschreibung über funfzig, des jüngsten gerichts unrechte Beschreibung über siebenzigmal. Und was dienen die stetswährende Schlüsse der Verse von GOtt: Dann er ist sehr mächtig, und weiß, oder, gnädig und barmehrzig etc. sonderlich auf solche Sachen, da GOttes Straffen und Gerechtigkeit vorher angezogen wird, als nur die Zeil und Reimen auszufüllen? Ein anders ists mit der H. Schrifft, da einerley Sach bißweilen wiederholet werden muste, weil es von unterschiedlichen Autoren, auch wol zu unterschiedlicher Zeit, zu Bekräfftigung der göttlichen Warheit, als von GOtt verordneten unterschiedlichen Zeugen, fürgebracht wurde. (1035)

Sure 46,4 lautet in Nerreters Text: So bald du nun einige von den Unglaubigen antreffen wirst: gleich auf den Nacken geschlagen! Biß ihr deren eine gute Anzahl niedergemacht habt. Dann bindet die Gefangenen fest, biß ihr solche hernach umsonst erlasset, oder ranzion von ihnen bekommt, oder die Kriegs-Beschwehrnis aufhöre, (und entweder die Feinde Fried machen, oder den angebotnen Glauben oder Bund, oder aufferlegten Tribut annehmen. (1086)

Sein Kommentar dazu lautet: Hier offenbahrt Mahomet die Tücke seines Herzens, welche er vorhin verborgen hatte, durch falschen Fürwand der Sanftmuth und Verträglichkeit gegen alle Menschen. Dann in dieser wie auch in der neundten Sura, gibt er ungescheut vor, GOtt habe ihm befohlen wider die Unglaubigen und alle seine Widerwärtige mit Krieg, Mord, Gefängnis und aller Grausamkeit zu verfahren. Die Ursach solcher Veränderung war, daß er sich anfangs vor andern Leuten fürchten muste, da er noch schwach war, als er aber seinen Vortheil ersehen, und durch großen Anhang mächtig und gewaltig worden, siehe da muste eine absonderliche Sura vom Krieg herfür kommen, in welcher ihme GOtt selbsten befahl, seinen Feinden auf das äusserste zuzusetzen; womit er dann auch bald darauf einen Anfang machte an seinem Vatterland der Stadt Mecha, die er mit ihrem ganzen district bekriegte, und nicht nachließ biß er solches am ersten seinem tyrannischen Joch unterwarff, welchem hernach ohne Unterlaß andre folgen musten. (1090 f)

Der Ton in Nerreters Kommentaren wird, nicht zuletzt aufgrund ihrer zunehmenden Kürze, immer schärfer. Insgesamt finden sich ausschließlich ablehnende, teilweise ironisch vorgetragene Äußerungen über Mahomet. Nerreters Anmerkungen zu einzelnen Versen des Koran sind – letztlich alle – kritische Anmerkungen zu Mahomet. Abschließende Beispiele mögen dies verdeutlichen: Die in Sure 49 erwähnte Ehrerbietung dem Propheten gegenüber kritisiert Nerreter als beispiellos unter den wahren Propheten ebenso Sure 66, die offenbare, „daß er ein falscher Prophet und böser Mensch sey“ (1162), wenn er

4.3 Bekehrungsabsichten in der Endzeit

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sich göttlich sanktioniert gestatte, was er anderen verbiete. „Das wunderliche Gefick und Geflick der so unterschiednen, und ohne Ordnung aufeinander folgenden mancherley Materien“, schreibt Nerreter zu Sure 69, „zeugen genugsam an, was für ein unvergleichliches Kunststück scil. der Alkoran sey“ (1171). Dass nach Mahomets Koran auch das Vieh am Tag des Gerichts zusammenkommen soll (Sure 81,5), zeige „abermal seinen viehischen Verstand“ (1198), der nicht zwischen der Kreatur ohne und der Kreatur mit Verstand, von der Rechenschaft gefordert werden könne, unterscheide. Er mache Gott zum Urheber des menschlichen bösen Triebes (Sure 91,8), der doch durch die Verführung des Satans entstanden sei, „woraus hernach erst der Trieb zum Bösen erwachsen, der also vom Daifel, und nicht von GOtt herkommt. Gen. 3. Sap. 2. Rom. 5.“ (1209). Mit der 102. Sure müsse Mahomet sich selbst anklagen, wenn dort von der Rechenschaft wegen der Wollust gesprochen werde. In der 112. Sure – „1. sag: es ist nur ein GOtt, 2. der ewige GOtt. 3. Er hat nicht gezeugt, und ist nicht gezeugt, 4. und ist ihm keiner gleich.“ (1221) – offenbare Mahomet, dass „er das Zeugen des geistlichen und göttlichen Wesens, mit dem Zeugen der leiblich- und cörperlichen Creaturen, nach seinem groben und fleischlichen Sinn, nicht unterscheiden kan“ (1221). Die letzte Sure – Die Menschen – habe einen besseren Namen als die erste (!) – die Kuh. „Indessen bleibt nichts bessers zu wünschen als ein recht seeliges ENDE! Soli deo Gloria.“ Damit beschließt Nerreter auf Seite 1222 sein umfangreiches Werk Neu-eröffnete Mahometanische Moschea inklusive Übersetzung und Widerlegung des Koran.

4.3 Bekehrungsabsichten in der Endzeit In seiner gegen Mahomet gerichteten Argumentation geht Nerreter weit über Alexander Ross hinaus und richtet sich teilweise direkt gegen Positionen dieses von ihm adaptierten Autors. Im Ton nähert er sich, besonders in seinen Anmerkungen zum Koran, Prideaux an, dessen wenige Jahre zuvor auch in deutscher Sprache erschienenes Werk er insgesamt siebenmal zitiert. Der Textumfang seines Buches ist kaum zu übertreffen. Was Ross in seinem Weltüberblick eine von fünfzehn Abteilungen wert war, wird von Nerreter auf 1222 Druckseiten zzgl. 50 Seiten Register ausgeführt – mehr Text als alle fünfzehn Abteilungen bei Ross zusammen enthalten. Im Unterschied zu Prideaux argumentiert Nerreter in der Regel auf exegetischer Grundlage und mit Hilfe umfangreicherer exegetischer Literaturbezüge. Seine radikale Ablehnung Mahomets begründet er letztlich mit den Visionen des Antichristen auf der Grundlage des Danielbuches. Prideaux setzte dagegen in jeder einzelnen Äußerung seiner Biographie den Betrug voraus und illustrierte ihn. Nerreter verfolgt eine andere Strategie als sein Stichwortgeber Ross. Ross wollte beweisen, dass es zu jeder Zeit und an jedem Ort Religion gegeben habe

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4. Nerreters Neueröffnete Mahometanische Moschea

und dass diese dem Menschen wesentlich zugehörig sei. Auch wenn sie oft barbarische Züge trage, enthalte sie doch den Gottesglauben, der für jede Gesellschaft grundlegend sei. Seine Darstellung richtet sich gegen zeitgenössische Atheisten. In diesem Zusammenhang kommt es also weniger auf die Wiederlegung Mahomets oder seines Koran an. Nerreter sieht sich dagegen in der Endzeit, die von der Bekehrung der Juden, der Mahometaner und der Heiden gekennzeichnet sei und nicht etwa von ihrer physischen Bekämpfung. Als Mittel für diese Bekehrung dient ihm die Widerlegung des Koran und die Kritik an seinem Urheber. Diese Lesart erlaubt keinerlei Würdigung oder auch nur Indifferenz gegenüber der Gestalt des Propheten. Nerreter löst für den deutschen Sprachraum Alexander Ross mit einem an Prideaux erinnernden Ton ab, ohne jedoch den gesamten Katalog an Betrugsnachweisen zu bieten, wie er sich bei Prideaux findet. Seine Koranübersetzung aus zweiter Hand wurde im Laufe des Jahrhunderts allerdings eher wenig zitiert.34 Bemerkenswert ist jedoch, dass Nerreter gegen Ross’ Intention agiert. Ross wollte den Beweis der weltgeschichtlichen Allgemeinheit von Religion antreten, Nerreter hatte dagegen konkrete Bekehrungsabsichten mit Hilfe des nun öffentlich zugänglichen und von ihm in deutscher Sprache gebotenen und widerlegten Koran vor Augen. Ähnliches war bereits für Prideaux zu beobachten, der sein Life of Mohammed als Anti-Deismus-Position entwickelt hatte, was durch das Weglassen des Letters to the Deists in der deutschen Übersetzung aber überhaupt keine Rolle spielt. In Deutschland sah man sich offenbar in „Türkengefahr“, in England dagegen in „Deistengefahr“. Dies zeigt auch Nerreters Fort- und Umschreibung von Alexander Ross. Deutschland ist nicht England.

34 Allerdings wurden Auszüge aus Nerreters umfangreichen Werk im Jahre 1800 unter einem neuen Titel erneut publiziert: Ueber muhamedanische Religion, deren Sekten, Gebräuche, Feste, geistliche Orden etc. Ein Beitrag zur Religionsgeschichte, allen Theologen und Liebhabern der Geschichte gewidmet von C..l R..e. Omne tulit punctum,/ qui miscuit utile dulci;/ lectorem delectando, pariterque monendo! Elberfeld 1800. Im Comptoir für Litteratur. Der Verfasser gibt an, d’Herbelot verwendet zu haben. Tatsächlich finden sich aber Zitate aus Nerreters Werk von 1703 (vgl. etwa S. 22 ff. mit Nerreters Zusatz und Erläuterung zu Ross bezüglich „Mahomets Geburt/Leben/Lehre und Anhängern“; Nerreter, Moschea, S. 3ff). Von einer Neuauflage des über 1200 Seiten umfassenden Werkes von Nerreter kann allerdings keine Rede sein (so aber Saviello, Imaginationen, S. 336.)

5. Mahomed als listiger Religionsbetrüger und gewaltsamer Erfinder einer Staats-Religion – Johann Franz Buddeus’ Allgemeines Historisches Lexicon (1709) Jede Zeit brauche ihre eigenen Lexika, ebenso jedes Land. Mit dieser Begründung versehen publiziert Johann Franz Buddeus (Budde, 1667–1729) im Jahre 1709 ein zweibändiges Allgemeines Historisches Lexicon, das mehrfach aufgelegt wurde und in späteren Jahren sowohl Zedlers Universal-Lexicon als auch Gottscheds deutsche Fassung von Pierre Bayles Dictionnaire historique et critique als Konkurrenz auf dem entstehenden deutschen Markt für Lexika und Enzyklopädien bekam. Buddes Lexikon trägt nach seinem Verlagsort auch den Namen „Leipziger Lexikon“.1 Der Anklamer Pastorensohn Budde bekam bereits als Kind Unterricht in orientalischen Sprachen und theologischen Gegenständen von Hauslehrern. Nach dem Studium in Wittenberg (1687 Magister, 1689 Adjunkt der Philosophischen Fakultät) hielt er ab 1689 Vorlesungen in Jena. Eine Professur am akademischen Gymnasium in Coburg bekleidete er nur kurz, 1693 wurde er Professor für Moralphilosophie an der 1694 offiziell gegründeten Universität Halle. Hier erwarb er 1695 auch das theologische Lizenziat und promovierte 1705 zum Doktor der Theologie. Im selben Jahr nahm er den Ruf auf einen Theologischen Lehrstuhl in Jena an. Buddeus starb 1729 in Gotha. Er gehört zu denjenigen Theologen, die man in der Theologiegeschichtsschreibung als Übergangstheologen bezeichnet, in seinem Fall, um seine Besonderheit zwischen Orthodoxie, Pietismus und Aufklärung zu benennen. Klar ist, dass er von Valentin Ernst Löscher, aus dessen orthodoxer lutherischer Sicht wegen seiner Kontakte zu bekannten Pietisten wie Philipp Jakob Spener, Ludwig

1 Allgemeines Historisches Lexicon, in welchem das Leben und die Thaten derer Patriarchen, Propheten, Apostel, Väter der ersten Kirchen, Päbste, Cardinläe, Bischöffe, Prälaten, vornehmer Gottes-Gelahrten, nebst denen Ketzern, wie nicht weniger derer Käyser, Könige, Chur- und Fürsten, grosser Herren und Ministern, ingleichen derer berühmten Gelahrten, Scribenten und Künstler, ferner ausführliche Nachrichten von den ansehnlichsten gräflichen adelichen und andern Familien, von Conciliis, Münchs- und Ritter-Orden, heydnischen Göttern, etc. und endlich die Beschreibungen derer Käyserthümer, Königreiche, Fürstenthümer, freyer Staaten, Landschafften, Inseln, Städte, Schlösser, Klöster, Geürge, Flüsse, und so fort, in alphabetischer Ordnung mit bewehrten Zeugnissen vorgestellet werden. Leipzig, verlegts Thomas Fritsch, 1709. Zur Biographie vgl. Friedrich Wilhelm Bautz: Artikel „BUDDEUS (Budde), Johann Franz“. In: BBKL, Band I (1990), Sp. 796–797.

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5. Buddeus’ Allgemeines Historisches Lexicon

Zinzendorf und August Gottlieb Spangenberg verdächtigt wurde, nicht rechtgläubig zu sein.

5.1 Buddeus’ Einordnung seines Lexikons Buddeus gibt in seinem Vorwort eine sehr ausführliche Einführung in alte und neuere Lexika, in die er sein Werk einordnet. Es fehle an Büchern für die Gelehrten, die nicht nur nützlich, sondern auch nöthig wären, die studia zu facilitiren, und die mühe deren so ihnen ergebenen seynd, in etwas zu erleichtern. Es verändert sich der zustand der gelehrsamkeit ohnedem sehr offt: und dasjenige, was einer, der den namen eines gelehrten führen will, wissen muß, vermehret sich täglich, dergestalt, daß, wo man nicht nur auf gewisse hülffs-mittel bedacht wäre, dem gedächtnis in ein und andern zu statten zu kommen, würden die meisten in denen studiis solche schwürigkeiten finden, die leicht abschrecken könten, sich daran zu wagen: oder so sie solches hernach thäten, würden sie erfahren, daß sie sich etwas unterfangen, welches auszuführen, ihre kräffte nicht hinreicheten. Und das ist die ursache, warum man sich iederzeit bemühet, dergleichen hülffs-mittel zu erfinden: worunter meines bedünckens die Lexica ihren platz mit allem rechte verdienen. Zwar ist nicht zu läugnen, daß man schon von alten Zeiten her, in allerhand sprachen und wissenschaften, Lexica zu verfertigen bemühet gewesen; wenn man aber bedencket, wie nicht allein dasjenige, was von andern darinnen verrichtet, kan verbessert werden, sondern daß auch die anzahl der sachen und merckwürdigkeiten, die man einem Lexico einverleibet, sich täglich vermehren, wird man leicht gestehen müssen, daß auch hierinn zum öfftern etwas neues könne praestiret werden. Zumahlen wenn man hinzufüget, daß die historischen Lexica so beschaffen, daß sie nicht allein, nach beschaffenheit der zeit, sondern auch, nach art eines jedweden volcks, können und sollen eingerichtet seyn. (Teil 1, 1r)

Und damit ist deutlich, dass nach Buddeus Auffassung auch das von ihm mit Blick auf verschiedene Einzelprobleme unter den neueren Lexika erwähnte Dictionnaire historique et critique von Pierre Bayle, schon seiner Herkunft wegen das vorgelegte Werk nicht ersetzen kann, auch wenn er sich mit diesem Dictionnaire Bayles, zuerst erschienen 1697 in Rotterdam sowie mit dessen Vorläufer, dem älteren, Grand dictionnaire historique von Louis Mor ri, zuerst erschienen 1674 in Lyon, produktiv auseinandergesetzt hat. Buddeus liefert nach dem Vorbild dieser nationalsprachlichen Lexika ein deutsches Lexikon für deutsche Leser. „Der nutzen, ja die nothwendigkeit derer Lexicorum“ – und damit meint Buddeus nicht die Sprach-Lexika – „ist so offenbar, daß ich nicht glaube, daß ein vernünfftiger mensch daran zweiffeln könne.“ (ebd.) Buddeus weist auf diverse ältere und neuere Lexika hin und gibt die Gegenstände seines Allge-

5.2 Der Artikel „Alcoran“

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meinen Historischen Lexicons bekannt: Es widme sich der historia Mythologica, der historia civili wie auch der historia ecclesiastica und der historia Philosophica. Enthalten seien ebenfalls tabulas chronologicas wie auch besondere Topographien aus Reisebeschreibungen und Genealogien, weiterhin allegata, die nötig seien, weil es in historicis besonders auf Quellen ankomme. Auf die Religionsgeschichte verweist Buddeus nicht im Rahmen der historia ecclesiastica, sondern selbständig, wenn auch sehr knapp. Und hier sind seine Äußerungen zu den Türken, zu Mahomed, den Mahomedanern und zum Alkoran einzuordnen: „Man hat anbey nicht unterlassen, die gesetze, gebräuche, gewohnheiten, regierungs-arten, religionen und andere merckwürdigkeiten der völcker und Republiquen zu bemercken, wobey an, was die exotica anlanget, denen reise-beschreibungen, so gut man sie haben können, trauen müssen […]“. (Teil 1, 4r) Im Folgenden sollen ausgewählte Artikel bzw. Artikelpassagen geboten werden, die sich auf Mahomed und den Koran beziehen.

5.2 Der Artikel „Alcoran“ Zunächst wird der Koran als ein Werk Mahomets, Bahiras und Sergius’ beschrieben Alcoran, ist das mahometanische gesetz-buch, welches Mahomet mit hülffe des Bahiras, eines jacobitischen ketzers, und Sergii, eines nestorianischen mönchs, zusammen getragen. Es ist voll von allerhand betrügereyen, und abgeschmackten fabeln, hat 4 theile, und die capitul derselben poßirliche titul, oder auffschrifften, als: die spinne, die kuh, die ameise, die fliege, und dergleichen. Dieses buch ist in zierlicher arabischer sprache zum theil versweise geschrieben, und von Mahomet nur stückweise zu unterschiedenen zeiten hervor gebracht, aber von dem AbuBeker, der ihn in seiner flucht begleitet, zusammen getragen, und in eine rechte ordnung verfaßt. Es sind unter andern einige historien aus der bibel darinn begriffen, welche aber der betrüger Mahomet sehr verfälschet, wie aus der beschreibung der patriarchen, der geburt JEsu CHristi und seines vorläuffers, Johannis des täuffers, zu ersehen. (Teil 1, 79)

Der Koran enthält also „allerhand betrügereyen“, so wird Mahomed auch als „bekannter lügen-prophet“ bezeichnet, als „betrüger“, der biblische Geschichten verfälscht habe.

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5. Buddeus’ Allgemeines Historisches Lexicon

5.3 Der Artikel „Mahomed“ Diese Beurteilung Mahomeds als Lügner und Betrüger kehrt auch im Mahomed-Artikel des Lexikons von Johann Franz Buddeus wieder. Mahomed, der bekannte lügen-prophet und stifter einer neuen religion, welche einen grossen theil des erdkreises überschwemmet hat. […] Seine jugend brachte er mit allerhand geringen verrichtungen zu, und geben die Mahomedaner für, daß er gar nicht studiret, damit sie anhere desto eher bereden mögen, daß er seine weißheit unmittelbarer weise von GOtt dem Herrn empfangen hätte. Nun geschahe es, daß er bey einer reichen wittben, nahmens Chadiga, die grosse handlung hatte, in diensten kam, und von derselbigen der handlung halber nach Syrien geschicket wurde. Bey dieser wuste er durch seinen verschlagenen kopff, gute reden, und angenehme leibesgestalt, sich dergestalt zu recommendiren, daß sie sich entschloß, ihn zu heyrathen. Und dieses geachahe, da er 25 jahr alt war. Im 40 jahr seines alters fieng er an seine lehre, die er bishero ausgesonnen, auszubreiten, erstlich zwar heimich unter seinen freunden und discipeln, bald darauff aber öffentlich, nemlich im 44 jahre seines alters. Diese seine neue religion hat er aus dem judenthum, christenthume, absonderlich aus verschiedenen irrthümern derer alten ketzer, wie auch aus denen sitten und gebräuchen derer Koreischiten zusammen geschmiedet. Man giebt zwar gemeiniglich für, daß er sich der hülffe eines mönchen Sergii, den etliche vor einen Nestorianer, andere aber vor einen Arianer halten, bedienet, wie auch eines andern mönchen, den sie Johann Antiochenum nennen, und eines Juden, namens Abdias. Es ist aber dieses alles sehr ungewiß, sonderlich was von dem Sergio berichtet wird, und wer derselbige gewesen. Dieses ist gewiß, daß er durch erdichtete erschein ngen und allerhand betrügereyen ihm selbst und seiner lehre ein ansehen zu wege zu bringen getrachtet, welches ihm auch glücklich von statten gegangen. Denn als er von der natur mit der fallenden seuche behafftet war, gab er für, diese schwachheit zu bedecken, daß ihm solches wiederführe, wenn ihm der engel Gabriel erschienen, dessen hohen glantz er nicht vertragen könne. Hiedurch vernebeldete er sein weib Chadigam, daß sie nicht nur diese kranckheit nicht merckete, sondern sich auch festiglich beredete, daß Mahomet göttliche erscheinungen hätte. […] Die mahomedanischen scribenten erzählen zwar sehr viel wunderwercke von diesem ihren falschen Propheten, welche aber um so viel weniger einigen beyfal erlangen werden, weil Mahomed selbsten von sich bekannt, daß er gekommen, seine religion nicht mit wunderwercken, sondern mit gewaffneter hand zu bestätigen. Auch sind diese wunderwercke so gar ungeräumt und so gar übel ausgesonnen, daß sie den Mahomed mit seiner religion vielmehr verächtlich machen, als ihm einigen glauben und credit erwecken können. Daß er aber dennoch so viel anhänger bekommen, ist theils seiner listigkeit, theils seiner gewalt, theils der beschaffenheit seiner religion zuzuschreiben, als welche mit den lüsten und sündlichen begierden der menschen sehr wohl übereinkömmt, und dadurch den menschen angenehm wird. Die polygamie schicket sich sehr wohl für die orientalischen völcker, die zur unzucht sehr

5.4. Mahomed in einem Lexikon für die Deutschen

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geneigt sind, darinnen auch Mahomed seinen glaubens-genossen ein gut exempel gab, sintemal er 21, oder wie andere wollen, 26 weiber gehabt, und über dem noch 4 kebs-weiber. Doch so lange die Chadiga gelebet, hat er keine andere geheyrathet.“ (XX)

Der sogenannte „Übergangstheologe“ Budde/Buddeus bedient sich in seinem Lexikon für die Deutschen einer traditionellen Mahomed-Polemik (Lüge, planmäßiger Betrug, List, Wollust).

5.4 Mahomed in einem Lexikon für die Deutschen Buddeus hatte Wert daraufgelegt, dass jedes Land sein eigenes Lexikon brauche, und ein eigenes vorgelegt. Mahomed erscheint hier als ein Lügenprophet und als Betrüger. Schon die Hochzeit weist der Text einem Plan zu. Die von Mahomed „geschmiedete“ Lehre wird auf Judentum, auf christliche Ketzer und auf die Sitten der Koreischiten bezogen, dies sind nach Buddeus’ Darstellung ihre Quellen. Mahomed selbst wird als Epileptiker vorgeführt, der diese Krankheit für seinen Betrug eingesetzt habe. Als Erfolgsgründe werden List und Gewalt, sowie Mahomeds Eingehen auf sinnliche Begierden, was nach diesem Text zu den orientalischen völckern passe. Damit ist Mahomed in Buddeus’ Lexikon dargestellt. Für diese Prosa verweist Buddeus auf die übliche Literatur, die neuesten Werke sind die von Pierre Bayle (1697)2, Ludovoco Marracci (1698) und von Henry Prideaux (dt. 1699; engl. 1697).3 Einige Jahre später sollte ein ganz anders gelagertes Werk in 2 Zu den Quellen von Bayles Dictionnaire siehe unten Kap. 12. 3 Budde nennt 1) Georg Cedrenus’ (Kedrenos) Synopsis historion (1050); dort findet sich auch ein Verweis auf 2) Theophanes, den Budde ebenfalls erwähnt; 3) Johannes Zonaras’ (gest. 1130) Byzantinische Geschichte; 4) De haeresibus des Johannes von Damaskus (Johannes Damascenus, ca. 650 bis vor 754); 5) die Chronik des Patriarchen Nikephoros I. (Nikephorus von Konstantinopel; 757/758–828) und 6) Paulus Diaconus’ (Paul Warnefried; 725/30–797/799) Geschichte der Langobarden (8. Jh.). Bei der 7) von Budde dem Abraham Ecchellensis (Ekchellensis; 1605–1664) zugeschriebenen Chronik des Georgius Elmacin (Girgis Al-Makin, auch Ibn al-’Amid; 1205–1273) wird es sich wohl um die Ausgabe dieser Chronik handeln, die Thomas Erpenius 1625 unter dem Titel Historia Saracenica in Leiden veröffentlicht hat. Weiterhin nennt Budde 8) Johannes Leunclavius’ (Johannes Löwenklau, 1541–1594) Historiae Musulmanae Turcorum von 1591; 9) die Instructiones historico-theologicae (1645) von John Forbes (Johannes Forbesius; 1593–1648); 10) das 1550 erschienene Werk De origene et progressu et fine Machometi von John of Wales (Iohannes Galensis Anglus; 1210/30–1285) sowie 11) Edward Pocockes (1604–1691): Kommentar in Gregorius Abulfaragii historia compendiosa dynastiarum 1663. Weiterhin werden erwähnt 12) Johann Heinrich Hottingers (1620–1667) Historia Orientalis 1660; 13) die in zwei Bänden 1685 und 1964 erschienenen Varia sacra seu sylloge variorum opusculorum graecorum ad rem ecclesiasticam spectantium, des Stephanus le Moine ( tienne le Moyne; 1624–1689); 14) die Confusio Sectæ Muhammedanæ von Johannes Andreas Maurus (Juan Andr s;getauft 1487), erschienen 1515, wohl in der lateinischen Fassung von 1584/95; 15) die 1653 erschienene Summa controversiarum Religionis cum Infidelibus, Haerctiois, Schismaticis, id est, Gentilibus Judaeis,

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5. Buddeus’ Allgemeines Historisches Lexicon

deutscher Übersetzung erscheinen, das sowohl eine Quelle präsentiert als sich auch mit falschen Urteilen über Mohammed auseinandersetzt: Adrian Relands Zwey Bücher von der Türckischen oder Mohammedischen Religion (1716).

Muhammedanis, Papistis Anabaptistis, Enthusiastis, et Libertinis: Socinianis, Remonstrantibus, Lutheranis, Brownistis, Graecis von Johannes Hoornbeek (Hoornbeckius; 1617–1666); 16) den Prodromus zum Alcorani textus universus (1698) von Ludovico Marracci (Ludovicus Maracci; 1612–1700); weiterhin 17) der Artikel Mahomed aus der Biblioth que orientale oder Dictionnaire universel contenant tout ce qui regarde la Connoissance des peuples de l’Orient (1697) von Barthelemy d’Herbelot (1625–1695) sowie 18) Humphrey Prideaux’ (1648–1724) Das Leben Mahomets in deutscher Fassung von 1699 (oder im englischen Original von 1697) und schließlich noch 19) den entsprechenden Artikel aus Pierre Bayles (1647–1706) Dictionnaire historique et critique, zuerst erschienen 1697.

6. Mohammed als falsch beschriebene historische Figur – Adrian Relands De Religione Mohamedica in deutscher Übersetzung (1716) Im Jahre 1716 erschien in Hannover das Werk eines holländischen Gelehrten, übersetzt aus lateinischer Wissenschaftsprosa ins Deutsche und damit aufbereitet für andere Leser als nur die akademischen Gelehrten. Bereits im folgenden Jahr folgte eine zweite Auflage dieses Buches. Es handelt sich um die Übersetzung von Adrian Relands De religione Mohamedica libri duo von 1705, erschienen unter dem Titel Zwey Bücher von der Türckischen oder Mohamedischen Religion bei Nicloaus Förster in Hannover. Der Autor, Adrian Reland, wurde als Sohn eines Predigers 1676 in De Rijp in Nordholland geboren.1 Schon mit elf Jahren ließ er sich als Student am Athenäum in Amsterdam einschreiben, danach studierte er in Utrecht, wo er zusammen mit einem deutschen Kommilitonen, Heinrich Sike2, Arabisch lernte. 1694 schrieb er eine philosophische Dissertation (De libertate philosophandi), 1699 wurde ihm schließlich das Doktorat für Philosophie und Wissenschaften (litteras) verliehen. 1698 war seine theologische Disputation über den geographischen Ort des Paradieses (Disputatio theologica de Paradisi temere apud Jordanem quaesita) erschienen, die er an der Leidener Fakultät präsentiert hatte. Nach Abschluss seiner Studien in Leiden bekam er 1700 einen Lehrstuhl für die Wissenschaft von den östlichen Sprachen am akademischen Gymnasium im emsländischen Lingen angeboten, ein Angebot, das er wegen der Krankheit seines Vaters ablehnte. Im selben Jahr wurde ihm auch ein Lehrstuhl für Physik und Metaphysik in Harderwijk angeboten, wo er im September 1700 sein Amt antrat, um bald an die Universität Utrecht als „hoogleraar“ für östliche Sprachen und kirchliches Altertum weiterzuziehen, wo er Anfang 1701 mit einer Rede über die Persische und ihr verwandte orientalische Sprachen (Oratio pro lingua Persica et cognatis literis 1 Vgl. zur Biographie van Amersfoort/van Assel, Turks, S. 23–24; Jan Nat, De studie van de Oostersche talen in Nederland in de 18e en de 19e eeuw, Purmerend 1929 (Diss. Amsterdam 1929), S. 12–14; vgl. weiterhin Johannes Fück, Die arabischen Studien in Europa bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts. Leipzig 1955; S. 102: Fück bezeichnet Relands De religione Mohamedica als „bahnbrechend“. Dieses Urteil findet sich auch in der Literatur der jüngsten Zeit; vgl. z. B.: Hartmut Bobzin, Mohammed, München 32006, S. 18, wo Reland als „ein Vorreiter für ein unvoreingenommeneres Mohammedbild“ bezeichnet wird. Für Rehrmann ist Reland dagegen „durchweg islamfeindlich gesinnt“; Rehrmann, Ehrenthron, S. 30. In beiden Fällen, der Fachgeschichte wie der Debatte über „Islamfeindlichkeit“ scheint die Fragestellung das Ergebnis stark zu beeinflussen. 2 Dessen Bibliothek er auch später zur Abfassung seiner De religione Mohamedica benutzte.

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6. Relands De Religione Mohamedica in deutscher Übersetzung

Orientalibus) seine Professur antrat. Reland versah dieses Amt bis zu seinem Tod am 5. Februar 1718. Er hinterließ ein umfangreiches und vielseitiges Werk (37 Titel, u. a. über die Mischna, hebräische und samaritanische Münzen, lateinische Poesie, auch ein eigener Gedichtband erschien). Ein großes Gewicht hatten das Hebräische, Geschichte und Altertumskunde Palästinas sowie Arabisch. Nach seiner Antrittsrede über die Bedeutung der persischen Sprache ist sein Buch über die Mohammedische Religion die erste größere Veröffentlichung Relands als Utrechter Professor. Das Buch erschien unter dem Titel De religione Mohamedica libri duo in zwei Auflagen (1705, bearbeitet 1717) in Utrecht. Es wurde bald in vier Nationalsprachen übersetzt und somit einem größeren Publikum bekannt gemacht. 1712 erschien es in einer englischen Fassung, auf Deutsch 1716 und 1717, eine niederländische Übersetzung erschien 1718, eine französische 1721.3 Das Buch landete schnell auf dem Index Librorum Prohibitorum.4 Relands Bedeutung für die niederländische Orientalistik („de grote Reland“)5 und darüber hinaus ist kaum zu überschätzen. Dabei ist er allerdings nicht einseitig nur auf diesen Gebieten bewandert gewesen, vielmehr hatte er etwas von dem Universalen, das viele große Persönlichkeiten des 18. Jahrhunderts auszeichnet.6 Reland wirkte weit in die gebildete Gesellschaft hinein. Sein Buch vermittelte, wie schlecht es im Allgemeinen mit der Kenntnis über diese Religion bestellt war.7 Seine Breitenwirkung ist vor allem mit diesem Buch, De religione Mohamedica, verbunden, auch wenn das Buch durchaus umstritten war, wie die Indizierung sowie auch manche deutschen Rezensionen indirekt durch Verweise auf mögliche Kritiker zeigen.8

6.1 Die deutsche Fassung Die deutsche Übersetzung von 1716, Zwey Bücher von der Türckischen oder Mohammedischen Religion, ist im Gegensatz zur lateinischen Vorlage um Relands Traktat über das Kriegsrecht ergänzt, was die Bedeutung, die das Buch über den akademischen Rahmen hinaus haben sollte, unterstreicht.9 Die wortgleiche zweite Auflage von 1717 ist mit einem Titelkupfer verziert. Eine spanische Übersetzung konnte bisher von mir nicht verifiziert werden. Vgl. Rehrmann, Ehrenthron, S. 28 sowie 128, Anm. 66. So Nat, Studie, S. 5. Ebd., S. 14: „[H]ij had iets van het universeele dat veele groote persoonlijkheden van de 18e eeuw kenmerkt“. 7 Ebd., S. 19: „Reland’s boek over den Mohammedaanschen godsdienst gaf een geheel nieuw inzicht; hoe slecht het met de kennis ervan gesteld was, blijkt uit de voorbeelden, die hij geeft.“ 8 Vgl. Rehrmann, Ehrenthron, S. 29 f. 9 Die Gesamtveröffentlichung trägt folgenden Titel: Hn. Adrian Relands, Welt-berühmten Professoris der Orientalischen Sprachen in Uitrecht, Zwey Bücher von der Türckischen oder Mo-

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6.1 Die deutsche Fassung

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6.1.1 Relands Position nach der Vorrede Die einundzwanzig Paragraphen der Vorrede zu den zwei Büchern Relands lassen sich in aller Kürze etwa so zusammenfassen: § I. Die Juden seien verleumdet worden. § II. Die Christen seien verleumdet worden. § III. Die von Rom getrennten Christen würden verleumdet. § IV. Die vorgelegte Darstellung werde verleumdet werden. § V. Der Vergleich zwischen Lutheranern und Mohammedanern in 13 Punkten wird vorgestellt. § VI. Die gleichwohl von Don Martinus festgestellten Übereinstimmungen zwischen Römern und Mohammedanern werden zitiert. § VII. Der Vergleich zeige, dass die meisten Religionen von ihren Gegnern entweder nicht verstanden oder verleumdet worden seien. Das gelte auch für die Mohammedische Religion. § VIII. In vielen Gegenden habe man mit den Mohammedanern zu tun. Man müsse ihnen beweisen, dass der Koran kein göttliches Buch sei. Die evangelischen Missionare seien mehr auf Geld als auf Seelen aus und hätten kaum Bekehrungen. Die Christen hätten zu Recht einen schlechten Ruf. § IX. Die bisherigen Schriftsteller hätten nicht gegen die Religion Mohammeds, sondern gegen ihren Schatten geschrieben. § X. Man müsse Arabisch lernen, wie man auch Hebräisch lerne. § XI. Man müsse die Mohammedaner mit den richtigen Argumenten widerlegen, nicht mit den falschen. Im Einzelnen argumentiert Reland folgendermaßen: Alle Religionen in der Welt, so schreibt er, seien von ihren Gegnern entweder falsch verstanden oder boshaft verlästert worden. Im ersten Paragraphen der Vorrede zeigt er dies am Beispiel der Juden, die u. a. von Tacitus und Plutarch verleumdet worden seien. Rutilius Numantius verdrehe das Sabbat-Verständnis der Juden als Müßiggang und Faulenzerei. Danach (§ II) wendet Reland sich den Christen zu: die Lehre der Gnostiker habe man auf das ganze Christentum übertragen, die Texte der Kirchenväter spiegelten viele Vorwürfe – ihr Gott sei ein Esel mit Klauen, sie beteten des Priesters Scham an, Kannibalismus und Unzucht seien unter ihnen, sie seien Feinde der Götter und des römischen Staates, allein das Tragen ihres Namens sei schon ein Zeichen von Schuld. Drittens kommt Reland auf die Verleumdung der von Rom getrennten Christen zu sprechen (§ III): Da muss es ja von uns heissen: Wir hassen die guten Wercke, machen GOtt zum Urheber des Bösen, wir verachten die Mutter des HErrn Christi die Jungfrau Maria, hammedischen Religion, Davon das erste ist ein kurtzer Begriff der Mohammedischen Theologie, von ihm aus dem Arabischen übersetzet, und mit seinen Anmwerckungen erläutert; Im zweyten aber Viele Dinge untersuchet werden, die man bißher den Mohammedanern fälschlich beygemessen hat, Nebst dessen curieusen Tractat von dem Mohammedischen Krieges-Recht bey jetzo sich eräugnenden Gefahr des herannahenden Türcken-Krieges, allen Liebhabern, und sonderlich den Officirern sehr nützlich zu lesen. Unsern Teutschen zu Liebe, getreulich übersetzet, und zum ersten Mahl in dieser Sprache heraus gegeben. Hanover, bey Nicolaus Förstern, 1716.

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6. Relands De Religione Mohamedica in deutscher Übersetzung

und die Engel und alle Heiligen, wir widersprechen der Schrifft, die da sage, Christus sey für alle gestorben, wir hätten die Heilige Schrift verfälschet, ein jeder unter uns folge in Glaubens-Sachen seinem besondern Geist, wir wären unter uns wieder in hundert und sechs und zwanzig Secten zertheilet, deren erdichtete Nahmen man ohne Lachen nicht lesen kan (a6r–a6v).

Luther habe mit dem Teufel im Bunde gestanden, Calvin heimliche Schande begangen, Bucer Trinität und Erlösung geleugnet, so lauteten die Vorwürfe. Ja, Luther sei der Antichrist, weil „Lulter“ (@9@NL) die Zahl 666 nach Offb 13 sei, wie Genebrardus schreibe.10 Er schreibe weiterhin, dass Luther Mohammeds Reich in seinen Ländern ausbreiten und dass seine Anhänger überlaufen würden. Und das ist bey ihnen gar nichts neues, daß sie Lutheraner und Reformirten, die sie gemeiniglich miteinander vermengen, für Mohammedaner halten, weil sie wissen, daß wir eben wie die Mohammedaner vor aller Abgötterey und Bilder-Dienst einen Abscheu haben, und sagen, daß GOtt alles ohnfehlbar beschlossen habe. (a7r)

Reland differenziert hier seine calvinistische Position in der Bilderfrage und Prädestinationslehre interessanterweise nicht von lutherischen Auffassungen. Er befürchtet im folgenden Paragraphen (§ IV), dass seine „Untersuchung der wahren Beschaffenheit der Mohammedischen Religion, unsern Widersachern [gemeint sind offensichtlich die römischen Katholiken] Anlaß geben werde, diese Lästerung noch ferner auszubreiten“ (a7r–a7v). Davon lasse er sich aber nicht abschrecken, die Religion so darzustellen, wie sie würcklich in den Kirchen und Schulen der Mohammedaner gelehret wird; auff daß wir nicht gegen Schatten streiten, und Lufft-Streiche thun, sondern recht angreiffen, und wo nicht die Türcken, doch uns selbst von deren Eitelkeit und Thorheit überzeugen können (a7v–a8r).

Reland fragt, ob die römischen Lehren von Fegefeuer, Fürbitte der Engel, Besuchung der Gräber, Wallfahrten, die Speisegebote, das Fasten sowie Verdienste der Werke nicht stärker mit den Mohammedischen Satzungen übereinstimmten, „als die unsrigen“ (a8r). Wenn diese Lehren böse wären, weil sie auch von den Mohammedanern gelehrt würden, dann müsste man auch leugnen, was diese „gutes und wahrhafftiges von den Göttlichen Eigenschaften schreiben: Welches kein vernünftiger Mensch sagen wird“ (ebd.). Im folgenden Paragraphen (§ V) zitiert Reland den Vergleich, den Martino Alfonso Vivaldo (Don Martinus Alfonsus Vivaldus; 16./17. Jh.) in seinen Anmerkungen über Pierre de LaCavaleri (Petrus de la Cavalleria; 15. Jh.)11 10 Diese Passage hat Reland in der zweiten Auflage seines lateinischen Werkes gestrichen. 11 Vgl. Martino Alfonso Vivaldos Tractatus Aureus von 1599 bzw. sein Candelabrum aureum ecclesiae sanctae Dei von 1600; weiterhin den Tractatus zelus Christi contra Judaeos, Sarracenos et Infideles ab Illustrissimo Doctore Petro de Cavalleria Hispano ex civitate Caesar Augusta anno 1450 compositus nec unquam impressus, erschienen 1592 in Venedig.

6.1 Die deutsche Fassung

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zwischen Lutheranern (gemeint sind wohl alle Protestanten) und Mohammedanern in 13 Punkten angestellt hatte. 1) Luther behaupte, wie Mohammed, vor ihm habe man das Evangelium nicht gehabt. 2) Die Zahl der Sekten sei gleich. 3) Man solle nur nach den Schriften urteilen. 4) Das Fasten sei verändert worden. 5) Der Feiertag sei von Mohammed auf Freitag verlegt worden, die Lutheraner hielten gar keine Feiertage mehr. 6) Die heiligen Bilder seien abgeschafft worden. 7) Der Heiligendienst werde lächerlich gemacht. 8) Mohammed nehme die Taufe nicht an, Calvin halte sie für unnötig. 9) Beschneidung erfolge erst in verständigem Alter. Adrian Namstodius sei mit 17 oder 18 Jahren getauft worden. 10) Scheidung sei gestattet und auch Oekolampad habe die Frau gewechselt. 11) Polygamie finde sich auch in Aussagen Bucers und Olendorfs. 12) Gute Werke würden als unnütz oder gar Sünde abgelehnt. 13) Mohammed und die Lutheraner leugneten den freien Willen. Allerdings finde Don Martinus auch Übereinstimmungen mit den Römern, mit denen er sich, so Reland, selbst widerlege. Der Glaube an den einen Gott, die Wertschätzung Jesu als Prophet, Geistgabe durch Gott, Jungfrauengeburt, Wunder, Jesu Wissen um das Verborgene, seine Ablehnung des Reichtums und der Lüste gehörten in diese Reihe. Die Mohammedaner sängen die Psalmen Davids wie die Christen. Sie besuchten nicht nur Mohammeds, sondern auch der Jungfrau Maria Grab. Ein jüdischer Proselyt müsse zuerst ein Bekenntnis zu Jesus ablegen. Der Vergleich, so fährt Reland im nächsten Paragraphen (§ VII) fort, zeige, dass die meisten Religionen von ihren Gegnern entweder nicht verstanden oder verleumdet worden seien. Das gelte auch für die Mohammedische Religion, die oft als Inbegriff für Böses herhalten müsse. Wenn ein Theologiestudent „eine löbliche Begierde hat[,] die Mohammedanische Religion zu verstehen“ (b6v), gebe man ihm Bücher in die Hände, die in dieser Sache viele Irrtümer enthielten: „Hornbecks Controversien, Johannis Andreæ Mauri Widerlegung der Mohammedanischen Secte, Forbesii Instructiones Theologicas, Omii eröffnetes Türckenthum, den Lateinischen Alcoran, des Roberti Retenensis und dergleichen Bücher“12 (ebd.). Man sollte ihm aber besser raten, Arabisch zu lernen, sich Bücher anzuschaffen und mit den eigenen Augen zu sehen. Viele würden einwenden, für „die Thorheiten und Einfälle dieses ver12 Es handelt sich 1) um die 1653 erschienene Summa controversiarum Religionis cum Infidelibus, Haerctiois, Schismaticis, id est, Gentilibus Judaeis, Muhammedanis, Papistis Anabaptistis, Enthusiastis, et Libertinis: Socinianis, Remonstrantibus, Lutheranis, Brownistis, Graecis von Johannes Hoornbeek (Hoornbeckius; 1617–1666); die Confusio Sectæ Muhammedanæ von Johannes Andreas Maurus (Juan Andr s; getauft 1487), erschienen 1515, wohl in der lateinischen Fassung von 1584/95; 2) um die Instructiones historico-theologicae (1645) von John Forbes (Johannes Forbesius; 1593–1648); 3) um das Geopend Turkdom oder das Geopende Mahomedisdom (jeweils von 1663) von Omius und 4) um den Koran in der Übersetzung aus dem 12. Jahrhundert von Robert von Ketton (Roberto Retinensis), als Druck erschienen 1543 in der Ausgabe von Theodor Bibliander.

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6. Relands De Religione Mohamedica in deutscher Übersetzung

rückten Menschen“ (b7r) wäre dies zu viel Arbeit. Don Martinus meine, man solle Mohammeds Buch nicht lesen, sondern verspotten und verbrennen, „weils ein bestialisch Buch ist“ (ebd.). An dieser Stelle folgt eine viel zitierte Aussage Relands: Aber fürwahr die Mohammedaner sind so toll nicht, wie wir meynen. GOTT hat allen Menschen die Vernunft gegeben: und habe ich allezeit dafür gehalten, daß die Religion, die sich in Asia, Africa und Europa selbst so weit hat ausgebreitet, mehr Wahrscheinlichkeit habe, wodurch sie die Menschen an sich locket, und nicht so närrisch und abgeschmackt sey, als viele Christen sich wohl einbilden. Es ist zwar eine sehr böse, und dem Christenthum höchst schädliche Religion, dafür ein jeder Abscheu haben muß, der Christum lieb hat, und der heiligen Schrifft glaubet. Aber wiewohl dem also ist, darff man sie deswegen nicht erforschen? Sollte man nicht die Tieffen und List des Satans entdecken? Vielmehr sollte man dahin trachten, sie recht zu erkennen, um sie desto sicherer und kräfftiger zubestreiten. (b7r–b7v)

Reland verteidigt diese Religion, sie habe mehr Wahrscheinlichkeit, als man ihr zuschreibe. Dennoch wird sie hier als „böse“ und dem Christentum „schädlich“ charakterisiert. Warum solle man nun so viel Zeit darauf verwenden, sich mit ihr zu beschäftigen, fragt Reland im nächsten Paragraphen (§ VIII). Die Begründung ist: Man habe sehr wohl an verschiedenen Orten mit Mohammedanern zu tun. Man könne mit ihnen zwar in Religionsdingen nicht disputieren, sollte aber versuchen, darüber zu reden, ob der Koran ein göttliches Buch sei und müsste dann Stellen heranziehen, die bewiesen, dass er kein göttliches Buch sei. Die christlichen Bekehrungserfolge oder -misserfolge schiebt Reland eher auf den Lebenswandel der evangelischen Missionare, die auf Geld und nicht auf Seelen aus seien. Die bisherigen lateinischen Bücher seien zur Auseinandersetzung eben nicht brauchbar, weil die Autoren mehr mit dem eigenen Schatten als mit der Mohammedischen Religion gekämpft hätten (§ IX). Als Illustration dieses Zustandes bringt Reland eine Meldung von Sueton und anderen römischen Geschichtsschreibern: Am Strand der Nordsee habe Caesar die Armee statt zu kämpfen Muscheln lesen lassen und diese als Beute des Weltmeeres in Rom dem Jupiter gewidmet. Eben so würden die Scribenten vorgehen, die gegen einen selbstgemachten Feind anschrieben, den niemand verteidige. Damit sei der Sieg immer auf ihrer Seite und so bekommen sie auch solche Beute, die mit ihren Anstalten wohl accordiren, nemlich das Lob und den Ruhm aller derjenigen Leute, die nicht klüger sind als sie, und die sich freuen, daß die Wahrheit der Christlichen Religion gegen die Türcken so trefflich verthädigt ist. Gewiß, man muß in diesen Zeiten die Religion anders zu verfechten wissen. Man muß auffrichtig zu Werck gehen, damit man seinen Widersachern nicht zum Spott werde. (c3v)

Wenn die Beschäftigung mit der Arabischen Sprache tatsächlich nutzlos wäre, dann würden Gelehrte wie Pococke, Bochart, Erpenius, Golius, Castellus,

6.1 Die deutsche Fassung

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Hottinger und andere „Narren“ gewesen sein. Theologen könnten dies ohnehin nicht sagen, da diese arabischen Studien zu exegetischen Einsichten im Alten Testament verholfen hätten. Man solle mit eigenen Augen lesen, aber heutzutage sind die Menschen mit demjenigen, was andere gemacht haben, schon zu frieden, und würden vielleicht die Proponenten auch kein Hebräisch mehr lernen, (aus dem Vorwand, daß unser Niederteutsche Ubersetzung accurat genug, und von gelehrten Leuten gemacht sey) wann sie sich für dem Examine nicht fürchten müsten. Und so kommen wir allgemählich wieder zu der Finsterniß der Unwissenheit, die man doch für einigen hundert Jahren so glücklich vertrieben hat. Welches GOtt in Gnaden abwenden wolle. (c4v)

Reland ist hier ein ,guter Aufklärer‘. Man scheint dies oft mit einer Haltung gleichzusetzen, die dem später so genannten Islam ,gerecht‘ wird.13 Das oben genannte Zitat zur bösen Religion wird dann als gebrochen und für die Zensur gedacht gelesen. Dass das Werk des Protestanten Reland später auf dem römischen Index librorum prohibitorum gelandet ist, wird als schlechter Umgang mit dem guten Aufklärer gewertet, hat aber wohl mehr mit seinen antirömischen Äußerungen zu tun, als mit einer gedachten Vorliebe für den Mohammedischen Glauben. Eine solche Vorliebe findet sich in seinem Werk nicht. Reland stellt zwar Vor- und Nachteile dar, aber nicht um den Vorzug zu geben, sondern um die Religion in diesen Zeiten anders, das heißt auf einer besseren Grundlage darzustellen, um auf angemessenen Ebenen diskutieren zu können. Diese Diskussion selbst findet jedoch in seinem Buch nicht statt. Reland versucht im letzten Paragraphen seiner Vorrede (§ XI) noch einmal seine Absicht zu erläutern und zu schützen: Zum Beschluß ersuche ich den Leser, daß er diese meine Arbeit nicht übel ausdeuten wolle. Ich habe nicht das Fürnehmen gehabt, die Mohammedische Religion zu bemänteln, oder ihr eine Farbe anzustreichen, vielweniger sie zu behaupten oder zu verthädigen. Wer dergleichen Urtheil von mir fället, der thut mir groß Unrecht. Wann ich die Wahrheit schreiben wolte, so müste ich ja die Mohammedische Religion in denen Stücken verthädigen, die man ihr fälschlich zuschreibt. Hat aber jemand Lust dazu, diese Lügen, die man ohne Grund von den Türcken erzehlet, weiter auszubreiten, und die Türcken als dumme Esels, und unsinnige Leute, ja als eingefleischte Teuffel auszuschreien, dem kan ich es wohl gönnen, sintemahl ich täglich noch mehr erfahre, daß die Welt betrogen seyn will und sich mit Vor-Urtheilen regieren lässt. (c5r–c5v)

Reland habe verschiedene theologische Systeme in die Hand bekommen, die unter den Türken sehr geschätzt würden. Das hier veröffentlichte sei davon das kürzeste und ordentlichste. Er weist noch einmal darauf hin, dass er hier 13 Roling, Prideaux, S. 71.

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6. Relands De Religione Mohamedica in deutscher Übersetzung

nicht die eigene Meinung, sondern die Mohammedische bringe. Er habe dies alles geschrieben, damit unsre Leute lernen mögen, die Mohammedaner fürsichtiger zu widerlegen, und zuzusehen, daß sie mit wichtigen Argumenten sie bestreiten. Denn wenn die Mohammedaner sehen, daß ein Stück von uns nicht klar bewiesen werden kan, […] so werden sie nur dadurch desto muthiger, und meynen, sie werden das übrige auch leicht beantworten können. (c6r–c6v)

Es gehe ihm um den „Sieg der Evangelischen Wahrheit und [des] Glaubens“ (c6v) – zur Ehre Gottes.

6.1.2 Zur Struktur des Werkes Reland will die Mohammedische Religion nach ihren Quellen angemessen darstellen. Wie aber wird sie von Reland in seinem Werk beurteilt? Bevor diese Beurteilung erhoben wird, soll die Struktur des Werkes kurz vorgestellt werden. Relands Werk ist in zwei Hauptteile gegliedert. Im ersten Teil (S. 1–52) geht es um eine positive Darstellung der Mohammedischen Religion, im zweiten (S. 52–144) um die Widerlegung von Irrtümern und falschen Aussagen. An die deutsche Übersetzung ist ein dritter, ursprünglich eigenständiger Teil angeschlossen, der sich mit dem türkischen Kriegsrecht beschäftigt und sich weder in der ersten (1705) noch in der zweiten (1717) lateinischen Ausgabe findet. 1) Erstes Buch von der Mohammedischen Religion, oder kurtzer Begriff Der Mohammedischen Theologie, Nebst einigen Anmerckungen von Herrn Adrian Reland, Welt-berühmten Professore der Orientalischen Sprachen in Uytrecht. 2) Herrn Adrian Relands Zweytes Buch Von der Mohammedischen Religion, Worinnen sonderlich von den Dingen gehandelt wird, Die man fälschlich und ohne Grund Den Türcken andichtet. Aus dem Lateinischen getreulich ins Teutsche übersetzet. 3) Türckisches Krieges-Recht, Oder kurtze Doch ausführliche Beschreibung der Weise, wie die Türcken gegen die Christen Krieg führen, und was sie dabey für Gesetze haben, Auffgesetzt Von Adrian Reland, Professore der Orientalischen Sprache in Utrecht. Und nun zum ersten mahl in die Teutsche Sprache übersetzet.

6.1.3 Das erste Buch – Ein „kurtzer Begriff Der Mohammedischen Theologie“ Reland legt einen nicht näher ausgewiesenen arabischen Text mit lateinischer Übersetzung und einigen Kommentaren vor, der vermutlich aus dem 16. oder

6.1 Die deutsche Fassung

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frühen 17. Jahrhundert stammt.14 Es ist aber nicht geklärt, wessen Werk Reland hier eigentlich vorstellt. In der Liste der von ihm verwendeten Handschriften taucht es nicht auf.15 Bemerkenswert ist, dass auch bei Reland durchgängig von „Mohammedischem Glauben“, „Mohammedischer Theologie“ bzw. „Mohammedischer Religion“ die Rede ist, auch wenn er den Ausdruck „Islamismus“ nennt und knapp erläutert: „Die Religion (c) ruhet auff fünff Gründen“ heißt es im Übersetzungsteil der deutschen Fassung, und Reland ergänzt in der Anmerkung „(c) Welche sie Islamismum nennen, und so wohl die Lehre als das Leben und Pflichten begreifft.“ (4) Der Text ist zunächst nach den fünf Säulen gegliedert: Bekenntnis des einen Gottes und seines Propheten, Gebet, Almosen, Fasten und Pilgerfahrt, die ausführlich vorgestellt werden.16 Es findet sich also weder eine Darstellung des Propheten und seiner Geschichte oder des Koran selbst. Lediglich Aspekte dieser Themen werden in einigen, im zweiten Teil geschilderten und widerlegten Punkten berührt. Durch die von Reland im zweiten Teil vorgebrachten Widerlegungen bzw. Korrekturen werden allerdings auch spätere, weiterhin kolportierte Mohammed-Bilder beeinflusst, weswegen Relands Buch in deutscher Übersetzung von besonderem Interesse ist. Der Glaube wird von Reland in sechs Punkten geschildert: als Glaube „(1) an GOtt, (2) an seine Engel, (3) an die Göttlichen Bücher, (4) an seine Propheten, (5) an den Jüngsten Tag, (6) an den Rath-Schluß des höchsten GOttes vom Guten und Bösen.“ (5) Das Waschen, das in den üblichen europäischen Darstellungen weiten Raum einnimmt, werde in diesem Text nicht eigens erwähnt und als notwendige Vorbereitung zum Gebet verstanden. 1) Gott und seine Eigenschaften werden vorgestellt und ergänzend kommentiert. 2) Die Engel und ihre Eigenschaften werden vorgestellt. 14 Vgl. Reinhard Schulze, Islam und andere Religionen in der Aufklärung. In: Jahrbuch des SimonDubnow-Instituts 7/2008, S. 317–340, hier S. 328. 15 Van Amersfoort/van Asselt, Turks, S. 25: „Wel ist het merkwaardig dat dit compendium in de lijst van de door hem gebruikte handschriften, die in dir werk is opgenomen, niet expliciet wordt vermeld. De enige verwijzing hiernaar is op de plaats waar hij melding maakt van een systema juris sacri et civilis Mohammedici (Verzameling van het Mohammedaanse scrale en burgerlijke Recht), een handschrift uit de bibliothek van Amsterdam. Hiervan merkt hij op dat ,dit handschrift voor een deel overeenstemt met ons compendium van de Mohammedaanse godsdienst‘. Het is daroom niet uitgesloten dat dit compendium door Relandus zelf in het Arabisch geschreven is, waarbij hij uiteraard de tekst van het Amsterdamse compendium heeft gebruikt.“ 16 Schulze betont, dass Reland hier in reformierter Manier einen theoretischen Teil (din) und einen praktischen Teil (iman) unterscheide, wie dies die Synode von Dordrecht getan hatte. Er sei darauf bedacht gewesen, „die Protestanten vom katholischen Vorwurf, verkappte Muslime zu sein, zu befreien“ (Schulze, Islam, S. 328). Ungewöhnlich sei, dass Reland den Glauben als erste Säule des Islam bezeichne. Damit würden die fünf Säulen insofern aufgeteilt, als dass die Schahada als Glaubensausdruck verstanden werde. Diese Aufteilung findet sich später (1773 bzw. 1775) auch bei Boysen (s. u.).

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6. Relands De Religione Mohamedica in deutscher Übersetzung

3) Die 104 göttlichen Bücher werden als unerschaffen vorgestellt. Reland verweist auf den Streit über die Ewigkeit und Unerschaffenheit der heiligen Bücher und rät, ihn gemäß dem Koran nicht zu entscheiden. Adam habe zehn Bücher empfangen, Seth fünfzig, Idris dreißig, Abraham zehn, Mose eines (das Gesetz), Jesus eines (das Evangelium), David eines (das Buch der Psalmen), Mohammed eines, „nemlich den Alcoran oder Alfurcan“ (14). Reland weist darauf hin, dass man Gesetz und Evangelium der Juden und Christen für verfälscht halte, die alten Abschriften seien verloren. Und wann wir sie fragen, ob sie dann das rechte Gesetz und Evangelium hätten, können sie es doch nicht auffweisen, worüber sie sich wenig bekümmern, weil der Alcoran diesen Verlust gnugsam ersetzt. Unter die verfälschten Sprüche zehlen sie z. E. Ps. 2. v. 7. Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeuget: müsse heissen: Du bist mein Prophet, ich habe dich erzogen. Und Joh. 16. v. 7. müsse man anstatt Paracletus, der Tröster, lesen Periclytus der Berühmte, nemlich der Mohammed. (14, Anm.)

4) Gott sende Propheten, um seine Befehle zu überbringen und auch um verborgene Dinge zu offenbaren wie die Natur, Eigenschaften und Werke Gottes, die Auferstehung, Strafe im Grab mit Befragung der Verstorbenen, die Waage der Bücher mit guten und bösen Taten, die Brücke über die Hölle, der Teich für die Frommen auf dem Weg zum Paradies, die Fürbitte und das Paradies selbst. Die Propheten seien ohne Sünde und Irrtum und hätten alle die Religion Mohammeds. Sie seien ausgewählte Geschöpfe, Engel stiegen auf sie herab, sie täten Bekräftigungswunder, Gesandte unter ihnen stünden höher, so wie auch Religionsstifter. Der erste Prophet sei Adam gewesen, der vornehmste Mohammed, nach ihm kämen vornehme Kreaturen: „Abubeker, Omar, Othman und zuletzt Ali“ (19), danach die sechs ehrwürdigen Gesellen Mohammeds, seine übrigen Anhänger und dann die Menschen, zu denen er gesandt war. Darauf folgten Weise, die gute Werke tun. Die Zahl der Propheten müsse man nicht wissen, sie aber alle lieben. Adam, Noah, Abraham, Mose, Jesus und Mohammed hätten neue Satzungen gebracht. 5) Am jüngsten Tag, dem Tag der Auferstehung, werde Gott die Welt zerstören, Gericht halten und Himmel und Hölle zuweisen. Kein Gläubiger werde ewig in der Hölle bleiben, dagegen aber die Ungläubigen. In seinen Kommentaren dazu weist Reland auf jüdische Vorbilder hin. Zu den im Text genannten Menschen, die keine Hölle fürchten, schreibt Reland in seiner Anmerkung: „Sicherer Welt-Mensch! wann du dieses liesest, so erzittre, damit nicht ein Türcke an jenem Tage, für GOttes Gerichte wider dich aufftrete und dich verdamme.“ (25, Anm.) 6) Der Ratschluss Gottes im Guten und Bösen wird so vorgestellt, dass Gott das Gute im Wohlgefallen, das Böse aber im Zorn beschlossen habe. Gott habe sehr wohl Gefallen am Guten und Missfallen am Bösen und Unglauben. Er habe nicht beides im Wohlgefallen beschlossen. Reland fügt dem Kapitel zwei aus dem Arabischen übersetzte Texte zur Erläuterung bei, die die Ergebenheit in Gottes Willen zum Ausdruck bringen sollen.

6.1 Die deutsche Fassung

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Nach den sechs Glaubenspunkten werden die Pflichten des Gottesdienstes in sieben Abschnitten vorgestellt. Hier stehen zunächst die Reinigungsriten im Vordergrund (Abschnitt 1–3), gefolgt von Gebet (4), Almosen (5), Fasten (6) und der Wallfahrt (7). Sehr ausführlich kommentiert bzw. ergänzt Reland den Abschnitt über das Gebet mit Verweis auf den Koran und die Sunna.17 Ähnliches gilt für das Thema Almosen. Zum Fasten bei Tage merkt Reland an: „Aber des nachts fressen und sauffen sie tapffer, so daß mans kein Fasten heissen kan; Dann sie schlaffen dann meist den gantzen Tag, und machen aus Tag Nacht.“ (45, Anm. e) Auch die Beschreibung der Wallfahrt wird von Reland um viele Details ergänzt. Diese Zeremonien würden die Türken selbst auf die Zeit vor Mohammed zurückführen und zugeben, dass der größte Teil nicht mit der Vernunft in Einklang sei. „GOtt habe aber dergleichen unvernünfftige Dinge befehlen wollen, daß die Menschen dadurch lernen möchten, GOtt in allem zu gehorchen, nicht nur weil es billich und recht wäre, sondern bloß weils GOtt befohlen hätte.“ „Algazil“ schreibe, man könne diese Dinge nicht vernünftig deuten, man müsse gehorchen, weil es befohlen sei und dem Verstand wäre nicht erlaubt, sich einzumischen. Verstandenes mache geneigter, bloßer Gehorsam zeige aber Dienstbarkeit und Unterwerfung. Maimonides’ Lehrer Aba Siafar Ibn Tophail habe diesen Riten einen Schein von Vernunft geben wollen, etwa als Reinigung nach dem Vorbild der ganz reinen himmlischen Körper oder als Mitvollzug des Sternenumlaufs. Er sei um Bäume, auch um die ganze Insel herumgelaufen: „daraus er dann scheinet behaupten zu wollen, daß man auch um die Caba herumlauffen müsse. Ein verständiger Leser kan selbst urtheilen, ob diß ein vernünfftiger Gottesdienst heissen könne. Rom. 12. v. 1.“ (52). 6.1.4 Das zweite Buch – Relands 39 Widerlegungen falscher Auffassungen von Mohammed und seiner Religion Weitaus größeren Umfang hat Relands Auseinandersetzung mit den Dingen, „[d]ie man fälschlich und ohne Grund Den Türcken andichtet“. Die 39 von Reland traktierten Themen werden hier kurz vorgestellt. (Die erwähnten Autoren finden sich in der Reihenfolge ihrer Nennung in der Anmerkung.18) 17 Grundlage dafür ist offenbar auch Hottinger (vgl. S. 38 Anm. t). 18 Folgende Namen bzw. Werke nennt Reland in den hier interessierenden Zusammenhängen: 1) Nikolaus von Kues’ (Nicolao de Cusa; 1401–1464) Cribratio Alcorani (1460/61); 2) Roberto Francesco Bellarmino (1542–1621); 3) Balthasar Walter (Gualtherus; 1586–1640); 4) Jan Makowski (Johannes Maccovius; 1588–1644); 5) Joseph de la Brosse (Angelus a S. Joseph oder de la Brosse; 1636–1697); 6) Robert von Ketton (Roberto Retinensis; ca. 1110 bis ca. 1160); 7) Tom de Andrade/Tome de Jesus (Thomas a Jesu; 1529–1582); 8) Thomas Artus (Artus Thomas; 16./ 17. Jh.; Autor von L’histoire de la d cadence de l’empire grec von 1632); 9) Justus Lipsius (Lipsius; 1547–1606); 10) Euthymios Zigadenos (Euthymius Zigabenus; gest. nach 1118); 11)

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6. Relands De Religione Mohamedica in deutscher Übersetzung

1. Daß den Mohammedanern viele Dinge fälschlich beygemessen werden Der Abschnitt beginnt mit distanzierten Worten gegen die Lehre Mohammeds: VOn der Zeit an, daß die Mohammedische Lehre fast die gantze Welt gleich als eine ansteckende Seuche oder Pest vergifftet hat, sind viele gewesen, welche diesem einreissenden Ubel zu wehren, und diese falsche Religion zu widerlegen versuchet haben, wiewohl nun dieses höchst nöthig war, damit durch den Irrthum, der die Gründe der gantzen Christlichen Religion übern Hauffen wirfft, die Gemüther der unwissenden Leute, dergleichen es in Asien zu Mohammeds Zeiten viele gab, nicht verführet würden; so war es doch so leicht nicht ins Werck zu stellen. Dann es gehörte dazu eine vollkommene Wissenschafft der Arabischen Sprache worinn der Betrieger seine Bücher beschrieben hatte; und ohne Hülffe dieser Sprache ists unmöglich hinter die Mohammedische Geheimnisse zu kommen. (55–56)

Aus Unkenntnis habe man den Mohammedanern unvernünftige Dinge nachgesagt, die Griechen insbesondere hätten den Mohammedanern vieles angedichtet, „wie es dann gemeiniglich so zu gehen pfleget, wann boßhafftige Leute, die Meynungen ihrer Gegen-Parthey erklären wollen.“ (56) Diese Irrtümer sollen nun beseitigt werden, „damit diejenigen, die alles glauben was man von den Türcken saget, mit solchen Lügen sich nicht mehr schleppen mögen“ (57). 2. Ob die Türcken glauben, daß ein jeder in seiner Religion könne selig warden Dieser Irrtum finde sich bei „Nicolao de Cusa in cribratione Alcorani“, bei “Bellarmino, Gualthero, Maccovio etc.“, sogar bei „Angelus a S. Joseph oder de la Brosse“, der doch 15 Jahre in Asien gewesen sei und Arabisch und Persisch verstanden habe. Es handele sich um eine falsche Auslegung von Sure zwei, die sich auch in Schweiggers Koran finde. Glaube und Mohammeds Religion seien ein und dasselbe, darum könne in der fraglichen Stelle nicht gemeint sein, dass Juden, Christen, Sabäer oder Heiden selig würden, denn sie glaubten ja nicht im Sinne Mohammeds. Glauben hieße nicht nur zu glauben, dass ein Gott sei, Georgios Kedrenos (Cedrenus; 11./12. Jh.; Verfasser einer Weltchronik, hier: Compendium); 12) Johannes von Damaskus (Damascenus; ca. 650 bis vor 754); 13) Stephanus le Moine (Le Moyne; 1624–1689); 14) die Magdeburger Centurien (erschienen 1559–1574); 15) John Selden (Seldenus; 1584–1654) nach der Synopsis historion des Georg Cedrenus (Kedrenos) von 1050; 16) Matthias Martinus (Martinius; 1572–1630); 17) Thomas Bradwardine (Theologus Bradwardinus; ca. 1290–1349); 18) Bartholomäus von Edessa (Bartholomaeus Edessenus; verm. 13. Jh.); 19) Andr du Ryer (du Ryer; 1580–1680); 20) Michel Baudier (1589–1645); 21) Girolamo Savonarola (Savonarola; 1452–1498); 22) Friedrich Sylburg (Sylburg; 1536–1596); 23) Polydor Vergil (Polydorus Vergilius; ca. 1470–1555); 24) Ican Miches [?] (Ican d’Espagne); 25) Konstantin VII. (Constantinus Porphyrogenitus; 905–959); 26) Theophanes der Bekenner/Theophanes Homologetes (Theophanes; ca.760–818); 27) FranÅois Pidou de Saint Olon (S. Olon; 1640/46–1720); 28) Die Anmerkungen von Thomas Hyde (1636–1703) zu Wojciech Bobowski/Ali Ufki (Bobovius; ca. 1610–1675) in De Turcarum liturgia (1690); 29) Juan Andr s (Johannes Andreas; getauft 1487); 30) Raffaello Maffei (Volaterranus; 1451–1522); 32) Jer nimo Os rio (Hieronymus Osorius; 1506–1580).

6.1 Die deutsche Fassung

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sondern Glauben hieße, sich an Mohammeds Gesetze zu halten. Schweigger habe ein Missverständnis der lateinischen Übersetzung Robert von Kettons (Roberti Retinensis) über die italienische Fassung in seine deutsche übernommen. 3. Ob die Mohammedaner sagen, daß gott einen Leib habe Diese Verleumdung schreibe auch Pius II. an Mohammed II., obwohl dieser nach Meinung seiner Anhänger ja gar nicht irren könne. So schrieben auch „Thomas a Jesu Gualtherus, Artus Thomas, Lipsius“. Die Aussage von Euthymius Zigabenus, nach Mohammed sei Gott kugelrund, führt Reland auf ein Missverständnis von Sure 112 zurück, wo dieses Wort auch so viel wie „ewig“ bedeute. Er verweist auf den ersten Teil seines Buches und bringt ein jüdisches Zeugnis („Buch Cosri“) für ein geistliches Verständnis Gottes unter den Mohammedanern. Die Juden hätten diese Lehre viel besser verstanden als die Christen. 4. Ob die Mohammedaner sagen, daß gott ein Urheber der Sünde sey Reland gibt Cedrenus Compendium, Damascenus, Artus Thomas, Gualtherus und Euthymius Zigabenus an, der dies auch aus dem Koran beweisen wolle. Mit Verweis auf verschiedene Bibelstellen (Jes 45,7; Am 3,6; Ex 10,1; Deut 2,30; Röm 9,28; Ps 81,13; Jer 4,10) und auf Luthers Lehre vom geknechteten Willen hebt er hervor, dass die Mohammedaner sagten, Gott regiere durch seine Vorsehung auch das Böse, habe daran aber keinen Wohlgefallen. Das Übel der Sünde sei etwas anderes als das Übel der Strafe, die Hölle. 5. Ob die Mohammedaner die Venus verehren Mit Verweis auf Le Moynes Varia Sacra und die Magdeburgischen Centurien, auf Euthymius Zigabenus und Cedrenus (nach Seldenus) sowie auf Damascenus, stellt er heraus, dass Mohammed allen Götzendienst beseitigt habe, wie schon in einer Schrift an Papst Gregor IX. bezeugt werde. Er führt diese falsche Meinung auf griechische Missverständnisse und Fortschreibungen zurück, dass es eine Venusverehrung wäre, wenn die Mohammedaner den Stein „Bractan zu Mecca“ (74) küssten. 6. Ob die Mohammedaner alle Geschöpffe anbeten Thomas a Jesu meine, dass sie alle Geschöpfe anbeteten, Euthymius Zigabenus beziehe dies auf das Schwören bei allen möglichen Dingen, die dadurch vergöttlicht würden. Der Schluss auf die Vergöttlichung durch Schwüre sei elend. Die Juden schwörten auch beim Tempel, der Stadt Jerusalem oder bei ihrem Haupt, ohne diese für göttlich zu halten. Zigabenus habe außerdem die Äußerungen in Sure 2 über Safa und Merva fälschlich als Vergöttlichung dieser Berge aufgefasst, ein anderer Grieche halte diese gar für anzubetende Engel.

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6. Relands De Religione Mohamedica in deutscher Übersetzung

7. Ob die Mohammedaner die göttl. Vorsehung leugnen Nach Pius II. leugneten die Mohammedaner die göttliche Vorsehung, wie auch nach Thomas a Jesu. Es sei aber inzwischen hinreichend bekannt, „daß man nirgends so fest auff die göttliche Vorsehung stehe, als bey den Mohammedanern, deren Lehre in diesem Stück der Wahrheit viel näher kommt, als die Lehre der Päpstler“ (80), schreibt der Calvinist Reland. 8. Ob die Türcken glauben, daß gott für Mohammed bete Bellarminius, Martinius und andere behaupteten, Gott lege für Mohammed eine Fürbitte ein. Dieser Fehler stamme aus einem Missverständnis der 33. Sure. Wie im Hebräischen habe „segnen“ in Aussagen über Gott eine andere Bedeutung als in Aussagen über Engel („fürbitten“) oder über Menschen („beten“). 9. Ob die Türcken glauben, daß keine Hölle sey Maccovius und andere verbreiteten diese Vorstellung, die sich mit einem kurzen Blick in den Koran von selbst erledige, der so häufig den Ungläubigen höllische Strafen androhe. 10. Wohin die Türcken ihr Gesicht wenden, wann sie beten Euthymius Zigabenus, Gualthero und andere behaupteten, das Gebet sei nach Süden gerichtet. Die Sure 2 gebe Mekka als Gebetsrichtung an. Unklar sei, „wie der fürtreffliche Theologus Bradwardinus“ zu einer solchen Aussage komme, dass man mit Richtung Osten den Teufel anbete, da die Sonne zwischen zwei Teufelshörnern aufgehe. Man bete nach Osten, wenn Mekka östlich liege. 11. Ob die Mohammedaner meynen, daß sie durchs Wasser die Sünden abwaschen Bartholomæus Edessenus, Polydorus Vergilius, Ican d’Espagne, auch jüngst S. Olon, französischer Gesandter in Marokko, schrieben dies, wie auch Hyde in seinen Anmerkungen über die Türkische Liturgie des Bobovii. Reland begegnet dem mit einem Zitat aus einem arabischen Manuskript, das äußere und innere Reinigung unterscheidet. 12. Ob sie glauben, daß die Teuffel, gottes und Mohammeds Freunde seyn Johannes Andreas, der ja selbst ein „Türke“ (!) gewesen sei, schreibe dies mit Bezug auf Sure 72, die aber von den Geistern und nicht vom Teufel rede. Es gebe gute Engel, böse Engel und Teufel, außerdem (geringere) Geister, die besser als die Teufel, aber unter den Engeln und gläubig oder ungläubig seien. Von diesen Geistern sei die Rede. 13. Ob die Türcken glauben, daß unter den Engeln auch Weiber seyn Es gebe keinen Unterschied des Geschlechts bei den Engeln, wie Euthymius Zigabenus behaupte.

6.1 Die deutsche Fassung

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14. Was sie vom Zustand der heiligen Engel glauben Nach Thomas a Jesu würden Engel noch sündigen. Die berichteten Sünden Azaziels (Iblis), sowie Harots und Marots seien jedoch vom Anfang der Welt. Die Christen sagten ähnliches. Schahabaddin Abulabas Achmed, den Reland hier zitiert, habe Wahres und Fabelhaftes in dieser Frage vermischt: „Sie haben etwas von dem Licht der Wahrheit schimmern gesehen und sie doch nicht erkannt, weil sie die göttliche Offenbahrung der heiligen Schrifft nicht gehabt oder angenommen haben.“ (95) 15. Ob im Alcoran stehe, daß die Teuffel nicht hören Die Sure 26 rede nicht vom Gehör, sondern vom Gehorsam. Es gehe weder um das Gehör der Teufel noch um den Koran, den sie wegen Gehörlosigkeit nicht hätten verfertigen können, wie es in der Anmerkung zum lateinischen Koran stehe, sondern um Gehorsam. 16. Ob die Mohammedaner mit Origine lehren, daß die Teuffel einst wieder werden selig warden Hier wendet Reland wieder die bereits genannte Unterscheidung von guten und bösen Engeln, Teufeln und gläubigen oder ungläubigen Geistern an und wendet sich gegen einen ungenannten Autor. Die bösen Engel oder Teufel werden mit den ungläubigen Menschen in der Hölle bleiben, „und ihr Oberster Iblis trägt auch von der Verzweiflung den Nahmen, weil er keine Hoffnung hat je bey GOtt in Gnaden zu kommen.“ (97 f) Ungläubige müssten ewige Strafe leiden (Sure 74 und 43), was mit der Vorstellung des Origenes, alle Menschen und Teufel sollten nach der Büßung selig werden, nicht übereinstimmt. Mohammed habe dies nicht gelehrt und „habe ich noch in keinem Mohammedanischen Scribenten gelesen, daß alle Teuffel sollen selig werden.“ (98) 17. Vom Türcken-Himmel, und worinn ihrer Meynung nach, die höchste Glückseligkeit nach diesem Leben bestehe Thomas a Jesu und Petrus, Abt zu Cluny, setzten den Himmel mit fleischlichen und viehischen Wollüsten gleich. Ebenso Hieronymus Savonarola, oft von anderen wiederholt. Des „Türcken-Himmels“ (100) werde nur gespottet. Die versprochenen Jungfrauen und Lüste seien zwar verlachenswert, Mohammed habe aber nicht gesagt, dass darin die größte Lust bestehen werde. Er habe den irdisch gesinnten Arabern leibliche Wollust lassen wollen. Doch die Seele sei edler als der Leib, sie habe ihre größte Lust im Anschauen Gottes, worüber man die anderen Lüste des Paradieses vergessen werde. Der Himmel bestehe nicht aus irdischen Vorstellungen. Diese seien als „Seelen-Lüste“ gleichnishaft auszulegen. Reland verweist hier positiv auf Hyde und d’Herbelot. 18. Ob die Weiber auch in den Himmel kommen warden Grelot schreibe in seiner constantinopolitanischen Reisebeschreibung, die

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6. Relands De Religione Mohamedica in deutscher Übersetzung

Frauen seien vom öffentlichen Gebet und dem gemeinsamen Grab ausgeschlossen, weil im Paradies jüngere und schönere Mädchen warteten. Sike habe aber drei Koranstellen benannt, aus denen das Gegenteil hervorgehe. 19. Ob die Türcken nach Mecca gehen, um daselbst Mohammeds Grab zu sehen Volaterranus behaupte dies, ähnlich Hieronymus Osorius. Wer sich nur etwas auskenne, wisse, wo Mohammed begraben sei, und dass die Wallfahrt nach Mekka andere Gründe habe. 20. Ob im Alcoran stehe, daß die Jungfrau Maria Mosis Schwester gewesen sey Viele behaupteten, Mohammed bringe Maria und Mirjam durcheinander. Wenn dies stimmte, „könte durch diß eintzige Argument der Alcoran schon als ein Lügen-Buch verworffen werden, wie dann viele Scribenten fast mehr nichts als dieses zur Widerlegung des Alcorans anführen.“ (107 f) In Sure 19 werde sie zwar als Schwester Aarons genannt, aber ob mit diesem Aaron der Bruder Mose gemeint sei, wäre offen. Reland zitiert hier d’Herbelot, der auf Lk 1,5 verweist. 21. Ob im Alcoran stehe, daß Haman zu Pharaons Zeiten gelebet habe Reland liest den Text wiederum historisch, wenn er gegen Petrus de la Cavalleria anmerkt, Mohammed könne den Namen Haman erdichtet oder aus einer Tradition übernommen haben, wie der Koran hier ja auch andere Namen enthält, die nicht aus der heiligen Schrift stammten (Walid, Asia, Muzaim, Rahma, Gudarz). Der in Sure 29 genannte Haman müsse also nicht der Haman der Bibel sein, der ja zur Zeit des Königs Ahasver und nicht zur Zeit des Pharao gelebt habe. „Wollen wir dann etwas gegen den Alcoran einbringen, so muß es wichtiger seyn als dieses, sonst werden die Christen schlechten Ruhm von ihrem Siege haben.“ (112) 22. Ob Mohammed geleugnet habe, daß jesus gestorben sey Im Unterschied zu manchen zeitgenössischen Anhängern habe Mohammed selbst nie geleugnet, dass Jesus gestorben sei (Sure 3). Euthymius Zigabenus habe mit dem Verweis auf Sure 4 zwar Recht, dass nicht Jesus gekreuzigt worden sein solle, aber die anderen Stellen bewiesen, dass Mohammed seinen Tod nicht geleugnet habe. 23. Ob im Alcoran stehe, daß die Jungfrau Maria vom essen der Frucht eines Palm-Baums schwanger geworden Gegen Bartholomaeus von Edessa, der Sure 3 anführt, setzt Reland andere Texte (aus Sure 3, 19 und 20). Vermutlich sei Bartholomæus von Edessa durch die Erwähnung der Palme in Sure 19 auf den Irrtum verfallen. Im Koran sei die Zeugung der göttlichen Macht und dem Heiligen Geist zugeschrieben.

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24. Ob die Mohammedaner den Hund für ein reines Thier halten Gegen Euthymius Zigabenus setzt Reland Busbequius im dritten Brief seiner türkischen Gesandtschaft: Hunde werden als unreine Tiere betrachtet und auch nicht in den Häusern gehalten. Mohammed solle gesagt haben, kein Engel käme in ein Haus, in dem ein Hund sei. 25. Ob die Mohammedaner es für erlaubt halten die Bündnisse, so sie mit Ungläubigen gemacht haben, wieder zu brechen Ricaut schreibe dies zwar in seinem Gegenwärtigen Zustand des Ottomanischen Reiches, ein gelehrter Mann, der darüber seine Anmerkungen gemacht habe, bestreite dies aber mit Bezug auf den Koran („dahin wir den Leser verweisen“, 118). 26. Ob der Alcoran Mosi und Aaron gegeben sey Johannes Andreas behaupte in seiner Confusio Sectaæ Mohammedicæ, in Sure 21 würden Mose und Aaron als Empfänger des Koran benannt. Der „Alfurcan“, den Johannes Andreas hier als „Alcoran“ verstehe, sei aber der allgemeine Ausdruck für alle Bücher, die Gutes und Böses unterscheiden. Reland zitiert als Beleg du Ryers Übersetzung, die dies wiedergibt. 27. Ob der Alcoran geirret habe, wann er sagt, Moses sey von Pharao erzogen In Michael Baudiers französischer Historie der Türkischen Religion werde Sure 26 nach der lateinischen Übersetzung von 1143 falsch gedeutet. Im arabischen Text sei vom Haus gar nicht die Rede. Das Haus des Pharao könne also nicht gemeint sein. 28. Ob im Alcoran stehe, daß Mecca im Ammonitischen Lande gelegen habe Auch hier weist Reland auf die lateinische Übersetzung hin, die als Randglosse zu Sure 24 den Hinweis auf das ammonitische Land enthalte. Daraus werde des Autors Dummheit abgeleitet, der nicht einmal wisse, wo er geboren sei. „Solte hie in gantz Utrecht wohl ein Mensch so närrisch seyn, der sagen würde, Utrecht läge in der Schweitz.“ (122) Reland löst den Irrtum folgendermaßen auf: es sei die Rede davon, das Land um Mekka sicher („Amin“), zu einer Zuflucht, zu machen. Daraus hätten diese Übersetzer das Land Ammon gemacht. 29. Ob im Alcoran stehe, daß Mohammed habe lesen können Der vermeintliche Widerspruch in der Frage des Lesens wird von Reland ebenfalls auf die lateinische Übersetzung zurückgeführt. 30. Ob Mohammed im Alcoran bekenne, daß er nicht wisse, was er thun solle, auch nicht ob er auff dem Wege der Seligkeit sey Savonarola und andere schrieben, Mohammed erkläre den Koran für unverständlich. Nicolaus de Cusa meine, Mohammed sagte in der Sure 56, er wisse

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6. Relands De Religione Mohamedica in deutscher Übersetzung

nicht, was er oder andere tun sollten – wie dies auch in der Lateinischen Übersetzung stehe. Die (46.) arabische Sure laute aber „Ich weiß nicht, wie es mir oder euch gehen werde“ (127). Die Unverständlichkeitsbehauptung Savonarolas (Sure 3) stamme aus Richardos Confutatio, der die Stelle anführe, die eigentlich bedeute, man solle nicht über den Koran räsonieren. Es hätte anders auch keinen Sinn, wenn Mohammed den Koran als Offenbarung bezeichne. Sowohl die lateinische Übersetzung als auch du Ryer gäben den Sachverhalt schlecht wieder. Man müsse den Text teilen: Niemand weiß dessen Auslegung als GOtt. Die aber recht gelehrt sind, die sagen, wir glauben, etc. Wie dann in meinem geschriebenen Alcoran hinter dem Worte GOtt, ein rothes Punctum steht. Welche Distinctionen sehr nützlich sind, den Verstand zu finden, ob sie schon in wenig Exemplaren anzutreffen sind. (129)

31. Ob im Alcoran von gott dem Schöpfer und Unsterblichen keine Meldung geschehe Dass der Name des Schöpfers im Koran nicht stehe, sei „nur eine blose Calumnie, welche Bartholomæus Edessenus gegen die Mohammedaner ausspeyet“ (129). Der von ihm stattdessen benannte Morgenstern finde sich in Sure 86, dort tue „Mohammed bey diesem Morgenstern einen Eidschwur, welches thöricht genug ist“ (130). Daraus folge aber nicht, dass vom Schöpfer nicht die Rede sei. 32. Ob Mohammed im Alcoran erlaubet habe, so viel Weiber zu nehmen als man wolle, und ernehren könne Olearius und andere schrieben, es dürften so viele Frauen genommen werden, wie ernährt werden könnten. Ein weiterer nenne die Zahl 12; Sure 4 begrenze aber auf vier Frauen. Mohammed habe 14, 17 oder 21 Frauen gehabt, allerdings nicht gleichzeitig. Außerdem habe er ein Privilegium in dieser Angelegenheit gehabt, um die Religion auszubreiten. Reland zählt Mohammeds sechs Frauen auf (Chadizia, Sawda, Aischa, Chaffa, Om Selma, Zaineb) und kritisiert einen von Sylburg in seinen Sarracenicis überlieferten Text. 33. Was die Mohammedaner für Satzungen von der Waschung des Angesichts haben Reland zitiert Bartholomæus Edessenus mit einer Überlieferung, die Hygiene und rituelle Reinigung, Hintern und Mund zusammenbringt. Reland weist auf Mohammeds Vorschrift zur Reinigung des Hinterns hin, trennt sie aber von der Waschung vor den Pflichtgebeten – es sei denn beides käme zufällig fünf Mal am Tag aufeinander. 34. Was die Türcken von Mose glauben In einem eigenartigen Themenwechsel kommt Reland nun auf Mose zu sprechen. Euthymius wie auch ein ungenannter Autor, der bei Sylburg über-

6.1 Die deutsche Fassung

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liefert sei, behaupteten, Mohammed rechne Mose unter die Verdammten. Wer auch nur eine Schrift der Araber gesehen habe, wisse, dass dies falsch sei. 35. Wie viel Propheten Mohammed statuiret habe Volaterranus schreibe in seiner an Biblianders Koranübersetzung von 1550 angefügten Widerlegung, Mohammed habe drei Propheten gekannt, neben sich selbst noch Mose und Christus. Hier reiche ein Blick in das vorliegende erste Buch. 36. Ob Mohammed lehre, der Mensch werde aus einem Blut-Egel gezeuget Euthymius Zigabenus verstehe ein Wort in Sure 96 aufgrund einer Vermischung durch die Griechen falsch. Geronnenes Blut, woraus der Mensch geschaffen sei, bedeute in anderer Hinsicht auch Blutegel; ein ähnliches, hier zutreffendes Wort bedeute Samen. „Diese Wörter haben die Griechische halbgelehrte vermenget, nur daß sie was an Mohammed zu tadeln finden.“ (139) 37. Von der Unsterblichkeit der Seelen Gegen Polydorus Virgilius sei zu sagen, dass die Gottlosen ewig in der Hölle und die Frommen ewig im Himmel blieben. Wenn die Frommen nach dem Koran Gott liebten, sähen und mit höchster Freude erfüllt würden, „so hat er ja geglaubt, daß die Seelen nach dem Tode bleiben werden“ (140). 38. Ob Mohammed gelehrt habe, daß alle diejenige, die vom Feinde umgebracht würden, oder ihn umbrächten, in den Himmel kommen Kaiser Constantinus Porphyrogenitus und Theophanes meinten, den Feind zu erschlagen oder von ihm erschlagen zu werden, führe in den Himmel. Mohammeds Verheißung in der Schlacht gegen die Mekkaner dürfe nicht auf alle Feinde ausgedehnt werden. Darinn betriegen sich viele auch, welche, wann Mohammed von diesen Meccanern ins besondere redet, und seinen Anhängern befiehlet: Bringt sie um, wo ihr sie findet, diß alsobald zu allerley Feinden ausstrecken, als wann heut zu Tage die Türcken offentlich und heimlich die Christen und andere Feinde ermorden dürfften. (142)

39. Ob Mohammed zu seiner Zeit die Beschneidung von den Juden hergenommen habe Theophanes schreibe, dass Juden, die zwischenzeitlich Mohammeds Anhänger waren, ihn die Beschneidung und andere Gebräuche des Gesetzes gelehrt hätten. Dieser Irrtum sei bereits oben im ersten Buch geklärt. Reland schließt seine 39 Artikel lange Liste von Irrtümern und deren Aufdeckung mit einem Hinweis darauf, dass sich noch viel mehr falsche Auffassungen benennen ließen. Ich könte noch wohl mehr von solchen Dingen reden, die man den Mohammedanern fälschlich andichtet, doch will ich den Leser nicht länger auffhalten, sondern ihn

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6. Relands De Religione Mohamedica in deutscher Übersetzung

bitten, daß er mir diese bloß aus Liebe der Wahrheit angewandte Arbeit zum besten auslegen wolle. Ende des zweyten Buchs. (144)

Sehr ausführlich setzt Reland sich mit mehr oder weniger bekannten Irrtümern auseinander. Er führt sie in der Regel auf ihren Ursprung zurück und widerlegt sie teils philologisch, teils historisch, teils durch weitere Überlieferung. Interessant ist, dass er kaum auf neuere Texte eingeht, sondern vor allem die alten christlichen Darstellungen heranzieht und kritisiert und nicht etwa Prideaux’ Life of Mahomet. Es fällt weiterhin auf, dass Reland nicht auf den Vorwurf eingeht, Mohammed habe seinen Koran mit fremder Hilfe verfasst. All diese Fragen interessieren hier offenbar nicht. Das Buch enthält die Wiedergabe eines Manuskripts und Widerlegungen falscher Behauptungen und es richtet sich im Vorwort gegen Habsburg und die Katholische Kirche.

6.2 Zwischenbilanz Elf Jahre nach dem Erscheinen von Relands lateinischem Werk De religione Mohammedica libri duo 1705 war man in Deutschland offenbar der Meinung, das Buch solle auch einem nicht gelehrten Publikum zugänglich sein. Zusammen mit dem Traktat über das Kriegsrecht der Türken wurde dieser Text 1716 erstmals in deutscher Sprache gedruckt. Eine zweite Auflage dieser Zusammenstellung erschien bereits 1717 im selben Verlag (Förster in Hannover), allerdings wieder nach der ersten Auflage. Der Text über das Kriegsrecht war für Offiziere bestimmt, wie schon aus dem Titel hervorgeht. Für wen war die deutsche Fassung seines Religionsbuches gedacht? Wer sollte von den teilweise Jahrhunderte alten Vorurteilen befreit werden? Die Leser Humphrey Prideaux’, Gottfried Arnolds, David Nerreters oder des Lexikons von Johann Franz Budde(us)? Die Leser älterer „Türckenbüchlein“? Über die Zielgruppe kann dieser Übersetzung keine genaue Auskunft entnommen werden, deutlich ist, dass dieses Buch, ergänzt um das Thema Kriegsrecht, über akademische Kreise hinaus wirksam werden und damit zur Beseitigung der 39 dargestellten falschen Vorurteile beitragen sollte. Ergibt sich aus diesem über falsche Vorurteile aufklärenden Ansatz eine positive Sicht auf Mohammed? Wie beurteilt Reland Mohammed und seine Religion? Im Grunde urteilt er gar nicht. Er schildert nicht den Lebensweg des Propheten, nicht dessen Vorgehen und kommentiert insofern auch nicht ein tatsächliches oder vermeintliches Anliegen Mohammeds. Auch der Koran wird nicht als Urkunde eingeführt, geschildert oder gar bewertet. Er wird an manchen Stellen zitiert oder auch vorausgesetzt und einzelne Wörter werden übersetzt. Diesem Befund entsprechend gibt es in Relands Buch weder eine Betrugs- noch eine Schwärmer- oder andere Hypothese. Nach der Darstellung

6.2 Zwischenbilanz

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von Lehren und Riten im ersten Teil folgt die Widerlegung von 39 falschen Meinungen. Bernd Roling lässt in seiner Studie ein „nahezu aufklärerisches Programm“ Relands als „Religionskritik“ erscheinen.19 Der Text Relands gibt eine solche Einschätzung m. E. jedoch nicht her. Es geht nicht um Religionskritik im Allgemeinen, sondern um die zu Relands Zeit übliche Kritik an der Mohammedischen Religion, also um Apologetik oder Polemik. Der Text bringt an keiner Stelle zum Ausdruck, dass theologische Apologetik und Polemik überflüssig sei oder abzuschaffen wäre. Reland argumentiert vielmehr gegen diejenigen, die sich auf unzureichender oder falscher Basis einen Feind selbst bauen, gegen den sie dann natürlich immer siegen können. Die von Reland zitierten römischen Soldaten an der Nordsee sammelten nicht nur Muscheln, vielmehr seien diese Muscheln anschließend als Beute des Weltmeeres in Rom dem Jupiter geweiht worden. Dem Sieg, für den die Beute hier steht, ging also kein angemessener, eigentlich gar kein Kampf voraus. Für einen angemessenen Kampf braucht man nicht die bisherige ,Muschelsammelei‘, sondern eine bessere, an den Quellen und damit an der Wirklichkeit orientierte Grundlage für die Apologetik, wie Reland im Vorwort mehrfach betont. Das ist gemeint, wenn er Caligula als Bild erwähnt. Die Unterschiede zwischen Prideaux und Reland lassen sich also nicht ohne weiteres mit „Wissenschaft als Waffe der Polemik“ für Prideaux und Epigonen sowie „Wissenschaft als Abwicklung der Polemik“ für Reland und Epigonen beschreiben, wie Roling es vorschlägt.20 Wenn man theologische Polemik in historischen Texten ausschließlich als böswillig-kämpferische Schreibart 19 Ebd., S. 71: „In seiner Vorrede entwirft Reland ein nahezu aufklärerisches Programm, Mißverständnisse, betont Reland, haben die Auseinandersetzung mit anderen Glaubensüberzeugungen immer wieder erschwert, sei es im Streit der christlichen Konfessionen, sei es zwischen Juden, Muslimen und Christen. Hat man den Koran in der Originalsprache bislang wirklich gründlich studiert? Wieviel ist durch die lateinische Übersetzung des Robert von Ketton und die Darstellung eines Juan Andres verfälscht worden? Jede Religionskritik muß sich zunächst über ihr Objekt klar werden; erste Voraussetzung ist, wie Pococke oder Thomas Erpenius belegen können, die Beherrschung der arabischen Sprache, die zweite die Klärung der Realien. Wer den Islam angreift, weil er, wie manche behaupten, ein körperliches Gottesbild zu lehren scheint, handelt nicht besser als Caligula, der am Strand Englands seine Soldaten in Stellung bringt, um anschließend Muscheln zu sammeln.“ Diese Einschätzung Rolings ist geradezu paradigmatisch für eine Lesart dieser Quellen, die einem teleologischen Geschichts- und damit Aufklärungsverständnis geschuldet ist, das sich vom Schlechteren zum Besseren bewegt. In dieser Perspektive wird Reland als der Aufklärer direkt mit dem Polemiker Prideaux konfrontiert. Historisch ist ein solcher Zusammenhang, der Reland als Antitypus zu Prideaux schildert, allerdings nicht greifbar. 20 Vgl. ebd., S. 70: „Ebenso wie sich Gelehrte bemühen, das neue Quellenstudium zu einem Werkzeug der Verteidigung festgewachsener Thesen zu machen und auf diese Weise Philologie und Kontroversliteratur zu vereinigen [Roling zielt hier v. a. auf Prideaux], wie schon im vorausgegangenen Jahrhundert der Fall war, versucht eine andere Fraktion beide Strömungen zu entflechten und die Orientalistik von ihrem apologetischen Ballast zu befreien. Nicht Islambegeisterung oder Philosemitismus waren hier die tragenden Motive, sondern der Wunsch nach objektiver Erkenntnis.“

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6. Relands De Religione Mohamedica in deutscher Übersetzung

versteht, dann kann man deutliche Unterschiede zwischen Prideaux, der Mahomet unzählbar oft als „Betrüger“ bezeichnet, und Reland, der sich in dieser Hinsicht zurückhält, feststellen. Im theologischen Sinne stellen beide auf ihre Art wissenschaftlich erhobenes Material für die Polemik zur Verfügung. Prideaux greift Mahomet an, um auf diesem Umweg das Christentum gegen die Deisten zu verteidigen. Reland versucht, 39 fruchtlose Angriffsvarianten aus der Welt zu schaffen und die Religion Mohammeds positiv – aus einer Quelle – vorzustellen. Reland stellt die Wahrheitsfrage in Bezug auf den prophetischen Anspruch Mohammeds und des Koran selbst nicht, er weist aber mehrfach auf sie hin. So heißt es beispielsweise im Vorwort, dass die Mohammedaner, mit denen man nicht zuletzt in Handelsdingen viel zu tun habe, nicht gern über ihre Religion disputierten, und wann ein Christe sie angreifft, nichts anders antworten können, als daß sie dieß oder jenes glauben und thun, weils GOtt im Alcoran befohlen hätte. Da aber die Mohammedaner dieses fest sich einbilden, und alles was im Alcoran steht, für Gottes Gebot halten, so kan man mit ihnen nicht disputiren, ob diese oder jene Lehr und Ceremonie gut oder billig sey, (dann daß beweisen sie, weils im Alcoran geschrieben steht) sondern der gantze Disputat muß darauff ankommen, ob der Alcoran auch ein Göttliches Buch sey. Wann man aber dahin kommt, so müste man fein aus dem Alcoran selbst die Dinge nehmen, daraus man bewiese, daß es kein göttlich Buch seyn könne. Aber wie wenig ziehen in die Länder, die etwas Arabisch können, zugeschweigen daß sie aus dem Alcoran die zweiffelhaffte und lügenhafte Dinge solten aussuchen und den Mohammedanern vorwerfen können? (b8v–c1r)

Zweifelhafte und lügenhafte Dinge aus dem Koran selbst seien vorzulegen, um zu beweisen, dass er keine Offenbarungsurkunde sei. Dafür seien die Beherrschung der arabischen Sprache, die Aufgabe alter und falscher Vorurteile und eine genaue Kenntnis des Koran nötig. Nach Selbstauskunft des Buches von Reland könnte der Zweck des Buches ungefähr so formuliert werden: ,Hört auf, die dummen und falschen Gründe (v. a. der Griechen) gegen Mohammed und die Muhammedische Religion ständig zu wiederholen, und zu meinen, mit dieser Muschelsammelei etwas gewinnen zu können! Widmet euch dieser Religion wie sie ist, damit eure besseren Gründe überhaupt Gehör finden! Studiert Arabisch, um ihre Schriften studieren zu können!‘ In diesem Sinne ist Reland tatsächlich ein Aufklärer – allerdings mehr ein Aufklärer der westlichen, christlichen Apologeten und Polemiker in Bezug auf ihre Grundlagen, für welche dieses lateinische Buch geschrieben ist. Reland ,befreite‘ die Debatte – jedoch nicht von „ihrem apologetischen Ballast“ (Roling), sondern von falschen Darstellungen und falschen Annahmen, sonst hätte er gegen zeitgenössische Autoren wie Prideaux oder auch Marracci schreiben müssen. Doch dies unterbleibt explizit wie implizit.

6.3 Reland – ein Anti-Prideaux?

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6.3 Reland – ein Anti-Prideaux? „Durchläuft man die Kette der Stichwortgeber, festigt sich der Eindruck, daß Relands Oxforder Kollege Prideaux, dessen Traktat wenige Jahre zuvor erschienen war, die eigentliche Zielscheibe der Argumentation Relands bildet.“21 Die Bezeichnung „Kollege“ suggeriert eine Nähe, die sich historisch nicht belegen lässt und die „Kette der Stichwortgeber“ zeigt, dass Reland sich nicht mit den neueren Autoren, sondern mit den Urhebern alter Vorurteile und Missverständnisse auseinandersetzt. Über Prideaux oder andere neuere Autoren findet sich bei Reland nichts. Kann man aus diesem Schweigen die ,eigentliche Zielscheibe‘ herauslesen? Reland widmet sich mehr der Religion, Prideaux noch stärker der Person Mohammeds bzw. Mahomets. Reland stellt v. a. Inhalte dar, Prideaux interpretiert. Wenn man in Rolings Weise Wissenschaft als „Waffe“ oder als „Abwicklung“ der Polemik begreift, dann muss der spätere (Reland) als „Antitypos“22 gegen den früheren (Prideaux) schreiben. Dieses Vorgehen verdankt sich allerdings einer Voraussetzung, die eine „bessere“ Darstellung des Propheten kennt, oder wie Roling es nennt: „objektive Erkenntnis“23. Selbstverständlich ist auch Relands Buch von Interessen geleitet, beinhaltet klare Positionierungen. Es wäre sonst gar nicht geschrieben worden. Lassen sich aus dem Text solche Positionierungen erheben? Der Semitist Reland beklagt, dass Kandidaten der Theologie nur noch aus Angst vor dem Examen Hebräisch lernten, eigentlich aber meinten, die Bibelübersetzung sei ausreichend. Reland, der Semitist, Philologe und Exeget, verteidigt seine Disziplin und seinen Ansatz. Das vorliegende Werk erschließt in diesem Zusammenhang eine unbekannte Quelle zur Kenntnis der Religion Mohammeds. Das ist hier die erste Leistung des Philologen und Exegeten Reland. Das Buch räumt weiterhin mit falschen Annahmen und peinlichen Vorurteilen auf. Das ist die zweite Leistung v. a. des Philologen und des ,Religionshistorikers‘ Reland. Eine „objektive Erkenntnis“ könnte darin bestehen, dass man durch dieses Buch Relands den Wert und die Bedeutung seines Faches für Wissenschaft und Gesellschaft erkennen könnte, denn es gibt sich als die beste Informationsquelle über positive Inhalte und falsche Vorurteile. Dem gegenüber kennt

21 Ebd., S. 72. 22 Ebd., S. 70. 23 Ebd., S. 61: „Wenn Wissenschaftlichkeit gleichbedeutend ist mit der objektiven Annäherung an einen Gegenstand, oder zumindest mit dem Anspruch, eine solche Objektivität durchzusetzen, so können die ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts in der Islamwissenschaft vielleicht als eine Zeitenwende gelten, in der sich Kontinuität und der Wunsch nach Erneuerung begegnen.“ Und wenn nicht? Welcher Wissenschaftsbegriff ist hier gemeint? Der des frühen 18. Jahrhunderts, der Wissenschaftsbegriff moderner, historisch arbeitender Wissenschaften oder noch ein anderer?

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6. Relands De Religione Mohamedica in deutscher Übersetzung

Roling ganz andere Motive Relands, die allerdings ohne jede Quellenabsicherung formuliert werden: Erst vor dem Hintergrund der erneuten Instrumentalisierung, die Prideaux den Materialien, die Pococke seiner Umwelt zugänglich gemacht hatte, angedeihen ließ, hielt es Reland für notwendig, die Rolle des Propheten von ihrem Ballast zu befreien. Es waren Reland und die Gelehrten, die sich ihm in der Folgezeit anschlossen, die auf diese Weise als erste in ihrer Zeit den Islam von den Wertungen der Apologetik isoliert betrachten konnten und ein neues Forschungsobjekt konstituierten. Hält man Adrian Reland in seiner Antwort auf Prideaux daher für einen der Begründer der modernen Islamwissenschaften, so ist Prideaux auf diese Weise als seine Negativfolie und Vorlage tatsächlich selbst zu einem Schlüsselwerk der Orientalistik geworden.24

Ohne Quellenbelege werden dem Autor hier Motive zugeschrieben, wie sie sich ähnlich in der älteren Aufklärungsforschung finden lassen, die vom Fortschrittsparadigma her denkt und die Entwicklung bis hin zur eigenen Position auszieht. Das wird den Quellen allerdings nicht gerecht. Die Gegenüberstellung Relands und Prideaux’, die zu Rolings weitreichender Schlussfolgerung führt, ist naheliegend, müsste aber im Sinne seiner Darstellung, Reland verfasse eine Gegenschrift zu Prideaux, erst erwiesen werden. Gibt es Quellen für eine direkte Konfrontation? Reicht die zeitliche Nähe aus, um den Oxforder und den Utrechter zu „Kollegen“ und aus der Sicht Relands zu „Antipoden“ zu erklären? Erklärt sich Relands Buch aus einer Gegnerschaft zu Prideaux? Prideaux’ Buch von 1697 erlebte diverse englische Auflagen und zahlreiche Übersetzungen. In den späteren Auflagen – nach dem Erscheinen von Relands De religione Mohammedica von 1705 – lassen sich keine Spuren einer Auseinandersetzung mit Reland finden. Relands Buch erlebte 1717 noch eine zweite lateinische Auflage. Auch diese zweite Auflage lässt keinen direkten oder indirekten Bezug zu Prideaux und zur Deismus-Debatte erkennen.

6.4 Bestätigung der Lesart durch Relands zweite (lateinische) Auflage Bemerkenswert an der zweiten deutschen Auflage ist, dass die Gefahr eines Türkenkrieges aus dem Titel des in der deutschen Übersetzung jeweils angehängten Traktats über das türkische Kriegsrecht gestrichen wurde. 1716 hieß es: Nebst dessen curieusen Tractat von dem Mohammedischen Krieges-Recht bey jetzo sich eräugnenden Gefahr des herannahenden Türcken-Krieges, allen Liebhabern, 24 Ebd., S. 75–76.

6.4 Relands zweite (lateinische) Auflage

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und sonderlich den Officirern sehr nützlich zu lesen. Unsern Teutschen zu Liebe, getreulich übersetzet, und zum ersten Mahl in dieser Sprache heraus gegeben.

1717 dagegen nur: Nebst dessen curieusen Tractat von dem Mohammedischen Krieges-Recht, Unsern Teutschen zu Liebe, getreulich übersetzet, und zum ersten Mahl in dieser Sprache heraus gegeben.

In der zweiten deutschen Auflage spielt Relands im selben Jahr erschienene Bearbeitung keine Rolle. Seine lateinische zweite Auflage wird hier nicht rezipiert. Der Vergleich beider lateinischer Auflagen25 unterstützt jedoch die hier vorgelegte Lesart des Textes. Die zweite lateinische Auflage ist mit einem Porträt Relands und einem Kupfer auf der Titelseite versehen. Die hier durch Reland vorgenommenen Änderungen verstärken den oben erwähnten Eindruck, dies Buch sei nicht zuletzt geschrieben, um die Bedeutung der „Orientalistik“ exemplarisch darzulegen. Reland fügte (neben neuen Widerlegungen) Abschnitte bzw. Passagen in sein überarbeitetes Vorwort von 1717 ein, die sich noch weiter gehend mit der Bedeutung des Studiums fremder Sprachen (linguae exoticae) und Literaturen beschäftigen. Neben Vorwürfen seitens der römischen Kirche, die beinhalten, dass Lutheraner und Reformierte Gemeinsamkeiten mit der Religion Mohammeds hätten, geht Reland nun immer wieder auch auf Ludovici Marraccis Prodromus ein. Er zitiert damit eine Autorität, mit der sich die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Koran und der Religion Mohammeds stützen lässt. Der Koran habe auf den ersten Blick sogar Vorzüge: Er handle vernünftig von Gott, spreche vom Gebet und Almosengeben. Die christliche Theologie sei demgegenüber komplizierter. Man müsse die Fehler des Koran aufdecken, dies sei man Gott schuldig. Reland bringt Beispiele dafür, wie man Widersprüche im Koran ausnutzen könnte, um ins Gespräch zu kommen: Gott werde zum Diener der Lüste gemacht, dies sei blasphemisch; das Evangelium werde anerkannt, und wiederum auch nicht anerkannt; weiterhin geht er auf die Abrogationsproblematik ein. Um Widersprüche aufdecken zu können, müsse man den Koran kennen, Reisende und Missionare hätten zwar in der Regel keine Kenntnisse, dennoch aber Erfolg, was beweise, dass man in der Religion doch erfolgreich disputieren könne. Außerdem sei das Disputieren in der Religion nicht immer verboten gewesen und könnte vielleicht später auch wieder erlaubt werden. Reland weist in dieser neuen Auflage darauf hin, dass man unter Muslimen nicht das Evangelium auslegen dürfe, man könne aber über natürliche Theologie sprechen, über sich selbst 25 Erste Auflage: Adriani Relandi de religione Mohammedica libri duo Quorum prior exhibet compendium theologiae Mohammedicae, ex codice mso. Arabice editum, Latine versum, et Notis illustratum. Posterior examinat nonnulla quae falso Mohammedanis tribuuntur. Ultrajecti ad Rhenum 1705. Zweite Auflage: Hadriani Relandi de religione Mohammedica libri duo. Editio alterior auctior. Trajecti ad Rhenum. Ex libraria Gulielmi Broedelet. M D CCXVII.

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6. Relands De Religione Mohamedica in deutscher Übersetzung

und über Gott, über Sünde und Sündenerkenntnis. Im Gespräch soweit gekommen, stelle sich die Frage nach einem anderen Weg neben dem lumen naturae. „Nostri codices Veteris & Novi Testamenti omnes characteres divinae originis habent quos vel Mohammedanus vel quivis alius desiderare postest. Dicant ipsi quas notas velint inesse alicui libro ut divinus credatur, ostendemus huic inesse.“ (Reland 1717, ******2r) Nachdem Reland darauf hinweist, dass rationale Wahrheiten für das öffentliche, und suprarationale Wahrheiten für das nicht-öffentliche Gespräch taugten, und man im Gespräch mit Muslimen nicht über alles reden, sondern nur einen Stachel setzen müsse, stellt er fest, dass der Mangel an Bekehrungserfolg auf die mangelnde Bildung der östlichen Christen und auf die Gewinnsucht der westlichen Emissäre zurückzuführen sei. Der Lebenswandel müsse stimmen, sonst nütze die ganze christliche Heilslehre genauso wenig wie der Hinweis auf die eigene, überlegene Moral. Reland spricht sich nun noch ausführlicher als in der ersten Auflage dagegen aus, dass lateinische oder andere Werke ausreichen könnten, um Mohammed und seine Religion kennenzulernen. Die Kenntnis der arabischen Sprache sei für den Alltag Reisender von überlebenswichtiger Bedeutung. Schon für die Wortgeschichte der jüdischen Lexika sei diese Kenntnis erheblich sinnvoll. Die Christen würden zum Vergleich griechische Versionen heranziehen. Wenn ein einzelnes Buch nur in belgischer Sprache vorhanden wäre, würde man ohne Zweifel die Sprache der benachbarten Germanen zu Rate ziehen, um die Bedeutung herauszufinden. Man solle mit eigenen Augen sehen und nicht nur die Sprachvergleiche einzelner Gelehrter zu Rate ziehen. Reland wendet sich dagegen, mit der Arbeit anderer Leute zufrieden zu sein. Man müsse selbst die Sprachen lernen. Die Vernachlässigung der exotischen Wissenschaften und Sprachen stütze in Wahrheit den Mohammedanismum. Denn der an sich schwache Koran werde stark, weil aus Unkenntnis der Sprachen kein historischer Vergleich stattfinde.26 Selbst die Anhänger Mohammeds würden diese Überlegenheit erkennen, studierten sie die lateinischen Klassiker. Der Reformierte Reland bringt nun auch noch ein ,reformatorisch-humanistisches‘ Argument: „Nos ipsi didicimus quam ignorantiam sacrarum literarum, quod jugum auctoritatis humanae mentibus impositum, quam corruptelam morum, nobis pepererit inter alia neglectus elegantiorum studiorum.“ (*******4r–*******4v). Man habe selbst gelernt (unter dem Papsttum), welches Joch menschlicher Autorität die Unkenntnis heiliger Schriften den Geistern auferlege und welche Verderbnis der Sitten sie hervorgebracht habe, u. a. die Vernachlässigung der eleganten Studien (belles 26 So auch J. van Amersfoort/W.J. van Asselt, Turks, S. 26: „Zijn pleidooi hiervoor [für die Kenntnis des Arabischen] is zo dringend, dat hij opmerkt dat de islam juist door de verwaarlozing van de studie van de desbetreffende talen en letteren in stand word gehouden.“

6.4 Relands zweite (lateinische) Auflage

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lettres). Nach einem Lob auf die Humanisten warnt Reland vor dem Schaden durch eine erneute Vernachlässigung: Ohne diese Studien falle man zurück in finstere Zeiten. Auch das Ende seines ausführlichen Vorwortes hat Reland an einigen Stellen noch einmal signifikant geändert. In die Distanzierung von der Religion Mohammeds fügt er ein, dass er diese Religion verfluche („quam execror“ ********r). Der Vorwurf, Mohammed verwechsle Maria, die Mutter Jesu, mit Mirjam, der Schwester Mose, könne zwar nicht bewiesen werden. Hier fügt Reland zusätzlich ein, dass er dies aber eigentlich gern beweisen würde, weil dies allein schon klar darlegen würde, dass der Koran die Lüge eines Menschen sei, wovon er und andere Christen völlig überzeugt seien. Er würde sich freuen, heißt es weiter, wenn auch die Mohammedaner davon überzeugt werden könnten, so dass sie sich zum Licht des Evangeliums begeben. („Vellem posse, quoniam hoc unum evinceret Alcoranum esse commentum hominis, quod uti mihi aliisque Christianis est persuasissimum, ita gauderem Mohammedanis id persuaderi posse, ut ad Euangelii lucem se conferrent.“ ********v). Seine Schlussformulierung ist ebenfalls geändert, anstelle des einzigen Gottes („Gloriam solius Dei“, Reland lat 1705, ****3v) wird nun auf den alleinigen und einzigen wahren Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist verwiesen („gloriam solius & unius veri Dei, Patris, Filii & Spiritus Sancti“, Reland lat 1717, ********v). Reland verteidigt also die Beschäftigung mit der arabischen Sprache in der zweiten Auflage noch intensiver und ausführlicher als in der ersten. Er diskutiert Wissenschaftlichkeit und Nützlichkeit und benennt als Zweck mehrfach die Erkenntnis, dass der Koran dem Licht des Evangeliums nicht standhalten könne, würde man ihn ernsthaft untersuchen. Diese Einsicht würde sowohl christlichen Missionaren und Reisenden nützen können, wie auch den Anhängern Mohammeds selbst, die sich aufgrund vernünftiger Einsicht in das Licht des Evangeliums begeben könnten. Im Horizont des Vorworts von 1705, dessen genannte Tendenzen in der Fassung von 1717 noch verstärkt werden, lässt sich nicht davon reden, dass Reland Apologetik oder Polemik „abwickeln“ würde. Vielmehr zeigt sich eine selbstverständlich wirkende christliche Grundhaltung, die jedoch von der Verteidigung des Sprachenstudiums als wissenschaftlich notwendige Beschäftigung noch überboten wird.27 Bereits in seiner Utrechter Antrittsrede 1701 hatte Reland den Grundsatz aufgestellt, dass für das Verstehen der hebräischen Bibel die Kenntnis verwandter Sprachen unverzichtbar sei. So reiche die alte hebräische Literatur allein nicht aus, Hapaxlegomena zu klären, Arabisch sei ein wichtiges Hilfsmittel und Persisch sei nicht zu unterschätzen. Es gebe mehr Wörter persischen Ursprungs in der Bibel, als man denke. Aus 27 In dieser Hinsicht lässt sich auch Gisbert Voetius als Vorbild anführen, der ebenfalls die arabische Sprache und Quellenstudien betont, sowie darauf besteht, die Religion Mohammeds mit guten Argumenten zu bestreiten; vgl. ebd., S. 28.

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6. Relands De Religione Mohamedica in deutscher Übersetzung

diesem Grund, wegen des Nutzens des Persischen für die bessere Kenntnis der Mohammedischen Religion und für das bessere Verständnis der griechischen und römischen Geschichtsschreiber, wenn sie persische Angelegenheiten behandelten, sei diese Sprache zu studieren.28 Dieser Grundsatz findet sich auch in seiner Verteidigung des Studiums exotischer Sprachen wieder und macht die Ausrichtung dieses Textes deutlich. Relands Buch demonstriert die Bedeutung und die Leistungsfähigkeit der Wissenschaft von den orientalischen Sprachen.

6.5 Holland ist nicht Deutschland In Relands Vorwort, mit dem er sich und sein Buch positioniert, geht es m. E. in erster Linie darum, die folgenden zwei Teile des Buches in ihrer Reichweite einzuführen: Die Kurzfassung einer Mohammedischen Theologie in arabischer und lateinischer Sprache sowie die Benennung und Aufklärung populärer Irrtümer über die Religion Mohammeds durch wissenschaftliche Argumentation. Reland verteidigt mit seiner mehrfachen Aussage zur Bedeutung des Sprachen- und Quellenstudiums nicht die Religion Mohammeds, sondern den Wert, die Leistungsfähigkeit und die Bedeutung seiner wissenschaftlichen Disziplin.29 Reland ist ein reformierter und anti-habsburgischer, damit auch anti-katholischer Autor, den der römische Index nicht zu kümmern braucht. Er schreibt in Utrecht in einer Situation, die sich mit dem Ausspruch „Liever Turks dan Paaps“ charakterisieren lässt: Die Freiheit des Gottesdienstes sei im Türkischen Reich besser gewährleistet als in den südlichen Gebieten der Niederlande, die unter päpstliche Herrschaft („Tyrannei“) gekommen waren. Das Papsttum mit seinen Machtansprüchen sei eine größere Gefahr für den Fortbestand protestantischer Kirchen in Europa gewesen, als das Auftreten der Türken.30 Das ist eine in den freien Niederlanden durchaus verständliche, anti-habsburgische und damit anti-katholische Position. Die erste Auflage erschien 1705 zur Zeit der spanischen Herrschaft über den niederländischen Süden, die zweite 1717 zur Zeit der österreichischen Herrschaft über den Süden, jeweils im „freien“ Norden in Utrecht in der protestantischen Republik der Sieben Vereinigten Niederlande. Die Bedrohung für Protestanten ging in diesen Gebieten von römisch-katholischen Herrschaften in den südlichen Gebieten und nicht etwa, wie in verschiedenen deutschen Gebieten über lange Zeit, vom Osmanischen Reich aus. 28 Vgl. Nat, Studie, S. 15–16. 29 Relands Kritik an der Religion Mohammeds als „Finte“ zu bezeichnen, „um nicht in den Verdacht zu kommen, ein Sympathisant des Islam zu sein“, unterstellt entweder dem Text Relands sehr viel oder seiner Person; vgl. Katharina Mommsen, Goethe und der Islam, Frankfurt/Leipzig 2001, S. 15. 30 Vgl. van Amersfoort/van Asselt, Turks, S. 13–14.

6.5 Holland ist nicht Deutschland

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Auch ein kurzer Blick nach England kontrastiert wiederum die deutsche Situation. Dort erschien 1712 eine Übersetzung Relands, die keine so harten Trennlinien zwischen Reland und Prideaux markiert, wie sie hier diskutiert werden mussten. Die in London erschienene englische Übersetzung von Relands Werk (Four treatises Concerning the Doctrines, Discipline and Worship of the Mahometans) verbindet seine Texte mit einer Abhandlung von Bobovius31 sowie mit einem Text von La Croze und einem Brief von Leibniz.32 Besonders bemerkenswert ist aber die vom Übersetzer auf Verlangen vorangestellte Biographie. Denn neben der Erwähnung weniger Autoren33 beruft der ungenannte Autor sich vor allem auf „the most learned Father Marracci, and the very learned and Reverend Dr. Prideaux, now Dean of Norwich“ (6). In diesem Buch hinterlassen also Marracci, Prideaux und Reland ihre Spuren. Eine Spannung sieht der ungenannte Autor dieses vorangestellten Life of Mahomet dabei offenbar nicht.34 Er bezeichnet Mahomet als Betrüger, der durch die Einführung einer neuen Religion die Macht in seiner Geburtsstadt an sich bringen wollte. This Account which I have given of the Grand Impostor’s Life and Actions, is of it self a sufficient Confutation of his Pretences to Divine Revelation, and the delivering of a general and most perfect Rule or Law to all Mankind. Besides that, I suppose all my Readers too well instructed to need any Antidote against this Poison. Nevertheless, it is too apparent, that all the Marks which the Roman Catholicks give of the True Church, do exactly quadrate to the impious Imposture of Mahomet. (82)

Auch hier findet sich ein anti-katholischer Impetus, wie bei Reland, gleichwohl wird Mahomet „impious Imposture“ zugeschrieben, wie bei Prideaux, der in diesem Kontext nach dem „most learned“ Marracci als „very learned“ gekennzeichnet wird. Diese kurzen Blicke in den holländischen und englischen Kontext verdeutlichen, dass in den deutschen Ländern, die auch nach dem Frieden von Karlowitz 1699 immer wieder nah an Kriegen mit dem Osmanischen Reich situiert waren (zuletzt 1710/1711 mit Russland, sowie 1714 bis 1718 mit Venedig und Habsburg), eine andere Situation und damit auch ein anderes Interesse an diesem Thema bestand. Das Neu eröffnete Amphitheatrum Turcicum von 1724 ist ein beredtes Beispiel für diese Situation. Hier wird massiv versucht, das Osmanische Reich in die Geschichtsschreibung zu integrieren, die ohne „türkische Geschichte“ eigentlich nicht verständlich sei.

31 Albert Bobowski/Ali-Bei/Ali-Beigh, Übersetzung von Tractatus de Turcarum liturgia, Oxford 1690. 32 Four treatises Concerning the Doctrines, Discipline and Worship of the Mahometans, London 1712. 33 Abul Faragius, Abul Feda, Elmacinus, Septemcastrensis, Hottinger, Busbequius und Pocock. 34 Dies bemerkt im Unterschied zu Bernd Roling auch Alberto Saviello, Imaginationen, S. 167.

7. Mahomed als vornehmster Prophet und als Beherrscher der schwarzen Kunst – Das Neu-eröffnete Amphitheatrum Turcicum aus Erfurt (1724) 7.1 Einleitende Bemerkungen zur Reihe Amphitheatrum Das Amphitheatrum ist Teil einer Reihe, die 1722 bis 1728 von Johann Michael Funcke in Erfurt verlegt wurde. Die Reihe trägt den Titel Neu-eröffnetes Amphitheatrum und ist eine Art Universal-Kompendium für die Jugend.1 Band 1 (1722) beschäftigt sich mit Europa, Band 2 (1723) mit Afrika, Band 3 (1723) mit Amerika und Band 4 (1728) mit dem südlichen Asien. Dass es außerdem einen 1724 ebenfalls von Funke verlegten Band über die Türkei gab (Neu-eröffnetes Amphitheatrum Turcicum), geht überraschenderweise aus dem Text des letzten Bandes von 1728 nicht hervor. Im Zusammenhang mit der „Türkischen Religion“ wird lediglich auf den ersten Band über Europa verwiesen, in dem die Religion der europäischen Türken kurz dargestellt worden war. Es besteht eine offenkundige Diskrepanz in der Haltung zur sogenannten türkischen Religion zwischen beiden Texten. Dazu soll ein Blick in beide Bände dienen, in denen Mahomed sehr unterschiedlich dargestellt wird.

1 Neu-eröffnetes Amphitheatrum, Worinnen Nach dem bei uns bekanten gantzen Welt-Creiß, Alle Nationen Nach ihrem Habit, in saubern Figuren repräsentiret, Anbey die Länder nach ihrer Situation, Climate, Fruchtbarkeit, Inclination und Beschaffenheit der Einwohner, Religion, vornehmste Städte, Ertz-Bistümer, Universitäten, Häfen, Vestungen, Commercien, Macht, StaatsInteresse, Regierungs-Form, Raritäten und Müntzen beschrieben sind. Und welches mit Zuziehung der Land-Charten, zu vieler Belustigung, vornehmlich aber der studirenden Jugend, als ein sehr nützliches und anmuthiges Compendium Geographicum, Genealogicum, Heraldicum, Curiosum Numismaticum; kann gebraucht werden. 4 Bde., Erfurt 1722–1728.

7.2 Das Amphitheatrum Turcicum von 1724

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7.2 Das Amphitheatrum Turcicum von 1724 – Ein „Einschub“ in die Reihe? 7.2.1 Das Vorwort – Die Bedeutung der Geschichte des „Türckischen Reiches“ Der unbekannte Autor des Neu-eröffneten Amphitheatrum Turcicum2 schreibt, dass er von Kindesbeinen an einen geheimen Trieb, eine ungemeine Liebe zur Historie gehabt und „die schönste Blüthe meiner Jugend dieser politischen Göttin aufgeopffert“ (3) habe. Ohne die Historie seien ihm alle Wissenschaften tot, alle Gelehrsamkeit dumm und alles Angenehme ohne Geschmack. Die hier vorgelegte Historie „verlieret damit nichts von ihrem Werthe, weil sie Türckisch heisset“ (4). Er habe sich früher nicht träumen lassen, dass er sich einmal mit der türckischen Geschichte beschäftigen würde. Aus den wenigen Bogen, die er dem bekannten Amphitheatrum zufügen wollte, sei nun dieses Werk geworden. Die „zur Geissel [des] Menschlichen Geschlechts von GOtt erweckte Türckische Nation“ (ebd.) sei in kurzer Zeit vom Zwerg zum Riesen geworden, habe sich ganz Asien unterworfen, die griechischen Kaisertümer von Constantinopel und Trapezunt, Ungarn, Kroatien, Dalmatien, Österreich, Morea, Griechenland, Polen und Moskau überschwemmt. Man sehe leicht ein, dass diese Geschichte mit der ungarischen, deutschen, venezianischen, polnischen und russischen verwandt sei, sodass man diese ohne jene nicht verstehen könne. Das vorgelegte Werk hat nach diesen einleitenden Bemerkungen laut Verfasser einen doppelten Nutzen, einen theologischen und einen politischen: Man erkenne die Türken als göttliche Strafe und man lerne durch die Erkenntnis der Historie. Durch die jedem Bogen vom Verleger vorangestellten Figuren werde der Leser „einiger massen in der Ottomannischen Staats-Schule in eine andere Classe geführet“ (ebd.). Wie passt das Buch in die Reihe? Das Verhältnis zu den zuvor veröffentlichten drei Bänden des Amphitheatrums drückt sich noch einmal in folgenden Worten aus, mit denen ein Ausblick gegeben wird: Wenn dieses Buch vom Leser gut aufgenommen werde, „so wirst du mich animiren von dem Ufer des unergründlichen Asiatischen Geschichts-Oceans mich weiter und biß auf die 2 Neu-eröffnetes Amphitheatrum Turcicum, Worinnen Der Kern Türckischer Geschichten, Von Grundsetzung ihrer Religion und Reiches, ihrem Propheten Mahomed, seinen Nachfolgern oder Caliphen, Türckischen Käysern. ihren, wie auch einiger ihrer vornehmen Ministers seltsamen Fatis, geführten blutigen Kriegen, erstaunlichen Conquesten, Vertilgung der Christlichen Käyserthümer und derer Monarchen, Ab- und Zunehmen ihres Staats, blutigen Belag- und Eroberungen, grausamen Schlachten, unmenschlicher Grausamkeit, Hochmuth, Krieges-Listen, wie auch von den Christlichen Victorien wider dieselben etc. etc. Kurtz, doch hinlänglich, mit Historischer Feder biß auf die allerneueste und gegenwärtige Zeiten beschrieben, mit vielen Figuren und deren Beschreibung ausgeschmückt, darzu mit dem nöthigen Register versehen wird. Erffurth, Gedruckt und verlegt von Johann Michael Funcken, 1724.

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7. Mahomed als Beherrscher der schwarzen Kunst

hohe See zu wagen, das ist, der Persianischen, Indostanischen, Japanischen etc. Historie weiter nachzu segeln, und sie nachmahls durch den Druck […] gemein zu machen […].“ (ebd.) Die Geschichte des Osmanischen Reiches sei so wichtig, „daß schwerlich jemand ohne der vornehmsten Türckischen Thaten Kundschafft die Geschichten unserer Zeiten verstehen, geschweige denn diejenigen Numern, so wir von der Asiatischen Türckey auf unser Amphitheatrum gestellet, mit Nutzen lesen wird […].“ (ebd.) 7.2.2 Der „Kern der Türckischen Historie“ Der unbekannte Autor schreibt nun die Geschichte Mahomeds als „Kern der Türckischen Historie“, denn WIe aus einem geringen Funcken sich ein grosses Feuer entzündet, und der Crocodil aus einem kleinen Eye seinen Ursprung hat; so ist auch die Türckische Pforte Anfanges gar niedrig und enge gewesen, ehe sie durch GOttes Verhängniß, zur Straffe seiner bösen Christenheit zu solcher Grösse gediehen und dieser Türckische Crocodil seinen Mordklauen so weit ausgestrecket, als wir heut zu Tage, leider! noch sehen. (5)

Die Geschichte der Sarazenen vor ihrer Verbindung mit den Türken sei – mit Ausnahme der Geschichte Mahomeds – hier nicht dargestellt. Hier sollen die Kernaussagen ihrem Sachgehalt nach geboten werden. Der Text selbst hat einen derartigen Ton, dass er nur um der wissenschaftlichen Vollständigkeit angesichts der Quellenlage willen im Anhang 1 geboten werden soll. Er schildert Mahomed als wollüstigen Betrüger und liefert despektierliche Legenden. Mahomed wird als „Teufels-Prophet“ bezeichnet, der die schwarze Kunst beherrsche, sein „durchteufelte[r] Alcoran“ sei ein „verfluchtes Vorhaben“. Es fallen Ausdrücke wie „Schand-Aaß“, „Raben-Aaß“ u. ä. 7.2.3 Das Verhältnis der Mahomed-Schilderung zum historischen Hauptteil des Werkes Wie steht dieser beispiellose Text im Zusammenhang des Werkes über die osmanische Geschichte? Wie wird die zeitgenössische Lage beurteilt? Eine entscheidende Veränderung der europäisch-osmanischen Lage war 1718 durch den Frieden von Passarowitz eingetreten, in dem Österreich Belgrad und weitere Gebiete zugesprochen bekam.3 Dieser Friedenschluss wird im vorliegenden Werk im Wortlaut wiedergegeben. Es folgen nach diesem wichtigen Dokument nur noch kurze Berichte über kleinere Auseinander3 Vgl. Kap. 1.

7.2 Das Amphitheatrum Turcicum von 1724

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setzungen zwischen Türken und Persern, die – so der Verfasser – eigentlich in die asiatische Geschichte gehörten und hier nur kurz erwähnt würden. Die Darstellung endet mit dem Erscheinungsjahr des Buches 1724. Erstaunlich ist, dass der Autor nach der aggressiv-polemischen Darstellung Mohammeds einen trockenen Kriegsbericht abgibt. Es finden sich dort keinerlei Polemiken, nicht einmal zurückhaltende Wertungen mit Bezug auf die Türken. Die beiden Teile des Buches scheinen zunächst gar nicht miteinander verbunden zu sein. Die vorangestellten Seiten über die Religion tragen auf den ersten Blick für die folgende Darstellung überhaupt nichts aus. Im Gegenteil – die Schilderung der türkischen Geschichte ist zwar eindeutig aus einer mitteleuropäischen Position heraus geschrieben, enthält sich aber irgendwelcher Urteile oder abgrenzender Äußerungen. Sie informiert schlicht über den Verlauf.4 Die Bewertung des Osmanischen Reiches – der Türckei – scheint von der vorangestellten Bewertung Mahomeds abgetrennt zu sein. Auch bei der Beschreibung des Falles von Konstantinopel wird nicht auf Religion oder auf Mahomed Bezug genommen. Einige Bemerkungen zu dieser Eroberung unter Mohammed II. fallen zwar wieder in einen drastischeren Ton, wenn etwa die Grausamkeiten und Religionslästerungen der „durchteufelten Schandbuben“ (23) bei der Eroberung geschildert werden und der Autor feststellt: „Meine Feder erstarret vor Mitleid alle Grausamkeiten zu beschreiben, welche die Türckische Raserey an den armen Christen ausgeübet.“ (23) Der als „Kern der Türckischen Historie“ bezeichnete erste Teil schimmert aber auch an diesem für die europäisch-türkische Geschichte so entscheidenden Punkt nicht durch. Es finden sich zwar immer wieder auch abwertende Formulierungen im Text wie „Klauen“ des Feindes oder „blutschäumender Tyrann“ (vgl. 11 u. ö.) aber keinerlei Bezüge auf die Religion, auf Mahomed, den Koran („türckisches Gesetz“) oder anderes. Der Feind wird zwar feindlich beschrieben, erscheint aber nicht als ,Religionsfeind‘. Bereits der Titel des Buches spricht ja von blutigen Kriegen und unmenschlicher Grausamkeit etc. Eine Deutung mit Bezug auf Mahomed findet jedoch nicht statt. Dass die Türckei eine göttliche Strafe sei, wird zwar im Vorwort erwähnt, aber dort weder irgendwie theologisch begründet noch im Text als Deutungsrahmen für die türckische Geschichte eingesetzt. Die zeitgenössische Situation wird eher als entspannt geschildert. Mit dem für die ,Türkenfrage‘ so wichtigen Frieden von Passarowitz könne der Kaiser eigentlich zufrieden sein, wenn man sich auch darüber gewundert habe, dass er den Krieg nicht noch ein paar Jahre, vielleicht bis zu einem Frieden von Adrianopel weitergeführt habe. Allerdings werde das „Staats-kluge Käyserli4 Der Inhalt wird an den Herrschern entwickelt: Kern der Türckischen Historie (5), Ottoman (9), Orchanes (10), Amurath I. (10), Bajazetz (11), Josua oder Jezem, (15), Soliman I (15), Musa oder Moses (15), Mahomed I. (16), Amurath II. (16), Mahomed II. (20), Bajazeth II., (26), Selim I. (28), Solimanus II. (32), Selim II. (43), Amurath III.(48), Mahomed III. (51), Achmet I. (55), Mustapha I. (55), Osman (56), Mustapha I. (58), Amurath IV. (59), Ibrahim (60), Mahomet IV. (62), Soliman. III., (97), Achmeth II. (108), Mustapha II. (112), Achmet III. (120).

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7. Mahomed als Beherrscher der schwarzen Kunst

che Ministerium ohne Zweiffel erhebliche Ursachen hierzu gehabt haben“ (171). Eine Einschätzung der ,Türkengefahr‘ findet sich in dem bis zum Jahr 1724 fortgesetzten Bericht über Achmed III. eigentlich nicht – sie scheint nicht (mehr) zu bestehen. Der Autor schließt mit Überlegungen zur Auseinandersetzung zwischen Türcken und Persern: „Der erfolgte Friede [zwischen Türcken und Persern] wird zeigen was vor Stücken jeden der Durchlauchtigen Interessenten von dem zerrissenen Persianischen Tapeten zufallen werden.“ (172) Der Groß-Sultan Achmed III. habe bisher mehr Glück als Unglück gehabt, „ietzt muß ihm ein Tartarischer Rebell wieder zu ein paar Königreichen helffen. Nunmehr fehlet nichts mehr als die Crone oben darauf, welche ich ihm von Hertzen aus Christlicher Liebe wünsche, und diese ist ein seeliges Ende.“ (ebd.) Mit diesem harschen Wunsch schließt der Verfasser sein Buch. In welchem Kontext steht es? Im Vorwort war ein doppelter Nutzen versprochen worden: Ein theologischer, um die Türcken als Strafe Gottes an den bösen Christen erkennen zu können, und ein politischer, der über die Historie, die Kriegslisten, über Menschen, Länder und Städte informiere. Bis auf die sarkastisch eingesetzte „Christliche Liebe“ im eben zitierten letzten Satz des Buches, finden beide Ebenen aber eigentlich nicht zusammen. Man könnte fragen, ob die Disparatheit beider Stränge aus verschiedenen Quellen herrührt oder verschiedene Autorschaften signalisiert. Das Vorwort gibt, außer dem Erstaunen des Autors darüber, dass nicht wenige Bogen, sondern ein ganzes Buch entstanden sei, jedenfalls keinen Hinweis. Offensichtlich ist, dass die ,theologische‘ und die ,historische‘ Ebene ganz unterschiedlich erscheinen, sie werden nach unterschiedlichen Kriterien beurteilt. Interessant ist vor allem die Zusammenstellung der beiden Abschnitte: Nach einer massiven, polemischen und in Sachfragen nicht auf der Höhe der Zeit (vgl. etwa die längst auch in deutscher Sprache vorliegende Publikation von Reland) erfolgenden Kritik an Mahomed als „Kern der Türckischen Historie“ erfolgt eine eher neutrale Darstellung der Geschichte des Osmanischen Reiches bis zum damaligen Zeitpunkt. Nach dem Ende des „grossen türckischen Krieges“, der ausführlich durch den Wortlaut des Friedens von Parrassowitz thematisiert wird, scheint die ,Türkengefahr‘ gebannt zu sein. Die Abgrenzung gegen die Türckische Religion in Gestalt Mahomeds ist im ersten Teil erfolgt. Im zweiten Teil wird auf ständige Abgrenzungen und Einschätzungen verzichtet, nur die Einnahme Konstantinopels durch die Türcken wird noch mit polemischen Kommentaren versehen. Die Geschichte Mahomeds wird – wie bereits betont – zwar als „Kern der Türckischen Historie“ bezeichnet, aber aus der Darstellung der politischen Geschichte in der Durchführung wird sie konsequent herausgehalten. Diese vorangestellte, abgrenzende Beurteilung ermöglicht es aber, die im Vorwort genannte Strategie zu verfolgen. Dort heißt es:

7.2 Das Amphitheatrum Turcicum von 1724

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Wer weiß nicht, daß die zur Geissel Menschlichen Geschlechts von GOtt erweckte Türckische Nation von einer unachtsamen Zwergs-Statur zu mehr als Riesen-mäßigen Grösse in einer kurtzen Zeit gediehen, gantz Asien mit verwunderlichen Glück sich unterworffen, die beyden Griechischen Käyserthümer zu Constantinopel und Trapezunt unter seine Füsse getreten, das Königreich Ungarn, Croatien, Dalmatien, Oesterreich, Morea, Griechenland, Pohlen und Moscau überschwemmet, und sich also in der Welt formidabel und berühmt gemacht; Ja wer siehet aus diesen allen nicht, was vor eine genaue Verwandniß die Türckischen Geschichte mit denen Ungarischen, Teutschen, Venetianischen, Pohlnischen und Rußischen habe, so daß man diese ohne jene unmüglich verstehen oder mit Nutzen lesen kan. (4)

Es geht dem Verfasser also darum, die Geschichte der Türckischen Nation in die europäische Geschichte zu integrieren. Und so erwächst auch der versprochene theologische Nutzen nicht aus der Darstellung Mahomeds. Dieser „Kern der Türckischen Historie“ ist bei der Beschreibung des theologischen Nutzens gar nicht im Blick. Man habe vielmehr einen theologischen Nutzen, „weil man daraus [aus dem vorgelegten Werk] die göttliche Straff-Gerechtigkeit über seine böse Christen, seine Langmuth an den Gefässen des Zorns, und seine Gnade, an denen wider die Türcken, durch die Christliche Nationen befochtenen Siegen erkennen lernet.“ (4) Dass die Konkurrenz mit den Osmanen seit Jahrhunderten auch theologisch als Strafe Gottes verstanden wurde, ist ja kein neuer Aspekt; dass aber der Verlauf der Geschichte der Türkei als notwendig für das Verstehen der europäischen Geschichte eingeführt wird, schon. Den politischen Nutzen des Werks habe man „durch die Erkäntniß der Historie, durch genaue Betrachtung derer gebrauchten Kriegs-Listen, Anstalten zu denen Treffen und Attaqven, wie auch durch die Kundschafft vieler berühmter tapfferer Leuthe, grosser Länder, vester Städte u.d.gl.“ (4) Wenn der Verfasser im Vorwort die türkische Geschichte als äußerst bedeutsam für das Verständnis der europäischen Geschichte beschreibt, dann integriert er sie gewissermaßen und kann für dieses Vorhaben keine Mahomed- oder Türcken-Polemik im historischen Teil gebrauchen. Die Anordnung und Art der beiden Teile, die im Vorwort genannte Strategie und das Ergebnis hängen unmittelbar miteinander zusammen. Der Verfasser ist ganz offensichtlich nicht substanziell an der historischen Beschreibung und theologischen Beurteilung Mahomeds – nach der hier gefragt wurde – interessiert. Dies zeigen der mangelhafte Informationsstand und die aggressive Schreibart des ersten Teils. Dass er aber auf diese Darstellung und Beurteilung für sein Gesamtinteresse angewiesen ist, erweist sich an der abgrenzenden Polemik und an der im Vorwort erwähnten Strategie, die türkische in die europäische Geschichte zu integrieren. Der Leser wird aufgefordert: „urtheile als ein ehrlicher und vernünfftiger Mensch“ (4). Dieser Aufforderung folgt erstaunlicherweise der oben zitierte, unvernünftig und fragwürdig wirkende Abschnitt über Mahomed. Das wirkt wie strategisch eingesetzt.

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7. Mahomed als Beherrscher der schwarzen Kunst

7.3 Das Verhältnis des Neu-eröffneten Amphitheatrum Turcicum zu den übrigen Bänden der Reihe Das 1724 erschienene Neu-eröffnete Amphitheatrum Turcicum unterscheidet sich deutlich von den drei zuvor erschienenen Bänden über Europa (1722)5, Afrika (1723)6 und Amerika (1723)7, in denen die Religion der beschriebenen Länder in der Regel nur erwähnt wird („Jüdisch“, „Christlich“, „Mahometanisch“); es sei denn, es handelt sich um die Beschreibung wenig bekannter Phänomene, die meist als „heidnisch“ bezeichnet und oft auf den Teufel bezogen werden. Während die anderen Bände (einschließlich des Bandes über Asien von 1728 als I–IV) durchgezählt sind, ist der Band über die Türkei, dessen Titel an die Reihe angelehnt ist, davon ausgenommen. Eine solche Zählung findet sich hier nicht. Auch wenn der Autor im Vorwort des Amphitheatrum Turcicum einen Band über Asien in Aussicht stellt, scheint dieser vierte, nicht nummerierte Band der Reihe von einem anderen Verfasser zu stammen. Nachdem der erste Band über Europa erschienen war, würde man eigentlich eine Darstellung Asiens erwarten, mit dem Europa so eng verbunden sei, erklärt der Autor dem Leser im Vorwort zu Band II über Afrika: „DU wirst dich wundern, warum meine Feder nach Africa zum Überläuffer worden.“ (1r) Zwischen Asien und Europa liege weder ein Ozean oder irgendetwas anderes, sie seien vielmehr über etliche hundert Meilen miteinander verbunden.

5 Neu-eröffnetes Amphitheatrum, Worinnen I. Aus dem gantzen Europa Alle Nationen nach ihrem Habit, in saubern Figuren repräsentiret, Erffurth, Gedruckt und verlegt von Johann Michael Funcken, 1722 [1723]. 6 Neu-eröffnetes Amphitheatrum, Worinnen II. Aus dem gantzen Africa Alle Nationen Nach ihrem Habit in saubern Figuren repräsentiret: Anbey Die Länder nach ihrer Situation, Climate, Fruchtbarkeit, Inclination, und Beschaffenheit der Einwohner, Religion, vornehmsten Städten, Ertz-Bisthümern, Universitäten, Häfen, Vestungen, Commercien, Macht, Staats-Interesse, Regierungs-Form, Raritäten, Müntzen, Prætensionibus etc. etc. aufgeführet sind, Und welches mit Zuziehung der Land-Charten, zu vieler Belustigung, vornehmlich aber der studierenden Jugend, als ein sehr nützliches und anmuthiges Compendium Geographicum, Genealogicum, Heraldicum, Curiosum, Numismaticum, kan gebraucht werden. Erffurth, Gedruckt und verlegt von Johann Michael Funcken, 1723. 7 Neu-eröffnetes Amphitheatrum, Worinnen III. Aus dem gantzen America Alle Nationen Nach ihrem Habit in saubern Figuren repräsentiret: Anbey Die Länder nach ihrer Situation, Climate, Fruchtbarkeit, Inclination, und Beschaffenheit der Einwohner, Religion, vornehmsten Städten, Ertz-Bisthümern, Universitäten, Häfen, Vestungen, Commercien, Macht, Staats-Interesse, Regierungs-Form, Raritäten, Müntzen, Prætensionibus etc. etc. aufgeführet sind, Und welches mit Zuziehung der Land-Charten, zu vieler Belustigung, vornehmlich aber der studierenden Jugend, als ein sehr nützliches und anmuthiges Compendium Geographicum, Genealogicum, Heraldicum, Curiosum, Numismaticum, kan gebraucht werden. Erffurth, Gedruckt und verlegt von Johann Michael Funcken, 1723.

7.3 Verhältnis des Amphitheatrum Turcicum zu den übrigen Bänden

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Hierzu kommt noch, daß mich beym ersten Theile die politische Ordnung verführet, oder vielmehr gedrungen, die Grentzen würcklich zu überschreiten, und einen ziemlichen Strich von Asien bey Europa mit in die Brühe zu werffen. Diesem allen ohngeachtet, habe ich gleichwohl trifftige Ursachen gehabt, einen solchen Sprung in die Welt zu thun. Wer ist so ein Frembdling in den Geschichten unserer Zeiten, deme die jetzige fatale Unruhe und blutiger Krieg in Persien nicht solte bewust seyn, worein so wohl das mächtige Rußische Käyserthum, als auch das Ottomanische Reich vielleicht noch mit eingeflochten wird? Allem Ansehen nach ist dieser Gegend eine ganz besondere Revolution vor der Thür, und zu besorgen, daß beyde mächtige Reiche das erste entweder gar verschlingen, oder doch zum wenigsten ansehnliche Stücke davon an sich reissen werden. Deßwegen, damit die Nationen sein in ihrer Ordnung, ohne Confusion und Fehler auf unser Amphi-Theatrum treten, habe mit Fleiß Asien überhüpffen wollen, biß nach vollendeten Kriege, welcher vermuthlich nicht gar zu lange dauren, indessen man aber sehen wird, was vor Aspecten sich daselbst ereignen. Und wir haben noch diesen Vortheil vor unser Amphi-Theatrum hieraus zu hoffen, daß bey dieser Expedition noch vieles von unterschiedlicher Asiatischen Völcker Sitten, Landes-Beschaffenheit, Städten, Häfen, Commercien, Genealogischen marquen, Müntzen etc. etc. ans Licht kommen wird, das biß anhero im finstern verborgen gewesen. (Bd. II, 1r–1v)

Mit dem Band über Asien wollte man also noch warten, bis die erwartete Kriegsverwicklung Russlands und des Osmanischen Reiches vergangen sein würde. So wird 1723 der Umweg über Afrika und dann Amerika genommen, bevor 1728 der Band über Asien erscheint. Ein Vergleich des außer der Reihe erschienenen Amphitheatrum Turcicum mit dem schließlich 1728 erschienenen Band über das südliche Asien ist besonders aufschlussreich.8 Der Band über Asien lässt sich nämlich durchaus auch als Kommentar zum Band über die Türckei lesen. Leitfrage ist wiederum die Darstellung Mahomeds und seines Koran, mit der die Religion der Türcken beschrieben wird. Im Zusammenhang der „Türckischen Theologie“ geht der Südasien-Band zwar auf den ersten Band über Europa, mit keiner Silbe aber auf das Amphitheatrum Turcicum ein. Vergleicht man die Schilderungen der Religion, so zeigt sich eine fundamentale Opposition. Die Darstellung Mahomeds und seiner Religion im Südasien-Band der Reihe Amphitheatrum ist völlig anders ausgefallen als im Amphitheatrum Turcicum.

8 Neu-eröffnetes Amphitheatrum, Worinnen aus dem südlichen Asia Die meisten Nationen Nach ihrem Habit, in sauberen Figuren repräsentieret. Anbey die Länder nach ihrer Situation, Climate, Fruchtbarkeit, […] beschrieben sind, Und welches mit Zuziehung der Land-Charten, zu vieler Belustigung, vornehmlich aber der studirenden Jugend, als ein sehr nützliches und anmuthiges Compendium Geographicum, Genealogicum, Heraldicum, Curiosum Numismaticum, kan gebraucht werden Erfurth. Gedruckt und verlegt von Johann Michael Funcken, 1728.

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7. Mahomed als Beherrscher der schwarzen Kunst

7.4 Mahomed im Neu-eröffneten Amphitheatrum (Band 4) von 1728 Zwischen diversen geographischen und kulturellen Hinweisen findet sich in kurzen Abschnitten des Bandes über das südliche Asien eine türckische Theologie. Das gantze Werck der Türckischen Religion kömt auf 5. Haupt-Punckte an, nehmlich 1) den Glauben. 2) Wahrnehmung des GOttes-Dienstes. 3) das Almosen geben 4) das Fasten 5) die Wallfahrt nach Mecha, die ein jeder Muselman, der so weit reisen kan, thun muß. Und folglich wollen wir nach Anleitung dieser 5. Haupt-Punckten 2. Haupt-Eintheilungen des türkischen Glaubens machen: Die 1ste Abtheilung soll handeln vom türkischen Glauben. Die 2. von ihrem äuserlichen Gottes-Dienste, in welchem der Leser eine kurtz gefaste Mahometanische Theologie Capitels-Weise finden wird. Die 1ste Abtheilung handelt also vom Glauben. Es hat aber der türckische Glaube zum Gegenstande 1.) GOtt. 2.) Die Engel. 3.) Die göttlichen Bücher. 4.) Die göttlichen Propheten 5.) Den Jüngsten Tag. 6.) Den göttlichen Rathschluß. Den Glauben beschreiben sie daß er sey eine veste Uberzeugung von der Wahrheit: Die Bekäntniß des Glaubens aber sey eine Kundmachung durch äuserliche Zeichen. Von jedem folget künfftig das nöthigste. (6–7)

Die Glaubensartikel werden zwischen vielen anderen Aspekten in kurzen Abschnitten jeweils einzeln vorgestellt. Neben dem Glauben an den einen Gott und an Engel, an den Jüngsten Tag und den Ratschluss Gottes sind hier Spezifika der „Türkischen Religion“ – der Koran und Mahomed – von Interesse. Die Wahrheitsfrage wird in diesem Text interessanterweise nicht gestellt. Man kann höchstens aus der Schilderung die Binsenweisheit ableiten, dass es hier im Unterschied zum Christentum eben auch um den Koran und um den Propheten Mahomed als Glaubensgegenstände geht. Der Abschnitt gibt keine Interpretation der geschilderten Vorstellungen oder Ansätze christlicher Apologetik vor. Erstaunlich ist weiterhin, dass weder der Koran im Zusammenhang der Offenbarungsschriften („göttlichen Bücher“) noch Mahomed im Zusammenhang der Propheten besonders hervorgehoben werden. Von koranischer Kritik an den Heiligen Schriften der Juden und Christen ist hier gar nichts zu lesen. Im Gegenteil wird betont: Wer eine der 104 Heiligen Schriften oder auch nur einen Teil aus einer dieser Schrift bezweifle, sei ungläubig, ebenso derjenige, der an der Wahrheit auch nur eines der Propheten oder seiner Verkündigung zweifle. Diese Position ist erstaunlich irenisch, gibt sie doch dem jugendlichen Leser des Werkes zunächst gar keinen Anlass zur Kritik an der Türckischen Religion. Ihrer Kürze wegen erscheinen die relevanten Passagen hier im Zusammenhang.

7.4 Mahomed im Neu-eröffneten Amphitheatrum

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Kapitel 3 – Von den Göttlichen Büchern: Von den Göttlichen Büchern statuieren die Türcken, daß man in dem Hertzen versichert seyn und mit dem Munde glauben müsse, daß GOtt vortreffliche Bücher durch seine Propheten vom Himmel herab gesand habe. Sie lehren, daß diese Herabsendung ohne Erschaffung geschehen und ewig sey, ohne daß man sagen könne, daß, und wenn die Bücher jemahls hervorgebracht worden. Diese Bücher handeln von GOttes Gebothen und Verbothen, von seinen Verheissungen und Drohungen. Sie erklären, was erlaubt und nicht erlaubt sey, worinnen Gehoram und Ungehorsam bestehe, und woraus man wissen könne, ob man Lohn oder Straffe zugewarten habe. Alle diese Bücher seyn das wahre Wort GOttes, welches in Sprachen gelesen, in Bücher geschrieben und in der menschen Hertzen behalten werde. Von den Buchstaben und Wörtern sey dieses Wort GOttes unterschieden, und gleichwohl würden die Buchstaben und Wörter GOttes Wort genennet, indem sie uns das wahre Wort GOttes zu erkennen geben und anzeigen. Diese Bücher glauben sie 104. an der Zahl, indem der grosse GOtt an Adam zehen, an Seth funffzig, an Idris (durch welchen Idris sie den Henoch meinen) dreyßig, an Abraham zehen, an Mosen eins, nehmlich das Gesetz, an Jesum 1. nemlich das Evangelium, an David eins, nemlich die Psalmen, an Mahomed eins, nehmlich den Alcoran gesand habe. Wer dieser Bücher eines oder auch nur ein Stück davon leugnet, oder auch ein Capitel, Vers oder Wörtgen in Zweifel ziehet, den halten sie vor unglaubig. (16)

Das Kapitel drei vermittelt erstaunlicherweise, dass alle heiligen Bücher – nicht nur der Koran – bis ins letzte Detail („Capitel, Vers oder Wörtgen“) zu glauben seien. In Bezug auf die Propheten wird allerdings ein Unterschied in der Rangordnung benannt. Kapitel 4 – Von den Gesandten Gottes: Von diesen lehren sie, daß GOtt Propheten habe, die er als seine Gesandten zu den Menschen abgeschicket, die wahrhafftig und glaubwürdig, welche auch einige Sachen gebieten und verbieten, GOtes Befehle den Menschen verkündigen, ihnen Satzungen geben, und verborgene Dinge offennbahren. […] Die Propheten sind nach ihrer Meinung frey von Irrthum und grossen Sünden, haben alle einerley Religion, nehmlich die Mahometanische, seyn aber in den Satzungen unterschieden. Sie sind aus den Creaturen erwehlet, GOtt würdigt sie, daß er mit ihnen redet und die Engel kommen vom Himmel auf sie herab. Ihre Lehren bestätigen sie mit Wunder-Zeichen. GOtt hat unter den Propheten eine Ordnung gemacht, daß einer höher ist, als der andere: Also sind diejenigen Propheten höher, die GOtt zu Gesandten gebraucht hat, als andere, die dergleichen nicht gewesen, und die eine neue Religion gestifftet, fürtrefflicher als andere.

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7. Mahomed als Beherrscher der schwarzen Kunst

Sie glauben, daß der erste unter allen Propheten Adam, der letzte und vornehmste Mahomed gewesen. Der vornehmste unter den Creaturen und der am nechsten an die Propheten kommet, sey Abubecker, nach diesen Omar, ferner Ottman und zuletzt Hali. Auf diese kommen die 6. Gesellen des Mahomeds: Abdorrachman, Abuobeida, Alzobeir, Talcha, Seid und Saad. Diesen treten nach seine Gehülffen, ferner die Menschen zu denen Mahomet gesand worden und endlich machen den Schluß die Weisen, die gute Wercke gethan. Einige Mahometaner zählen mehr als 224000. Propheten andere aber nur 124000. Aber diejenigen Propheten, so neue Satzungen aufgebracht wären nur 6. nehmlich Adam, Noah, Abraham, Moses, Jesus und Mahomed. Sie statuiren, daß es eben zum Glauben nicht nöthig, daß man die Zahl der Propheten wisse, wenn man sie nur liebe: wer sie aber entweder alle, oder auch nur einen eintzigen davon hasse, wer an der Wahrheit dieser Propheten, oder an denen Dingen, die sie verkündiget, zweifelt, der sey ungläubig.

Streng genommen vermittelt dieser Text der Jugend also, dass aus Sicht der Türckischen Theologie allen Propheten zu glauben sei, und zwar nicht nur grundsätzlich im Hinblick auf die Wahrheit ihrer Sendung, sondern auch auf ihre „Satzungen“, von denen kein „Wörtgen“ in Zweifel gezogen werden dürfe. Ob Fehler oder Missverständnis: Der Text vermittelt also, dass aus Sicht dieser Religion sowohl der Koran als auch die biblischen Bücher Urkunden wahrer Offenbarung seien. Der vierte Band des Neu-eröffneten Amphitheatrum von 1728 informiert sachlich und im Überblick über Mahomed, vor allem aber über seine Religion unter dem Titel „Türckische Theologie“. Hier werden die Glaubensinhalte, die Offenbarungsschriften und die Propheten in irenischer Weise, praktisch ohne Benennung von Unterschieden zu Judentum und Christentum für die Jugend skizziert. Bibel und Koran, alles sei wahre Offenbarung, vermittelt dieses Buch.

7.5 Widersprüchliche Lehrbücher für die Jugend Diese Texte zur Türckischen Theologie stehen in krassem Gegensatz zu den Aussagen des oben dargestellten Amphitheatrum Turcicum. An dieser Stelle wäre eine verlagsgeschichtliche Studie angebracht, die genauere Auskunft über Hintergründe und Kontexte und vielleicht auch über die Autoren geben könnte. Wie kommt es dazu, dass in dieser Reihe, die in Religionsfragen informiert und nur zurückhaltend kommentiert, ein derartig uninformierter und rabiater Text wie der erste Teil des Amphitheatrum Turcicum erscheint? Handelt es sich vielleicht um den Versuch einer Skandalisierung zur Erhöhung des Absatzes? An dieser Stelle soll nicht weiter spekuliert werden. Es ist allerdings durchaus auch denkbar, dass es sich bei diesem Band um einen fingierten Teil der Reihe mit fingierten Angaben handelt. Wenn der Band aber

7.5 Widersprüchliche Lehrbücher für die Jugend

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tatsächlich von Funcke in Erfurt verlegt worden sein sollte, dann ließe sich sagen, dass im Verlag von Johann Michael Funcke in Erfurt zwischen 1722 und 1728 populäre, großenteils für die Jugend gedachte Werke entstanden, die über die verschiedenen Weltgegenden informieren und die in Fragen der Religion äußerst widersprüchlich positioniert sind. Argumentativ und darstellerisch bewegen diese Texte sich offensichtlich in sehr unterschiedlichen Kontexten. Die hier gezeigten divergierenden Darstellungen Mahomeds und seiner Religion machen deutlich, dass sich diese Texte nicht einfach im Sinne einer Fortschrittsgeschichte der Erkenntnis und Beurteilung begreifen lassen, sondern nur historisch kontextuell angemessen gewürdigt werden können – auch wenn es für diese anonyme Publikation bisher keine äußeren Anhaltspunkte gibt. Das Kapitel über Mahomed im Amphitheatrum Turcicum von 1724 hat jedenfalls eine völlig andere Funktion als die inhaltlich entsprechenden Passagen im Südasien-Band von 1728 und im Europa-Band von 1722. Das ausgesprochene Anliegen des Amphitheatrum Turcicum von 1724 ist es, die türkische Geschichte in die europäische Geschichte einzutragen. Demgegenüber wollen die anderen Bände ein Grundwissen an die Jugend vermitteln, das zurückhaltend vorgetragen wird, jedoch auch nicht frei von Fehlern ist. Die Mahomed-Repräsentation im Amphitheatrum Turcicum muss allerdings als besonders negativ und tendenziös gelten. Ein anderes Zeugnis für die Popularisierung eines Mahomed-Bildes findet sich im Jahre 1739 im Großen vollständigen Universal-Lexicon von Johann Heinrich Zedler. Hier wird u. a. danach zu fragen sein, inwieweit dieser Text tatsächlich das Wissen der Zeit repräsentiert – ein Anspruch, mit dem dieses lexikographische Großunternehmen angetreten war.

8. Mahomet als epileptischer Betrüger und gewalttätiger ,Putschist‘ – Johann Heinrich Zedlers Großes vollständiges Universal-Lexicon (1739) Der Leipziger Verleger und Gutsbesitzer Johann Heinrich Zedler (1706–1751)1 begann 1732 sein Großes vollständiges Universal-Lexicon herauszubringen. Den Prospekt dazu hatte er im Alter von nur 24 Jahren 1730 veröffentlicht.2 Von 1732 bis 1750 erschienen 60 Bände. Nach Zedlers frühem Tod 1751 folgten noch vier Supplement-Bände (1751–1754). Das Werk markiert mit seinen ca. 300.000 Artikeln auf rund 68.000 Seiten das größte lexikalisch-enzyklopädische Unternehmen im damaligen deutschsprachigen Raum. Es setzte Maßstäbe. Gleichwohl ist es auch ein rätselhaftes und wenig erforschtes Werk, es gilt als ein „Lexikon ohne Programm“3. Dieses in Leipzig und Halle stattfindende verlegerische Großunternehmen Zedlers ist als juristischer (Privilegien) und wirtschaftlicher (Druckerei, Verlag) Vorgang zwar einigermaßen nachvollziehbar, „nicht aber als intellektuelle Konzeption oder als geistesgeschichtlich bedeutsame Anstrengung. Es fehlen die ,Täter‘ zu dieser Tat, deren Anonymität ihr gewissermaßen zur Last gelegt wird: Das Universal-Lexicon scheint ein naturwüchsiges Produkt des Zeitgeistes zu sein, noch bevor dieser durch Aufklärung modernisiert wurde.“4 Zedlers Lexikon erhob den Anspruch, das gesamte Wissen seiner Zeit zu repräsentieren und wird darum immer wieder als „barock“ bezeichnet. Die Qualität und die Struktur der Artikel divergieren stark. Die Autoren bleiben ungenannt, was seinen Grund nicht zuletzt im Urheberrecht haben könnte, bot sich doch so dem Verleger ein gewisser Schutz vor Klagen auf geistigen Diebstahl. Dass die anonymen Mitarbeiter Plagiatoren wären, wird im Vorwort zum ersten Band einerseits zurückgewiesen, andererseits wird aber darauf hingewiesen, dass ihnen nicht verwehrt werde, vorliegende Bücher und 1 Vgl. zur Biographie Gerd Quedenbaum, Der Verleger und Buchhändler Johann Heinrich Zedler 1706–1751. Ein Buchunternehmer in den Zwängen seiner Zeit; ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Buchhandels im 18. Jahrhundert, Hildesheim/New York 1977. 2 Vgl. dazu Ulrich Johannes Schneider, Zedlers Universal-Lexicon und die Gelehrtenkultur des 18. Jahrhunderts. In: Hanspeter Marti/Detlef Döring, Die Universität Leipzig und ihr gelehrtes Umfeld 1680–1780, Basel 2004 (Texte und Studien 6), S. 195–213. 3 Ulrich Johannes Schneider, Die Konstruktion des allgemeinen Wissens in Zedlers ,UniversalLexicon‘. In: Theo Stammen/Wolfgang E. J. Weber (Hg.), Wissenssicherung, Wissensordnung und Wissensverarbeitung. Das europäische Modell der Enzyklopädien, Berlin 2004 (Colloquia Augustana 18), S. 81–101, Zitat S. 81. 4 Schneider, Universal-Lexicon, S. 196.

8. Zedlers Großes vollständiges Universal-Lexicon

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Lexika anzusehen. Ulrich Johannes Schneider meint, dieses Lexikon anonymer Autoren bleibe gewissermaßen ortlos in der Mitte des 18. Jahrhunderts stehen: Sein Platz in der Zeit bleibt ungenau bestimmt, wenn der Einsatz der Zeitgenossen für dieses Unternehmen nicht abgeschätzt werden kann. Seine Rolle im Spannungsfeld zwischen Gelehrsamkeit und Aufklärung bleibt unbegreiflich, wenn man nicht weiß, wer hier für wen tätig war.5.

Ohne hier in die intensive Suche nach Urhebern und Ort des Lexikons einsteigen zu können, soll zunächst nach den Auskünften gefragt werden, die es über Mahomet gibt. Der entsprechende Artikel findet sich in Band 19, dem ersten von Carl Günther Ludovici als Hauptherausgeber in Nachfolge von Jacob August Franckenstein (Bd. 1–2) und Paul Daniel Longolius (Bd. 3–18) betreuten des Universal-Lexicons, das Ludovici bis zum letzten Band brachte. Carl Günther Ludovici (Ludewig, 1707–1778) studierte unter dem Rektorat seines Vaters, eines Theologen und Orientalisten in Leipzig, wurde 1728 Magister, 1733 Professor der Weltweisheit, 1761 Professor für Aristotelische Logik an der Philosophischen Fakultät in Leipzig als Kollege Gellerts und Gottscheds, dem späteren Herausgeber der deutschen Fassung des Dictionnaire Pierre Bayles. Im Vorwort zum ersten von ihm verantworteten Band bekennt Ludovici sich zum „demonstrativischen Vortrag“; man rühme nicht mehr die „Gedächtnis-Gelehrten“, sondern nur diejenigen, welche ihren Verstand anstrengen, ihre Wissenschafft durch Nachdencken und Uberdencken begreiffen, und solche auf demonstrativische Art wieder vorzutragen suchen. Wie die verschiedenen Jahrhunderte nach dem verschiedenen Zustande der Gelahrtheit verschiedene Beynamen erhalten haben; so möchte man wohl das gegenwärtige das demonstrativische (Seculum demonstrativum) nennen. (1)

Wer den 1739 in diesem „demonstrativischen“ Buch erschienenen Artikel „Mahomet“ verfasst hat, ist unbekannt. Ludovicis Vater Christian Ludovici (Ludewig, 1663–1732), klassischer Philologe, Theologe und Orientalist, lebte längst nicht mehr. Denkbar ist ein Autor aus dem akademischen Umfeld Ludovicis oder seines verstorbenen Vaters, vielleicht ein Schüler. Aber dies bleibt bislang Spekulation. Ulrich Johannes Schneider beschreibt die (unbekannte) Autorengruppe des Lexikons als eine Art „offene Universität“, das Werk selbst als akademischen Lehrstoff, wie er an den vier Fakultäten, und darüber hinaus auch an Ritterakademien und anderen Einrichtungen vermittelt wurde, als Tat einer Gruppe von Gelehrten, die sich über das Lexikon allererst konstituiert und zugleich damit als Wissensvermittler funktionalisiert. Die Gelehrtenrepublik findet in Zedlers Universal-Lexicon eine Karte, die für alle lesbar gemacht wird: eine 5 Ebd., S. 199–200.

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8. Zedlers Großes vollständiges Universal-Lexicon

Republik des Geistes, zu der man sich ohne Immatrikulation selbst zählen kann, die also ein gutes Stück weniger exklusiv ist (auch wenn man Geld brauchte, um an die Bände heranzukommen, beim Kauf sehr viel – für alle Bände fast 140 Reichstaler –, im Lesekabinett wohl weniger).6

Auch in diesem Kontext wurde ein Mahomet-Bild für das lesende Publikum, ob bürgerlich, gelehrt oder akademisch, entworfen.

8.1 Der Artikel „Mahomet“ Für einen Bürger dieser „Republik des Geistes“ wurde ab 1739 in dieser „offenen Universität“ das Bild Mahomets als eines epileptischen Betrügers und gewalttätigen Putschisten bereitgestellt. Der Artikel enthält eine Literaturliste zum Leben Mahomets. An neueren Werken nennt der Artikel Leunclavius, Forbesius, Galen, Pococke, Hottinger, Le Moyne, Hornbeck, Marracci, d’Herbelot, Prideaux und Dapper.7 Reland und Boulainvilliers fehlen, wie überhaupt 6 Ebd., S. 211. 7 In diesem Artikel werden folgende Namen, z. T. mit Bezug auf Schriften genannt: 1) Theophanes der Bekenner/Theophanes Homologetes (Theophanes; ca.760–818); 2) Georgios Kedrenos (Cedrenus; 11./12. Jh.); 3) Johannes Zonaras (Zonaras; gest. 1130); 4) Johannes von Damaskus (Damascenus; ca. 650 bis vor 754); 5) Patriarch Nikephoros I. (Nicephorus Constantinop; 757/ 758–828); 6) Paul Warnefried (Paul. Diacon.; 725/30–797/799); 7) Georgius Elmacin (Girgis AlMakin, auch Ibn al-’Amid, hier: Georgius Elmacin.; 1205–1273); 8) Johannes Löwenklau (Leunclavius; 1541–1594); 9) John Forbes (Forbesius; 1593–1648); 10) John of Wales (Galensis Anglus; 1210/30–1285); 11) Edward Pococke (Pocokius; 1604–1691); 12) Johann Heinrich Hottinger (Hottinger; 1620–1667); 13) Stephanus le Moine (Le Moyne; 1624–1689); 14) Juan Andr s (Andrea; getauft 1487); 15) Johannes Hoornbeek (Hornbek; 1617–1666); 16) Ludovico Marracci (Maraccius; 1612–1700); 17) Barthelemy d’Herbelot de Molainville (d’Herbelot; 1625–1695); 18) Humphrey Prideaux (Prideaux; 1648–1724); 19) Pierre Bayle (Bayle;1647–1706); 20) Gregorius Bar-Hebraeus/Abu¯ l-Faragˇ Ibn al-’Ibrı¯ (Abulfaraj/Abulfaray; 1226–1286): „Theophanes, Cedrenus, Zonaras, Damascenus de hæresi, Nicephorus Constantinop. Paul. Diacon. Georgius Elmacin. in chron. oriental. Leunclavius in hist. Muselmannorum. Forbesius in iustruct. [!] historico. Theolog. I.4. Galensis Anglus de origine & progressi Mahomedi, Pocokius in notis ad Abulpharaium, Hottinger in hist. orient. Le Moyne in notis ad Hoornbeckius varia sacra pag, 302. u. ff. Andrea in confus. sectæ Mahomed. c. I. Hornbek in summa controvers. p. 77. u. ff. Maraccius in prodromo ad refutat. Alcorani. d’ Herbelot in Bibl. orient. voce Mahomed. Prideaux im Leben Mahomeds. Bayle etc., Abunazar, Abulfaraj, beschreiben Mahomets Leben ingleichen Tapper in seiner Beschr. von Arabien p. 466. biß 488.“ Mit „Tapper“ ist 21) Olfert Dapper (1635–1689) gemeint, bzw. dessen Umbständliche und eigentliche Beschreibung von Asia in der Übersetzung von Johann Christoph Beer, Nürnberg 1681, die eine Beschreibung Arabiens enthält. Die gekürzte Zusammenstellung von J. C. Männlingen Dapperus Exoticus Curiosus. Das ist des viel-belesenen Hn. Odoardi Dapperi Africa- America- und Asiatische Curiositäten, die 1717 und 1718 in Frankfurt/M. in zwei Bänden erschien, enthält diese dagegen Passagen nicht. Das niederländische Original, Naukeurige beschreijving van Asie, erschien 1680 in Amsterdam und enthält unter anderem die „geschiedenissen en godsdienst, inzonderheit die van d’oude Arabieren, Mahomet en Mahometanen“, auf die hier angespielt wird.

8.1 Der Artikel „Mahomet“

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jede wirkliche Kritik an der Literatur zum Thema. Dagegen wird Reland im Artikel „Mahomedischer Glaube“ zitiert (s. u.). Die Bezeichnung erfolgt gewissermaßen uneigentlich, insofern zwischen der verwendeten Schreibweise „Mahomet“ und der eigentlich richtigen Aussprache „Muhammed“ oder „Mohammed“ unterschieden wird – allerdings ohne Folgen. Der acht Spalten umfassende Text (482–490 [„290“]) bietet zuerst die längere Diskussion des Namens mit einer Einschätzung: Mahomed, Mahomet, Mohammed, Muhammet, der Welt-beruffene falsche Prophet, wird insgemein von den Deutschen mit dem ersten Namen Mahomet beleget; auf Arabisch wird er eigentlich ohne Puncte oder Laute-Buchstaben also, Mhmmd geschrieben, welches Wort meistens alle berühmte Schreiber, welche die Arabischen Bücher verdolmetschet haben, einmüthiglich Muhammed oder Mohammed übersetzen, und aussprechen. Es bedeutet dieser Nahme einen höchst-preiß-und lobenswürdigen Mann. Denn beyde Arabische Wörter kommen her vom Arabischen Grund-Worte Hamada, welches so viel, als preisen und loben heisset. (482)

Ausführlich werden die Mahomet beigelegten Namen und Titel aufgelistet und erläutert: „Nour“ – Licht, Erleuchter; „Nabi Allahi“ – Prophet Gottes; „Rasoul Allahi“ – Gesandter oder Apostel Gottes oder auch nur „Nabi und Ro[!]soul“ (ebd.). Mahomet werde auch „Alnadir und Almundir“ (483) genannt, „Einwohner, Prediger, Vorherverkündiger, Gesandter oder Apostel“ (ebd.) sowie „Achmed“, weil Jesus ihn mit diesem Namen angekündigt habe. Bevorzugt werde der Name „Mahomet oder Muhammed“, weil dieser Name Adam, Mose, Christus, Elias und allen Propheten bekannt gewesen sei und weil Gott zu Mose gesagt habe, er hätte kein herrlicheres Geschöpf als Mahomet geschaffen und alle vorherigen Gesandten hätten an ihn geglaubt. Mahomet sei der erste und der letzte Prophet und der erste bei der Auferweckung. Es folgt eine Reihe bei „Türken“ (gemeint sind wohl Araber) üblicher Ehrennahmen sowie das Geschlechtsregister von Abraham über Ismael bis zu Mahomet Eltern. Der Artikel stellt die Person also zunächst über ihre Namen und Herkunft vor und kritisiert christliche Überlieferungen: Wie die meisten christlichen Schreiber bezeugen; so solle Mahomet von einem geringen Geschlechte entsprossen seyn, und arme Eltern gehabt haben, dessen Vater ein Heyde, und die Mutter eine Jüdin gewesen. Solches ist aber ein Gedicht und zur Verachung [sic! Verachtung oder Verlachung?] des Mahometanischen Geschlechts ausgestreuet worden. (485)

Vielmehr stamme Mahomet von zwar nicht reichen, aber vornehmen Eltern aus dem vornehmsten Stamm ab. Über den Zeitpunkt seiner Geburt werden verschiedene Angaben zitiert, unter anderem mit Verweis auf Abulfaray.8 „Die Wunderwercke die bey seiner Geburt sollen vorgegangen seyn, sind weitläufftig in des Dappers Beschreibung von Arabien […] zu lesen.“ (485) Hier, 8 Die sonstige Schreibweise ist „Abulfaraj“.

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8. Zedlers Großes vollständiges Universal-Lexicon

wie bei den meisten anderen Angaben (Tod des Vaters, Aufziehung bei der Amme), gibt der Artikel verschiedene Überlieferungen kommentarlos zur Kenntnis. „Seine Jugend brachte er mit allerhand geringen Verrichtungen zu, hütete insonderheit der Cameele, und geben die Mahometaner vor, daß er gar nicht studieret, damit sie andere desto eher bereden mögen, daß er seine Weisheit unmittelbarer Weise von GOtt empfangen hätte.“ (486) Auch die Begebenheiten, die auf seinen Reisen vorgefallen sein sollen (Begegnung mit einem Einsiedler, Zeichen des Propheten), werden kommentarlos aus Abunazar entnommen; Erpenius wird dagegen kritisiert.9 „Als er wieder zur Chadigha kam, wuste er, durch seinen verschlagenen Kopff, schmeichlende Reden und angenehme Leibes Gestalt, sich so beliebt zu machen, daß sie sich entschloß, ihn zu heyrathen, da er 25 Jahre alt war.“ (486) Damit wird Mahomet ein Plan unterstellt, der sogar die Eheschließung mit beinhaltet, verschiedene Datierungen der Hochzeit werden dabei nebeneinander erwähnt. Und dieses [die Hochzeit] traff ungefähr die Zeit, als eben anfieng, seine Lehre, die er bisher ausgesonnen, auszubreiten; erstlich zwar nur heimlich unter seinen Freunden und Schülern bald darauf aber auch öffentlich nehmlich in dem 44 Jahre seines Alters. Diese seine neue Religion hat er aus dem Judenthum und Christenthum, absonderlich aus verschiedenen Irrthümern der alten Ketzer, wie auch aus den Sitten und Gebräuchen der Koraischiten zusammen geschmiedet. (486)

Ob Mohammed sich der Hilfe zweier Mönche und eines Juden bedient habe, wie man vorgebe, sei sehr ungewiß. Dagegen wird aber Folgendes festgehalten: Dieses ist gewiß, daß Mahomet durch erdichtete Erscheinungen, und allerhand Betrügereyen, ihm selbst und seiner Lehre ein Ansehen zu Wege zu bringen getrachtet, welches ihm auch glücklich von statten gegangen. Denn da er von Natur mit der fallenden Seuche behafftet war, gab er vor, diese Schwachheit zu verheelen, daß ihm solches widerführe, wenn ihm der Engel Gabriel erschiene dessen hohen Glanz er nicht vertragen könne. […] Durch diese und dergleichen vorgeschützte Betrügereyen verblendete er sein Weib Cadiche, daß sie nicht nur diese Kranckheit nicht merckete, sondern auch sich festiglich beredete, daß Mahomet göttliche Erscheinungen hätte. Wie er denn auch zu dem Ende selber vorgab, er sey von GOtt selbst angereizet und erwecket worden, seine Religion in der Welt auszubreiten, und er würde nichts vornehmen, was ihm GOtt nicht selbst offenbahrte. (487 [„287“])

Der Text erwähnt an dieser Stelle kommentarlos die Überlieferung von der dressierten Taube als vorgegebenes Zeichen des Heiligen Geistes und widmet sich der Verbreitung des Glaubens. Mahomets Frau und Diener hätten für ihn geworben, danach 9 Abu¯ Nasr Muhammad al-Fa¯ra¯bı¯ (Abunazar; geb. ca. 872); Thomas van Erpen (Erpenius; 1584–1624).

8.1 Der Artikel „Mahomet“

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aber offenbahrte er seinen Beruff auch selber, und befahl an einen einigen GOtt zu glauben u.s.w., siehe Mahometanischer Glaube.[10] Diejenigen, welche sich hier zu nicht verstehen wolten, wurden von ihm bekriegt. Es begaben sich zu ihm so wohl Arabische, als andere Christen, Juden, Mohren, Heyden und andere Völcker. Er zog so denn nach Stadt Taifa, und nöthigte die Einwohner zu seiner Lehre. Allein sie wollten ihm nicht gehorchen. So zog er wieder nach Mecca und trachtete da unter dem Deckmantel, heimlicher Weise zur Regierung, als worauf auch wohl sein gantzes Absehen gieng, zu gelangen, seine Religion fortzupflantzen. (Ebd.)

Mahomet erscheint hier also als gewalttätiger ,Putschist‘, der unter dem Deckmantel der Religion die Macht in Mekka an sich zu bringen versuchte. Die Vertreibung aus Mekka habe ihn so verbittert, dass er jahrelang Krieg gegen diese Stadt geführt habe. Es folgt eine längere Schilderung des Verlaufes bis zur Einnahme Mekkas und zu seinem Tod. Die Wallfahrt habe Mahomet angeordnet, weil Mekka seine Geburtsstadt gewesen sei. Viele Wunder würden überliefert, „welche aber um so viel weniger Beyfall erlangen werden, weil Mahomet selbsten bekannt, er thue keine Wunder-Wercke, und indem er vielmehr bloß durch Gewalt der Waffen seine Lehre fortzupflantzen bemühet gewesen“ (489 [„289“]). Die große Zahl seiner Anhänger wird „theils seiner Listigkeit, theils seiner Gewalt, theils der Beschaffenheit seiner Religion“ zugeschrieben, die „mit den Lüsten und sündlichen Begierden des Fleisches sehr wohl übereinkommt, und dadurch den Menschen angenehm wird“ (ebd.). Mit Verweis auf Elmacin wird festgehalten, dass Mahomet kein Feind der Christen gewesen sei, sondern ihnen viel Gutes getan habe. Und als einsmahls eine grosse Anzahl derselben zu ihm kamen und ihn um Sicherheit anfleheten; so legte er ihnen nur eine blosse Schatzung auf, und gab ihnen einen Versicherungs Brieff, sagte dabey zu Omar: Zeige ihnen an, daß wie ihre Seelen eben so hoch, als die unsrigen, und ihre Güter, wie unsere, auch ihre Zufälle, wie unsere eigenen Zufälle halten (ebd.).

Vor einem vornehmen Christen sei er nach Elmacin sogar einmal aufgestanden und habe ihm große Ehre erwiesen. Der Artikel schillert zwischen der Diskussion einzelner Fakten auf der einen Seite, die einen abwägenden, teils die christliche Überlieferung kritisierenden Charakter hat und harter Betrügerkritik auf der anderen Seite. Einerseits werden Name und Herkunft umständlich erläutert, andererseits wird wenig über den Lebensweg berichtet, dagegen fallen die interpretierenden Einschübe sehr ins Gewicht. Mahomet erscheint als betrügerischer und gewaltsamer Putschist unter dem Deckmantel der Religion, der sich andererseits aber Christen gegenüber auch ehrenvoll verhalten haben soll. Seine Person wird als listig, gewaltsam und betrügerisch abgelehnt, als ein Mann, der listig 10 Vgl. dazu den Abschnitt 8.2. in diesem Buch.

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8. Zedlers Großes vollständiges Universal-Lexicon

gewusst habe, sich einer reichen Frau angenehm zu machen. Wie wird aber der Glaube beurteilt, auf den in diesem Artikel nicht eingegangen, sondern nur verwiesen wird? Wird zwischen Person und Sache unterschieden?

8.2 Der Artikel „Mahomedischer Glaube“ Der Artikel „Mahomedischer Glaube“ verweist vielfach auf Dappers bereits genanntes Werk. Neben den bereits im Artikel „Mahomet“ genannten Autoren, finden sich nun auch Hinweise auf Widmanstadt, Guadagnol, Pfeiffer, Reland und Bosius.11 Der definitorische erste Satz lautet: Mahomedischer Glaube, Mahomedanische Religion, Mohammedismus, Muhammedismus, eine neue und zwar aus der Heydnischen, Jüdischen, Griechischen und Christlichen Lehre zusammen gesetzte Religion, die im Anfang des siebenden Jahrhunderts aufgekommen, und mit einer wundersamen Geschwindigkeit sich dermassen ausgebreitet, daß sie ein groß Theil von Asien und Africa eingenommen, und biß in Europa eingedrungen. (508)

Der allgemeine Unterschied zum Heidentum bestehe darin, „daß die Mohammedaner den einigen, höchsten und wahren GOTT anbeten, und allen Bilderdienst verwerffen“ (ebd.). Der besondere Unterschied sei der Koran als Richtschnur des Glaubens. [D]er eigentliche Unterschied von der Christlichen Religion ist, daß sie das Wort GOttes Alten und Neuen Testaments nicht erkennen, ob gleich im Alkoran hin und wieder dessen mit Ehren gedacht wird, und diesemnach den Grund des Christenthums, die Lehre von der Dreyeinigkeit, die Erlösung durch Christum etc. verläugnen. (ebd.)

Ihre Bekenner hießen nach dem Urheber „Mahomedaner“ oder trügen noch weitere Namen, wie es im entsprechenden Artikel lautet: „Mahometaner, oder Mahometisten, Mahometaner, Mahemodani, werden diejenigen genennet, welche die Lehre und Religion des Lügen-Propheten Mahomeds angenommen haben.“ (507) Sie würden auch „Muslemans, Moslimans“ etc. genannt, „von 11 Genannt werden über den Artikel „Mahomet“ hinaus 1) Johann Albrecht Widmanstetter (Widmanstadt; 1506–1557); 2) Filippo Guadagnoli (Guadagnol; 1596–1656); 3) August Pfeiffer (Pfeiffer; 1640–1698); 4) Ludovico Marracci (Maraccius; 1612–1700) 5) Adrian Reland (Reland; 1676–1718); 6) Johann Andreas Bosius (Bosius; 1626–1674); 7) nochmals Olfert Dapper (allerdings hier als „Dapper“ und nicht wie im Artikel „Mahomet“ als „Tapper“) sowie 8) Gabriel Sionita/Jibra¯’ı¯l as-Sahyu¯nı¯ (Gabriel Sionit.; 1577–1645/48): „Widmanstadt in notis ad theolog. ˙ ˙ Mahomed. Guadagnolus in apologia pro religione Christiana contra Achmed Persam. Pfeiffer in theolog. mahomed. Maraccius in prodromo ad refutationem Alkorani, Reland de religione Mahomed. Bosius in Imper. Turc. Dapper in der Beschr. von Arabien p. 496 bis 553. Gabriel Sionit. de moribus Oriental.“

8.2 Der Artikel „Mahomedischer Glaube“

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dem Arabischen Grundworte Salama, das so viel heißt, als: er ist erhalten und vom Schaden und Unheil errettet worden“ (ebd.), sie seien nämlich durch ihre Unterwerfung vom Schwert Mohammeds befreit worden. Die zutreffende Herleitung sei aber wohl vom Wort „Aslama“ in der Bedeutung „er ist gehorsam gewesen, hat geglaubet, und alle sein Vertrauen auf GOtt gesetzet“ (ebd.). Wundersam ist die Reihe der Namen nach Völkerschaften: „Türcken, Mohren, Saracenen, Islamiten etc.“ (ebd.), in der sich dasselbe Grundwort seltsam versteckt. Auch in Zedlers Universal-Lexicon ist keine Rede von „Islam“ oder irgendeine andere feste Terminologie auszumachen. Der vergleichsweise ausführliche Artikel informiert über das Glaubensbekenntnis, die fünf Säulen (Bekenntnis, Gebet, Almosen, Wallfahrt und Fasten) sowie über weitere „Haupt-Artickel“ (508), die sich vielfach auf das Judentum bzw. Christentum beziehen: Überholung des Juden- und Christentums, Ablehnung der Trinität und Gottessohnschaft etc.; Stellung Mahomets über Mose und Christus, Mahomet als der bei Johannes erwähnte Tröster, Verständnis Marias, der Kreuzigung, des Gerichts etc. Zeremonien und Lebensregeln werden erwähnt und mit Einschränkung indirekt gelobt. Insgesamt gibt auch dieser Text, in dem von Mahomets Betrug die Rede ist, kein klares Bild. So gilt die zu verzeichnende Tugend nur als Schein: Was ihre Lebens-Regeln anbelanget; so geben sie in vielen Stücken den Schein einer Tugend von sich. Mahomet dringet sehr auf die Liebe GOttes und des Nächsten; doch erlaubet er, wie etliche melden, seinen Feind umzubringen. Welches aber damit nicht wohl überein kömmt, daß andere berichten, er erstrecke die Wercke der Barmhertzigkeit biß auf die Feinde, ja biß auf die unvernünfftigen Thiere. (510)

Mahomet sei also grausam und barmherzig gewesen, habe an sich gute Lebensregeln gegeben, die allerdings nur moralischen Schein bewirkten. Neben vielen einzelnen Sachverhalten, die aneinandergereiht werden, findet sich die Bemerkung: Im übrigen kommen sie in vielen Stücken mit denen Socinianern überein. Wie denn allem Ansehen nach auch wohl die Puncte, worinnen sie insonderheit der Deisterey und Naturalisterey ziemlich günstig zu sein scheinen, vieles darzu beygetragen haben mögen, daß sie nicht allein binnen kurtzer Zeit einen solchen Anhang gefunden, sondern auch nachgehends immer weiter und weiter ausgebreitet worden. (512)

Mit anderen Worten, diesem Glauben wird nicht nur bescheinigt, Sozinianismus, Deismus und Naturalismus ähnlich zu sein, sondern von daher auch eine besondere Attraktivität zu besitzen. Das ist bemerkenswert, versinkt in diesem unstrukturierten Text allerdings etwas zwischen dem Thema „Talisman“ und der Zinsfrage. Nach Bemerkungen über die Verbreitung dieses Glaubens findet sich wiederum eine interessante Passage über Ungereimtheiten, die man seinen Anhängern fälschlich, oder ohne Grund nachsage. Hier ist rund ein Dutzend der Widerlegungen zusammengefasst, die Adrian Reland

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8. Zedlers Großes vollständiges Universal-Lexicon

im zweiten Teil von De religione Mohamedica geliefert hatte. Weitere Passagen widmen sich der Trennung der Partei Alis und ihrer Gebräuche. Die abschließende Passage macht wiederum einen Schwenk in eine negative Beurteilung Mahomets. Sonst haben auch einige angemercket, daß die gantze Mahometanische Religion von ihrem Urheber so eingerichtet wäre, daß dadurch ein mächtiges Reich könnte aufgerichtet und erhalten werden. Viel Lehr-Sätze sind so beschaffen, die Menschen durch Verstattung der Wollust an sich zu locken. […] Das Verbot alles Zanckens und Nachgrübelens in Religions-Sachen dienet darzu, die Einigkeit, so viel als möglich, unter ihnen zu erhalten, welche billig unter die Grund-Feste aller Republicke und Königreiche kan gezehlet werden. Auch kommt ihnen wohlzustatten, daß sie die Unwissenheit, so viel als möglich, bey den Ihrigen zu erhalten, sich bemühen, welches alles dennoch nicht zulänglich ist, den rechten Endzweck zu erhalten, weil der rechte Grund, nemlich die Wahrheit der Religion, ihnen mangelt, und das gantze Gebäude so wohl ihres Reiches, als ihrer Religion sich auf lauter Lügen gründet. (515)

Wollust und Dummheit als Erfolgsmotoren, diese Motive passen nicht ohne weiteres zu der oben zitierten Aussage über die Attraktivität durch Deismus oder Naturalismus. Insgesamt ergibt der Text ein verschwommenes Bild. Es handelt sich alles in allem um einen seltsam strukturierten, in seinen Aussagen und Ausrichtungen inhomogenen Text, in dem jedoch immer wieder (wie auch im Artikel „Mahomet“) Betrug zugeschrieben wird. Die neuere Literatur wird erwähnt, teilweise sogar ausführlicher benutzt (Reland), erstaunlicherweise fehlt aber etwa die Koranübersetzung von George Sale mit ihrem Preliminary Discourse, ein Buch, das seit 1734 auf dem Markt und sehr bekannt war. Passend dazu gibt es auch gar keine weitergehenden Aussagen über den Koran oder aus dem Koran, weder als eigenständiger Artikel noch als weiterführender Aspekt in den beiden dargestellten Artikeln.12 George Sale wird erst im Band 33 des Zedlerschen Lexikons (1742) mit einem kurzen Personalartikel erwähnt.13 Inhaltliche Spuren hinterlässt er in diesen wichtigen Artikeln jedoch nicht. Der am häufigsten zitierte Referenztext des Artikels ist deutlich älter als die Texte von Sale (1734) und auch von Reland (1705/1717). Es handelt sich um die Umbständliche und eigentliche Beschreibung von Asia von Olfert Dapper (1636–1689) in der deutschen Übersetzung von Johann Christoph Beer 12 Stattdessen findet sich etwas über Mahomeds Fahne, Grab, Höhle, Kleider oder auch sein Testament. 13 Zedler, Universal-Lexicon, Bd. 33, 1742, Sp. 868: „Sale (Georg) ein gelehrter Advocat und Philologe in Londen. Man hat von ihm unter andern gelehrten Arbeiten die schöne Uebersetzung des Alcorans erhalten, welche unter dem Titel: The Koran, commonly called the Alcoran of Mohammed, translated into English immediatly from the original Arabic; With explanatory Notes, taken from the most approved Commentators, Londen 1734 in Groß-Quart, 4 Alph. mit 5 Kupffer-Tafeln, ans Licht gekommen. Er starb den 13 November 1736. Leipziger gelehrte Zeitungen 1733, p. 897 u. f. 1734 p. 777 u. f. Nova Acta Eruditor. A. 1735 M. Jan.“

8.3 Alte Ansichten in einem neuen Lexikon

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(1638–1712), erschienen 1681 in Nürnberg. Das niederländische Original Naukeurige Beschryving van Asie erschien 1680 in Antwerpen, es ist, wie auch die deutsche Fassung, mit zahlreichen Kupferstichen versehen. Der unbekannte Autor des Mahomet-Artikels im Zedler gibt hier eine Kurzfassung von Dappers Mahomet-Darstellung in der „Ausführlichen Beschreibung der Landschaft Arabien“ unter der Überschrift „Geburt / Leben und Thaten des Weltberuffenen Propheten Mahomets, sonst Mohammed oder Muhammed genannt“.14 Auch der Zedler-Artikel „Mahomedanischer Glaube“ ist von Dapper abhängig.15 Substanziell ergänzt wird hier lediglich ein Auszug aus Relands Kritik falscher Vorurteile aus De religione Mohamedica, während der Artikel „Mahomet“ auf Prideaux und nicht auf Reland rekurriert. Das ist auffällig und spricht für zwei Bearbeiter bzw. Bearbeitungsstufen.

8.3 Alte Ansichten in einem neuen Lexikon Die beiden relevanten Artikel im Zedler weisen auf bekannte und wichtige Literatur hin, sind insgesamt aber von einem damals bereits fast 60 Jahre alten Buch abhängig. Autoren wie Boulainvilliers und vor allem Sale werden nicht erwähnt, der Koran ist kein eigentliches Thema. Mahomet wird mit Rückgriff auf Prideaux als Betrüger dargestellt, doch immer wieder findet sich auch Kritik an falschen Darstellungen, gipfelnd in einer längeren Übernahme von Ergebnissen Relands. Es fehlt allerdings der Zusammenhang. Oft werden unterschiedliche Überlieferungen ohne Namensnennung nebeneinander ohne Beurteilung präsentiert, oft verschwinden weitreichende Aussagen zwischen Kleinigkeiten. Im Mahomet-Artikel zeigt sich eine gewisse Systematik, angefangen vom Namen über den Stammbaum bis zum Lebenslauf. Das ist fast unvermeidlich, wie sich spiegelbildlich in dem unstrukturierten Artikel „Mahomedischer Glaube“ zeigt, der einen teilweise widersprüchlichen Eindruck macht. Artikel, die dem im Vorwort von Ludewig formulierten Anspruch des „Seculum demonstrativum“ (1) genügen wollten, mit dem Ludewig sich an große Namen wie Gottfried Wilhelm Leibniz und Christian Wolff anlehnt, Artikel also, die auf der Höhe der Zeit sein wollten, müssten sich mit den in den 1730er-Jahren und darüber hinaus viel diskutierten Autoren wie Boulainvilliers und Sale beschäftigen. Davon findet sich hier nichts. Die beiden größeren Artikel sind im Hinblick auf diese Diskussion eher der alten Art zuzuordnen, von der Ludewig im Vorwort geschrieben hatte: „Die Gedächtnis-Gelehrten, oder diejenige Classe der Gelehrten, welche das erlernte Lehr-Gebäude ihrer Wissenschaft nicht anders, als wie die Nonnen den 14 Dapper, Beschreibung, S. 466–496. 15 Vgl. ebd.: „Die mahometanische Lehre und Religion“, S. 496–501 sowie die folgenden Abschnitte bis S. 556.

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8. Zedlers Großes vollständiges Universal-Lexicon

Psalter, an den Fingern herzusagen wissen, kommen ganz aus der Mode.“ (1) Das Thema ist durch das Verschweigen der herausfordernden Positionen und durch das Festhalten an der Betrugsrhetorik auf veraltete Weise traktiert, in dem es aus einem bald 60 Jahre alten Werk abgeschrieben ist. Das spricht nicht dafür, den Autor bzw. die Autoren, wenn die Artikel aus verschiedenen Federn stammen sollten, unter den damaligen Leipziger oder Hallenser Orientalisten zu suchen, es sei denn, ein orientalistisch gebildeter Autor hatte wenig Zeit oder Ambitionen zu diesem Text. Nicht Wissen, wie dieses monumentale Lexikon Zedlers, sondern Vorbilder soll der nächste hier zu betrachtende Text vermitteln, in dem Helden und AntiHelden aus der Weltgeschichte miteinander verglichen werden. Er stammt von einem Autor, der in der Literatur als „Aufklärer von Rang“ beschrieben wird: Ludvig Holberg.

9. Mahomed als wahnsinniger Betrüger und Anti-Held – Ludvig Holbergs Heltehistorier in deutscher Übersetzung (1741) 1741 erschien in Kopenhagen in deutscher Übersetzung Ludvig Holbergs Vergleichung der Historien und Thaten verschiedener insonderheit Orientalisch- und Indianischer Grosser Helden und berühmter Männer. Nach Plutarchi Beyspiel. Der norwegisch-dänische Schriftsteller, Ludvig Baron Holberg (1684–1753), war durch historische, geographische wie auch durch literarische Schriften bekannt geworden. Holberg hatte Theologie und Philosophie in Kopenhagen studiert, verkaufte später seinen Landbesitz in Bergen, reiste nach Holland und nach Oxford und musste seinen Unterhalt immer wieder auch als Hauslehrer verdienen, ab 1708 wiederum in Kopenhagen. Sowohl seine Theaterstücke als auch der viel beachtete Roman Nicolai Klims unterirdische Reise, erschienen in Kopenhagen und Leipzig 1741, brachten ihm schriftstellerischen Ruhm. Er wird als „dänischer Moli re“ (Otto Nedden) bezeichnet, auch als großer europäischer Aufklärer (Heinrich Anz).1

9.1 Das Gesamtwerk: Vergleichung der Historien und Thaten verschiedener insonderheit Orientalisch- und Indianischer Grosser Helden und berühmter Männer Holbergs Werk über die Helden der Weltgeschichte nach dem Vorbild Plutarchs erschien 1739 in Kopenhagen in zwei Teilen unter dem Titel: Adskillige store Heltes og berømmelige Mænds, især Orientaliske og Indianske, sammenlignede Historier og Bedrifter efter Plutarchi Maade. In den nächsten Jahren gab es eine Reihe verbesserte Auflagen (1742, 1753) sowie auch eine postume Auflage 1763.2 Diese Geschichten wurden auch weiterhin vielfach 1 Heinrich Anz Heinrich Anz, Fremde Vorbilder. Erziehung und Alterität in Ludvig Holbergs vergleichenden Heldengeschichten (1739). In: bildung und anderes. Alterität in Bildungsdiskursen in den skandinavischen Literaturen. Hg. v. Christiane Barz und Wolfgang Beschnitt, Würzburg 2006 (Identität und Alteritäten 22), S. 19–35; Otto C. A. Nedden. „Ludvig Holberg – Der dänische Moli re“. In: ders., Europäische Akzente. Ansprachen und Essays. Wuppertal 1968, S. 185–188. Die neueste Arbeit zu Holberg ist noch nicht publiziert; vgl. Brian Kjaer Olesen, Monarchism, Religion, and Moral Philosophy: Ludvig Holberg and the Early Northern Enlightenment, Diss. European University Institute, Florenz 2016. 2 Holberg ließ auch eine Geschichte berühmter Frauen („Damen“) folgen.

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9. Holbergs Heltehistorier in deutscher Übersetzung

aufgelegt, zuletzt in einer Adaption von 1987/88. Es handelt sich bei diesem Text um einen von Holbergs größten publizistischen Erfolgen.3 Es gab auch eine holländische Übersetzung (1748, 1757) sowie eine schwedische (1755 und öfter) und eine russische Übersetzung (1766). Auf Deutsch erschien das Werk 1741 (Kopenhagen und Leipzig), 1748 (Kopenhagen), 1753 (Delitzsch) und möglicherweise noch einmal 1756.4 Die in Kopenhagen erschienene deutsche Ausgabe wird von einem unbekannten Übersetzer (I.F.S.) eingeleitet.5 Der zweite Teil erschien dann 1741 in einem anderen Verlag in Kopenhagen und Leipzig.6

9.2 Holbergs Absicht – Was sind Helden? Holbergs moralisch-didaktische Absicht lässt sich gut an seinen Überlegungen zum Thema Helden erkennen, das er anlässlich der Parallelbiographien von Jan Zˇizˇka und Fürst Skanderbeg berührt (der übrigens zugunsten von Skanderbeg ausfällt). Heldengeschichten, schreibt Holberg, würden oft nach der Weise Homers verfasst. Nach dem Vorbild Achills oder Odysseus’ müsste die Definition eines Helden aber folgendermaßen lauten: Ein Held ist ein solcher Mann, der raubet, plündert, und Menschen todt schläget, mit einem so beständigen Glücke und Succ s, daß sich niemand unterstehet, oder ihn deshalb zur Rechenschafft zu fordern vermag, sondern GOtt die Rache überlassen muß. Oder: Ein Held ist ein solcher, der, durch Hintergehung und Arglist, Reichthum 3 Heinrich Anz bezeichnet sie als „eines seiner publizistisch erfolgreichsten Werke überhaupt“, das auch nach seinem Tod nichts an Popularität verloren habe; Anz, Vorbilder, S. 23. 4 Zumindest gibt Michael Stausberg fünf deutsche Auflagen bis 1756 an; vgl. Stausberg, Faszination Zarathushtra. Zoroaster und die Europäische Religionsgeschichte der Frühen Neuzeit. 2. Teil, Berlin/New York 1998 (Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten 42), S. 758: „Die kurz Heltehistorier (Heldengeschichten) genannte Schrift hat bis 1763 drei dänische Auflagen erlebt; bis 1756 sind fünf Auflagen der deutschen Übersetzung erschienen. 1748 wurde eine holländische Übersetzung publiziert, die 1757 mit einem neuen Titelblatt nachgedruckt wurde. Aus dem Jahre 1755 stammt eine schwedische Übersetzung, die mehrere Neuauflagen erfahren hat, und im Jahre 1766 ist schließlich sogar eine russische Übersetzung publiziert worden.“ Stausberg weist auf Prideaux als Vorbild für Holberg hin, nicht jedoch auf das Life of Mahomet als direkte Vorlage für die Mohammed-Darstellung Holbergs. 5 Herrn Ludewig Holbergs Assessoris. Consist. und Professoris Publ. bey der Königl. Universität zu Copenhagen Vergleichung der Historien und Thaten verschiedener insonderheit Orientalischund Indianischer Grosser Helden und berühmter Männer. Nach Plutarchi Beyspiel. Aus dem Dänischen übersetzet und mit einer Vorrede begleitet von I. F. S. Copenhagen 1741. Verlegts Christian Gottlob Mengel. 6 Herrn Ludewig Holbergs Assessoris Consist. und Professoris Publ. bey der Königl. Universität zu Copenhagen Vergleichung der Historien und Thaten verschiedener insonderheit Orientalischund Indianischer Grosser Helden und berühmter Männer. Nach Plutarchi Beyspiel. Aus dem Dänischen übersetzet von I. F. S. Zweyter Theil. Copenhagen und Leipzig bey Jacob Preuß. 1741.

9.2 Holbergs Absicht – Was sind Helden?

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und Wohlstand erlanget, und sich selbst und sein Land in den Stand setzet, daß er allen seinen Nachbarn ein Schrecken wird. (314).

Derartige Helden habe die Welt jetzt und früher genug gehabt. An Homers Stil und an seinen hohen Gedanken sollten die Poeten sich zwar wohl orientieren, vor seiner Moral und seinen Porträts sollten sie sich aber in acht nehmen, „sonst würden sie in den Irrthum verfallen, aus offenbaren Lastern und Missethaten Haupt-Tugenden zu machen“ (314). Holberg setzt dem eine moralische Heldendefinition entgegen: Ein Heros ist ein an Tugenden vollkommener Mann, den der Himmel mehr zur Erlösung und Conservation, als Ruin des Menschen, zubereitet hat, und ist deßwegen ein Hauß-Vater, der eine Douzaine wohl erzogener Kinder der Welt überliefert, dem Heroismo näher, als der grosse Alexander, welcher fast Millionen Menschen aufopfferte. Soll der Heroismus darinnen bestehen, wenn jemand mit dem Kopffe wieder die Wand läufft, und sein und anderer Leben verachtet, so kan man diesen Ehren-Titel eben so vielen unvernünfftigen Thieren, als Menschen, beylegen.“ (317)

Einen Helden definiert Holberg also eher als guten Hausvater denn als Kriegsheld, als einen an Tugenden vollkommenen Mann, den der Himmel zur Erlösung und Bewahrung der Menschen und nicht zu deren Ruin erschaffen habe.7 Nach einer solchen Maßgabe beschreibt er exotische Persönlichkeiten jeweils im direkten Vergleich nach der Methode Plutarchs, der griechische und römische Persönlichkeiten einander gegenübergestellt hatte. Holberg bietet hier historisch belegbare Vorbilder und nicht etwa Exotik als Einkleidung, wie zum Beispiel sein Zeitgenosse Erik Pontoppidan mit seinem Menoza-Roman von 1742, der sich durchaus in die Gattung der Lettres Persanes-Literatur einreihen lässt und zur zeitgenössischen Mode passt.8 Holberg moralisiert, insofern er historische Persönlichkeiten auftreten lässt und „aus ihnen fremde Vorbilder für das verbesserungswürdige Eigene“9 gewinnt, die als didaktische Exempel in einem Aufklärungsversuch gelten können.10 Holberg liefert in diesem Werk auch viele in moralischer Hinsicht als AntiHelden zu apostrophierende, exotische Persönlichkeiten. Er schreibt dazu: Einige werden vielleicht dieses Werck censuriren und sagen: warum hat der Auctor nicht lieber Europæische Helden genommen, deren Geschichte lehrreicher und ihre Lesung angenehmer ist; ingleichen, warum hat er die Thaten gewisser tadelnswür7 Vgl. Anz, Vorbilder, S. 21–22. 8 Robert Charlier, Montesquieus ,Lettres Persanes‘ in Deutschland – Zur europäischen Erfolgsgeschichte eines Musters. In: Montesquieu: Franzose – Europäer – Weltbürger. Im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften hg. v. E. Böhlke und E. FranÅois, Berlin 2005, S. 131–153. 9 Anz, Vorbilder, S. 23. 10 In der Literaturgeschichtsschreibung wird dieses erfolgreiche Werk Holbergs, das einen hybriden Charakter von historischer und belletristischer Literatur hat, bislang nicht gewürdigt (vgl. Anz, Vorbilder, S. 21, 24—25).

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9. Holbergs Heltehistorier in deutscher Übersetzung

diger Männer angeführet, die nur wenig zur Erbauung dienen? Auf das erstere wird geantwortet, daß, weil, wie Thaten derer Römisch- und Griechischen, wie auch derer andern Europæischen Helden so bekannt sind, solches nichts anders ist, als dasjenige wieder aufzuwärmen, was unzählig andere Scribenten zuvor in die Feder gefasset haben; deswegen hat man vor gut angesehen, in diesem Wercke lieber von Orientalisch- und Indianischer Helden Thaten zu reden, weil selbige uns unbekannter sind, und daher einen Geschmack von etwas, das nett ist, bey sich führen. (***7r–***7v)

Es fänden sich außerdem auch nützlich und angenehm zu lesende Historien darunter: Was den andern Posten anlanget, so ist es gewiß, daß, gleichwie man durch die Exempel löblicher Regenten zur Tugend aufgemuntert wird, man gleichfalls auch durch der bösen Exempel von der Untugend abgeschrecket werde, daher sichten auch beyderley Historien zu einem Ziel. (***7v)

Holberg schreibe als ein Biograph, der mehr auf die Zeichnung des Charakters achten könne und der weder verpflichtet sei, alle Begebenheiten nachzuzeichnen noch die Chronologie zu ernst zu nehmen wie der Historiker, „und daraus erhellet, daß mehr Arbeit und Accuratesse erfordert wird, eine Historie zu schreiben, mehr Einsicht aber zu einer Biographie, und daß letzteres ein rechtes Speculum Vitæ, und am allernützlichsten zu lesen ist, wenn es nach Plutarchi Weise geschrieben wird.“ (***8r) Holberg beschreibt 24 historische Persönlichkeiten in zwölf Vergleichen. Zarathustra und Mahomed erscheinen zu Beginn des zweiten Teils. Sie befinden sich in Holbergs zweiteiligem Heldenbuch in Gesellschaft Dschingis Khans, Tamerlans, verschiedener Mogule und Sultane (unter ihnen Saladin), mexikanischer und peruanischer Kaiser, des Zaren Peter und der Zarin Katharina, des Fürsten Scanderbeg und anderer historischer Persönlichkeiten bis hin zu Cäsar und auch Sokrates, der am Ende des Bandes siegreich mit dem thebanischen Feldherrn Epameinondas verglichen wird.

9.3 Zoroaster und Mahomed Als Auswahlkriterium Holbergs benennt Heinrich Anz den zeitgenössischen kulturhistorischen Kontext: „Holberg skizziert politische Biographien von solchen historischen Persönlichkeiten, bei denen die Parallelität in Karriere, Zielsetzung, Leistung und Schicksal, Erfolg und Misserfolg nicht allzu gesucht erscheint, die also deutliche Ähnlichkeiten aufweisen.“11 Holberg vergleicht geographisch-kulturell zusammengehörende Persönlichkeiten, in dem hier 11 Ebd., S. 32.

9.3 Zoroaster und Mahomed

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interessierenden Fall mit Zoroaster und Mahomed, auch Persönlichkeiten, die jeweils eine große Religion gestiftet haben. Holberg schickt auf der ersten Seite des zweiten Bandes12 seine Grundthese zu Zoroaster und Mahomed gleich voraus, wenn er darlegt, wie es zu falschen Religionen in der Welt kommen könne: Zoroaster und Mahomed. Vorbereitung. WEnn man den Ursprung und Anwachs verschiedener falschen Religionen in der Welt betrachtet, so erhellet, wie leicht dem menschlichen Geschlecht eine wächserne Nase könne angedrehet werden: Denn, eben als in einem Kram-Laden keine Waaren so unnütz angetroffen werden, die doch ihre Liebhaber finden, so ist auch keine Meynung in dem Kram eines falschen Propheten, wie ungereimt und scheuslich sie auch heraus kömmt, die nicht ihre Anhänger solte gehabt haben. Daher wird auch von dem Stiffter einer falschen Religion nicht so wohl Gelahrtheit und Beredsamkeit, als vielmehr Heucheley und Verwegenheit erfordert: Denn hat sich nur jemand unter dem Pöbel erst den Nahmen eines Heiligen erworben, so darff selbiger sich den Kopf mit Beschönigung einer seltsamen und unnatürlichen Meynung nicht zerbrechen, sondern solche nur frey und ohne Bedencken weiter ausbreiten. Hat einer vorgegeben, es sey GOTT angenehm, unschuldige Menschen zu schlachten und aufzufressen, so ist daraus ein heiliger Glaubens-Artickel über ein ganzes Land erwachsen. (1–2)

Ein Krokodil o. ä. zum Gott zu erklären (Ägypten), Eingeweide, Vogelgeschrei oder Rauchabzug zu beobachten (Griechenland, Rom), Seligkeit nur durch Tod im Kampf zu erwarten (der Norden Odins), alles finde Anhänger. Die nützlichen Meinungen auszubreiten, sei viel schwieriger gewesen als solche Fabeln. Giordano Bruno musste wegen seiner Weltansicht auf den Scheiterhaufen, wogegen zeitgleich der Drechsler aus einem Stück Holz einen Gott habe machen können. Die Ausbreitung des heiligen und vernünftigen, durch Prophezeiung gesicherten christlichen Glaubens „hat mehrere Zeit und Mühe erfordert, als die Fortpflanzung der ungereimten Meynung von der Transsubstantiation; und also ist es beschwerlicher denen Welt-Kindern in den Kopf zu bringen, daß GOtt den Menschen gemacht, als sie zu überreden, daß der Mensch könne einen Gott schaffen.“ (3) Seine antikatholischen Überlegungen über die leichte Ausbreitung ungereimter Meinungen wendet Holberg nun auf Mahomed an. Will man dieses nun genau erwegen so darff man den übermäßig-grossen Fortgang, so Mahomeds Lehre gehabt, nicht eben vor ein Wunder ansehen: denn es hat das Ansehen, als ob die Araber gleichsam mit diesem falschen Propheten um den Vorzug gestritten, daß sie eben so fertig zu glauben seyn wolten, als er fruchtbar an Träumen 12 Herrn Baron Ludewigs von Holberg Assessoris Consistorii und Professoris Publ. bey der Königl. Universtät zu Copenhagen Vergleichung der Historien und Thaten verschiedener insonderheit Orientalisch- und Indianischer Grosser Helden und berühmter Männer. Nach Plutarchi Beyspiel. Aus dem Dänischen übersetzet von I. F. S. Zweyter Theil. Copenhagen 1748. Verlegts Christian Gottlob Mengel.

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9. Holbergs Heltehistorier in deutscher Übersetzung

war, und sie gleichsam gesagt: Fahre du nur fort zu lügen, wir wollen dich warm genug halten, Lügen zu glauben. (3–4)

Verwunderlich sei aber, dass diese Religion auch beibehalten wurde, als Araber und Perser sich wissenschaftlich zu betätigen begannen (durch Weltweisheit und freie Künste).

9.3.1 Warum dieser Vergleich? Offenbar geht es Holberg mehr um Mahomed, denn auf dieser Gestalt liegt eindeutig sein Schwerpunkt. Die Aufkunfft, Wachsthum und Beybehaltung der Mahomedanischen Lehre unterstützte insonderheit 1) eine grosse und dicke Unwissenheit, die in Arabien, so wohl unter denen Christen als Heyden regierete, da Mahomed anfieng, sich vor einen Propheten auszugeben; 2) der Religions-Artickel, daß, wer mit dem Propheten im Streit stürbe, alsobald in das Paradies versetzet würde, ingleichen, daß keiner in der Schlacht umkommen könte, er wäre denn zum sterben bestimmet; welcher GlaubensArtickel unter denen ersten Mahomedanern eine solche Würckung hatte, daß niemand, auch die streitbarsten Völcker, ihnen zu widerstehen vermochten; 3) sowohl der Christen ärgerliches Leben, als auch ihr schlechter und verwirrter Zustand; 4) Mahomeds und der nachfolgenden Califen grosse Scheinheiligkeit: denn diese waren beydes Könige und Hohe-Priester, stunden heute vor der Spitze einer Armee, und predigten morgen in denen Tempeln; 5) ihr mildes Betragen gegen andere Partheyen, denen sie insgesamt, gegen eine mäßige an die Regierung jährlich zu entrichtende Summe, die freye Religions-Ubung erlaubten; und 6) endlich, die Handhabung des Rechts und Gerechtigkeit in einem hohen Grade, wovon viele ansehnliche Beyspiele an denen ersten Califen vorkommen. Giebet man hierauf Achtung, so wird daraus das Wachsthum der Religion einiger massen begreifflich, von dem man sonsten sagen kan, daß es eben so groß, als die Religion an sich selbst thöricht war, da von allen Religionen keine mit der Vernunfft weniger überein gestimmet, und doch unter allen keine mehr Oberhand genommen hat. Von dem Stiffter dieser Religion werde ich hier reden, und habe ich ihn mit dem Zoroaster verglichen, weil diese beyde die grösten falschen Propheten sind; so jemahls unter denen Menschen zum Vorschein gekommen. (4 f)

Zoroaster dient eher als Kontrastfolie, wie diese an Mahomed orientierte Darstellung zeigt. Dschingis Khan und Tamerlan bezeichnet Holberg als „große und vollkommene Deisten“13, Mahomed jedoch nicht – keine Religion sei unvernünftiger als seine, wie Holberg hier der Darstellung vorausschickt. Zoroaster gebühre in dieser Hinsicht nur der zweite Platz in der Weltgeschichte. Holbergs Einschätzung wird in der jeweiligen Darstellung und vor 13 Anz, Vorbilder, S. 29.

9.3 Zoroaster und Mahomed

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allem im abschließenden Vergleich zwischen beiden deutlich. Er schildert Mahomed in einer Mischung aus Lebensbeschreibung mit eingeflochtenen Lehrstücken, Ausblick auf die Geschichte bis zu seiner eigenen Zeit und Interpretation bzw. Einschätzung der Gestalt Mahomed und des Koran. 9.3.2 Die Mahomed-Darstellung Gleich zu Beginn der Schilderung räumt er mit dem (christlichen) Vorurteil auf, Mahomed habe eine niedrige Herkunft, er stamme vielmehr aus einer vornehmen Familie, sei aber durch den frühen Tod der Eltern verarmt gewesen. Holberg schildert kurz den Lebensweg bis zur Hochzeit mit Cadisha und legt zunächst eine reine Betrugshypothese vor: Wie nun diese Ehe der Grund zu Mahomeds Reichthum und Wohlstand war, so vermehrete sie auch seinen Hochmuth und Ehrgeitz. Er wuste, daß seine Vorfahren Häupter des Koraschitischen Stammes gewesen, und daß er allein dieses hohe Ansehen, das ihm der geburth nach zukam, verlohren, weil er das Unglück gehabt, seinen Vater bey Leb-Zeiten seines Groß-Vaters zu verliehren, welches verursachet, daß er nichts als Armuth und Verachtung geerbet hatte. Wie er nun aber durch diese glückliche Heyrath war bemittelt worden, und dasjenige in die Hände bekommen hatte, so seinen Ehrgeitz unterstützen konte, so suchte er sich den Weg zu dem höchsten Ansehen in Mecca zu bahnen. Nachdem er alle darzu dienliche Mittel erwogen hatte, fand er keines bequemer, als sich scheinheilig anzustellen, himmlische Offenbahrungen vorzugeben, und eine neue Religion zu stifften, an dessen Fortgang er nicht zweiffelte, wenn er den gegenwärtigen Zustand von Arabien in Betrachtung zog. Denn auf seinen Reisen, so wohl daselbst im Lande, als auch in Syrien, Egypten und Palästina hatte er angemercket, daß nicht allei zwischen denen Christen und Jüden, sondern auch unter denen Christen selbst eine grosse Verbitterung regierete. So hatte er auch die Natur und Eigenschafften seiner Mitbürger ausstudiret, und angemercket, daß die neugierig wären, ingleichen daß sie durch den mit denen Christen und Jüden gepflogenen Umgang viele von ihren Meynungen angenommen, vieles von ihrer vorigen groben Abgötterey verlassen hätten, und von der Heidenschafft zu den sogenannten Zendicismum, einen Irrthum in Arabien, der mit der Sadducäer Meynung darinnen überin kam, daß er die Auferstehung und das zukünfftige Leben verläugnete, verfallen waren. Solches alles hatte der arglistige Mahomed genau betrachtet, und fieng dahero an, einen Entwurff zu einer neuen Religion zu machen, die er aus denen dreyen herrschenden Religionen in Arabien, nemlich der Christlichen, der Jüdischen und Heydnischen in eins zu schmelzen vor nöthig befand: um dadurch umso leichter von ihnen allen einen Anhang zu bekommen, so hielt er gleichfals vor rathsam, sie nach der Araber Geschmack einzurichten, wenn er ihnen alle Wollust verspräche, darzu sie am meisten geneigt waren. Dieses zu bewerckstelligen war nöthig, durch ein äußerlich heilig Leben einige Jahre lang die Vorbereitung darzu zu machen: denn, soll

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9. Holbergs Heltehistorier in deutscher Übersetzung

die Lehre einen Fortgang gewinnen, so muß der Lehrer sich erst in ein Ansehen setzen. Daher verließ er die Welt in seinem 38sten Jahre, führete ein Eremitisches Leben, und schlug seine Wohnung in einer nahe bey Mecca befindlichen Grotte auf, die Grotte von Hira genannt, wo er, seinem Vorgeben nach, den gantzen Tag mit Gebet, Fasten und geistlichen Betrachtungen zubrachte. (28–30)

Seine Frau sei zunächst Mahomeds Erzählungen gegenüber misstrauisch gewesen, habe sie als „Würckung eines verrückten Kopffes, oder vor eine Versuchung des Teufels“ (30) angesehen. Ein in ihrem Hause lebender Mönch, der „um die Betrügerey wuste, daran Mahomed arbeitete“, habe sie darin bestärkt, ihrem Mann zu glauben, „daher bildete sie sich endlich gantz sicherlich ein, daß er ein Prophet wäre“ (ebd.). Nach dieser Darstellung war der ganze Betrugsplan Mahomeds bereits lange fertig. Es handelte sich um einen vorsätzlichen Betrug, bei dem ein ungenannter christlicher Mönch Mitwisser und Mittäter gewesen sei.

9.3.3 Die Wunderfrage Wegen des Vorwurfs, ein echter Prophet tue Wunder, Mahomed aber nicht, habe dieser – nach Holberg – gewissermaßen einen Strategiewechsel vollzogen: Wie er nun also merckete, daß List und Scheinheiligkeit nicht helffen konte, fieng er an, sich anders aufzuführen, ergriff das Schwerd, des Vorgebens: GOtt, da er Mosen und Christum in die Welt gesandt, habe ihnen Macht gegeben, Wunder zu thun; weil die Menschen dem ohngeachtet aber ihre Lehre verachtet, so hätte GOtt endlich ihn ohne Wunder geschicket, die Unglaubigen mit dem Schwerd zu zwingen. Befahl deshalb seinen Anhängern, sie solten, an statt sich in Wort-Kriege einzuwickeln, mit dem Schwerd GOttes Sache verfechten, und sich dadurch Märtyr-Cronen erwerben. Hiervon hat die Lehre unter den Mahomedanern ihren Ursprung, daß sie alle verbunden sind, vor den Glauben zu fechten, welcher nur allein mit dem Schwerd muß fortgepflanzet werden. Derohalben pflegen ihre Lehrer auch, wenn sie predigen, ein blosses Schwerd bey sich zu haben, zum Zeichen, daß die Lehre mit dem Schwerd zu vertheydigen und auszubreiten sey. (36 f)

Man habe Mahomed zwar einige Wunder zugeschrieben, die aber von den glaubwürdigsten arabischen Schriftstellern geleugnet würden, wie auch von Mahomed im Koran selbst, in dem es heiße, dass er keine Wunder getan habe. Der unnachahmliche Koran selbst sei Wunder genug. Die Wunder seien also entweder von Schülern zum Beweis seines Prophetentums erdichtet worden (vgl. Abulfeda14) oder von Christen, um ihn lächerlich zu machen. Holberg zählt an dieser Stelle einige Wundererzählungen auf, die er als lächerlich be14 Ismail Abu l-Fida¯ (1273–1331).

9.3 Zoroaster und Mahomed

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zeichnet. Den Koran selbst als Wunder zu betrachten, sei möglich. Wenn man die „ungereimte Materie“ (39) ausnehme und allein die Schreibart beachte, sei er „gewiß ein Muster der Zierlichkeit der arabischen Sprache“. Mahomed habe – wie alle Mekkaner – weder lesen noch schreiben können, „ausgenommen Maraka, einer von Cadighas Anverwandten, der ein Jude und Christ gewesen, und Arabisch mit Hebräischen Buchstaben zu schreiben gelernet hatte“ (39). Darum seien die Mekkaner „das Volck ohne Schrifft“ genannt, im Gegensatz zum „Volck der Schrifft“ in Medina. „Deswegen musten Mahomeds Anhänger sich nachher in dieser letzten Stadt unterrichten lassen, unter andern der bekannte Othman, welcher daselbst so zunahm, daß er nachher Mahomeds Secretaire wurde.“ (ebd.) Wenn beide Voraussetzungen stimmten, Schönheit des Koran und Ungelehrtheit des Verfassers, so könne man nach anderer Hilfe fragen. Die jüdischen und christlichen Elemente dieses Buches zeigten, dass der Autor gute Kenntnis dieser beiden Religionen benötigt habe, „welches von dem Mahomed, der in Abgötterey und Unwissenheit auferzogen war, nicht mag gesaget werden“ (40). Die meisten gäben einen persischen Juden Abdias Ben Salon an und einen nestorianischen Mönch Sergius oder Bahira. Dies sei aber strittig. Die Mahomedaner redeten davon nur sehr wenig, die Christen zu viel. So seien alle Bücher voll von der Geschichte mit dem Ochsen oder der Taube. Obwohl Mahomed im Koran Wunder für sich ablehne, hätten Grotius, Scaliger, Sionita und andere der Taubengeschichte Glauben geschenkt. Solche groben Betrügereien hätte Mahomed vor den spitzfindigen Arabern aber nicht versucht, sie seien wohl von Christen als Verleumdung erdichtet worden. Man habe nicht nötig, „solche Mittel zu gebrauchen, wenn man Mahomeds Betrügerey und falsche Lehre aufdecken will, denn ihre Ungereimtheit treibet sich selbst ein“ (41). Wie dies geschehe, bemerkt Holberg später. Hier fährt er zunächst in der Geschichte fort und beschreibt zunächst kurz Schwierigkeiten in Mekka und ausführlich die Himmelsreise nach Sure 17. Mahomed habe wohl gemeint, damit der Wunderforderung entgegenkommen zu können. Nach der Schilderung dieser Himmelsreise fragt Holberg, zu welchem Zweck Mahomed, „der gewisser massen natürlichen Verstand hatte, eine Fabel ausgestreuet, davon er vorhersehen konte, daß sie Aergerniß anrichten würde“ (49). Die Absicht sei gewesen, gleich den Juden ein mündliches Gesetz neben dem schriftlichen zu haben, das er durch sein Gespräch mit Gott legitimieren wollte. Auf diese Weise habe er die vielen Fragen und Dispute loswerden wollen, was ihm auch gelungen sei: „als seine Anhänger diese Himmel-Reise erst im Kopff gekriegt hatten, wurden seine Worte nachmals als GOttes Worte angesehen“ (50) und in der Sunna gesammelt, die nach jüdischem Vorbild Grundlage des mündlichen Gesetzes sei. Wegen dieser vermeintlichen Himmelreise hätten ihn viele Anhänger verlassen. Hundert Anhänger seien wegen des Drucks der Mekkaner nach Äthiopien geflohen. Mahomeds Macht habe in Mekka ab- und gleichzeitig in Medina zugenommen. Wegen des dortigen Streits zwischen Christen und

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9. Holbergs Heltehistorier in deutscher Übersetzung

Juden hätten sich viele auf Mahomeds Seite geschlagen. Zwölf Apostel habe Mahomed ausgebildet und erfolgreich nach Medina gesandt. Nach der Flucht aus Mekka sei er von Freunden in Medina begrüßt worden. Kein Schriftsteller erkläre, ob diese Freunde Juden oder Christen gewesen seien. Sure 5 spreche aber dafür, dass Christen ihn dorthin berufen hätten: „Du wirst finden, daß die Jüden grosse Feinde von denen Rechtgläubigen sind, die Christen aber werden Freundschafft vor sie bezeigen: denn sie haben Priester und Mönche, die demüthig und derer Augen mit Thränen angefüllet sind, wenn sie von der Lehre reden hören, die GOtt dir eingegeben hat.“ (52) 9.3.4 Mahomeds Strategiewechsel Es folgen einige Bemerkungen über die alte und neue Zeitrechnung der Mahomedaner und zu Eheschließung Alis mit Fatima in Medina. Holberg setzt hier einen Strategiewechsel Mahomeds an: Allhier begunte nun Mahomed seine Aufführung zu ändern. Er hatte 13. Jahre hindurch seine falsche Lehre durch Predigten fortzupflantzen gesuchet; Nunmehro aber entblösete er sein Schwerd, und wendete die noch übrigen 10. Jahre, so von seinem Leben rückständig waren, darauf an, daß er seinen Namen mit Macht ausbreitete: denn so lange er in Mecca geprediget hatte, war er beständig mit Dispüten und StreitFragen geplaget gewesen; wenn er nun diese nicht hinlänglich beantworten konte, brachte ihn solches offtmals bey seinen Zuhörern in Verachtung. Damit er nun ins künfftige von dergleichen Plagen sich möchte befreyet sehen, hielt er es sicherer vor sich, mit dem Schwerd in der Hand, als mit dem Alcoran, hervor zu gehen, befahl deßhalb seinen Anhängern, die Waffen anzulegen, und alle diejenigen zu erwürgen, so seine Lehre nicht annehmen wolten, sie bequemeten sich denn zu einer jährlichen Schatzung“ (55). (Diese gäbe es im Übrigen immer noch in der Türkei.)

Holberg zählt nun einige Kriegshandlungen auf. Die von Mahomed erwähnten 3000 Engel könnten angesichts der Raubzüge nur böse Engel gewesen sein. Der Glaube sei durch Dieberei und Raub an den eigenen Mitbürgern ausgebreitet worden. Vergleichbar sei dies der Andacht, die Comenius dem König Ludwig XI. beigelegt habe, der kniend der Jungfrau Maria einen Teil der Beute versprach, die er durch Mord seinen Untertanen abgenommen hätte. Elmacin bezeichne die Räuber Mahomeds als Märtyrer, was Holberg folgendermaßen kommentiert: „Von denen Muselmännern blieben 14. als Märtyrer, weil sie in ihren heiligen Verrichtungen, das ist, als Spitzbuben und Strassenräuber sturben.“ (58) Wegen der bleibenden Ehrerbietung der Araber für den Tempel in Mekka habe Mahomed die Gebetsrichtung („Kebla“) von Jerusalem nach Mekka geändert und Zeremonien eingeführt bzw. bestätigt. Vielleicht habe auch Hass gegen Juden eine Rolle gespielt. Viele Anhänger hätten ihn daraufhin verlassen. Er habe diesen Glaubensartikel mit zusammengesetzten Fabeln zu be-

9.3 Zoroaster und Mahomed

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stätigen gesucht, die Holberg kurz schildert. Mahomed habe sich durch die Bestätigung des alten Pilgerheiligtums die Gunst der mekkanischen Bürger verschafft. Den Fastenmonat beschreibt Holberg als in Auseinandersetzung mit den Juden entstanden, und um die Gunst der Christen zu erlangen, deren März in diesem Jahr mit dem Ramadan zusammengefallen sei. Dem Vorwurf, das Fasten entlehnt zu haben, sei Mahomed durch den Hinweis auf die Offenbarung der ersten Sure im Monat Ramadan begegnet. Mahomeds Schlachten seien sehr erfolgreich gewesen. Die zugrundeliegenden „Religions-Principia“ (Kämpfen für Gottes Sache, Eingang ins Paradies) wären so erfolgreich gewesen wie Odins. Araber wie nordische Völker seien darum sehr streitbar gewesen. Viele listige Gesetzgeber haben eben dieses beobachtet, und aus denen feigesten Leuten offtmals die allerstreitbarsten gemacht. Daraus kan man schliessen, daß die Einwohner auf denen Marianischen Inseln schlechte Soldaten seyn müssen, weil sie glauben, daß die, so im Streit sterben, verdammt werden. (63)

Die Niederlage bei Ohud habe Gott, nach der Erklärung Mahomeds, wegen einiger Sünden zugelassen. Hier habe er außerdem die Lehre vom Schicksal „erdichtet“: weil GOtt allen Menschen eine gewisse Lebens-Zeit vorgeschrieben hätte, so würden doch alle diejenigen, so in der Schlacht geblieben, dennoch in ihren Häusern gestorben seyn, und da IHR Stunden-Glaß ohnedem ausgelauffen, so wäre es ihrer Seeligkeit zuträglich, daß sie streitende vor den Glauben gestorben. Diese Lehre vom Schicksal unterließ er nachgehends nicht bey allen Gelegenheiten zu predigen, also daß die Mahomedaner nachgehends glaubten, wenn gleich ihre Häuser im Brand stünden, so wäre es doch thöricht, sich mit der Flucht zu retten. So weit giengen niemalen die alten Stoici mit ihrer Lehre vom Schicksal, und also ist das Fatum Mahomedanum unter allen das stärckeste. (64)

9.3.5 Weiterer Lebensweg Mahomeds Holberg erzählt jeweils nach Anlass und Inhalt geordnet und diskutiert, etwa beim Weinverbot, andere Varianten (Busbeck und Ricaut15). Diese Verordnung sei töricht, denn andere Getränke und auch Opium seien erlaubt („von dessen seltsamen und schädlichen Würckungen Herr Chardin in seiner Persianischen Reise-Beschreibung wunderbahre Exempel vorbringet“, (66). Holberg verweist auf Sure 5. Es wird von der Wallfahrt berichtet. Mahomed habe sich als Hohepriester und als König ausrufen lassen, was seine Kalifen bis 325 nach der 15 Augerius Gislenius Busbequius/Ogier Ghislain de Busbecq (1522–1592); Paul Rycaut (Ricaut; 1628–1700).

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9. Holbergs Heltehistorier in deutscher Übersetzung

Hidschra fortgesetzt hätten, als die Statthalter der Provinzen sich zu Königen machten, warum die Kalifen mehr als Schatten ihrer früheren Macht angesehen würden. Holberg macht immer wieder Bemerkungen zu den geschichtlichen Wirkungen der geschilderten Umstände aus dem Leben Mahomeds. Sobald Mahomed den Königstitel angenommen habe, sei der zur Predigt als Stütze dienende Baumstumpf in Mekka durch einen Predigtstuhl ersetzt worden. Die Vergiftung Mahomeds wird als Prüfung seiner Fähigkeiten geschildert. Wäre er Prophet gewesen, hätte er das Gift vorab erkennen können. „Ist er aber kein Prophet, so kan man der Welt keinen grössern Dienst thun, als wenn man sie von einem Tyrannen und Betrüger befreyet.“ (72) Nach der Einnahme Mekkas habe Mahomed die dortigen Götzen zerstört. Arabien habe er eingenommen und sich gegen Syrien gewendet. Seine Wallfahrt nach Mekka („Abschieds-Reise“) sei prächtig vollzogen worden. „Man erblickte daselbst eine unzählige Menge allerley Völcker von allen Kanten in Arabien, ihren neuen Herrn und Propheten zu sehen. Er unterwieß sie in seiner falschen Lehre, und reisete alsdenn nach Medina.“ (74) Verschiedene Araber hätten aber gemerkt, wie er sich unter dem Schein des Propheten königliche Würde anmaßte und versucht, es ihm nachzutun. Keiner jedoch habe Mahomeds Glück gehabt. Im Sterbefieber habe Mahomed ein Buch schreiben wollen, um seine Lehre zu sichern. Einige seien dafür, Omar sei dagegen gewesen. Der Prophet wisse nicht mehr, was er sage, und man habe am Koran und an ihm schon genug. Man würde künftig Spott mit einem solchen Buch treiben, „gleichsam als ob der Alcoran mit solcher Vernunfft geschrieben wäre, daß nicht ein jeder Febricitant in der Raserey eben so etwas von gleich gutem Zusammenhang verfertigen solte.“ (76) Holberg ist also offenbar der Meinung, dass es sich bei diesem Buch um ein Produkt des Wahnsinns handelt. Dieser Auffassung gibt er noch mehrfach Ausdruck. Mahomeds Tod habe große Verwirrung gestiftet. Man habe ihn nicht begraben wollen, weil er nicht tot sei, sondern wie Mose zurückkäme. Schließlich sei der Glaube an seinen Tod und an seine Auferstehung am jüngsten Tag entstanden. Begraben worden sei er nach vielen Auseinandersetzungen in Medina. Holberg verweist auf christliche Fabeln über sein Ende (nach Lucas von Tuy, Vassäus), „man ist insgemein in denen Dingen leichtgläubig, die von unsern Feinden erzehlet werden“ (80).

9.3.6 Einschätzung Mahomeds Nach dieser Mischung aus Lebensbericht und Religionsdarstellung gibt Holberg eine Einschätzung von Mahomed ab. Sein Prophetisches Amt führte er 23. Jahr, nemlich 13. Jahr in Mecca und 10. in Medina, und brachte es durch List und Scheinheiligkeit unter einem groben und

9.3 Zoroaster und Mahomed

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ungelehrten Volcke so weit, daß er aus einem armen Kauffmanns-Diener ein grosser und mächtiger Regent wurde, und entsproß aus der Herrschafft, darzu er den Grund legete, eine Monarchie, die binnen 80. Jahren sich weiter als die Römische erstreckte. (80)

Holberg erklärt zwischendurch auch den Erfolg Mahomeds. Man hätte – wie die Christen – Missionare unter den Heiden, die an vielen Orten größeren Erfolg hätten, wegen des äußerlich heiligen Lebens, wegen der großen Andacht im Gottesdienst und wegen der Polygamie. Viele heidnische Könige würden lieber „des Mahomeds als Christi Gesetz annehmen, weil sie auf keine Weise können beweget werden, ihre Weiber zuverlassen, und den Wollüsten, so die Christliche Religion verdammet, abzusagen“ (81). Mahomed habe eine angenehme Gestalt gehabt und er habe dem Patriarchen Abraham gleichen wollen. Er sei sehr scharfsinnig gewesen, habe sich tief in Sachen hineindenken können. Die Ausbreitung seiner Lehre und Macht sei aber vor allem auf seine „Natur-Gabe“ zurückzuführen, sich gefällig zu machen und die Herzen zu gewinnen. Obwohl er in seiner Jugend ruchlos gewesen sei, werde behauptet, er sei seit seinem vierten Jahr ein Heiliger gewesen. Gabriel habe ihm den fomes peccati entfernt, obwohl er selbst im Koran (Sure 48) von Vergebung seiner Sünden rede. Holberg bezeichnet Mahomed als falschen Propheten, dessen Leben eine Kette von Lastern und Untugenden, dessen Lehre töricht gewesen sei. Seine beiden Hauptlaster seien Ehrgeiz und Geilheit gewesen. Kaum ein Kapitel finde sich im Koran, das nicht Dinge enthalte, die zur Befriedigung seines Ehrgeizes dienten oder durch welche ein freier Umgang mit dem weiblichen Geschlecht in diesem oder in dem künftigen Leben zugestanden werde. Einschließlich Cadisha habe er 15 oder 21 Frauen gehabt, von denen Holberg, beginnend mit Aischa, einige erwähnt. Wegen seines wiederholten Umgangs mit Kebsweibern hätten ihn seine Frauen Aischa und Hafsa verlassen, worauf er die 66. Sure verbreitet habe, in der Gott „sowol den Mahomed, als allen andern Muselmännern die Erlaubniß gäbe, bey ihren Dirnen zu liegen, so offt es ihnen gelüstete, wider ihrer Weiber Willen.“ (87) Keines seiner Gesetze hätte den Anhängern Mahomeds besser als dieses gefallen. Aischa und Hafsa hätten sich gefügt. Er „lag bey seinem Dienst-Mädgen Maria, so offt es ihm gelüstete, und zeugete mit ihr [nach Holberg mit einer jakobitischen Christin!] einen Sohn, Abraham genannt.“ (88) Die angestrebte, aber missglückte Zeugung von Propheten sei es denn auch, die als Entschuldigung für diesen Lebenswandel angeführt werde. „Es ist gar merckwürdig, daß Mahomeds Geilheit mit dem Alter zunahm, und von ihm gerühmet wird, daß er 40. Männer-Kräffte in Liebes-Sache gehabt, und in einer Stunde 11. Weiber, die er auf einmal hatte, vergnügen können.“ (89) Sure 33 erlaube dem Propheten, Blutschande zu treiben. Er sei argwöhnisch gegen seine Frauen gewesen und habe den Umgang mit ihnen verboten.

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9. Holbergs Heltehistorier in deutscher Übersetzung

Auf Mahomeds Hauptneigungen (Ehrgeiz und Geilheit) gründe sich auch fast der ganze Koran. Das meiste sei geschrieben, um böse Taten zu beschönigen, die aus solchen Lastern hervorgekommen seien. Darum widerspreche sich der Koran auch so oft und die ganze Mohammedische Lehre sei eine Kette von Widersprüchen. Erst habe Mahomed die Juden günstiger beurteilt als die Christen und seine Lehre eher auf jüdischen Grund gebaut, dann aber sei er über die Juden erzürnt gewesen und habe sich mehr auf die christlichen Gesetze bezogen. „Es ist eine Arabische Schrifft zum Vorschein kommen, unter dem Titel: Eine alte Capitulation mit denen Christen, welche Ricaut, Salmasius und Hinckelmann vor richtig, andere aber vor erdichtet halten.“16 (92). Eine Position bezieht Holberg in dieser Sache allerdings nicht. 9.3.7 War Mahomed ein Betrüger? War Mahomed mehr ein Träumer, der selbst geglaubt hat, was er lehrte, oder war er ein Betrüger? Holberg zitiert an dieser Stelle Pierre Bayle: Ein Mann, der eine lange Zeit geglaubet, daß ihm Gott einen Engel geschickt hätte, ihm die rechte Religion zu offenbahren, müste allerdings von seinen Träumen gebracht werden, wenn er sähe, daß er seinen Beruff nicht mit Wunder-Zeichen bestätigen könne: Denn, da sich die Koreischiten erboten, seine Lehre anzunehmen, wenn er sie mit Zeichen beweisen würde, unterstund er sich nicht, einige Versicherung deshalb zu geben, indem er entweder sagte, die Wunder wären nicht nöthig, oder sie auf die Vortrefflichkeit des Alcorans wieß; welche Aufführung mehr mit einem Betrüger als mit einem Träumer oder tollen Manne übereinstimmet. Ein Fanaticus aber ist nicht leicht von seinem Irrthum abzubringen, und, wer daran zweiffelt, darff nur die Geschichte der Wieder-Täuffer und anderer Schwärmer nachschlagen, daher es, meinen Gedancken nach, annoch ein Problema seyn kan, ob der grosse Arabische Prophet ein Betrüger, oder aber in seinem Gehirn verschraubet gewesen. (92–93)

Es würden einige Geschichten über ihn erzählt, die eher auf einen Betrüger wiesen (abgerichtete Taube, Ermordung seines Sekretärs Abdallah durch „himmlisches“ Feuer, Ermordung des Dieners im Brunnen). Man könne seinen Betrug beweisen, wenn die Geschichten glaubhaft wären. Pocock17 etwa habe die Geschichte von der Taube bei Grotius gefunden, der zugegeben habe, sie aus einigen christlichen Schriften zu kennen. Diese Historien könnten also den Streit nicht erhellen. Wie entscheidet Holberg? Er schreibt: 16 Claude Saumaise (Salmasius; 1588–1653); Abraham Hinckelmann (Hinckelmann; 1652–1695). 17 Edward Pococke d. Ä. (Pocock; 1604–1691); Pococke d. Ä. gab die Schriften von Abu-’l-Faragˇ heraus. Sein Sohn gleichen Namens war ebenfalls Orientalist und lebte von 1648 bis 1727. Daneben ist noch Richard Pococke (1704–1765) zu erwähnen, Theologe und Reiseschriftsteller, Bischof von Meath und Ossory, dessen Description of the East and some other countries 1743–1745 erschien und in diversen Übersetzungen (dt. 1754–1755 u. ö.; frz. 1772) erschien.

9.3 Zoroaster und Mahomed

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Jedoch beschuldige ich keinen des Irrthums, der ihn vor einen Betrüger hält; Ich gebe ihm vielmehr selbst diesen Titel, nur bekenne ich, daß das meiste, so von seiner Aufführung und Lehre aufgezeichnet worden, von einem verwirrten Gehirne scheinet hervor gekommen zu sein. (94)

Holberg bezeichnet Mahomed also ebenfalls als Betrüger, schränkt dieses Urteil aber durch zugeschriebenen Wahnsinn ein („verwirrtes Gehirn“). Außerdem sei auch die Überlieferung über Mahomed von Wahnsinn gekennzeichnet. Erinnert sei auch noch einmal an seine negative Beurteilung des Koran, den er ebenfalls in die Nähe des Wahnsinns rückt, wenn er schreibt: „gleichsam als ob der Alcoran mit solcher Vernunfft geschrieben wäre, daß nicht ein jeder Febricitant in der Raserey eben so etwas von gleich gutem Zusammenhang verfertigen solte“ (76). Die Geschichte liefere drei Dinge: Mahomed sei 1) ungelehrt gewesen und habe das Disputieren vermieden; er sei 2) ein wollüstiger und geiler Mann gewesen, an dem sich selbst Anhänger geärgert hätten; er sei 3) ein sehr gehässiger und rachsüchtiger Mensch gewesen, der keine Fehler vergeben habe. Die Lehre Mahomeds sei von Gottfried Arnold und von dem gelehrten Reland teilweise allegorisch interpretiert worden. Dennoch finde man kaum derartig ungereimte Bücher in der Welt wie den Koran. Reland habe das Glaubensbekenntnis Mahomeds dargestellt und finde nichts darin, was mit der gesunden Moral streite. Ohne tiefergehenden Kommentar gibt Holberg Relands Zusammenfassung ausführlich wieder und grenzt sich pauschal von ihr ab. Für Reland sei dies der Beweis, daß die Lehre nicht so schlimm sey, als sie von denen Christen abgemahlet werde, welche verschiedene Meynungen aufgezeichnet hätten, so falsch und erdichtet wären, auch von denen Mahomedanern mit Bespottung und Gelächter gelesen würden. Dieser grundgelehrte Mann aber mag zur Vertheidigung der Mahomedanischen Lehre so viel sagen, als ihm beliebet, so darff man nur den Alcoran lesen, um eines andern überzeuget zu werden, nemlich, daß das meiste, so darinnen enthalten, sich aus dem Gehirn eines Träumers und verwirrten Mannes herschreibe. (98)

Hier scheint nun Holbergs Entscheidung gegen die Betrugshypothese und für die Wahnsinnshypothese gefallen zu sein, die in den früheren Äußerungen im Text noch etwas in der Schwebe blieb. Ein Restzweifel bleibt jedoch, denn er schreibt nicht, der (ganze) Koran, sondern „das meiste“ im Koran stamme aus dem Gehirn eines verwirrten Mannes. Er fährt mit Blick auf Relands Schrift fort: Jedoch, da keine Religion in der Welt so thöricht ist, darinnen man dennoch auch etwas gutes findet, so trifft man in dieser insonderheit drey Lehr-Puncte an, die sehr gut sind, und denen die Mahomedaner mit solchem Eyfer nachleben, daß sie darinnen die Christen beschämen. (98–99).

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9. Holbergs Heltehistorier in deutscher Übersetzung

Der Wahnsinn, den Holberg seinem Mahomed und den Autoren der Tradition zuschreibt, könnte auch als Entlastung vom Betrugsvorwurf, wie von dem Vorwurf der Unvernunft gelesen werden. Was kann man einem Wahnsinnigen denn überhaupt vorwerfen? 9.3.8 Positive Aspekte in der Mahomed-Darstellung Trotz seiner Interpretation Mahomeds als Wahnsinniger, trotz seiner Einschätzung des Koran als Produkt eines verwirrten Mannes, findet Holberg gewissermaßen zufällig oder auch natürlicherweise auch positive Aspekte: Almosen, Religionsfreiheit und Verrichtung der Pflichtgebete. Die Almosen lobt er besonders mit Blick auf die Stiftung von Hospitälern. Die Religionsfreiheit gegen jährliche „kleine Schatzung“ (99) sei besser als in römischkatholischen Ländern, „wo es vor eine Tugend geachtet wird, die Leute zu rädern und zu verbrennen, nur deswegen, weil sie dasjenige nicht glauben wollen, was ihnen unbegreiflich vorkömmt“ (99). Sie würden in „die Mahomedanischen Landschafften flüchten, wo sie sich einer freyen ReligionsUbung zu erfreuen haben“ (99). Die Gebete würden die Christen am meisten beschämen. Man bete nur bei Gelegenheit, gemeine Leute zwar häufiger, allerdings bei der Arbeit. „Will ein Mahomedaner beten, so setzet er alle weltlichen Gedancken bey Seite, und stehet gleichsam in seiner Andacht entzückt.“ (100) Ein christlicher Handwerksmann tue dies allerdings mit dem Werkzeug unter dem Arm – ob dies Gott gefällig sei? Holberg bringt einen Vergleich. Wenn zum Beispiel „ein Tischer sich die Gnade eines Königes ausbäte, und zugleich mit dem Schlicht-Hobel in der Hand, eine Plancke bearbeitete.“ (100) Ob dies sündhaft sei, wolle er nicht behaupten, aber mit Gott solle man in aller Ehrerbietung reden. Abschließend vergleicht Holberg Christus und Mahomed. Von Christo hätten viele geweissagt, von Mahomed niemand; Christi Weissagungen seien in Erfüllung gegangen, Mahomed weissagte nichts; Christi Reich sei nicht von dieser Welt, Mahomed habe sich mit dem Schwert ein irdisches Reich geschaffen; Christus habe das Kreuz gepredigt, Mahomed habe weltliche Ehre und Hoheit versprochen; Christi Paradies sei geistlich, Mahomeds fleischlich; Christus habe befohlen, in seinen Worten zu forschen, Mahomed halte seine Leute in Unwissenheit; Christi Lehre sei durch Martyria und Leiden, Mahomeds durch das Schwert ausgebreitet worden; Christus sei auferstanden, Mahomeds Sarg sei in Medina. „Also hat ein Christ unzehliche Beweißthümer, auch aus denen Schrifften seiner eigenen Feinde, von der Richtigkeit seines Glaubens; dagegen kan ein Mahomedaner keinen andern Grund als ein Pythagoräisch autor eva, das ist, Mahomed hat es so gesagt, angeben.“ (101) Nur die Schreibart des Koran könne als Beweis dienen. Wenn andere ihn geschrieben hätten, falle dieser Beweis weg, wenn Mahomed es getan haben sollte,

9.4 Holbergs Prideaux-Adaption

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so muß man sich verwundern, daß er niemalen den Inhalt desselben zu verantworten wuste, sondern vor allen denen flohe, die ihm Fragen vorlegten, und eine Erklärung über seine Lehre verlangten. Die andern Beweißthüme, welche zur Bestätigung seines Prophetischen Amtes zusammen geschrabet werden, sind so elend, daß sie keiner Antwort bedürffen. (102)

Dennoch diskutiert Holberg kurz Dtn 33,2 (Pharan); Ps 50,2 (herrliche Krone); Jes 21,7 (Esel und Kamele, Christus und Mohammed); Joh 16,7 (Tröster). Er zitiert Sure 61 (Die Schlacht) mit dem dortigen Hinweis Christi auf Mahomed. Diese Beweise seien so „abgeschmakt“, dass niemand die Zeit damit verderben werde. Auch die Mahomedaner übergingen dies und hielten sich allein an die Ausbreitung ihrer Lehre fast über die ganze Welt. Dies beweise allerdings auch nicht mehr als andere Siege in Asien (Konfuzius, Zoroaster, Dschingis-Khan und andere), besonders wenn man den damals elenden Zustand des Christentums und des Römischen Reiches bedenke. Verwunderlich sei eher die lange Dauer dieser Religion, was Holberg auf die Religionsfreiheit zurückführt. Bayle habe den Einfall, dass Christen und Mahomedaner gewissermaßen die Rollen getauscht hätten, wenn die schwerttragenden Mahomedaner durch die Religionsfreiheit nicht über die Gewissen herrschten und die das Evangelium predigenden Christen den Glauben mit Feuer und Schwert fortpflanzten. „Dahero nimmet dieser letztere heilige Glaube eben so sehr ab, als der thörichte Mahomedanische zunimmt, welches doch nicht geschehen würde, wenn die Christen und Mahomedaner beyderseits ihrem Glauben nachlebeten.“ (105)

9.4 Holbergs Prideaux-Adaption In Holbergs Darstellung spielt der Betrugsvorwurf gegen Mahomed die entscheidende Rolle. Die Darstellung Mahomeds und auch Zoroasters als Betrüger reiht sie in die Phalanx der Anti-Helden ein. Die Betrugshypothese findet sich bereits lange in der westlichen Literatur, besonders prominent ist sie aber mit dem Namen Humphrey Prideaux verbunden, ein Name, der sich interessanter Weise in Holbergs Text nur im Zusammenhang der Datierung des Lebens Zoroasters findet, nicht aber im Rahmen seiner Mahomed-Darstellung. Holbergs Abschnitt über Zoroaster ist im Wesentlichen eine gekürzte Übersetzung aus dem vierten Buch von Prideaux’ The Old and New Testament Connected.18 Holberg erwähnt den Namen Prideaux am Anfang des Textes bei 18 The Old and New Testament Connected in the Histroy of the Jews and Neighbouring Nations From the Declension of the Kingdoms of Israel and Judah to the time of Christ, London R. Knaplock and J. Tonson, 1716–1718. Das Buch erschien bis ins 19. Jh. hinein in mindestens 17 Auflagen, eine späte schwedische Übersetzung erfolgte ebenfalls (Strengnäs 1800). Früh erschienen eine französische (zuerst Amsterdam 1722) und eine deutsche Fassung (zuerst

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9. Holbergs Heltehistorier in deutscher Übersetzung

der Frage nach der Datierung. Er datiert die Lebenszeit Zoroasters mit Prideaux gegen andere Autoren zur Zeit des Königs Darius. Zoroaster sei Schüler des Propheten Daniel gewesen. Vor allem fällt aber Prideaux’ Schilderung Zoroasters als größten falschen Propheten und Betrüger der Welt nach Mahomed ins Gewicht, die den Tenor und die Grundthese von Holbergs Darstellung abgibt, auch wenn Holberg seine Abhängigkeit von Prideaux außer in Datierungsfragen nicht kenntlich macht. Die bei Holberg erfolgte Zusammenschau von Zoroaster und Mahomed hat ihr Vorbild ebenfalls hier. Und schließlich ist es auch die Schilderung Mahomeds selbst, die Holberg stillschweigend von Prideaux – größtenteils in wörtlicher Übersetzung – übernimmt.19 Holbergs Darstellung basiert zum größten Teil auf Prideaux’ Buch. Es handelt sich um eine gekürzte und leicht umgestellte Übersetzung mit Ergänzungen.20 Neben der von ihm hinzugefügten Kritik an Reland schreibt Holberg auch Passagen wie diese: Hier im Norden, wo der listige Odin die Neigungen derer Einwohner ausstudiret hatte, wurde in dem anderen Leben starckes Bier eingeschencket, tägliche KriegsÜbungen angestellet, u. dgl. darinnen man in diesem Leben das gröste Vergnügen gesetzet hatte. Würde also Mahomed seine falsche Lehre in Holland auszubreiten gesuchet haben, so wäre sein Paradies ohne Zweiffel mit gestopfften Tobacks-Pfeiffen Dresden 1721), die ebenfalls mehrere Auflagen erlebten. Für den Vergleich mit Holberg wurde die erste dt. Ausgabe zugrunde gelegt; vgl.: Humphrey Prideau’x, Dechants zu Norwich, Alt- und Neues Testament in eine Connexion Mit der Jüden und benachbarten Völcker Historie gebracht, von Verfall der reiche Israel und Juda an, biß auf CHristi Himmelfarth, Worinnen die Biblische Geschichte durch die Weltliche vortrefflich bestätiget, alle Begebenheiten in ihre richtige Ordnung und Zeit eingewiesen, verschiedene rare Anmerckungen und Antiquitäten beygefüget, und in Summa durchgehends der Schrifft, insonderheit den Propheten, ein unvergleichlich Licht gegeben wird. Aus dem Englischen ins Hochteutsche übersetzet durch August Titteln. Mit Königl. Pohln. und Churfl. Sächß. allergnäd. Privilegio, und E. Löbl. Theologischen Facultät zu Leipzig Approbation, auch allerhand curieusen Kupffern. Erster Theil. Dresden, zu finden bey dem Verleger Jacob Martin Lobecken. J. U. D. Druckts allda Johann Christoph Krause, 1721. Die Darstellung Zoroasters mit der mehrfachen Erwähnung Mohammeds findet sich in dieser Ausgabe auf den Seiten 267–286. 19 Vgl. dazu auch Stausberg, Faszination, Teil 2, 740–761. Stausberg, der nach Zoroaster in der europäischen Religionsgeschichte fragt, weist auch darauf hin, dass die Grundanlage und der Zoroaster-Teil aus Prideaux’ The Old and New Testament Connected stammen. Dass Holberg weitestgehend eine Übersetzung von Prideaux’ Text bietet, erwähnt er ebenso wenig wie die Tatsache, dass der Mohammed-Teil auf Prideaux’ Life of Mahomet beruht bzw. aus diesem übersetzt ist. 20 Dies hatte bereits 1925 Leif Amundsen in einem Beitrag über Holbergs literarische Quellen festgestellt; Vgl. Leiv Amundsen, Om Helte-Historiens tilblivelse. Holbergs bruk av litterære kilder. In: Holberg aarbog 1925, S. 7–30. Amundsen vergleicht allerdings mit der französischen Übersetzung des Life of Mahomet und stößt damit auf einige Probleme. So fragt er etwa, warum Holberg die neutralen französischen Ausdrücke „Religion“ oder „Loy“ mit „hans falske Troe“ („sein falscher Glaube“) oder „falske Lærdom“ („falsche Lehre“) übersetzt. Dem englischen Original entspricht diese Übersetzung, nicht aber der in dieser Hinsicht geglätteten französischen Fassung. Gleiches gilt übrigens auch für die deutsche Übersetzung von Prideaux’ und auch von Holbergs Text.

9.4 Holbergs Prideaux-Adaption

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angefüllet gewesen, eben als er in Franckreich die Hölle würde beschrieben haben, daß denen Verdammten ein ewiges Stillschweigen solte auferlegt werden. (35)

Auch den abschließenden Vergleich zwischen Zoroaster und Mahomed schreibt Holberg fort. Er ist durch Prideaux vorgeprägt. Hier hält Holberg zunächst Gemeinsamkeiten zwischen beiden fest. Beide hätten keine ganz neue Religion erdacht, „sondern schmiedeten aus denen vielen alten, die sie zusammen schmeltzeten, ihre Lehre“ (106). Beide hätten vorgegeben, mit Gott geredet zu haben, beide hätten lange in der Wüste gelebt, beider Religionen lebten viele Jahrhunderte hindurch. „Beyde waren auch grosse Heuchler und verwegen.“ (106) Zoroaster sei aber gelehrt, Mahomed unwissend gewesen. Zoroasters Lehre sei – ausgenommen die des Alten und Neuen Testaments – am gründlichsten erwogen, und stimme mit der gesunden Vernunft am meisten überein, „so ist im Gegentheil Mahomeds Theologie die ungereimteste, so fast jemals auf der Welt ist gelehret worden. Ersterer befiehlet, daß die Menschen den Verstand brauchen, letzterer aber will, sie sollen aller menschlichen Vernunfft absagen.“ (107) Zoroaster habe ein System gebildet, Mahomed sich selbst ständig widersprochen und die Disputation gescheut. „Wenn also ersterer die Persianer zur Annehmung seiner Lehre beredete, so prügelte letzterer die Araber zu seiner Religion.“ (107) Das eintzigste, wie es scheinet, so Mahomed mit Vernunfft überleget hat, war, daß er sich nach denen Neigungen der Araber zu schicken wuste, und ihnen in dem andern Leben eine Menge hübsches Frauenzimmer zur Belustigung versprach, weil sie insonderheit der Leichtsinnigkeit, ingleichen überflüßigen Essen und noch mehr dem Geträncke ergeben, und grosse Fresser, aber noch grössere Säuffer waren. Im übrigen siehet dieses gantze Systema so ungereimt und verwirrt aus, daß nur die Araber damals solches in den Kopff bringen konten. (107 f)

Nach Michael Stausberg erfüllt Holbergs Parallelbiographie von Zoroaster und Muhammad eine präzise apologetische Funktion, die er als Moment der europäischen Religionsgeschichte verortet. Er schreibt: Zoroaster und Muhammad erweisen sich somit als Kürzel eines akuten Bedrohungsszenarios für Holbergs ,aufgeklärtes Christentum‘: Muhammad steht für den religiösen Fanatismus, der meint, auf den Gebrauch der Vernunft zugunsten von Propheten oder ähnlichen ,Autoritäten‘ (Schwärmern etc.) verzichten zu können; Zoroaster steht für jene ,vernünftige‘ Philosophiererei, die, gepaart mit gewissen charakterlichen Defiziten (Bösartigkeit und Betrügerei), nicht minder fatale Konsequenzen haben könne als der Fanatismus. Die Heldenkonstellation Zoroaster/ Muhammad, die auf diese Weise das negativ konnotierte Andere repräsentiert, erfüllt somit neben einem literarischen Amüsement eine präzise apologetische Funktion.21

21 Stausberg, Zarathustra, Teil 2, S. 761.

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9. Holbergs Heltehistorier in deutscher Übersetzung

Gegenüber Prideaux’ Äußerungen zu Mahomet (von 1697) und zu Zoroaster (von 1716/18), in denen sowohl der Vergleich beider Gestalten als auch die von Holberg übernommene Interpretation weitestgehend vorliegt, verdeutlicht diese Zusammenfassung Stausbergs aber m. E. noch nicht das entscheidende Moment. Mahomed wird als Anti-Held in einen moralischen, aufklärerischen Zusammenhang gestellt. Die Prideaux’ Mahomet-Version gegenüber entscheidend neue Qualität zeigt sich aber vor allem in Holbergs Ansatz zu einer Psychologisierung bzw. Psychopathologisierung Mahomeds, die den Vergleich beschließt und mit deren Hilfe Mahomeds Religion als Wahnsinn aus dem aufgeklärten Religionsdiskurs ausgeschlossen werden kann. Zoroaster sei der spitzfindigste Betrüger der Welt gewesen, der gefährlichste Mann zur Verführung des menschlichen Geschlechts, schreibt Holberg. Lieset man aber den Alcoran, so stehet man im Zweifel, was man von dem Mahomed vor ein Urtheil fällen soll, ob er entweder ein Betrüger oder ein Träumer gewesen; ob er entweder die Lehre erdichtet, andere zu betrügen, oder sie wohl gar selbst geglaubet; ob er sich mehr vor einen Propheten ausgegeben, oder sich selbsten eingebildet hat, Gottes Apostel zu seyn. (108)

Geht es also um Betrug oder geht es um Wahnsinn? Laut Holberg stehe man angesichts dieser Alternative „im Zweifel“.

9.5 Betrug oder Wahnsinn? Warum kann Holberg sich nicht für eine der beiden Interpretationen – Betrug oder Wahnsinn – entscheiden? Der von ihm – im Gegensatz zu Reland – attestierte Mangel an Vernunft im Koran wie der Mangel an Bildung bei Mahomed, scheint ihm eine durchgeführte Betrugsinterpretation, wie sie bei Prideaux vorlag, in letzter Konsequenz nicht zu erlauben, hatte er den ungebildeten Mahomed doch mit dem scharfsinnigen philosophischen Zoroaster kontrastiert. Reland hatte die Ursprünge verschiedener Meinungen über Mohammed und den Koran vorgestellt und diese Meinungen selbst widerlegt. Einzelne Betrugsvorwürfe ließen sich nach Relands Buch also nicht mehr ohne weiteres wiederholen. Auch wenn Holberg nicht vom Betrugsvorwurf abgeht, ergänzt er diesen seit Reland weniger umfänglich illustrierbaren Vorwurf nun um ein weiteres Motiv – Wahnsinn. Betrug kann entlarvt werden, Wahnsinn eigentlich nicht. Wahnsinn ist eine letztlich nicht überprüfbare Zuschreibung, die noch stärker als Betrug eingesetzt werden kann. Insofern ist Holbergs abschließende Frage, ob Mahomed sich vielleicht selbst eingebildet habe, ein Apostel Gottes zu sein, in letzter Konsequenz weder positiv noch negativ zu beantworten. Wenn der durch Prideaux noch einmal sehr laut gewordene Betrugsvorwurf unter Umständen nicht (mehr) bewiesen oder widerlegt werden kann, bleibt für Holberg noch die unbeweisbare und unwiderlegbare

9.5 Betrug oder Wahnsinn?

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Zuschreibung des Wahnsinns. Insofern könnte man Holbergs MahomedDarstellung als einen Übergang von der moralisierenden oder kriminalisierenden Betrugs- zur psychologisierenden Wahnsinnshypothese beschreiben. Das ist insofern bemerkenswert, als hier ein Autor wirksam ist, der als großer europäischer Aufklärer (Heinrich Anz),22 ja als „Portalgestalt der frühen Aufklärung in Skandinavien“ (Christiane Barz, Wolfgang Beschnitt)23 geschätzt wird. Dieser Aufklärer psychologisiert also den Betrug des falschen Propheten zum möglichen Selbstbetrug. Er tut dies im Rahmen einer sehr populären und erfolgreichen, exotischen Literatur – seiner Sammlung von Parallelbiographien. Heinrich Anz schreibt: Satirisieren die Komödien [Holbergs] den Bürger, so heroisieren die Parallelbiografien den einzelnen, großen und geschichtsmächtigen fremden Herrscher mit seinen Tugenden und Lastern zum moralischen Exempel, das sowohl die exotische Neugier der Leserinnen und Leser befriedigt also auch in einer weltumspannenden, aufgeklärten Pädagogik die Vorurteile gegenüber dem Fremden so sehr korrigiert, dass es zum Vorbild wird.24

Als Vorbild wirkt die hier nach Prideaux gezeichnete Mahomed-Figur negativ, er ist ein Anti-Held. Die psychologisierende Interpretation zwischen Betrug und Wahnsinn belehrt eher über den Mangel an Moral und über den schwachen Geisteszustand eines großen Mannes der Geschichte. Mahomed wird von Holberg in Anlehnung an Prideaux nicht im Hinblick auf seine theoretischen, religiösen Auffassungen beurteilt, sondern im Hinblick auf seinen (falschen) Anspruch moralisch als wahnsinniger Anti-Held verurteilt. Eine kurz nach der deutschen Holberg-Ausgabe in Erfurt erscheinende Publikation geht dem gegenüber gegenteilig vor.

22 Vgl. Anz, Vorbilder. 23 Christiane Barz/Wolfgang Beschnitt, Einleitung: Bildung, Alterität, Literatur. In: dies., bildung und anderes, S. 7–17, Zitat S. 14. 24 Anz, Vorbilder, S. 32–33.

10. Mahomet als größter Staatsmann der Weltgeschichte, verkleidet in eine Karikatur des Maximus Infernorum Conquestor – Henri de Boulainvilliers La vie de Mahomet in (versteckter) deutscher Übersetzung (1742) Im Jahre 1742 erschien in Erfurt ein Buch über den größten „Höllen-Eroberer“ unter dem Titel Mahomet Maximus infernorum conquestor, ein Buch, das sich bei genauerer Betrachtung als sein Gegenteil erweist. Der versteckte Autor dieses ,Höllen-Werkes‘ ist Henri de Boulainvilliers (1658–1722).

10.1 Ein Verteidiger Mahomets – Henri de Boulainvilliers Henri Bernard Comte de Boulainvilliers, geboren 1658 in Saint-Saire in der Normandie, gestorben 1722 in Paris, diente bis zum Alter von fast vierzig Jahren beim Militär und war u. a. einer der ersten französischen Schriftsteller, die eine Geschichte der Institutionen und der Gesetze des französischen Staats verfassten.1 Er galt als Kritiker der französischen Monarchie, die seiner Ansicht nach am sukzessiven Rückgang der Adelsprivilegien und damit am Niedergang Frankreichs schuld war.2 Seine Werke zur französischen Geschichte, in denen er einen historischen Zusammenhang zwischen den Kreuzzügen und der sukzessiven Entrechtung des französischen Adels herstellte, wurden von ihm durch eine Geschichte der Araber und La Vie de Mahomet ergänzt und stehen in diesem Interessenhorizont: Ein als Kritiker der französischen Monarchie auftretender adeliger Historiker, der die Rechte 1 Zur Biographie vgl. Ren Doumic, Art. „Henri, Count of Boulainvilliers“. In: The Catholic Encyclopedia, Bd. 2, New York 1907, sowie Archives Biographiques FranÅaises (ABF), I 136, 84–103; II 87, 343; IIS 13, 252. Zur familiären und wirtschaftlichen Situation Boulainvilliers und zu seinem Konzept der Genealogie vgl. Harold A. Ellis, Genealogy, History, and Aristocratic Reaction in Early Eighteenth-Century France. The Case of Henri de Boulainvilliers. In: The Journal of Modern History, 58 (1986), S. 414–451. Auf Boulainvilliers’ La Vie de Mahomet geht der Text nicht ein; allerdings wäre es durchaus von Interesse, inwiefern Boulainvilliers’ Adelskonzept mit seinem Plot für die Biographie Mahomets konvergiert. 2 Dass Boulainvilliers verarmt gewesen sei, ist ein hartnäckiges Gerücht in der Literatur, dem Harold Ellis bereits 1986 ausführlich und faktenreich begegnet ist (vgl. Ellis, Genealogy), das sich gleichwohl in der Literatur hält (vgl. zuletzt Monika Walter, Der verschwundene Islam? Für eine andere Kulturgeschichte Westeuropas, Paderborn 2016, S. 353).

10.2 Die erste deutsche Ausgabe

227

und Privilegien seines Standes als beschädigt ansieht, schreibt eine Geschichte Arabiens und auch eine Mahomet-Biographie.3 Boulainvilliers hinterließ diese Biographie unveröffentlicht und unvollendet.

10.2 Die erste deutsche Ausgabe – Mimikry! Dieses Werk, La Vie de Mahomet von Boulainvilliers, erschien zuerst 1730, also postum in Amsterdam bei P. Humbert, ergänzt um einen dritten Teil von unbekannter Hand.4 Der Oxforder Arabist Jean Gagnier (1670–1740) hatte es abgelehnt, das Buch zu vollenden. Stattdessen setzte er einen Text gegen diese von ihm eher als Roman, denn als Geschichtswerk bezeichnete Publikation, die nicht aus arabischen Quellen, sondern aus der europäischen Literatur schöpfte. Gagniers Werk, erschienen 1732 unter demselben Titel – La Vie de Mahomet – gibt dem gegenüber bereits im Titel den Koran, die Sunna und die besten arabischen Schriftsteller als Referenzen an.5 Zuvor hatte er bereits De vita, et rebus gestis Mahommedis von Abu’l-Fida (1273–1331) als arabischlateinische Ausgabe publiziert.6 Aus deutscher Sicht ist das Jahr 1742 interessant, in dem das umstrittene Werk Boulainvilliers’ erstmals in deutscher Übersetzung als anonymes Mimikry-Stück in Erfurt in irreführender Einkleidung unter dem Titel Mahomet Maximus infernorum conquestor. Fünf Jahre später, 1747, erschien in Lemgo die erste „offizielle“ Übersetzung von Theodor Arnold, mit Angabe des Autors Boulainvilliers, nicht aber des Übersetzers Arnold. 1750 wurde dann in Erfurt eine unveränderte Auflage des Mahomet Maximus infernorum conquestor publiziert, die auf das „offizielle“ Erscheinen des Buches nicht eingeht. Jahrzehnte später, 1786, sollte in Halle eine weitere Übersetzung von J. A. Mebes herauskommen. Das ungewöhnliche Buch von Boulainvilliers liegt somit im 18. Jahrhundert in drei verschiedenen deutschen Übersetzungen in vier 3 Auf die enorme Rezeptionsgeschichte des postum publizierten Werks verweist Sylvette Larzul, Art.: „Boulainvilliers“. In: FranÅois Pouillon (Hg.), Dictionnaire des orientalistes de langue franÅaise. Nouvelle dition revue et augment e, Paris 2012, S. 143. Boulainvilliers’ Fassung des Trait des trois imposteurs erschien übrigens erst 1775, seine französische Übersetzung von Spinozas Ethik erst im Jahre 1902. 4 La vie de Mahomed. Par le comte de Boulainvilliers. A Londres M.DCCXXX. Et se trouve Amsterdam chez P. Humbert. 5 La Vie de Mahomet. Traduite Et Compil e De L’Alcoran, Des Traditions Authentiques De La Sonna, Et Des Meilleurs Auteurs Arabes Par Mr. Jean Gagnier. A Amsterdam, Chez les Wetsteins & Smith, 1732. 6 Ismael Abu’l-Feda, de vita, et rebus gestis Mohammedis, Moslemicae religionis auctoris, et imperii Saracenici fundatoris. Ex Codice Msto Pocockiano Bibliothecae Bodleianae textum Arabicum primus edidit, Latin vertit, praefatione, & notis illustravit Joannes Gagnier, A.M., Oxoniae, E Theatro Sheldoniano, 1723.

228

10. de Boulainvilliers La vie de Mahomet

Ausgaben vor.7 Es ist zu fragen, wie die jeweiligen Übersetzungen zu kontextualisieren sind und was sie jeweils auszeichnet. Dabei ist bereits die erste Publikation sehr bemerkenswert.

10.3 Äußeres Erscheinungsbild und Vorwort des Verlegers David Jungnicol Der Titel des Buches gibt es als eine polemische Anti-Mahomet-Schrift aus: Mahomet Maximus infernorum conquestor. Das ist Mahomet der gröste Seelen-Verführer und Conquirant des Teuffels Nach seiner Geburt, elenden Auferziehung, verwegenen Jugend, grossen Conqueten, teufflischen Lehr-Art, und derselben Blut-dürstigen Ausbreitung, unsel. Abschied, und aberglaubischer Verehrung, als den vornehmsten Propheten der Finsterniß, aus wahren Urkunden, und denen Welt-Geschichten vollkommlich abgeschildert.8 Auf dem Frontispiz des anonym erschienenen Buches finden sich neben einer „Mahomet-Karikatur“, aus deren Mund die Worte „Lügen Lust, Fleisches Lust und Hoffertiges Leben“ kommen, folgende Verse: Der Hölen letzte Krafft, des Teuffels ächter Sahm, Das Schandfleck der Natur, der Fluch der letzten Zeiten Sitzt hier wie Mausim saß auf seinen Götter Thron, Die Lügen in der Welt, als Wahrheit auszubreiten. Hier knarrt der geile Frosch im Tuche des Propheten den Gott mit seinem Stab des Mundes noch wird tödten

Der Text erwähnt mit dem Gott „Mausim“ diejenige Vorstellung, die David Nerreter in seiner Neu-eröffneten Mahometanischen Moschea mit Rückgriff auf den Exegeten Martin Geier entwickelt hatte.9 Das Buch erschien im Verlag von Johann David Jungnicol, von 1737 bis 1758 Buchdrucker und Verleger in Erfurt,10 der nicht zuletzt durch seine fünf Auflagen von Johann Arndts Sechs Bücher vom wahren Christentum bekannt 7 Die 1750 erschienene Ausgabe fehlt bei Rehrmann; vgl. Rehrmann, Ehrenthron, S. 31–33. 8 Mahomet Maximus infernorum conquestor. Das ist Mahomet der gröste Seelen-Verführer und Conquirant des Teuffels Nach seiner Geburt, elenden Auferziehung, verwegenen Jugend, grossen Conqueten, teufflischen Lehr-Art, und derselben Blut-dürstigen Ausbreitung, unsel. Abschied, und aberglaubischer Verehrung, als den vornehmsten Propheten der Finsterniß, aus wahren Urkunden, und denen Welt-Geschichten vollkommlich abgeschildert Dabey zugleich Eine accurate Beschreibung des alten und neuen Arabiens, derer Innwohner Sitten- und LebensArt, Anfang und Wachsthum des Ottomannischen Reichs, und der türckischen Religion nach ihren lügenhafften Gründen, als ein Geheimniß der Boßheit mit angefüget. Erfurt, Verlegts, Johann David Jungnicol, 1742. 9 Vgl. dazu den Abschnitt 4.2.2. in diesem Buch. 10 Vgl. David L. Paisey, Deutsche Buchdrucker, Buchhändler und Verleger 1701–1750, Wiesbaden 1988, S. 127.

10.3 Vorwort des Verlegers David Jungnicol

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ist.11 Das Vorwort Jungnicols entspricht in seiner Wortwahl der „MahometKarikatur“ des Frontispizes. Die Sachaussagen liegen jedoch auf einer anderen Ebene. Bereits der lange erste Satz gibt ein mögliches Motiv vor, das zu diesem Buch geführt haben könnte. DAs betrübte Verhängnis, welches des gerechte GOTT durch die lügenhaffte Kräffte des Satans, die Wahrheit des Evangelii in denen morgenländischen Gegenden durch allerley Zeichen und Wunder zu verfinstern, nach seinem schweren Zorn-Gerichte ergehen lassen, ist mehr zu bejammern als zu bewundern, massen dadurch die Kirchen, welche Christus der HErr, und die Erstlinge seines Predigt-Amts selbst gepflantzet nicht allein zu Grunde gerichtet, daß kaum noch ein Schatten der ersten Herrlichkeit übrig, sondern auch dem Abendländischen Christenthum eine unversöhnliche Verfolgung über den Halß gewachsen, welche gerne die Mauern Zions niederrisse, und ihre Grund-Festen verstohrte. (2r)

Beschwört das Vorwort also schon im langen ersten Satz eine „Türkengefahr“, die dem abendländischen Christentum drohe? Das wäre nicht nur in seiner, im Hinblick auf die „Türkenfrage“ relativ ruhigen Zeit, sondern auch insofern bemerkenswert, als der Text des Buches selbst eine gegenteilige Auskunft gibt. Auf den ersten Seiten des ersten Teils, die eine Beschreibung der historischen Kenntnisse und Urteile über Arabien und über Mahomet enthalten, wird gerade keine „Türkengefahr“, sondern eine Entkoppelung diagnostiziert: der „Schrecken“ gehe nämlich mit der „Vorstellung der Mahometanischen Lehre nicht mehr in gleichen Paare“ (5), ja die Neugier sei zurückgegangen.12 Das Vorwort widerspricht also bereits im ersten Satz unkommentiert dem Text des Buches. Welchem Zweck dient das Vorwort des Verlegers? Eine weitere Passage kann als Beispiel für den seltsam changierenden Ton in der Einschätzung Mahomet dienen: Mohamet [!] ein Arabischer Cameel-Treiber, der zwar ungelehrt, aber von Natur verschlagen, hertzhafft und großmüthig war, dazu vor aller Abgötterey einen Abscheu hatte, sich mit seiner neuen und verfluchten Lehre hervor that, welche er, weil er unter dem damahl. schon sehr zerfallenen Christenth. viel eckelhafftes fande, u. ihm die heydnischen Thorheiten auch nicht anstunden, mit Hülffe Johannis Antiocheni eines Arianers, Sergii eines Griechischen Mönchs und Nestorianers, Baicam eines Jacobitten und zweyer Juden Phineas und Abdias, als einen Mischmach aller Religionen, in seinem Alkoran zusammen schmierete, darinnen er sonderlich eine Gottheit zu ehren, die Beschneidung zu halten, sich fleißig zu waschen, zu beten, Allmosen zu geben, die Auferstehung derer Todten zu glauben, und sich sonderl. alles Religions-Gezäncks und disputirens über Glaubens-Dinge bey Lebens-Straffe zu enthalten befahl, seinen Anhängern die Polygamiam simultaneam oder Viel-Weiberey sammt einer völligen Gewissens-Freyheit zuließ, daß es von ihm und seiner 11 Die fünf Auflagen erschienen zwischen 1745 und 1753. Zum Verlagsprogramm gehörten neben Bibeln diverse Predigtbände und Erbauungsschriften. 12 Auch der russisch-österreichische Türkenkrieg (1735–1739) war vorüber.

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10. de Boulainvilliers La vie de Mahomet

Secte heissen konnte: Wir haben die Lügen zu unsrer Zuflucht, und die Heucheley zu unserm Schirm gemachet. Daß der höllische Lügen-Vater, weder vor, noch nach ihm eine solche Mißgeburt zur Welt gebracht, die ihm durchaus sogar ähnlich gewesen, als dieser sein echter Sohn. (2v–3r)

Sohn des Teufels zu sein, ist wohl die härteste Zuschreibung, neben der hier genannten Lüge. Interessant ist jedoch, dass Mahomets „Mitautoren“ ausführlich und namentlich erwähnt werden. Vor allem aber kontrastiert die Aufzählung der Lehrpunkte und Gesetze („Gestattungen“) den harschen Ton deutlich. Mahomet, der Herzhafte und Großmütige, habe Abscheu vor dem Polytheismus gehabt und das damalige Christentum kritisiert. Er lehrte, 1) die Gottheit zu ehren, 2) Beschneidung, Reinigung, Gebet und Almosen durchzuführen, 3) an die Auferstehung der Toten zu glauben und sich 4) „alles Religions-Gezäncks […] zu enthalten“ (2v). Er habe Polygamie und völlige Gewissensfreiheit gestattet. Welcher dieser vier Lehrpunkte konnte überhaupt auf Kritik oder Ablehnung stoßen? Einzig die Gestattung der Polygamie könnte kritisiert werden, fraglich wäre aber, ob nicht die gestattete völlige Gewissensfreiheit schwerer wog. Mahomets erwähnte Abscheu vor dem Polytheismus und seine Kritik am damaligen morgenländischen Christentum dürften in der Sache ebenfalls zu keinem Dissens zwischen einem evangelischen Verleger oder auch Autor wie Leser in Erfurt führen, der ansonsten Predigtbände, Bibeln und Erbauungsliteratur wie Arndts Wahres Christentum aus dem Hause Jungnicol vor Augen hat. Mahomet, so heißt es im Vorwort weiter, habe in Medina großen Zulauf gehabt, „und hielte daher seinen Beruff nun wahrhafftig vor göttlich, eine heilsamere Lehre als Moses und Christus der HErr in der Welt auszubreiten“ (3v). Diese Interpretation steht gegen alle damals gängigen Betrugshypothesen. Trotz der eingangs zitierten Wortwahl und der Diffamierungen, im Kern schreibt der Verleger an dieser Stelle Mahomet eine aufrichtige Haltung zu, er habe seinen Beruf, aufgrund des Erfolgs „wahrhafftig vor göttlich“ gehalten. Er habe eine „heilsamere“ Lehre als Mose und Christus ausbreiten wollen. Nach der üblen Darstellung im Titelkupfer und den ersten harschen Äußerungen findet sich hier eine grundlegend positive Einschätzung des Selbstverständnisses Mahomets. Wie verhält sich nun diese Einschätzung zum Buch selbst? Noch einmal geht das mit „Der Verleger“ unterzeichnete, und damit wohl von Johann David Jungnicol stammende Vorwort auf Mahomets Lehre ein und beschreibt sie aus einer christlichen Perspektive, und zwar derart, dass sie jedem deistisch oder antitrinitarisch eingestellten Zeitgenossen eigentlich zusagen müsste. Es sei zwar bereits oben etwas über Mahomets Lehre gesagt worden und sie werde im Traktat auch weiter behandelt, doch wollen wir als in einer Epitome dem geehrtesten Leser noch weniges davon melden. Es lehret Mahomet, daß nur ein GOTT, CHristus der HErr aber, als das Wort GOttes, vom Vater erschaffen sey, samt dem heiligen Geist. Dieses erschaffene Wort

10.3 Vorwort des Verlegers David Jungnicol

231

sammt dem heil. Geist sey in Mariam gekommen, und habe JEsum gezeuget, als einen Propheten und Diener GOttes, der zwar anzubeten, aber nicht als GOttes, sondern nur Marien Sohn, den hätten die Juden wollen creutzigen, aber nur seinen Schatten gefangen, und gecreutziget, Christus aber sey nicht gestorben, sondern sein Vater, der ihn lieb gehabt, habe ihn in Himmel aufgenommen. Dieser Christus sey mächtig in dieser und der zukünfftigen Welt, daß man GOTT mit Ehrerbietung dienen, und des Tages wenigstens 5. mahl beten müsse, auch so gar des Nachts, daß man den 9ten Monath des Jahrs den gantzen Tag fasten, wenigstens den 4ten Theil seiner Güter Allmosen geben, Wercke der Barmhertzigkeit thun, keinen Wucher nehmen, alles gedultig leyden, gegen alle Wohlthäter danckbar seyn, sonderlich gegen die Eltern und Lehrer, und mäßig Leben sollte. Daher er alles Wein-Trincken verboten, auch scharfe Straffen auf den Diebstahl, Meyneid, Todschlag und Ehebruch gesetzet, und seinen Anhängern, sonderlich die im Krieg wider die Christen sterben würden, ein Paradieß voll fleischl. Wollüste verheissen, dahin andre ausser dem Krieg abgeschiedene Seelen derer Muselmänner ohne vorgängige Reinigung nicht kommen könnten. (4r–5r)

Die hier eingenommene Perspektive zeigt Mahomets Lehre in einem für ,vernunftorientierte‘ Zeitgenossen interessanten Licht: strenger Monotheismus, subordinatianische Christologie mit Anbetung Christi als des erhöhten Sohnes Marias, der in dieser und der künftigen Welt mächtig ist; Gottesdienst, Pflichtgebet, Fasten, Almosen (Warum sogar ein Viertel?), Barmherzigkeit, keine Wucherei, Langmut, Dankbarkeit besonders gegen Eltern und Lehrer, Mäßigkeit (kein Wein) und harte Strafen. Welcher Zeitgenosse könnte diese Lehre nicht unterschreiben und unterstützen? Am Ende ist – unvermeidlich – noch vom Tod im Krieg gegen die Christen die Rede, doch auch das wollüstige Paradies ist bekannt und muss nicht notwendig jeden abschrecken. Was der Verleger Jungnicol hier beschreibt, ist eine vernünftige Religion und damit wird Mahomet klar als ein Vertreter vernünftiger Religion vorgestellt. Nach dieser Vorstellung des ,vernünftigen Mahomet‘ fallen Schreibart und Sache wieder klar auseinander, wenn es direkt im Anschluss ohne Überleitung heißt: „Als nun das Aas Mahomet Ao. 631. im 63. Jahr seines Alters verreckte, hatte er zwar seinen Eydam Ali zum Nachfolger im Regiment bestimmet, aber seine 3. Schweher Omar, Abubeker und Othmann masseten sich der Herrschaft vor den Ali an […].“ (5r) Die abschließende despektierliche Äußerung richtet sich in der Sache ebenfalls nicht gegen Mahomet selbst, sondern eher gegen die Türcken: Von dem stinckenden Cörper des Mahomets geben die Türcken lächerlich vor, er sey von denen Engeln nach Mecca in eine Moschee gebracht worden, und schwebe daselbst in seinem Sarg in freyer Lufft unter der Küppel, begehen grosse Wallfahrten dahin zu dem Grabe ihres Lügen-Propheten, dadurch sie ein sonderbares Verdienst und Reinigung von Sünden bey GOtt zu erlangen glauben, daher sie auch das Grab mit denen kostbarsten Geschencken reichlichst verehren, davon auch selbst die Türckischen Monarchen sich nicht ausschliessen. (5v)

232

10. de Boulainvilliers La vie de Mahomet

Jungnicol zählt eine Reihe von Büchern über das Thema auf, die nicht auf Deutsch zu lesen wären und von Ungelehrten also nicht verstanden werden könnten.13 Dass dies im Falle Relands nicht stimmt, dessen Buch 1705 und 1717 lateinisch, sowie 1716 und 1717 nach der ersten Auflage übersetzt auf Deutsch veröffentlicht wurde, ist offensichtlich. Bemerkenswert ist nicht zuletzt, dass die vordergründige, aggressive Wortwahl des Vorworts gar nicht zu der Literaturliste passt, die ja immerhin Relands 39 Widerlegungen falscher Vorurteile de religione muhamedica beinhaltet. Jungnicol schreibt weiter: „Daher hat der Herr Autor sich die Mühe nicht verdrüssen lassen, die gantze Geschichte dieses Seelen-Mörders und teufflischen Apostels aufs fleißigste aufzusuchen, und mit einer deutlichen Erzehlung jedermann in der teutschen Sprache verständig zu machen.“ (6r) Durch diese Bemerkung wird die französische Herkunft des Buches verschleiert, denn nach der oben genannten Aufzählung der Bücher über Mahomet, die nicht auf Deutsch vorlägen, wird der Eindruck erweckt, bei dem folgenden Text handele es sich um eine deutsche Arbeit. So ist im Vorwort weiterhin die Rede von dem (deutschen) „Autor“. Dieser Autor zeige auch, dass es Mahomet nicht um Land und Leute, sondern eigentlich um christliche Seelen gegangen sei, die er „ins Netz der Finsterniß ziehen, und mit sich in das Reich der ewigen Verdammniß stürtzen möchte.“ (6r) Dem Teufel sei durch „dieses Mord-Kind“ ein mächtiger Streich gegen die Kirche gelungen. Mahomet habe mit Feuer und Schwert bekehrt, wo die „Lockungen und Reitzungen des Fleisches nicht hinreichen wollen“ (6v) – nicht ohne nutzbaren Erfolg. Die eigentliche Kritik setzt nun aber wiederum später, mit Sultan Amurat (Murad II.) und der Versklavung von Christen (Schlacht auf dem Amselfeld 1448), ein. Der Blick in das Falsche, so heißt es, öffne die Augen für das Richtige, wie anhand der Pharisäer und Paulus mit Blick auf Rechtfertigung und christliche Freiheit, sowie anhand von Arius und Athanasius, Pelagius und Augustin erläutert wird. Auch Mahomet verherrliche also eigentlich Christus mit seinem Evangelium, ob er wolle oder nicht, „und sey dem teuffel auch so leyd drüber, daß ihm graue Haare wachsen möchten“ (8r). Die Dunkelheit verherrliche das Licht des Tages „wie der Missethäter durch den Galgen die Göttlichkeit der Gesetze“ (8r).

13 1) Paul Warnefried (Paulus Diaconus; 725/30–797/799); 2) Johannes Zonaras (Zonaras; gest. 1130); 3) Johannes von Damaskus (Damascenus; ca. 650 bis vor 754); 4) Johann Heinrich Hottinger (Hottingerus; 1620–1667); 5) Herman Wits (Witsius; 1636–1708); 6) John Forbes (Forbesius; 1593–1648); 7) Adrian Reland (Relandus; 1676–1718); 8) Wolfgang Heider (Heiderus; 1558–1626); 9) Friedrich Spanheim (Spanhemius; 1632–1701): „Paulus Diaconus, Zonaras, Damascenus, Haer. 101, Hottingerus in Historia Eccl. Tom. I. p. 403, Witsius in Miscell. sacr. Lib. II. Tom. 1. Diss. IV. de quatuor bestiis, Forbesius Instruct. Histor. Theol. Lib. IV, Relandus in Tract. de Religione Muhametica, in II. Libris, Heiderus in Theologia Muhametica, Spanhemius in Hist. Eccl. fol. 603. seqq. ex professo.“

10.3 Vorwort des Verlegers David Jungnicol

233

Die Schilderung Mahomets als Vertreter einer vernünftigen Religion erscheint hier im Gewand schimpfender Ablehnung. Es ist erstaunlich, wie Wortwahl und Sachaussage in der Einkleidung dieses Buches divergieren.14 Nach dieser eigentümlichen Beschreibung Mahomets geht der Verleger noch einmal auf die Absicht des Autors ein. Dem Autor habe seinem eigenen Geständnis nach „das Feuer der muntern Jugend bey Ausarbeitung dieser Schrifft gefehlet“ (8r). Mit dieser Bemerkung zitiert er den Autor des französischen Originals (s. u.), ohne jedoch diese Tatsache zu erwähnen. Der Leser muss nach wie vor meinen, ein in deutscher Sprache erarbeitetes Buch vor sich zu haben. Der Autor habe versucht, die Geschichte der alten Araber dem Vergessen zu entreißen, deren Sitten und Gebräuche auf die israelitische Geschichte Licht werfen sollten. Es sei mit dem Autor sehr zu bedauern, dass so wenige Gelehrte Zeit, Kosten und Gelegenheit hätten, die orientalischen Sprachen zu lernen und deren Altertümer zu untersuchen. Der Verleger schließt sein vielschichtiges Vorwort mit einem Hinweis auf die hohe Qualität des Buches. Mit keinem Wort erwähnt der Verleger, wer der Autor der ersten beiden Teile des vorgelegten Buches ist, Henri de Boulainvilliers. Warum? Dies lässt sich bereits an der Strategie des Titels, des Titelkupfers und des Vorworts ablesen. Das Buch erscheint als sein Gegenteil. Die bildliche und textliche Mahomet-Karikatur ist das Gewand für eine positive Schilderung eines großen Mannes der Geschichte, als der Mahomet in Boulainvilliers’ Text erscheint. Wenn Mahomet bei Boulainvilliers der größte Mann der Geschichte ist, so erscheint er im Titel als größter Seelenverführer. Die Einschätzung der Größe konvergiert, die Vorzeichen werden jedoch umgedreht und ins Extreme verzerrt, wie das Titelkupfer zeigt. Im Vorwort macht der Verleger auf seine Weise deutlich, dass dieser „teuflische Betrüger“ Vertreter einer vernünftigen Religion gewesen sei. Um das zu erkennen, muss man dieses Vorwort nur von den Verbalinjurien gereinigt lesen. Wer das Buch durchstudiert und nichts von dessen Autor weiß, der wird zu Beginn des dritten Teiles aufgeklärt, wo es heißt: ES ist nicht nöthig, dem Leser zu melden, daß sich hier die Arbeit des Herrn Grafen von Baul-Amivillers endet. Man wird in dieser Fortsetzung weder dieselbe SchreibArt, noch dergleichen besondere Betrachtungen als in den zwey ersten Büchern antreffen. Ich will mich bloß damit begnügen, die verschiedenen Begebenheiten dieser Historie mit aller Aufrichtigkeit und in möglichster Kürtze zu erzehlen, wie ich sie in Abulfeda, Prideaux den Abt Maracci, Herbelot und andern gefunden habe, die etwas von diesem Betrüger geschrieben haben. (318)

14 Rehrmanns Verwunderung greift daher daneben, wenn er feststellt, dass „Boulainvilliers’ Schrift nicht zu der Gesinnung des Erfurter Verlegers passen will“ (Rehrmann, Ehrenthron, S. 32). Die Sachaussagen des Vorworts bleiben hier unbeachtet.

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10. de Boulainvilliers La vie de Mahomet

Und selbst an dieser etwas entlegenen Stelle, erscheint der Name des Autors nur entstellt als „Baul-Amivillers“. Das Werk Boulainvilliers’ erscheint nun erstmals in deutscher Sprache – allerdings hinter der Maske seines Gegenteils.

10.4 Das (anonymisierte) Vorwort Boulainvilliers In den einleitenden Äußerungen des ungenannten Autors Boulainvilliers15 heißt es, man habe wenig Kenntnis von der Umwälzung, die zur Zeit Mahomets geschehen sei. Im Gegensatz zu den Eroberern Westroms hätten die Araber die große griechisch-römische Kultur zerstört. Die Grundlage ihrer „Raserey der Religion“ (A2r) sei ein Buch gewesen, in dem die göttlichen Wahrheiten stünden. Dies alles ist nach Boulainvilliers Urteil zu wenig bekannt. So neugierige Bewunderer wir desjenigen sind, was in den noch viel ältern Zeiten in Griechen-Land und Italien vorgegangen, so wissen wir kaum, daß Mahomet der Stiffter eines weit grösseren und mächtigern Reichs, als der Macedonier und Römer gewesen, wenn uns nicht der erste Monarche der Araber in Ansehung der Religion wegen Einführung seines neuen Gottesdienstes aufmercksam gemacht hätte. (A2v)

Diese Religion beurteile man heutzutage als große Lüge, sehe sie verächtlich an, und die Neugier sei auch nicht mehr so groß, „da der Schrecken mit der Vorstellung der Mahometanischen Lehre nicht mehr in gleichen Paare gehet“ (A3r). Nach dem Ende der Türkengefahr sei also das Interesse zurückgegangen. In Wahrheit gebe es aber keine Historie, die erstaunlicher wäre als die „Lebens-Geschichten der ersten Musulmänner“ (A3r). Man könne das Oberhaupt oder die von ihm gebrauchten Bedienten, welche die größten Männer des Erdbodens geworden, ansehen; man mag dabey die Sitten derer von ihnen überwundenen Völcker in Betrachtung ziehen, und endlich die Tapferkeit und Tugend, nebst denen Neigungen, welche sowohl die Generale als gemeinen Soldaten dazu angetrieben haben, untersuchen. Dieses hat auch einen vor diesem berühmten Schrift-Steller zu sagen bewogen, daß weder die Griechischen noch Lateinischen Geschichte sich vor den Arabischen einen Vorzug anmassen könnten. (A3r)16

Dass man dies üblicherweise anders sehe, liege am mangelnden Gebrauch der (lebenden) morgenländischen Sprachen im Vergleich zum Griechischen und Lateinischen. Boulainvilliers beklagt, dass so wenige Gelehrte Arabisch lernten und noch weniger sich um Übersetzungen von Texten bemühten, die in der 15 Das Vorwort der Ausgabe 1731 kann Boulainvilliers spätestens 1722 vor seinem Tod geschrieben haben. 16 Gemeint ist mit dem „berühmten Schriftsteller“ vermutlich d’Herbelot.

10.5 Das Werk

235

Königlichen Französischen Bibliothek lägen. D’Herbelots Buch sei unglücklicherweise erst nach seinem Tod erschienen, habe ihn aber inspiriert. Ich verstehe kein Arabisch, und folglich bin ich aus Mangel dieser Erkenntniß weit davon entfernet, aus den Quellen selbst schöpffen zu können. Nichts destoweniger hat mich diese wunderbare Historie dermassen gerühret, daß ich mir das Vergnügen nicht berauben können, alles, was ich durch die gemeinste Mittel, als durch die Ubersetzungen unterschiedener absonderlichen Stücken, davon erfahren, in ein Werck zu bringen. Mein Vorsatz ist nicht, die Welt zu unterrichten. Ich suche mir nur eine Beschäfftigung zu machen und mich selbst zur Arbeit aufzumuntern, welche das Alter nach dem Maaß der abnehmenden Lebhafftigkeit des Bluts und der Kräffte nöthig hat. (A4r)

Es ist also diese sich hinter dem Titel Mahomet Maximus infernorum conquestor verbergende Übersetzung, die Boulainvilliers’ Hochschätzung Mahomets in Deutschland bekannt gemacht hat. Ihr sollten später noch zwei Übersetzungen folgen (Arnold 1747/69; Mebes 1786). Boulainvilliers’ Werk war erst nach seinem Tode, in den Jahren 1730 und 1731 (nun mit verändertem Titel) in Amsterdam erschienen. Noch bevor Theodor Arnold 1747 die erste offizielle deutsche Ausgabe auf den Markt brachte, erschien das Buch 1742 im Gewand seines Gegenteils. Es wirkt auf den ersten Blick wie eine anachronistische Beschimpfung Mahomets, enthält aber die damals größte Würdigung seiner Person und Leistung. Eine zweite Auflage erschien 1750, also auch noch nach der Übersetzung von Theodor Arnold.

10.5 Das Werk Von Interesse ist hier vor allem, wie Boulainvilliers Mahomet und seinen Koran beurteilt. Boulainvilliers beschreibt Mahomet als vernünftigen Gesetzgeber aus den Umständen heraus, die er, beginnend mit der Geographie und Bevölkerung Arabiens, den alten Propheten der Araber und Hebräer, der sittlichen Beschaffenheit der Araber, ihrem Temperament und ihren alten Religionsgrundsätzen schildert. Die Städte Mekka und Medina werden ausführlich vorgestellt, der Ursprung der Araber (ihre Patriarchen), die Zerstreuung der Juden nach Arabien sowie der Zustand der Christen in Persien und umliegenden Gebieten beschrieben.17 Die Situation der Araber schildert Boulainvilliers als zwischen Persern und Äthiopiern befindlich. Damit hat Boulainvilliers in einem großen Bogen die Umstände geschildert, in die er Mahomet nun ausführlich einzeichnet. Seine Darstellungsweise ist dabei eher assoziativ: Historische Schilderungen, der Lebensweg Mahomets und die Diskussion und Widerlegung einiger westlicher Vorwürfe wechseln 17 Er verweist dabei abschließend auf Pocock (vgl. S. 112).

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10. de Boulainvilliers La vie de Mahomet

sich ohne genauere Struktur ab. Dabei wird immer wieder die Absicht deutlich, die übliche Ablehnung der Person Mahomets durch eine Wertschätzung seiner Leistungen zu ersetzen, die Rückschlüsse auf eine große Persönlichkeit erlauben. 10.5.1 Zur Charakterisierung des Werks Boulainvilliers zitiert einige Male aus dem Koran, ohne ihn als Text zu problematisieren. Den prophetischen Anspruch Mahomets leugnet er eigentlich nicht. Er thematisiert ihn vielmehr in einem eigenen Sinne (s. u.) und stellt Mahomet als vernünftigen Theologen, nicht aber als Propheten oder Mann Gottes mit eigenem Offenbarungsanspruch vor. Dies ermöglicht ihm eine Verteidigung inhaltlicher Positionen Mahomets. Boulainvilliers streitet Vorurteile gegenüber Mahomet ab, indem er sämtliche markanten Handlungen, Meinungen oder Initiativen Mahomets aus den zuvor ausführlich geschilderten Umständen heraus erklärt. Auf diesem Weg geht er auf viele der gängigen Vorurteile Mahomets Person gegenüber ein, ohne dessen prophetischen Anspruch – und damit Wahrheitsanspruch – als solchen zu thematisieren. Damit erscheint Mahomet bei Boulainvilliers nicht etwa als der größte – oder überhaupt nur als ein – Prophet, sondern als der größte Mann der Weltgeschichte, der eine vernünftige Theologie vertreten habe. Boulainvilliers legt gewissermaßen eine nicht-prophetische Mahomet-Interpretation als eines theologisch vernünftig gebildeten Gesetzgebers in der Geschichte vor.18 Einige markante Passagen sollen hier vorgestellt werden, um das Bild, das in der hybriden Veröffentlichung einer Boulainvilliers-Übersetzung von 1742 erstmals ganz in deutscher Sprache bekannt gemacht wird, nachzeichnen zu können. In der folgenden Darstellung wird diese Anonymisierung natürlich aufgehoben, es ist von Boulainvilliers die Rede. 10.5.2 Der erste Teil Aus der Religion der Araber, die Boulainvilliers hier vorstellt, könne man die Grund-Sätze urtheilen, worauf Mahomet das Lehr-Gebäude seiner Religion gegründet hat, welche nicht allein mit der Einsicht seiner Landes-Leute, mit ihren Neigungen und der herrschenden Gewohnheit des Landes übereinkamen, sondern auch den allgemeinen Begriffen des menschlichen Geschlechts gantz gemäß waren, daß er in weniger als vierzig Jahren mehr als die Helffte dieser Völcker zu Anneh18 Die Bemerkungen Monika Walters zu Boulainvilliers sind leider nicht am Text des Vie de Mahomet verifiziert; er erscheint hier als Aufklärer, der ein deistisches Religionskonzept „am Beispiel des Islam zu beweisen“ versuche: „Sein außerordentlich positives Islambild, das von keinem späteren Aufklärer mehr überboten werden sollte, konnte natürlich nicht in Frankreich verbreitet werden.“ (Walter, Islam, S. 354).

10.5 Das Werk

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mung seiner Meinungen bewogen, und es dadurch das Ansehen gewinnet, daß man zur Uberzeugung nur seine Lehre hören durffte. (121)

Vergleicht man diese Äußerung mit den Passagen über das Christentum und dessen Bedeutung für Mahomets Theologie, so fällt eine eigenartige Spannung ins Auge. Hier werden die Araber als zugänglich für die natürliche Religion beschrieben, dort (s. u.) hätten die Christen mit ihren Sekten und Streitigkeiten Mahomet daran gehindert, aus dem (verdorbenen) Christentum wieder eine vernünftige Religion zu machen. Mahomet habe darum eine neue gegründet und die vernünftigen Einsichten des Christentums übernommen. Vom Judentum ist dort wie hier gar nicht die Rede. Die Mittel, die Mahomet zur Ausbreitung seiner Schwärmerei gebraucht habe, so heißt es hier weiter, „scheinen sich auf eine vollkommene Erkäntniß der Gemüths-Beschaffenheit derjenigen zu beziehen, auf welche er sich verließ, ein so grosses Werck unter seiner Anführung auszuführen, oder nach seinem Tode fortzusetzen“ (121). Seine Überredungskunst habe nicht nur einfache Leute, sondern auch die größten Helden von einer Religion überzeugt, „welche voller Geheimnisse und nicht zu erklären war, dabey aber die Sinnen rührte“ (121). Dies widerspricht nun wiederum Boulainvilliers’ weiter unten emphatisch gemachter Feststellung, Mahomet habe eine vernünftige Religion ohne Geheimnisse vorgetragen. Die Araber hätten den Begriff von einem höchsten Gott und Schöpfer vermutlich nie ganz verloren. „Ihr Irrthum bestand nicht in der Verläugnung einer obersten Gottheit, sondern nach Mahomet selbst bloß in der Vermischung der Gewalt dieser obersten Gottheit mit den Götzen-Bildern, oder den untern Gottheiten, welche sie vorstellten“ (123) Diesen „Mischmasch“ einer Beigesellung habe Mahomet gegen die Araber aber auch gegen die Christen verbannt. Man sehe, „daß Mahomet nur die Schalen unserer Lehre gekannt“ (123) habe, dagegen aber das Heidentum besser verstanden habe als die alten christlichen Lehrer, denn die Abgötterei habe den obersten Gott niemals wirklich abgeschafft. Die arabische Einsamkeit habe die natürliche Erkenntnis eines einigen Gottes viel länger erhalten als andere Umstände. Allerdings habe man die Sterne beigesellt, was Mahomet „mit allem Rechte und aller Vernunfft, nach dem Beyspiele aller Propheten“ (128) verboten habe. Diesen Kult, der dem höchsten Wesen Gehilfen an die Seite setzte, habe er allerdings nicht für vollkommene Abgötterei, sondern für einen heilbaren Irrtum gehalten. Die jüdische Lehre sei seiner nahe gekommen, aber eben auf die Juden nach Geschlecht und Namen festgelegt gewesen. Aus dieser Ursache verstattete er auch den Sabeern zum Besten die erste, vor die Juden die andere, und vor die Christen die dritte Nachsicht. Allein er erkannt in der Folge, daß die Lehre die letztern, ob sie gleich am weitesten von der seinigen abgieng, gemeiniglich keine so unbewegliche Widersetzlichkeit würckte; weil man sie durch Vernunfft-Schlüsse zu verändern unternehmen konnte, und über dieses zu hoffen

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10. de Boulainvilliers La vie de Mahomet

hatte, daß sie ihre innerliche Spaltungen von selbst über den Hauffen werfen würden. (130–131)

Dazu käme, dass die Sabäer nach Mahomets Meinung die Bücher der ältesten Propheten (Adam, Seth, Henoch) gehabt haben sollen, was Boulainvilliers für möglich hält. Mahomet habe sich nach den äußeren Gebräuchen der Araber (Beschneidung, Speisevorschriften, Reinigungen, Polygamie) richten müssen, da dieses isolierte Volk aus Mangel an Erfahrung die eigenen Gebräuche für weltweit üblich gehalten habe. Bei allem Verständnis für diese Entwicklungen hält Boulainvilliers jedoch fest: Es ist und bleibt gewiß, daß der unsrige [Lehrbegriff] viel schöner in der Betrachtung, viel verdienstlicher in der Ausübung und viel nützlicher in Ansehung der Seeligkeit seyn muß, weil er von dem HErrn und Richter unserer Handlungen geboten ist. Allein daraus folget nicht, daß er dem Menschen viel leichter auszuüben, oder der bequemste, oder auch in Ansehung der Gesellschaft der allerunschädlichste wäre.“ (144) Denn die Grundregeln seien besser, man nehme sich aber die Freiheit, sie nicht zu befolgen. „Die Regeln der Musulmänner sind viel einfältiger und natürlicher, und sie sind dazu aus einem Grunde verbunden, der von dem unsrigen nicht unterschieden ist; denn die Religion allein weiset so wohl den Christen als Musulmännern zwey so entgegen gesetzte Wege an. (145)

Im Gegensatz zur vernünftigen Grundlegung und einfachen Durchführung seiner Religion kritisiert Boulainvilliers Mahomets bürgerliche Gesetze. Sein Leitbild sei der Mann als Familienoberhaupt gewesen, dessen Frieden und Vergnügen habe er vor Augen gehabt. „Allein in Ansehung der Ordnung, der Policey, und Einschränckung der Sitten, darauf ein jeder Gesetz-Geber unumgänglich sehen muß, hat er sich augenscheinlich vergangen; weil die Göttlichen Gebote ausdrücklich die Kreutzigung des Fleisches und Unterdrückung der sinnlichen Vergnügungen erfordern.“ (145) In der Alltagsmoral kann Boulainvilliers Mahomet also nicht zustimmen. Er meint, es sei noch zu untersuchen, ob nicht Mahomets „ausserordentliche Leibes-Beschaffenheit“ (145), der er sich gerühmt habe, Grund für diese Gesetze gewesen sein könnten, wie auch der Versuch, durch Abschaffung der christlichen Gesetze die aus deren Strenge entstehende Unordnung zu beseitigen. Wenn Mahomet Hoffnung gehabt hätte, Herr über Jerusalem zu werden, hätte er die Stiftshütte bzw. den Tempel der Juden nicht in Mekka, sondern in Jerusalem nachgeahmt. Da ihm aber endlich das Verhängniß Meccha und dessen Tempel in die Hände lieferte, da er solches am wenigsten gedachte, so sahe er diese Gunstbezeigung des Himmels als eine Probe der von GOtt selbst bestimmten Wahl an; und war bey dieser Gelegenheit auf nichts anders bedacht, als sich alle Vortheile, welche ihm der fortgepflantzte Aberglaube und das Vorurtheil der Araber anboten, zu Nutz zu machtn[!], und den Gottesdienst dahin zu legen, von dem er sich vielleicht damals nicht einbilden mochte, daß, ihn auch andere Völcker annehmen würden. (147)

10.5 Das Werk

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Mit dieser letzten Bemerkung endet das erste Buch. Nach Boulainvilliers hatte Mahomet wahrscheinlich nicht den Plan, sich und seiner Religion ganz Arabien zu unterwerfen, wie es die spätestens seit Prideaux und Bayle wiederum weit verbreitete Betrugshypothese nahelegt.

10.5.3 Der zweite Teil Mahomet sei unter schweren Umständen und ohne Unterricht aufgewachsen, berichtet Boulainvilliers. Er habe seine kostbare Zeit mit nichts anderem verbringen dürfen, als eigennütziger Kaufleute Kamele und Fuhrwerke zu führen (eine Aussage, die den im ersten Buch erwähnten Auslands-Studien Mahomets letztlich widerspricht). Man müsse sich nur diesen Mahomet vorstellen, um zu meinen, daß es GOtt zuweilen gefalle, die Bewunderer der menschlichen Weißheit durch eine offenbare Thorheit zu demüthigen und zu verwirren, welche man sich ohne den glücklichen Fortgang nicht würde vorstellen können: Dieses war der Mahomed, dessen sich GOtt, nach dessen unumschränckter Allmacht alles geschiehet, was in der gantzen Natur, ihrer Ordnung und in ihren Bewegungen vorgehet, bedienen wollte. (148)

Diese Bewunderer der menschlichen Weisheit seien: 1) Die bösen Christen im Morgenland, die das Wesentliche des Christentums in ihren Streitigkeiten verließen „und sich über Fragen zanckten, welche die menschliche Einsicht und Neubegierde zu ergründen unvermögend waren, oder sich in Aberglauben stürtzten“ (149); 2) die Römer und Griechen und 3) die Perser, denen Vergeltung geschehen sollte. Mahomets Vorhaben war also „[k]urtz, die Erkenntniß der Einigkeit GOttes von Indien bis nach Spanien auszubreiten, und daselbst allen andern GOttesdienst ausser den seinigen zu zerstören.“ (149) Vergleicht man diese Äußerung mit dem Schlusssatz des ersten Teils, so erscheint Mahomet als ahnungsloses Werkzeug Gottes, der, als er den Tempel in Mekka einnahm, noch nicht wusste, wohin es insgesamt gehen sollte. Ein (prophetisches) Sendungsbewusstsein scheint dies nicht nahezulegen. Die positive Einschätzung Boulainvilliers’ gründet sich denn auch immer wieder auf Mahomets Klugheit und Durchsetzungsvermögen bzw. auf die Ablehnung üblicher Vorwürfe. So heißt es zur Auslegung der Gedanken zum Werkzeug Gottes: „Wunderbare Würckungen! und welche sich sehr übel zu dem Begriffe reimen, den man uns von eben diesem Mahomet als einem verhaßten und boßhafftigen Betrüger machet, welcher voller Leibes- und Gemüths-Gebrechen gewesen […].“ (149) Boulainvilliers kritisiert damit die negativen Mahomet-Bilder seiner Zeit. Kritisiert er auch die religiösen Implikationen dieser Darstellungen? Findet sich ein in religiöser Hinsicht entworfenes und die Wahrheitsfrage stellendes

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10. de Boulainvilliers La vie de Mahomet

Mahomet-Bild? Wie apostrophiert Boulainvilliers den prophetischen Anspruch Mahomets?

10.5.4 Boulainvilliers’ Kritik an Ockley Mit Bezug auf Ockley und die Diskussion seiner History of the Saracens schreibt Boulainvilliers: Ein gelehrter Engelländer, der, wie ich, von den Besonderheiten der Arabischen Historie gerührt war, hat einen kurtzen Entwurff der Regierung der ersten Nachfolger des Mahomets an das Licht gestellet. Er beklaget sich in der Vorrede seines andern Theils, daß die Aufnahme dieses Wercks wegen der allgemeinen Abneigung der Leser mit der Hoffnung nicht übereingestimmet habe, damit er sich geschmeichelt. Was waren denn die Araber selbiger Zeit vor Menschen, fragte man den Herrn Ockley? Waren sie alle bezaubert, oder Zauberer? War das Blut der Römer, Griechen und Perser in ihren Adern erfroren? War gar kein Begriff von einer Religion oder Lehre mehr übrig? Mit einem Worte, verschwanden denn bey blosser Erblickung dieser ausserordentlichen Menschen, alle natürlichen Regungen, so man zur Beschützung seiner selbst, und des Vaterlandes empfinden kan? Wenn er auf diese Fragen antwortete, und die Historischen Begebenheiten durch unwidersprechliche Zeugnisse rechtfertigte; wenn er von den Gaben redete, womit die Natur [!] Mahomets Person überschüttet; wenn er den Muth und die Fähigkeit der Generale und Bedienten erhobe, die er selbst abgerichtet; wenn er die Entzückung und das Fanatische Wesen vorstellte, von welchen die gantze Nation vor eine Religion eingenommen war, die sie vor die einfältigste oder verständlichste hielt […]. (150)

Boulainvilliers kritisiert hier offen Ockley und Prideaux: Herr Okley hätte auf diese Einwürffe mit Gewißheit antworten können: Daß bey voraus gesetzter Wahrheit der Geschichte, welche nach Erforderung eines historischen Beweises, unwidersprechlich und unumstößlich waren, folgen müste: entweder daß die natürlichen Gaben der Urheber einer solchen Betrügerey den guten Fortgang erleichtert, oder die höchste Vorsehung hierbey durch Wuderwercke gehandelt hätte: Diese Folgerung ist der Gerechtigkeit und Weißheit, welche man als wesentliche Eigenschafften bey der Gottheit voraussetzen muß, dermassen zuwider, daß man den Erfolg solcher Begebenheiten nicht lieber einer jeden Vermuthung oder natürlichen Beschaffenheit, so nur einiger massen darzu geschickt scheinet, zuschreiben, als seine Zuflucht zu Wunderwercken nehmen sollte, welche zu Bestätigung der Lügen geschehen. Unterdessen war der Eindruck der öffentlichen Reden bey Herr Okley, als einem Geistlichen so starck, daß er sich nicht erkühnte eine besondere LebensBeschreibung des Mahomets heraus zu geben, sondern sich auf des Herrn Prideaux seine herausgegebene nur zu beziehen, welche aber, ob er gleich ein sehr vernünfftiger Geschicht-Schreiber ist, nicht vor rathsam befunden, von der allgemeinen Meinung abzugehen, welche diesen vorgegebenen Propheten zu den unwissendsten

10.5 Das Werk

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und verächtlichsten Betrüger machet, welcher bey diesem Betruge zur Verführung der Menschen keinen andern Kunstgriff erfunden, als die Vielweiberey zu erlauben, und ein Paradies zu verheissen, wo sich alles im Uberflusse finden würde. Allein natürlicher Weise und nach der Wahrheit von einer solchen Erdichtung zu reden, deren Ursprung wir in dem vorhergehenden Buche gesehen haben, so gäb dieses eine schlechte Erkänntniß des Menschen zu erkennen, oder besser zu sagen, man schrieb der Natur alzuwenig Krafft zu, wenn man sich einbildete, daß eine blosse geile Leidenschafft ein so grosses und gegründetes Werck hätte hervorbringen können, als der Mahometanische Gottesdienst ist. (151–152)

Mit anderen Worten: Boulainvilliers kritisiert die Zurückhaltung Ockleys, der neben der Wertschätzung der Araber keine eigene Einschätzung Mahomets erarbeitet, sondern sich auf Prideaux zurückgezogen hatte. Prideaux’ Urteil, dass Ehrgeiz und Wollust (ambition and lust) die wesentlichen Triebfedern Mahomets gewesen seien, lasse sich nach den positiven Wirkungen, die Mahomets Handeln hatte, aber nicht halten. Man würde „der Natur“ zu wenig zutrauen, wenn man diese Wirkungen auf derartige Gründe zurückführte. Die Erlaubnis, diesen Trieben (Ehrgeiz und Wollust) nachzugehen, könne keine derartige Umwälzung in der Welt durch Religionsgrundsätze hervorbringen. „Der Vorsatz, eine gemächliche Lehre auszubreiten, hat niemahls eine Person zu einer Prophetischen Entzückung gebracht, sondern suchet vielmehr in der geistlichen Liebe eines unsichtbahren Gegenstandes einen Ruhm, und ist von selber eingenommen.“ (153) Das bedeutet offenbar, dass eine Religion – und sei es eine falsche – sich nicht auf Sinnlichkeit, sondern auf Geistiges richtet. Der Eifer, diesem Gegenstande eine neue Art der Anbetung zu verschaffen, die Begierde, eine Lehre zu bestreiten, die man vor falsch hält, und vornehmlich die Einbildung der hefftigen sinnlichen Regungen, welcher gemeine Mann vor dergleichen unbekannte Gegenstände einnimmt, sind die wahrhafften Ursachen der Bewegungen in der Religion, welche so offte die gantze Beschaffeneit der Welt erschüttern, und auch die Araber, davon wir reden, zu dieser Bewegung gebracht haben. (153)

10.5.5 Boulainvilliers und der Betrugsvorwurf Boulainvilliers bestreitet also die von Prideaux vorgestellten und von Ockley zitierten Gründe für die Ausbreitung der neuen Religion durch Betrug – Ehrgeiz und Wollust. Bestreitet er auch den Betrugsvorwurf als solchen? In Wahrheit, man mußte sie zu einer Lehre überreden, und sie gleichsam, so zu reden, durch dieselben berauschen; man mußte sie durch Hoffnung und Furcht gewinnen; und ihnen mit der Vorstellung der ersten Wahrheit schmeicheln, welche ihren Vätern anvertrauet war, um sie auf ihre Kinder fortzupflantzen, welche sich aber wegen der vielen Sorgen, womit das menschliche Leben umgeben ist, und der natürlichen

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Zerstreuung der Menschen öffters ihrer Erinnerung entgangen, daher es nöthig gewesen, daß die Gütigkeit GOttes von Zeit zu Zeit besondere Diener oder Propheten erwecket, um sie bey den Menschen wieder in Ubung zu bringen, welche sich sehr leicht von den schlechten Wegen der Wahrheit verirren. Vornehmlich musten sie von der besondern Beruffung des Mahomets zu dieser Absicht überzeuget werden, welches bey der Beschaffenheit dieser denckwürdigen Begebenheit eben so schwer nicht war. (153–154)

Also: Nicht Ehrgeiz und Wollust, sondern die Einsicht der Väter sei der Anknüpfungspunkt Mahomets bei den Arabern gewesen. Boulainvilliers beschreibt nun Mahomets Strategie unter diesen Umständen: Damahls hatten die Ethiopier und Perser, davon die erstern Christen, die andern aber Magi waren, unterschiedene Provinzien Arabiens angefallen, eben zu der Zeit, da die Römer und Griechen sich bemühten, solches von einer andern Seite zu thun, und die Juden in das Hertz des Landes eingedrungen waren, wie wir in dem vorhergehenden Buche gesehen haben. Da nun aber diese verschiedene Völcker sich zugleich mit allen Kräfften bestrebten, ihre Religion in Arabien einzuführen, welches augenscheinlich auf nichts anders als den gäntzlichen Untergang ihrer väterlichen fortgepflantzten Lehren und der durchgängig angenommenen Begriffe abzielte […]. (154)

In der damaligen Form waren diese „väterlichen Lehren“ nach Boulainvilliers’ Auffassung aber wohl nicht (mehr) haltbar, so lässt sich aus der weiteren Argumentation schließen: „so nahm Mahomed, welcher sich dieselben zu beschützen vorsetzte, zu ihrer Erhaltung in seinem Lehr-Begriffe viele Sätze der Christen und Jüden an, wodurch er mehr Gemüther an sich zoge als keine andere Secte thun konnte.“ (154–155) Boulainvilliers bescheinigt Mahomet hier also einen Missionserfolg unter Juden und Christen durch teilweise Übernahme ihrer Lehren. Mahomet hat somit nach Boulainvilliers den Nationalglauben der Araber – den Glauben ihrer Väter – aufgebaut, um vor fremden Religionen – Christentum, Judentum und Zoroastrismus – der Nachbarn und der im Lande befindlichen Juden zu schützen. Denn diese in Boulainvilliers’ Sicht nicht-arabischen Gruppen hätten mit aller Macht versucht, ihre jeweilige Religion in Arabien einzuführen. Die Verkündigung einer neuen Religion wird hier von Boulainvilliers als Schutz vor Fremdreligionen beschrieben. Nur der Glaube der eigenen Vorväter habe den Arabern einleuchten können. Mahomet erscheint hier als der Retter der Religion der Vorväter vor dem Untergang durch fremde Bedrohung. Nicht der Polytheismus – zeitgenössisch Heidentum genannt – sondern Judentum, Christentum und Zoroastrismus sind demnach die wahren Gegner, zu deren Bekämpfung Mahomet seine Religion eingeführt habe. Diese Perspektive soll die von Prideaux genannten falschen Motive widerlegen. Die Wahrheitsfrage wird dabei jedoch nicht explizit berührt. Implizit kommt allerdings zum Ausdruck, dass Mahomet eine an die politisch-religiösen Umstände angepasste Strategie hatte. Dies ist keine Behauptung oder Widerlegung einer prophetischen

10.5 Das Werk

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Sendung auf der Ebene des religiösen Wahrheitsanspruches, sondern eine an historisch-politischen Betrachtungen entwickelte Hypothese, die den von Boulainvilliers zuvor gemachten Feststellungen über das Verhältnis Mahomets zum Christentum letztlich widerspricht. Die Wahrheitsfrage wird hier gar nicht mit Blick auf den Anspruch einer Religion bzw. mit Blick auf einen prophetischen Anspruch gestellt. Die Frage, die hier gestellt wird, ist vielmehr die der Angemessenheit und vernünftigen Erwägung. Man könne es wohl kaum glauben, dass ein Mensch, der keine andere Gabe als die Arglist und kein Versprechen als die Polygamie gehabt habe, ein ganzes Volk überzeugen könnte, das durch seine Tapferkeit in so kurzer Zeit einen so großen Teil der Welt eroberte. Sollte man nicht vielmehr glauben, daß diese Erlaubniß und die Hoffnung, welche er dem Männlichen Geschlechte machte, daß sie nach der Aufferstehung andere bekämen, entweder die Würckung seiner besondern Neigung gegen das Weibliche Geschlechte, oder eine Folge desjenigen Absehens gewesen, welches ein jeder vernünfftiger Gesetz-Geber vor die besondern und bey dem Volcke eingeführten Gewohnheiten haben muß, wenn sie das natürliche Recht nicht verletzen? (155)

Eine von Mahomet versprochene Polygamie könne kein Grund für seinen Erfolg sein. Dieser Schluss sei falsch, weil er voraussetze, „daß Arabien vor der Sendung dieses eingebildeten Prophetens keine Kenntniß von der Vielweiberey gehabt, und daß dieselbe nicht im gantzen Morgenlande üblich gewesen“ (161). Jedes Volk habe seine gewohnten heiligen Gebräuche, die von den Begriffen und Gebräuchen anderer nicht abhingen; jedes folge den besten Schlussfolgerungen aus den bekannten Grundsätzen und also habe jedes Volk seine besondere Religion, seine Gesetze und seine Verfassung der Gesellschaft eingeführt. „Daß solchergestalt die Chineser nach einem gewissen Begriffe der Erkenntniß, die Araber in einem andern, und die Christen nach dem vollen Lichte der Offenbarung, keine andere Schlüsse aus ihren Grund-Sätzen ziehen können, als denen sie gefolget sind.“ (161) Darum solle man 1) die Gewohnheiten anderer Länder in Ehren halten; 2) willig diejenigen unterrichten, „so aus keiner Boßheit irren“ (161); 3) die von Vorurteilen Verblendeten beklagen; 4) nicht durch angedichtete falsche Grundsätze fremde Umstände und Ansichten verleumden und schließlich (5) in der Person des Mahomets selbst […] erkennen, daß ein Mensch, welcher so grosse Dinge so wohl in der Religion als in dem Staate entworffen, und mit so grossen Glücke ausgeführet hat, wegen seiner natürlichen Mängel kein verächtlicher Gegenstand gewesen sein könne. Die gesunde Vernunfft verbindet uns vielmehr zu urtheilen, daß, wenn er ein Betrüger gewesen ist, er sowohl viele andere übertreffende Eigenschafften besessen haben muß, andere Leute davon zu überzeugen, sie zu Annehmung seiner Meinungen zu bewegen, und sich unterwürffig zu machen, als sein Betrug beständig den Schein einer vollkommenen Wahrheit wenigstens bey denjenigen, die er verführet, gehabt hat. An statt, daß wir ihn aller Gaben, welche zu seinem

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guten Glück geholffen haben können, bloß zu Vergnügung eines Hasses, berauben, welchen ein jeder Christ mit Rechte wider den größten Feind seiner Religion fassen kan: (obgleich in der That diese gute Eigenschafften oder Gaben dem Christenthume auf keinerley Art weder Vortheil noch Schaden bringen, weil von einem Manne die Rede ist, der vor mehr als tausend Jahren gestorben;) sollte man erkennen, daß diese Rachbegierde unsere Beurtheilung abgeschmackt hat; denn dafern bey dem Glücke dieses Mannes keine natürliche Mittel etwas beygetragen haben, so kan man desselben Fortgang niemand als GOtt beylegen, wodurch die GOttes-Verächter denselben zu beschuldigen Gelegenheit bekommen, daß er die halbe Welt in Irrthum gestürtzet, und seine eigene Offenbarung gewaltsamer Weise zu Grunde gerichtet habe. (162–163)

Mit dieser Einschätzung beschließt Boulainvilliers seine Vorbemerkungen zu Mahomets Lebenslauf, der sich, beginnend mit einem sehr ausführlichen Geschlechtsregister, anschließt. Die Begegnung mit einem Abt habe zu der Fabel von dem Mitbetrüger Sergius Anlass gegeben, der Mahomet den Koran abschnittweise zugeschickt haben soll. So etwas hätte nach Boulainvilliers die Araber nie überzeugen können. Er versteht diese Geschichte vielmehr als den Anfang eines gewissen Mitleidens Mahomets mit keuschen Einsiedlern und Mönchen im Gegensatz zu seiner Abneigung gegen Bischöfe, Priester und die ganze weltliche Geistlichkeit. Der zitierte Vorwurf an Mahomet wendet sich hier zu einem Vorwurf Mahomets an den Klerus. Die Beschreibung dieser Abneigung Mahomets liest sich wie ein Spiegelbild zu den Vorwürfen gegenüber Mahomet, wie man sie im 18. Jahrhundert lesen konnte. Diese Geistlichkeit sei eine politische Versammlung solcher Menschen, die sich in dieser Absicht miteinander vereiniget, die Religion zum Dienst ihrer Begierden, ihrer Fleisches-Lust, ihres Geitzes, ihrer Pracht und ihrer Herrschafft anzuwenden, und welche das Geheimniß gefunden, das Volck zu überreden, daß ein blinder Gehorsam, so sie von ihm forderten, von demjenigen unabtrennlich wäre, den man GOtt zu erweisen schuldig ist. Uber dies hält er sie vor die wahrhafften Urheber so vieler Streitigkeiten, welche damals das Christenthum zertheilten, vor die Erfinder der Aberglauben selbiger Zeiten, und endlich vor falsche Lehrer, welche sich nach ihren Umständen, ihrem Range, und nach dem Maasse ihrer besitzenden Fähigkeit bemüheten, alle Menschen in Irtthum zu vertieffen. (189)

Ausführlich werden die Verhältnisse in Persien und Syrien vorgestellt, die Mahomet genau studiert habe. Einerseits habe er zerrüttete Staaten vorgefunden, andererseits habe er viele Kenntnisse aus diesen Reisen erlangt: „Man kan leicht urtheilen, daß Mahomet vermöge seiner richtigen und gegründeten Einsicht aus dergleichen Mißbrauchen seinen Staate, wo dieselben die Oberhand hatten den nahebevorstehenden Untergang und die unausbleibliche Zergliederung prophezeien mußte.“ (201) Mahomets Prophezeiung/Prophetie ist für Boulainvilliers also eine Vorhersage aus begründeter Einsicht. Er schreibt:

10.5 Das Werk

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Man kan hierinne mit seinen Mutmassungen n[o]ch weiter gehen und gedencken, daß ihn diese Uberlegungen damals dahin geführet auf Mittel zu dencken die Arabische Nation zu vereinigen, und mit selber nachgehends ein Reich nach dem andern über einen Hauffen zu werffen, wie er es auch 35 oder 40 Jahre hernach ausgeführet hat. (201)

Mahomets Biographie wird politisch geschildert, seine Absichten und Pläne sind staats- bzw. machtpolitischer Art. Wir müssen noch weiter gehen: denn wenn wir die Mittel untersuchen, welche dem Mahomet als dienlich zur Erlangung der Vereinigung der Gemüther in Sinn gekommen seyn können, wodurch der Anfang zu einem solchen Wercke gemacht werden mußte, so wird man leichtlich urtheilen, daß darzu nichts geschickter als die Religion gewesen ist, worzu die Araber, wie wir sie im vorhergehenden beschrieben haben, eine natürliche Neigung hatten: welche, wenn sie klüglich in acht genommen wurde, sie zur Thorheit und Fantasterey verleiten konnte. (201–202)

Mahomet rechnete nach Boulainvilliers also mit einem gewissen Unverstand und mit fanatischen Zügen unter den Arabern als er seine Religion einführte. 10.5.6 Mahomet und das zeitgenössische Christentum – „Reformation“? Eigentlich hätte Mahomet die Araber mit Hilfe des wahren und moralisch guten Christentums vereinen müssen, aufgrund des schlechten Zustands dieser Religion in seiner Gegend und dessen Verbindung zum Römischen Reich war ihm dies aber nicht möglich. Allein zum Unglück mußte Mahomet, da er die Christliche Religion wegen ihrer Wahrheiten und der Richtigkeit ihrer Sitten Lehre dazu hätte erwählen sollen, wider die Mißbrauche, so er bey Ausübung derselben beobachtete, so hefftig aufgebracht werden, daß er sich vielmehr verleiten ließ dieselben anzugreiffen, als dasjenige, was rechtschaffene Christen mit Verdruß und Betrübnis erdulden mußten, darinne zu verbessern. Uber dieses bildete er sich ein, daß die Macht und Religion der Römer so genau mit einander verknüpfft wäre, eine ohne die andere nicht angreiffen zu können. (202)

Boulainvilliers scheint hier in Erwägung zu ziehen, dass Mahomet das Christentum eigentlich hätte reformieren können. Doch Boulainvilliers schränkt diese von ihm vorgestellten Pläne Mahomets noch einmal ein, wenn er schreibt: Ich verlange nicht zu behaupten, daß er zur Zeit seiner ersten Reisen sich dergleichen hohe Anschläge gemacht; sondern ich stelle nur den wahren Zustand und die Beschaffenheit vor, darinne sich die Römer und Persianer befanden, und auf welche er nachher den Entwurff einer neuen Religion gebauet, die ihm zum Mittel dienen sollte ihre Herrschaft zu zernichten. (202)

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Mahomets Religion wird hier also konsequent als ein Herrschaftsinstrument geschildert. Über ihre Wahrheit oder Unwahrheit werden keine Aussagen gemacht. Mahomet habe zweifellos das Alte und Neue Testament gelesen und sie glücklich im Koran angewendet. Die offensichtlichen Änderungen beschreibt Boulainvilliers als Anpassungen an sein Umfeld und als Korrekturen von überkommenen Lehren der Väter. Seine Absicht sei gewesen, die Araber auf seinen Lehrbegriff zu bringen und der Erfolg seiner Absichten hing vom Grad der Überzeugung ab. Aus Alexander dem Großen, der den wahren Gott nicht kannte, einen Propheten zu machen, sei allerdings mehr ein Zeichen von List und Geschicklichkeit als von Unwissenheit, denn Mahomet habe die Araber davon überzeugen wollen, dass Gott die Propheten manchmal zu Eroberungen bestimmt habe. Die christliche Religion habe er nicht geradezu, „sondern verblümter Weise“ (204) im Hinblick auf ihm bekannte Missbräuche angegriffen. Boulainvilliers beschreibt hier eigentlich einen vernünftigen Christen, wenn er folgende Grundlinien zeichnet: Denn da er nicht allein einen einigen GOtt zum Grunde aller Wahrheit in der Religion legte; Die Nothwendigkeit ihn zu lieben, und den Gehorsam gegen seine Gesetze, welcher auf nichts anders als den rechten Gebrauche der uns von ihm geschenckten Vernunfft beruhet, darauf baute, sondern auch über dieses die Auferstehung, das Jüngste Gerichte, und die Belohnung als die sonderbarsten Lehr-Sätze des Christenthums behielte, auch endlich die Wahrheit der Sendung JESUS Chrisus, seine Geburt von einer Jungfrau, seine Wunder und die Heiligkeit seiner Lehre bekannte, so hat er dem Ansehen nach alles angenommen, welches das Christenthum selbst als vor das unglaublichste hält: Daß solcher Gestalt dasjenige, so er davon weggelassen, dem Augenscheine nach nur die Mißbräuche betraff, welche er ohnmöglich billigen konnte. (204)

Dieser vernünftige Kritiker des Christentums habe folgende Lehren „ohnmöglich billigen“ können: 1) Die Erbsünde und die Notwendigkeit der Erlösung durch Jesus Christus; 2) den Bilderdienst als Beigesellung der Heiligen mit Gott; 3) die Inkarnation des Wortes bzw. die Zweinaturenlehre; 4) die Unterscheidung Gottes von seinem Geist und damit 5) die Trinitätslehre: […] so war seine Meinung ohne einige Absicht auf die Platonische Welt-Weißheit oder die Betrachtungen derselben Schüler, die wahrhaffte Ehre GOttes zu behaupten, und die Menschen zum Gebrauch der gesunden Vernunfft anzuführen, wenn er alle verwirrte, zweydeutige und streitige Begriffe abschaffte, welche bisher zu so vielen Streitigkeiten Anlaß gegeben hatten, und den Glauben der Rechtglaubigen auf das Bekenntniß eines einigen GOttes gründete, welcher das gantze Welt-Gebäude erschaffen hätte, und ein Vergelter des guten und bösen wär, daher er durch ein GrundGesetze alle diejenigen verdammet, welche GOtt jemand an die Seite setzten, und die Einigkeit des göttlichen Wesens mit Zutheilung eines Sohnes und Geistes ausser ihm selbst verunstalteten. (205–206)

10.5 Das Werk

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In dieser Perspektive erscheint Mahomet als Vertreter einer vernünftigen Religion, wie sie im 18. Jahrhundert diskutiert wurde, als ein Mann, der eigentlich das ihm zeitgenössische Christentum reformierte. Hier zeiget sich, wie sich Mahomet einen Abriß und Lehr-Begriff von einer von allen Streitigkeiten befreyten Religion vorgestellet, welche kein eintziges Geheimniß vorträgt, so der Vernunfft Gewalt anthat, und die Einbildung der Menschen trotz aller Vorurtheile und blinden Eifers, die sie öffters aus sich selbst bringen zu einem einfältigen und unveränderlichen GOttes-Dienste anwiese. Ein Lehr-Begriff, welcher von keinen unverständgen Mönche noch von einem verrückten Betrüger, an die Hand gegeben worden seyn kan, welcher sich ausdrücklich einen mit allen Lastern und natürlichen Fehlern beladenen Menschen ausgelesen haben sollte, daß sie nachgehends alle Arglist und Schelm-Streiche anwenden müssen, ihn vor einen Propheten gelten zu lassen; Vielmehr scheinet er die Frucht eines langen und starck[e]n Nachdenckens zu seyn, welches er über den Zustand und die Beschaffenheit der damahligen Welt, und die Ubereinstimmung der Gegen[ent]würffe der Religion mit der Vernunfft angestellet, welche letztere jederzeit was beurtheilet werden soll, entscheiden muß. (206).

Die so beschriebene religiöse Reformation bezeichnet Boulainvilliers als „erstaunendes Werck“ (207). Sie sei die Frucht von Mahomets Reisen gewesen, nicht nur aus Hass gegen die Mißbräuche, sondern aus Mitleid für die Unterdrückten „in Vergleichung der Freyheit, die man in Arabien obschon ohne Pracht und Reichthum genoß“ (207). Dies ging „diesem Hertzen, welches man heutiges Tages einer barbarischen Grausamkeit beschuldiget, so nahe, daß er bey Erzehlung seiner Reisen, und was ihm darauf begegnet war, seine Rede allezeit mit diesen Ausdrückungen beschloß: Die Griechen sind gleichwohl Menschen! Welches sein Mitleiden und Verlangen ihnen Linderung zu verschaffen, bezeugte.“ (208)

Nach Boulainvilliers hatte Mahomet auf seinen Reisen also ein vernünftiges Reformprogramm erarbeitet, das er nun umzusetzen begann. Trotz der moralischen und vernünftigen Qualitäten, die ihm dieser Text bescheinigt, wird Mahomet hier weiterhin als „vorgegebene[r] Prophet[…]“ (209) bezeichnet. Er habe mit 28 (!) Jahren Chadije („Chadije oder Chadijah“) geheiratet, mit 36 eine weitere Frau nehmen wollen, Aischa, die Tochter Abu Bakrs. Danach habe er sich nicht mit Jungfrauen, sondern mit verstoßenen Ehefrauen oder Witwen eingelassen, „und er betrog sich auch in seiner gefaßten Hoffnung nicht, bey ihnen mehr Annehmligkeit, mehr Gefälligkeit, und mehr Aufführung oder Beobachtung des Wohlstandes zu finden.“ (215) Boulainvilliers erzählt hier keine religiöse Biographie als Verlaufsgeschichte, sondern eine politische Biographie inklusive religiös-vernünftigem Reformprogramm zur Erlangung politischer Macht. Als Anfangszeit für sein Vorhaben habe Mahomet das vierzigste Lebensjahr festgesetzt, „als die zur Reiffe des Verstandes, und den Kräfften des Leibes

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geschickteste Zeit“ (216–217). Wie viele Frauen Mohamed wann gehabt habe, lässt sich nach Boulainvilliers nicht mehr klären. Es müssten viele gewesen sein, und das sei nach Boulainvilliers auch nötig zur „Linderung seiner vielen Kopfarbeiten“: Mann kan die Zeit der andern Heyrathen Mahomets, deren nicht wenig waren, unmöglich so genau bestimmen, welche er so wohl wegen seiner starcken und muntern Leibes Beschaffenheit, als auch zur Linderung seiner vielen Kopfarbeiten nöthig hatte, da er wegen Ermangelung einer recht feurigen Liebe an keine mehr so feste ergeben war. (217)

Dieses Thema, Mahomet und die Frauen, umschreibt Boulainvilliers abschließend folgendermaßen, wobei er Mahomet nun doch wieder als Propheten charakterisiert, als Werkzeug Gottes, was seiner vorherigen Skizze der Prophetie Mahomets widerspricht: Endlich wird es allzeit Mühe machen uns einzubilden, wie es möglich gewesen, daß ein Mann bey dem so ernsthafften Wesen eines Propheten, welcher mit Unterweisung des Volckes, mit Verbesserung der Lehre und Sitten beladen war; der ein vertrauter Freund des Allmächtigen und das Werckzeug seiner Verheissungen und Drohungen, ein unermüdeter Prediger der ewigen Wahrheiten, welche ihm von einer Minute zur andern eröfnet wurden, und folglich seine beständige und tägliche Aufmercksamkeit hätten erfordern sollen, zu gleicher Zeit gegen die Lüste so empfindlich und demselben so ergeben seyn können, welche nur vor wenig beschäfftigte Personen, und deren Einbildungs-Krafft nicht mit weit lebhaffteren und angenehmern Empfindungen als des Leibes eingenommen ist, gemacht zu seyn scheinen. Über dieses ist annoch erstaunend, daß ein Mann, der so grosse Anschläge im Kopffe hatte, welcher wegen des vielen Nachdenckens über den gemachten Entwurff der Ruhe so nöthig hatte (davon die Mittel sehr unter ein ander verworren und die Folgerungen von einem unbeschreibliche Umfange seyn mußte, die sich der Verstand schwerlich vorstellen könnte;) wie ein solcher Mensch, sage ich, sich freywillig und als ein Vergnügen, welches seiner Haupt-Absicht so wenig gemäß war, so viel Bekümmerniß, Verwirrung und Unruhe über den Hals laden können, welche unnachbleiblich von einer so grossen Gesellschafft eingesperter, und zugleich begieriger Weiber, welche gern alles wissen wollten, was ihren Mann angienge, der sich tausend Glücks-Fällen aus setzte, davon zum wenigsten Schaam und Schande auf sie zurück fallen könnte, erreget werden musten. […] Kurtz, es war eine Unanständigkeit, vor einem so angesehenen und zu einem solchen reiffen Alter gekommenen Mann, dergleichen Schwachheit zu zeigen, welche annoch so viel andere voraus setzet, daß in diesem Stücke Mahomets Aufführung gar nicht zu entschuldigen scheinet. (219–220)

Mahomets Umgang mit den Frauen war nach Boulainvilliers für solch einen reifen Mann unanständig.

10.5 Das Werk

249

10.5.7 Noch einmal: War Mahomet ein Betrüger oder nicht? – Boulainvilliers’ Selbstbeschreibung Boulainvilliers stimmt Prideaux darin zu, dass die bislang bekannten Quellen ein wirkliches Wissen von Mahomets Leben nicht hergäben, und er widmet sich der Frage: War Mahomet ein Betrüger oder nicht? Allein wenn es erlaubet die vernünfftigsten Gedancken darüber zu eröffnen, so glaube ich man könne sagen, Mahomet habe als ein Betrüger sein Geheimniß keinen Menschen entdecket; und solches um so vielmehr da seine Entdeckung unnützlich gewesen wär, weil der glückliche Fortgang fast immer seine Hofnung überstiege, und sein innerstes ihm diejenige unvergleichliche und unnachahmliche Wohlredenheit darbot, welche aller Hertzen an sich zoge. (225)

In Boulainvilliers’ Fassung gilt Mahomet offenbar als ein Betrüger, allerdings als einer, der die Wahrheit sagte: „Kurtz alles was er gesaget ist wahr, in Ansehung der wesentlichen Lehr-Sätze der Religion; allein er hat nicht alles gesaget, was wahr ist; und in diesem eintzigen unterscheidet sich unsere Religion von der seinigen.“ (226) Mit diesem Satz ist der Kern des Urteils Boulainvilliers’ über Mahomet erreicht. Dementsprechend erklärt Boulainvilliers sich nun selbst, ordnet seine ungewöhnlichen Ausführungen zu Mahomet seiner Person bzw. seinen Auffassungen zu. Er schreibt: Hiernechst ist es Zeit auf mich selbst zukommen, und mich bey dem Leser wegen des Eindrucks, welchem die in gegenwärtiger Erzehlung von mir gebrauchte morgenländische und arabische Schreib-Art machen könnte, zu rechtfertigen. Ich bin ein Christe so wohl als er, und bekenne mich zu ihrer Lehre eben so aufrichtig als er; allein zwey Grund-Sätzen bin ich zu wider, über welche wir bis anhero mit den Muselmännern gestritten haben. Der erste ist: daß sich in allem was sie glauben und thun, kein vernünfftiger Bewegungs-Grund finden soll, und man solchergestalt bey derselben Annehmung allen natürlichen Verstande gute Nacht gegeben haben müste. Der andere bestehet darinne: daß Mahomet ein so plumper und barbarischer Betrüger gewesen, dessen Betrügerey und Verführung ein jeder hätte einsehen sollen und können. Wider diese Grund-Sätze behaupte ich erstlich; daß ohne die Gnade der Christlichen Offenbarung, welche uns in weit höhern Grade erleuchtet, als Mahomet erkennen und wissen wollen, kein Lehr-Gebäude wahrscheinlicher, mit der Einsicht der Vernunft so einstimmig, so tröstlich vor die Frommen, und so schrecklich vor die muthwilligen und unachtsamen Sünder als das seinige ist; und daß man in den dadurch eingeführten Ubungen des GOttesdienstes augenscheinlich die Ursache und den Beweiß entdecket, warum die Muselmänner so fest an ihrer Religion halten: dieses durch unsere Bekehrungs Gesandten mehr als zu bekannt, da sie selbst den wenigen Fortgang unter ihnen zu bekennen gezwungen sind. Vor das andere, daß Mahomet, als ein Betrüger weder plump noch barbarisch gewesen, und seine Unternehmung mit aller Kunst, mit aller Zärtlichkeit, mit aller Standhafftigkeit und

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Unerschrockenheit geführet, welche Alexander und Cäsar bey diesen grossen Absichten hätten zeigen können, wenn sie an seiner Stelle gewesen wären. Es ist gewiß, daß seine Sitten viel rauher als dieser zwey Welt Bezwinger waren; daß ihm der Eigennutz, der Geitz, die Pracht und Verschwendung weniger bekannt gewesen, an deren statt er die Religion zum Bewegungs Grunde seiner kriegerischen Unternehmungen anwendete. (226–227)

Mahomets Religion ist für Boulainvilliers also nach der christlichen die Vernünftigste. In eigenartigem Wechsel geht Boulainvilliers nun noch einmal auf das angefangene Thema ein. Er halte es eigentlich gar nicht für nötig, sich wegen seiner aus arabischen Büchern und Ausdrücken entlehnten Schreibart zu entschuldigen, schließlich schreibe er nur zum Zeitvertreib.

10.5.8 Mahomet als Prophet Im Jahre 611 habe Mahomet die Verwandlung von der Privatperson zum Propheten vollzogen; eigenartig sei, dass seine Offenbarungen den Ereignissen nie vorausgingen, sondern immer nur zur Erklärung dienten. Es handelt sich also um ein anderes Verständnis von Prophetie. „Die Begriffe so wir von der Gabe der Prophezeyhung haben, sind von der Araber ihren sehr weit unterschieden.“ (228) Man verstehe Prophetie nach dem Vorbild der israelitischen Propheten (Jesaja, Jeremia, Daniel u. a.), dass Propheten das Zukünftige beinahe so gut wüssten wie Gott selbst. Die Araber hingegen hielten die Gabe der Prophezeyhung vor kein Geschenk GOttes, so schlechterdings nothwendig, als wie wir es uns einbilden. Sie glaubten, daß sie allezeit mit den natürlichen Gaben derjenigen, die sie erhielten oder nach der Anwendung, zu welcher die Vorsehung in Unterweisung derjenigen, an welche sich die Propheten selbst gewendet, kenntbar gemachet worden sind. (229)

Prophetie müsse man mit den Arabern ganz anders verstehen, nicht als Vorhersage, sondern als eine Art Redekunst: Da es aber abgeschmackt wär sich einzubilden, daß der Prophete diese zukünfftige Dinge eben so klar erkannt hätte, als wie wir sie nach derselben Erfolg erkennen, so begnügen wir uns nur zu sagen, daß er nur einen ziemlich verwirrten Abriß davon gehabt hat, welcher ihm auch selbst unverständlich gewesen seyn würde, wofern ihm nicht ein Engel den selben auf göttlichen Befehl erkläret hätte. Also müssen wir überein kommen mit den Arabern zu glauben, daß die Erkänntniß des Zukünfftigen nicht so wohl, als die Geschicklichkeit nachdrücklich zu reden und zu schreiben, und dadurch die Men[s]chen aus dem Irrthume zu reissen und zu mehrer Aufmercksamkeit, welche sie ins besondere auf die Gerechtigkeit und Wahrheit zu wenden, verbunden sind, zu bewegen eigentich einen Propheten gemachet, und von andern unterschieden habe. (231)

10.5 Das Werk

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Zur Annahme von Mahomets Lehren seien keine Wunder nötig gewesen, wie die Araber sie nach jüdischem Vorbild und dem Vorbild Christi gefordert hätten. Ein Mann der Belehrung müsse seinen Worten eher durch vernünftige Schlüsse Nachdruck geben. Dass Jesus Wunder tun und sich selbst auferwecken musste, um seine Gottheit zu erweisen, sei klar. Seine Sittenlehre hätte dies aber eigentlich nicht gebraucht. Mahomets Sittenlehre und die aus der Vernunft demonstrierbare Einheit und oberste Gewalt Gottes brauchten dies ebenso wenig. Nicht die Prophezeiung künftiger Dinge, sondern Beurteilungskraft, Beredsamkeit und herzhafte Anwendung derselben zur Unterweisung der Menschen charakterisiere einen Propheten. Daraus folgert Boulainvilliers: Alles, was man Mahomet mit Grund entgegenhalten könne, liefe auf die Verneinung seiner Lehren und Gebote oder der Wahrheit seiner Sendung hinaus. Seine Lehre habe im Übrigen „keinen andern Mangel als die Unzulänglichkeit in Ansehung der Christlichen Religion“ (234). Seine Lehre habe keine anderen Beweise für sich als ihren Erfolg und ihre gute Moral. Sie ist damit in Boulainvilliers’ Darstellung eine rein vernünftige Lehre. Also läuft alles, was man dem Mahomet mit Grunde entgegen setzen kan, auf die Verneinung seiner Lehren u. eingegebenen Gebote, (welches noch einer grossen Schwierigkeit unterworffen ist, da seine Lehre keinen andern Mangel als die Unzulänglichkeit in Ansehung der Christlichen Religion hat,) oder auf die Verneinung der Wahrheit seiner Sendung hinaus, welche keinen andern Beweiß als seinen glücklichen Farth und die Schönheit seiner Sitten-Lehre hat. (234)

Auch diese Überlegungen sind in die geschichtliche Erzählung eingeflochten, zu der Boulainvilliers nun wieder mit der Erscheinung Gabriels im Jahre 611 zurückkehrt, um daran die Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte des Korans, sowie Auslegungsfragen anzuschließen. Übrigens sind auf diese erste Erscheinung innerhalb zwey und zwantzig Jahren so viele Ausstreuungen von dieser Art, und die einer so grossen Anzahl Verse erfolget, daß man ein gantz Buch daraus gemacht, welches die Musulmänner Coran oder AlCoran, wenn man den Artikul dazu setzet, nennen […]. (241)

Wegen der ihm beigelegten Eigenschaft des Wortes Gottes gelte der Koran als das höchste Gesetz. Boulainvilliers erläutert dies an den Nachfolgestreitigkeiten und dem Streit um die (Un-)Erschaffenheit des Koran. Mahomet habe das Geheimnis seiner Erscheinungen zwei oder drei Jahre erfolgreich gehütet und sich zuerst Chadije anvertraut. Sie war die erste, „der er seinen Prophetischen Beruff, und einen Entwurf aller Mittel, die er sich ausgedacht die Religion und den öffentlichen GOttesdienst in der Reinigkeit, die er sich vorgestellet hatte, wieder herzustellen, offenbarte“ (249). Chadije habe begriffen, dass dies nicht nur das Volk einen, sondern auch Eroberungen ermöglichen könnte, „welche den Ruhm und den Namen ihres Mannes so hoch als die berühmtesten Krieges-Helden erheben würden“ (250), und darum habe sie ihren Mann immer wieder in seinem Anliegen bestärkt.

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10. de Boulainvilliers La vie de Mahomet

10.5.9 Doch ambition and lust – also Betrug? Unter der Hand entwickelt sich Boulainvilliers’ Darstellung damit auf Prideaux zu, der Mahomets Motive in ambition and lust gesehen hatte. Nachdem Boulainvilliers die sexuelle Begierde Mahomets als notwendigen Ausgleich für die „anstrengende Kopfarbeit“ vorgestellt hatte, kommt die Frage des Ruhmes in den Blick. Chadije erkenne das politische Potential und den winkenden Ruhm für ihren Mann. Bleibt die Frage des Betruges. Prophetie beschreibt Boulainvilliers als vernünftige und herzliche Beredsamkeit, nicht als Vorhersage. Die Art der Prophetie ist somit kein Betrug. Dass Mahomet den Erzengel Gabriel getroffen habe, wird von Boulainvilliers erzählt, nicht aber kommentiert oder gar problematisiert. Hier hatte Prideaux, der von der Betrugshypothese ausging, Zweifel angemeldet. Boulainvilliers tut dies nicht. Betrug bleibt das Vorgehen Mahomets offenbar dennoch, das legt schon die Wortwahl Boulainvilliers’ nahe, wenn es heißt, die christlichen Schriftsteller bemühten sich unablässig, „die Betrügerey des Mahomets mit aller nur möglichen Schande zu beladen“ (250). Worin bestand dann aber Mahomets Betrug? Die christlichen Schriftsteller verglichen Mahomets Verführung der Chadije mit der Schlange im Paradies. Die Mahometanischen Scribenten würden aber nirgends davon berichten, dass Chadije sich an der Ausbreitung der Lehre beteiligt habe. Interessant ist, wie Boulainvilliers die Bekehrung Abu Bakrs schildert. Mahomet „bemächtigte sich seines Gemüthes“; er habe Abu Bakr durch die Schilderung der Unterdrückung des arabischen Volkes durch Perser und Römer „zu eben der Schwermerey, welche ihn selbst eingenommen hatte“ gebracht (253). Die Aufnahme der eigennützigen Juden sei ein Fehler gewesen. Diese würden den Bund mit Gott bald vergessen, wenn sie sich nur des Vermögens der Araber mit Gewalt bemächtigen könnten und die fruchtbarsten Gegenden des Landes einnähmen. Nach Erwähnung dieser antijüdischen Rede, in der auch die Stammvaterproblematik erwähnt wird, äußert Boulainvilliers sich wiederum zwiespältig: „Hierauf überfiel der Geist GOttes, oder vielmehr die Raserey die Einbildungs Krafft des Mahomets, daß er eine neue Rede anfieng, wie ein ausser sich gebrachter Mensch zu thun gewohnt ist.“ (254) Das Unglück des Landes, so habe Mahomet dem Abu Bakr darauf erklärt, liege im Götzendienst begründet. Hier überschneidet sich in Boulainvilliers’ Darstellung die politische Analyse Mahomets mit seinem religiösen Reformplan. Die Art der Umsetzung – Boulainvilliers’ Charakterisierung von Mahomets Prophetie – wird an Mahomets Schwiegervater erstmals deutlich geschildert: Diese Rede voller Feuer und Hefftigkeit wurde so weit getrieben, als es Mahomet vor seinem Zuhörer dienlich erachtete und darauf mit einer geschickten Sittsamkeit und

10.5 Das Werk

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verstellten Furcht abgebrochen als wenn ihn sein Eifer zu allzu hefftigen Worten verleitet, da es ihm vielmehr lieb war, daß er seine Meinung gegen einen weisen Schwieger Vater auf solche Art entdecket hatte, von dessen Liebe gegen sich er versichert war. Er sahe auch gar bald die Würckung seiner Rede, und hatte die Freude sich deswegen viel zu wissen, da er bemerckte, daß seinem Zuhörern so lange dieselbe dauerte, die Thränen aus den Augen drangen. (254–255)

Mahomets Betrug besteht für Boulainvilliers offenbar in der Verstellung, in der er alle intellektuellen und rhetorischen Mittel gebraucht, die in seinem Sinne gereinigte Religion gegen den Götzendienst zu propagieren. In Boulainvilliers’ Darstellung handelt es sich um eine Art vernünftiges Christentum ohne jeden ausgesprochenen Bezug zum Judentum. Nicht Gott spricht hier vermittelt durch Gabriel und Mahomet, sondern Mahomets politische, religiöse, philosophische und rhetorische Klugheit, ja Meisterschaft verschaffen sich Ausdruck. Nach Boulainvilliers’ Prophetiebegriff ist dies in der Sache legitim, im Gebrauch des Gottesnamens vielleicht aber nicht. Darüber findet sich hier keine Auskunft. Abu Bakrs Gebet und Bekenntnis werden zitiert und erläutert. Er bekennt: „Ich überlasse mich dir, und wünsche, ein wahrhafftiger Musulmann zu seyn, das heist“, so fährt Boulainvilliers fort, „ein Nachfolger der Religion des Ismaels und Abrahams, welcher durch seinen Namen Islam seinen Anhängern den Namen Moslem mitgetheilet, woraus wir Musulmann machen.“ (256) Boulainvilliers zitiert lange Passagen aus Sure 25, die Mahomets Verhältnis zu den Propheten vor ihm erläuterten und ihm Anhänger unter den vornehmen Mekkanern verschafft hätten. In Boulainvilliers Perspektive hatten Mahomets Gegner in Mekka seine Absichten offenbar erkannt: „Welcher unter dem Vorwande der Religions-Verbesserung öffentich bemühet war, sich zum HErrn über aller Gemüther zu machen sie zu unbekannten Absichten anzuführen, welche sie [die Gegner] ohnfehlbar von der Regierung ausschlossen.“ (265) Großes Interesse zeigt Boulainvilliers an Bekehrungsgeschichten und ihrem Niederschlag im Koran. In diesem Zusammenhang findet sich jedoch immer wieder die Rede von dem „eingebildeten Propheten“ (z. B. 272, 287) oder „vorgegebenen Propheten“ (z. B. 285, 300). Die Gottesgelehrtheit Mahomets habe sich nur auf drei Grundsätze bezogen: Einheit Gottes, Lohn und Strafe im künftigen Leben, Sendung der Propheten bis Mahomet. Mehr als diese Grundsätze habe er auch später nicht gelehrt. Sein Sittengesetz habe er „nach und nach erfunden und wie sich die Gelegenheit darzu ereignet eingeführet“ (276). Auf die drei Fragen der Juden von Medina, die die Mekkaner zur Prüfung Mahomets eingeholt hätten, habe Mahomet klug geantwortet, „da diese Fragen auf den Fuß eingerichtet waren, daß er ohne Anwendung einiger List entweder seine Unwissenheit oder den Mangel der Offenbahrung gestehen mußte“ (299). Allerdings sei seine in der 18. Sure niedergelegte Antwort das „allerschwächste Stück des Alkorans“ (300).

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Mahomets einzige eigentliche Prophezeiung im Sinne der Vorhersage (Sure 30) ist für Boulainvilliers kein Argument, Mahomet eine prophetische Gabe zuzuschreiben, denn es handele sich um unbekannte Ausdrücke, die nicht durch weitere ähnliche Prophezeiungen im Koran unterstützt würden und eine „sehr lebhaffte Einbildungs-Krafft“ (316) könne auf so etwas auch kommen. Auf diese aus fanatischer Einbildung kühn hervorgebrachte Prophezeiung habe Mahomet, „der größte und beste Redner seiner Zeit“ (317), nichts gegeben, denn er habe sie offensichtlich nicht zu seinem Nutzen angewendet. Diese Prophezeiung gegenüber den Römern (Sure 30) sei die einzige im Koran, die anderen Zuschreibungen fänden sich nur in den nach seinem Tod aufgezeichneten Sammlungen seiner Taten und Worte und hätten nicht dasselbe Ansehen wie das Buch seiner Offenbarungen. Mit dieser Feststellung schließt Boulainvilliers’ zweiter und letzter Teil.

10.6 Der nach Boulainvilliers’ Tod angefügte dritte Teil des Buches – Der weitere Lebensweg Mahomets Die dritte Teil stammt von einem anderen Verfasser.19 Einleitend heißt es: ES ist nicht nöthig dem Leser zu melden, daß sich hier die Arbeit des Herrn Grafen von Baul-Amivillers endet. Man wird in dieser Fortsetzung weder dieselbe SchreibArt, noch dergleichen besondere Betrachtungen als in den zwey ersten Büchern antreffen. Ich will mich bloß damit begnügen, die verschiedenen Begebenheiten dieser Historie mit aller Aufrichtigkeit und in möglichster Kürtze zu erzehlen, wie ich sie in Abulfeda, Prideaux, den Abt Maracci, Herbelot und andern [Gagnier] gefunden habe, die etwas von diesem Betrüger geschrieben haben. (318)20

Es wird eine in Urteilen eher zurückhaltende Verlaufsgeschichte geboten, in der das Wort Betrug oder Betrüger gleichwohl vorkommt. Auch die Ausdrucksweise ändert sich. So werden aus den Mahometanischen Scribenten (vgl. z. B. 250) der ersten Teile im angefügten dritten Teil Muselmannische Lehrer (vgl. 328). Von den Mekkanern bedrängt, Wunder zu zeigen, habe Mahomet eine Reise von Meccha nach Jerusalem, und von da nach dem Himmel erdichtet, allwo er aus dem Munde GOttes selbst dasjenige Gesetz erhalten, so er in der Welt einführen wollte. Allein, so ein grosser Betrüger auch Mahomet gewesen seyn mag, so ist es doch nicht wahrscheinlich daß ihn jemahls in Sinn gekommen seyn sollte eine 19 Jean Gagnier hatte nach Durchsicht der ersten beiden Teile eine Fortschreibung dieses Buches abgelehnt. 20 Abu’l-Fida (Abulfeda; 1273–1331); Humphrey Prideaux (Prideaux; 1648–1724); Ludovico Marracci (Abt Maracci; 1612–1700); Barthelemy d’Herbelot de Molainville (Herbelot; 1625–1695); [Jean Gagnier; 1670–1740].

10.6 Der angefügte dritte Teil des Buches

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dergleichen Fabel zu erdichten, die voller Thorheiten und handgreifflicher Widersprüche steckt, und solches ist um so vielmehr glaublich, da man ja in dem gantzen Alkoran nicht einen eintzigen Umstand findet, womit die Ausleger diese reise begleiten. (327–328)

Man müsse mit den meisten Muselmannischen Lehrern diese Reise „in einem mystischen Verstande annehmen“ (328). Im 13. Jahr seiner Sendung habe Mahomet seine Lehre politisiert. Bisher hatte er nur den wahren Gottesdienst wieder einzuführen erklärt, nun habe er seinen Anhängern das Paradies als Belohnung ihrer Tapferkeit versprochen; Sure 9,47 und 66 gingen darauf zurück. Gott gebe hier Befehl, die Ungläubigen umzubringen und den für die gerechte Sache Streitenden verspreche er reiche und herrliche Vergeltung. Vor der Hidschra habe er Christus nachgeahmt und sich 12 Apostel genommen, die seine Anhänger nach Medina führen und künftig leiten sollten. Seine Flucht erfolgte nach Bekanntwerden der Mordpläne gegen ihn. In Medina habe er sich um die Bräuche gekümmert. Der „falsche Prophete“ (335) habe die Gebetsrichtung von Jerusalem nach Mekka zur Kaaba geändert, aus Ehrerbietung dem Tempel gegenüber und zur Abgrenzung von den Juden. Der „falsche Prophete“ sei nun mit mehr als der Unterrichtung des Volkes und dem ewigen Heil beschäftigt gewesen und habe Größeres vorgehabt, Anschläge, die ihm sein Ehrgeiz eingegeben habe. Solche auszuführen, hielt er vor nöthig an statt der Vernunfft-Schlusse und Predigten Gewalt zu gebrauchen. Daher bef[a]hl er seinen Schülern sich zum Kriege fertig zu halten, u. alle diejenige über die Klinge springen zu lassen, wenn sie seine Lehre nicht annehmen, oder wenigstens einen Jährlichen Tribut zu Erkauffung ihres Lebens zu erlegen sich anheischig machen wollten. (335–336)

Dies sei ein „barbarische[r] Befehl“ und der Anfang der Kriege Mahomets. Es folgt eine Übersicht über die Kriege und über diverse Neuerungen in der Umma und Mahomets Einladungen zum Glauben, die er in die umliegenden Reiche verschickte sowie über die Einnahme Mekkas und Arabiens. Bey so grosser Vermehrung der Macht dieses Betrügers, kam ein solches Schrecken über alle Araber, welche das Gewicht seiner Waffen noch nicht empfunden hatten, daß sie sich alle diesem neuen Sieger freywillig unterwarffen. Da nun seine Regierung mit seiner Religion jederzeit im gleichen Paare gieng, so wurden auch beyde in diesem Jahre in allen Arabischen Provintzien fest gesetzet; wohin er kurz hernach seine Verweser schickte, welche den Gottesdienst einrichten, und in seinem Namen die Regierung verwalten mußten. (368)

Nach der Abschiedswallfahrt werden Mahomets Krankheit durch die Jahre zuvor erfolgte Vergiftung und sein Ende beschrieben. Auf diese Art endigte dieser berühmte Betrüger sein Leben, der aus einem schlechten Caravanen-Kaufmann ein Allein-Beherrscher Arabiens wurde, und ein Reich stifftete, welches zwar, nachdem es in 80. Jahren zu der höchsten Staffel der Ehre und

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Hoheit gelanget, zerstöret wurde, aus dessen Uberbleibseln aber drey andere Monarchien entstunden, welche noch biß auf den heutigen Tag im Flore sind. (372)

10.7 Viele Positionen in einem Buch – Mahomet, ein auch durch Betrug erfolgreicher Staatsmann, der die Wahrheit sagte und als polemische Karikatur verkleidet erscheint So wie sich bei genauer Lektüre viele Positionen Boulainvilliers’ finden lassen, so wirkt das 1742 in Erfurt erschienene Buch insgesamt durch sein Äußeres, das Vorwort und den nicht von Gagnier, sondern von einem unbekannten Autor kompilierten dritten Teil sehr heterogen.21 Der Titel nennt Mahomet den „Maximus Infernorum Conquestor“. Die Karikatur des Frontispizes ist mit schmähenden Versen versehen. Im Vorwort erscheint Mahomet als Betrüger, geschildert mit drastischen Worten. Nach Abzug dieser Verbalinjurien erscheint er in diesem Vorwort des Verlegers Johannes David Jungnicol allerdings als Vertreter einer vernünftigen Religion. Welche Strategie in diesen Auffälligkeiten steckt, lässt sich nur erahnen.22 Deutlich ist aber, dass dem Verleger Jungnicol die Zielgruppen klar gewesen sein mussten, für die er dieses Buch mehrfach verkleidete.23 21 Schwierigkeiten bei der Interpretation markiert Ahmad Gunny; vgl. Gunny, Perceptions, S. 62–65. 22 „Autoren und Verleger versuchen […], ,Protokolle‘ möglicher Lektüren schon im Buch einzuschreiben und dessen Rezeptionsweisen durch typographische Verfahren, Leseanleitungen etc. vorzuschreiben, u damit bestimmte Sinneffekte zu erzeugen.“ (Sarasin, Geschichtswissenschaft, S. 38–39). 23 Der Rezensent der Franckfurtischen gelehrten Zeitungen sah offenbar keine auffälligen Spannungen zwischen den verschiedenen Ebenen des Buches. Auch identifizierte er es offensichtlich nicht als das Werk Boulainvilliers’ mit Zusätzen, sondern umgekehrt als Werk eines (deutschen) Anonymus unter Verwendung Boulainvilliers’; vgl. Franckfurtische gelehrte Zeitungen 1742, 508–510: „Von denen Begebenheiten dieses Mahomets haben nun viele Autores in ihren ReiseBeschreibungen ein und das andere berühret, da aber dieselbe nicht in der teutschen Muttersprache geschrieben, so daß solche auch von Ungelehrten mögen gelesen und verstanden werden, so hat der Autor sich bemühet, die gantze Geschichte dieses Seelen-Mörders und teuffelischen Apostels aufs fleißigste aufzusuchen, und mit einer deutlichen Erzehlung jedermann in der teutschen Sprache verständlich zu machen; auch hat er sonderlich gezeiget wie daß dem Teufel durch diese Mord-Kind dem Mahomet, ein mächtiger Streich gegen die Kirche GOttes gelungen; sintemahlen dieserwo die Lockungen und Reitzungen des Fleisches nicht hinreichen wollen, mit Feuer und Schwerdt bekehret, und diese Methode seiner verfluchten Posterität zu gleichmäßiger Praxi angerathen.“ (S. 508–509). Weiterhin heißt es hier zu dem Buch: „Sonsten dürffte das Sentiment, welches man in den Bayreuther wöchentlichen Auszügen aus denen neuesten Kirchen-Gelehrten-Natur- und Kunst-Geschichten p. 470. von diesen Werke lieset, wohl wahr seyn, daß der Hr. Autor in den beyden ersten Büchern sich der Arbeit des Grafens von Boul-Ainvillers bedienet, und solche in dem dritten Buche fortzusetzen gesuchet, in welchem man aber weder dieselbe Schreib-Art, noch dergleichen besondere Betrachtungen, als in den ersten zwey Büchern antreffen wird. Er hat die verschiedene Begebenheiten dieser

10.7 Viele Positionen in einem Buch

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Boulainvilliers’ hier anonymisiert übersetzte Texte liefern viele Positionen, aber kein geschlossenes Bild. Auffällig ist vor allem, dass Prophetie hier von Offenbarung und Vorhersage unterschieden und als intelligente Beredsamkeit, als rhetorische Überredungskunst erscheint. So ist Mahomet, dem großen Staatsmann, kein Betrug vorzuwerfen. Gleichwohl bezichtigt auch Boulainvilliers Mahomet der „Verstellung“ und bezeichnet ihn vielfach als Betrüger. Der angefügte dritte Teil schließlich, von einem unbekannten Autor verfasst, liefert keine positive Mahomet-Darstellung wie sie Boulainvilliers in den ersten beiden Teilen versucht, ist aber in der Interpretation Mahomets und seines Anspruches zurückhaltend. Dennoch wird klar herausgestellt, dass der „schlechte Caravanen-Kaufmann“ Mahomet durch (Religions-)Betrug zum „Allein-Beherrscher Arabiens“ geworden sei. Es finden sich also viele verschiedene Positionen in diesem seltsamen „Mimikry-Buch“. Anders geht Jonas Korte vor, der in seiner vielfach bearbeiteten und ergänzten Reisebeschreibung Mahomet mehr und mehr positiv schildert, dies nicht verbirgt, sondern in seine konfessionspolemischen Auseinandersetzungen einbezieht. Korte entwickelt seine positive Mahomet-Sicht in einem anderen Kontext und aus anderen Gründen. Man könnte erwarten, dass Korte Boulainvilliers’ Text positiv aufnimmt, doch er wird ihn in einem späteren Supplement zu seiner Reisebeschreibung kritisch kommentieren.

Historie mit aller Aufrichtigkeit und möglichsten Kürtze erzehlet, wie er solche in Abulfeda, Prideaux, dem Abte Maracci, Herbelot und andern gefunden hat, die etwas von diesen Betrüger geschrieben haben.“ (S. 510). In seiner Einschätzung ist der Rezensent also von den Bayreuther wöchentlichen Auszügen abhängig. Zitiert wird diese in Erfurt 1742 und 1750 erschienene Fassung nur 1747 von Jonas Korte (vgl. Kap. 11.4), nachdem die offizielle Übersetzung Theodor Arnolds erschienen war (vgl. Kap. 14).

11. Mahomet als bilderstürmender Eiferer nach dem Gesetz, kein Betrüger, sondern ein Werkzeug Gottes – Jonas Kortes Reise nach dem weiland Gelobten Land (1743) 11.1 Biographisches zu Jonas Korte (1663–1747)1 Die Hamburgischen Berichte von Gelehrten Sachen meldeten am 23. Februar 1748: Altona. Beim Ablauf vorigen Jahres beschlos der hiesige berühmte und dabey nicht ungelehrte Buchhändler, Herr Jonas Korte, welcher Zeit seines geführten Buchhandels allerhand schöne Werke verleget hat, im fünf und sechszigsten Jahr, seine von Jugend auf mit vielen besonderen Zufällen und Mühseligkeiten verknüpft gewesene Walfahrt. Er hatte zwei bis drei Brüder, die zugleich mit ihm zu Kopenhagen, Flensburg u.s.f. wo sie ihre offene Läden hatten, den Buchhandel besorgeten, und so wie er in einem ehelosen Stande lebeten, unter welchen unser sel. Hr. Jonas Korte sein rühmliches Leben am höchsten gebracht hat.2

Er habe zunächst sehr erfolgreich auf den besten Messen und Jahrmärkten mit den neuesten Disputationen aus Holland und Deutschland gehandelt und dann selbst Bücher verlegt und auf Messen getauscht. Der Erfolg habe es ihm ermöglicht, in Altona einen offenen Buchladen in einem neuen, zu diesem Zweck gekauften Haus zu eröffnen. Dieses weltlichen Geschäfts sei er aber müde geworden, habe den Buchladen auf seine Brüder und Verwandten übertragen und sich auf Reisen begeben, ein Vorhaben, das ihm lange vorgeschwebt habe. Der Nachruf berichtet von einer Reise bis Konstantinopel und einer Reise ins gelobte Land. Er habe lange eine große Begierde nach einer solchen Reise gehabt. Hinzu kam noch dieses, daß er mit dem berühmten D. Petersen und vielen andern unserer und voriger Zeiten, in dem festen Wahn und der ungezweifelten Hofnung stand, der Herr Christus würde vor dem Ende der Welt noch einmal wiederkommen, und ein tausendjähriges reich auf Erden anrichten, da denn endlich noch vor dem Abflus dieser tausend Jahre, Juden und Heiden zu unserm Heiland, (vielleicht durch 1 Vgl. dazu Fortsetzungen und Ergänzungen zu Christian Gottlieb Jöchers allgemeinem GelehrtenLexico […] von Johann Christoph Adelung und vom Buchstaben K fortgesetzt von Heinrich Wilhelm Rotermund, Bd. 3, Leipzig 1810, Sp. 697–698. 2 Hamburgische Berichte von Gelehrten Sachen Nr. 16. 1748, S. 121–124; Zitat S. 121.

11.1 Biographisches zu Jonas Korte

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noch neue und grössere Wunderverrichtungen desselben) würden bekehret, und unter ihren grossen Hirten Christo, in eine Herde versamlet werden. Zu dieser grossen Begebenheit nun, die er nicht mehr ferne hielte, dauchte ihm kein Ort auf der Wet bequemer und besser zu seyn, als eben die Gegend, wo dieser grosse Seelenhirte vor siebezehnhundert Jahren seinen Marterkampf ausgestanden, und nach Vollendung dessen, was er thun und leiden sollte, zuletzt auch seine siegrieche Auferstehung und Himmelfahrt gehalten hatte. Denn einmal dachte er, liegt dieser Ort gleichsam mitten auf der Erden, daß alle Völker auf dem ganzen Erdkreis sich am leichtesten und bequemsten von allen Orten und Enden dahin versamlen können: Zweitens könte es nicht fehlen, es müste dieses Land und diese Stadt (nemlich Jerusalem,) dem Heiland vor andern noch am Herzen liegen, wo er so viel Gutes ausgerichtet, und so viele Verwandte, Jünger und Herzensfreunde theils im Leben gehabt, theils hinterlassen hätte, so daß er auch aus diesem Grunde kein Bedenken tragen würde, daselbst seine tausendjährige Herrschaft anzurichten[.] So tief nun diese Meinung bey dem Wohlseligen eingewurzelt und eingesessen war, so starck war seine Sehnsucht, die Lage und Gegenden des heutigen Jerusalem zu sehen und aufs genaueste zu betrachten. (122–123)

Der Nachruf sagt mehr als Kortes eigene gedruckte Texte. Korte äußerte sich in seiner Reisebeschreibung über Spener, nicht aber über Petersen und/oder dessen Apokatastasis-Vorstellungen. Außerdem erwartete er das Heil aus dem protestantischen Europa, wo im Gegensatz zum römischen, zu den morgenländischen Christen und den Juden im Geist und in der Kraft gelehrt würde, wie man es in seiner Reisebeschreibung wieder und wieder zu lesen bekommt. Die Verehrung der Stätten im Heiligen Land ist für ihn heidnisch und abergläubisch und er setzt alles daran, zu beweisen, dass die dafür von morgenländischen und römischen Christen gewählten Orte schon historisch-geographisch falsch sind. Er ist seiner Auskunft nach nicht nach Jerusalem gereist, weil dort das Reich anbrechen würde, sondern um zu sehen, wie sich Gottes Gericht als warnendes Beispiel für die Menschheit in Erfüllung der Schrift dort zeige. Kortes Anteilnahme an den Hallenser Bemühungen zur Judenmission brachen noch vor seiner großen Reise ab (s. u.). Hervorgehoben wird im Nachruf auch Kortes Geduld, Gelassenheit und Selbstverleugnung; seine Liebe zu Gott und seinem Wort. Durch Gnade und Gewohnheit habe Korte es so weit gebracht, „daß man ihn mit allem Fug einen christlichen Stoiker nennen konte“ (124). Interessanterweise nennt der Nachruf Petersen, nicht aber Kortes intensive Kontakte nach Halle, wo er sich auch mehrfach und lange aufgehalten hat. Verschwiegen wird auch sein Einsatz für die Herrnhuter. Es scheint, als sollte Korte trotz aller Wertschätzung letztlich als Ketzer vorgestellt werden, der auf Christi Wiederkunft in Jerusalem gehofft habe. Jonas Korte wurde im Jahre 1683 geboren. Über seine äußeren Umstände ist wenig bekannt. Sein Vater muss Dorfschulmeister gewesen sein, wie man neben anderen Umständen aus seinen autobiographischen Notizen erfährt. Er

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11. Kortes Reise nach dem weiland Gelobten Land

selbst war mit 20 Jahren Dorflehrer in Bocksdorf bei Dresden und wollte, statt ins Amt eines Dorfschulmeisters einzuheiraten, eine Reise nach Hamburg und nach Lübeck zu einem Onkel mütterlicherseits machen. In Stellung gekommen, gelangte er 1709 zur Armee nach Brabant. Im Alter von 25 Jahren erkrankte er heftig in Rotterdam und erlebte dort in diesem Zusammenhang eine Bekehrung. Schon mit zwanzig Jahren, um 1703, wollte er eine Reise ins gelobte Land machen. Die 1713 angetretene Reise nach Jerusalem führte ihn aber nur bis Konstantinopel. Nach dieser Reise gab er seine erfolgreiche Buchhandlung an seine Brüder und Verwandte ab. Er pflegte eine Korrespondenz mit Johann Heinrich Callenberg (1694–1760), gehörte zwischenzeitlich zum Freundeskreis von dessen Institutum Judaicum in Halle und leitete auch Spenden über seine Buchhandlung weiter.3 Korte war eine gewisse Zeit Verteiler der Institutsberichte. Dass er ein aktiver Vertreter der Judenmission war, lässt sich für seine späten Jahre allerdings nicht belegen.4 Dass Korte aber bereits vor 1741, vielleicht auch vor seiner großen Reise mit der Gegend um Halle vertraut gewesen sein muss, zeigt ein Vergleich, den er bei der Schilderung einer von ihm bereisten Gegend anstellt, die nicht sehr dicht besiedelt sei. Korte schreibt dort, dass um Halle die Landschaften, Dörfer und Städte blühten, während es im früher gelobten Land Brachen gebe. Wer ein geistliches Auge habe, sehe, dass dieses Land von Gottes Gericht betroffen sei, wer nicht – wie die dortigen Christen und Mahommedaner – hielte sich für einzig rechtgläubig.5 Auch zu Herrnhutern, die er 1735 in Leipzig traf und über Hamburg nach London begleitete, hatte Korte intensiven Kontakt.6 1737 bis 1739 reiste er 3 Im Archiv der Franckeschen Stiftungen befindet sich die Korrespondenz zwischen Korte und Callenberg. Eine Spendenweiterleitung aus Rotterdam ist durch einen Brief von Andreas Boynd an Gotthilf August Francke, Rotterdam, den 28.08. 1733 belegt (AFSt/H C 368 : 4). 4 Er wurde nur bis 1736 im Verzeichnis der Freunde geführt; vgl. Christoph Rymatzki, Hallischer Pietismus und Judenmission. Johann Heinrich Callenbergs Institutum Judaicum und dessen Freundeskreis (1728–1736), Tübingen 2004 (Hallesche Forschungen 11), S. 367, Anm. 385. 5 „Auf dem Peters-Berge bey Halle habe mehr als einmahl bey sechzig Städte, Flecken und Dörfer umher mit eins gezehlet, andere aber, welche schärfer gesehen, bis etliche und siebenzig. Und ich bin versichert, die schöne fruchtbare Ebene, die ich von Hiram bis Antiochia überreiset, könte deren eben so viel haben, sie lag aber gantz wüste, und ich bekam nicht über drey Dörfer auf der gantze Tage-Reise darinn zu Gesichte. In solch ein leiblich Elend sind diese Länder hingegeben, nachdem sie sich des geistlichen Segens, den sie in vorigen Zeiten gehabt, verlustig gemacht. Die Entziehung des geistlichen Segens aber fällt niemand in die Augen, der nicht selbst ein geistlich Auge zu sehen überkommen hat, und der noch kleine Uberrest der elenden Christen glaubts nicht, daß GOttes Gerichte sie getroffen habe, denn sie halten sich ebenfalls für die orthodoxe Kirche allein, die Mahometaner aber [halten sich; fehlt in 2. Aufl.] für die allerreinglaubigsten, oder allerorthodoxesten, und andere für Abgötter.“ (2. Aufl. 624–625; vgl. 1. Aufl. 1741, S. 472–473.) 6 Vgl. Adelaide Lisetta Fries, The Moravians in Georgia 1735–1740, Baltimore 1993 (Repr. 1905), S. 38 ff. Im August 1735 traf Jonas Korte in Leipzig mit eine Gruppe Herrnhuter zusammen, die auf dem Weg nach Georgia waren. Er reiste mit ihnen gemeinsam nach London. Unterwegs machte man drei Wochen Station in Altona, wo Korte und seine Familie in gutem Kontakt mit der Gruppe von 25 Herrnhutern waren. Am 2. Oktober kam man in London an, Korte zog mit den

11.2 Die verschiedenen Auflagen und Supplemente

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schließlich nach Venedig, Alexandria und Kairo; er verbrachte gegen Bezahlung vier Wochen bei Franziskanern in Jerusalem und bereiste auch Bethlehem. In Jerusalem traf er auch den Reiseschriftsteller und späteren Bischof von Ossory/Irland, Richard Pococke (1704–1765). Korte reiste weiter nach Laodicäa, Aleppo und nach Mesopotamien. Er kam Mitte 1739 zurück nach Venedig, ab 1741 hat er sich in Halle aufgehalten. Korte starb Ende 1747 in Altona.

11.2 Die verschiedenen Auflagen und Supplemente seines Reiseberichts In den letzten Jahren seines Lebens veröffentlichte Korte drei Auflagen eines Reiseberichtes über die genannte mehrjährige Reise, versehen mit insgesamt vier Supplementen. Die erste Auflage erschien 1741 in seinem eigenen Verlag, die zweite ist neu strukturiert, vermehrt und verbessert. Ab dieser Auflage erschien sein Reisebericht bei Grunert in Halle.7 Ein Vergleich der ersten mit der zweiten Auflage zeigt, dass nicht zuletzt die Passagen über Mahomet in Kortes Hallenser Zeit eingetragen wurden, als er offenbar Bibliotheken nutzen konnte, wie neu eingetragene Autoren (unter ihnen Francke, Bengel, Reland u. a.) belegen. Die bis 1747 geschriebenen und bis 1751 erschienenen Supplemente machen darüber hinaus deutlich, wie sehr das Thema Jonas Korte beschäftigte. Zur Vorstellung des Buches wird die zweite Auflage herangezo25 Kolonisten in ein eigens angemietetes Haus, um bis Ende Oktober 1735 auf die Weiterreise mit dem Schiff von General Oglethorpe zu warten. Korte unterstütze die Gruppe auch finanziell und schickte Güter für sie nach Savannah in Georgia. 7 Auch das Verlagsprogramm der Kortes spiegelt Jonas Kortes Interessen und Verbindungen. So erschien neben Dissertationen Mosheims und Langes dort zum Beispiel 1740 eine Schrift Zinzendorfs, verlegt von David Korte, diesmal in Leipzig, zusammen mit Johann Christoph Stöhr in Büdingen, der viele Streitschriften der Herrnhuter verlegte: Ludwigs von Zinzendorff Erwartete Erklärung über Herrn A.G. in Franckfurt Unter dem Nahmen Eines vernünfftigen und unpartheyischen Berichts, Von der sogenannten neu.aufkommenden Herrnhuthischen Gemeine, Lediglich wider Ihn und noch ein paar ungenannte Personen aus Franckfurt MDCCXXXVIII. An Herrn Jonas Paulus Weißen, Kaufmann in Nürnberg gerichtete Und nun schon zum dritten mahl gedruckte Klag-Schrift. Büdingen, Bey Johann Christoph Stöhr, und Leipzig bey David Korte. 1740. Und 1744 erschien eine gegen S. J. Baumgartens Gutachten und u. a. auch gegen Fröreisens Streitschriften gerichtete Verteidigung Zinzendorfs: Siegfrieds Bescheidene Beleuchtung des vom Herrn D. Baumgarten Prof. Theol. Ord. zu Halle im zweyten Stück des I. Theils seiner sogenannten Theologischen Bedencken gefälleten, und nicht nur an sich selbst ziemlich deciciv gerathenen, sondern noch darzu publicirten, Urtheils über die Evangelisch-Mährische Kirche A.C. und bey dieser Gelegenheit auch über deren Evangelische Lehrer, in specie aber den Herrn Grafen von Zinzendorff, und das Seminarium Theologicum; bestehende in einer aufrichtigen Wiederholung des Bedenckens selbst und dessen pünktlicher Erörterung, sodann in einer neuen Anfrage über eben dasselbe Objectum, und deren gründlich und ausführlichen Beantwortung. Nebst einigen Beylagen. [Altona] Bey den Gebrüdern Korte. 1744.

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11. Kortes Reise nach dem weiland Gelobten Land

gen und jeweils vermerkt, was in dieser Auflage neu hinzugekommen ist. Einige thematisch weiterreichende, durch Korte jeweils neu eingetragene Aspekte der insgesamt vier Supplemente zu den insgesamt drei Auflagen des Werkes (1741, 1743 und 1751) werden weiter unten erwähnt.

11.3 Darstellung der Aspekte nach der zweiten (der „Hallenser“) Auflage von 1743 Das Buch trägt den Titel Jonas Kortens, ehemaligen Buchhändlers zu Altona, Reise nach dem weiland Gelobten Nun aber seit siebenzehn hundert Jahren unter dem Fluche liegenden Lande.8 Das Vorwort zur zweiten Auflage stellt eine neu strukturierte Erweiterung der ersten Fassung von 1741 dar. Es gäbe so viele Reisebeschreibungen über das gelobte Land, schreibt Korte hier, dass es als überflüssig erscheinen könnte, nun noch eine weitere vorzulegen. Seine Beschreibung weiche aber in wesentlichen Stücken von anderen ab, sie gehe andere Wege. Als Veranlassung seiner Reise gibt Korte weder die Neugier noch Geschäfts- oder Handelsinteressen an, sondern einen besonderen inneren Trieb. Schon als zwanzigjähriger Lehrer in Bocksdorf bei Dresden habe ihn eine Bibelstelle sehr bewegt. In 5. Mose 29,22 heiße es: Es würden Frembde aus fernen Landen kommen, und sehen, was der HErr an diesem seinen abtrünnigen Volcke und Lande gethan habe. u.s.w. Diese Worte gaben mir schon damals einen Eindruck, als ein GOttes-Wort, und ich ging von selbiger Zeit an mit dem Gedancken um, das Land selbst zu sehen, an welchem GOtt die Grösse seiner Güte und seines Ernsts besonders geoffenbaret, und welches er der gantzen Welt, vornehmlich aber der Christenheit, zu einem warnenden Exempel auf eine so eclatante Weise gesetzet. (a3r–a3v)

Diese Aussage verdeutlicht, in welchem Sinne aus Kortes Sicht das weiland gelobte Land nun seit 1700 Jahren unter dem Fluch liege. Korte gibt sich als bekehrter, wiedergeborener Christ zu erkennen. Er beschreibt in den autobiographischen Bemerkungen des Vorworts seine Bekehrung mit folgenden Worten: Da aber in solchen Diensten [bei einem ungenannten Herrn] 1709. zur Armee nach Brabant ging wurde in Roterdam in meinem 25ten Jahr von einer heftigen Kranckheit befallen, an welcher bey 14. Wochen zubrachte, auch dem Tode schon im Rachen gestecket, aber durch einen starcken Arm zurück gerufen worden. Durch diese 8 Jonas Kortens, ehemaligen Buchhändlers zu Altona, Reise nach dem weiland Gelobten Nun aber seit siebenzehn hundert Jahren unter dem Fluche liegenden Lande, Wie auch Nach Egypten, dem Berg Libanon, Syrien und Mesopotamien, Von ihm selbst aufrichtig beschrieben, Und bey dieser zweyten Auflage mit zwey Supplementen vermehret. Auf Kosten des Autoris. Halle, gedruckt bey Joh. Christian Grunert, 1743.

11.3 Darstellung der Aspekte nach der zweiten Auflage

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Kranckheit und durch göttliche Gnadenzüge wurde angetrieben, GOTT hertzliche Busse oder Bekehrung zu geloben. In welcher Aengstlichkeit ich anderthalb Jahre hinging, darauf ich in meinem 26/27ten Jahre auf einer Seereise nach England Gnade und Vergebung der Sünden empfing, dabey auch Freudigkeit und Einsicht, dass es eine grosse Seligkeit sey, wenn wir, nach dem evangelischen Sinn, in der Welt nichts haben noch verlangen, als Nahrung und Kleider, und also bey unserer Hände Arbeit GOtt walten lassen, und ihm zutrauen, er wisse schon, was wir bedürfen. Vorher hatte ich die Reise nach dem Lande Canaan bey nahe für was unmögliches, ohne einen Goldbeutel, gehalten, ietzo aber gedachte bey mir selbst also: Du suchst nun nichts mehr in der Welt, verlangest nichts zu seyn, noch zu werden, weder Haus noch Hof zu haben; so kan dirs gleich viel seyn, wo du in der Welt bist, an Nahrung und Kleidern kan dirs ja nicht fehlen, wenn du arbeiten wilst, was dir vorkommt. (a4r–a4v)

Sein erster Versuch, mit dieser Haltung ins gelobte Land zu reisen, sei aus Kleinmut gescheitert. „Die rechte Ursache der Unruhe aber war, daß ich wohl fühlte, daß ich den wahren Seelen-Frieden nicht hätte.“ (a5r) Korte änderte noch einmal seine äußeren Verhältnisse: Beides [Umkehr und mangelnder Seelenfrieden] triebe mich auch an, meine Buchhandlung, zu welcher ich inzwischen in einer Zeit von zwanzig Jahren, ohne mein Suchen kommen war, und bey welcher auch zeitlichen Segen reichlich gespüret hatte, völlig zu übergeben, und zwar bey einer Gelegenheit, die mir auch von selbsten zu Handen kam. (a5r)

Diese Gelegenheit beschreibt Korte allerdings nicht näher. Gibt aber ausführlich Auskunft über den Zweck und das Ziel seiner Reise.

11.3.1 Zweck und Ziel seiner Reise Nach Übergabe seines Geschäfts habe er einen zweiten Versuch gestartet, seine Reise anzutreten. Die im Gebet erlangte Gewissheit, eine Reise nach Gottes Willen vorzuhaben, sei noch durch zwei, „wegen gewisser PersonalUmstände“ (a6r) nicht zu erzählende Zeichen des göttlichen Willens bestärkt worden. Der Hauptzweck seiner Reise sei gewesen als ein Fremder aus fernen Landen zu sehen, wie GOTT seine Drohungen an diesem ehemals gesegneten Lande so pünctlich erfüllet habe, um dadurch so wol für meine Person die Wahrheit der göttlichen Zeugnisse und Weissagungen desto überzeugender einzusehen, und so denn auch ein Zeuge derselben Wahrheit zu seyn, bey denen, die nicht Gelegenheit haben, mit Augen anzuschauen, was der HErr an diesem Lande gethan hat. (a6r–a6v)

Dieser Zweck bestimme die Schreibart seines Reiseberichtes und aus diesem Grund habe er auch diverse Meditationes in seinen Text eingefügt. Korte bringt den Wunsch zum Ausdruck, dass ein Ingenieur den – seiner Meinung

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11. Kortes Reise nach dem weiland Gelobten Land

nach fälschlich so bezeichneten – Kalvarienberg untersuche. Durch „einen accuraten Riß“ (a6v) solle dieser Irrtum aller Welt vor Augen gestellt werden, mithin der abgöttischen Verehrung dieser Oerter dadurch ein solcher Stoß gegeben würde, daß die betrogenen Leute einmal die Augen aufthun, und erkennen lernten, wie sie nun so lange Zeit im Finstern getappet, und vermeinet, einen Gottesdienst ausgeübet zu haben, der doch dem Gottesdienst des neuen Bundes im Geist und Wahrheit, welchen uns unser Heiland gelehret, gerade entgegen stehet, und auch so gar lauter Irrthum und Betrug zum Grunde habe. (a7r)

Diese Bemerkung zeigt deutlich das Motiv, das Heilige Land als Ort der falschen Kultverehrung dar- und dem wahren Gottesdienst des Geistes und der Wahrheit gegenüberzustellen. In diesem Kontext ist verständlich, dass nicht etwa Mahomet und seine Nachfolger, sondern das falsche abgöttische Christentum die eigentlichen Gegner sind; Mahomet also durchaus nicht grundsätzlich, vollständig und äußerst scharf abgelehnt werden muss. Dass diese Intention, die vermeintlich heiligen Stätten als falsche Orte der falschen Verehrung zu demaskieren, beibehalten wird, zeigt auch, dass Korte den Zusammenhang noch ausbaut. In der zweiten Auflage, so schreibt er im Vorwort, kommt auch zur Untersuchung des ächten oder unächten Orts, von der Creutzigung, Begräbniß (wodurch auch Creutzerfindung für eine vorsätzliche Bosheit ausgemacht wird) noch hinzu die Einsicht und Entdeckung, die Verehrung und Anbetung der falschen Stätte von CHristi Himmelfahrt. Wodurch denn erwiesen und ausgemachet wird, weil sie durch den alles vorher sehenden Geist GOttes mit einer leiblichen Blindheit geschlagen worden, an den Hauptörtern, da sie die eigentliche Gegend, geschweige die Stätten, nicht finden müssen, daß aller ihr äusserlicher Dienst, welchen sie mit heiligen Gräbern, mit Bildern, Reliquien der Heiligen, mit ihren Cörpern und Todtenknochen etc. treiben, für einen schändl. heidnischen Götzendienst, vor aller Welt Augen prostituirt und offenbaret wird. Ja der bey einem Christenvolck, dem die allergrössesten und von der Welt her verschwiegensten Geheimnisse, durch die Versöhnung des Lammes GOttes, die Vereinigung GOttes mit des Menschen Geist, und also der gantze Fall des Menschen wieder hergestellet wird; Ich sage, bey einem solchen Volck ist dieser Götzen- Huren und Zauberdienst viel höher und sträflicher anzurechnen, als keinen Heiden. Wie solcher von dem Geist GOttes in der H. Offenbarung auch also beschrieben ist. (a7r–a7v)

Den finanziellen Aufwand für eine Reise ausschließlich nach Judäa, was zu seinem Zweck genügen würde, bezeichnet Korte im Vergleich zum Nutzen als sehr gering. Was meynet man, solten nicht unsere Väter, zur Zeit der Reformation, auf solch eine Entdeckung gewendet haben? Auf eine solche Entdeckung, sage ich, die einen nicht geringen Einfluß in die Offenbarung des gantzen Geheimnisses der Bosheit haben wird, und daran also den Protestanten nicht wenig gelegen ist, ja darum es auch selbst den Römischen billig solte zu thun seyn, da so unzehliche Schätze jährlich aus Europa

11.3 Darstellung der Aspekte nach der zweiten Auflage

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umsonst hinaus geschleppet werden, theils für den entsetzlichen Tribut an die Türcken, theils zu Erbauung und Erhaltung dasiger Kirchen, Clöster und Capellen, theils zu Erhaltung so vieler Religiosen mit ihren Bedienten, Schenckungen und Allmosen, und was sonst muß aufgewendet werden. (a7v–b1r)

Es geht Korte also um eine Aufdeckung falscher Annahmen, um Aufklärung der in mehrfacher Hinsicht verklärten Situation falscher Verehrung an falschen Orten im weiland gelobten, nun aber unter dem Fluche stehenden Land. Es handelt sich bei seinem Reisebericht also um ein Aufklärungsbuch, das seine theologische Position im Gegensatz zum römischen Katholizismus und zum morgenländischen Christentum rechtfertigen soll. Korte räumt ein, dass manche seiner Anmerkungen zum Reisebericht „nach der gemeinen Art gar leicht könte verketzert werden, von denen, welche das Wesen der Christlichen Religion in Meinungen, oder auch ins Wissen von Wahrheiten setzen“ (b1r). Diejenigen aber, die an das Evangelium als eine Kraft Gottes glaubten, die selig und von Sünden frei mache, „denen vergeht das unzeitige und unbillige Tadeln und Verketzern, weil sie was wichtigers zu thun bekommen haben“ (b1r). Wahrhaft Glaubende verketzerten nicht. Korte legt nun sein Bekenntnis ab, das ihn zu dieser radikalen Ablehnung des Ketzermachens führt; er habe seit seiner Erweckung beinahe alle „Secten oder Religionen durchgelaufen“ (b1v), die wahre Ruhe des Herzens aber nicht gefunden. Denn die wahre Ruhe des Herzens bestehe allein darin, daß wir leben in dem Glauben des Sohnes GOttes, der sich selbst für uns gegeben, und uns geliebet und gewaschen von den Sünden mit seinem Blut, und daß wir mit freudiger Zustimmung unsers Hertzens sagen können: Ich lebe, aber doch nun nicht ich, sondern CHristus lebet in mir. Darin und in dem, was damit verbunden nach dem Wort GOttes, bestehet ietzo meine gantze Heilsordnung, alles andere Wissen ist mir gegen diesem nur ein Nebelwerck. (b1v)

Unter die von ihm erkannten Wahrheiten falle auch die Hoffnung besserer Zeiten (Spener) und die Bekehrung der Juden nach Röm 2, die er bei seiner Erweckung als Wahrheit erkannt habe. Korte wundert sich darüber, dass diese klare Sache von einigen Theologen nicht nur bezweifelt, sondern sogar mit ungemeinem Eifer bestritten werde. Weiterhin spricht Korte sich – mit Anspielung auf die sich verändernden Gutachten der Leipziger Theologischen Fakultät am Anfang des 18. Jahrhunderts – deutlich für die terministische Position (fester terminus peremptorius für alle Menschen9) aus, die er interessanterweise aber nicht auf alle Menschen, sondern „nur auf gewisse Personen und gantze Länder“ (b2r) bezieht, was seiner Meinung nach für niemand anstößig sein dürfte. Er vertritt damit also eine terministische Position, 9 Als Hintergrund vgl. Johann Georg Böse, Terminus peremptorius salutis humanae, das ist, die von Gott in seinem geheimen Rath gesetzte Gnaden-Zeit, worinnen der mensch, so er sich bekehret, kan seelig werden; nach deren Verflissung aber nachgehends keine Frist mehr gegeben wird, Frankfurt 1698.

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11. Kortes Reise nach dem weiland Gelobten Land

die nicht klar umrissen wird. Deutlich ist, dass er sich damit von Römern und morgenländischen Christen abgrenzt. Wieweit er auch eine Unterscheidung einer kleinen Schar innerhalb der Protestanten im Blick hat, wird zumindest nicht ausgesprochen. Gegen die römischen Katholiken, so hält Korte weiterhin fest, habe er nicht etwa aus Hass, Neid oder Verdruss geschrieben. Die Sache selbst, die er jeweils beschreibe, sei nicht zu leugnen. Korte betrachtet die Katholiken zum einen als „verdorbenes Pabstthum“ (b2v), zum anderen als Volk, in dem Christus noch verborgen wirksam sei. Nach dem ersten haben sie, als ein Pabstthum, das Wort der Propheten und Apostel so erfüllet, daß sie nicht anders anzusehen sind, als ein grundverdorbenes Heidenthum, welches bestehet aus Menschensatzungen, Kirchengeboten, jüdischen und heidnischen Ceremonien, welches vor GOtt gar nichts gilt. (b2v)

Ein besonderer Greuel seien Gott die Verehrung der heiligen Gräber, der Bilderdienst und die vielen Altäre mit ihrem Messopfer, für welche Aussage Korte sich auf Jer 7 und Offb 17 bezieht. Nach diesen Texten sei die römische Kirche – als Papsttum betrachtet – ein Geheimnis der Bosheit und ein Kind des Verderbens, „das alles Unglück, Krieg und Blutvergiessen angerichtet, durch die selbst erregten Religionskriege“ (b3r). Diese Kirche sei ein Mensch der Sünde, der die Sünde selbst tilgen wolle, „ein Gott der Erden, der sich gesetzet in den Tempel GOttes, die Hertzen und Gewissen der Menschen zu beherrschen“ (b3r), dagegen seien doch die Gläubigen selbst der Tempel Gottes. Die römische Kirche sei schließlich die „Mutter aller Hurerey und Zauberey, die allen Völckern eingeschenket hat, daß sie taumeln“ (b3r). In der anderen Hinsicht aber sei diese Kirche „ein Volck, das GOtt nach seiner Barmherzigkeit noch trägt und schonet“ (b3r), Christus wirke hier im Verborgenen, während er seine kleine Herde auch unter ihnen noch sammele, „bis er seine bestimmte Zahl voll hat“ (b3r). Korte sieht die römische Kirche also auch an, „wie die Juden vor dem Gericht der Römer, da der Stab über sie noch nicht gebrochen worden“ (b3r). Trotz dieser letzten Aussage gäbe es für protestantische Überläufer keine Entschuldigung, „weil sie solch eine Religions-Veränderung nicht anders, als aus zeitlichem Interesse treffen können, und dadurch zwiefältige Kinder der Höllen mehr werden, als sie vorhin waren“ (b3v). Korte wirft der römischen Kirche mehrfach List und Betrug vor, ein neuer Antichrist („Wiederchrist“ b4r) könne nicht so viel Schaden anrichten wie diese. „Vielleicht ist die Secte auch schon auf dem Wege“, schreibt Korte, „welche dem Faß den Boden ausstossen, und die Gerichte GOttes herzuführen wird.“ (b4r) 11.3.2 Wer ist der Antichrist? Die römische Kirche selbst sei der Antichrist. Korte erwartet außerdem das tausendjährige Reich Christi auf Erden, wie er es von Speners Hoffnung bes-

11.3 Darstellung der Aspekte nach der zweiten Auflage

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serer Zeiten her benennt.10 Gegen den Antichristen – die römische Kirche – wären andere Größen zweit- und drittrangig. Korte stuft dem entsprechend ab, und es verwundert nicht, dass er Mahomet und seine Anhänger und Nachfolger nicht als die Schlimmsten – oder gar als den Antichristen ansieht. Die antirömische Haltung weist Mahomet eine ganz andere Position zu, als es bei anderen Autoren zu lesen ist, wenn Mahomet klar mit dem Antichristen identifiziert wird. Korte sieht ihn vielmehr als Strafe und damit als Werkzeug Gottes (davon später mehr). Korte schreibt, er habe an der „Griechischen oder der ganzen Morgenländischen Kirche“ eine betrübte Sache entdecken müssen, „in welcher ich gern ein Lügner seyn wolte“ (b4r), wenn die Erfahrung es anders lehrte (was sie aber nicht tue). „Ich fürchte daher, daß an ihnen und den Mahometanern, als welche lauter Kinder ihrer Väter sind, in Ansehung ihres ewigen Heils, nichts dürfte zu thun noch auszurichten seyn, als was sie nach dem Gesetz der Natur mit allen Völckern gemein haben“ (b4r–b4v). Interessanterweise setzt er die Russen davon ab, ein Aspekt, den er erst in die zweite Auflage seines Buches, die in Halle erarbeitet wurde, einträgt: „Die ewige Liebe und Erbarmung GOttes in Christo JEsu gebe aber, daß jener betrübte Fall ihres Gerichts und Protestanten insgesamt, ja auch der gantzen Rußischen Kirche, zur Warnung, Nutzen und Besserung gereichen möge.“ (b4v) Der römischen Kirche würde er Gleiches wünschen, sie sei aber vor allem Licht der Wahrheit vor allem durch die Inquisition verschlossen. Sie sei, „wie die Offenbarung redet […] truncken worden […] vom Blut der Heiligen und Zeugen JEsu“ (b4v). Die Morgenländische Kirche erfahre ihr Gericht, die Mahometaner seien Kinder derselben Väter, beide seien verloren im Hinblick auf das ewige Heil. Die Protestanten sollten sich dies zur Warnung und Besserung dienen lassen. Den Römern sei dies – vergeblich – zu wünschen. Interessanterweise nimmt Korte die Russische Kirche aus; auch sie könne aus dem abschreckenden Beispiel der Morgenländischen Kirche lernen. Die Russische Kirche habe zwar eine schlechte Herkunft aus der Morgenländischen, stellt Korte in einem späteren, in die zweite Auflage eingefügten Kapitel fest (vgl. S. 500ff). Er räumt aber eine gewisse Hoffnung für diese nicht unter osmanischer Herrschaft stehende Kirche ein, die viele Kontakte nach Europa habe. Um die Orthodoxie dieser Kirche sei es zwar schlecht bestellt, sie habe keinen Anlass zu Hochmut oder Stolz wegen ihrer reinen Lehre, sondern müsse sich vielmehr fürchten. Aber es könnte sein, dass, „wenn der Herr Zeugen der Wahrheit unter ihnen selbst erweckete, oder auch von aussen ihnen zusendete, daß sie sich geneigt finden liessen, ihnen die Thüre zur Reformation willig aufzuthun“ (502). Zar Peter der Große habe schon einige Türen und Riegel zerbrochen, viele seiner 10 Ob er dabei auch an die Apokatastasislehre Petersens denkt, kann hier nicht diskutiert werden. Zumindest finden sich in seinem Text keinerlei Anspielungen auf derartige Vorstellungen, sondern nur Hinweise auf den Chiliasmus (Prämillenarismus) und auf Spener.

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11. Kortes Reise nach dem weiland Gelobten Land

Nachfolger seien vom Herrn wieder vom Thron gestoßen worden, der damit seine Herrschaft beweise. Die genannte Rückführung der Mahometaner auf die Morgenländische Kirche spiegelt sich auch in Kortes Darstellungen und Einschätzungen Mahomets, die er hier im Vorwort folgendermaßen kommentiert: Insonderheit wird das, was ich von Mahomet angemercket, demjenigen als etwas gar fremdes vorkommen, der von der Sache sein Lebelang keine Nachricht bekommen hat, als was man gemeiniglich davon zu erzehlen pfleget. Wer aber bedencket, daß man auch fremden Religions-Partheyen ihr Recht wiederfahren lassen müsse, wenn man sie fruchtbarlich wiederlegen, oder selbst an ihnen etwas ausrichten will, wie auch, daß ich der Lehre des Mahomets dadurch zum Nachtheil der Wahrheit im geringsten nichts eingeräumet, sondern mich nur bemühet habe, die Wege und Gerichte des gerechten GOttes zu entdecken, der wird auch dieses Capitel ohne Anstoß, und mit grossem Nutzen lesen können. (b4v–b5r)

Römer und Griechen bezeichnet Korte als Heiden.11 Damit steht der von denselben Vätern wie die Griechen stammende Mahomet nicht besser oder schlechter da als Römer und Griechen, die für Korte gleichermaßen Heiden sind, wie er es anlässlich der Wunderfrage bereits im Vorwort zum Ausdruck bringt, dem er in der zweiten Auflage nach editorischen Bemerkungen noch eine Art Schlussgebet anfügt. Das Werk selbst schildert in einem ersten Buch Kortes Reise von Europa über Ägypten ins gelobte Land. Das zweite Buch handelt von der Ankunft und dem Aufenthalt dort und enthält eine Beschreibung, in der u. a. bewiesen wird, dass Jesus nicht vom Ölberg, sondern von Bethanien aus zum Himmel gefahren sei (Kapitel 9) und dass schon die Kirchenväter den falschen Berg für den Kalvarienberg gehalten hätten (Kapitel 13). Hier finden sich Polemiken gegen die Gräberverehrung, wie sie bereits im Vorwort anklingen. Im dritten Buch wird die Reise aus dem gelobten Land durch Phönizien, Syrien und Mesopotamien geschildert und das vierte Buch berichtet von der Rückreise nach Europa. Das Mahomet-Bild einiger Passagen des Werkes soll nun kurz dargestellt werden. 11.3.3 Drittes Buch: Vom Gericht über die Morgenländische Kirche Vom Gericht über die Morgenländische Kirche handelt der Abschnitt 7. Die Morgenländische Kirche ist in Kortes Sicht dem Gericht verfallen. Dies ent11 „Was endlich meine Meinung von der Möglichkeit, daß auch unter Papisten, Griechen, ja unter allen Heiden, wircklich Wunder geschehen, betrift, so will ich den seligen Herrn Professor Rambach für mich das Wort reden lassen, der die Wunder der Egyptischen Zauberer für wahrhafte Wunder gehalten, und dieselben auch GOtt selbst zugeschrieben, wie in seiner Kirchenhistorie T.I.p.633. in der Note zu lesen. Denn alles, was er zu Vertheidigung seiner Meinung am besagten Ort beygebracht, das läst sich auch auf diese Passage füglich appliciren.“ (b5v).

11.3 Darstellung der Aspekte nach der zweiten Auflage

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spreche den Prophezeiungen des Propheten Daniel. Korte vertritt hier die Auffassung, dass Mahomet seine Anhänger aus morgenländischen Christen rekrutiert habe, und zwar als Strafe Gottes für falschen Glauben bzw. falsche Praxis. Zum ersten beweiset dieses ihren Bann und gäntzliche Hingebung in einen verkehrten Sinn, daß sie GOtt unter die Irrlehren des Mahomets verfallen lassen, indem ja die ietzigen Mahometaner in ihren Vätern Christen gewesen, der kleine Uberrest aber, so noch den Namen von Christen haben, nichts Christliches mehr im Leben und Wandel an sich zeigen, in ihren Ceremonien aber mehr heidnisch sind, daher sie auch ein Spott der Mahometaner worden, die sie ungläubige Abgötter nennen, wie denn auch noch dazu alle diese noch übrige Morgenländische Christen unter das Schwerdt der Mahometaner verkauft sind, welche diesen Nam-Christen ein eisernes Joch auf den Hals gelegt, durch Zinse, Zoll, Schatzungen und mancherley Drangsalen, ohne Hofnung, iemals frey zu werden. Israel, wenn sie an dem HErrn gesündiget, dienete weiland seinen Feinden etwa zehen, zwantzig oder viertzig Jahr, so erweckte er ihnen einen Heiland. Diese aber dienen ohne jede Hofnung iemals frey zu werden, wie das ietzige Israel selbst. (475)

Diese Herrschaft sei eine Strafe, wie die jüdische Ansicht, dass es eine Strafe Gottes sei, wenn Fremde fremder Religion über sie herrschten. Die Engländer hätten das kluge Gesetz erlassen, dass kein römisch-katholischer Regent über sie herrschen dürfe. Neben dem ersten Aspekt – der Fremdherrschaft – nennt Korte noch weitere Anzeichen dafür, dass die Morgenländische Kirche dem Gericht verfallen sei. Sie sei von Christus abgefallen, weil sich weder Männer Gottes, die im Beweis des Geistes und der Kraft lehrten, noch eine Gemeine Gottes als Braut Christi unter ihnen fände. Beides, wenn vorhanden, könnte unmöglich verborgen bleiben. Auch sei dort seit Jahrhunderten – im Gegensatz zum Westen – kein geistreiches Buch erschienen. Korte nennt hier offensichtlich seine Favoriten, wenn er auf Thomas Kempis’ Imitatio Christi, Johann Arndts Vier Bücher vom wahren Christentum und John Bunyans (1628–1688) Pilgerreise zur ewigen Seligkeit hinweist. Es handele sich dabei um geistreiche Bücher, „die sich von selbst an aller Menschen Gewissen, auch bey andern unpartheyischen Religions-Verwandten, als solche legimirten“ (477). Der vierte und letzte Aspekt ist, dass die dortigen Christen keinerlei Bekehrungserfolge unter den Mahometanern hätten: Zum vierdten können sie keinen eintzigen von ihren Feinden, den Mahometanern, mehr bekehren, davon gar kein Exempel vorhanden, da sie doch hierin mit den ersten Christen parallel stehen, deren Feinde auch die Herren des Landes waren, und Feuer und Schwerdt darauf gesetzt hatten, dessen ohngeachtet jene täglich Leute unter ihnen bekehrten, so wohl durch das Wort der Kraft, so in ihnen war, als auch durch ihren heiligen und unsträflichen Wandel. Welches zur genüge anzeiget, daß diese Morgenländische Christen alle zusammen geistlich todte Menschen sind, und daß die

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11. Kortes Reise nach dem weiland Gelobten Land

Stimme des Sohnes GOttes zur geistlichen Auferstehung nicht mehr unter ihnen erschallet. (477)

Dieses geistliche Elend würde sich auch an ihren „elenden, dürftigen und schändlichen, ja schädlichen Menschen-Satzungen“ (477) zeigen. Korte schildert hier das Fasten, das trickreich unterlaufen werde, bezeichnet die Fest- und Feiertage als „Freß-Spiel- und Sauf-Tage“ (479) und die Messe als „aberglaubisch und recht gaucklerisch“ (479). Diese Christen seien aus der rechtfertigenden Gnade Christi gefallen. Korte merkt gegen die Morgenländische Kirche weiterhin an, dass man nichts über Ketzereien höre, dass man „in diesen Ländern über tausend Jahr her keine neue Lehre, keine neue Religion gehabt“ (480), was er mit westlicher Konventikelbildung kontrastiert. Man würde einen laodicäischen Todes-Schlaf schlafen wie ein Siebenschläfer und sei „den Jüdischen Todten-Beinen gantz gleich, in und unter welchen man zu dieser Zeit auch nicht den geringsten Wind vom HErrn spüret“ (480). Der Herr sei von ihnen gewichen und habe aufgehört, ihnen ans Herz zu kommen. „O wehe! der HErr muß sich an seinen Feinden trösten, die auch wircklich eine bessere Gerechtigkeit nach dem Gesetz haben als jene.“ (481) Korte stellt hier also Mahomet und seine Religion noch über die Morgenländische Kirche. Im Hinblick auf das ewige Heil seien beide als gleich schlecht wie die Heiden zu beurteilen. Im Hinblick auf die zeitliche Verfassung stünden Mahomet und seine Anhänger aber über den orientalischen Christen. Korte vermisst unter diesen Christen die Bewegung, die er um sich selbst herum wahrnimmt. Hingegen ist mir das ein gewisses Kennzeichen, daß die Gnaden-Sonne über unseren europäischen Kirchen-Himmel scheinet, weil man da noch Buß-Stimmen von grosser und kleiner Kraft erschallen höret, Stimmen, die gantze Länder und Städte bewegen und in Unruhe setzen, und die alte eingeschlafene oder einschlafen-wollende Sectirer getrost anschreyen: Wache auf, der du schläfest. Unter welchen aber der böse und faule Knecht auch nicht säumig ist, sie für Ketzer, und ihr Wort in Kraft für eine neue Lehre auszurufen, und wo er den weltlichen Arm auf seine Seite kriegen kan, getrost auf sie zuzuschlagen; wo ihm der aber entstehet, doch mit Schmähen und Lästern wenigstens sein Müthgen zu kühlen. (481–482)

Korte vermisst also die ihm aus der Heimat vertrauten Religionsstreitigkeiten und Ketzervorwürfe im Morgenland und erklärt dieses auch aus diesem Grund für geistlich tot oder doch wenigstens für eingeschlafen. Gott müsste sich an den Gegnern, den Mahometanern erfreuen – eine erstaunliche Position, die sich letztlich aber nur aus dem Kampf um das wahre Christentum erklärt. Zwei Einwürfe will Korte noch entkräften: 1) fromme und redliche Leute gäbe es natürlich auch unter den Morgenländischen Christen, doch dies beweise nichts, denn solche Leute fänden sich überall – auch unter den Heiden; 2) Wunder könnten überall geschehen, auch in der falschen Kirche, Wundertäter seien sogar oft schlechte Leute gewesen, wie die Geschichte zeige.

11.3 Darstellung der Aspekte nach der zweiten Auflage

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Die Weissagungen der Schrift erfüllten sich nach Korte zwei- oder mehrmals. Also ist die Weissagung oder Drohung von der ersten und letzten Gemeine vorerst buchstäblich an der Gemeinde zu Epheso und Laodicäa erfüllet worden. Darnach an der gantzen Morgenländischen Christenheit, iedoch an einem ieden Reich ins besondere, wenn sie der HErr hingab unter das Schwerdt der Mahometaner. Und endlich wird sie gewiß zum letzten an der Europäischen Christenheit erfüllet werden. (494)

Die Zukunft und das Heil liegen für Korte in Europa. 11.3.4 Kortes Heilige Von dem Ursprung aller Ketzereyen im neuen Bunde, über Actor am 15. Item von den Kirchen-Vätern (Abschnitt 9): Im Hinblick auf das Thema „Heilige“ stellt Korte hier, in die zweite Auflage eingefügt, einen protestantischen Heiligenkatalog auf, der namentlich Johann Arndt, Philipp Jacob Spener, August Hermann Francke, Jodocus van Lodenstein, Thomas Cranmer und John Bunyan enthält, womit er sich klar positioniert: Und ich getraue mir mit grosser Gewißheit zu sagen, dass wir in unserer Protestantischen Kirche ausser den Reformatoribus noch viel gottselige Lehrer haben, die auch mit den besten von jenen [Heiligen] in gleichem Range der Heiligkeit werden gehen können; als der selige Arndt, Spener, Francke, Lodenstein, Cranmer, Bunjan etc. Die Seligkeit aber nach dem Range auszutheilen, diesen und jenen oft aus bösen Absichten zum Heiligen zu machen, ist ein verwegener Eingrif der Päbste in göttliche Rechte gewesen, welches Königliche Regale der Vater im Himmel allein dem rossen Schafner seines Reichs vor- und aufbehalten hat. Der wird den Lohn seinen Knechten und Propheten schon austheilen, ohne Pabst und Mahomet darum zu fragen. (518)

Hier werden der Papst und Mahomet also zusammen als nicht zuständige Instanzen genannt. Die älteren Kirchenväter hätten keinen Vorzug vor den neuen, hält Korte weiterhin fest: „Es würde also unsern Kirchen-Vätern an ihrer Heiligkeit in Ansehung jener gar nichts abgehen, als daß jene nun 1000. Jahr älter, und wir besser gewohnt sind zu sagen: Der heilige Augustinus, als der heilige Spener.“ (520–521) 11.3.5 Korte über Mahomet Von dem Mahometischen Münchs-Orden des Mibiliby, und Nachricht von ihnen (Abschnitt 18): Korte beschreibt hier einen Besuch bei einem SufiOrden und v. a. einen Tanz, den er äußerlich sehr positiv kommentiert: „Es ist gewiß, wenn diese in solchem Tanz exercirte Leute sich damit in einer Opera

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solten sehen lassen, die Zuschauer würden es als einen schönen Tantz bewundern.“ (585) In diesen Zusammenhang schiebt Korte bereits in die erste Fassung seines Reiseberichtes einige Aspekte aus George Sales Preliminary Discourse von 1734 ein, in dem der Autor, der mit Arabern in Zelten herumgezogen sein solle, sehr aufrichtig zu sein scheine. Sales Koranübersetzung sei die zurzeit wohl Beste in Europa. Korte charakterisiert mit Hilfe dieses Textes nun erstmals Mahomet und seine Lehre. Sale verwerfe „viele Fabeln, welche unsere Vorfahren dem Mahomet aufgebürdet haben, es kan auch seyn, daß deren noch mehr zu verwerfen wären.“ (586) Korte übersetzt nun nach Sales Koran die erste Sure, die er als „Haupt-Gebet der Mahometaner, welches sie fast so oft brauchen als wir das Vater Unser“ (586) bezeichnet. Den Hauptpunkt der Lehre Mahomets – die Einheit Gottes, die vom Anfang an offenbart worden, durch die Menschen aber immer wieder vergessen oder verfälscht worden sei, zitiert er ebenfalls von Sale und nennt die großen (Abraham, David, Salomo) und die größten Propheten (Mose, Jesus, Mahomet). Die gottlosen Juden hätten Jesus gekreuzigt und müssten bei der Konversion zuerst Jesus als Prophet bekennen. Mahomet sei von Gott gesandt, weil die Christen durch abergläubischen Bilderdienst die Gebote verlassen hätten. Drei Möglichkeiten hätte man Mahomet und seinen ersten Nachfolgern gegenüber gehabt: 1) ihren Glauben anzunehmen, 2) tributpflichtige Schutzbefohlene zu werden oder ihnen 3) mit dem Schwert zu begegnen. Das Bekenntnis zu Gott und Mahomet würden sie – wie die römischen Christen das Ave-Maria – an der Schnur abzählen; neben dem Koran hätten sie noch eine Spruchsammlung Mahomets, wovon Korte ein Beispiel gibt. Mahomet selbst habe weder lesen noch schreiben können, seine Nachfolger hätten den Koran zusammengestellt. Nach diesen aus George Sales Preliminary Discourse gezogenen Bemerkungen fügt Korte in die zweite Auflage von 1743 ein aus Relands De religione Muhammedica gewonnenes Kapitel ein. 11.3.6 Extract aus Relands Tractat von der Türckischen Religion Extract aus Relands Tractat von der Türckischen Religion (Abschnitt 19): Aus dem umfangreichen Vorwort Relands erwähnt Korte zunächst zwei Aspekte, gefolgt von einigen Zitaten und Paraphrasen. Erstens seien alle Religionen in der Welt von ihren Gegnern schlecht verstanden oder boshaft ausgelegt worden, weswegen Relands Arbeit von den Römischen sicher übel aufgenommen werde, die ja die Protestanten schon früher mit den Mahometanern verglichen hätten. Man müsse den Lauf der Lügen hemmen und diese Religion so darstellen, wie sie es selbst täte. Zweitens beklage Reland, dass selbst unter den Griechen im Osmanischen Reich die arabische Sprache nur von wenigen studiert werde. Man müsse den Koran aber nicht verwerfen, sondern studieren. Diese Religion habe mehr Wahrscheinlichkeit als man annehme; die Christen selbst hätten sich durch ihren Lebenswandel bei den Türken in ein

11.3 Darstellung der Aspekte nach der zweiten Auflage

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schlechtes Licht gesetzt. Die bisherigen Widerlegungen seien Schattenfechtereien gegen nicht vorhandene Feinde, wie Korte mit einigen Beispielen Relands belegt – so werde man den Feinden zum Spott. Nach diesen Bemerkungen aus dem Vorwort fasst Korte Relands Bemerkungen über die Wallfahrt zusammen und kommentiert die Behauptung, dass Gott einen Leib habe: Solches behauptet Pabst Pius der Zweite, ob er schon nach seiner Anhänger Meynung nicht irren könne. ,Die Saracenen schreiben GOtt einen Leib, Kopf, Hände, Füsse, und andere Glieder zu.‘ Mit dem Pabst reden aus einem Munde viele Papistische Schreiber, welches Reland aber kräftig widerleget. (593)

Die Juden hätten nach Reland die Mahometaner viel besser verstanden als die Christen es täten, wenn es um die Lehre von der Natur Gottes geht. Leibliche Aussagen über Gott seien gleichnishaft zu verstehen. Der Koran sei göttlich, Mahomet das Siegel der Propheten, der alle vorigen Gesetze abgeschafft und alle Völker zur ismaelitischen Religion berufen habe; gehorsame Seelen würden mit ihren Leibern das Paradies genießen, Verstockte und Ungläubige in ewige Feuerqual kommen. Auch am Ende dieser Reland-Paraphrase, mit der er seine bisherige, in der ersten Auflage bereits geäußerte Meinung über Mahomet stützt, geht es Korte um den Gegensatz zu den Römern. Er schreibt: Nach diesen aufrichtigen Zeugnissen des seel. Relands, die mir vorher so bekant nicht gewesen, ob ich wol gewust, daß er milder von ihnen geurtheilet, als andere; kan er wol ein Apologist für das seyn, was ich von ihm weiter unten geschrieben. In diesem Stück sind wir Protestanten aber wahrlich nicht zu entschuldigen, daß wir den Papisten noch das geringste, sonderlich in der Historie, und was sie für Ketzerey ansehen, nachschreiben, oder, wie Reland redet, aus den stinkenden Pfützen der Römischen Schreiber schöpfen. Da wir allein aus dem sollen klug werden, wie sie es mit uns gemachet. (595)

Ein Reiseeindruck dient als Beleg für diese letzte Bemerkung: Auf meiner ersten Reise durch Italien sahe ich ein grosses Kupfer, da der Teufel Lutherum mit einer Kette gefesselt hielt, Calvinus aber von Würmen gefressen wurde. Die dabey gedruckte Schrift enthielte so viel: Luther wäre vor seinem Tode rasend worden, und der Teufel habe ihn leibhaftig geholet; Calvinus aber sey von Läusen und Würmen lebendig gefressen worden. Und diese Lügen sind durch die Pfaffen so bekant gemacht, daß sie das gemeine Volck durchgehends als Evangelia glaubt. (596)

11.3.7 Weitere Aspekte: Sprachen, Wallfahrt Von der Arabischen, als der am allerweitausgebreitetsten Sprache auf der Welt (Abschnitt 20): In diesem zwanzigsten Kapitel verweist Korte auf seine erste Reise in das Osmanische Reich in den Jahren 1715/1716. Arabisch sei die

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Sprache, die am weitesten in der Welt ausgebreitet sei, heißt es in diesem Zusammenhang bereits in der ersten Auflage des Reiseberichtes, u. a. mit einem Verweis auf einen Text Callenbergs und auf Prideaux.12 Diese Sprache komme auch der Sprache Abrahams am nächsten, denn im ägyptischen und im babylonischen Exil habe die kleine jüdische Gruppe ihre hebräische Sprache kaum so rein erhalten können. Esra habe die Bibel nach dem Exil in die chaldäische Sprache übersetzen müssen, wie der gelehrte Prideaux ausführlich beweise. Allerdings sei auch das Arabische nicht als heilige Sprache zu bezeichnen. Anmerckung über die Grund-Sprachen, oder so genante heilige Sprachen (Abschnitt 21): Die Rede von heiligen Sprachen (Hebräisch, Griechisch, Latein) sei ein Betrug der Römischen Kirche. Wegen seiner Nähe zum Ursprung müsste das Arabische dann auch als heilige Sprache gelten. Keine Sprache sei aber heilig zu nennen, denn der Geist Gottes brauche keine menschliche Sprache. „O daß wir doch dahero der Römischen ihre Barbarische Vorurtheile und thörichte Meinungen völlig ablegen, und uns von ihren greulichen Bezauberungen gäntzlich los machen möchten.“ (610) Es sei Gott eben nicht angenehm, wenn man ihm ohne Verstand und ohne Andacht in einer vermeintlich heiligen Sprache etwas vormurmele wie die Juden, mit welcher Bemerkung Korte diesen in die zweite Auflage eingeschobenen Abschnitt beendet. Von der Wallfahrt nach Mecka und Medina (Abschnitt 22): Das bereits in der ersten Fassung enthaltene Kapitel wird im Stil eines Reiseberichtes eingeleitet, was sich jedoch schnell in diversen Betrachtungen verliert. „DEn 18. Jan. 1739. ging eine Caravane von hier [aus Aleppo] nach Mecha.“ (612) Die Wallfahrt zu Mahomets Grab sei eine Erfindung Omars nach dem Vorbild der abgöttischen Christen und Heiden, die derartiges als verdienstliche Werke ansehen würden. Es findet sich hier auch ein interessanter Einschub: Herr Seitz habe arabische Traktate Prof. Callenbergs zur Bekehrung der Juden und Mahometaner über Italien erhalten. Herr Schermann, ein englischer Kaufmann, habe das Neue Testament und anderes von der SPCK in Kommission gehabt. Beide klagten nun, dass sie nichts unterbringen könnten. Die Türken dürften keine Bücher nehmen und die Christen würden diese von Ketzern stammenden Werke verbrennen. Weiterhin zitiert Korte hier aus einem Brief Anton Wilhelm Böhmes an die Missionare in Tranquebar, in dem dieser die Problematik des Gebots gegen den Bilderdienst diskutiert und die Einteilung der 10 Gebote inkl. Bilderverbot empfiehlt. Die griechischen und römischen Christen – so Korte weiter – seien „greuliche Ubertreter solches klaren und deutlichen Gebots“ (617) und ließen es weg.

12 Vgl. 1741, S. 452–453 = 1743, S. 598–599.

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11.3.8 Pietisten, Separatisten und Mahometaner Korte liefert nun eine bemerkenswerte Passage. Er ordnet Pietisten, Separatisten und Mahometaner einander zu und stellt sie römischen Christen entgegen. Nachdem ich An. 1715. und 1716. zum erstenmal eine Reise in diese Länder gethan hatte, habe ich nach der Zeit oft gedacht, auch zu andern gesagt, daß ich mich nicht gnug verwundern könne, daß sich von solchen Leuten, die mit dem Namen der Pietisten, Separatisten, u.d.g. beleget werden, (darunter viele vor andern einer grossen Unpartheylichkeit, Vertrauens auf GOtt, Providenz, Verleugnng, etc. sich rühmen, welches man auch vielen nicht absprechen will,) keiner bishero in diese Länder begeben hätte, oder noch ietzo begeben wolte, unter diesem Volcke zu wohnen, die Arabische Sprache aus dem Fundament zu lernen, um dadurch im Stande zu seyn, auch ihre Religion und Historie gründlich zu untersuchen, dadurch der Christenheit allerdings viel gedienet werden könte. Ich verstunde hierdurch aber Studirte, weil ich dieselbe hiezu viel geschickter hielt, als mich und meines gleichen; denn wenn man nur bedenckt, was man zu allen Zeiten für greuliche Lügen und Lästerungen denen auf den Hals gelogen, welche den Namen einer neuen Lehre bekommen, und die doch wohl mitten unter uns in einer Stadt wohnen, und unsere Nachbaren sind, wer dieses, sage ich, wohl bedenckt und erwäget, der wird auch leicht begreifen können, daß viele ungegründete Sachen von den damaligen schon mehr als zu weit verfallenen Christen, dem Mahomet und seinen Nachfolgern nachgesagt und von ihnen geschrieben worden, welches gewiß bey einer GegenParthey grossen Schaden thut, und die Trennung immer grösser, die Gemüther erbitterter, und die Uberzeugung von dem Irrthum des Gegentheils schwerer macht. Da, sage ich, hätte es ja einen grossen Nutzen haben können, wenn unpartheyische Leute hinein gereiset wären, oder es ietzo noch thäten, der Mahometaner und auch der ietzigen Christen ihre Sache besser untersuchen. Es ist dahero noch ietzo mein Wunsch, daß ein oder der andere, der GOtt ein Stück Brodt zutrauen gelernt, zu solchem Endzweck sich hinein begeben möchte. Wäre ich noch in den Jahren, eine Sprache zu lernen, ich wolte solche Reise keinen Tag aufschieben. Man möchte zwar sagen, daß ohnzehlige Römische Mißionarien beständig in solchen Ländern wären. Es ist aber schon von andern gesagt, daß solche Leute gantz untüchtig sind, die Wahrheit zu untersuchen, die geschworen haben, ihre Religion zu vertheidigen, und alle andere für falsch zu halten, es koste auch was es wolle, dazu auch alle Künste und Betrügerey für erlaubt halten, solchen Zweck zu erreichen. Was solche Mißionarien auch unter den Mahometanern nütze sind, will ich andern zu beurtheilen geben, Denn das ist einmal unleugbar, daß sie sich nicht rühmen können, einen eintzigen Mahometaner in seinem Lande ie bekehrt zu haben, sichs auch nicht in den Sinn kommen lassen, künftig einen zu bekehren. Was aber von der Bekehrung der Morgenländischen Christen zu achten, die um ein Linsen-Gerücht von einer Parthey zur andern lauffen, das mögen auch andere beurtheilen. (617–619)

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Die römischen Missionare erfüllten Mt 23,15 wörtlich und nähmen „Hurer“, Ehebrecher, Lügner, Betrüger, Trunkenbolde und andere auf, wenn diese nur den Papst anerkennten. Diese Missionare nützen dort gar nichts, höchstens in Ost- und West-Indien könnten sie das Evangelium verkündigen, also dort, wo es noch nie gehört wurde, damit es (wenigstens) vor dem Ende der ganzen Welt gesagt sei.

11.3.9 Mahomets Charakter, und Ursachen der weiten Ausbreitung seiner Lehre und Reichs Korte versichert in diesem, in der zweiten Auflage um einige Passagen ergänzten Text zunächst – versehen mit einer erstaunlichen Einschränkung –, daß man nicht gesinnet sey, der Mahometanischen Religion, sofern [!] sie böse und irrige Lehr-Sätze hat, mit Fabeln und unzulänglichen Begriffen angefüllet, und überhaupt der Lehre des Evangelii zuwider ist, im geringsten das Wort zu reden. Man will von dieser Sache unpartheyisch reden, wie man es nach der Wahrheit als vor GOtt glaubt gewiß zu seyn. (656–657)

Es geht hier also nicht um eine grundsätzliche Verwerfung oder Bestreitung dieser Religion, sondern nur desjenigen, was in oder an ihr böse, falsch, erdichtet oder nicht durchdacht sei und überhaupt der Lehre des Evangeliums entgegenstehe. Dieser Religion, die von ihm nicht grundsätzlich abgelehnt wird, stellt Korte nicht etwa die Lehre des Christentums oder der Kirche, sondern die Lehre des Evangeliums als Prüfungs- und Beurteilungsinstanz gegenüber. Die genaue Zeit der Geburt Mahomets sei umstritten. Er habe jedoch sicher im 7. Jh. gelebt, zu einer Zeit als das Christentum, besonders im Orient, am allermeisten verfallen gewesen sei. Nach der Meinung protestantischer Schriftsteller habe damals in Ost und West der Antichrist auf dem Thron gesessen. Rom und Konstantinopel hätten voller Hass um die Vorherrschaft gestritten. Die morgenländischen Christen seien damals reif für ihr Gericht gewesen, denn sie hätten immer wieder die göttlichen Exempel missachtet. „So brauchte GOtt nun diesen Mahomet zu einer Geissel über diese Länder und Christen.“ (658) Vieles sei ungewiß. Korte vermutet nach Lektüre verschiedener nicht genannter Berichte, dass Mahomet von Christen in Mekka abstamme. „Und es hat ihn vielleicht ein guter Geist in seiner Jugend geleitet, auch in seinen männlichen Jahren kräftig gezogen, des HErrn Willen zu erkennen, daher er denn auch einen scharffen Buß-Weg mag durchgegangen haben.“ (ebd.) Korte habe in Aleppo bei einem Engländer (Pococke) gelesen, dass Mahomet nach der Hochzeit in eine schwere Melancholie verfallen sei und die Menschen gemieden habe. Korte schöpft hier offenbar aus dieser Lektüre, distanziert

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sich jedoch von den Aussagen und stellt anschließend eigene Überlegungen an: Er habe sich [so hieß es offenbar im Text bei dem Engländer in Aleppo] in die Wüsten ins einsame Leben begeben, habe sich sehr casteiet, (er setzet dabey, alles zum Schein, um den Namen eines heiligen Mannes zu erlangen) im Speculiren habe er sich also vertieffet, daß man gemeynet, er werde sich das Leben nehmen. Nach diesem habe er vorgegeben, viel Einsprache zu haben, und daß ihm oft ein Engel erscheine. Endlich habe er alle verwirrte Gedancken in Ordnung bracht, sey aus der Wüsten wieder nach Mecha kommen, habe angefangen das Volck zu lehren, seine Erscheinungen erzehlet, habe aber dismal keinen guten Succeß geabt, sey nur verspottet und verlachet worden. Worauf er wieder nach der Wüsten umgekehret, da ihn abermal der Engel erschienen, ihm einige Gebote gegeben, unterrichtet und befohlen, wieder nach Mecha zu kehren, und ferner zu predigen, dabey er ihm besseren Fortgang verheissen. (659)

In einer Anmerkung, die Korte zu dieser letzten Aussage in die zweite Auflage eintrug, erwägt er Folgendes: Es sei nicht so unwahrscheinlich, dass der Engel, der Hagar zweimal in der Wüste erschien, um ihr wie Gott dem Abraham große Nachkommenschaft anzukündigen, auch dem Mahomet erschienen sein könnte. Damit würde man nichts sagen, „als was der Ausgang unwiedersprechlich erfüllet hat, und wir nach der Historischen Wahrheit ohnmöglich leugnen können“ (660 Anm.). Dass Mahomets Seele auf einem solchen Weg von einem göttlichen Licht angestrahlt wurde, sei „glaublich“, weil – so fährt Korte fort – „GOtt auch die erste Treue in der Zukehr zu ihm nicht unbelohnt läßt“ (660). Gott belohne die Treue. Dadurch habe Mahomet zu großer Erkenntnis kommen und den Verfall des damaligen Christentums sehen können, wie denn der Zänckereyen und Ketzermachereyen ja unzehlicher Partheyen unter ihnen zu der Zeit weder Ziel noch Ende war, bey einem ausgelassenen gottlosen Leben, da Trunckenheit und Hurerey als die gemeinsten Sünden im Schwange gingen, bey welchem epicurischen Leben sie, als durch eine gerechte Strafe, in die gröste Abgötterey von Verehrung der Bilder, Tempel, Altäre, Räuchern, Kertzen, WeihWasser sprengen, Oel brennen, Creutz machen, Wallfahrten, und tausend aubergläubischen Ceremonien verfallen, und es weit höher getrieben, als alle Heiden vor ihnen. (ebd.)

Ohne Zweifel habe Mahomet in Mekka gegen dieses abscheuliche Unwesen der Christen unter großem Beifall gelehrt und gepredigt. Ein großer Teil der Stadt sei zu Anhängern geworden, die anderen hätten ihn bis zur Flucht nach Medina verfolgt. Dort soll er einen aus Konstantinopel wegen Ketzerei verbannten nestorianischen Mönch kennengelernt haben, den Korte in einer Anmerkung der zweiten Auflage entschieden verteidigt:

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11. Kortes Reise nach dem weiland Gelobten Land

Wer nicht, wie Reland sagt, aus den stinckenden Pfützen der Römischen und Griechischen Kirchen-Historie noch länger schöpfen will, sondern einsehen lernen, was für Leute man im 6. und 7. Seculo (ja noch lange vorher) zu Ketzern gemacht, der wird auch leicht glauben können, daß dieser Mönch vielleicht anders nichts gesündiget, als daß er, wie unser seliger Luther, den Pfaffen an ihre fette Bäuche gegriffen und ihrer Ehre zu nahe getreten. Wir können ja ohnmöglich glauben, was ihre Feinde ihnen nachgesagt: weil sie uns ihre Schriften nicht verwahrt, sondern verbrant haben. (661, Anm.)

Dieser Mönch habe Mahomets Erscheinungen sortiert, abgeschrieben und verbreitet. In dieser Zeit (Flucht nach Medina) beginne die Zeitrechnung der Mahometaner. Und hier beginnt auch für Korte eine neue Zeit, wie er ausführt: Bis auf diese Zeit (Flucht nach Medina) mag wohl seine Lehre noch ziemlich gut gewesen seyn. Hierauf aber, als er tiefer in den Sinn, Geist und Nachfolge unsers Herrn JEsu CHristi hätte eindringen sollen, Spott, Schmach und Verfolgung von einer Stadt zur andern, so ihm jetzt um seines Zeugnisses willen begegnet war, mit Sanftmuth und Gedult zu ertragen, und dabey mit seinem Zeugniß fortzufahren, und die erweckten Seelen auch auf diesen sanftmüthigen Sinn Christi zu verweisen, verfiel er in seinem Eifer just auf das Gegentheil (661–662).

Mahomet habe zum Racheschwert gegriffen, die Gegner in Medina auf seine Seite gezwungen und sei gegen Mekka gezogen, wo er noch viele Anhänger hatte. Gott pflege sich zur Ausführung seiner Gerichte der Menschen zu bedienen, wie er sie finde. Gott habe vorausgesehen, dass dieser Mensch nicht weiter im Geist Christi und seiner heilsamen Nachfolge zu bringen gewesen sei. Darum habe er sich nun Mahomets gesetzlichen Eifers als eines Jehu (der die Baalspriester bekämpft hatte) bedient, um „Städte und Länder umzukehren, die Völcker zu strafen und zu vertilgen; zumal es die Gerechtigkeit GOttes beschlossen, diese undanckbare Christenheit, davon vorher hie und da zur Gnüge gesagt ist, in seinem Zorn heimzusuchen“ (663). Nachdem Mahomet angefangen habe, seine Lehre mit dem Schwert auszubreiten, sei sie notwendigerweise immer fleischlicher geworden, „so viel er vorher noch im Geiste mochte angefangen haben.“ (ebd.)

11.3.10 Mahomet als (ketzerisches) Werkzeug Gottes – kein Betrüger! Mahomet wird hier nicht als Betrüger repräsentiert, weder mit Blick auf den Anfang, noch im Verlauf seines Wirkens. Das eigentliche Problem wird hier in der Fleischlichkeit seiner späteren Lehren gesehen. Als Beispiel dient die Polygamie der späteren Zeit, in der er mit eigenem Beispiel vorangegangen sei. „Denn fleischliches Leben, oder nach dem Fleische wandeln, ist allemal der Grund und die Ursache aller würcklichen Ketzerey und Irrthümer.“ (ebd.) Korte wendet hier den verschiedentlich in seinem Werk erwähnten Ausdruck

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„Ketzer“ nun erstmals in seinem eigenen Sinne an: Nicht eine falsche Lehre oder Meinung macht hier den Ketzer, sondern das Wandeln nach dem Fleisch. Mahomet wird in dem Moment für Korte zum Ketzer, indem er den ,fleischlichen Lüsten‘ nachgibt und eine Lehre wie die Polygamie verbreitet und auslebt. Und dieses Vorgehen ist nach Korte ein Irrtum. Mahomet selbst habe sich für einen Gesandten Gottes gehalten. Korte hält ihn nicht für einen Betrüger, sondern – in dem eben genannten Sinne – für einen Ketzer des irrigen Lebenswandels. Inzwischen halte ich gar nicht dafür, daß er, sonderlich im Anfang, so ein vorsetzlicher Betrüger gewesen, als man durchgehends von ihm glaubt. Ja auch hernach, als es ihm GOtt mit seiner Lehre und Waffen also gelingen ließ, so hat er allerdings von sich geglaubt, daß ihn GOtt gesandt, die Christen wegen ihrer Abgötterey zu strafen; welches auch also war, wie es die Historie bis dato unwidersprechlich bekräftiget hat. In diesem seinem gesetzlichen Eifer sahe er nun obgedachte Greuel und Unwesen der Christen ein. (664)13

Diese Beschreibung Mahomets als Ketzer erinnert an Gottfried Arnolds Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. 11.3.11 Mahomet – ein Eiferer nach dem Gesetz Mahomet sei also kein Betrüger, sondern ein (ketzerischer) Eiferer nach dem Gesetz gewesen. Korte diskutiert nun zehn Themen und kontrastiert dabei oftmals die Effekte, die Mahomet erzielt habe, mit dem schlechten Zustand der Christen. Zunächst schreibt er 1) vom Weinverbot, dann 2) von der Eindämmung der Hurerei14 und 3) von der Mildtätigkeit gegen die Armen und der Abschaffung der Strafbettelei. Als besonders wichtig erscheint auch 4) die Abschaffung des Verketzerns und Disputierens: Ich habe schon gesagt, daß Mahomet bereits einen guten Strich auf dem Wege gelauffen, der zur Wahrheit leitet, und auf demselben grosses Erkänntniß erlanget; ob er aber schon wieder umgekehret, so blieb ihm doch daß Erkäntniß, oder vielmehr das Wissen, im Kopf, und eine gesetzliche Gerechtigkeit, welches wir an vielen Dingen in seiner Lehre und Leben sehen mögen. (669)

Mahomet habe nämlich eingesehen, welche Folgen das Disputieren, Verketzern und Verdammen unter den Christen hatte, „da die fleischlichen Lehrer nur die Wahrheit im Gehirn, auf dem Papier, in Formeln, Catechismis und 13 Diese Passage wird kurz darauf von Theodor Arnold im Vorwort zu seiner Übersetzung von Simon Ockleys History (erschienen im Altonaer Verlag Korte) zustimmend zitiert. Er meint, dass man sich in einem halben Jahrhundert ein ganz anderes Bild von Mohammed machen werde. 14 In die zweite Auflage fügt er eine Anmerkung ein, mit der er die „Auffschließung ihrer Weiber“ angesichts des europäischen Sittenverfalls verteidigt; vgl. 667 Anm.

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11. Kortes Reise nach dem weiland Gelobten Land

Symbolis haben wolten, obschon das Hertz von der Gnade leer ist, darüber sie in unendliche Secten und Partheyen verfallen waren, und des Verfolgens und Verjagens kein Ende war.“ (ebd.) Mahomets Nachfolger hätten sich zwar auch in Sekten gespalten, die sich aber nicht gegenseitig verdammten und „des Aly Secte“, die einzige Ausnahme, werde nur aus „Staats-Interesse“ verdammt (670). Allerdings habe Mahomet zu viel verboten. Von vernünftigem und christlichem Umgang miteinander profitierten doch eigentlich beide Seiten einer Kontroverse. Mahomet habe 5) vollkommene Toleranz gewährt, was ihm den seit dem 3./ 4. Jh. in Raserei verfallenen Christen gegenüber große Vorteile verschafft habe. Daher die Griechen auch noch ietzo lieber das Türckische Joch tragen, weil sie dabey ihre Religions-Freyheit haben, von den Römischen aber aus Erfahrung wissen, daß diese mit ihrer Religion alle andere Religionen vom Erdboden vertilgen wollen; wozu sie sich auch alle Mittel für erlaubt halten, wenns nur die Ausbreitung ihrer Religion fördert. (671)

Korte begegnet 6) dem Vorwurf, Mahomet habe mithilfe irdischer und fleischlicher Paradiesvorstellungen Anhänger locken wollen. Die Ausleger des Koran verstünden diese Aussagen nicht buchstäblich, sondern geistlich. Man könne sich aber nicht geistlich, sondern nur fleischlich – und in Gleichnissen – ausdrücken. Der Vorwurf buchstäblicher Auslegung könne genauso gut die Christen treffen O daß man doch einmal erkennen möchte, daß weder die Mahometaner, noch andere, die wir für Ketzer halten, sich nicht durch Lügen und Andichtungen bessern und bekehren lassen! Hätten ihnen die Christen zu Mahomets Zeiten die Kraft der Lehre unseres Heilandes JEsu Christi entgegen stellen können, so würden sie sich nicht haben mit dergleichen ungegründeten Dingen gegen sie behelffen müssen. (673)

Mahomets Ablehnung der Glocken erklärt Korte 7) mit den Zeremonien in den Glockenweihen, denen Mahomet die Ansicht entgegengestellt habe, dass Gott nicht durch tote und leblose Dinge geehrt werden könne. Weiterhin diskutiert Korte 8) die Prädestination, die auch ernsthafte Christen glaubten und nicht nur Mahomet, der neben Nebukadnezar, Kyros, Alexander und Cäsar unter göttlicher Dispensation stand, um die Abgötterei der Christen zu strafen. Diese Abgötterei diskutiert Korte 9) und stellt fest, dass Mahomet mit seiner Kritik am Bilderdienst und der Heiligenverehrung der Christen Recht hatte. Diese und noch mehr Abgöttereyen thäten die Christen der damaligen Zeit zur grossen Schande des Christlichen Namens, welche denn auch den Mahomet in einen rechten Grimm setzten, und in einen mehr als Jehuischen Eifer brachten, daß er in dem gelobten Lande, gantz Syrien und Egypten, alle Kirchen, Tempel, Altäre, besonders aber die Bilder, verheerte, umkehrte und zerstörte. (677)

11.3 Darstellung der Aspekte nach der zweiten Auflage

281

Schließlich erwähnt Korte noch 10) die Messe, die er als „Gauckelspiel“ bezeichnet, „denn sie ist nochmal so lang als der Römischen ihre, und das Creutz-machen, Bücken, Wenden und Drehen, ist nicht anders anzusehen als eine pure Zauberey; wie denn das Meßgewand und die meiste Stücke der Kleidung noch recht von den Heiden entlehnt und beybehalten ist.“ (678) In einer Anmerkung zur zweiten Auflage schreibt Korte dazu, dass als Grund für Mahomets erstaunlichen Erfolg meistens die Heuchelei Mahomets und seiner Anhänger in Gebet, Fasten, Almosen und Gerechtigkeit genannt werde. Dieses Vorwurfes müsse man sich aber selbst zu allen Zeiten schämen, meint Korte, denn er offenbare, dass man weder Wahrheit, Geist noch Kraft gehabt habe und sich darum durch Heuchelei und Schein hätte blenden lassen können. Die damaligen Christen hätten Christi Lehre verlassen und auch nicht einmal eine gesetzliche Lehre gehabt, weswegen ihnen so großer Schaden angetan werden konnte. Gott habe damals durchaus seine Hand im Spiel gehabt, wenn man bedenke, dass Mahomet völlig ungebildet gewesen sei, weder lesen noch schreiben gekonnt habe. Alles dem Teufel zuzuschreiben, mit dessen Hilfe Mahomet seine Lügen geschmiedet habe, habe dem Christentum unsäglichen Schaden zugefügt. Denn so würden täglich sehr viele Menschen in den Atheismus gerissen. Schließlich würde dieses Argument das in Wahrheit große Wunder des Heilands stürzen, „daß er durch eine Hand-voll Idioten und einfältige ungelehrte Leute alle Weisheit der damaligen Welt vernichtiget hat“ (679). Korte reagiert hier offenbar auf die These von den drei Religionsbetrügern Mose, Jesus und Mahomet, insofern er festhält: Wenn Mahomet durch den Teufel so weit gekommen sein sollte, also müßte der Teufel solche Kunst auch können, und es folgt daraus, daß Moses und unser Hochgelobter Heiland (absit blasphemia verbo) selbst auch können Betrüger gewesen seyn, und durch Hülfe des Teufels Wunder gethan und ihre Lehre ausgebreitet haben. Denn also schliessen alle diejenigen, welche zu dieser Zeit von dem Atheismo so häuffig eingenommen sind. (ebd.)

Was dies für Schaden anrichte, wisse er leider selbst aus Erfahrung. So schließe man nämlich Gott vom Regiment dieser Welt aus und mache ihn zum müßigen Zuschauer, „wenn er zugeben kann, daß ein dritter Theil der Welt nur durch List, Betrug und Lügen eines einigen Mannes hat können betrogen und die Seelen zur Hölle verführet werden“ (ebd.). 11.3.12 Mahomet und Luther Wenn man dem erfolgreichen Mahomet Betrug unterstelle, dann gebe man zu, dass Gott über seine Anhänger keine Macht habe. Damit bereite man der Meinung den Weg, dass Gott nur zuschaue und nicht in die Welt eingreife – eine „deistische“ Position, die für Korte Atheismus ist. Wieder kommt er auf die Römische Kirche zu sprechen, wenn er festhält:

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11. Kortes Reise nach dem weiland Gelobten Land

Was wir Christen nun dißfalls sonder Ausnahme an Mahomet thun, da wir ihm die Schuld beymessen, daß er bey nahe einen dritten Theil der Menschen verführet habe; eben dasselbe thun auch die Papisten an allen Protestanten. Man hört sie über nichts anders klagen, als daß sie Luthero allein die Schuld beymessen, daß er so viel Königreiche und Länder verführet, da sie nun müssen ewig verdammt seyn. (670–680).

Über Gott würden sie in diesem Zusammenhang gar nicht reden, „nur der böse Luther, der allein hat alle das grosse Unglück angerichtet, nur etwa darum, weil er gerne hätte wollen Bischof seyn, der Papst aber habe ihn nicht dazu machen wollen“ (680). Derartige Lügen würden sie verbreiten, Gott heraushalten und dem Teufel die Ehre geben. Es sei „hier in seiner Art und Masse eben dieselbe und einerley Sache, wie mit dem Mahomet“ (ebd.). Man solle nicht alles dem Teufel zuschreiben. Gott bezeichne in der Schrift z. B. auch Nebukadnezar und Kyros als seine Knechte. „Und ich glaube gewiß“, schreibt Korte weiter, „daß diese zwey grosse Monarchen nach dem Gesetz der Natur grund-redliche Männer, und nach ihrem Stand und Staat fromme Männer gewesen. Warum aber könnte denn der Mahomet nicht auch ein solcher Mann gewesen seyn?“ (682) Es bleibe dennoch ein himmelweiter Unterschied zwischen einem solchen Mann und einem Christen, der durch Christi Geist gesalbt und in seinem Blut gewaschen sei. Wie Gott den Alexander gegen die Perser und Titus Vespasian gegen die Juden, wie er Jehu gegen Ahab und Isebel erweckt habe, „eben so gewiß hat auch derselbe GOtt den Mahomet gegen das abgefallene und zu puren Heiden gewordenen abgöttische Christen-Volck seiner Zeit gesendet“ (683). Gott habe sie unter eine natürliche Religion hingegeben, „damit sie den Namen Christi nicht länger also schänden und mißbrauchen mögten“ (ebd.).

11.3.13 Mahomets christliche Eltern An dieser Stelle bemerkt Korte, dass Mahomet von christlichen Eltern geboren und erzogen worden sei und er wundert sich darüber, dass in den meisten Büchern und Beschreibungen so geschrieben werde, als wären die Mahometaner ein fremdes Volk, das „ich weiß nicht, aus was für einer barbarischen Welt her, über die Christen gekommen, da sie doch alzumal aus ihnen, den Christen selbst, aufgestanden“ (ebd.). Korte benennt nun ein doppeltes Problem. Die Mehrheit der Christen habe Mahomet dem Teufel zugeordnet. Zu den jetzigen Zeiten habe es aber auch viele gegeben, von denen Korte verschiedene gekannt habe, „die alzuviel aus der Mahometaner Heiligkeit und Gerechtigkeit machen wollen“ (684). Er erwähnt in diesem Zusammenhang seine Reise nach Konstantinopel und Smyrna im Jahre 1715. Dass man diese weltliche Gerechtigkeit so hoch ansetze, liege nach Korte daran, dass man die wahre Gerechtigkeit, die allein durch den Glauben an den Namen Jesu erlangt werde, noch gar nicht kenne. In

11.3 Darstellung der Aspekte nach der zweiten Auflage

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Europa finde sich trotz zunehmender Bosheit aber eine kleine, anwachsende Herde. 11.3.14 Lob der Mahometanischen Religion Korte kann nach der Gleichsetzung der Römischen und der Morgenländischen Kirche mit dem Heidentum Mahomets Religion loben. Ich bekenne auch, daß die Mahometanische Religion von menschlicher Vernunft noch Kraft nicht besser hätte können gemacht werden, und daß sie andere Heiden übertreffen, sonderlich darin, daß sie einen einigen GOtt ehren, und rechte Feinde von Vielgötterey und des schändlichen Bilder- und Götzen-Wesens sind. (685–686)

Dieses Lob Kortes hat allerdings auch seine Grenzen. Wie alle Welt kämen sie nicht weiter, als dass sie Becher und Schüsseln äußerlich rein hielten, das Herz aber vom alten Gift der Schlange – Geiz, Neid und Eigenwillen – ungereinigt bleibe; „wie denn ihre Haupt-Sünden, darin sie vor andern excelliren, vornehmlich Hochmuth, Geitz und Fleisches-Wollust sind.“ (686) 11.3.15 Mahomet und Konfuzius Warum sollte Mahomet kein so weiser Gesetzgeber wir Konfuzius sein können, wie Korte in einer Anspielung auf die Jesuiten in einer kurzen Ergänzung zur zweiten Auflage schreibt, wenn er doch noch nicht einmal ein Götzendiener wie Konfuzius gewesen sei? Auch hier grenzt Korte sich wieder von der Römischen Meinung ab, der er durchgängig Götzendienst vorwirft. Die Geschichte deutet Korte nach Apk 9. Die erste und zweite Wehe unter dem fünften und sechsten Engel bezieht er auf die Herrschaft der Sarazenen und auf die Herrschaft der Osmanen. Gegen die Behauptung von Naturalisten und Atheisten, Mahomets Ausbreitung seiner Lehre käme der Ausbreitung des Christentums gleich, setzt Korte Christi Verzicht auf weltliche Macht und kontrastiert dies mit der Feststellung, Mahomets Lehre habe sich nur so weit ausbreiten können, wie sein Schwert reichte. Der schnelle Erfolg sei aber eben nicht allein seiner List und Macht zuzuschreiben, sondern er sei ein Gericht Gottes. 11.3.16 Der orientalische Antichrist Viele seien der Meinung gewesen, die Türcken müssten Europa noch weiter als eine Geißel (Gottes) züchtigen, weil sie „bald durch Pohlen in Teutschland einbrechen, bald anders woher kommen sollen, welches ich aber nicht glaube“ (690). Korte nennt das Osmanische Reich den orientalischen Antichrist, weil „dieses tyrannische Reich“ dem Reich Christi, „welches ist Liebe und Friede“ (ebd.), entgegenstehe. Er meint, das Osmanische Reich müsse noch vor dem

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11. Kortes Reise nach dem weiland Gelobten Land

„Occidentalischen Antichrist“ (ebd.) fallen, der seinerseits, sich in Sicherheit wiegend, plötzlich wie eine schwangere Frau von den Plagen heimgesucht würde. „Doch diese Dinge hat sich der Herr vorbehalten, und gebühret uns gar nicht, Zeit der Stunde zu erforschen.“ (691) Es sei einzusehen, ergänzt Korte in der zweiten Auflage, dass Gott Diebesbanden wie von Nicol List oder Cartouche, die schlimmer als der Teufel selbst seien, zulasse. Das aber kann ich nicht einsehen noch begreifen, warum GOtt solch einen verruchten Bösewicht und Teufels-Banner, wie Mahomet bishero beschrieben worden, dazu gebrauchen solte, daß er solche grosse, allgemeine und erstaunende Welt-Gerichte und Geschichte durch ihn ausführen sollte. Kann ich gleich nicht iederman überzeugen, so kann ich doch geruhig dabey seyn, weil ich versichert bin, daß in einem halben Sæculo man diesen Mann mit ganz andern Augen ansehen wird, iedoch mit keinem andern, als seinem Character zukommt. Denn die ihn aufs beste beschreiben, werden ihn doch nicht über Bileam hinausbringen, (es wäre denn, daß ihm wegen sehr grosser Thaten ein Vorzug vor dem Bileam müste zugestanden werden) welchem auch bey allen seinen Weissagungen und grossen Gaben endlich dennoch der Lohn der Ungerechtigkeit beliebte. Also scheinet es mir auch gar nicht unrecht zu seyn, dem Mahomet eben so grosse Gaben von Erkäntniß und Weissagungen zuzugestehen, als dem Bileam. (691–692)

Doch mit dem Heiland könnten beide ohnehin nicht verglichen werden.

11.3.17 Lob der Protestanten Wenn „die gantze Historie des Mahometischen Reichs unpartheyisch sollte untersucht werden“, meint Korte, wäre an Tugenden, Heldentaten etc. wohl mehr zu finden, als in der ganzen Persischen, Griechischen und Römischen Monarchie zusammen. Die Unkenntnis dieser Geschichte käme daher, dass die griechischen und die römischen Christen ihren eigenen Abfall vom apostolischen Glauben mit Lügen und Lästerungen über dieses Volk verbergen wollten. Sie hätten sogar gemeint, damit die christliche Religion aufrechtzuerhalten. Davon kann Korte – der hier insgesamt ja einen v. a. antirömischen Neuansatz vorlegt – sich abgrenzen, wenn er in der zweiten Auflage als Ergänzung schreibt: Wir Protestanten haben uns daher nicht zu schämen, wenn wir auch offenbar bekennen, daß sich unsere Väter noch von dem unreinen Strom jener Lügen und Lästerung haben hinreissen lassen. Alles hat seine Zeit. Wie die ersten Christen nach und nach von dem apostolischen Licht und Recht herunter kommen und dasselbe verlohren haben. Also mögen wir wohl sehen, das solches Licht, seit Johan Huß und Wicklefs Zeiten, wieder gestiegen und noch im steigen ist, da ein ieder verketzerter Hauffe, ob schon mit manchen Flecken und Runtzeln behaftet, eine neue Wahrheit

11.3 Darstellung der Aspekte nach der zweiten Auflage

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gebracht und noch bringet: Bis das Ende den Anfang wieder finde; und wir durch die geschmähete Wahrheit in ihrer Zeit, endlich wieder an die apostolischen Kräfte hinan langen werden. Daß helf uns der Herr Jesus Christ, / Der unser Mittler worden ist. / Es ist mit unserm Thun verlohrn, Verdienen doch nur eitel Zorn. Kyrie eleison. (693–694)

Mit dieser Gebetstrophe schließt Korte die in der zweiten Auflage ergänzten und erweiterten Betrachtungen über Mahomets Charakter ab. 11.3.18 Bileams Zauberei – eine Richtigstellung Korte bringt noch auf einigen Seiten dieser Auflage eine Einschätzung Bileams, über den – seiner Meinung nach – Mahomet ja nicht hinausgekommen sei. Der Abschnitt Wie des Bileams Zauberey anzusehen liest sich gewissermaßen wie ein Kommentar zu Mahomet. Die Väter hätten Grund gehabt, mit mehr Respekt von Bileam zu reden, denn Bileams Zauberei sei anders zu beurteilen. Damals habe man ganz anders über Zauberei gedacht, als etwa die Inquisition, die Zauberei, Hexerei und Ketzerei in einen Topf geworfen habe, um von der eigenen Ketzerei und Zauberei, wie etwa dem Ablass, abzulenken. Man müsse also erst untersuchen, was bei den alten Heiden überhaupt Zauberei gewesen sei, welche Zauberei die alten Propheten straften und was in der Offenbarung mit Zauberei gemeint sei. An Bileam sei nämlich nicht die Zauberei bestraft worden, sondern sein böser Rat, den er gegeben habe, weil er wohl selbst aus alter Geld- und Ehrbegierde ungerechten Lohn empfangen habe. Viele hätten bezeugt, dass er dennoch durch den guten Geist Gottes „in Kraft geweissaget“ (696) habe. Bileams Weissagungen seien Korte „öfters durch Mark und Bein gedrungen, und sie sind noch lange nicht in ihrer Weite und Breite erfüllet“ (697). 11.3.19 Kortes ,Mahomet-Pointen‘ in der zweiten Auflage Es zeigt sich deutlich, dass Korte nicht zuletzt seine Betrachtungen über Mahomet in der Bearbeitung für die zweite Auflage pointiert und erweitert. Er liest den schlechten Leumund Mahomets offenbar als römische Verschwörung, die vom „Antichrist-Sein“ Roms ablenken solle. Mahomet sei wie Luther und viele nach ihm zu Unrecht verketzert worden. Mahomet sei kein Ketzer, sondern ein Werkzeug Gottes zur Bestrafung der abergläubischen Christen. Kortes Gruppierung im Hinblick auf die wichtigste Frage – das Heil – lautet: 1) Die Römische Kirche ist der Antichrist. 2) Die Griechische oder Morgenländische Kirche und die Mahometaner stammen von denselben Vätern ab. 3) Alle drei Gruppen sind allesamt Heiden. 4) Protestanten und auch die Russische Kirche (wie er in der zweiten Auflage ergänzt) könnten davon ausgenommen

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11. Kortes Reise nach dem weiland Gelobten Land

sein. 5) Es seien bessere Zeiten für die Kirche zu erwarten (Chiliasmus resp. Millenarismus). Kortes heftigste Gegnerschaft besteht zur Römischen Kirche als Antichrist, danach erst folgen die Morgenländische Kirche und die Mahometaner. Insofern teilt er die römische Gegnerschaft Mahomet gegenüber nicht oder nicht ganz. Zumindest wird die Gegnerschaft zu Mahomet von der Gegnerschaft des Antichristen Rom überlagert. In dieser Gemengelage bewegt sich Kortes Darstellung Mahomets. Den 1748 erschienenen, aus der Feder Fröreisens stammenden Vergleich Zinzendorfs mit Mahomet erlebte der wiedergeborene Korte nicht mehr, er starb 1747.15

11.4 Viertes Supplement 1747 (1751) – Kortes Boulainvilliers-Lektüre Die zahlreichen Supplemente zu seiner Reisebeschreibung, die Korte in Halle schrieb, sollen hier nicht dargestellt werden. Hingewiesen sei nur noch auf Kortes Boulainvilliers-Lektüre im vierten Supplement von 1751. Der Text ist gleichzeitig mit der dritten Auflage seiner Reisebeschreibung erschienen und muss 1747 verfasst worden sein, denn Korte, der 1747 in Altona starb, kennt hier nicht nur die 1742 in Erfurt erschienene, anonymisierte Übersetzung von Henri de Boulainvilliers La vie de Mahomet, sondern auch die in Lemgo bei Meyer erschienene Übersetzung von Theodor Arnold, die 1747 herauskam. Der Text muss demnach als eine der letzten Arbeiten Kortes gelten. Das Titelkupfer des Buches mit der Abbildung des ungenähten Rocks Christi ist ebenfalls 1747 datiert. Bemerkenswert ist, dass Korte, nachdem er nun auch von Theodor Arnolds Boulainvilliers-Übersetzung Kenntnis hatte, diese Lektüre gleich in das letzte Supplement einbaute. Theodor Arnold hatte in Kortes Verlag 1745 die OckleyÜbersetzung veröffentlicht und in seinem sehr informierten Vorwort u. a. auch einmal zustimmend Kortes Einschätzung der Person Mahomets sowie die Aussage, dass man Mahomet in fünfzig Jahren ganz anders betrachten werde, wörtlich zitiert (s. u.). Korte selbst kritisiert in seinem vierten Supplement das kurz vorgestellte Buch Boulainvilliers’ im Hinblick auf die Frage, ob die Patriarchen in Zelten gelebt hätten oder sesshaft gewesen seien. Offenbar hat er beide deutsche Übersetzungen Boulainvilliers’ vorliegen, denn er gibt beide Seitenzahlen für die betreffende Passage an (vgl. 4. Suppl.; 207). Nach seiner Widerlegung der Ansichten Boulainvilliers’ in dieser Frage heißt es weiter: 15 Dass er die z. T. im Verlag Korte geführten Auseinandersetzungen Zinzendorfs (u. a. mit Baumgarten und mit Fröreisen) zur Kenntnis nahm, legt sich nahe.

11.4 Viertes Supplement 1747

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Was man sich also Wahres von dieses Grafs gantzen Leben des Mahomeths versprechen könne, mögen andere urtheilen. Wenigstens ist das erdichtet, was er von seinen vielen Reisen, ausser nach Syrien, schreibt, da er Arabien, Persien, Egypten soll durchreiset haben, und als ein schlauer und fähiger Kopf den Staat und die Religion aufs genaueste erforschet, und dadurch den Grund geleget, worauf er hernach seine Religion und Monarchie erbauet. Denn es ist gewiß, daß Mahometh in seinem Leben nicht nach Persien und Egypten kommen ist, Arabien aber wohl nur mit dem Degen in der Faust durchreiset, so weit er kommen ist. (4. Suppl. 210)

Nach dieser Kritik an Boulainvilliers gibt Korte noch ein aufschlussreiches Stimmungsbild in Bezug auf Darstellungen des Propheten ab: Es ist merckwürdig, in den vorigen Zeiten haben die meist selbst dumme Pfaffen, den Mahometh zu den allerdummsten Kopf gemacht, der die fallende Sucht gehabt, durch welche Kranckheit der Teufel in ihm gewürcket, und ein böser Geist besessen, daß er alle seine Thaten als ein Zauberer und Hexenmeister ausgerichtet, und durch diese Hülfe seine Religion gestiftet, und darauf seine Monarchie gebauet, und also werde sie noch erhalten. Zu dieser unserer Zeit aber machen die, so sich starcke Geister zu seyn düncken, diesen Mahometh zu den allerklügsten, fähigsten und durchtriebensten Kopf, der alle die grossen Thaten durch seine grosse List und erstaunliche Beredsamkeit, dadurch er sich alles unterwerfen können, verrichtet habe. Dabey findet man GOttes auf beyden Seiten nicht gedacht, daß er sich mit Mahomets Sache was zu thun gemacht, oder sich darum bekümmert habe, ohne, daß er es etwa als ein müßiger Zuschauer zugelassen habe. Davon aber, als von des Mahomeths Sache, wie auch von dem beständigen und unveränderlichen Regiment GOttes auf dieser Erden, wäre noch viel zu sagen, und ich gestehe, daß ich gern hievon etwas gründliches von einem so Weltweisen, und zugleich Gottesgelehrten, lesen möchte. (4. Suppl. 210–211)

Angesichts des gerade in neuer deutscher Übersetzung erschienenen Buches von Boulainvilliers wünscht sich Korte eine theologisch gebildete Abhandlung zu diesem Thema, etwa Gründliches von einem, der Philosoph und Theologe ist. Eine gründliche Darstellung über Mahomet und seine Geschichte ist die von Ockley sicherlich auch. Arnold, der Übersetzer von Ockleys History of the Saracens, die 1745 im Verlag Korte erschienen war, hatte auch Entscheidendes dazu beigetragen, Texte von und über Mahomet in deutscher Sprache zugänglich zu machen (Sale 1746, Boulainvilliers 1747). Aber keiner der hier genannten Texte stammte von einem Autor, der Kortes Wunschkombination – Weltweisheit und Gottesgelehrteit – vertrat.

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11. Kortes Reise nach dem weiland Gelobten Land

11.5 Eine antikatholische und antiorthodoxe Auffassung – Mahomet als „Bilderstürmer“ Korte hatte klar Position gegen die Römische und die Morgenländische Kirche bezogen, ihnen teilweise sogar Mohammed und seine Religion vorgezogen. Alle drei sind für ihn zwar heidnisch, weil seiner Meinung nach auch Mahomet von den bilderverehrenden Christen abstamme und dieselben Vorväter habe. Mahomet habe aber im Gegensatz zu diesen den Bilderdienst verboten. Korte hatte mit Arndt, Spener und anderen auch seine protestantischen Heiligen benannt. Von einer Wiedergeburtstheologie her, die die Kraft des Evangeliums gegen die Kirchenlehren stellt, kann er falsches Christentum strikt ablehnen und gleichzeitig Mahomet eine erstaunliche Wertschätzung zukommen lassen. Mahomet erscheint zwar nun nicht gerade als wiedergeborener Christ. Aber Mahomet ist durch das Ketzerthema eingebunden. Der Ketzervorwurf, den Korte ihm macht, bezieht sich allerdings nicht auf Lehren, sondern auf Mahomets Lebenswandel. Ursprünglich und eigentlich war Mahomet aus Kortes Sicht ein Werkzeug Gottes gegen die (nach wie vor) heidnischen Christen im weiland gelobten Land, die ihren falschen Gottesdienst zu allem Überfluss auch noch an den falschen Orten dort vollzögen, wie Korte als eigentliches Beweisziel seiner Reise und seines Reiseberichtes angibt. Ging der Wunsch, den Korte in seinem antikatholischen und antiorthodoxen Reisebericht äußerte noch in Erfüllung? Wurde noch von Mahomet als Gottes Strafgericht geschrieben? In der Acta Historico-Ecclesiastica wurde Kortes Reisebeschreibung zwar bereits 1743 ausführlich vorgestellt, allerdings völlig ohne Bezug auf die ungewöhnliche Darstellung bzw. Einschätzung Mahomets.16 Die nächste Mahomet-Darstellung, die ein Philosophie- und Theologieprofessor auf Deutsch veröffentlichen sollte – und das entsprach ja Kortes Wunsch – stammt von Johann Leonard Fröreisen, einem ausgesprochenen Gegner Zinzendorfs, wogegen Korte die Gemeinschaft Zinzendorfs unterstützt hatte, und im Verlag Korte Schriften Zinzendorfs verlegt worden waren. Fröreisen schrieb nicht etwa eine „unpartheyische“ Geschichte Mahomet, wie Korte sie sich gewünscht hatte, auch deutete er Mahomet nicht als Strafgericht für abergläubische Christen. Vielmehr schrieb er über den Betrüger Mahomet und stellte Zinzendorf als „seinen Affen“ vor, der im Grunde noch schlimmer sei als Mahomet selbst.

16 Vgl. Acta Historico-Ecclesiastica Oder Gesammlete Nachrichten von den neuesten KirchenGeschichten. Sechs und dreisigster Theil. Mit Kön. Pohln. und Churfürstl. Sächs. allergnäd. Privilegio und unter Censur des Fürstl. Sachs. Weimar. Oberconsistorii. Weimar, bey Siegm. Heinrich Hoffmann. 1743. S. 1000–1016.

12. Mahomet als machtorientierter Religionsbetrüger – Pierre Bayles Dictionnaire Historique et Critique in der Fassung Johann Christoph Gottscheds (1743) 12.1 Gottscheds Kommentar im Vorwort Der Leipziger ,Literaturpapst‘ Johann Christoph Gottsched (1700–1766), Universitätsprofessor für Poetik, Logik und Metaphysik, Schriftsteller und Literaturtheoretiker weist in seinem Vorwort zum Historischen und Critischen Wörterbuch1 auf die „anstößigen“ Artikel Bayles hin, die besonders in diesem dritten Band enthalten seien. Er erwähnt dabei die Artikel „Manes“, „Marcion“, „Origenes“, „Paulicianer“, „Pyrrho“ und „Prudentius“, in denen „die allerbedenklichsten Stellen“ enthalten wären, „die so viele gelehrte Männer wider den Verfasser in Harnisch gebracht“ hätten. (2r) Bayle habe gewissen alten Ketzern Einwürfe in den Mund gelegt und den kirchlichen Antworten Schwäche attestiert. Man könne ein großes Register von Texten gegen Bayle aufstellen. Von den Ausländern seien King, le Clerc, Jaquelot und Bernard, von den Deutschen Pfaff, Buddeus und Leibniz die Besten gewesen.2 Gottsched selbst sei von Leibniz’ Antworten persönlich am meisten überzeugt gewesen. Wie man aber nun zu denen Arzneymitteln, die einem selbst in einer Krankheit geholfen haben, insgemein das beste Vertrauen hat, und sie seinen Freunden, die ein gleiches Uebel empfinden, am ersten und liebsten vorzuschlagen und anzurathen pflegt: also habe ich auch bey den Zweifeln gegen die Religion, die für nichts anders, als für Gemüthskrankheiten anzusehen sind, eben das gethan. (2v)

Bei seinen Zweifeln als Student sei Gottsched auf Leibniz’ Theodizee gestoßen und habe hieraus Grundlegendes gelernt, das auch gegen Bayle einzuwenden sei. Es könne kein besseres „Gegengift“ gegen Bayles Zweifel gefunden werden als die Theodizee – „wenn sie mit der gehörigen Aufmerksamkeit, und im 1 Historisches und Critisches Wörterbuch, nach der neuesten Auflage von 1740 ins Deutsche übersetzt; Mit des berühmten Freyherrn von Leibnitz, und Herrn Maturin Veissiere la Croze, auch verschiedenen andern Anmerkungen, sonderlich bey anstößigen Stellen versehen, von Johann Christoph Gottscheden. Dritter Theil. K bis P. Mit Röm. Kaiserl. auch Königl. und Chursächs. allergnädigster Freyheit. Leipzig, 1743. Verlegts Bernhard Christoph Breitkopf. 2 William King (1650–1729), Jean le Clerc (1657–1739), Isaac Jaquelot (1647–1708), Jaques Bernard (1658–1718), Christoph Matthäus Pfaff (1686–1760), Johann Franz Buddeus (1667–1729), Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716); vgl. dazu Nicola Stricker, Die maskierte Theologie von Pierre Bayle, Berlin u. a. 2003.

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12. Bayles Dictionnaire Historique et Critique

ganzen Zusammenhange gelesen wird“ (3r). Schließlich sei die Theodizee nicht zuletzt durch Diskussionen um Bayle angeregt worden, wie Gottsched betont, um daraufhin zu bedauern, dass weder Leibniz’ Gesprächspartnerin Königin Sophia Charlotte von Preußen noch Bayle selbst das Erscheinen dieses Werkes noch erlebt hätten. Gottsched hat seiner Auskunft nach in diesen dritten Band des Bayleschen Wörterbuchs diverse Stellen aus der Theodizee und eigene Kompilationen aus Grundsätzen Leibniz’ zur Widerlegung eingerückt und schließt sein Vorwort mit dem Hinweis auf eine künftige verbesserte deutsche Ausgabe der Theodizee. Bayles Artikel „Mahomet“ fällt für Gottsched also nicht unter die anstößigen Texte, denen mit Leibniz’ Hilfe zu widersprechen ist. Dieser Text ließ sich wohl als eher konsensfähig einstufen als die anderen genannten Artikel Bayles. Die Übersetzung stammt von unbekannter Hand.3 Gottsched hat die Texte allerdings seiner eigenen Angabe nach redigiert.4 Dementsprechend werden ihm in der folgenden Darstellung die Aussagen des deutschen Textes im Vergleich mit Bayles Fassung zugeschrieben.

12.1.1 Bayles Artikel „Mahomet“ Der Artikel „Mahomet“ ist, wie in diesem Werk üblich, in einen knappen Haupttext und einen sehr ausführlichen Anmerkungsapparat eingeteilt.5 Die Vorstellung und Diskussion biographischer oder überlieferungsgeschichtlicher Einzelheiten kann hier genauso wenig interessieren wie der Versuch einer Gesamtparaphrase des Artikels. Vielmehr ist wiederum von Interesse, wie Mahomet und sein prophetischer Anspruch vorgestellt werden, wie der Koran und Mahomets Religion beurteilt (und auch bezeichnet) werden. Es wird im Folgenden jeweils der Haupttext mit den dazugehörigen Anmerkungen vorgestellt. Mahomet, „Urheber einer Religion, die gar bald einen großen Anhang gehabt, und noch hat“ (258), wird kurz biographisch eingeführt. Über das Geburtsjahr und den Zustand der Familie gebe es keine Einigkeit. Aufgewachsen bei seinem Onkel, sei er von diesem zu einer Kaufmannswitwe in den Dienst gegeben worden, die ihn geheiratet habe. 3 Vgl. Günther Gawlick, Johann Christoph Gottsched als Vermittler der französischen Aufklärung. In: Zentren der Aufklärung III: Leipzig. Aufklärung und Bürgerlichkeit, hg. v. Wolfang Martens, Heidelberg 1990, S. 179–204. 4 Vgl. zur Frage der Autorschaft der Übersetzung die Anmerkungen von Günther Gawlick und Lothar Kreimendahl in: Pierre Bayle, Historisches und kritisches Wörterbuch, Hamburg 2003 (Philosophische Bibliothek, 542), S. LXIII f. 5 Die Darstellung richtet sich nach dieser Struktur. Paraphrasen und Zitaten aus dem Haupttext folgt jeweils eine Darstellung aus der (mit dem entsprechenden Buchstaben gekennzeichneten) Anmerkung.

12.1 Gottscheds Kommentar

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Weil er mit der schweren Noth behaftet war, und seiner Frau dieses Gebrechen verheelen wollte, so machte er ihr weiß, daß er nur darum in Verzückungen fiele, weil er den Anblick des Engels Gabriel nicht ertragen könnte, welcher ihm im Namen Gottes viele Dinge, die Religion betreffend, ankündigte (E). (ebd.)

E)6 Mahomet sei zu dieser Zeit vierzig Jahre alt gewesen. Bayle betont, dass sich Mahomet nicht „des Kunstgriffes fast aller Neulinge“ (260) bedienen wollte, als er seine Frau als erste bekehrte. Seine vielen Frauen habe er nicht zur Ausbreitung seiner Religion, sondern „allein zum natürlichen Gebrauche, zum Hülfsmittel, wider seine Unkeuschheit, zur venerischen Wollust, mit einem Worte, und nicht zur Fortpflanzung seines Glaubens“ (ebd.) gebraucht. Seine Frau sei entweder betrogen worden oder habe sich so gestellt: „Chadigha, welche entweder betrogen war, oder sich so stellte, als wenn sie es wäre, trug es von Haus zu Hause herum, daß ihr Mann ein Prophet wäre, und bemühte sich, ihm durch dieses Mittel Anhänger zu verschaffen.“ (258) Wie auch seine Diener und andere Leute habe sie dies mit einigem Erfolg getan, bis der stärker werdende Widerstand und die Mordabsichten der Mekkaner zur Flucht Mahomets und seiner Anhänger nach Medina geführt hätten. „Mahomet hatte schon längst den Propheten gespielet, da er sein Vaterland verlassen hat, und sich zur Vorbereitung seiner Prophezeyungen viele Tage in einer Höle aufgehalten.“ (260)

12.1.2 Die christliche Mahomet-Geschichtsschreibung Es sei nicht so einfach, die wahrhafte Beschreibung von Mahomets Taten zu kennen, denn seine Anhänger hätten tausend Fabeln zu seiner Ehre erfunden und seine Gegner sich kein Gewissen gemacht, zu lügen. Der in den reformierten Niederlanden lebende Bayle fragt, ob es nicht so sein könnte, „daß die Christen mit den Mahometanern umgegangen sind, wie die Reformirten mit den Katholiken umgehen“ (ebd.). Bei Legendenschreibern finde sich etliches, was sich bei ernsthaften katholischen Schriftstellern nicht finde, vieles dessen sie gar spotteten. Folget nun daraus, daß die Protestanten Verleumder, oder allzu eifrige Scribenten sind, wenn sie den Katholiken die Alberkeit solcher Wunderwerke vorwerfen? Warum sollten wir nicht sagen, daß die Christen, welche die Mahometaner wegen dieser Wunderwerke ausgehöhnet, die man heutigen Tages in Arabischen Scribenten nicht findet, dieselben in einigen schlechten Schriftstellern gefunden, welche sich, zur Ehre ihres falschen Propheten, eben die Freyheit herausgenommen haben, wie unsere Legendenschreiber zur Ehre ihrer Heiligen thun? (ebd.) 6 Einem kurzen Haupttext folgt in Bayles neu erfundener Darstellungsmethode ein sehr ausführlicher Anmerkungsapparat. Hier wird der Übersichtlichkeit halber die jeweilige Anmerkung (A, B, C etc.) der Quelle vorangestellt und nur die Seitenzahlen werden zitiert.

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12. Bayles Dictionnaire Historique et Critique

Bayle versucht hier, mit Vorurteilen aufzuräumen, indem er folgendermaßen fortfährt: Ich will nicht leugnen, daß der Eifer unserer Streitgeister in gewissen Absichten nicht ungerecht wäre; denn wenn sie sich der Alberkeiten eines mahometanischen Legendenschreibers bedienen, den Mahomet selbst verhaßt oder lächerlich zu machen, so handeln sie wider die Billigkeit, welche man aller Welt schuldig ist, den boshaften so wohl, als den rechtschaffenen Leuten. Man muß den Leuten dasjenige niemals schuld geben, was sie nicht gethan haben; und folglich ist es nicht erlaubet, wider den Mahomet, nach denen Träumereyen, zu schließen, welche seine Anhänger von ihm erzählen, wenn es nicht wahr ist, daß er diese selbst gesaget hat. Er würde schon Last genug zu tragen haben, wenn man ihm gleich nur seine eigenen Fehler aufbürdete, ohne daß man ihn noch wegen anderer Thorheiten zur Verantwortung ziehen darf, welche ein unbesonnener und romanhaften Eifer aus der Feder seiner Schüler gepresset hat. (261)

Die „Scribenten von seiner Secte“ (258) hätten auch vielfach wunderliche Geburtslegenden verbreitet. „Es giebt Leute“, so heißt es im Haupttext weiter, welche sich einbilden, er habe dasjenige glauben können, was er gesagt hat (K), und welche das Vorgeben misbilligen, daß er nur dadurch so viel Anhänger an sich gezogen, weil sich seine Moral nach der Verderbniß des Herzens bequemet habe (L), und weil er den Menschen ein sinnliches Paradies versprochen (M). Die Ursache seines Glückes ist ohne Zweiffel gewesen, weil er diejenigen, die es nicht gutwillig thaten, durch die Gewalt der Waffen gezwungen, sich seiner Religion zu unterwerfen (N). Hierdurch erhalten wir der christlichen Religion einen von den Beweisen ihrer Göttlichkeit (O): nämlich denjenigen, der aus ihrer schleunigen Fortpflanzung durch die ganze Welt hergenommen wird: allein wir verlieren den Beweis, den ihr Umfang dargebothen hätte (P). (ebd.)

K) Alle Christen seien einig, daß der eigentliche Urheber der Lehre Mahomets der Teufel sei, der sich seiner nur als eines Werkzeugs zur Verbreitung einer falschen Religion in der Welt bedient habe. Mahomet sei durch Gottes Vorsehung dem Teufel als Werkzeug überlassen worden, dessen Gewalt über Mahomet viel weniger eingeschränkt gewesen sei als seine Gewalt über Hiob, „denn Gott hat dem Teufel nicht erlaubet, Hiobs Seele zu verführen, wie er ihm erlaubet hat, sich der Seele Mahomets zur Verführung der Menschen zu bedienen.“ (261) Der Teufel habe ihm einreden können, dass Gott ihn zum Propheten eingesetzt hätte, ihm „den weitläuftigen Anschlag, eine Religion zu stiften, einblasen, und ihm die Begierde mittheilen können, sich alle Mühe zu geben, die Welt zu betriegen; warum sollte er ihn denn nicht haben verführen können?“ (ebd.) Warum sollte man das eine zugeben und das andere leugnen? Bayle fragt, ob es schwerer sei, den Willen gegen die Vernunft anzutreiben, als den Verstand durch falsche Überredung zu betrügen oder den Willen auf ein falsches Licht zu lenken, das er als Offenbarung zugrunde legt. „Ich bekenne, daß mir das eine von diesen zweyen Dingen nicht schwerer zu seyn scheinet,

12.1 Gottscheds Kommentar

293

als das andere.“ (ebd.) Bayle erwägt nun, dass der Teufel Mahomet wirklich verführt haben könnte, denn der Koran sei das verwirrte Werk eines Schwärmers. „Ein Betrüger würde seine Lehren besser geordnet haben: ein Comödiante würde mehr Richtigkeit gehabt haben.“ (ebd.) Das Vorgeben, die Lehre sei vom Engel Gabriel nütze nichts, auch in dieser Gestalt könne der Teufel agieren. Aus dieser Sicht könnte man nur festhalten, dass es dem Teufel genug gewesen wäre, dem (wahren) Christentum eine falsche Religion entgegenzusetzen, auch wenn dies mit der Ausrottung des Heidentums einherginge. Und man könnte sagen, dass man ohne gute Moral niemand einen göttlichen Ursprung bzw. Auftrag weismachen könne. Gisbert Voetius (Gijs Voet; 1589–1676) und andere hielten Mahomet für einen begeisterten oder gar für einen besessenen Menschen. Bayle fällte allerdings eine andere Entscheidung. 12.1.3 Mahomet – ein Betrüger und sein Erfolg „So scheinbar auch diese Gründe seyn können, so will ich doch lieber glauben, wie man gemeiniglich thut, daß Mahomet ein Betrüger gewesen ist […].“ (ebd.) Seine einnehmenden Sitten und sein Geschick, sich Freunde zu machen, bezeugten, „daß er die Religion bloß als ein Mittel gebrauchet hat, sich groß zu machen“ (ebd.).7 Mahomets Betrug wird also gewissermaßen auf Einschmeichelei zurückgeführt. Kein echter Schwärmer habe jemals einen solchen Charakter gehabt. Spätestens sein Unvermögen, bestätigende Wunder zu wirken, hätte der Erfahrung gezeigt, dass er nicht von Gott gesandt sei. Mahomet habe den Koreischiten vielmehr listig gesagt, dass Wunder nicht mehr nötig seien und dabei auf die Vortrefflichkeit des Korans verwiesen. L) Dass er sich in seiner Sittenlehre nach der Verderbnis des Herzens gerichtet hätte und dadurch Anhänger gewonnen habe, bestreitet Bayle. Im Gegenteil habe Mahomet der Sittenlehre des Evangeliums – mit Ausnahme der Ehegesetze und der Rache – keinen Abbruch getan. Und diese Dinge würden Juden und Heiden, die beides kannten, keine Verlockung gewesen sein können. Mahomet habe den Menschen eben nicht das „Joch der guten Werke und der mühseligen Beobachtungen abgenommen, und ihnen böse Sitten erlaubet“ (ebd.). M) Die Versprechung eines sinnlichen Paradieses tauge höchstens den Heiden, nicht aber den Juden und den Christen als Lockmittel für die neue Religion. Denn diese hätten der groben Sinnlichkeit überlegene Vorstellungen vom Paradies. Die Heiden aber hätten an Mahomets sinnliche Versprechen gar nicht geglaubt, wenn sie ihn nicht bereits für einen Propheten gehalten hätten. Darum hätten ihm diese Vorstellungen vom Paradies selbst keine Anhänger verschafft. Gleichwohl hält Bayle abschließend fest: „Man will nicht leugnen, 7 Als Ausnahmen von diesem einnehmenden Wesen nennt Bayle hier die Polygamie sowie Mohammeds den Umständen angepasste Prophezeiungen (vgl. Bayles Anmerkungen T und NN).

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12. Bayles Dictionnaire Historique et Critique

daß Mahomet den Saracenen durch die Zulaßung der Vielweiberey nicht eine starke Lockspeise vorgeleget hat: denn sie waren sehr geneigt zu dem Venuswerke.“ (262) N) Bayle macht den Erfolg Mahomets an dieser Stelle fest: Man darf die Ursache seines Glückes nirgends anders suchen; hier haben wir sie ganz. Ich leugne nicht, daß die Spaltungen der griechischen Kirche, wo sich die Secten unglücklicher weise vermehret hatten, der schlechte Zustand des morgenländischen Kayserthums, und die Verderbnis der Sitten, nicht eine günstige Gelegenheit für die Absichten des Betriegers gewesen wären; allein wie kann man endlich den siegenden Waffen widerstehen, welche Unterschriften fordern? (ebd.)

Bayle geht über diese Feststellung sogar noch weit hinaus und meint, Mahomet hätte anders agiert, wenn er gewusst hätte, dass er so erfolgreiche Soldaten haben würde. Er würde sich nicht so viel Mühe gegeben haben, Offenbarungen zu erdichten, sich in seinen Schriften andächtige Minen zu geben, und viele aus dem Christenthume und Heidenthume genommene Stücke zusammen zu flicken. Er wäre, ohne daß er sich mit allem diesem Plunder verwirren dürfen, versichert gewesen, seine Religion überall einzuführen, wo seine Waffen hätten siegen können; und wenn etwas vermögend wäre, mich zu überreden, daß viel Schwärmerey bey seiner Sache gewesen, so sind es die unzähligen Dinge, die man im Alkorane sieht, und welche zu nichts nützlich seyn können, als wenn man keinen Zwang brauchen will. (ebd.)

Mahomets Religion, so lässt sich Bayles Position zusammenfassen, ist der Betrug eines sich den Mitmenschen durch angenehme Sitten und freundschaftliches Getue einschmeichelnden Menschen und keine vom Teufel mit Gottes Zulassung verursachte Schwärmerei. Es handelte sich von vornherein um einen Betrug. Wenn Mahomet rechtzeitig gewusst hätte, wie erfolgreich seine Soldaten sein würden, hätte er sich nicht die Mühe gemacht, den Koran zu erdichten. Mit derartigem „Plunder“ hätte er sich nicht abgegeben.

12.2 Bayle, Gottsched und Prideaux Der weitere Haupttext räumt mit diversen Legenden und „Lügen“ auf, die von beiden Seiten über Mahomet verbreitet worden seien. Doch Bayles Historisches und Critisches Urteil über Mahomet ist gesprochen. Es verwundert nach den aus den ersten Anmerkungen zitierten Äußerungen also nicht, dass Bayle seinen Haupttext mit einem empfehlenden Hinweis auf Prideaux’ Life of Mahomet schließt. Seit der ersten Auflage des Dictionnaire Historique & Critique sei Prideaux’ Buch auch auf Französisch erschienen, heißt es in der

12.2 Bayle, Gottsched und Prideaux

295

für Gottscheds Übersetzung maßgeblichen zweiten Auflage.8 „Man sieht, unter andern Dingen, viele Beweise darinnen, daß Mahomet ein Betrüger gewesen, und daß er sich seines Betrugs zu seiner Fleischeslust bedienet hat.“ (259) Demgegenüber verteidigt Bayle abschließend Richard Simon (1638–1712) gegen den Vorwurf, er habe Mahomets Religion beschönigen wollen: „Allein, wenn er im Grunde Recht hat, so verdienet er, gelobet zu werden; denn man muß den Haß des Bösen dadurch nicht nähren, daß man es viel abscheulicher beschreibt, als es in der That ist“. (Ebd.) Diese abschließende Stellungnahme und Bayles werbende Äußerungen für Prideaux zeigen, dass er die damals wohl bekannteste Biographie, die Mahomet als Betrüger schildert, weder unter die beschönigenden noch unter die zu abscheulich darstellenden Bücher zählt. Anders fällt die Einschätzung Gottscheds bzw. des Übersetzers aus, der eine Anmerkung zu der Frage, ob Mahomet Heide gewesen sei anfügt. Bayle hatte geschrieben, dass Mahomet auch deswegen nicht von den Juden als der Messias angesehen werden konnte, weil der Messias aus dem Geschlecht Davids kommen sollte. Es sei „weltkundig gewesen, daß Mahomet nicht daraus entsprossen, sondern aus einem heidnischen Geschlechte gewesen ist“ (268). Gottsched widerspricht ausführlich dieser Einschätzung u. a. mit Hinweis auf das von George Sale 1734 veröffentlichte Geschlechtsregister Mahomets. Eigenartig sind Gottscheds Literaturhinweise, die zu dem von Bayle gezeichneten Mahomet-Bild nicht recht passen.9 Gottsched schreibt: Man wird nicht übel thun, wenn man die ganze Einleitung zu diesem englischen Alkoran zu rathe zieht, die Herr Bayle mit Nutzen gebrauchet haben würde, wenn er sie erlebt hätte. Wer aber des englischen nicht mächtig ist, oder das Buch nicht haben kann, der lese des Grafen Boulainvilliers Leben Mahomets nach, worinnen man gleichfalls viel hierher gehöriges antreffen wird. Wenigstens wird man darinnen finden, daß Mahomet eine höchstrühmliche Absicht gehabt, den in Arabien sehr verfallenen Gottesdienst des einzigen wahren Gottes wieder herzustellen, und die Verehrung der Gestirne gänzlich abzuschaffen; wie er es den auch wirklich bey einem großen Theile des menschlichen Geschlechts glücklich zu Stande gebracht hat. G. (269)

8 Bayle verweist mehrfach auf Prideaux, so auch auf die 1698 erschienene französische Übersetzung des Life of Mahomet. Der naheliegende Hinweis auf die deutsche Fassung des Life of Mahomet von 1699 fehlt allerdings in Gottscheds Übersetzung; Bayle: „Qui voudra voir une suite chronologique des actions des avantures de ce faux Prophete soutenu de fort bonnes citations, & d’un beau detail de circonstances, n’aura qu’ lire l’Ouvrage de Mr. Prideaux. Il a t traduit d’Anglois en FranÅois depuis la 1. dition de ce Dictionnaire.“ Dictionnaire historique et critique: Par Monsieur Bayle. Tome Second, seconde edition, Revu , corrig e & augment e par l’Auteur. E–M. A Rotterdam, Chez Reinier Leers, MDCCII. Avec Privilege, S. 1987. 9 Dass Gottsched auch an diesem Text genau gearbeitet hat, zeigen zwei Literaturergänzungen, die er zu Bayle macht. Der Widerspruch zwischen den Positionen müsste ihm eigentlich deutlich gewesen sein.

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12. Bayles Dictionnaire Historique et Critique

Die von Gottsched empfohlenen Darstellungen Sales und Boulainvilliers’ gehen jedoch ganz andere Wege als die hier deutsch gebotene Darstellung Bayles oder auch des von diesem zustimmend zitierten Prideaux. Für Bayle ist Mahomet, wie für Prideaux, ein Betrüger. Sale wollte nicht entscheiden, ob es sich um Betrug oder Selbstbetrug gehandelt hat und Boulainvilliers beschreibt Mahomet, nicht zuletzt aufgrund einer ganz anderen Perspektive, die die religiöse Wahrheitsfrage letztlich ausklammert, als größten Staatsmann der Weltgeschichte. Gottsched empfiehlt hier dagegen zwei Texte, die Jahre nach Bayles Tod publiziert wurden und mit Bayles Darstellung, zumindest in der grundsätzlichen Einschätzung, kollidieren. Ähnliches gilt für Relands Werk De religione Mohammedica, das seit 1717 auch in deutscher Übersetzung vorlag. Gottsched erwähnt dieses Buch in seiner pauschalen Literaturempfehlung zum Thema „Mahomet“ allerdings nicht. Noch deutlicher für Prideaux spricht sich dagegen Bayle selbst in einer weiteren Anmerkung aus. NN) „Die Veränderungen seines prophetischen Geistes, haben sich nach den Veränderungen seiner besonderen Angelegenheiten gerichtet.“ (273) An dieser Stelle zitiert Bayle wörtlich Prideaux, der den gesamten Koran so betrachte, dass Mahomet im Laufe der Jahre zu allen erdenklichen Gelegenheiten eine Offenbarung durch Gabriel vorgetäuscht habe. Dies würden auch die Ausleger zeigen, so Prideaux (nach Gottsched) weiter, wenn sie in den verschiedenen Kapiteln jeweils die Ursachen angeben, warum diese Verse offenbart seien. Dies habe für viele Widersprüche im Koran gesorgt. „,Denn nachdem sich die Geschäffte und Absichten des Betrügers verändert, so hat er sich auch genöthiget gesehen, seine erdichteten Offenbarungen zu verändern, welches bey seiner Secte eine so bekannte Sache ist, daß sie alle die Wahrheit davon bekennen.‘“ (Ebd.) Die von Prideaux darauf berührte Abrogationsproblematik ist nach Bayle ein starker Betrugsbeweis. Bayle fügt nun einen Vergleich mit zeitgenössischer endzeitlicher Auslegung hinzu. Man würde diesem Betrugsbeweis einen allzugroßen Umfang geben […], wenn man sich desselben ohne Ausnahme, wider alle Ausleger der Offenbarung Johannis bedienen wollte, welche ihre Lehre nach dem verschiedenen Laufe der öffentlichen Angelegenheiten ändern. […] Es kann manchmal wohl geschehen, daß in der Unbeständigkeit dieser Leute nur Schwärmerey ist, und, da sie nicht vermögend sind, den übeln Zustand ihres Kopfes wahr zu nehmen, sie dennoch nicht so aufrichtig sind, wenn sie was ändern, als wenn sie nichts verändern. Wir wollen also einen Unterschied machen: wir wollen nur sagen, daß diejenigen, welche ihr apokalyptisches Lehrgebäude nach den öffentlichen Zeitungsblättern, und allezeit dem allgemeinen Endzwecke ihrer Schriften gemäß ändern, unwissentliche oder wissentliche Unwahrheiten vorgeben. Ihre Aufführung ist sehr oft ein Betrug, doch aber auch nicht allezeit. (274)

Es ist mehr als deutlich, dass Pierre Bayle in seinem historischen und kritischen Dictionnaire eine traditionelle Mahomet-Interpretation liefert, die in ihren Grundentscheidungen von Prideaux abhängt, den Bayle mehrfach zu-

12.2 Bayle, Gottsched und Prideaux

297

stimmend zitiert. Dagegen zählt für Monika Walter Bayle zusammen mit Henri de Boulainvilliers zu den „islamophilen Frühaufklärern“10 und Alberto Saviello hält unter Rückgriff auf Maxime Rodinson fest: „Das Prophetenbild von Bayle, der im Rotterdamer Exil lebte und wegen seiner Schriften des Deismus bezichtigt schließlich seine Philosophieprofessur einbüßte, kann als exemplarisch für die aufkeimende Begeisterung für den Islam unter radikalen Aufklärern gelten. Sie übertrugen die Werte ihrer neuen Ideologie auf den Islam und richteten die Argumente der antiislamischen Apologetik nun gegen die christlichen Institutionen selbst.“11 Dass die Polemik bei Bayle grundsätzlich zurückgefahren oder anders gewendet würde, lässt sich angesichts der im Dictionnaire vorgelegten Mahomet-Interpretation allerdings nicht behaupten. Allerdings bezieht er die Polemik gegen den Propheten wie oben erwähnt mehrfach auf den konfessionellen Gegensatz von Protestanten bzw. Reformierten und römischen Katholiken, allerdings unter mehrfach gebrochenen Vorzeichen, nämlich als hugenottischer Immigrant in einer reformierten Mehrheitsgesellschaft. An diesen Grundaussagen in Bayles Prophetenbild änderte auch der Herausgeber Gottsched nichts, der dieses große französische Werk kurz nach der neuesten Ausgabe von 1740 auf den deutschen Markt brachte. Eine kritische Positionierung gegenüber damals gängigen Prophetenbildern lässt sich in diesem Werk nicht ausmachen, obwohl mit Sale auch neuere englische Literatur eingetragen wird, während das damals bereits in zwei deutschen Auflagen vorhandene, wichtige Buch von Reland De religione Mohamedica fehlt, das einem kritischen Anspruch, wie ihn das Dictionnaire und seine Übersetzung erheben, gerecht würde.

10 So bereits die Überschrift des Kapitels über Bayle und Boulainvilliers: „Islamophile Frühaufklärer“; Walter, Islam, S. 352. 11 Saviello, Imaginationen, S. 173.

13. Mahomet als Werkzeug Gottes und nicht vorsätzlicher Betrüger – Theodor Arnolds Übersetzung von Simon Ockleys History of the Saracens (1745) 13.1 Biographisches zu Theodor Arnold (1663–1771) Theodor Arnold wurde 1683 als Sohn des Predigers Theodor Arnold in Annaberg/Erzgebirge geboren.1 Sein Vetter Gottfried Arnold (1666–1714), Sohn des Lehrers Gottfried Arnold aus Annaberg, wurde vor allem durch seine Unpartheyische Kirchen- und Ketzerhistorie bekannt.2 Nach dem Besuch der Lateinschule in Annaberg und des Gymnasiums in Gera immatrikulierte Theodor Arnold sich 1706 an der Universität Halle, wo er Joachim Lange, Christian Wolff und Christian Thomasius hörte und bei Michaelis die orientalischen Sprachen – aber wohl nicht Arabisch3 – studierte. In Halle, damals Zentrum für das Erlernen der englischen Sprache und eine der wenigen Kontaktmöglichkeiten zu Engländern, wird Arnold wohl auch eine erste Ausbildung im Englischen erhalten haben.4 Ab 1708 studierte er dann in Leipzig und verlagerte seine Interessen von der Theologie zu den schönen Wissenschaften, vor allem zur englischen Sprache, Kultur und Literatur. Reisen führten ihn nach Prag, nach Berlin und nach Hamburg, wo er ein halbes Jahr verbrachte, ohne jedoch eine geplante Reise nach England antreten zu können. Die finanzielle Situation des Vaters hatte diese Reise nicht erlaubt und nötigte Theodor Arnold zu vergleichsweise früher finanzieller Selbst1 Zur Biographie vgl. Konrad Schröder, Biographisches und Bibliographisches Lexikon der Fremdsprachenlehrer des deutschsprachigen Raumes, Spätmittelalter bis 1800, Bd. 1 21991, S. 20–22 und Bd. 5 1996, S. 25–27 sowie Marie-Luise Spieckermann, Übersetzer und Übersetzertätigkeit im Bereich des Englischen in Deutschland im 18. Jahrhundert. In: Fremdsprachenunterricht 1500–1800. Hg. v. Konrad Schröder, Wiesbaden 1992 (Wolfenbütteler Forschungen 52), S. 191–203, zu Arnold S. 196–198. 2 Gottfried Arnold war also nicht Theodors Bruder, wie Rehrmann berichtet; vgl. Rehrmann, Ehrenthron, S. 71. 3 Arnold gibt in seiner Vorrede des Übersetzers zu Ockleys History zu, kein Arabisch zu verstehen; vgl. Ockley, Geschichte, S. 45. 4 Alexander Schunka, England als Erfahrungsraum im frühen Halleschen Pietismus. In: Christian Soboth/Udo Sträter (Hg.), „Aus Gottes Wort und eigener Erfahrung gezeiget“. Erfahrung – Glauben, Erkennen und Gestalten im Pietismus, Beiträge zum III. Internationalen Kongress für Pietismusforschung 2009, Bd. 2, S. 823–836; vgl. dazu auch ders., Zwischen Kontingenz und Providenz – frühe Englandkontakte der Halleschen Pietisten und protestantische Irenik um 1700. In: Pietismus und Neuzeit (34) 2008, S. 82–114.

13.2 Arnold als Übersetzer

299

ständigkeit. Für die verschiedenen Lebensstationen werden immer wieder Kontakte zu Engländern erwähnt. Arnold versuchte zunächst in Leipzig, seinen Lebensunterhalt mit Sprachunterricht zu verdienen. Auch einen längeren Aufenthalt in Dresden nutzte er für intensive Kontakte mit Engländern. Von 1715 bis zu seinem Tode im Jahre 1761 wirkte er dann als Sprachlehrer („Sprachmeister“) für Englisch und auch für Französisch in Leipzig. Dortigen britischen Studenten gab er außerdem Deutschunterricht.5

13.2 Arnold als Übersetzer Allerdings ist nicht zu übersehen, dass Arnold der im 18. Jahrhundert wohl fleißigste deutsche Übersetzer aus dem Englischen war.6 Während Zeitgenossen in der Regel ein bis zwei Werke vorlegten, übersetzte Arnold fünfzehn oder sechzehn Bücher aus dem Englischen sowie weitere Bücher aus dem Französischen. Arnold war nicht etwa ein besonders fleißiger Brotübersetzer. Vielmehr verfolgten seine Übersetzungen durchaus auch konzentriert Themen. So erschien etwa 1721 seine deutsche Fassung von John Beaumonts (1583–1627) A Historical, Physiological, and Theological Treatise of Spirits, Apparitions, Withcrafts, and Other Magical Practices mit einer Vorrede von Christian Thomasius (1655–1728).7 Danach erschien 1726 – ebenfalls mit einer Vorrede von Christian Thomasius – Francis Hutchinsons (1660–1739) An historical essay concerning witchcraft in Arnolds Übersetzung aus dem Englischen8 und 5 Bekannt geworden ist Arnold vor allem durch seine Sprachlehrbücher (Neue englische Grammatica 1718; Grammatica Anglicana Concentrata 1736; Englisches Wörterbuch 1736; Neues deutsch-englisches Wörterbuch 1739; A Complete Vocabulary, English and German 1757) die teilweise bis ins 19. Jahrhundert hinein verlegt und z. B. auch ins Dänische übersetzt wurden. 6 Vgl. Marie-Luise Spieckermann, Übersetzer und Übersetzertätigkeit im Bereich des Englischen in Deutschland im 18. Jahrhundert. In: Konrad Schröder (Hg.), Fremdsprachenunterricht 1500–1800, Wiesbaden 1992 (Wolfenbütteler Forschungen 52), S. 191–203; vgl. weiterhin Monika Estermann u. a. (Hg.), Distribution und Übersetzung englischen Schrifttums im Deutschland des 18. Jahrhunderts, Berlin/New York 2008. 7 Historisch-Physiologisch- und Theologischer Tractat Von Geistern, Erscheinungen, Hexereyen und andern Zauber-Händeln. Darinnen Von denen Geniis oder Spiritibus familiaribus … wahrgenommen … Anbey D. Bekkers bezauberte Welt Nebst andern Scribenten, die sich dergleichen Glaubwürdigkeiten wiedersetzt, wiederlegt wird / Iohann Beaumont. Aus der Englischen Sprache in die Teutsche … übersetzt von Theodor Arnold. Nebst einer Vorrede Des Geheimbden Raths Thomasii, Wie auch neuen Summarien und vollständigen Registern, Halle, Neue Buchhandlung 1721. 8 Francisci Hutchinsons, …Dieners am Evangelio zu St. Jacobi in St. Edmunds-Bury, Historischer Versuch Von der Hexerey, In einem Gespräch Zwischen einem Geistlichen, einem Schottländischen Advocaten und Englischen Geschwornen. Worinnen über würcklich geschehene Dinge vernünfftige Anmerckungen gemachet, die hieher gehörigen Stellen aus der Heil. Schrifft richtig erkläret und die gemeinen Irrthümer aufs bescheidentlichste widerleget werden; Nebst zwey

300

13. Simon Ockleys History of the Saracens

im Jahr darauf die Lettres quelques-uns de ses amis au sujet de la magie des königlichen Leibarztes FranÅois de Saint Andr (1677–1725) aus dem Französischen anstelle eines Supplements zu Hutchinsons Buch, versehen mit Anmerkungen, Einleitung und Register.9 In den 1730er-Jahren übersetzte Arnold v. a. theologische und kirchengeschichtliche, aber auch naturgeschichtliche Werke und Berichte über Amerika aus dem Englischen ins Deutsche, teilweise auch ins Lateinische. Die thematische Breite seiner Arbeit ist relativ groß, teilweise sind die Bücher mit Vorreden von Leipziger Theologen versehen, aber auch von dem Juristen Christian Thomasius (1655–1728) in Halle oder später von dem Leipziger Lexikographen und Bibliothekar Christian Gottlieb Jöcher (1694–1758). Thematisch ähnlich konzentriert wie seine Übersetzungen zum Thema Hexerei und Magie, die durchaus zum aufklärerischen Programm von Christian Thomasius im Hinblick auf Hexenprozesse gehörten, finden sich in späteren Jahren bei Theodor Arnold auch Übersetzungen zum Thema Saracenen, Koran und Mahomet. In unserem Zusammenhang sind folgende Arbeiten Arnold von Interesse, die thematisch eine Reihe bilden: 1745 veröffentlichte er seine Übersetzung von Simon Ockleys History of the Saracens (Geschichte der Saracenen) sowie 1746 George Sales englische Koranübersetzung10 mit dem ausführlichen Preliminary Discourse in deutscher Fassung. In diesem Zusammenhang sehr passend publizierte er schließlich 1747 Henri de Boulainvilliers’ La vie de Mahomet, aus dem Französischen übersetzt.11 Arnold bereitete damit innerhalb kurzer Zeit drei sehr bekannte Werke zu diesem Themenfeld für deutsche Leser auf. Es ist zu vermuten, dass er großen Wert auf Boulainvilliers’ Buch gelegt hat, denn er hatte zwar wenig Konkurrenz als Übersetzer englischer

vortrefflichen Predigten, … Und einer Vorrede Des Herrn Geheimbden Raths Thomasii / Aus dem Englischen ins Teutsche übersetzet … Von Theodoro Arnold, Leipzig Johann Christian Martini 1726. 9 Mr. De St. Andr , Königl. Leib-Medici in Franckreich, Lesenswürdige Briefe An einige seiner Freunde Uber die Materie Von Der Zauberey¨, Den Ubelthaten, so dadurch angestifftet werden, und von den Zauberern und Hexen insbesondere. Worinnen er die wunderbarsten Würckungen, die man gemeiniglich den Teuffeln zuschreibet, deutlich erkläret, und dabey zeiget, daß diese Geister offt nicht den geringsten Antheil daran haben … / Statt eines Suplements zum Hutchinson aus dem Frantzösischen ins Teutsche übersetzt, … und mit unterschiedenen dienlichen Anmerckungen, wie auch einem Vorbericht und gehörigen Registern versehen Von Theodoro Arnold, Leipzig Johann Christian Martini 1727. 10 The Koran, Commonly called The Alcoran of Mohammed, Translated into English immediately from the Original Arabic; with Explanatory Notes, taken from the most approved Commentators. To which is prefixed A Preliminary Discourse. By George Sale, Gent. London: Printed by C. Ackers in Sr. John’s-Street, for J. Wilcox at Virgil’s Head overagainst the New Church in the Strand. MDCCXXXIV. Die Titelseite trägt den Spruch: „Nulla falsa doctrina est, quæ non aliquid veri permisceat. Augustin. Queast. Evang. l.2. c. 40.“ 11 Rehrmann widmet Arnold ein eigenes Kapitel, allerdings ohne auf dessen BoulainvilliersÜbersetzung einzugehen; vgl. Rehrmann, Ehrenthron, S. 70–74.

13.3 Arnolds Ockley-Übersetzung

301

Texte12 aber große Konkurrenz als Übersetzer französischer Texte.13 Hier, wie auch zum Thema Hexerei und Geister, verband er nun englische und französische Übersetzungen, was m. E. ein Hinweis auf eine besondere Interessenlage ist. Theodor Arnold brachte mit großem Aufwand ein Thema in die deutschsprachigen Debatten, mit dem Gottfried Arnold Probleme gehabt hatte. Er widmete sich Schriften, die ein differenziertes Urteil über die Geschichte der Saracenen, über den Koran und über Mahomet ermöglichten. Gottfried Arnold war vorgeworfen worden, er könne sich statt Lutherisch eigentlich genauso gut Muhammedisch nennen (s. o.). Theodor Arnold brachte mit seinem Vorwort zu Ockleys History, mit seiner deutschen Fassung von Sales KoranÜbersetzung und vor allem dem Preliminary Discourse sowie mit der deutschen Veröffentlichung von Boulainvilliers’ La vie de Mahomet differenziertere und neuere Darstellungen auf den Markt, die geeignet waren, den 1742 noch einmal in der postumen Ausgabe der Unpartheyischen Kirchen- und Ketzer-Historie zitierten Vorwurf gegen Gottfried Arnold zu entkräften. Darauf verweist Theodor Arnold zwar nicht direkt, aber er begegnet den Vorwürfen gegen Reland und gegen Boulainvilliers, die er mit Hilfe von Rezensionen zu relativieren versucht.

13.3 Arnolds Ockley-Übersetzung von 1745 Interessant an dieser Übersetzung von The History of the Saracens14 von Simon Ockley, Vicar of Swavesey (1678–1720), dessen zweiten Teil der Cambridger 12 Z. B. übersetzte er noch 1749 – ohne Namensnennung – Joseph Addisons (1672–1719) The Evidences of Christian Religion, auch wenn es bereits seit 1745 eine Übersetzung gab: Ueberzeugende und unumstößliche Beweis-Gründe der christlichen Religion. In englischer Sprache verfasst, denen verschiedene Abschnitte wider die Atheisterey und den Unglauben, und zu Vertheidigung der göttlichen Offenbahrung, so von ihm u. andern bey Gelegenheit heraus gegeben worden, beygefüget sind. Nebst einer Vorrede Ins Deutsche übersetzt, Lemgo Meyer, 1749. 13 „Vergleichsweise wenige englische Werke waren bis 1740 überhaupt ins Deutsche übersetzt worden. Die vorhandenen Übersetzungen waren überdies in sprachlicher Hinsicht nicht immer zufrieden stellend, nicht wenige waren überhaupt erst unter Zuhilfenahme von Übersetzungen aus anderen Sprachen entstanden. Sie trafen auf ein Publikum, das noch weitgehend vom gelehrten Leser dominiert wurde, der nicht nur gewohnt war in Latein zu schreiben, sondern bevorzugt auch in lateinischer – allenfalls noch in französischer – Sprache las.“ Jennifer Willenberg, Distribution und Übersetzung englischen Schrifttums im Deutschland des 18. Jahrhunderts. München 2008 (Archiv für Geschichte des Buchwesens, Studien Band 6), S. 158. 14 Simon Ockley’s, M.A. Vicarii zu Swavesey in Cambridgeshire, Geschichte der Saracenen, oder ihre Eroberung der Länder Syrien, Persien und Egypten. Worinnen die Lebensbeschreibungen der drey unmittelbaren Nachfolger des Mahomets: Ihre merckwürdigsten Schlachten und Belagerungen, und andere zur Erläuterung der Religion, Sitten, Gebräuche, Gewohnheiten und Lebens-Art solchen kriegerischen Volcks dienliche Nachrichten enthalten. Aus den beglaub-

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13. Simon Ockleys History of the Saracens

Professor für Arabisch wegen Überschuldung als Gefangener in Cambridge Castle schrieb, ist in unserer Perspektive weniger das Werk selbst, das Peter Malcolm Holt im Vergleich zu Prideaux’ Life of Mahomet als „much more solid contribution to historical knowledge“ bezeichnet,15 als vielmehr Arnolds eigenes Vorwort. 13.3.1 Arnolds Positionierung im Vorwort Bemerkenswert an dieser Übersetzung des 1708 erschienenen Werkes von Simon Ockley ist für unser Thema vor allem die ausführliche „Vorläufftige Nachricht des Ubersetzers“ (S. 9–48). Arnold beginnt dieses Vorwort mit der Feststellung, dass es erschreckend sei, wie das Christentum im sechsten Jahrhundert schon so verfallen gewesen sei, dass „Unwissenheit, Aberglaube und Gottlosigkeit fast durchgehend geherrschet“ (9) hätten. Im ersten Jahrhundert hätten die Priester angefangen, untereinander zu zanken, sich im zweiten gegenseitig verfolgt und im vierten Jahrhundert sei der Bilderdienst dazugekommen. „Und zu des Mahomets Zeit soll die Superstition so groß gewesen seyn, daß die Religion weiter in nichts gesuchet worden, als wenn einer alle Ruchlosigkeit verübt gehabt, und nur ein Bildgen aus der Tasche gezogen und solches geküsset, so wären ihm alle Sünden vergeben gewesen.“ (10) Für diese Stelle zitiert Arnold ausführlich aus Boulainvilliers’ La vie de Mahomet.16

testen Arabischen Scribenten, absonderlich Manuscripten, so bisher noch in keiner Europäischen Sprache heraus gegeben, gesammlet, und von Theodor Arnold aus dem Englischen ins Teutsche übersetzt. Leipzig und Altona, Bey den Gebrüdern Korte. 1745. 15 Holt, Treatment, S. 295: „A much more solid contribution to historical knowledge was the work produced by the Cambridge scholar, Simon Ockley, which is generally known as The History of the Saracens.“ 16 Arnold zitiert eine längere Passage aus der zweiten Auflage, Amsterdam 1731, S. 237 ff. In seiner Übersetzung von 1747 (s. u.) lautet sie folgendermaßen (Boulainvilliers, Leben, 1747, S. 220 f): „Er [Mohammed] war Zeuge von derjenigen mehr als schandbaren Superstition, zu welcher man die Verehrung der Heiligen, und den Schrecken vor ihren Bildern getrieben hatte, worinnen man nicht nur die Gottseligkeit, sondern alles Vertrauen, seine Wünsche zu erlangen, bestehen liesse. Wenn der Kayser ein wichtiges Amt, eine Charge, die Regentschaft einer Provinz, die Stelle eines obersten Feld-Herrn bey der Armee, oder dergleichen verliehe, so fügete er allezeit das Geschenk eines Bildes bey, welches wegen der Treue desjenigen, der es empfienge, antworten, oder wenn er sich darinne mangelhaft erwiese, ihn durch ein grosses Unglück gewaltig straffen solte. Dergleichen Vorstellungen that man auch den Truppen. Nicht nur ein ider Officier hatte sein besonderes Bild, zu welchem er sich wandte, Hertzhaftigkeit bey gefährlichen Gelegenheiten, oder vielmehr einen glücklichen Sieg, der seiner Tugend nicht viel Streit kostete, von demselben zu erhalten; sondern ganze Heere, Legionen und Hauffen hatten eine jede ihr Bild in einer kleinen Capelle mit zwey Rädern, welches an der Spitze marschirte und bey den Lagerungen an die Oerter gestellet wurde, die der wenigsten Gefahr unterworfen waren. Dieses Bild bat man erstlich um die Erhaltung seines Lebens und daß es einem vor Verwundung bewahren möchte, wie auch hernach um den glücklichen Fortgang der Waffen des Reichs. Gleichwie aber das vornehmste gelübde, so demselben gethan wurde, auf ein Heyl gegründet war, daß mans so

13.3 Arnolds Ockley-Übersetzung

303

Durch diesen Zustand des Christentums sei Mahomet „als ein ernsthaffter, tieffsinniger und strenger Mann“ (11) bewogen worden, den Götzen- und Bilderdienst als Abgötterei abzulehnen, „bis er endlich so weit gegangen, daß er die Lehre der Unitæt, es ist nur ein GOTT, der Schöpfer und Erhalter aller Dinge, mit Feuer und Schwerdt behauptet.“ (12) Arnold schließt sich also denjenigen Autoren an, die ihre Darstellung vor dem Hintergrund eines Schreckbildes des damaligen orientalischen Christentums zeichnen. Es könne sein, so fährt Arnold fort, dass Mahomet anfangs gar keine so schlimmen Absichten gehabt habe, sondern dass er den seiner Meinung nach von Anfang bis Ende der Welt einzigen orthodoxen Glauben, der „von allen damahligen Heyden, Jüden und Christen verfälschet wäre, (nehmlich die Erkenntniß des eintzigen wahren GOttes)“ (13) habe wiederherstellen wollen. Hier beruft Arnold sich auf Jonas Kortes Reisebeschreibung.17 Korte hatte sich auch um die Drucklegung der vorliegenden Übersetzung von Ockleys History verdient gemacht und wird von Arnold mit folgenden Worten zitiert: Inzwischen halte ich gar nicht dafür, daß er, sonderlich im Anfang, so ein vorsetzlicher Betrüger gewesen, als man durchgehends von ihm glaubet: Ja auch hernach, als es ihm GOtt mit seiner Lehre also gelingen liesse, hat er allerdings von sich geglaubet, daß ihn GOtt gesandt, die Christen wegen ihrer Abgötterey zu strafen. (12 Anm.)

Zur Stützung dieser Aussage zitiert Arnold darüber hinaus aus einer Rezension von Kortes Werk aus den Nachrichten von den neuesten Theologischen Büchern und Sachen18: „Aus dem Mahomet, dessen gute Absichten anfangs, Anstalten, Thaten und Religion wird in einem langen Capitel sehr viel gemacht, und es würde sich der Mühe verlohnen, so iemand die Sache aus den Morgenländischen Geschichten genauer prüfen und untersuchen wollte.“ (13 Anm.) Korte, schreibt Arnold, halte Mahomet für keinen Betrüger, „sondern vor ein grosses Werckzeug GOttes, von dessen Character man sich in einem halben Jahrhundert eine gantz andere Vorstellung machen werde“ (ebd.). Mahomet habe also die Erkenntnis des einzigen und wahren Gottes verbreiten wollen, die Frauen hätten ihn wie den Salomo „zum Narren gemacht und ihm recht auf die Sprünge geholffen“ (16). Chadija und Ayeisha hätten „ihm zuerst weiß gemacht […], daß er inspirirt sey. Treffliche Zeugen! Die Zeugen JEsu Christi unsers Hochgelobten Heylandes, Johannes der Täuffer, St. Johannes, Petrus, Paulus etc. waren gantz andere Leute.“ (ebd.) Für diese Aussage, dass die Frauen Mahomet die Inspiration eingeredet hätten, beruft Arnold sich auf leicht und so sicher durch die Flucht erhielte; also erstreckte sich die Frucht dieses Gebets gemeiniglich nicht weiter als ihnen gute Beine zu machen.“ 17 Reise nach dem weiland Gelobten nun aber seit siebenzehn hundert Jahren unter dem Fluche liegenden Lande wie auch Nach Egypten, dem Berg Libanon, Syrien und Mesopotamien, Von ihm selbst aufrichtig beschrieben, Und bey dieser zweyten Auflage mit zwey Supplementen vermehret. Auf Kosten des Autoris. Halle, gedruckt bey Joh. Christian Grunert, 1743, S. 664. 18 Vgl. Nachrichten von den neuesten Theologischen Büchern und Sachen, Jena und Leipzig (X) 1744, S. 137ff, Zitat S. 149–150.

304

13. Simon Ockleys History of the Saracens

Boulainvilliers19 sowie auf den Preliminary Discourse von George Sale20 – auf Texte also, die er in den beiden folgenden Jahren auf Deutsch veröffentlichen sollte, welche mit dieser Frage allerdings anders umgehen.21 13.3.2 Arnolds Literaturbericht im Vorwort Er wolle sich nicht in der Geschichte Mahomet verlieren, auch wenn sie eigentlich vor die hier vorgelegte Geschichte des Saracenen gehöre. Man könne diejenigen dazu lesen, die „ex professo“ (17) davon geschrieben hätten. Diesen Schriftstellern widmet Arnold nun eine Anmerkung, die sich über sieben Seiten erstreckt und einen erstaunlich informierten Literaturbericht bietet. Zunächst erwähnt Arnold die von Gagnier besorgte lateinische und die französische Ausgabe von Ismael Abulfedas Leben Mohammeds.22 Als zweites nennt er Marraccis Vorwort in seiner Koranausgabe von 1698.23 Weiterhin 19 Boulainvilliers, Leben, 1747, S. 273–274: „Mahomed stellte die Standhaftigkeit ihrer [Chadijas]Tugend eine Zeitlang auf die Probe; und nachdem er vermeinte, ein völlige Vertrauen auf sie setzen zu können, so war sie die erste, der er seinen prophetischen Beruf, nebst umständlicher Erzählung aller Mittel, die er entworfen hätte, die Religion und den öffentlichen Gottesdienst in derjenigen Lauterkeit, die er im Sinn hatte, wiederherzustellen, zu entdecken kein Bedenken trug. Chadija, voller hohen Gedanken, und von einer Frömmigkeit, so diejenige, die bey dem zarten Geschlecht gemeiniglich ausgeübet wird, weit überwog, gab den Vorschlägen des Propheten Beyfall, und begriffe vollkommen und auf das deutlichste, daß die Wiederherstellung der Religion dienlich seyn würde, die Nation nicht nur von dem Joch der Fremden zu befreyen, sondern sie auch in den Stand zu setzen, nach leichten Eroberungen zu streben, welche den Ruhm und Namen ihres Gemahls so weit ausbreiten könten, als die berühmtesten Ueberwinder ihren jemahls getrieben hätten. Also ließ Chadija, die der Nutzbarkeit des Entwurfs überzeuget war, nicht mehr ab, den Mahomed zu ermahnen, daß er solchen fortsetzen, und seine Bescheidenheit, die allein bey Ausführung der Rathschläge GOttes so grosse Schwierigkeit machte, überwinden solte.“ Die christlichen Schriftsteller, so heißt es nach dem von Arnold hier zitierten Passus aus Boulainvilliers’ La Vie de Mahomet weiter, würden diese Verführung Chadijas mit der Verführung durch die Schlange vergleichen und sie als Werkzeug des Teufels (Mohammed) betrachten. Allerdings würden die „Mahomedanischen Schrift-Steller“ nirgends melden, dass Chadija sich jemals bemüht hätte, Mohammeds Lehre zu verbreiten. Boulainvilliers bezeichnet das Geschehen als eine Verführung Chadijas, Arnold dagegen als ein Einreden seitens der Frauen. Hier passt Arnolds Haupttext in der Stoßrichtung nicht zu dem von ihm später übersetzten Text Boulainvilliers’. Boulainvilliers bezeichnet Chadija als Verführte, Arnold dagegen offenbar als Verführerin. 20 In Arnolds Übersetzung des Preliminary Discourse heißt es u. a.: „Ich [i. e. George Sale] entsinne mich nicht, in irgends einem Morgenländischen Autore gelesen zu haben, daß Khadijah ihres Mannes Vorgeben jemahls als Bethörungen verworffen, oder ihn eines Betrugs verdächtig gehalten hätte. Jedoch S. Prideauxs Leben des Mahomets, p. II. &c.“ (Sale, Koran, 1746, S. 54 Anm. 2.). 21 Siehe die beiden vorangegangenen Anmerkungen. 22 Vita & rebus gestis Mohammedis, Oxford 1728; La Vie de Mahomed, Amsterdam 1732. 23 „Davon aber in der Bibliotheque FranÅoise ou Histoire Litteraire de la France, tom. V. p. 55. geurtheilet wird, daß das Leben Mahomets, so Marraccius im Prodromo seines Alcorans beschrieben, mehr eine Fabel oder Satyre, als eine Historie sey.“ (17 Anm.) Die Lateinische Übersetzung selbst, werde jedoch von z. B. George Sale ein akkurates und schätzbares Werk

13.3 Arnolds Ockley-Übersetzung

305

verweist Arnold auf Adrian Relands De religione Mohammedica (von 1705), sowie auf die deutsche Übersetzung von 1716. Wegen der dort bezeugten Unparteilichkeit könnten manche ein „ziemlich mürrisch Gesicht gemachen haben“, meint Arnold mit Gottlieb Stolle24 und verweist auch auf die Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen 1718, p. 730,25 um festzuhalten: „Manche dencken gleich, wer da leugne, daß Mahomet Wunder vorgegeben, oder daß er eine Taube, die er abgerichtet, die verholner Weise in seine Ohren gesteckte Erbsen heraus zu suchen, vor den Heil. Geist ausgegeben, der könne im Ernst kein Christ seyn.“ (18 Anm.) Humphrey Prideaux’ The True Nature and Imposture in The Life of Mahomet, London 1697 erwähnt Arnold dagegen kommentarlos und verweist auf die deutsche und die französische Übersetzung. Das fällt angesichts des sehr gut informierten und entschiedenen Literaturberichts auf und erklärt sich vermutlich aus der Tatsache, dass der von Arnold übersetzte Autor Ockley auf eine Darstellung Mahomets unter Hinweis auf Prideaux verzichtet hatte: Ich hätte zwar mit dem Leben des Mahomets anfangen sollen; Allein dieses ist von dem Ehrwürdigen und gelehrten D. Prideaux, jetzigen Decano zu Norwich, allbereits beschrieben. In welchem Leben, ausser demjenigen, was des Mahomets Person unmittelbar angehet, auch noch andere vor einen ieden, der sich die Geschichte der Morgenländer bekannt machen will, zu wissen nöthige Dinge hin und her mit eingestreuet sind, die ich in diesem Buche allhier nicht widerholet, sondern dabey voraus gesetzt habe, daß solche dem Leser bereits bekannt seyn werden. (66)

genannt. „Und Buderus 1. c. hat diese Worte: Ex revenioribus Christianis Scriptoribus multi quædam de mahumete referre, quæ Mahometanis risum excitent eosdemque in superstitione sua firmiores efficiant, judicat L. Marraccius. Similia monuit Iac. Erharth de ill. ac obsc. script. errorib. præcip. in Historia Mahometi, Memmingæ, 1731.8.“ (17 Anm.) 24 Vgl. Kurtze Nachricht Von den Büchern Und Deren Urhebern in der Stollischen Bibliothek. Der achte Theil. Nebst einem vollständigen Register über alle Theile, Und Verzeichniß der Bücher, so in selbigen recensiret worden, Jena, Bey Johann Meyers sell. Erben, 1737, S. 788. 25 Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen Auf das Jahr 1718. Leipzig, den 16. November. Hier wird eine Zusammenfassung des Tomus X des Journal Litteraire gegeben, die u. a. offenbar auf die zweite Auflage von Relands De Religione Mohammedica Libri II von 1717 verweist. Nachdem Relands Buch in den Neuen Zeitungen von Gelehrten Sachen zweimal nur kurz erwähnt worden war (vgl. ebd. S. 160 u. 654), konnte man im November 1718 folgende Einschätzung lesen: „Die Verfasser [des Journal Litteraire] zweiffeln nicht, es werde dieses großmüthige Unternehmen des Herrn Relands von den Eyferern übel ausgeleget werden, denen die aber nicht Beyfall geben, sondern das Recht liebende und billigmäßige Gemüthe des Autoris, welches in diesem Wercke hervor leuchtet, nicht genung zu rühmen wissen. Die Anmerckungen, welche der Herr Reland dem kurtzen Begriffe der Mahometanischen Lehre beygefüget, sind sehr curiös und sehr lehrreich. Von dem, was Herr Reland von Mahomets Meynung vom Paradies beybringt sagen die Verfasser, man sehe wohl, daß es unter den Mahometanern Leute gebe, die gescheut genung wären, den Worten Mahomets einen vernünfftigen Verstand beyzulegen; es erhelle aber doch aus andern Umständen, daß Mahomet selbst einen ungeräumten Begriff davon gehabt.“ (S. 730–731).

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13. Simon Ockleys History of the Saracens

In dem im Jahr 1717 erschienenen zweiten Band seines Werkes, der in Arnolds Übersetzung folgt, erklärt Ockley sich nochmals gegenüber Prideaux’ Werk, allerdings mit einer etwas anderen Akzentsetzung. Ich gedencke des Lebens Mahomet, weil es der Grund unserer ganzen Historie ist. Und obschon dasjenige, was von dem Ehrwürdigen und gelehrten D. Prideaux geschrieben worden, zulänglich seyn kann, einen allgemeinen Begriff von diesem Mann und seinen vorgegebenen Offenbahrungen mitzuheilen, und nach seinem vornehmsten Haupt-Zweck, die Art und Eigenschaft des Betrugs zu zeigen, unvergleichlich eingerichtet ist; So sind doch noch eine große Menge sehr nützlicher Nachrichten von ihm zurückgelassen worden, welche nicht wenig zu Erläuterung der hernachfolgenden Geschichte, wie auch der Gewohnheiten derjenigen Zeiten, worinnen er so viel Aufsehen gemachet, gereichen würden.26

Doch auch im zweiten Band findet sich keine Lebensbeschreibung Mahomets27 und Arnold kommentiert auch hier das Buch von Prideaux nicht. Ausführlich lässt er jedoch Henri de Boulainvilliers zu Wort kommen, indem er dessen ganze Passage aus La Vie de Mahomet über Ockley zitiert (18–20 Anm.). Das Buch selbst kommentiert Arnold mit folgenden Worten: Hingegen will man mit diesem Autore, weil er den Mahomet allzu sehr herausgestrichen, auch nicht recht zufrieden seyn. Inmittelst bleibet wohl so viel gewiß, daß er zum wenigsten weder ein solcher tummer, noch auch ein so gottloser Stratiot gewesen, wie er insgemein beschrieben wird. (21 Anm.)28

Weiterhin verweist Arnold auf ein älteres englisches Werk, das von der Religion, Macht, Wissenschaft „und anderer Fürtrefflichkeit der Arabier, oder 26 Auch Peter Malcolm Holt weist darauf hin, dass Ockley in der späten zweiten Auflage doch eine Kritik an Prideaux anbringt: „The omission of any account of the life of the Prophet is explained by the current popularity of Prideaux’s book. In the Introduction to his second volume, Ockley sounds a faint note of criticism: ,I mention the Life of MAHOMET because it is the foundation of all our History; and though what hath been written of it by the Reverend and Learned Dr. Prideaux is sufficient to give a general Idea of the Man and his Pretensions, and admirably accommodated to his principal Design of showing the nature of an Imposture; yet there are a great many very useful Memoirs of him left behind, which would tend very much to the Illustration of the succeeding History, as well as the Customs of those Times wherein he flourished.‘ [Ockley, History of the Saracens (Cambridge, 1757), ii, p. xxxv.]“. Holt, Treatment, S. 295. 27 In der späten zweiten Auflage von Ockleys zwei Teilen, die 1757 unter dem Titel The History of the Saracens erschien, findet sich dagegen eine Mohammed-Biographie. Peter Malcolm Holt (Holt, Treatment, S. 295) weist auf die Zuschreibung an „Dr. Long“ hin. 28 Um darauf mit Spanheims Einschätzung aus der Historia Ecclesiastica Charakter und Sitten Mahomets zu loben (Historia Ecclesiastica, Sct. 7. c. 7. lem. 5 & 7): „Id certum […] naturalibus egregie dotibus instructum Muhammedem, forma præstanti, ingenio callido, moribus facetis, ac præ se ferentem liberalitatem in egenos, comitatem in singulos, fortitudinem in hostes, ac præ cæteris reverentiam divini nominis. – Severus fuit in perjuros, adulteros, homicidas, obtrectatores, prodigos, avaros, falsos testes, &c. Magnus idem patientiæ, gratitudinis, honoris in parentes ac supreiores præco, ut & divinarum laudum.“ (21 Anm.)

13.3 Arnolds Ockley-Übersetzung

307

Saracenen und anderer Mahometisten; Ingleichen eine Vergleichung Mahomets mit Lycurgo, Minos, Numa, Zoroaster, Zamolsis, Charondas, Zaleucus, Trismegistus und andern heidnischen Gesetzgebern oder Stifftern grosser Städte und Reiche“ (21 f. Anm.) handele: “Of the Interchangeable Course or Variety of Things in the Whole World; and the Concurrence of Armes und Learning thorough the first and famousest Nations: from the Beginning of Civility and Memory of Man to this present. written in French by Loys le Roy called Regius: and translated into English by R. A. at London 1594. 4to. B. 8. p. 97. sqq.” Das größte Lob erteilt Arnold jedoch kurz vor dem Ende seiner Literaturschau George Sale: Am angenehmsten und unpartheyischten aber ist zu lesen, was George Sale in seinem Præliminar-Discours des unmittelbar aus dem Arabischen von ihm übersetzten Korans oder Alcorans (London MDCCXXXIV. in Engl. Spr. 4to.) von des Mahomets Person, Auferziehung, Eigenschaften, Flucht, Streit mit den Koreish, Siegen etc. dem Zustand der Christenheit, absonderlich der Morgenländischen Kirchen und des Judenthums vor und zur Zeit Mahomets etc. den Mitteln, die er zur Einführung seiner Religion gebrauchet und andern darbey vorkommenden Umständen etc. schreibet. (28 Anm.)

Auch hier verweist Arnold auf eine Rezension, diesmal in The present State of the Republick of Letters, for January, and for February, Vol. 13. 1734.29 Zu seiner Einschätzung der Religion Mahomets verweist Arnold schließlich ausführlich auf die Halleschen Berichte.30 Arnold kennt die maßgebliche Literatur, hält sich mit Einschätzungen aber weitgehend zurück, indem er in der Regel aus Rezensionen zitiert oder auf solche verweist. Auf dieser Grundlage bewegt er sich, wenn er nun den Lesern 29 Einen weiteren Literaturhinweis hat Arnold offenbar aus zweiter Hand. Er bezieht sich auf „cap. XV. Histoire critique de la Creance & des Coutumes des Nations du Levant, par le Sr. de Moni, Francfort chez Fr. Arnaud, 1684“ (28–29 Anm.) 30 „Ich habe in den Ost-Indianischen ausführlichen Berichten angemercket, daß sich die Mahometaner am schwersten, ja, noch schwerlicher überzeugen lassen, als die Papisten und Heiden, welches sonder Zweiffel daher rühret. S. die XXV. Continuation dieses heilsamen Wercks, p. 152.“ (25–26 Anm.) Weiterhin verweist er auf folgende Stellen in den Halleschen Berichten (Der Königl. Dänischen Missionarien aus Ost-Indien eingesandter Ausführlichen Berichten, Von dem Werck ihres Amts unter den Heyden, Teil 1–9, Continuation 1–108. Halle 1710–1772), die er jeweils mit Themen bezeichnet [die römischen Ziffern geben die Continuation an, die arabischen die Seitenzahl]: XXV, 117 f., 140, 142, 144; XXVI, 18, 97, 101 f.; XXVII, 286, 287; XXIX, Vorrede § 5, 501; XXXIV, 1034, 1035; LII, 628 ff. Arnold schließt diese Aufzählung mit der Bemerkung: „Welche Stellen werth sind, nachgelesen zu werden.“ (26 Anm.) und verweist auf Callenbergs Nachricht von einem Versuch, die verlassenen Mohammedaner zur heilsamen Erkenntniß Christi anzuleiten („4tes St. p. 33. wie auch 5tes St. p. 9.“). Arnold hatte, wie bereits oben angemerkt, in Halle studiert und auch während seiner Leipziger Zeit mit dem Hallenser Christian Thomasius in Veröffentlichungen kooperiert. Im Archiv der Franckeschen Stiftungen ist zumindest ein Brief Theodor Arnolds an August Hermann Francke vom 20.7. 1714 erhalten (AFSt/H A 166 : 6).

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13. Simon Ockleys History of the Saracens

der Geschichte der Saracenen seine kurze Einschätzung Mahomets gibt.31 Es werde, wenn man diese Geschichte lese, leicht zu begreifen sein, dass „sich so grosse und mächtige Reiche und Kayserthümer in so wenig Jahren unter das Joch dieser alles vor sich hintreibenden Barbaren beugen müssen“ (27). Arnold vergleicht hier das seiner Meinung nach im Grunde verdorbene damalige Christentum, „die Bigoterie, Gleißnery und Enthusiasterey, und die daraus fliessenden gesetzlichen Tugenden und recht kindische (ich sage kindische und nicht kindliche) Simplicität, Einfalt und Scheinheiligkeit“ mit der Religion Mahomets; dieser „dem gemeinen Mann und der Vernunfft so gemässe auch den Sinnen so faßliche und angenehme Religion des Mahomets“ (25 f). Arnold hatte Sale hier das größte Lob erteilt. Im folgenden Jahr erschien seine Sale-Übersetzung, im Jahr darauf seine Boulainvilliers-Übersetzung.

13.4 Differenzierte Bemerkungen des Übersetzers über Mahomet und die zeitgenössische Literatur zum Thema Als Ockley sein Werk 1708 in England veröffentlichte, kam er offenbar an Prideaux’ Life Of Mahomet nicht vorbei. Er setzte es als bekannt voraus, wie er im Vorwort bemerkte. 1717, im Vorwort zum zweiten Band, scheint er Prideaux etwas kritischer zu sehen, hält sich in der Beurteilung dennoch zurück und liefert ebenfalls keine Lebensbeschreibung Mohammeds. Erst in der beide Bände zusammenfassenden Auflage von 1757 wird eine Lebensbeschreibung ergänzt („by a learned hand“). In diesem ergänzten Life of Mahomet wird wiederum Prideaux mit freundlichen Worten bedacht, Boulainvilliers dagegen als Erfinder kritisiert. Reland wird nicht erwähnt, dagegen aber Edward Pococke, Jean Gagnier und George Sale. Auch auf Humphrey Prideaux wird verwiesen und Mahomet wird in diesem Text, ähnlich wie bei Prideaux, ständig als „impostor“ bezeichnet. Auch Prideaux’ Hauptaussage, Mahomets Antriebe seien „ambition and lust“ gewesen, findet sich hier wieder.32 31 Nach diesen Literaturempfehlungen möchte der Übersetzer Arnold nur weniges zur Vorbereitung auf das Buch schreiben. Eine gelehrte und gründlich ausgearbeitete Vorrede sei dies „bey dieser delicaten und zur Zeit noch ziemlich unbekannten, oder doch wenigstens unexcolirten Materie“ (28–29) nicht zu erwarten. 32 Professor Ockley’s History of the Saracens. In two Volumes. To which is prefixed, An Account of the Arabians or Saracens, of the Life of Mahomet, and of the Mahometan Religion; by a learned Hand, Cambridge 1757, S. 62–63: „However, to judge of him by his actions as related by these same writers, we cannot help concluding, that he was a very subtle and crafty man, who put on the appearance only of those good qualities; while the governing principles of his soul were ambition and lust. For we see him, as soon as he found himself strong enough to act upon the offensive, plundering caravans; and, under a pretence of fighting for the true religion, attacking, murdering, enslaving, and making tributaries of his neighbours, in order to aggrandize and enrich himself and his greedy followers and without scruple making use of assassination to cut off those who opposed him. Of his lustful, disposition, we have a sufficient proof, in the peculiar

13.4 Differenzierte Bemerkungen des Übersetzers

309

Theodor Arnold sah als Übersetzer der ersten Auflage offenbar diesen Mangel und gab einen umfassenden Literaturbericht zu diesem in der Geschichte der Saracenen nicht behandelten Thema. Prideaux wird auch von Arnold nicht kritisiert, aber im Gegensatz zu anderen Autoren nur erwähnt. Mahomet wird mit Verweis auf Jonas Korte deutlich positiver als üblich beurteilt. Mit den Übersetzungen von Sale und v. a. von Boulainvilliers bot Arnold gewissermaßen eine Ergänzung dieses Mangels in Ockleys Werk.

privileges he claimed to himself, of having as many wives as he pleased, and of whom he chose, even though they were within forbidden degrees of affinity. The authors who give him the smallest number of wives, own that he had fifteen; whereas the Koran allows no Mussulman more than four. As for himself, Mohammed had no shame in avowing that his chief pleasures were perfumes and women.“ (z.n. Simon Ockley, The History of the Saracens; Comprising the Lives of Mohammed and His Successors, to the Death of Abdalmelik, the Eleventh Caliph. London, 1857, S. 62–63).

14. Mohammed als Staatsmann und als Betrüger, aber mit wahren Begriffen von Gott – George Sales Koran und Preliminary Discourse in der Übersetzung Theodor Arnolds (1746) 14.1 Biographisches zu George Sale George Sale (1697–1736) war nach der Einschätzung Peter Malcolm Holts der erste angesehene Arabist, der nicht in kirchlichen Diensten stand.1 Der Jurist Sale war allerdings Mitglied der Society for Promoting Christian Knowledge (SPCK), die ihn u. a. beauftragte, eine arabische Fassung des Psalters zu erstellen. Er war auch Korrektor des arabischen Neuen Testaments. Die älteren Biographen stellen Sale in aller Regel vor allem als Übersetzer des Koran ins Englische vor. Auch soll er 25 Jahre in Arabien verbracht haben, was allerdings mit den Eckdaten seines Lebens nicht zusammengeht: Geboren wurde er 1697 in Canterbury, 1720 soll er sich an der Honourable Society of the Inner Temple in London als Student der Rechte eingeschrieben haben, 1734 lag bereits seine Übersetzung des Koran im Druck vor und schon zwei Jahre später, 1736, starb er. Wann sollte Sale also für eine derart lange Zeit England verlassen haben?2 Arabisch lernte Sale vielmehr in London bei Salomon Negri (1665–1729), der zuvor unter anderem am Halleschen Waisenhaus tätig gewesen war und bei Carolus/Karl Rali Dadichi (1694?–1734).3 Die von Sale 1734 publizierte Koranübersetzung zählt zu den am meisten verbreiteten Fassungen dieses Buches. Die enorme Rezeptionsgeschichte von Sales Koranübersetzung lässt sich

1 Vgl. zur Biographie Holt, Treatment, S. 298–299; weiterhin BBA, Teil 1, Fiche 0963/150–168 sowie die kurzen Bemerkungen von Ingmar Kreisl in Bobzin, Glaubensbuch, S. 28. 2 Darauf weist bereits Richard Alfred Davenport hin; vgl. R.A. Davenport, A Sketch of the Life of George Sale. In: The Koran: Commonly called the Alcoran of Mohammed; translated into English immediately from the original Arabic with explanatory notes, taken from the most approved commentators to which is prefixed a preliminary discourse. By George Sale, Gent. A New Edition with a Memoir of the Translator, and with various readings and illustrative notes from Savary’s version of the Koran. London: William Tegg. 1865, S. x–xii, bes. x. 3 Vgl. Fisch, umm-al-kit b, S. 41 (Fisch gibt als Geburtsjahr Dadichis 1687 an) sowie die Bemerkungen von Ingmar Kreisl in: Bobzin, Glaubensbuch, S. 28; zu Negri vgl. Christoph Bochinger, Arabischstudien und Islamkunde im Hallenser Pietismus des 18. Jahrhunderts. In: Holger Preissler/Heidi Stein (Hg.), Annäherung an das Fremde. XXVI. Deutscher Orientalistentag vom 25. bis 29. 9. 1995 in Leipzig, Stuttgart 1998, S. 47–54; zu Dadichi vgl. Martin Mulsow, Die drei Ringe. Toleranz und clandestine Gelehrsamkeit bei Mathurin Veyssi re La Croze (1661–1739), Tübingen 2001 (Hallesche Beiträge zur Europäischen Aufklärung, 16), S. 53. Anm. 21.

14.2 Sales Positionierung

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schon daran ablesen, dass sie bis ins 20. Jahrhundert für Auszüge und Textausgaben verwendet wurde.4 Die Verbindung zwischen George Sales Auftraggeberin, der SPCK, seinem Arabischlehrer Negri sowie dem Übersetzer Arnold laufen über Halle bzw. das hallesche Waisenhaus und die Universität bzw. das Collegium Orientale Theologicum August Hermann Franckes, an dem Negri am Anfang des Jahrhunderts für ca. ein Jahr als Sprachlehrer tätig war.5 Theodor Arnold hatte Sales Preliminary Discourse und die Koranausgabe in seiner Vorrede zu Ockleys History von 1745 gelobt, im folgenden Jahr stellte er dieses Buch deutschen Lesern in einer Übersetzung zur Verfügung. Er wisse von diesem Autor aber nicht mehr zu berichten, als er aus einer Anmerkung in der zu Halle gedruckten Welt-Historie erfahren habe: „daß Er einer von den Verfassern solcher Historie gewesen sey, und der Natur die Schuld bereits bezahlet habe“ (IX Anm.). Arnold habe sich bei seiner Übersetzung bemüht, so nahe wie möglich am englischen Original zu bleiben. Zur Einschätzung des Werkes übersetzt er in seinem Vorwort einen Auszug aus einer Rezension.6 Hier ist nicht, wie bei Ockley, die Vorrede Arnolds von Bedeutung, sondern v. a. Sales Vorrede und der Preliminary Discourse in Arnolds Fassung.7

14.2 Sales Positionierung in der Vorrede Die Erinnerung an die arabischen Eroberungen allein erkläre noch nicht den Unwillen gegen Mohammed, schreibt Sale in seiner Widmung an John Lord Carteret. Wegen seines Betruges bei der Bestätigung seines neuen „ReligionsSystema“ (a3r) werde er für den allergrößten Bösewicht gehalten. Er hat ein neues Religons-Systema eingeführet, und sich, zur Bestätigung dieser Religion, eines Betrugs bedienet; […] Gleichwie aber Mohammed seinen Arabern so wohl die beste Religion, als auch die besten Gesetze, die ihm möglich, und zum wenigsten der alten Heidnischen Gesetz-Geber ihren vorzuziehen waren, mittheilte; so gestehe ich, daß ich nicht sehen kan, warum er nicht, obschon keineswegs mit Mose oder Jesu Christo, deren Gesetze wirklich vom Himmel kamen, jedennoch aber mit dem Minos, oder Numa, gleiche Ehrerbietung verdienen sollte: Des von einem 4 Thomas Jeffersons Exemplar der Sale-Übersetzung in Ausgabe von 1764 diente im Jahr 2007 dem ersten muslimischen Abgeordneten des US-Kongresses, Keith Ellison ais Minnesota, zum Schwur; vgl. Denise A. Spellberg, Thomas Jefferson’s Qur’an. Islam and the Founders, New York 2013. 5 Vgl. dazu John-Paul A. Ghobrial, The Life ans Hard Times of Solomon Negri: An Arabic Teacher in Early Modern Europe. In: Jan Loop u. a. (Hg.), The Teaching and Learning of Arabic in Early Modern Europe, Leiden 2017 (The History of Oriental Studies, 3), S. 310–331. 6 Of the present State of Literature in the Republick of Letters &c., Bd. XIII 1735. 7 Allerdings spielt die Vorrede für die Erwägung, wer der Übersetzer des Vie de Mahomet von Boulainvilliers ins Deutsche ist eine Rolle; vgl. Kap. 15.1. in diesem Buch.

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14. George Sales Koran und Preliminary Discourse

gelehrten Scribenten gemachten Unterscheids ungeachtet, der es vor ein grösseres Unrecht zu halten scheinet, sich zu Einführung einer neuen, auf die Erkenntnis des einzigen wahren Gottes und auf Ausrottung des Götzen-Dienstes gegründeten Religion, eines Betrugs zu bedienen, als eben dasselbe Mittel, zum Aufnehmen besonderer, zu desto ordentlicher Forstsetzung des bereits eingeführten Heidenthums dienlicher Sätze und Einrichtungen zu gebrauchen (a3r–a3v)

Wegen des Hasses gegen Mohammeds Gesetz und wegen der Seltsamkeit seiner Sprache sei dieses Buch von der Wissenschaft hintangesetzt worden. Sale lege es nun den Gelehrten vor. In der Vorrede an den Leser betont Sale, dass er eine Schutzrede für diese Übersetzung für überflüssig halte. Man müsse eine schlechte Meinung von der christlichen Religion haben oder schlecht in ihr gegründet sein, wenn man in „einer so offenbahren Teuscherey“ (I) („so manifest a forgery“ a2r8) eine Gefahr sehe. Er wolle die Ursachen der weiten Verbreitung dieses Gesetzes nicht untersuchen, meint aber, dass diejenigen, die dies nur mit dem Schwert erklärten, sich sehr täuschten. Was aber eine unpartheysche Version des Kor ns auch immer vor Nutzen, in anderen Betrachtungen, haben mag, so ist solche insonderheit unumgänglich nöthig, denjenigen, die wegen der ungeschickten oder unredlichen Uebersetzungen, welche im Druck erschienen, eine allzugeneigte Meinung von dem Original geheegt haben, so wohl ihren Irrthum zu benehmen, als auch uns vermögend zu machen, den Betrug würcklich und nach der Wahrheit vor Augen zu legen: Da keiner von denen, die solche Arbeit bisher auf sich genommen, den D. Prideaux selbst nicht ausgeschlossen, aus Mangel vollkommener Inhabung der Controvers, so glücklich gewesen, dem Verlangen der Verständigen ein Genüge zu thun. (I–II)

Die Römischen Schriftsteller hätten durch die Verteidigung ihrer eigenen Abgötterei den Abscheu der Mohammedaner vor dem Christentum noch vergrößert. „Die Protestanten allein sind vermögend, den Kor n mit glücklichem Erfolg anzugreifen; Und für Sie, wie ich die Zuversicht heege, hat die göttliche Vorsehung die Ehre vor dessen Umstürtz vorbehalten.“ (II) Den Missionaren würde Sale die gleichen Regeln geben, die Bischof Kidder für die Judenmission aufgestellt habe: Zwang vermeiden; keine unvernünftigen Lehren behaupten; schwache Beweisgründe vermeiden; keinen Glaubensartikel aufgeben, um sie zu gewinnen. Zur Vermeidung schwacher Beweisgründe diene es auch, Mohammed oder den Koran nicht zu schmähen. „Denn so sträflich auch Mohammed gewesen seyn mag, daß er den Menschen eine neue Religion aufgedrungen, so soll ihm doch das seinen wahren Tugenden gebührende Lob nicht versagt werden.“ (III) Sale übersetzt hier Friedrich Spanheims Lob Mohammeds aus dessen Kirchengeschichte.9 Es werden die 8 Im Folgenden werden immer wieder auch Passagen aus dem englischen Original von 1734 unter Angabe der Seitenzahl der Übersetzung in den Fußnoten beigefügt. 9 Friderici Spanhemii Introductio ad historiam et antiquitates sacras cum Appendice Chor-

14.3 Sales Preliminary Discourse

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vorhandenen Koranübersetzungen aufgezählt und kritisiert: Biblianders lateinische, Robert Retinensis (Robert von Kettons) lateinische und die daraus von Andrea Arrivabene erstellte italienische Übersetzung. Ob Johannes Andreas vielversprechende Übersetzung des Koran und der Sunna ins Arragonische erschienen sei, wäre unbekannt. Andreas du Ryers Übersetzung ins Französische sei besser als die von Retinensis ins Lateinische, aber immer noch sehr fehlerhaft und ohne Anmerkungen veröffentlicht. Die englische Version des Koran von Alexander Ross sei nur eine schlechte Übersetzung von du Ryer. Marraccis lateinische Übersetzung mit Anmerkungen sei akkurat, aber für Laien schwer verständlich. Die Anmerkungen seien nützlich, die langen Widerlegungen aber überflüssig, weil oft unzureichend und ungereimt. Trotz seiner Fehler sei dieses Werk aber sehr zu schätzen. Es nütze allerdings nur denen, die Latein verstünden. Darum habe Sale nun eine neue Übersetzung erstellt und sich bemüht, dem Original unparteiische Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Die Anmerkungen zitierten aus den bewährtesten Kommentaren, weniges stamme von europäischen Schriftstellern. Die Vorläufige Einleitung (Preliminary Discourse) bringe, was in den Anmerkungen so nicht gebracht werden könne. Vor allem verweist Sale hier auf Specimen Historiae Arabum, „das nützlichste und accurateste Werk“ (VII). Die zur Übersetzung und Kommentierung verwendeten Manuskripte, die Sale aufzählt, habe er alle vorliegen gehabt.

14.3 Sales Preliminary Discourse Die Vorläufige Einleitung (Preliminary Discourse) selbst enthält acht Abteilungen: 1. Von den Arabern vor des Mohammeds Zeit, oder, wie sie es ausdrucken, zur Zeit der Unwissenheit; Ihrer Historie, Religion, Gelehrsamkeit und ihren Gewohnheiten, etc. 2. Von dem Zustand der Christenheit, absonderlich der Morgenländischen Kirche und des Judenthums, zur Zeit der Erscheinung Mohammeds; Und was er sich zu Einführung seiner Religion vor Mittel und Wege bedienet, nebst den darzu kommenden Umständen. 3. Von dem Kor n selbst, dem sonderbaren Inhalt solches Buchs; Der Art und Weise, wie es geschrieben und öffentlich herausgegeben worden, nebst der allgemeinen Absicht desselben überhaupt. ographica et Critica maioris Operis Epitome, in usus Academicae Juventutis, Leiden 1675. Das Werk wurde vielfach aufgelegt, zuletzt 1770 in Halle von Samuel Stubenrauch.

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14. George Sales Koran und Preliminary Discourse

4. Von den Lehren und ausdrücklichen geboten des Kor ns, so den Glauben und die geistlichen Pflichten desselben betreffen. 5. Von gewissen Verboten im Kor n. 6. Von den Verordnungen des Kor ns in bürgerlichen Sachen. 7. Von den im Kor n heilig zuhalten gebotenen Monaten; Und von der Absonderung des Freytags zum besonderen Dienst GOttes. 8. Von denen vornehmsten Haupt-Secten bey den Mohammedanern; Und von denen, die sich unter den Arabern, zur Zeit und seit der Zeit des Mohammeds, der Prophezeyung angemasst haben.

Wiederum sind hier zwei Fragestellungen von Interesse: Wie beurteilt Sale Mohammed und seinen prophetischen Anspruch und wie seine Offenbarung, den Koran? Zu Sales Beurteilung Mohammeds und des Koran sind vor allem die Abschnitte zwei und drei zu beachten. Sale schildert im zweiten Abschnitt Mohammed vor dem Hintergrund der religiösen und der politischen Situation. Nachdem er im ersten Abschnitt auch die religiöse Situation der Araber geschildert hat, geht er vor allem auf den Zustand des Christentums und auch des Judentums ein. Dem Christentum wird dabei deutlich mehr kritische Beachtung geschenkt.

14.3.1 Christentum und Judentum und die Einführung der Religion Mohammeds Die Christenheit sei seit dem dritten Jahrhundert in ihr Gegenteil verkehrt worden. Durch den Ehrgeiz des Klerus, durch Spitzfindigkeiten, die zu dunkelsten Kontroversen ausgesponnen wurden, durch Teilungen und Trennungen in unendliche Schismata und Streitigkeiten seien der Friede, die Liebe und Milde des Evangeliums zerstört und durch gottlose Boshaftigkeit und Feindschaft ersetzt worden, „indem sie für ihre eigene Einbildungen, die sie sich davon machten, so hitzig stritten, daß sie das Christenthum durch eben diejenigen Controversen, in welchen sie mit einander darüber disputirten, gewisser massen gantz und gar aus der Welt vertrieben“ (42). Für diese Aussage beruft Sale sich auf Prideaux, für die nächste auf Boulainvilliers: In diesen finsteren Zeiten habe man die meisten Superstitionen, die man jetzt in der Römischen Kirche ablehne, eingeführt. „Welches zu Fortpflantzung der Mohammedischen Religion grosse Vortheile an die Hand gab.“ (ebd.) Nach dem Konzil von Nicäa sei die morgenländische Kirche ganz in Streit um Worte und Redensarten verwickelt gewesen, die mehr Vorwände als Gründe für die vielen Konzilien und bischöflichen Versammlungen waren, „weswegen die streitsüchtigen Prelaten continuirlich auf der Post hin und her ritten, damit sie nur

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alles und jedes nach ihrem eigenen Willen und Wohlgefallen schlichten und richten möchten“ (ebd.). Auch Bestechung habe eine Rolle gespielt. Die abendländische Kirche sei bis zu Mord und Gewalt in den Streit um den römischen Bischofsstuhl verwickelt gewesen, der Reichtum und Ansehen gebracht habe. Diese Uneinigkeiten waren grösten Theils den Käysern, insonderheit aber dem Constantius zu zuschreiben, welcher, da er die reine und einfältige Christliche Religion mit altvettelischen Superstitionen vermengte, und solche mit duncklen und spitzfindigen Fragen verwirrte, an statt unterschiedliche Meinungen zu vereinigen, vielmehr allerhand Zänckereyen, die er hernach bey ihrem Fortgang, mit unendlichen Wort-Kriegen hegte, erregte. (ebd.)

Justinian habe gar, um den Bischöfen des 5. und 6. Jahrhunderts nicht nachzugeben, Andersdenkende zum Tode verurteilt. Diese Verdorbenheit der Obrigkeit und der Geistlichkeit habe eine „allgemeine Unart des Volks“ (43) nach sich ziehen müssen, die Sale mit Schwelgerei, Pracht und Üppigkeit beschreibt. Arabien sei von alters her wegen seiner Ketzereien berühmt gewesen. Einige arabische Christen glaubten, die Seele stürbe mit dem Leib und werde am jüngsten Tag mit dem Leib wieder auferweckt (Origenes). Viele Ketzereien seien hier entstanden oder wenigstens befördert worden. Besonders die Marienverehrung der Collyridianer, die Maria als Gottheit anbeteten, wird von Sale betont. Auf dem Konzil von Nicäa hätten einige dies geglaubt. Die Mariamiten würden neben dem Vater noch zwei Götter, Christus und die Jungfrau Maria, verehren. Andere meinten sie sei von der Menschheit ausgenommen und vergöttert worden. Welches nicht viel ärger ist als die Römische Superstition, da sie dieselbe Complimentum Trinitatis die Vollendung der Dreyeinigkeit nennen, als ob solche ohne ihr unvollkommen wäre. Diese thörigte Einbildung wird in dem Koran mit recht als abgöttisch verdammet, und gab dem Mohammed Anlaß, die Dreyeinigkeit selbst anzutasten. (44)

Meinungen einiger anderer arabischer Sekten dagegen habe Mohammed in seine Religion aufgenommen (s. u.). Im Gegensatz zur übrigen Welt seien die Juden in Arabien sehr mächtig, weil verschiedene Stämme und Prinzen ihre Religion angenommen hätten. Mohammed sei ihnen darum anfangs mit Hochachtung begegnet und habe einige ihrer Meinungen, Lehren und Gewohnheiten ausgewählt, um ihnen zu begegnen. Doch wegen „seiner gewöhnlichen Hartnäckigkeit“ sei dieses Volk nicht zum Anhänger, sondern zum Feind Mohammeds geworden. Der Juden Abscheu gegen ihn habe seine Abscheu gegen die Juden erzeugt. Er sei den Juden viel strenger begegnet als den Christen. Ein Staatsmann habe Mohammed aufgrund des schwachen Zustands des römischen und des persischen Reiches werden können. Westrom sei von den

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14. George Sales Koran und Preliminary Discourse

Goten, Ostrom von den Hunnen überschwemmt gewesen. Es habe für die Unternehmungen der Araber keine günstigere Zeit als diese gegeben. Die mit Fleiß von GOtt scheinen erweckt worden zu seyn, der Christlichen Kirche, daß sie dem allerheiligsten Glauben, den sie empfangen, nicht gemäß gelebet, zur Geissel zu dienen. Die allgemeine Schwelgerey und Verderbniß der Sitten, worein die Griechen versuncken waren, trug zu Entkräftung ihrer Stärcke auch nicht wenig bey, die von den zwey Ertz-Verderbern, der Möncherey und der Verfolgung, noch mehr ausgesogen und mitgenommen worden. (46)

Im Gegensatz zu dem geschwächten römischen und dem persischen Reich habe Arabien sich in einem Zustand der Stärke befunden. Die in Stämme zerteilte Macht sei der Absicht Mohammeds sehr entgegengekommen. „Als sie aber seine Religion angenommen hatten, war die darauf folgende Vereinigung ihrer Stämme, ihren Eroberungen und ihrer Grösse nicht weniger nöthig und zuträglich.“ (48) Mohammed sei der Zustand der östlichen Welt durch seine Reisen sehr wohl bekannt gewesen.

14.3.2 Mohammeds Plan als „Würckung der Enthusiasterey und verrückten Einbildung, oder nur ein Anschlag, sich zu der Oberherrschaft oder höchsten Gewalt seines Landes zu erheben“? Sale berichtet von Mohammeds Herkunft, davon dass Khadijah ihn durch die Heirat „aus dem Staub erhube“ (49)10 und er nun zu den reichsten in Mekka zählte. Nachdem er durch diese vortheilhafte Heyrath Gelegenheit bekam, nach seiner Gemächlichkeit zu leben, so geschahe es, daß er den Anschlag fasste, eine neue Religion einzuführen, oder, wie er es ausdruckte, die eintzige wahre und alte, die von Adam, Noah, Abraham, Mose, Jesu und allen Propheten bekennet worden, durch Vertilgung der groben Abgötterey, in welche seine Lands-Leute fast insgeamt verfallen waren, und durch Ausrottung der Verderbnisse und Superstitionen, welche die letztern Jüden und Christen, seiner Meinung nach, in ihre Religion eingeführt hätten, und durch Zurückbringung solcher zu ihrer ersten ursprünglichen Reinigkeit, welche zuvörderst in Anbetung des einigen und nur eintzigen wahren GOttes bestünde, wieder fortzupflanzen. (ebd.)

Sale gibt nun die grundlegende Einschätzung Mohammeds, in der er sich, obwohl er vielfach vom Betrug Mohammeds geschrieben hatte, gegen Prideaux ausspricht. Ob dieses die Würckung der Enthusiasterey und verrückten Einbildung, oder nur ein Anschlag, sich zu der Oberherrschaft oder höchsten Gewalt seines Landes zu erhe10 Dies ist ein Eintrag des Übersetzers; vgl. S. 38 der englischen Originalfassung Sale, Koran.

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ben, gewesen sey, wil ich zu entscheiden nicht auf mich nehmen. Das letztere ist die Meinung der Christlichen Scribenten, welche übereinstimmen, daß Ehrgeitz und das verlangen seine Fleisches-Lüste zu befriedigen, die Bewegungs-Gründe seines Unternehmens gewesen. Es mag also seyn. Jedoch waren seine ersten Absichten nicht so interessiert. Sein erster Vorsatz, die heidnischen Arabier zu der Erkentniß des wahren GOttes zu bringen, war gewiß edel und höchlich zu rühmen. Denn ich kan dem Vorgeben eines gelehrten neuern Scribenten [Prideaux] nicht beystimmen, daß er die Nation bewogen, ihre Abgötterey vor eine andere Religion, die eben so schlimm, zu verwechseln. Mohammed war sonder Zweiffel in seinem Gewissen wegen der Wahrheit seines Haupt-Puncts, nemlich der Einheit GOttes, völlig überzeuget; Und dieses war es, worauf er sein Absehen haup[!]sächlich gerichtet hatte: Massen seine andern Lehren und Einsetzungen alle vielmehr zufällig und unvermeidlich, als vorbedacht und ausdrücklich beschlossen waren. Da nun Mohammed gewißlich seines vornehmsten Glaubens-Articuls, der, nach seiner Meinung, von der gantzen übrigen Welt, nicht nur von den Götzen-Dienern, sondern auch von den Christen, sowohl denen, die JEsum, nach der Wahrheit, als GOtt verehrten, als denen, welche die Jungfrau Maria, ingleichen die Heiligen und Bilder auf eine abergläubische Weise anbeteten; wie auch den Jüden, die im Koran beschuldiget werden, daß sie den Ezra vor den Sohn GOttes gehalten, verfälschet wäre, selbst überzeuget war; So stehet leicht zu erachten, daß er es vor ein verdienstliches Werck angesehen, die Welt aus solcher Unwissenheit und Superstition herauszureissen: Und daß er, vermittelst einer hitzigen Einbildungs-Kraft, woran es einem Arabier selten fehlet, nach und nach auf die Gedancken gerahten, als ob er zu Bewerckstelligung solcher wichtigen Reformation von der göttlichen Vorsehung bestimmet wäre. Und diese seine Fantasie mochte wehrend der Einsamkeit, die er darauf erkieste und suchte, indem er sich des Jahrs einen Monatlang zu einer Höhle auf den Berg Hara, neben Mecca, begab, in seinem Gemüthe immer tiefere Wurtzel fassen. Ein Umstand, der vielleicht wider die Enthusiastische Verrückung der gesunden Einbildungs-Kraft dieses Propheten der Arabier eingewendet werden dürfte, ist die vernünftige Aufführung und besondere Klugheit, die er bey Fortsetzung seines Anschlags beständig von sich blicken lassen, welches mit den wunderlichen Grillen eines im Kopf verrückten erhitzten Schwärmers nicht zu bestehen scheinet. Alleine ob sich schon nicht alle Enthusiasten und Aberwitzigen mit solcher Ernsthaftigkeit und Fürsichtigkeit aufführen, wie er, so wird er doch nicht das erste Exempel eines Menschen seyn, der in andern Stücken mit grosser Wohlanständigkeit und Behutsamkeit gehandelt, und nur quoad hoc, oder allein in diesem Punct nicht recht zu Hause gewesen ist. Die erschreckliche Zerstöhrung der ehemals so herrlichen und blühenden Morgenländischen Kirche, durch die so grosse Ausbreitung des Mohammedanischen Aberglaubens und den glücklichen Fortgang der Waffen seiner Anhänger gegen die Christen, muß nothwendig diejenigen, denen solche Religion so nachtheilig gewesen, zu einem Abscheu vor derselben bewegen; Und es ist nicht zu verwundern, daß sie den Character ihres Stifters und ihrer Lehren, in das aller infamste Licht zu setzen suchen. Allein der Nachtheil, den die Christen durch Mohammed erlitten, scheinet

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14. George Sales Koran und Preliminary Discourse

mehr seiner Unwissenheit als Boßheit zuzuschreiben gewesen seyn. Denn sein gröstes Unglück war, daß er keine genugsame Erkenntniß von den wahren und reinen Lehren der Christlichen Religion hatte, die zu seiner Zeit so abscheulich verderbet war, daß es nicht zu verwundern ist, wenn er ein wenig zuweit gegangen, und den Schluss gefasset, alles abzuschaffen, was er der Verbesserung unfähig halten möchte. (49–51)

Sale will nicht entscheiden, ob Mohammed aus Schwärmerei und Einbildung oder aus Machtinteresse gehandelt habe. Sein erster Vorsatz sei edel gewesen, er habe den Arabern guten Gewissens die Einheit Gottes predigen wollen. Dass er eine schlechte gegen eine noch schlechtere Religion habe tauschen wollen, wie Prideaux meine, sei falsch. Auch Mohammeds besondere Klugheit im Handeln spreche nicht gegen Schwärmerei als Ursache seiner Religionsansichten und vorhaben. Mohammed habe die wahre christliche Religion wegen des schrecklichen Zustands der Kirche gar nicht kennenlernen können. Dies sei sein größtes Unglück.

14.3.3 Mohammeds Motive: Ambition? Ja! – Lust? Nein! Welche Motive zieht Sale dann aber für seine Verteidigung Mohammeds heran? Ambition und Lust werden von ihm diskutiert: Es ist wohl kaum daran zu zweiffeln, daß Mohammed nicht ein heftiges Verlangen gehabt, vor etwas ausserordentliches gehalten zu werden, welchen Zweck er nicht besser erreichen konte, als daß er sich vor einen Propheten ausgab, der von GOtt gesandt worden, die Menschen in seinem Willen zu unterrichten. Weiter mochte seine Ambition anfangs wohl nicht gehen; und daferne ihn seine Mitbürger ehrerbietiger begegnet, und ihn durch ihre Verfolgungen nicht genöthigt hätten, seine Zuflucht anderswo zu suchen, und zu seiner Vertheidigung die Waffen wider sie zu ergreiffen, so wäre er vielleicht eine Privat-Person geblieben, und mit der seinem prophetischen Amt gebührenden Verehrung und Hochachtung gerne zufrieden gewesen. Nachdem er sich aber einmal an der Spitze einer, (obschon nur kleinen) Armee und durch den glücklichen Fortgang seiner Waffen angefrischet sahe, so verfiel er auf Unternehmungen, die er sich zuvor wohl nie hatte in die Gedanken kommen lassen. (49–51)

Die Polygamie könne man ihm nicht vorwerfen und als Betrug auslegen, um seine Lüste zu befriedigen. Denn die Polygamie sei in Arabien und in den östlichen Ländern Brauch gewesen. Mohammeds Ehegesetze stammten fast alle aus jüdischen Traditionen, und weil sie von Bekennern einer Religion göttlichen Ursprungs stammten, werde er sie für gerecht und vernünftig gehalten haben. Auch wenn die arabischen Schriftsteller mit Bezug auf seine Eigenschaften sicherlich übertrieben, so sei er doch nach diesen Quellen „ein noch ziemlich gesitteter Mann, und kein solches Ungeheuer der Gottlosigkeit

14.3 Sales Preliminary Discourse

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gewesen [..], wie er insgemein vorgestellet wird“ (52), andernfalls hätte er mit seinen Unternehmungen auch niemals einen solchen Erfolg haben können. „Ein wenig Heucheley und Erhaltung des äußerlichen Scheins muß zum wenigsten unumgänglich nöthig gewesen seyn; Und die Lauterkeit seiner Absichten ist eine Sache, die ich zu rechtfertigen nicht auf mich zu nehmen begehre.“ (ebd.) Sale beschreibt Mohammed als Mann von scharfem Verstand, der sich in die Gemüter der Menschen bestens einzuschleichen gewusst habe. Literatur und Gelehrsamkeit habe er allerdings, wie in seinem Stamm üblich, verachtet, seine Unbildung genutzt, „[i]ndem er darauf beharrete, daß die Schriften, welche er als Offenbahrungen von GOtt vorzeigte, unmöglich von ihm selbst geschmiedet oder erdichtet sein könten.“ (53) Seine Anhänger hätten ihn auch bedenkenlos „the illiterate Prophet, den ungelehrten Propheten“ (ebd.) genannt. Sale verweist auf den folgenden Abschnitt, der den „Plan oder Grund-Riß, den Mohammed zu seiner neuen Religion entwarff, und die Absicht und künstliche Erfindung derjenigen geschriebenen Offenbahrungen (wovor er sie ausgab) welche seinen Koran ausmachen“ (ebd.) vorstellt. Hier beschreibt er den weiteren Lebensweg Mohammeds, der für die Frage nach der Grundeinschätzung Mohammeds und seines prophetischen Anspruchs jedoch substantiell nichts Neues beiträgt. Mohammed habe zuerst sein eigenes Haus bekehrt. Nachdem er weitere, vornehme Mekkaner bekehrt hatte, habe er sich an die Öffentlichkeit gewagt und unter dem Beistand Abu Talebs öffentlich gepredigt. Sale schildert detailreich die weitere Entwicklung über die Flucht nach Medina bis zur Einnahme Mekkas und Mohammeds Tod. Bemerkenswert ist seine Einschätzung der Himmelsreise, die völlig in das Betrugs-Paradigma passt. Viele würden Mohammed wegen dieser unglaublichen Geschichte verlassen haben, wenn nicht Abu Becr sich deutlich dafür ausgesprochen hätte, dem ganzen Verlauf Glauben zu schenken, weil Mohammed dies als eine Gewissheit bekräftigt habe. Welcher glückliche Zufall nicht nur des Propheten Credit wieder herstellte, sondern denselben auch noch darzu in einem solchen Grad vermehrte, daß er versichert war, seine Jünger nunmehro dahin gebracht zu haben, daß sie alles verschluckten, was ihm, denselben inskünftige aufzuheften, nur belieben würde. Und ich bin der Meynung, daß dieses Gedicht, so ausschweiffend es auch war, eine der künstlichsten [i. e. kunstreichsten] Erfindungen gewesen, die sich Mohammed jemahls in den Sinn kommen lassen, und das meiste dazu beygetragen, daß er sein Ansehen hernach bis zu einem so erstaunlichen Gipfel hinauf geschwungen hat. (59–60)

Hier schreibt Sale also ganz offensichtlich von einem Behelf, einer Erfindung Mohammeds („contrivance“), von einem sehr erfolgreichen Betrug also. Er charakterisiert ihn insgesamt aber nicht als Betrüger.

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14. George Sales Koran und Preliminary Discourse

14.3.4 Mohammed und Gewalt Sale betont, dass Mohammed anfangs seine Religion ohne Zwang ausgebreitet hatte: „Wie sicher hatte Mohammed seine Religion durch gelinde Mittel fortgepflanzt, so daß der ganze glückliche Fortgang seines Unternehmens, vor seiner Flucht nach Medina, bloß der Ueberredung, und keinem Zwang muß zugesprochen werden.“ (61) Der Koran gebe diese friedliche Haltung an mehreren Stellen wieder. Mohammed sei nur gekommen, zu predigen und zu ermahnen und habe keine Macht gehabt, jemand zu seiner Religion zu zwingen. Seine Anhänger sollten Beleidigungen geduldig ertragen – ein Umstand den Sale allerdings dem „Mangel der Gewalt [i. e. Macht] und der Ueberlegenheit oder stärckern Anzahl seiner Gegner die ersten zwölf Jahre seiner Sendung“ (62) zuschreibt. Denn sobald er sich durch den Beytritt derer von Medina in den Stand gesetzt sahe, seinen Feinden die Spitze zu bieten, so gab er vor, daß GOtt ihm und seinen Nachfolgern erlaubet hätte, sich wider die Ungläubigen zu vertheidigen; Und endlich, als seine Macht zunahm, wolte er auch die göttliche Erlaubniß haben, dieselben gar anzugreifen, die Abgötterey und den Götzen-Dienst auszurotten, und den wahren Glauben durch das Schwerd fortzupflanzen: weil er aus Erfahrung wuste, daß seine Anschläge sonst einen sehr langsamen Fortgang haben würden, wenn er sie nicht gänzlich über den Hauffen würffe. (ebd.)

Ein grosser Staatsmann (Machiavelli) bemerke, so fährt Sale fort, dass die bewaffneten Propheten sich im Gegensatz zu den unbewaffneten durchgesetzt hätten. Dass Mohammed ein Verteidigungsrecht gehabt habe, könne nach Sale vielleicht zugestanden werden. „Ob er sich aber hernachmals zu Bestätigung seiner Religion solcher Mittel gebrauchen sollen, ist eine Frage, die ich allhier nicht entscheiden wil.“ (Ebd.) Sale scheint sich aber doch mit Prideaux, auf dessen Letter to the Deists er nun hinweist, zu entscheiden, wenn er schreibt: Es ist gewißlich einer von den stärcksten Gründen, so uns überzeugen, daß die Mohammedanische Religion nichts anders als eine menschliche Erfindung gewesen, weil sie ihren Fortgang und ihre Befestigung fast eintzig und allein dem Schwerdt zu dancken hat; Und es ist auch einer von den klarsten und unwidersprechlichsten Beweißthümern des göttlichen Ursprungs des Christlichen Glaubens, daß er durch die blosse Gewalt seiner eigenen Wahrheit, nachdem er die Anfälle und Bestürmungen, so wohl aller ersinnlichen Arten der Verfolgungen, als auch anderer heftiger Widersetzungen, gantzer drey hundert Jahre aneinander ausgehalten, und endlich die Römischen Käyser selbst, sich ihm zu unterwerffen bewogen, gegen alle Kräfte und Machten der Welt so herrlich und beharrlich obgesieget hat; Nach welcher Zeit zwar dieser Beweiß zu fehlen scheinet, weil das Christenthum alsdenn bestätiget, und das Heidenthum durch öffentliche Gewalt abgeschaffet worden, welche seit der Zeit

14.3 Sales Preliminary Discourse

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beständig einen grossen Einfluß in die Fortpflanzung des einen und die Vertilgung des andern gehabt hat. (63)

Diese Passage ist typisch für Sales Darstellung, die ständig zwischen positiven und ablehnenden Einschätzungen wechselt. In der Kritik am Staatschristentum verweist er auf Bayles Artikel „Mahomet“ im Dictionnaire.11 Sale setzt sich immer wieder kritisch mit einigen Aspekten von Prideaux’ Darstellung auseinander. Im Grunde folgt er aber – bei aller Hochschätzung, die er dem ursprünglichen religiösen Ernst Mohammeds entgegenbringt – der Betrugshypothese. Nur die Frage der Schwärmerei oder des Selbstbetruges will er nicht entscheiden. Guter Impuls, schlechte Durchführung – könnte man mit Sale sagen, denn Mohammed, der Erfinder des Koran, habe wahre und richtige Begriffe von Gott.

14.3.5 Der Koran Im dritten Abschnitt erläutert Sale, wie und zu welchem Zweck der Koran entstanden ist. Er beginnt mit der Struktur und den unterschiedlichen Zählungen der vorhandenen Koran-Exemplare, berichtet von den unterschiedlichen Abschriften und Lesarten und der Koranauslegung. Daß Mohammed wircklich der Urheber und vornehmste Erfinder[12] des Koran gewesen, daran ist wohl kein Zweiffel. Obschon höchst wahrscheinlich ist, daß er keinen geringen Beystand in seinem Anschlag von andern gehabt, wie ihm seine LandsLeute vorzuwerfen nicht vergessen haben. Alleine sie treffen in ihren Muthmassungen wegen der besonderen Personen, die ihm solchen Beystand geleistet, so wenig miteinander überein, daß sie, die Beschuldigung darzuthun, nicht vermögend waren: Weil Mohammed, vermuthlich seine Maaßregeln viel zu schlau genommen hatte, als daß er entdeckt werden können. D. Prideaux hat die wahrscheinlichste Nachricht hiervon gegeben, wiewohl vornehmlich aus Christlichen Scribenten, welche gemeiniglich ihre Erzehlungen mit solchen lächerlichen Mährgen vermischen, daß sie wenig Glauben verdienen. Dem sey nun wie ihm wolle, so läugnen die Mohammedaner schlechterdings, daß der Koran von ihrem Propheten selbst, oder von jemand anders vor ihm, abgefasset sey. (81–82)

Mit Ausnahme ihrer „halsstarrigen und gottlosen Verwerffung der Dreyeinigkeit“ (90) hätten Mohammed und seine für orthodox anzusehenden Anhänger richtige und wahre Begriffe von Gott und seinen Eigenschaften; 11 Vgl. Bayle, Wörterbuch, Anm. O (s. o.). 12 1734: „the author and chief contriver“ (S. 64; In den folgenden Anmerkungen wird mit „1734“ auf die englische Originalausgabe und mit „1746“ auf Theodor Arnolds deutsche Übersetzung verwiesen.).

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14. George Sales Koran und Preliminary Discourse

dies erhellet aus dem Koran selbst und aus allen Mohammedanischen Gottesgelehrten so deutlich, daß es ein Zeitvertreib seyn würde, wenn ich diejenigen widerlegen wolte, welche dafür halten, der GOtt des Mohammeds sey von dem wahren GOtt unterschieden, und nur eine erdichtete Gottheit oder Götze seines eigenen Gemächtes [Marracci in Alc. p. 102]. (90–91)

Sale betont die Evidenz des Koran im Hinblick auf den Gottesglauben und widerspricht klar der Auffassung, dass es sich hier nicht um den wahren Gott handeln würde.

14.4 Sales Kommentare zu seiner Koran-Übersetzung Einige ausgewählte Kommentare Sales zu seiner Koran-Übersetzung sollen verdeutlichen, wie er Mohammed in diesem Zusammenhang darstellte: Es finden sich einige, welche sagen: Wir gläuben an GOtt, und den letzten Tag; Sind aber keine wirklich Gläubigen. Sie suchen GOtt, und diejenigen, welche gläuben, zu betrügen; Allein sie betrügen nur sich selbst, und erkennen solches nicht! Es ist eine Krankheit (Infirmity) in ihren Herzen, und GOtt hat solche Krankheit vermehret a); und sie werden eine höchst schmerzliche Strafe leiden weil sie nicht geglaubet haben. (4)

Zu diesem Text merkt Sale an: „Mohammed ahmet hier, und andern Orten mehr, den wahren von GOtt erleuchteten Scribenten nach, daß er GOtt also beschreibet, als ob er durch Wirkung in den Gemüthern der Verworffenen, ihre Bekehrung verhindre.“ (4, Anm. a)13 Weitere Anmerkungen Sales zeigen Ähnliches: „Jedoch ist es auch nichts ungewöhnliches bey dem Mohammed, daß er aus einer gezwungenen Nachahmung der Prophetischen Schreib-Art den Numerum, wider alle Regeln der Grammatic, oft plötzlich verändert.“ (5 Anm. a)14 „Daher wahrscheinlich ist, daß Mohammed vorgegeben, er [Gabriel] sey der Engel gewesen, von dem er den Koran empfangen habe.“ (18 Anm. d)15 „Dieses Mährgen hat Mohammed geraden Wegs von den Persianischen Magis hervorgeholet, welche zweer rebellischen Engel eben dieses Namens [Harut und Marut] erwehnen, die nun bey den Füssen mit den Köpfen niederwärts, im Gebiete von Babel aufgehangen wären.“ (20)16 13 1734: „Mohammed here, and elsewhere frequently imitates the truly inspired writers, in making GOD by operation on the minds of reprobates to prevent their conversion.“ (S. 2 Anm. f). 14 1734: „[…] tho’ it is not unusual for Mohammed in affectation of the prophetic style, suddenly to change the number gaainst all rules of grammar.“ (S. 3 Anm. e). 15 1734: „for which reason, it is probable, Mohammed pretended he was the angel from whom he received the Kor n“ (S. 13 Anm. a). 16 1734: „This story Mohammed took directly from the Persian Magi […]“ (S. 14 Anm. 13 d).

14.5 Wie heißt diese Religion?

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„Biß zu dem Alter von vierzig Jahren) Denn so alt war Mohammed, als er das Amt eines Propheten auf sich nahm […].“ (238 Anm. a)17 „Diese zwar falsche, aber eben nicht übelausgesonnene Historie hat Mohammed bei den Jüden abgeborget […].“ (377 Anm.)18 „Es scheinet Mohammed habe die Träumereyen der Talmudisten vor Wahrheiten angenommen und wirklich geglaubet, daß wenn David vom Singen der Psalmen ermüdet gewesen, ihn die Berge, Vögel und andere Geschöpfe abgelöset und das göttliche Lob besungen.“ (380 Anm. a)19 Auch die Kommentare zeigen, dass Sale den Koran als Mohammeds Erfindung bzw. Nachahmung und damit letztlich als Betrug darstellt. Insofern ist die Grundentscheidung Sales nicht mit Prideaux’ Schreibart gleichzusetzen, von der Sale sich immer wieder, auch in einigen Einzelfragen, distanziert.20

14.5 Wie heißt diese Religion? Zu Beginn des vierten Abschnitts des Preliminary Discourse erläutert Sale die Grundlegung und die Bezeichnung der Religion Mohammeds, die darin bestehe, dass von Anbeginn der Welt nur ein wahrer orthodoxer Glaube bestanden habe und weiterbestehen werde, der in der Erkenntnis des einzigen wahren Gottes bestehe. Seinen von Zeit zu Zeit gesendeten Propheten solle man glauben. Mit Blick auf Satzungen sei zu sagen, dass es indifferente Dinge gebe, die an sich weder gut noch böse seien, sondern nur durch Gottes Gebot verbindlich würden. Darum seien, so Mohammed, diese Dinge nur für eine bestimmte Zeit verbindlich und nach Gottes Willen veränderlich. Und dieser Religion leget er den Namen Islam bey, welches Wort Resignation, Unterwerfung oder Ergebung in den Willen, Dienst und Befehl GOttes bedeutet, und als das Nomen proprium oder der eigentliche Name der Mohammedanischen Religion gebraucht wird, die sie, ihrem Grund nach, vor dieselbe ausgeben, die alle Propheten von Adam an gehabt hätten. (89)21 17 1734: „For so old was Mohammed before he took upon him to be a prophet” (S. 168 Anm. a). 18 1734: „For this story, which tho’ it be false, is not ill invented, Mohammed stands indebted to the Jews […]“ (S. 268 Anm. d). 19 1734: „Mohammed, it seems, taking the visions of the Talmudists for truth, believed that when David was fatigued with singing psalms, the mountains, birds, and other parts of the creation, both animate and inanimate, relieved him in chanting the divine praises.” (S. 270 Anm. f) 20 Immer wieder finden sich Auseinandersetzungen mit Prideaux, teils deftig ironischer Art; vgl. etwa S. 686 Anm. Dimmock, Mythologies, S. 207 hält fest: „Sale’s self-consciously objective stance here serves to remove him from involvement in the sectarian politics that had skewed Prideaux’s work. In marked contrast to earlier translations, Sale’s attempt at objectivity also asserts a methodology in which the reconstruction of Mahomet’s motives is neither possible nor relevant.“ 21 1734: „And so this religion he gives the name of Isl m, which word signifies resignation, or

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14. George Sales Koran und Preliminary Discourse

In einer Anmerkung dazu stellt Sale noch eine Variante vor: Die Radix Salama, woraus Islam formirt ist, bedeutet in der ersten und vierten Conjugation auch selig werden oder in einen Stand der Seligkeit treten: Nach welcher Bedeutung, Islam übersetzt werden mag: Die Religion oder der Stand der Seligkeit. Der andere Verstand findet aber bey den Mohammedanern mehr Beyfall, und es wird in dem Koran selbst darauf gezielet. S. c. 2. p. 23. und c. 3. p. 50. (89 Anm.)22

Bemerkenswert ist, dass Sale hier, wie an einigen andern Stellen, den Ausdruck „Islam“ verwendet und erklärt,23 dennoch hier, in dieser Erläuterung des Ausdrucks „Islam“ von den „Mohammedanern“ schreibt, an anderer Stelle auch von der „Mohammedanischen Schwärmerey“ (S. 70)24 oder von „Mohammedismus“ und „Mohammedanische[m] Glauben“ (S. 71)25. „Die Mohammedaner“, so heißt es kurz darauf, theilen ihre Religion, welche sie, wie ich mit kurtz vorher gesagt habe, Islam nennen, in zwey unterschiedene Stücke ein; In Iman, das ist Glaube oder Theorie, und in Din, das ist Religion oder Praxis; und lehren, daß solche auf fünf Fundamental-Puncte gegründet sey, davon einer zum Glauben, und die andern viere zur Praxi, Ausübung, zum Thun, Leben oder Wandel gehörten. (90)26

In der englischen Originalfassung des Preliminary Discourse ist einerseits von Moslems die Rede,27 was teilweise von Arnold mit „Muselmänner“ wiedergegeben wird.28 Es findet sich auch der Ausdruck „Mohammedismus“.29 Diese Bezeichnungsvarianten finden sich auch in Sales Kommentaren zum Koran.30

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submission to the service and commands of GOD; and is used as the proper name of the Mohammedan religion, which they will also have to be the same at bottom with that of all the prophets from Adam.“ (S. 70) 1734: „The root Salama, from whence Isl m is formed, in the first and fourth conjugations, signifies also to be saved, or to enter into a state of salvation; according to which, Isl m may be translated the religion or state of salvation: but the other sense is more approved by the Mahommedans, and alluded in the Kor n itself. See c. 2. p. 16. and c. 3. p. 36.“ (S. 70 Anm. 1) Vgl. auch 1746: S. 57: „Islamism“ = 1734: S. 45: „Islamism“ 45 ; 1746: S. 60: „Islamism“ = 1734: S. 48: „Islamism“; 1746: S. 70: „Islamism“ = 1734: S. 55: „Islamism“. 1734: S. 55: „Mohammedism“. 1734: S. 56: „Mohammedism“; „Mohammedan faith“. 1734: S. 71: „The Mohammedans divide their religion, which as I just now said they call Isl m, into two distinct parts; Im n, i. e. faith, or theory, and D n, i. e. religion, or practice; and teach that it is built on five fundamental points, one belonging to faith, and the other to practice.“ Vgl. diese Zweiteilung auch bei Reland (Kap. 6) und bei Boysen (Kap. 23) 1746: S. 172 = 1734: S. 139; 1746: S. 180 = 1734: S. 143. 1746: S. 175 vgl. 1734: S. 139: „Moslems“. 1746: S. 181 vgl. 1734: S. 143: „Mohammedism“. 1746: S. 13 Anm.: „Wer einer andern Religion folget als der Isl m, (i. e. der Mohammedanischen) so wird solcher nicht von ihm angenommen werden. 1734: S. 9 Anm. d: „Whoever followeth any other religion than Isl m (i. e. the Mohammedan) it shall not be accepted of him, and at the last day he shall be of those who perish”; 1746: S. 23 Anm. a: „Gelassen, resignirt, ergeben etc. Das arabische Wort ist Moslemu¯[’‘u]na, im Singulari Moslem, welches die Mohammedaner als einen

14.5 Wie heißt diese Religion?

325

Sale erklärt zwar mehrfach, wie diese Religion und ihre Anhänger hießen, verwendet die Bezeichnung „Islam“ aber nur sporadisch. Der Übersetzer Arnold, der die Ausdrücke „Isl m“ und „Islamism“ wie auch „Mohammedism“ oder „Mohammedan faith“ im Text vorfand, verwendete auch immer wieder „Islam“ in der Übersetzung, wobei er den Ausdruck teils indeterminiert, teils feminin, teils maskulin determiniert gebrauchte.31 Ein einheitlicher Sprachgebrauch ist nicht zu verzeichnen. Meistens werden Muslime hier „Mohammedaner“ genannt und ihre Religion wird als „Mohammedische Religion“ bezeichnet. Mohammed und seine Offenbarung werden differenziert geschildert. Auch wenn Sale Mohammed anfänglich ehrliche Absichten unterstellt, so ist dies mit der Verbreitung seines erfundenen Koran hinfällig. Sale bringt zum Ausdruck, dass Mohammed seine Religion auf einen Betrug aufgebaut, gleichwohl aber wahre und richtige Begriffe von Gott habe.

ihnen besonders eigenen Titul annehmen. Die Europäer schreiben und prononciren es gemeiniglich Musulman oder Muselmann.“ 1734: S. 16 Anm. d: „Resigned.] The Arabic word is Moslemu¯[’‘u]na, in the singular Moslem, which the Mohammedans take as a little peculiar to themselves. The Europeans generally write and pronounce it Musulman“. 1746: S. 50 Anm. a: „Isl m) Der eigentliche Nahme der Mohammedanischen Religion, welcher Resignation oder gäntzliche Uebergebung und Wiedmung seiner selbst zum Dienst und Willen GOttes bedeutet. Dieses sey, sprechen sie, die Religion, welche zu lehren alle Propheten gesandt worden, weil sie auf die Einheit GOttes gegründet sey.“ 1734: S. 36 Anm. b: „Isl m.] The proper name of the Mohammedan religion, which signifies the resigning or devoting one’s self entirely to GOD and his service. This they say is the religion which all the prophets werde sent to teach, being founded on the unity of GOD.“ 31 Vgl. 1746: S. 225: „Und dennoch redeten sie dem Unglauben das Wort und wurden Ungläubige, nachdem sie Islam angenommen hatten.“; S. 233 Anm. a: „Islam zu bekennen“; S. 238 Anm. d: „Die Menschen waren Bekenner von einer einzigen Religion) Das ist, der wahren Religion, oder Islam“; S. 358 Anm. c: „sein Bekenntnis zur [!] Islam“; S. 553 Anm. c: „biß auf solche, die sich zur [!] Isl m bekennen wollen“; S. 609 Anm. e: „Sie schwören zu einer Lüge) Das ist, sie haben sich öffentlich zur Islam bekannt, davon sie doch in ihrem Hertzen nichts glauben.“; S. 643 Anm.: „auf Annehmung der Islam“; S. 668 Anm. f: „Beobachtung der allerleichtesten Religion, das ist, der Islam“.

15. Mahomed als größter Staatsmann der Weltgeschichte – Henri de Boulainvilliers’ La vie de Mahomet in der Übersetzung Theodor Arnolds (1747) 15.1 Arnolds Vorbemerkung zu diesem Buch Theodor Arnold legte als drittes Buch zum Thema Das Leben Des Mahomeds Mit Anmerkungen über die Mahomedanische Religion und die Gewohnheiten der Muselmänner vor.1 Unklar ist, ob es Arnold bekannt war, dass Boulainvilliers’ La vie de Mahomet bereits 1742 in sehr eigenartiger Form in deutscher Sprache in Erfurt erschienen war.2 Im Gegensatz zu seinen Übersetzungen von Ockleys History und Sales Koran gab Arnold sich bei dieser Übersetzung Boulainvilliers’ aus dem Französischen allerdings nicht zu erkennen. Dass Arnold der Übersetzer dieses Werkes war, wird hier mit folgenden Gründen angenommen: Die Biographie gehört seiner Meinung nach eigentlich an den Anfang einer Geschichte der Saracenen, wie er dort im Vorwort geäußert hatte.3 Außerdem zitiert er in seinem Vorwort mehrere Seiten aus Boulainvilliers’ La Vie de Mahomet, ist mit dem Buch also bereits 1745 vertraut und leitet aus diesem seine Grundeinschätzung des Propheten ab.4 Über dieses Prophetenbild gab es eine Auseinandersetzung mit dem Hallenser Theologieprofessor Siegmund Jacob Baumgarten (1706–1757). Arnold hatte über den Propheten geschrieben: „Inmittelst bleibet wohl so viel gewiß, daß er zum wenigsten weder ein solcher tummer, noch auch ein so gottloser Stratiot gewesen, wie er insgemein beschrieben wird.“5 Dem hatte Baumgarten 1745 in den Hallischen Anzeigen widersprochen, woraufhin Arnold sich in seiner 1746 erschienenen Vorrede zu Sales Koranübersetzung vorsichtig und distanziert äußert: „Der gelehrte Verfasser des Articuls von den Fehlern einiger neuern Schrift-Steller in den 1 Das Leben Des Mahomeds Mit Anmerkungen über die Mahomedanische Religion und die Gewohnheiten der Muselmänner Von dem Hn. Grafen de Boulainvilliers Verfasser des Staats von Frankreich beschrieben. Nebst einer Stamm-Tafel des Mahomeds und vollkommenem Abriß des Tempels zu Mecca. Von einer Geübten Feder aus dem Französischen ins Deutsche übersetzet. Lemgo, Gedruckt bey Johann Heinrich Meyer, Hochgräfl. Lippis. Hof-Buchdrucker. 1747. 2 Vgl. oben Kap. 10: Mahomet Maximus infernorum conquestor, Erfurt 1742, dort auch die Vorstellung des Inhalts. 3 Vgl. Kap. 13.3.2. in diesem Buch. 4 Ockley, Geschichte, Bd. 2, S. 18–21 Anm. 5 Ockley, Geschichte, Bd. 2, S. 21 Anm.

15.1 Arnolds Vorbemerkung

327

Muhammedanischen Geschichten […] hat mich nicht recht verstanden, und die obigen Worte der Jenischen Nachrichten vor meine gehalten.“6 Arnold weiß Biographisches über Sale nur aus Baumgartens Allgemeiner Welt-Historie7 und ändert seine Einschätzung nach Baumgartens Kritik in den Hallischen Anzeigen: „Die Worte […] daselbst sind nicht meine, sondern des gelehrten Verfassers der Jenischen Nachrichten, der ihn aber eben so wenig als ich vor ein Werckzeug Gottes (anders als der Straf-Gerechtigkeit) hält, und dessen ganz unpartheyische Rezension ich von Herzen unterschreibe.“8 Der mit Halle eng verbundene Theodor Arnold geht also auf Kritik des Theologen Baumgarten ein. Mit Blick auf die Frage, wer Boulainvilliers’ La Vie de Mahomet übersetzt hat, ist wiederum Baumgarten geltend zu machen, der Arnolds Übersetzungen in den Hallischen Anzeigen und auch in seinem Rezensionsorgan Nachrichten von einer hallischen Bibliothek bespricht. Und es ist eben jene Frage, die Baumgarten traktiert, wenn er über diesen Übersetzer folgendes schreibt: Da uns die sonst christliche Gemütsfassung des Uebersetzers nicht unbekant ist, so wenig als die geschehene Warnung desselben: so mus man desselben Arbeit als eine Wirkung der jetzigen Uebersetzungssucht unserer Landsleute ansehen, wodurch manche aus Unwissenheit und ermangelndem Besitz besserer vorhandenen ausländischen Bücher, über schlechte, ja gefährliche Schriften geraten, und mit derselben Uebersetzung etwas zu verdienen suchen.9

Der Übersetzer, ja seine „Gemütsverfassung“ seien Baumgarten bekannt. Die hier erteilte Rüge des Hallenser Theologieprofessors ist hart, und er bringt sogar noch das Thema Zensur bzw. Inquisition ins Spiel, wenn er fortfährt: Hat der Graf von B. Dinge behauptet, und zwar in dieser Schrift die der Inquisition würdig sind, warum thut man demselben Unrecht, wenn man ihn hart beurtheilet? Warum nimmt aber der Uebersetzer an solchen behaupteten Dingen, durch weitere Bekantmachung derselben, Antheil? und wo ist endlich eine heilige Inquisition in Paris, Londen und Amsterdam?10

Diese Debatten und Verweise legen es nahe, dass Arnold der Übersetzer auch des umstrittenen Buches von Boulainvilliers ist, das bei Meyer in Lemgo, also in demselben Verlag wie seine Übersetzung von Sales Koran, erschien.11 Der anonyme Vorbericht ist sehr knapp gehalten. Er gibt Auskunft darüber, dass die zweite Auflage (Amsterdam 1731) der Übersetzung zugrunde liege. In 6 7 8 9

Sale, Koran, S. XVI, Anm. a; vgl. auch Rehrmann, Ehrenthron, S. 73. Vgl. Sale, Koran, S. IX, Anm. sowie Kap. 19 in diesem Buch. Sale, Koran, S. XVI, Anm. a. Nachrichten von einer hallischen Bibliothek. Erstes Stück. Halle, bey Johann Justinus Gebauer. 1748, S. 30–31, Anm. 10 A. a. O., S. 32 Anm. 11 Hartmut Bobzin (Bobzin, Glaubensbuch, S. 29) urteilt darüber zurückhaltender, verweist allerdings auch nicht auf die hier dargestellten Umstände.

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15. de Boulainvilliers’ La vie de Mahomet

dem dortigen kurzen Avertissement werde der Erfolg der ersten Auflage (London 1730) gemeldet, das erste Avertissement aber weggelassen. Dies holt der Übersetzer Arnold hier nach. Man habe in London das unvollendete Leben Mahomeds des verstorbenen Grafen Boulainvilliers als ein Werk, das von einem „geschickten Mann“ (2v) fortgesetzt werden sollte, angezeigt. Da der Autor in London bereits gut aufgenommen worden war, erwartete man viele Subskriptionen. Diese Hoffnung habe sich aber nicht bewahrheitet und so sei das Buch durch wenige großzügige Personen wenigstens als Oktavband ermöglicht worden. Arnold erwähnt auch die englische Übersetzung „welche Edition mir aber noch nicht zu Gesicht gekomen“ (3v). Zur Lebensbeschreibung Boulainvilliers’ zitiert er aus dem Vorwort der Refutation des Erreurs de B. Spinosa, par M. de Fenelon, par le P. lami, & par M. le Comte de Boulainvilliers &c. a Bruxelle 1731, in dem der Graf beschrieben wird als Mann von einem ungemein durchdringenden Verstand, von einem unermüdlichen Fleiß, und einem so starken Nachdenken, daß man sich verwundern muß, bey einem Herrn von seiner Geburt einer so grossen und mannichfaltigen gelehrsamkeit, so tiefsinnige Betrachtung beygefügt zu sehen’ (4r).

Arnold interessiert sich hier allerdings nur für das Leben Mahomeds und hält dabei fest: „Ueberlassen aber anbey den Gelehrten zu weiterer und genauern Untersuchung, ob nicht vielleicht demselben in einigen Stücken, unrecht geschehen. Denn es finden sich in diesem Leben des Mahomeds Stellen, daß michs wundert, wie er der Heiligen Inquisition entgangen ist.“ (Ebd.) Da Boulainvilliers über diesem Buch gestorben sei, handele es sich um „seine letzte Schrift, und auch seine letzte Gesinnung“ (4v). Arnold will sich aus der Beurteilung dieses Buches heraushalten. Dieses Vorgehen zeigte sich bereits im Vorwort zur Übersetzung von Ockleys History, wo Kritiken an der entsprechenden Literatur in aller Regel nur zitiert wurden. Die Beurteilung des Buches von Boulainvilliers will der Übersetzer Arnold lieber Herrn Simonetti überlassen: Ob nun einer, so der Christlichen Religion überhaupt nicht im Ernst zugethan ist, ob er schon die darinnen im Schwange gehenden Mißbräuche scharf anzupft, und den Pfaffen so derb an den Bauch greifft, also schreiben können, wie derselbe an vielen Orten allhier geschrieben, will ich, wie gesagt, andern, insonderheit dem Herrn Simonetti, zur genaueren und unpartheyischen Untersuchung überlassen. (4v)

Arnold liefert nun noch einen Werbespruch für seine im Vorjahr im selben Verlag erschienene deutsche Fassung der Koran-Übersetzung von Sale. Die Übersetzung von Boulainvilliers’ umstrittenem Werk aus dem Französischen mit Namen abzuzeichnen erschien wohl nicht als opportun. Dementsprechend schließt auch das Vorwort: „Ich empfehle den Leser der Gnade und Obhut (nicht des Mahomeds) sondern unsers HErrn und Heylandes JEsu

15.1 Arnolds Vorbemerkung

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Christi, mich selbst aber, nebst des Verfassers Werkgen, seinem geneigten Urtheil und seiner Liebe!“ (ebd.) 15.1.1 Exkurs: Der Verweis auf Simonetti – Arnold und die Ehre des Übersetzers Besonders bemerkenswert ist Arnolds oben zitierte Bemerkung, er würde vor allem dem Göttinger Philosophie- und Theologieprofessor Simonetti dieses Buch zur Beurteilung vorlegen. Christian Ernst Simonetti (1700–1782) war seit 1733 zweiter Prediger an St. Nikolai in Quedlinburg und dort ab 1736 Oberhofprediger und Konsistorialrat. Seit 1737 war er Superintendent, anschließend (1738) Professor für Philosophie an der neuen Göttinger Universität, dort ab 1740 auch Pastor an St. Jacobi und ab 1746 auch a.o. Professor für Theologie. Auf eigenen Wunsch wurde Simonetti 1749 entlassen und lebte einige Zeit in seiner Geburtsstadt Berlin, bevor er als Diakon an die Marienkirche in Frankfurt/Oder und als Professor an die dortige Universität berufen wurde. Dort wurde er auch Mitaufseher des Waisenhauses (1754) und Archidiakon (1760). Er starb 1782. Vor allem in seiner Göttinger Zeit war er publizistisch wirksam und verfasste v. a. theologische Schriften, nachdem er 1740 an den Göttingischen Gelehrten Zeitungen mitgearbeitet hatte.12 Neben diversen Veröffentlichungen13 interessiert hier vor allem seine Herausgabe von Fleurys Allgemeiner Kirchengeschichte, deren erster Band mit einer Vorrede 1746 in Göttingen erschien. Nicht der zweite Band folgte, wie zu erwarten gewesen wäre, sondern ein Text Simonettis unter dem Titel: Der Character Eines Geschichtschreibers: Entworfen In dem Leben und aus den Schriften Des Herrn Abts Claudius Fleury (Göttingen 1746).14 Das Hauptwerk von Claude 12 Vgl. zur Biographie: Johann Stephan Pütter, Versuch einer academischen Gelehrten-Geschichte von der Georg-August-Universität zu Göttingen. Mit einer Einleitung herausgegeben von Reimer Eck, Hildesheim/Zürich/New York 2006 (Reprint Göttingen Bd. 1: 1765; Bd. 2: 1788), Bd. 1, S. 78–79; Bd. 2, S. 51–52 sowie Pfarrerbuch der Kirchenprovinz Sachsen. Band 8, 2008, S. 266–267. 13 Vernünftige Anweisung zur Geistlichen Beredsamkeit, Göttingen 1742; ein kritisches Sendschreiben an eine Berliner Freimaurerloge, Berlin 1744 u. a. 14 Stattdessen erschien eine neue Übersetzung dieses ersten und aller weiteren Bände ab 1752: Herrn Claudius Fleury Weiland berühmten Abts von Locdieu, Priors von Argenteuil und Königlichen Hofpredigers Algemeine Kirchengeschichte des Neuen Testaments, vom Anfang der christlichen Zeitrechnung bis auf gegenwärtige Zeit. Erster Theil. Frankfurt und Leipzig, Verlegts Johann Christian Koppe, 1752. In dieser Fassung wird auf die 1746 vorgelegte Übersetzung des ersten Bandes durch Simonetti nicht eingegangen; vgl. Vorrede des Uebersetzers, S. 3–46. Zu Mohammed heißt es in dieser zweiten Übersetzung in der Vorrede des Verfassers (S. 47–76) gleich nach einer Abgrenzung des Christentums gegen die Religion der Griechen und der anderen alten Völker in § 2 (S. 48): „Es ist wahr, man weiß den Ursprung und Fortgang der mahometanischen Lehre: allein man siehet auch darin nichts, als ganz was natürliches. Ein kühner, verschlagener und in seiner Sprache beredter, ausserdem aber sehr unwissender Mensch, hat eben so Unwissende, wie er war, unter dem Vorwande, daß er die seit vielen

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15. de Boulainvilliers’ La vie de Mahomet

Fleury (1640–1723, Beichtvater Ludwigs XV.) ist die in zwanzig Bänden erschienene Histoire eccl siastique (Paris 1691–1720). An diese sich bis 1414 erstreckende Darstellung schlossen sich später die Werke von Jean Claude Fabre15 und Alexandre Lacroix16 an. Simonetti hatte 1746 in Göttingen einen ersten Band der nun bereits durch Fabre fortgesetzten Kirchengeschichte veröffentlicht. Außerdem war Simonetti damals durch seinen Roman Der ehrliche Mann (Göttingen 1745) bekannt.17 Er soll Göttingen allerdings unrühmlich verlassen haben und wird als gar nicht ehrlicher Mann oder gar rechtschaffener Theologe beschrieben.18 1747 erschien in Leipzig Simonettis Schrift: Der Character eines rechtschaffenen Theologen, in einer ausführlichen Abbildung nach dessen Beschaffenheit überhaupt betrachtet; 1748 erschienen Simonettis Sendschreiben an seine Feinde und Widersacher in Berlin. Im Character Eines Geschichtschreibers von 1746 wird deutlich, dass dieses Werk von einem ungenannten Übersetzer stammt und zunächst in Leipzig erscheinen sollte, angekündigt „durch einen gedruckten Bogen den 12. Junius 1745“, allerdings nicht in Leipzig unter der Aufsicht Christian Gottlieb Jö-

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Jahrhunderten berüchtigte Abgötterey zerstören wolte, verführt; und er hat ihnen einen Glauben ohne Geheimnisse, und solche Uebungen, die ihren Sitten gemäß waren, vorgetragen: er hat seine Lehren mit gewafneter Hand eingeführet, und Eroberungen gemacht, welche seine Nachfolger viel weiter getrieben haben. Hierinnen ist nichts, das den ordentlichen Lauf menschlicher Dinge übersteiget. Diejenigen, welche dem Mahometh Wunderwerke zugeeignet, haben erstlich lange nach ihm geschrieben; und er selbst, dem man darin glauben muß, sagte denjenigen, welche Beweise seiner Sendung forderten, statt aller Antwort: GOtt habe ihn nicht gesendet Wunder zu thun; Moses und JEsus hätten derselben genung gethan. Uebrigens sehen wir nicht, daß diese Religion an einem einigen Orte so wenig unter der Verfolgung, als auch unter einer fremden Regierung bestanden hätte.“ Demgegenüber sei das eigentliche Kennzeichen wahrer Religion, dass sie „zugleich gewiß und wunderthätig ist“ (S. 48), ein Aspekt, den Fleury im Folgenden unter Betonung der Notwendigkeit von Wundern noch weiter auslegt. Histoire eccl siastique, 16 Bde., Brüssel 1726–1740. Histoire eccl siastique, 6 Bde., Paris 1776–1787. Der Roman erschien mehrfach: Göttingen 1745, Berlin und Frankfurt 1750, Berlin 1752, Frankfurt/Oder 1752, Magdeburg 1763) Vgl. Theodor Wotschke: Die niedersächsischen Berichterstatter für die Acta historico-ecclesiatica. In: Zeitschrift für niedersächsische Kirchengeschichte 1927/28. 32. u. 33. Jg., S. 218–276, S. 232 f, Anm. 1. Mit Berufung auf ein Schreiben von Diakonus Christian Gottlieb Hiepe aus Sangerhausen vom 25. April 1739 und ein Schreiben von Rektor Venzki aus Halberstadt vom 22. März 1739 wird von Simonettis Absetzung aus dem Amt des Superintendenten in Quedlinburg, wo er wohl auch Oberhofprediger und Beichtvater der Äbtissin war, berichtet. Zwischenzeitlich inhaftiert, musste Simonetti das Land verlassen, ging nach Helmstedt und von dort nach Göttingen. Für Göttingen werden Briefe des Polyhistors, Theologen und Philologen Christoph August Heumann zitiert, aus denen hervorgeht, dass Simonetti den Verleger überredet habe, Zeitungsschreiber in Göttingen werden zu dürfen (vgl. S. 236), was bis 1747 währte (vgl. S. 240) sowie, dass Simonetti eine außerordentliche theologische Professur erhalten habe „und dadurch hat unsere Kirche einen Professor der Theologie bekommen, dergleichen die papistischen Universitäten haben, der nämlich weder die griechische noch hebräische Sprache gelernt hat“ (S. 237). Dagegen beschreibt Heinrich Döring ihn als rechtschaffenen und frommen Mann; vgl. Heinrich Döring, Die gelehrten Theologen Deutschlands im 18. und 19. Jahrhundert, Bd. 4, 1835.

15.1 Arnolds Vorbemerkung

331

chers, sondern in Göttingen durch den gerade zum ao. Prof. der Theologie ernannten Christian Ernst Simonetti, der durch den Verleger „der Genehmhaltung des Herrn Doctors [Jöcher] versichert“ war.19 Als Begründung für diesen Wechsel von Jöcher zum wenig bekannten Göttinger Simonetti wird auf „[d]ie betrübten Unruhen die hierauf den damals bestimmten Druckort betroffen haben“20 verwiesen. Der Übersetzer, so versichert Simonetti, bliebe in Zukunft derselbe, den man in Leipzig sofort ausgewählt habe. Simonetti war in seinem Text allzu forsch aufgetreten, indem er sich mehr als Korrektor des Übersetzers, denn als Herausgeber gerierte: Die Uebersetzung bleibt unter der Feder dessen, der sie sogleich bei dem Entschlusse der Ausgabe übernommen hat. Weil schon viele Arbeiten von seiner Geschicklichkeit der Presse übergeben worden, welche die gelehrte Welt mit Beifall gelesen, so wird er gewiß in gegenwärtiger Uebersetzung seine Aehnlichkeit nicht verliehren. Wir versichern den geehrtesten Leser, daß dessen Fleiß alle Sorgfalt darauf wenden wird. Meine Bemühung wird vor dem letzten Abdrucke die Bogen durchsehen, mit der Original Schrift vergleichen, und vor die Richtigkeit der Uebersetzung sorgen. Denn wer von meinen Arbeiten benachrichtiget ist, wird glauben, daß ich dabei ein mehreres nicht thun könne; und wer mich kennet, wird mir so viel Einsicht in die französische und deutsche Sprache zutrauen, als diese Aufsicht erfordert.21

Durch diese Bemerkung war Simonetti den Übersetzer, den er durch den Verleger aus Leipzig „geerbt“ hatte, los. Der Übersetzer des ersten Bandes dieses großen Projektes, mit dem er wohl schließlich einen Teil seines Lebensunterhaltes verdiente, war offenbar erzürnt. Und das Echo auf Simonettis etwas großspurige Ankündigung lesen wir in Arnolds Vorwort zu einem anonym übersetzten Buch, das er statt weiterer Fleury-Bände, von denen keiner mehr auf dieser Weise erschien, Herrn Simonetti empfahl: Ob nun einer, so der Christlichen Religion überhaupt nicht im Ernst zugethan ist, ob er schon die darinnen im Schwange gehenden Mißbräuche scharf anzupft, und den Pfaffen so derb an den Bauch greifft, also schreiben können, wie derselbe an vielen Orten allhier geschrieben, will ich, wie gesagt, andern, insonderheit dem Herrn Simonetti, zur genauern und unpartheyischen Untersuchung überlassen. (4v)

Es handelt sich bei Arnolds Verweis auf Simonetti im Vorwort zur Boulainvilliers-Übersetzung um eine ironische Bemerkung, die sich auf Simonettis Kontrollankündigung über den Übersetzer der Kirchengeschichte von Fleury 19 Christian Ernst Simonetti, Der Character eines Geschichtschreibers. Entworfen In dem Leben und aus den Schriften des Herrn Abts Claudius Fleury, von Christian Ernst Simonetti, Hochfürstl. Quedlinburgischen Consistorialrath, Professorn der Gottesgelahrtheit und Weltweisheit zu Göttingen und Pastorn an der Jacobikirche daselbst. Göttingen, Aus der Universitäts Buchdruckerei. Verlegts Johann Peter Schmid. 1746. Die Zitate finden sich auf S. 71. 20 Ebd. 21 Ebd., S. 72.

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15. de Boulainvilliers’ La vie de Mahomet

bezieht. Damit war der Boulainvilliers-Übersetzer schnell bekannt, denn von der Fleury-Übersetzung hatte man mindestens in Leipzig Kenntnis.

15.1.2 Die verschiedenen deutschen Übersetzungen (1742, 1747, 1786) Die von Theodor Arnold erstellte Übersetzung des Textes von Boulainvilliers hält sich, wie bereits der unter dem Titel Mahomet maximus inferorum conquestor 1742 erschienene Text und die spätere Übersetzung von Johann August Mebes (Halle 1786), streng an den französischen Originaltext. Kommentare oder Ergänzungen finden sich hier nicht. Die Darstellung des Inhalts ist bereits erfolgt.22 Übersetzungsbeispiele im Anhang 2 lassen einen Vergleich zu.23

15.2 Theodor Arnolds Beitrag – Veröffentlichung positiver Sichten auf Mahomet/Mohammed/Mahomed Theodor Arnold hat innerhalb von drei Jahren drei Werke ins Deutsche übersetzt, in denen der Prophet eine wichtige Rolle spielt. Sein Name erscheint dabei in drei verschiedenen Schreibweisen – als „Mahomet“ (Ockley), „Mohammed“ (Sale) und „Mahomed“ (Boulainvilliers). Sales Koran-Übersetzung mit dem Preliminary Discourse und Boulainvilliers’ Biographie können als die wichtigsten neueren Texte dieser Zeit gelten, die Arnold auf den deutschsprachigen Markt brachte. Beide Bücher boten Versuche, unpolemische Sichten auf Mahomed/Mohammed und den Koran zu ermöglichen. Der Orientalist Sale wird in späterer Zeit immer wieder für seine Koran-Übersetzung gelobt, für einige Aspekte seiner Mohammed-Darstellung allerdings auch immer wieder getadelt und auch verteidigt. Das Verdikt Jean Gagniers über Boulainvilliers, er habe mehr einen Roman als eine historische Darstellung geschrieben, findet sich immer wieder in der Kritik an diesem Autor. Gagnier war gebeten worden, den fehlenden dritten Teil an das Werk des verstorbenen Boulainvilliers anzufügen. Gagnier weigerte sich aufgrund seiner Kritik des Buches und schrieb stattdessen 1732 ein eigenes Vie de Mahomet,24 das jedoch erst siebzig Jahre später in deutscher Übersetzung erschien.25 Dennoch faszinierte dieses Buch Boulainvilliers’ offenbar, denn nachdem Arnold die 22 Vgl. Kap. 10. 23 S. Anhang 3. 24 La Vie de Mahomet. Traduite Et Compil e De L’Alcoran, Des Traditions Authentiques De La Sonna, Et Des Meilleurs Auteurs Arabes Par Mr. Jean Gagnier, 2 Bde. Amsterdam 1732. 25 Leben Mohammeds, des Propheten. Nach dem Französischen des J. Gagnier, mit einigen Anmerkungen von C. F. R. Vetterlein, 2 Bde. Köthen/Aue 1802–1804.

15.2 Theodor Arnolds Beitrag

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zweite deutsche, aber erste namentliche Fassung vorgelegt hatte, wurde die erste Fassung (Mahomet maximus infernorum conquestor) 1750 noch einmal gedruckt. 1786 erschien eine dritte deutsche Übersetzung durch Johann August Mebes in Halle, die in Auszügen auch in Journalen bzw. Wochenschriften verbreitet wurde. Durch die Neuausgabe der Unpartheyischen Kirchen- und Ketzerhistorie im Jahre 1742 war der „Vorwurf“ gegen Gottfried Arnold, dieser könne sich statt Lutherisch genauso auch Muhamedisch erneut zu lesen. Möglicherweise war dies ein Beweggrund für Gottfried Arnolds Vetter Theodor Arnold auf diese Themen näher einzugehen. In seiner ersten thematisch dahin gehörenden Übersetzung liefert Theordor Arnold jedenfalls einen sehr informierten und differenzierten Literaturbericht, der zwar knapp formuliert ist, dennoch aber durchaus mit dem Überblick zur Literatur, den Baumgarten erst kurz darauf in seinen Nachrichten von einer hallischen Bibliothek gab (1748), mithalten kann. Theodor Arnold bereicherte mit seinen Hinweisen und Übersetzungen die deutschsprachige Debatte enorm und stellte Gelehrten wie auch Gebildeten wichtige Texte zur Verfügung, die das Mahomet/Mohammed-Bild veränderten. Allerdings gab es in dieser Zeit auch ganz anders gelagerte und motivierte Repräsentationen des Propheten, wie die folgende Anti-Zinzendorf-Publikation verdeutlicht.

16. Mahomet/Muhammed als Zinzendorf-Karikatur – Johann Leonhard Fröreisens Vergleichung Des Grafs Zinzendorfs Mit dem Mahomet (1748) 16.1 Ein streitbarer Theologe – Johann Leonhard Fröreisen Johann Leonhard Fröreisen (1694–1761) war als Professor der Theologie in Straßburg (seit 1724, Doktor 1727) und Präses des dortigen Kirchenkonvents (seit 1731) eine einflussreiche Gestalt des Straßburger Protestantismus und dessen lutherisch-orthodoxer Reformbestrebungen.1 Er urteilte in diesem Sinne differenziert über Philipp Jakob Spener, war jedoch ein entschiedener Gegner Zinzendorfs. Vor allem diesem gegenüber gab sich Fröreisen als Hüter der Orthodoxie. Fröreisen war im Königlichen Pädagogium August Hermann Franckes in Halle ausgebildet worden und hatte in Straßburg studiert (Magister 1711). Danach hielt er sich in Gießen und Jena (Buddeus) auf, wo er weiter Theologie (in Jena auch die Rechte) studierte und in Jena ab 1716 auch selbst Vorlesungen hielt.2 Großes Aufsehen erregte bereits ein 1736 veröffentlichter Auszug aus einem Brief Fröreisens an Johann Lorenz Schmidt (1702–1749), der ein differenziertes Urteil über die Wertheimer Bibel enthielt, die er u. a. als nützlich für Gelehrte bezeichnete. Der Verfasser dieser Bibelübersetzung gehöre zu den zehn Leuten in Deutschland, die gleichermaßen die Grundsätze der Wolffschen Philosophie und die Hebräische Sprache beherrschten. Seine Widerleger hätten ihn noch gar nicht an der richtigen Stelle angegriffen. Die hermeneutische und exegetische Theologie dürfe sich nicht nach der thetischen Theologie und ihren Systemen richten. Der umgekehrte Weg sei der richtige. Fröreisen wundert sich in seinem Brief weiterhin darüber, dass man in Deutschland in der evangelischen Kirche wieder einen Katalog der verbotenen Bücher (Catalogus librorum prohibitorum) aufrichten wolle. Dies treffe vor allem diejenigen vorurteilsfreien Gelehrten, die von anderen aus Gewohnheit als Naturalisten und Atheisten bezeichnet würden. So vorzugehen sei das Gegenteil der christlichen Liebe, die immer das Beste hoffe. Im Anschluss an diese Äußerung beschreibt Fröreisen in seinem Brief eine weitere Art von Theologen:

1 Vgl. Martin Schmidt, Art.: „Fröreisen, Johann Leonhard“. In: NDB, Bd. 5., S. 654. 2 Fröreisen hinterließ überwiegend Gelegenheitsschriften zu kirchlichen und theologischen Auseinandersetzungen.

16.1 Johann Leonhard Fröreisen

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Andere Doctores Theologiæ in unserer Kirche mögen sich an der thörichten Einbildung ergetzen, sie seyen Autocratores, Monarchæ und Dictatores in Religions-Sachen und hätten eine souveraine Gewalt andere zu richten und zu verdammen: ich meines wenigen Orts habe einen Eckel und Abscheu dafür. Einige darunter prostituiren sich ja so weit, daß sie nicht zufrieden damit sind, wenn sie andere, die keine Theologi sind, verdammen und darüber vor der gantzen Welt zu Schanden werden, sondern es sind ja Theologi in unserer Religion, die kein Bedencken tragen, einander selbst zu verketzern und dadurch ein grosses Aergerniß in der Christlichen Kirche anrichten.3

Anlässlich der Verurteilung der Wertheimer Bibel seitens der Straßburger Theologischen Fakultät Weihnachten 1737 nahm Fröreisen seine publik gewordene Briefäußerung über den Wert der Wertheimer Bibel wieder zurück. Er hatte sich in diesem Zusammenhang u. a. dagegen verwahrt, als ein positionsloser Anhänger Gottfried Arnolds zu gelten. Kirchlich-theologische Positionen vertrete er vielmehr mit allem Nachdruck, und ein Anhänger Arnolds zu sein, sei eine Ehre, denn dieser habe in seiner Kirchen- und Ketzer-Historie zwar Fehler gemacht, so sei sie doch ein unvergleichliches Werk, das den Ruhm Arnolds unsterblich mache.4 Diese Affäre zeigt, wie sehr Fröreisen sich Ende der 1730er-Jahre um differenzierte Positionen in kirchlich-theologischen Auseinandersetzungen bemühte. Einige Jahre später (ab 1741) verfasste er allerdings eine Reihe von Schriften gegen den Grafen Zinzendorf, die durchaus an seine oben zitierte Beschreibung der Doctores Theologiae erinnern.5 Besonderes Aufsehen erregte seine in Straßburg gehaltene Rektoratsrede Oratio de misero ecclesiae Augustanae Confessionis permultis in locis statu, erschienen 1743 Straßburg, in der er die Zustände in der lutherischen Kirche scharf anprangerte. Die Acta Historico-Ecclesiastica melden dazu: Wenn man nun denselben [den Inhalt der Rede] etwas genauer erweget, so ist offenbar, daß solcher mit den Vorwürfen, welche die Papisten unserer Kirche zu machen pflegen, ganz genau übereinkomme. Da nun gedachte Vorwürfe, sowohl von den ersten Reformatoribus in unsern Glaubens- und andern Büchern, wie auch von so vielen Lehrern der nachfolgenden Zeiten, aufs gründlichste abgelehnet und widerleget worden; so muß es einem billig äuserst befremdlich vorkommen, daß Herr D. Fröreisen, der gleichwohl ein evangelischer Theologus seyn will, dieselben so unge3 Zitiert nach Johann Jacob Moser, Beytrag zu einem Lexico der jetztlebenden Lutherisch- und Reformierten Theologen in und um Teutschland, welche entweder die Theologie öffentlich lehren, oder sich durch theologische Schriften bekannt gemacht haben, Bd.1, Züllichau 1740. 4 Die Auseinandersetzung fand auch in der Frankfurter gelehrten Zeitung statt; vgl. Frankfurter gelehrte Zeitung 1737, Nr. 93, S. 422 und Fröreisens Entgegnung ebd., S. 452. 5 Vgl. Fröreisens Rathspredigt, Straßburg 1741, die Höchstnöthige und wohlgemeynte Warnung für der heut zu Tage grassirenden Zinzendorfischen Seelenpest, Straßburg 1742. Die Abschilderung Mahomed’s und Zinzendorf ’s, als seines heutigen Affen, Straßburg 1747, erschien auch in der Erlangischen gelehrten Zeitung 1747, S. 221–226. 229–234, wiederabgedruckt mit weiteren kleineren Texten in dem vorliegenden Band.

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16. Fröreisens Vergleichung Des Grafs Zinzendorfs Mit dem Mahomet

scheuet wiederholet, ohne im geringsten dasjenige zu berühren, was denselben mit gutem Grund entgegen gesezt worden, und ihm unmöglich ganz unbekant seyn kan.6

Man habe in Straßburg allgemein erwartet, dass Fröreisen öffentlich zur römisch-katholischen Kirche übertreten würde und diese Rede als eine Art Vorspiel dazu verstanden. Durch ein Gerücht habe eine große Gemeinde, darunter 400 Lutheraner, ihn bereits auf der katholischen Kanzel erwartet, wo aber schließlich von einem Priester ausführlich aus Fröreisens Oratio vorgetragen wurde. Fröreisen selbst verteidigte sich zu Pfingsten 1744 in einer Predigt, seine evangelischerseits konfiszierte Oratio wurde jedoch von römisch-katholischen Kreisen in lateinischer, deutscher und französischer Sprache verbreitet und erregte eine lang anhaltende Debatte.

16.2 Fröreisens Vergleich von Zinzendorf und Mahomet Fröreisen, der sich öffentlich für ein stärkeres und zentrales Kirchenregiment aussprach, kritisierte immer wieder und vor allem Zinzendorf und die Herrnhuter. Von Interesse ist hier die letzte seiner Schriften gegen Zinzendorf, der er auch frühere Texte anfügte, die Vergleichung Des Graf Zinzendorfs Mit dem Mahomet.7 Fröreisen verketzert in dieser Schrift Zinzendorf, den er aus seiner Zeit in Halle kannte. Auf diese gemeinsame Zeit in Halle geht Fröreisen in seinem dem oben genannten Text angehängten Sendschreiben an Zinzendorf einleitend ein: Mein Herr Graf! Ob ich zwar Sie vor ungefehr 25. Jahren in dem Pædagogio Regio zu Halle gesehen zu haben mich einigermassen erinnern kan, so werden Sie doch leicht glauben, daß ich mir von der äusserlichen Gestalt Ihres Leibes und Angesichtes deswegen anjetzo keine rechte Vorstellung mehr machen kann. So wenig ich aber dazu im Stand bin, so vollkommen sehe ich Ihre innere Beschaffenheit ein, dann sonst hätte ich dieselbe in einer Anmerckung, die von mir p. 21. derjenigen rede beygefügt worden, welche ich hiermit zu übersenden die Freyheit nehme, nicht so deutlich abmahlen können. (71) 6 Acta Historico-Ecclesiastica Oder Gesammlete Nachrichten von den neuesten Kirchen-Geschichten. Mit Kön. Pohln. und Churfürstl. Sächs. allergn. Privilegio und unter Censur des Fürstl. Sachs. Weimar. Oberconsistorii. Drey und vierzigster Theil. Weimar, bey Siegm. Heinrich Hoffmann. 1744, S. 104–124, Zitat 108–109. 7 Johann Leonhard Fröreisens, Der H. Schrift D. und P. P. Capituli Thomani Canonici und E. E. Kirchen-Convents zu Strasburg Praesidis Vergleichung Des Graf Zinzendorfs Mit dem Mahomet, Welcher Die Bedencken der theol. Facultäten zu Altdorf, Giesen, Göttingen, Halle, Jena, Wittenberg, Und der Evangelischen Ministerien zu Augspurg, Hamburg, Lübeck, Nürnberg, Regenspurg und Ulm von dem Gräuel der Zinzendorfischen Lehren und Unternehmungen Auszugsweise, nebst einigen andern dahin gehörigen Schriften des Verfassers beygefüget sind. Franckfurt und Leipzig 1748.

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Fröreisen vergleicht Zinzendorf mit einem jahrhundertealten Schreck- und Feindbild, mit Mahomet. Der aus dem Lateinischen ins Deutsche, und damit auch für nichtakademische Leser aufbereitete Text verdient im Zusammenhang der Frage nach dem Mahomet-Bild in Deutschland Beachtung. In der deutschen Ausgabe von 1748 heißt es: Nachdem vor ungefähr 20. Jahren der Oberlausitzische Graf Nicolaus Ludwig von Zinzendorf den tollkühnen Entschluß gefaßt, eine neue Religion zu schmieden, so hat mir solche Unternehmung alsobald mißfallen, indem ich nicht habe sehen können, wer ihn dazu beruffen. Doch wartete ich in der Stille auf den Fortgang dieses seines Vorhabens. (3)

Mit dieser an Mahomet-Darstellungen angelehnten Formulierung („eine neue Religion schmieden“) beginnt das Büchlein. Fröreisen habe den Betrug erkannt, als Zinzendorf die Fakultät in Tübingen um Respons in der Frage gebeten hatte, ob die Mährische Bruder-Gemeinde für evangelisch-lutherisch angesehen werden könne, wenn sie sich in der Lehre zur Confessio Augustana bekenne. Fröreisen spielt auf Zinzendorfs Hochmut an, der aber nicht ausreiche, um die angestrebte neue Kirchenordnung in die evangelische Kirche einzuführen. Zwei „mit der Zinzendorfischen Pest“ (6) angesteckte frühere Kandidaten habe er vergeblich gewarnt, sich in Straßburg derart zu betätigen. In einer Predigt in der Hauptkirche habe Fröreisen ebenfalls gewarnt. 1741 habe er an Zinzendorf einen Brief geschrieben. Zinzendorf wird hier mit dem auch für frühere Mahomet-Polemik typischen Vokabular als Phantast und „Ertzbetrüger“ bezeichnet (9). Vor diesem Zinzendorf habe Fröreisen 1747 in einer zweifach gedruckten Schrift vergeblich gewarnt. Weilen aber weder meine; noch anderer Theologorum Vorstellungen, die hernach häufiger; als zuvor erfolgt, etwas würcken wollten; sondern dieser Graf an gar vielen Orten seine Betrügereyen, Tyranneyen und Geilheiten ausübte, so kam ich zu Anfang des letzt verflossenen Jahres [also Anfang 1747] auf die Gedanken der Welt zu zeigen, daß dieser Zinzendorf nicht nur kein Haar besser, sondern noch viel ärger seye, als der Mahomet, folglich unter den Christen nicht gedultet werden könne (10–11).

Dies habe er zunächst in einer kleinen lateinischen Schrift Brevis delineatio duorum impostorum magnorum Muhammedis & Zinzendorffii Muhammedis simiæ getan, damit dies überall gelesen werden könne. Das Buch sei ins Französische und ins Deutsche übersetzt worden und Fröreisen habe es für nötig gehalten, der Brevis delineatio noch eine Bestätigung folgen zu lassen, die Confirmatio brevis delineationis &c., worin verdeutlicht werde, „daß der Zinzendorf viel schwärzer seye; als ich ihn abgemahlt“ (13).8 Da Anhänger Zinzendorfs Fröreisen gewissermaßen als Privatfeind bezeichneten, habe er die meisten Theologischen Fakultäten und Ministerien um Stellungnahmen gebeten, die hier veröffentlicht würden. Fröreisen legt diese 8 Auch dieser Text ist in der vorliegenden Publikation in deutscher Übersetzung enthalten.

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zusammenfassende Schrift mit der Absicht vor, administrative Maßnahmen gegen Zinzendorf und seine Gemeinde zu provozieren, denn Zinzendorf sei noch schlimmer als das schlimmste Feindbild. Mein herzlicher Wunsch gehet demnach schlüßlichen dahin, daß doch Christliche Obrigkeiten als Pflegere und Säugammen der Kirche endlich einmahl den so grossen und so offenbahren Schaden Josephs sich zu Herzen gehen lassen, und daß durch ihre Sorgfalt und Macht, die Ihnen GOtt deswegen anvertrauet, die Zinzendorfische Secte, als der gröste Schandflecken, dergleichen an Gottslästerungen und andern Abscheulichkeiten durch alle 17. Secula noch keine zu sehen gewesen, gänzlichen ausgekratzet werden möge. Geschrieben Strasburg den 31. Jan. 1748. (15–16)

16.2.1 Die Abschilderung Des Mahomets Und Des Zinzendorfs Als seines heutigen Affens Auf diesen Vernichtungswunsch folgt als erstes die Abschilderung Des Mahomets Und Des Zinzendorfs Als seines heutigen Affens. Die Seiten werden nach dem Zwischentitel neu gezählt und statt „Mahomet“ erscheint der Name ab Beginn des Textes als „Muhammed“. Die „eigentliche Art des Muhammedanischen oder Türckischen Aberglaubens“ sei nicht sehr bekannt und viele wüssten nicht „von der, der gantzen Welt schädlichen Betrügerey des Zinzendorffs“ (3). Darum erfolge hier eine kurze Vorstellung. Oft werde ein Buch erwähnt, „das von dreyen Ertz-Welt-Betrügern handeln soll“ (4).9 Ob diese Meldung ihrerseits ein Betrug sei, oder das Buch versteckt existiere, wolle Fröreisen nicht entscheiden, aber seinerseits von „einem Paar der allergrösten Betrüger“ (ebd.) schreiben. Einer habe vor mehr als tausend Jahren die Welt hinters Licht geführt, „der andere aber, der gewissenlose und tückische Herostrat unserer Zeiten, der in Arglist und in Bosheit zugleich es jenem fleißig nachgemacht, verdient die Ehre, des Muhammeds Affe genennet zu werden“ (4). Muhammed sei von vielen als der Antichrist angesehen worden und Fröreisen selbst habe an Zinzendorf bereits zwei Jahre zuvor in einer akademischen Streitschrift die meisten Kennzeichen des Antichrist entdeckt. Die Zeitrechnung, die die tausend Jahre der Johannesoffenbarung auf die Zeit „von dem Antichristlichen Muhammed an bis auf den Antichrist Zinzendorff zählet“ (5), sei näher an der Wahrheit als die vielen anderen Berechnungen. Darum würden „[b]eyde Antichristen“ (ebd.) hier en miniature abgemalt.

9 Der anonyme lateinische Traktat von 1688 De tribus impostoribus könnte hier ebenso gemeint sein wie das clandestine französische Druckwerk von 1719 Trait des trois imposteurs. Fröreisen bleibt bei dieser Andeutung.

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16.2.2 Fröreisens Muhammed-Darstellung Fröreisens eigenartige Vorstellung seines Muhammeds sei wegen ihrer Kürze hier im Zusammenhang wiedergegeben: Arabien war Muhammeds Vaterland, Abdalla, ein Koreischit von Mecca gebürtig, dessen Vater, und eine gebohrene Jüdin seine Mutter. Da er nach dem Tod seiner Eltern, um seinen Unterhalt zu bekommen, in seinen jüngeren Jahren sich bald bey den Heerden der Cameel aufgehalten, bald mit den Kaufleuten hin und her gezogen; so blieb seine Seele leer von allen guten Wissenschaften, und er hatte einen Abscheu an aller menschlichen Gelehrsamkeit. Sein verschlagener Kopf aber und das ihm angebohrene verschmitzte Wesen, wie auch seine schöne Gestalt und ansehnliche Leibes-Größe haben ihn bey jedermann beliebt gemacht. Besonders hat er einer überaus reichen fünfzigjährigen Wittfrau über die maßen gefallen, und diese hat ihn auch in dem 25sten Jahr seines Alters aus ihrem Diener zu ihrem Ehemann gemacht. Nachdem er also mit Hülf der Liebe reich geworden, sich allenthalben sehr freygebig gegen die Armen, und mit grosser Verstellung überaus gottselig angestellet, und nachdem er in dem 15. Jahr seiner Ehe und 40sten seines Alters sich vorgenommen, eine neue Religion einzuführen, so gab er göttliche Offenbahrungen vor. Hierauf hat er sich zweyer fälschlich also sich nennender Christen und etlicher Juden zu seinem Vorhaben bedienet, und damit es ihme nicht an Geld, das alle Welt regieret, fehlen möchte, hat er seine erste Sorge dahin gerichtet, wie er einen reichen Kaufmann auf seine Seite bringen möchte. Nachdem er diesen verführt und geplündert, hat er eine neue Religion ausgebrütet, und andere darzu überredet. Mecca, eine berühmte Stadt in Arabien ist es gewesen, wo die Betrügerey ihren ersten Sitz aufgeschlagen, und diese mußten seine Anhänger entweder bewohnen, oder doch zum wenigsten öfters besuchen, weilen es Muhammed dem Schein nach liebreich gerathen, in der That aber ernstlich befohlen. Damit er den Juden gefallen möchte, hat er die Dreyeinigkeit der Christen verworffen, (dadurch er sich auch den Arianern eingeschmeichelt[)], und Beschneidung beybehalten. Damit er sich die Weltweisen zu Freunden machen möchte, hat er der Vielgötterey die Deisterey, oder vielmehr der Stoiker Lehr-Gebäude vorgezogen. Um sich in das Ansehen eines Heiligen zu setzen, hat er das Weintrincken untersagt. Auf daß er die Menschen durch Hofnung lockete, hat er seinen Anhängern Länder der Wollust nach dem Tod verheissen. Um seinen MitGesellen und Mit-Betrügern Unterhalt zu verschaffen, hat er unter dem Vorwand der Allmosen von allen Orten her Geld-Summen zusammen geraffet. Dieses zeiget uns gantz deutlich an, daß Muhammed aus allen Religionen etwas gelehret, und seinem Alcoran, einem verwirrten Buch, welches gar keinen Zusammenhang in sich hat, und welches er als eine Glaubens-Regul den Seinigen vorgeschrieben, Sachen einverleibet, die er selbsten nicht vor wahr, sondern nur seinem Endzweck am dienlichsten gehalten. Die Christen nicht wider den Kopff zu stossen, hat er Christum und seine Apostel mit den grösten Lobsprüchen und prächtigsten Tituln beehret.

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Es würde aber der Muhammed niemahlen seinen Zweck erlanget haben, wo er nicht seine Mit-Brüder, und die durch deren Hülffe verführte Anhänger das Gewehr zu ergreiffen aufgewiegelt, und den Seinigen eingeschärffet hätte, daß sie die Religion, und unter dem Schein und Vorwand der Religion die Herrschaft ausbreiten solten. Wir bewundern unterdessen insonderheit diejenige Arglistigkeit dieses Betrügers, daß er die Macht Wunder zu thun nicht von sich gerühmt, indem er vorgegeben, er seye nicht der Meßias, sondern nur ein Prophet, obwohlen bekannt, daß er bisweilen durch ausserordentliche Thaten bey vielen Gemüthern eine grose Verwunderung erwecket. Dieser allergrösten Arglistigkeit aber ohngeachtet, sind doch dessen Betrügereyen und höchst schädliche Absichten nach und nach entdecket worden, also daß die Koreischiten und vornehmste von Mecca, weil sie das gefährliche Vorhaben dieses tückischen Bürgers, der eine neue Religion schmiedete, gemerckt hatten, ihm aus dem Lande zu ziehen anbefohlen haben, von welcher Flucht die Türckische ZeitRechnung anfängt, welche in dem 14. Jahr dieser neuen Religion geschehen. (6–9)

Folgende Aspekte sind an dieser Darstellung besonders bemerkenswert: 1) Muhammeds Mutter wird als Jüdin vorgestellt. 2) Der ungebildete Muhammed habe Abscheu (!) vor der Gelehrsamkeit gehabt. 3) Die Wittfrau sei zur Hochzeit mit ihm 50 Jahre alt gewesen, zur Zeit der ersten Offenbarung also bereits 65 Jahre. 4) Muhammed habe sich mit 40 Jahren vorgenommen, eine neue Religion einzuführen. 5) Geld regiere die Welt. Darum habe Muhammed einen reichen Kaufmann des Geldes wegen verführt und danach eine neue Religion „ausgebrütet“. 6) Muhammeds Anhänger hätten entweder in Mekka wohnen oder die Stadt wenigstens öfters besuchen müssen. 7) Die Trinitätslehre habe Muhammed der Juden wegen abgeschafft und die Beschneidung beibehalten. 8) Durch seine Ablehnung der Trinität habe er sich auch bei den Arianern einschmeicheln können. 9) Der Vielgötterei habe Muhammed um der Weltweisen willen die „Deisterey“ bzw. die Stoa vorgezogen. 10) Das Weinverbot habe Muhammed erlassen, um sich als Heiliger zu gerieren. 11) Vermeintliche Almosen habe Muhammed zusammengerafft, um sich und seinen Leuten Unterhalt zu verschaffen. 12) Seine Glaubenslehren habe er selbst nicht für wahr, sondern nur für seinen Zwecken zuträglich gehalten. 13) Um der Christen willen habe er Christus und die Apostel mit Lobsprüchen und Ehrentiteln gepriesen. 14) Ohne Waffengewalt hätte Muhammed sein Ziel niemals erreicht. 15) Die Mekkaner hätten Muhammeds Betrügereien entdeckt und ihn der Stadt verwiesen. Ob Muhammed als Betrüger, Antichrist oder falscher Prophet gelten solle, wird in diesem Abschnitt nicht problematisiert. Dass er nicht als Messias, sondern nur als Prophet habe gelten wollen, wird als bewundernswerte Arglist bezeichnet.

16.2 Fröreisens Vergleich

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16.2.3 Der Vergleich mit Zinzendorf In Frage steht, ob die fünfzehn genannten Aspekte in der Darstellung Zinzendorfs eine Rolle spielen und insofern von dieser Darstellung motiviert sind. Hier geht es also nicht um eine Darstellung des kompletten Vergleichs zwischen Zinzendorf und Muhammed. Äußerliche Religionsfreiheit, Polygamie, zusammenhangloser Koran oder andere zeitgenössisch gängige und im Text enthaltene Aspekte bleiben im Folgenden unerwähnt. Vielmehr geht es darum, inwieweit die Besonderheiten der Muhammed-Darstellung Fröreisens von seiner Zinzendorf-Darstellung abhängen. Fröreisen geht nach seiner Darstellung Muhammeds zu Zinzendorf über und schreibt: „Fast in allen diesen Erfindungen und Unternehmungen hat ihm zu unserer Zeit nachgeäffet der Zinzendorff, welcher an Arglistigkeit geringer, an Unverschamtheit aber und gottlosen Absichten und thöricht verwegenen Pralereyen weit ärger ist.“ (9–10) Zinzendorf erscheint nun als der „Affe des Muhammeds“ (10), der auch „dem Versucher Christi dem Teufel“ nachäffe und „eine rechte Pest in der Welt“ (16) sei. Folgende Aspekte der Muhammed-Darstellung finden sich im Abschnitt über Zinzendorf wieder.10 Dies zeigt, dass nicht ein irgendwie geartetes Muhammed-Bild auf Zinzendorf, sondern dass ein polemisches Zinzendorf-Bild auf Muhammed übertragen wird. Dabei werden die genannten Aspekte (1–15) jeweils als assoziierbare oder hergestellte Entsprechungen oder Überbietungen kenntlich gemacht. Hergestellte Überbietungen Muhammeds im Zinzendorf-Bild ad 2) Der ungebildete Muhammed habe Abscheu (!) vor der Gelehrsamkeit gehabt: „Wann die Betrügerey je könnte entschuldiget werden, so würde der Mangel der Unterweisung den Muhammed entschuldigen. Aber die sehr vorsichtige und gute Auferziehung, welche der Zinzendorff genossen, macht dessen Bosheit desto verfluchter.“ (11) ad 9) Der Vielgötterei habe Muhammed um der Weltweisen willen die „Deisterey“ bzw. die Stoa vorgezogen. und 12) Seine Glaubenslehren habe er selbst nicht für wahr, sondern nur für seinen Zwecken zuträglich gehalten: „Vor etwa fünff Jahren bin ich mit der Meynung gestanden, Zinzendorff lüge so, daß er selbst seine Lügen glaubt, nunmehro aber ist es klar am Tag, daß er ein Atheist seye, der gar nichts glaubt. Daß das unwidertreibliche und unvernünfftige Schicksaal der Stoiker dem Muhammed anständig gewesen, und seinen Nachkömmlingen noch bis auf diese Stunde gefalle, ist Weltkündig. Dem Zinzendorff gefällt das blinde und unverständige Looß, und 10 Oben genannte Besonderheiten, die sich in der Zinzendorf-Darstellung nicht finden (Pkt. 1 und 3) bleiben hier unerwähnt.

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dieses stehet bey ihm mit einem göttlichen Ausspruch in gleicher Hochachtung. Wie gottlos aber dieser tückische Betrüger zu loosen gewohnt seye, das lehren unzähliche Exempel.“ (17) (Hergestellte Überbietung: Muhammeds Stoa ist unvernünftig, Zinzendorfs – prästabiliertes? – Los-Fatum gar atheistisch.) ad 10) Das Weinverbot habe Muhammed erlassen, um sich als Heiliger zu gerieren: „Daß der Muhammed durch die Verbietung des Weins eine Heiligkeit hat suchen vorzuwenden, ist niemand unbekannt. Der Zinzendorff, damit er vor heilig gehalten würde, hat ein neues Ceremonial-Gesetz gestiftet, damit er diejenige, welche keinen vertrauten Zugang zu ihm haben, wie leibeigene Knechte unter dem Schein der Heiligkeit auf eine tyrannische Art quälet […].“ (15–16) ad 11) Vermeintliche Almosen habe Muhammed zusammengerafft, um sich und seinen Leuten Unterhalt zu verschaffen: „An statt der lustigen Länder, deren süssen Genuß Muhammed den Seinigen nach ihrer Abreise aus dem Land der Lebendigen versprochen, verspricht Zinzendorff den Seinigen die Reiche dieser Welt, und kratzet alles, was er unter dem Nahmen des entlehnten oder unter dem Vorwand der Allmosen aufbringen kan, auf mancherley Art, durch tausenderley Künsteleyen und Betrügereyen zusammen, leget hernach das zusammen gebrachte Geld in seine Schatz-Kammer, welche er die Liebes-Casse nennet.“ (16–17) Hergestellte Entsprechungen zwischen Zinzendorf und Muhammed ad 6) Muhammeds Anhänger hätten entweder in Mekka wohnen oder die Stadt wenigstens öfters besuchen müssen. und 15) Die Mekkaner hätten Muhammeds Betrügereien entdeckt und ihn der Stadt verwiesen: „Dann der Zinzendorff, welcher mit des Muhammeds hochmüthigen Sinn aufgeblasen war, wolte neue GOttes-Dienste einführen, und hat deswegen neue Ceremonial-Gesetze gegeben.“ (12) Wie Muhammed Mekka, so habe Zinzendorf Herrnhut zum ersten Sitz seiner Betrügerei gemacht, seinen Sitz aber noch mehrfach verlegt. Mit dem Geld seiner Anhänger habe er das Dorf Herrenhagen gebaut und „denselben nach dem Exempel des Muhammeds rathend anbefohlen, entweder immerdar daselbst zu verbleiben, oder bey aller Gelegenheit, und unter einem jeden Vorwand diesen Himmel auf Erden öfters anzuschauen.“ (13) ad 7) Die Trinitätslehre habe Muhammed der Juden wegen abgeschafft und die Beschneidung beibehalten. und 8) Durch seine Ablehnung der Trinität habe er sich auch bei den Arianern einschmeicheln können: „Daß der Muhammed zu Gunsten der Juden und der Arianer das Geheimniß der Heiligen Dreieinigkeit verworffen habe, ist oben gemeldet worden. Der Zinzendorff hat sich eben dieses unterstanden, indem er allein GOtt

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dem Sohn mit Ausschließung des Vaters und des Heiligen Geistes die Gottheit zugeschrieben.“ (14) (Hergestellte Entsprechung: Die Differenz zwischen Muhammeds Arianismus und Zinzendorfs sabellianischem Christozentrismus wird nivelliert, um den gemeinsamen Antitrinitarismus beider zu betonen!) Assoziierbare Überbietungen Muhammeds im Zinzendorf-Bild ad 5) Geld regiere die Welt. Darum habe Muhammed einen reichen Kaufmann des Geldes wegen verführt und danach eine neue Religion „ausgebrütet“: Zinzendorf habe „mit leichter Mühe sehr viele fremde Güter an sich gezogen, welche Er, wann Er der gantzen Welt Herrschaft würde an sich gebracht haben, mit hundertfältigem Gewinn wiederzugeben versprach“ (10). Er habe nicht nur einen Handelsmann wie Muhammed, sondern viele reiche Leute betrogen und ins Elend gestürzt, einen vielleicht gar in den Tod getrieben oder ermorden lassen, „wie solches insonderheit den Einwohnern des Elsaßes und der Schweitz bekannt ist“ (11). ad 14) Ohne Waffengewalt hätte Muhammed sein Ziel niemals erreicht: „Dieser unverschämte Spötter, damit Er sich in allen Winckeln der Welt unzählig viele Anhänger zuwegen bringen möchte, hat er sich unterstanden vorzugeben, daß seine Gemeinde mit ihme einmahl die gantze Welt regieren werde, vermöge der Worte Christi, Matth. V. 5, in welchen Er den Sanftmüthigen die Besitzung des Erdreichs verheissen.“ (10) (Assoziierbare Überbietung, durch unten genannten Unterschied dann direkt hergestellt: Zinzendorfs Anhänger griffen nicht zu den Waffen, sondern er mache ihnen weis, sie würden einst die Welt beherrschen.) Assoziierbare Entsprechungen zwischen Zinzendorf und Muhammed ad 4) Muhammed habe sich mit 40 Jahren vorgenommen, eine neue Religion einzuführen: Muhammeds Plan wird hier vergleichsweise spät angesetzt. Ähnliches könnte Fröreisen für Zinzendorf geltend machen. Doch dies bleibt unausgesprochen. (Assoziierbare Entsprechung) ad 13) Um der Christen willen habe er Christus und die Apostel mit Lobsprüchen und Ehrentiteln gepriesen: „Dann mit Hülffe eines Zeugnüsses, welches er vor 14. Jahren durch List und Betrug von den Tübingischen Gottesgelahrten erhalten, hat er seine neue Gemeinde in der Welt aufzurichten sich unterstanden.“ (18) (Assoziierbare Entsprechung: Um der Kirche willen habe sich Zinzendorf ein Zeugnis der Rechtgläubigkeit ausstellen lassen, so wie Muhammed um der Christen willen Christus und die Apostel gepriesen habe. Im Grunde sei es beiden aber gar nicht um Christus und die Apostel bzw. um wahre Rechtgläubigkeit gegangen – so lautet die unausgesprochene Konsequenz.)

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16. Fröreisens Vergleichung Des Grafs Zinzendorfs Mit dem Mahomet

16.2.4 Muhammed als Zinzendorf-Karikatur Es zeigt sich, dass fast alle Auffälligkeiten in Fröreisens Muhammed-Darstellung auf Motive in der Darstellung Zinzendorfs zurückgeführt werden können. Die weitaus meisten Linien werden im Text direkt gezogen.11 Andere Aspekte sind assoziierbare, naheliegende Verbindungen.12 Die Äußerungen zu Zinzendorf sind teils als Entsprechungen,13 teils als Überbietungen angelegt.14 Auf folgende Aussagen ließen sich diejenigen Äußerungen des Textes bringen, mit denen Fröreisens Muhammed – über andere zeitgenössische Bilder hinausgehend – Zinzendorf karikiert: Der gebildete Betrüger Zinzendorf habe viele um ihr Geld betrogen oder gar ermorden lassen, sei eigentlich ein betrügerischer und das Los werfender Atheist, der scheinheilig ein neues asketisches Zeremonialgesetz eingeführt habe und seinen Anhängern die Weltherrschaft verspreche. Bei aller in diesem Text gezeigten Nähe und Entsprechung – so schlimm sei selbst Mohammed nicht gewesen. Diese Überbietungen Muhammeds durch Zinzendorf entsprechen auch der erklärten Absicht des Textes: Eingangs hatte Fröreisen ja betont, er sei Anfang 1747 auf den Gedanken gekommen, „der Welt zu zeigen, daß dieser Zinzendorf nicht nur kein Haar besser, sondern noch viel ärger seye, als der Mahomet, folglich unter den Christen nicht gedultet werden könne“ (11). So ist – wie zu erwarten – das Muhammed-Bild Fröreisens das Mittel zur Zinzendorf-Kritik und diesem Zweck völlig untergeordnet. Es handelt sich tatsächlich um eine Vergleichung Des Graf Zinzendorfs Mit dem Mahomet ohne jedes eigenständige Interesse für die Gestalt Mahomets resp. Muhammeds. Fragt man nun nach dem positiven Ergebnis der Muhammed-Darstellung im Vergleich zu Zinzendorf, dann lässt sich folgende, umgekehrte Zusammenfassung geben: Der ungebildete Betrüger Muhammed habe lediglich einen Kaufmann und nicht viele Leute um Geld betrogen, nicht aber jemanden ermorden lassen oder in den Tod getrieben. Er sei kein das Los-Fatum werfender Atheist wie Zinzendorf, zum Schein der Heiligkeit habe er nur Alkohol verboten, nicht aber gleich ein ganzes neues Zeremonialgesetz eingeführt wie Zinzendorf. Er habe zwar viele Reiche erobert, nicht aber seinen Anhängern die Weltherrschaft versprochen wie Zinzendorf. Bei aller in diesem Text gezeigten Nähe und Entsprechung – so schlimm wie Zinzendorf sei selbst Mohammed nicht gewesen. 11 Vgl. die beschriebenen Passagen zu den Punkten 2; 6 und 15; 7 und 8; 9 und 12; 10; 11; 14. Zu Punkt 14 ist allerdings noch der unten zitierte Unterschied zwischen beiden im Hinblick auf Waffengewalt heranzuziehen. 12 Vgl. die beschriebenen Passagen zu den Punkten 4 und 13. 13 Vgl. Punkt 2; 5; 9 und 12; 10; 11. 14 Vgl. Punkt 4; 6 und 15; 7 und 8; 13.

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Fragt man schließlich nach Elementen in der Muhammed-Darstellung, die unabhängig von der Zinzendorf-Polemik sind, so bleibt: Muhammed stamme von den Koreischiten in Mekka ab, seine Mutter sei Jüdin gewesen. Nach dem frühen Tod seiner Eltern sei er als Kameltreiber mit Kaufleuten unterwegs gewesen. Er sei ungelehrt, aber verschlagen und verschmitzt, von schöner großer Gestalt und beliebt gewesen. Mit 25 Jahren habe er eine 50-jährige, reiche Witwe geheiratet. Er sei freigebig gewesen und habe sich als frommer Mann verstellt. Mit 40 Jahren habe er göttliche Offenbarungen vorgegeben, um eine neue Religion einzuführen. Zwei falsche Christen und mehrere Juden hätten ihm dabei geholfen, in Mekka diese neue Religion zu begründen. Er habe sich dabei nach Juden und Christen wie auch nach Philosophen gerichtet und in seinem Koran aus allen Religionen etwas gelehrt. Seine Anhänger habe er zu den Waffen gerufen, sich listig nicht als Messias, sondern nur als Prophet ausgegeben, und sei vor seinen Widersachern aus Mekka geflohen, womit eine neue Zeitrechnung eingesetzt worden sei. Mehr geben die von der Zinzendorf-Schilderung unabhängigen Aspekte des Textes nicht her. Durch den Vergleich der beiden Darstellungen nach positiven, negativen und unabhängigen Aspekten wird deutlich, dass die Repräsentation Muhammeds hier im Wesentlichen auf eine polemische Zinzendorf-Karikatur reduziert ist. Dies zeigt sich auch, wenn Fröreisen Unterschiede zwischen Zinzendorf und Muhammed beschreibt, die Muhammed jeweils nur den ,zweitschlimmsten‘ Platz zuweisen. Zinzendorf greife nicht wie Muhammed zu den Waffen, sondern mache den Seinen vielmehr weis, „sie würden ohnfehlbar durch Sanfftmuth Herren über das Erdreich werden“ (18). Er sei außerdem viel unverschämter als Muhammed und rühme sich apostolischer Wunderkräfte. Dass Muhammeds Himmelsreise, die zu den zentralen zeitgenössischen Zuschreibungen gehört, von Fröreisen weggelassen wird, verstärkt gerade die Absurdität der hier beschriebenen mirakulösen Anmaßungen Zinzendorfs. Muhammed sei ein „Fix-Stern“ gewesen, Zinzendorf sei ein „Irr-Stern“, jener habe nur die Morgenländer betrogen, „so führet dieser die ganze Welt, Ost und West, Süd und Nord unverschämt und verwegen hinter das Licht“ (19). Dass die zeitgenössische Literatur in der Regel davon ausgeht, dass sich keine Religion bzw. kein Reich so erfolgreich ausgebreitet habe wie Muhammeds, wird hier verschwiegen. Muhammeds Anhänger würden Gott auf eine zwar „unechte Weise, dennoch ernstlich und von ganzem Herzen ehren und fürchten“, auch wenn ihr Verstand „mit den greulichsten Irrthümern angesteckt ist“ (ebd.). Die Anhänger Zinzendorfs seien dagegen entweder arglistige und durchtriebene Schelmen, und wie ihr Meister gäntzliche Gottes-Verläugner, die greulichen, eine Zeitlang zwar geheim gehaltenen, jetzt aber weltkündigen Lastern ergeben sind; Oder es sind blinde Leute, die ihre Vernunfft nicht anwenden, und ihres gewissenlosen Verführers vergiffteten Speichel thörichter Weise lecken. (ebd.)

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16. Fröreisens Vergleichung Des Grafs Zinzendorfs Mit dem Mahomet

Interessant ist, dass Fröreisen keineswegs auf die stereotypen Schilderungen der Wollust nach dem Vorbild Muhammeds eingeht, die in kaum einer Darstellung fehlen. Auch hier muss Zinzendorf, bzw. müssen seine Anhänger dunkler erscheinen als Muhammed, indem Fröreisen oben in der Darstellung der Gemeinsamkeiten nicht etwa auf Muhammeds Lust, ausführlich aber auf Gesangbuch-Texte der Herrnhuter angespielt hatte, die er offenbar als Tore der sexuellen Wollust interpretiert. Zinzendorf erlaube beiden Geschlechtern „alle Geilheit, und bedienet sich in seinen Liedern so unzüchtiger Worte, daß sie ohne Aergerniß nicht gelesen, noch allhier angeführet werden können“ (15). Die hier für beide Geschlechter behauptete Geilheit übertrifft sogar noch Muhammeds geordnete Polygamie. Dass Muhammed vor Jahrhunderten gelebt hat, während Fröreisen durch die gemeinsame Hallenser Zeit mit Zinzendorf persönlich bekannt war, wird nicht eigens erwähnt. Es sei zur Genüge klar geworden, „daß der Zinzendorff weit ärger als der Muhammed seye“ (19–20). Allerdings möchte Fröreisen mit den Herrnhutern wie mit den Türcken verfahren, wie er abschließend betont – sie sollten aus Europa vertrieben werden. Wenn die Herrnhuter sich auf die erste Kirche bezögen, sollten sie sich auch an den Stätten der ersten Christen niederlassen. Sie mögen demnach glücklich in Asien reisen, Jerusalem daselbst den Unglaubigen aus den Händen reissen, und es mit ihren leeren Hirn-Gespinsten anfüllen; von dannen, wann sie die Ueberbleibsel von den verwüsteten ehemals berühmtesten Städten erobert, und ihnen wie weiten Morgenländer zu enge sind, so mögen sie mit gutem Wind in das heisse Africa hinüber segeln, damit dorten die schwüle SonnenHitz, wanns möglich ist, die Flecken der Seele ausbrenne. Und solten auch diese Gegenden nicht bequem genug seyn, so mögen sie in einer neuen Welt die Siege ihrer Thorheit ausposaunen. Wir werden diesen Land- und See-Fahrern eine glückliche Reise wünschen. Und so wird Europa, wann es also von seinen undanckbaren Einwohnern gereiniget worden, endlich in Wohlstand, Ruhe und Sicherheit gesetzet werden. (20)

Die weiteren Texte in Fröreisens Bändchen gehen nicht auf Mohammed ein. Nachdem Zinzendorf von Fröreisen als einen Affen Mahomets/Muhammeds dargestellt ist, gibt der dritte, ursprünglich ältere Text in dieser Veröffentlichung ihn sowohl „als ein[en] abgeschmackte[n] Affe[n] grosser Fürsten“ zu erkennen, weil er einen neuen Orden aufrichte, sowie „als ein[en] unverschämte[n] und freventliche[n] Affe[n] unseres Heylandes, dann seine gantze Anstalt ist nichts als ein Affenspiel“ (40). Mit der oben zitierten Bemerkung, dieser sei auch ein Affe des Teufels, ist Zinzendorf in Fröreisens Texten gewissermaßen ein vierfacher Affe. Den größten Raum nimmt dabei jedoch der Vergleich mit Muhammed ein.

16.3 Muhammed als Argument

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16.3 Muhammed als Argument Der zweite Teil von Ludwig Holbergs berühmten Heldengeschichten lag seit 1741 auf Deutsch vor und enthielt auch den Vergleich zwischen Zoroaster und Mahomed (s. o.). Einige Jahre später kam Fröreisen – wie oben zitiert: Anfang 1747 – auf die Idee, Muhammed und Zinzendorf zu vergleichen. Ein Zusammenhang ist nicht ausgeschlossen, aber auch nicht zu beweisen. Deutlich ist, dass Fröreisens Muhammed-Bild einer Karikatur zu polemischen Zwecken gleichkommt, die eine Repräsentation Muhammeds ausschließlich interessengeleitet vornimmt, nämlich mit dem offenkundigen Ziel, Zinzendorf als einen noch gefährlicheren Feind der christlichen Religion darzustellen als denjenigen, der bei vielen Zeitgenossen genau diesen Platz einnahm. Wie Fröreisens Muhammed-Karikatur zeitgenössisch zusammengefasst wurde, belegt eine Vorstellung in den Acta historico-ecclesiastica: Wenn der Hr. Doctor eine kurze Vorstellung von Mahomet gemacht, so will er alsdenn zeigen, daß der Hr. Gr. v. Z. demselben nicht nur gleich, sondern noch ärger sey. Z.E. Jener habe den Seinigen zur Ausbreitung der Welt grose Herrschaft versprochen; dieser habe seinen Anhängern die Hofnung gemacht, daß seine Gemeinde mit ihm einmal die ganze Welt regiren werde, und dadurch habe er mit viel Müh sehr viel fremde Güter an sich gezogen. Dabey heißt es: , Er hat nicht nur einen Handelsmann, sondern viele und zwar sehr reiche dahin gebracht, daß sie sowol ihr Vaterland verlassen, als auch, nachdem sie den grösten Theil ihres Vermögens, ja bisweilen all ihr zugebrachtes Geld, dessen willkührlichen Gebrauch übergeben haben, fast Hungers gestorben sind, unter welchen insonderheit einer, (dessen vornehmes Geschlecht ich in Ehren halte,) nachdem er sehr grose Geldsummen verloren, entweder von den Zinzendorfianern heimlich umgebracht worden, oder durch Verzweiflung angetrieben, sich selbsten entleibet hat, wie solches insonderheit den Einwohnern des Elsasses und der Schweiz bekannt ist.’ Ferner: Mahomet würde wegen Mangel der Unterweisung noch eher zu entschuldigen seyn, als Zinzendorf, der eine gute Auferziehung gehabt. Jener hat Mecca, dieser Herrnhuth und hernach Marienborn und Herrnhag zum Sitz seiner Betrügerey gemacht. Jener hat den unordentlichen Alcoran zur Glaubensregel geschrieben; dieser schreibt Schriften, die keinen Zusammenhang haben und voller Irrthümer sind. Jener hat das Geheimniß des dreyeinigen GOttes verworfen, und dieser ebenfalls. Jener hat die Vielweiberey erlaubt; dieser sucht Männer und Weiber durch ärgerliche Reden geil zu machen. Jener hat durch das Verbot des Weins einen Schein der Heiligkeit angenommen; dieser durch sein Ceremonialgesetz. Jenem hat das blinde Schicksal der Stoiker, diesem das blinde Loos gefallen. Hiernächst zeigt er, daß sie aber doch in einigen Stücken unterschieden seyn, weil Zinzendorf nicht die Waffen ergreife, aber sich viel unverschämter der Wunderwerke rühme; und nicht nur die Morgenländer, sondern Ost und West, Süd und Nord hinter das Licht führe etc. Es ist auch von dem Hrn. Prof. Fröreisen noch herausgekommen Confirmatio breuis delineationis duorum impostorum magnorum

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16. Fröreisens Vergleichung Des Grafs Zinzendorfs Mit dem Mahomet

Muhamedis et Zinzendorfii, Muhamedis simiae in 4, 1 B. worinnen er aus den Zinzendorfischen Schriften die Irrthümer von GOtt, von Christo, von der Religion, vom Predigtamt, vom Gesetz, von der Obrigkeit, von der Geringachtung der Sünde etc. kürzlich bewiesen hat. (1043–1044)15

Zumindest in Oetingers Totengespräch zwischen Dippel und Zinzendorf lässt sich vielleicht eine Wirkung eines solchen Mohammed-Zinzendorf-Vergleichs erahnen, wenn dort vom „herrnhuthsche[n] Muhammed!“ die Rede ist.16

15 Acta historico-ecclesiatica. Oder Gesammlete Nachrichten von den neuesten Kirchen-Geschichten. Zwey und siebenzigster Theil. Mit Kön. Poln. und Churfürstl. Sächs. allergn. Privilegio und unter Censur des Fürstl. Sachs. Weimar. Oberconsistorii. Weimar, bey Siegmund Heinrich Hoffmann, 1748, S. 1043–1044. 16 Friedrich Christoph Oetinger, Gespräch im Reiche der Todten zwischen dem gewesenen Urheber, Aeltesten und Bischof derer sogenannten mährischen Brüder, Nikolaus Ludwig, Grafen von Zinzendorf und Pottendorf, und dessen ehemaligen Freunde, dem berüchtigten Schwärmer, Johann Konrad Dippel, sonst Democritus Ridiculus genannt, der Arzneykunst Doktor und deklarirten Dänischer Kanzleyrath, worinnen beider seltene Handlungen und Begebenheiten erzählet werden. 2 Bde. Frankfurt 1760 f., Zitat: Bd. 1, S. 28.)

17. Mahomet als Betrüger – Voltaire und Marigny in der Übersetzung Lessings (1752/1753) 17.1 Zur Vorgeschichte: Voltaires Mahomet Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) trat nicht nur als Autor, sondern auch als Übersetzer hervor. Zu seinen Übersetzungen zählten u. a. Voltaires Kleinere Historische Schriften. Voltaire hatte das in Frankreich skandalumwobene Theaterstück Le Fanatisme ou Mahomet le Proph te verfasst. Das Stück war in Lille 1741 uraufgeführt worden, in Paris ist es bald zensiert worden. Es war nicht klar, worauf sich Voltaires Stück eigentlich bezieht und so wurde es ebenso als Mahomet-Stück verstanden wie auch als Kritik an der christlichen Religion bzw. der römischen Kirche aufgefasst.1 Oftmals wird das Stück so interpretiert, dass man Voltaires eigentliche Absicht2 oder seine aufgeklärtaufklärerische Gesamthaltung,3 weniger aber die letztlich konventionelle Mahomet-Polemik gepaart mit gängigen Vorurteilen in den Vordergrund stellt. Doch was für ein Mahomet-Bild wird von Voltaire erzeugt? Wann schreibt er als Historiker, wann als Dramatiker?4 In seiner Widmung an König Friedrich II. von Preußen tritt Voltaire als Dramatiker auf, der sich selbst kommentiert. Dass dies hoch politische Äußerungen sind, versteht sich von selbst. Die grausamsten Taten, so wie er sie sich in der Tragödie ausgedacht habe, fänden sich auch bei den Historikern, schreibt Voltaire in dieser Widmung. Der Graf Boulainvilliers habe versucht, Mahomet als großen Mann zu schildern, den die Vorsehung als Strafe für die Christen gewählt habe. Und Herr Sale, der eine hervorragende englische Version des Koran gegeben habe, wolle ihn betrachten wie Numa oder Thes e (Theseus). Voltaire meint, man müsse Gesetze eines legitimen Prinzen wie Numa respektieren oder auch die Verteidigung seiner Landsleute, wie dies von Thes e gesagt werde. Doch für Mahomet, den Voltaire als einen Kamelhändler („Marchand de Chameaux“) bezeichnet, der in seinem Dorf einen Aufruhr angezettelt habe, will er dies 1 Vgl. die Hinweise bei Saviello, Imaginationen, S. 203, Anm. 92. 2 Vgl. als Beispiel die Bemerkungen bei Saviello, Imaginationen, S. 203 f. 3 Für Monika Walter ist Voltaire „ein exemplarischer Kämpfer gegen jede Form von Wahrheitsfanatismus“ (Walter, Islam, S. 363. 4 Monika Walter bezieht das Drama selbst zu Recht auf den Dramatiker Voltaire. Allerdings kann dies m. E. für seine Widmung, in der er auf Boulainvilliers und Sale Bezug nimmt und deren historische Darstellungen kommentiert, so nicht gelten. Darüber hinaus gelten die von Walter übersetzten Partien nicht, wie angegeben, Boulainvilliers, der von Gagnier als Romanschreiber bezeichnet worden war, sondern dem allseits gelobten George Sale; vgl. Walter, Islam, S. 364.

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17. Voltaire und Marigny in der Übersetzung Lessings

nicht (wie Sale) als legitim gelten lassen. Als Begründung führt Voltaire in seinem Schreiben eine ganze Reihe gängiger, alter Klischees an: Mahomet habe die Coracites davon überzeugt, dass er mit dem Engel Gabriel spreche, das unverständliche Buch vom Himmel erhalten habe; Feuer und Schwert spielten eine Rolle, er töte Väter, raube Mädchen und lasse den Besiegten nur Konversion oder Tod. Kein Mensch könne dies entschuldigen, es sei denn er sei ein geborener Turc oder der Aberglaube ersticke in ihm jedes natürliche Licht.5 Dass Voltaire seine Mahomet-Karikatur in einem Brief an den Preußischen König auf konkrete Zeitgenossen anwendete, spricht im Übrigen nicht dagegen, diese vielfach rezipierte Repräsentation auf dem Theater als solche, also den fanatischen Mahomet als öffentliche Figur ernst zu nehmen.6 Ob Voltaire hier nun traditionelle christliche Apologetik karikiert oder nicht, die Widmung an Friedrich II. repräsentiert den Propheten in einer Reihe mit historischen Figuren wie Simon Bar Kochba (2. Jh.), Jan van Leyden (1509–1536), und den hugenottischen Kamisarden („Proph tes des Cevennes“). Zu dieser Reihung konnte man sich natürlich unterschiedlich positionieren, die hier genannten Aufstände wurden jedenfalls allesamt blutig niedergeschlagen. In England war Voltaires Mahomet schnell und anhaltend erfolgreich geworden, in Deutschland soll Johann Wolfgang von Goethe sich schwergetan haben, den Auftrag seines Herzogs auszuführen und die Tragödie in deutscher Sprache auf die Bühne zu bringen.7 1748 war Voltaires Mahomet erstmals in deutscher Übersetzung unter dem Titel Die Schwärmerey, oder Mahomet der Prophet, Ein Trauerspiel des Herrn von Voltaire erschienen.8 Um in Erinnerung zu rufen, was dort auf die Bühne kam, wird die Handlung kurz zusammengefasst. 5 Le Fanatisme, ou Mahomet le prophete, tragedie par Mr. De Voltaire. A Amsterdam Chez Etienne Ledet & Compagnie. M. DCC. XLIII: „Mr. Le Comte de Boulainvilliers crivit, il y a quelques ann es, la Vie de ce Pr phete. Il essaya de le faire passer pour un grand Homme, que la Providence avoit choisi pour punir les Chretiens, pour changer la face d’une partie de Monde. Mr. Sale, qui nous a donn une excellente Version de l’Alcoran en Anglais, veut faire regarder Mahomet comme un Numa & comme un Thes e. J’avoue qu’il faudroit le respecter, si n Prince l gitime, ou appell au Gouvernement par le suffrage des siens, il avoit donn des Loix paisibles comme Numa, ou d fendu ses Compatriotes comme on le dit de Thesee. Mais qu’un Marchand de Chameaux excite une s dition dans sa Bourgade; qu’associ quelques malheureux Coracites il leur persuade qu’il s’entretient avec l’Ange Gabriel; qu’il se vante d’avoir t ravi au Ciel, & d’y avoir reÅu une partie de ce Livre inintelligible, qui fait fr mir le Sens-commun chaque page; que pour faire respecter ce Livre il porte dans la Patrie le fer & la fl me; qu’il gorge les peres, qu’il r visse les filles; qu’il donne aux vaincus le choix de sa Religion ou de la mort; c’est assur ment ce que nul homme ne peut excuser, moins qu’il ne soit n Turc, & que la superstition n’ touffe en lui toute lumi re naturelle.“ (**2v–**3v) 6 Saviello kritisiert Voltaire bezüglich des Mahomet massiv. Er fragt, inwieweit die Figur ein Spiegel ihres Autors sei, und attestiert dessen Verständnis von künstlerischer Freiheit „selbst einen fanatischen Zug“; Saviello, Imaginationen, S. 209. 7 Zu England vgl. Dimmock, S. 203 ff.; zu Goethe vgl. Mommsen, Goethe, S. 86. 8 Die Schwärmerey, oder Mahomet der Prophet, Ein Trauerspiel des Herrn von Voltaire. In: Voltaire,

17.1 Zur Vorgeschichte

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Mahomet kommt mit seinem Kriegsbediensteten Omar nach Mecha und will die Stadt erobern, weil sie elementar wichtig für seine Macht in der Region ist. Phanor, der Ratsherr in Mecha ist seinen Ideen gegenüber aufgeschlossener als der Scherif Zopire. Dieser sieht in Mahomet einen Rebellen und in Omar einen Verräter. In einer Schlacht hat er einst Mahomets Kind getötet, woraufhin ihm seine Kinder Seide und Palmire geraubt wurden. Zopire hielt sie für tot, doch sie sind nun Sklaven des Mahomet. Seide und Palmire wissen nicht um ihren Vater und auch nicht um ihre Geschwisterschaft. Sie sind verliebt ineinander. Zopire ist nicht bereit Mecha an Mahomet zu übergeben, auch nicht als dieser ihm seinen Sohn zurückzugeben und seine Tochter zu lieben verspricht. Zopire will Mahomet töten lassen. Es kommt zu einem Komplott, bei dem Seide Zopire umbringen soll. Von starken Zweifeln gerührt, erzählt er sein Vorhaben Zopire. Aus Liebe zu Palmire, die aus Gottesfurcht auf die Tat besteht, ermordet er Zopire. Erst jetzt erfährt er, dass er seinen Vater ermordet hat und dass Palmire seine Schwester ist. Um den Mordverdacht nicht auf Mahomet fallen zu lassen, lässt Omar Seide verhaften und vergiftet ihn. Vor dem Volk soll Mahomet als Beschützer Zopires gelten. Das Volk wurde jedoch über die Hintergründe unterrichtet und zieht nun, unter der Führung Seides, in den Kampf gegen Mahomet. Bevor Seide Mahomet erdolchen kann, wirkt das Gift und er stirbt. Mahomet erklärt dem Volk, dass dies allein Gottes Wille sei. Palmire berichtet dem Volk von der Vergiftung und nimmt sich mit Seides Dolch das Leben. Nach dieser Tat zweifelt Mahomet an der Richtigkeit seines Handelns. Am Ende des Dramas hat Mahomet Gewissensbisse und gesteht, Gott als Instrument für sein Handeln benutzt zu haben und damit letztlich gescheitert zu sein. Er erkennt, dass seine persönliche Wirkung nur auf Schrecken, nicht auf Menschlichkeit gegründet ist. Vom prophetischen Anspruch Mahomets wird im Text Voltaires wenig deutlich. Alles, was er sich vornimmt, hat augenscheinlich niedere, menschliche Beweggründe. Er muss sich ständig Bericht erstatten lassen, seine Vorhersagen treffen im Text nicht zu. Er erscheint hier mehr als hintertriebener Verräter denn als Prophet, ein Mann, von dem sein Gegner Zopire eingangs sagt: „Doch da war Mahomet ein Bürger, und nichts mehr, Ein nichtswürdiger Rebell, ein schlechter Neuerer; Itzund ist er ein Fürst; ein Herrscher und ein Sieger; Prophete zu Medin, zu Mecha ein Betrüger; …“ (4) Mahomet wird von Sechs Schauspiele aus dem Französischen übersetzt, Braunschweig 1748. Das Stück war 1742 mehrfach in Frankreich gedruckt worden: Mahomet, trag die par M. de Voltaire. Repr sent e sur le th atre de la Comedie-Francoise, le 9 aout 1742. Paris, 1742; Mahomet, trag die par M. de Voltaire. Repr sent e sur le th atre de la Comedie-Francoise, le 9 aout 1742, Rouen 1742. Außerdem gab es 1742 und 1743 mehrere Ausgaben in Amsterdam und in Brüssel. Nach dem Skandal um das Stück erschien es erst 1788 wieder in Paris. Neben der genannten deutschen Übersetzung gab es noch weitere deutsche Ausgaben in Wien 1749 und in Leipzig 1768 sowie die spätere Bearbeitung Goethes: Mahomet. Übersetzt und bearbeitet von Johann Wolfgang von Goethe, Tübingen Cotta 1802. Vgl. zu diesem Zusammenhang auch Mommsen, Goethe, S. 47–94.

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17. Voltaire und Marigny in der Übersetzung Lessings

Voltaire als ein Mensch vorgestellt, der nicht sich in Gottes, sondern Gott in seinen Dienst gestellt habe: „GOtt, der zum Weh der Welt mir dienstbar worden ist, Du heilig Instrument von meiner Wut und List, Du, den ich lästerte, du, der mich zittern lehret, Ich fühl, ich bin verdammt, wenn mich die Welt verehret.“ (64) Mahomet wird schließlich die größte Blasphemie zugeschrieben: „Als Gott regier ich nur die Welt, die ich bethört: Wenn man den Menschen merkt, so ist mein Reich zerstöhrt.“ (ebd.) Mommsen bezeichnet Voltaires Trauerspiel als eine „in Dramenform gefasste Schmähschrift, in welcher der Prophet Mahomet für den Aufklärer Voltaire als Folie für seine Absicht herhalten mußte, religiösen Fanatismus jeder Art zu bekämpfen“.9 Man habe allgemein schnell erkannt, dass Voltaire mit Mekka eigentlich Rom meine, auf Betreiben des Kardinals Fleury wurde dieses Stück abgesetzt. Voltaire widmete es 1745 Papst Benedikt XIV. Nach weiteren sechs Jahren kam das Stück wieder auf die Bühne.10 Über die zeitgenössische Rezeption des Stückes lässt sich sicherlich streiten. Deutlich ist, dass Voltaire nicht ohne weiteres auf eine einzige Position in diesen Fragen festgelegt werden kann, wie Monika Walter mit Bezug auf Roland Barthes betont.11 Zu beachten ist mit Ziad Elmarsafy weiterhin, dass sein Mahomet am Ende einer Reihe steht, die sich mit Fanatismus auseinandersetzt: Brutus, Oedipus und La Mort de C sar.12 Wenn das eigentliche Ziel des Stückes, das seit 1748 auch in einer deutschen Fassung vorlag, eine Kritik des Fanatismus und eine Kirchenkritik gewesen sein soll, fragt sich, ob Mahomet von Voltaire in anderem Zusammenhang anders geschildert worden ist, zumal er von der Lektüre der Koranübersetzung George Sales, v. a. aber des Preliminary Discourse dazu sehr nachhaltig beeindruckt gewesen sein soll.13 Sieht man sich auf dem deutschsprachigen Buchmarkt danach um, findet man wenige Jahre später Voltaires Kleinere Historische Schriften in der Übersetzung von Gotthold Ephraim Lessing.

17.2 Lessings Voltaire-Übersetzung von 1752 Lessing hatte ab dem Sommer 1750 Kontakt zu Voltaire in Berlin, der vom preußischen König mit enormem finanziellen Aufwand an seinen Hof geholt worden war.14 Die Ankunft dieses berühmten Dichters, Dramatikers, Histo9 10 11 12

Mommsen, Goethe, S. 80. Vgl. Walter, Islam, S. 364. Ebd. Ziad Elmarsafy, The Enlightenment Qur’an. The Politics of translation and the construction of Islam, Oxford 2009, S. 81. 13 Vgl. Dimmock, Mythologies, 206 mit Verweis auf Elmarsafy, Enlightenment, S. 81 ff. 14 Vgl. zu diesem Abschnitt Hugh Barr Nisbeth, Lessing. Eine Biographie, München 2008, S. 127–133.

17.2 Lessings Voltaire-Übersetzung

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rikers, Kritikers und Philosophen mit dem Ansehen eines Universalgelehrten am 11. Juni 1750 in Berlin war ein gesellschaftliches Großereignis. Sein Drama Mahomet lag, wie oben beschrieben, bereits in deutscher Sprache vor. Lessings erste Übersetzung für Voltaire war allerdings ganz anderer Natur, er übersetzte auf Vermittlung seines Freundes Richier de Louvain, der Privatsekretär bei Voltaire war, Voltaires Gerichtsangelegenheiten in einem für ihn peinlichen Prozess wegen Spekulationsgeschäften. Der König behielt Voltaire zwar in seinen Diensten, soll ihn auch weiterhin als Schriftsteller bewundert, sich aber über seinen Charakter keinerlei Illusionen gemacht haben. Lessing mag es ähnlich gegangen sein. Er verfasste spöttische Epigramme auf Voltaire, übersetzte aber weiterhin kleinere Texte Voltaires. „Von dem Korane und dem Mahomed“ heißt der hier interessierende kurze Beitrag Voltaires. Mit dem Kürzel „L.“ nach der Vorrede versehen, gab Lessing diesen Text unter den Kleineren Historischen Schriften Voltaires zu Michaelis 1751 in deutscher Sprache anonym heraus und er rezensierte das Buch auch gleich selbst in der Berlinischen Privilegirten Zeitung (1751). Die Kleineren Historischen Schriften erschienen in Rostock bei Johann Christian Koppe, allerdings datiert auf 1752.15

17.2.1 Lessings Voltaire-Beschreibung im Vorwort Voltaire wird von Lessing im Vorwort letztlich ambivalent beschrieben. Er habe sich hier „der Welt als einen allgemeinen Geist zeigen wollen“ (a2r). Ermüdet von der Weltweisheit „hat er sich durch die Geschichte mehr zu erholen, als zu beschäfftigen geschienen“ (ebd.). In seinem Leben Karls XII. habe er „überall die theatralische Verschönerung angebracht […], die er nur zu wohl versteht, um die Zuschauer für einen Helden auf der Bühne einzunehmen“ (a2v). Seine anderen historischen Aufsätze seien weniger bekannt, hätten es aber vielleicht mehr verdient, bekannt zu sein. Lessing schreibt keine Anmerkungen zum Text und kommentiert dieses Vorgehen so: An verschiedenen Orten hätte der Uebersetzer Anmerkungen machen können; und wer weiß, ob man es ihm nicht übel nimmt, sie nicht gemacht zu haben? Er würde es wenigstens manchem geschornen Anmerkungsschmierer nicht übel nehmen, wenn er seinem Exempel folgete. (a3v)16

Voltaire könne nicht nur schreiben, er besäße auch, Lessing zitiert hier Alexander Pope, „The last and greatest Art, the Art to blot“ (a4r) – Voltaire würde seine Werke ständig bearbeiten. Lessing habe ein mit der Feder verbessertes Exemplar seiner Werke zu Rate ziehen können, „und wir können 15 Des Herrn von Voltaire Kleinere Historische Schriften. Aus dem Französischen übersetzt. Rostock, verlegts Johann Christian Koppe. 1752. 16 Lessing zielte mit dieser Bemerkung vermutlich auf Gottsched.

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17. Voltaire und Marigny in der Übersetzung Lessings

versichern, daß nichts wichtiges in diesen historischen Aufsätzen dazu gekommen, oder darinne verändert worden ist, welches wir sollten übergangen haben“ (ebd.). Nach dieser Vorrede findet sich als fünfte Abhandlung der kurze Text „Von dem Korane und dem Mahomed“. An der Auswahl der hier übersetzten Stücke hat Voltaire möglicherweise mitgewirkt,17 also auch diesen, bereits in seinen bei Walther in Dresden erschienenen Œuvres enthaltenen Text über Mahomet für die deutsche Übersetzung mit ausgewählt.18

17.2.2 Voltaires Mahomed – ein erhabener und verwegener Marktschreyer Ein „erhabener und verwegener Marktschreyer“ (161) sei Mahomed gewesen, heißt es im ersten Satz dieses Textes. Nach seinem Tod habe man zwar die Himmelsreise aus dem Koran weggelassen, aber etwas vom Mond sei stehengeblieben. „Man kann nicht auf alles Acht haben.“ (162) Der Koran sei „ein Mischmasch, ohne Verbindung, ohne Ordnung, und ohne Kunst“ (ebd.). Ihn als ewig zu bezeichnen sei richtig, denn bei „dem gemeinen Volke muß man allezeit die unglaublichste Partey ergreifen“ (ebd.). Dass Mahomed nicht habe lesen und schreiben können, hält Voltaire für einen Kaufmann, Poeten, Gesetzgeber und Monarchen für unwahrscheinlich. Für die heutigen sei das Buch schlecht, zu seinen Zeiten sei es sehr gut gewesen „und für seine Religion noch besser“ (163). Er habe fast ganz Asien aus der Abgötterei herausgerissen, die Einheit Gottes gelehrt und mit Nachdruck gegen die gepredigt, die ihm andere Götter an die Seite setzten. Wucher sei verboten, Almosen nachdrücklich empfohlen und das Gebet sei notwendig. Die „Ergebung in den göttlichen Willen, und die von Ewigkeit gefaßten Schlüsse sind die großen Triebfedern von allem“ (ebd.). Alte Gebräuche und Gedanken der Araber habe Mahomed beibehalten. Das sinnlich beschriebene Paradies werde „bey weitem dem Vergnügen des Anschauens des höchsten Wesens nicht gleich kommen“ (164). Mahomed sei so bescheiden zu bekennen, dass er nur durch den Willen Gottes und nicht nach eigenem Verdienst in das Paradies kommen werde. „Und zu Folge eben dieses bloß göttlichen Willens verordnete er auch, daß allezeit der fünfte Theil des gemachten Raubes für die Propheten seyn solle.“ (ebd.) Mahomed habe den Wein verboten und nach der Sitte die Vielehe gestattet. „Mit einem Worte seine bürgerlichen Gesetze sind gut. Seine Lehre ist in demjenigen, worinne sie mit unserer überein kömmt, unvergleichlich; allein die Mittel sind abscheulich; nämlich Betrug und Mord.“ (165) Seine Betrügerei entschuldige man mit den 124 vor ihm von den Arabern gezählten Propheten. 17 Vgl. Jürgen Stenzels Kommentar zur Voltaire-Übersetzung in: Gotthold Ephraim Lessing, Werke und Briefe in zwölf Bänden. Hg. v. Wilfried Barner u. a., Bd. 2, Werke 1751–1753, S. 926. Im Folgenden wird diese Ausgabe als „B“ abgekürzt zitiert (= B 2, S. 926). 18 De l’Alcoran et de Mahomet findet sich in Bd. IV der Œuvres auf den Seiten 449–454, nach dem genannten Theaterstück Le Fanatisme ou Mahomet le Proph te.

17.2 Lessings Voltaire-Übersetzung

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„Die Menschen, saget man, müssen betrogen werden. Allein wie soll man einen Menschen rechtfertigen, der zu uns spricht: Glaube, daß ich mit dem Engel Gabriel gesprochen habe, oder ich tödte dich.“ (Ebd.) Dagegen sei Konfuzius viel vortrefflicher, er sei nämlich der erste, der keine Offenbarung gehabt habe, nur die Vernunft brauchte „und nicht die Lügen und das Schwert“ (166). Wie in der Widmung seines Mahomet an Friedrich II. von Preußen so geht Voltaire auch hier auf Boulainvilliers ein: Der Graf von Boulainvilliers, der für den Mahomed eingenommen war, mag immerhin die Araber herausstreichen. Er kann es doch nicht leugnen, daß es ein räuberisches Volk sey. […] Sie hatten, saget man, die Einfalt der heroischen Zeiten; allein was sind denn die heroischen Jahrhunderte? Es war die Zeit, da man sich um einen Brunnen, oder Wasserbehälter, erwürgte, wie man es heut zu Tage um eine Provinz thut. Die ersten Muselmänner wurden durch den Mahomed mit der Raserey der Enthusiasterey belebt. Nichts ist schrecklicher als ein Volk, welches, weil es nichts zu verlieren hat, zu gleicher Zeit durch den Raub und durch den Geist der Religion angetrieben ficht. (ebd.)

Man bewundere Mahomed dafür, dass er sich vom Kamelhändler zum Hohepriester, Gesetzgeber und Monarchen gemacht habe, Arabien unterworfen und dem römischen und dem persischen Reich die ersten Stöße versetzt habe. Dagegen hält Lessings Voltaire ironisch fest: „Ich bewundere ihn wegen des Friedens, den er in seinem Hause unter den Weibern erhalten hat.“ (167) Mahomed habe Teile Europas, halb Asien und fast ganz Afrika, ja beinahe die ganze Welt verändert. Sein Leben sei sehr umständlich beschrieben worden, alles daran werde als heilig erklärt und bis ins Detail des Besitzes überliefert. Alle Reden seien gesammelt worden. Der deutsche Voltaire fährt fort: „Er sagte, daß der Gebrauch der Weiber ihn zum Gebethe viel brünstiger mache. Warum sollte er nicht eben so wohl im Bette als bey Tische bethen und danken. Eine hübsche Frau ist doch wohl so gut als eine Mahlzeit.“ (168) Und er schließt mit den Worten: „Man behauptet auch, daß er ein großer Arzt gewesen sey; folglich mangelt ihm nichts, die Menschen zu berücken.“ (ebd.) Die zuletzt von Monika Walter ausgesprochene Warnung davor, Voltaire auf ein System festzulegen oder von einzelnen Texten Voltaires auf dessen „Islambild“ zu schließen, soll hier wenigstens noch einmal erwähnt werden.19 Allerdings geht es uns hier nicht um eine Interpretation Voltaires als Autor mit bestimmten Haltungen, sondern um eine Skizze der durch Übersetzung in deutscher Sprache rezipierten Texte Voltaires, nämlich Die Schwärmerey, oder Mahomet der Prophet, Ein Trauerspiel des Herrn von Voltaire und Von dem Korane und dem Mahomed. Die hier vorgestellten Bilder des Propheten sind Äußerungen einer „inneren Widersprüchlichkeit“ Voltaires, die Walter ähn19 Vgl. den Abschnitt über Voltaire in: Monika Walter, Der verschwundene Islam? Für eine andere Kulturgeschichte Westeuropas, Paderborn 2016, S. 362–374, bes. S. 371.

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17. Voltaire und Marigny in der Übersetzung Lessings

lich auch Autoren wie Leibniz, Kant und Herder zuschreibt.20 Ähnlich Abständiges findet sich auch bei Lessing.

17.2.3 Lessing und seine Voltaire-Übersetzung Bleibt die Frage, wer einen solchen ironisierenden Text wie den Von dem Korane und dem Mahomed lesen sollte. Zur Information taugten die wenigen Seiten nicht, die Interpretation teilweise vorausgesetzter Fakten war teils mehrfach ironisch gebrochen, für eine Satire fehlen die Pointen. Voltaire habe nach Lessings Auskunft immer versucht, sich von den Geschichtsschreibern zu unterscheiden: Trockne Tagebücher, welche Kleinigkeiten und wichtige Vorfälle aufzeichnen, die das Gedächtnis füllen wollen, ohne den Geist zu erleuchten, und das Herz zu ordnen, die menschlichen Handlungen beschreiben, ohne die Menschen lehren zu können, sind niemals nach seinem Geschmack gewesen. (a2v)

War die Darstellung des marktschreierischen Betrügers Mahomed, dem von Voltaire in diesem Essay kaum gute Seiten bescheinigt werden, denn nach Lessings Geschmack? Er äußerte sich dazu nicht. Und den Geschmack an Voltaire hat er aus anderen Gründen kurz nach dem Erscheinen seiner Übersetzung verloren.21 Lessing hatte dem Sekretär Voltaires, seinem Freund Richier, beim Kollationieren einer Publikation Voltaires geholfen, die noch nicht erschienen war (Le Si cle de Louis XIV) und dem König vorab zur Verfügung gestellt werden sollte. Er konnte sich dabei ein Exemplar zusammenstellen, mit dem er unvorsichtig umging, so dass Voltaire von dieser Indiskretion erfuhr. Da Lessing plötzlich zur Fortsetzung seiner Studien nach Wittenberg abgereist war, und dieses Exemplar mitgenommen hatte, vermutete Voltaire ein Komplott oder einen Raubdruck, was zur Entlassung Richiers führte und Lessing in Berlin in ein ungünstiges Licht stellte. Voltaire sei, trotz einer ambivalenten Haltung Lessings zu ihm, insofern er als Gelehrter und Dramatiker von Rang zu internationalem Ansehen und Einfluss gekommen war, für Lessing ein Vorbild geblieben, hält Hugh Barr Nisbeth fest: Ähnliche Ambitionen hatte Lessing jetzt selbst, wie sein Verhalten in den nächsten zwei Jahren zeigen sollte. Den größten Teil seiner Zeit in Wittenberg verwandte er darauf, eine Reihe von Studien zu recherchieren und vorzubereiten, die für die Ausgabe seiner gesammelten Schriften gedacht waren, die er zwischen 1753 und 1755 herausbringen sollte.22 20 Walter, Islam, S. 373. 21 Zur Affäre mit Voltaire vgl. Nisbeth, Lessing, S. 127–133. 22 Ebd., S. 133.

17.3 Lessings Marigny-Übersetzung

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Seine Epigramme auf Voltaires Geiz und betrügerische Geschäfte erschienen erst Monate nach dessen unehrenhafter Entlassung durch den preußischen König 1752. Dass Lessing sich nicht zu seiner Voltaire-Übersetzung bekannt hat, erklärt Nisbeth mit der Furcht Lessings, „sein Vater könne Wind davon bekommen“.23 Das ist angesichts der Quellenlage in dieser Frage weit interpretiert, ebenso auch die Aussage, Lessing sei trotz mancher Kritik an Voltaire „überglücklich“ gewesen, „als Voltaire ihn aufforderte oder ihm erlaubte, fünfzehn seiner historischen Essays zu übersetzen“; sowie „Begeisterung und Bewunderung sprechen aus der Vorrede des Übersetzers, der auch stolz mitteilt, daß er in der Lage gewesen sei, neues Material aus Voltaires Randbemerkungen zu den gedruckten Originalen beizubringen“.24 Wenn so emphatisch umschrieben wird, muss es Nisbeth folgerichtig verwundern, dass Lessing sich zu dieser Übersetzung nie bekannte. Lessings Einstellung zu Voltaire sei ambivalent gewesen,25 eine Einstellung zu dem hier übersetzten Mahomed-Text ist m. E. nicht zu erheben. Sie lässt sich u. U. durch weitere, zeitnahe Äußerungen Lessings zu diesem Thema konstruieren, wie sie sich in der Rettung des Hieronymus Cardanus finden (s. u.). Doch zunächst erschien Lessings Übersetzung eines anderen Werkes, das ebenfalls eine MahometCharakteristik enthält.

17.3 Lessings Marigny-Übersetzung 1753 17.3.1 Lessings Verteidigung Marignys gegen Baumgarten In einer weiteren Übersetzung Lessings ging es an zentraler Stelle wiederum um Mahomet, in der Geschichte der Araber unter der Regierung der Califen26 des französischen Abts FranÅois Augier de Marigny (ca. 1690–1762). Die Übersetzung erschien bei Voß in Berlin. Lessing unterzeichnete diesmal mit der pseudonymen Abkürzung: „M.L.A.“. Doch was für ein Buch brachte Lessing hier unter die Leute? Für wen war es gedacht? Lessing meint, Marigny habe dieses Buch nicht geschrieben, „um selbst eine Quelle in der arabischen Geschichte zu werden“ (a3r). Er schrieb nicht, um sein Werk zu einer Vorrathskammer aller chronologischen Widersprüche, aller verschiednen Erzehlungen, aller auch der geringsten Umstände zu machen, mit welchen eine Begebenheit zwar in den Zeitungen, nicht aber in 23 24 25 26

Ebd., S. 130. Ebd., S. 129. Vgl. ebd., S. 133. Des Abts von Marigny Geschichte der Araber unter der Regierung der Califen. Aus dem Französischen. Erster Theil. Berlin und Potsdam bey Christian Friedrich Voß. 1753. Das Original erschien unter dem Titel Histoire des Arabes sous le gouvernement des califes 1750 in Paris.

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17. Voltaire und Marigny in der Übersetzung Lessings

vernünftig geschriebnen Geschichtbüchern, aufgezeichnet wird. Er schrieb nur für die, welche aus der Geschichte jene grosse Veränderungen, die einen Einfluß auf die ganze Welt gehabt, und jene grosse Männer, die diese Veränderungen verursacht, auf eine Art wollen kennen lernen, die nicht nur die Neugierde und das Gedächtniß, sondern auch den Verstand beschäftiget. Er schrieb insbesondere für Leute, welche deßwegen, weil sie keine Gelehrte von Profeßion sind, von Lesung der Bücher, und besonders historischer Schriften, eben nicht wollen ausgeschlossen seyn. Er schrieb für die Jugend, bey welcher man ihr erst das wesentliche bey den wichtigsten Epochen bekant macht. (a3r–a3v)

Lessing lobt nun nicht einfach das für die allgemeine Leserschaft, besonders für die Jugend bestimmte Buch, sondern er verteidigt es gegen eine vernichtende Kritik Baumgartens,27 „welcher sich mit Recht beynahe ein dictatorisches Ansehen in der Geschichte, und in der Beurtheilung ihrer Schriftsteller erworben“ (a4r). Die Quellen seien von Marigny falsch gewichtet worden, hatte Baumgarten kritisiert. Er habe gar keine vollständige Geschichte der Araber vorgelegt, weil viele arabische Reiche fehlten. Zudem seien offensichtliche Fehler im Buch enthalten. All dies widerlegt Lessing und greift wiederum Baumgarten an, der chronologische Tafeln (von Dufresnoy) in deutscher Übersetzung geliefert habe, die vor allem in der Geschichte der Sarazenen besonders viele Fehler hätten. Der Hr. D. Baumgarten muß sie alle wahrgenommen haben, und gleichwohl versichert er uns, daß die Compilation des Dufresnoy schön und nützlich sey. Mit wie viel besserm Grunde wird man, bey einigen unendlich kleinern Fehlern, nicht eben diese Versicherung von gegenwärtiger Geschichte des Abts Marigny geben können? Ich will wünschen, daß der Beyfall der Leser meiner Versicherung nicht widersprechen möge. Das Publicum ist in solchen Sachen immer der beste Richter. (b1r–b1v)

In Bezug auf die Fehler ist Marignys Buch nach Lessings Auskunft also deutlich besser als Baumgartens Veröffentlichung. Den Rezensenten der Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen überzeugte diese Verteidigung nicht. Er gab Baumgarten in der negativen Beurteilung Marignys weiterhin 27 Vgl. Siegmund Jacob Baumgarten, Untersuchung der Frage: Ob Kaiser Carl der Grosse vom Kaliphen Aron Raschid die Herrschaft über Jerusalem erhalten habe? In: Wöchentliche Hallische Anzeigen. XXXIV 1751, S. 570–580; XXXV 1751, S. 586–596; XXXVI 1751, S. 602–616. Marignys Histoire des Arabes wird hier im Haupttext ablehnend erwähnt und es wird in einer sehr ausführlichen Anmerkung in vier Punkten widersprochen, die Lessing allesamt in seinem Vorwort aufgreift (s. o.). Es handle sich mit Marignys vierbändigem Werk um ein schnell ausgearbeitetes Buch. Dieser habe gleichzeitig weitere umfangreiche Werke zusammentragen können, was offenbar nicht für die Qualität der Erarbeitung spreche: „Da seine [Marignys] Arbeit bequem ist, wenigstens einige unserer Landsleute vor dem Vorurtheil und der einreissenden Gewonheit zu warnen, ihre gantze Gelehrsamkeit, oder auch nur Kenntnis der Geschichte, aus Frankreich zu erwarten, ohnerachtet erweislich ist, daß anjetzo an keinem Orte schlechtere Bücher von etwas erheblichem Inhalt ans Licht treten: so wil nur einige Umstände von derselben melden.“ (S. 574 Anm. 1).

17.3 Lessings Marigny-Übersetzung

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Recht: „wir glauben aber doch, daß Hr. D. Baumgarten hierinnen recht behalte, und daß unsere Teutsche Welt der elenden Uebersetzung eines so mittelmäßig gerathenen Französischen Wercks ohne einigen Verlust hätte ermanglen können“.28 Der Rezensent der Freyen Urtheilen und Nachrichten zum Aufnehmen der Wissenschaften und Historie überhaupt scheint dagegen von Lessings Verteidigung überzeugt worden zu sein, da er das Buch positiv und mit Hinweis auf diese Verteidigung vorstellte.29

17.3.2 Marignys Mahomet – Plan, Betrug, Überredungskunst und Gewalt Marigny will laut Vorwort mit diesem Werk nach dem Vorbild von Charles Rollin (1661–1741) und seiner Histoire ancienne30 die Geschichte fortschreiben. Er hat als Leser vor allem die Jugend vor Augen. In seine Geschichte der Araber bezieht er eingangs auch die Geschichte Mahomets ein: Das Leben des Mahomets, des Stifters ihrer Religion und ihres Reichs, ist als ein Eingang zu diesem Werke anzusehen. Ich habe nur einen sehr kurzen Auszug daraus mitgetheilt, welcher aber gleichwohl hinlänglich seyn wird, das grosse Genie dieses besondern Mannes daraus zu erkennen, welcher ohne Erziehung, ohne Wissenschaft, das Volk zu hintergehen und sich einen so beträchtlichen Anhang zu machen gewußt hat, daß er sowohl die Regierungsform, als die Religion seines Landes zu verändern, und sich zugleich zum Könige und Priester seines Volks einzusetzen im Stande war. (b6v)

Mahomet habe ein großes Genie gehabt, sei ein besonderer Mann, der allerdings das Volk hintergangen und sich zum König und Priester selbst eingesetzt habe. Es ist dementsprechend neben der Würdigung auch von „vorgegebene[r] Sendung“ und von „Schwärmerey“ (ebd.) die Rede. Die Lebensbeschreibung Mahomets beginnt mit einem Druckfehler, Mahomet sei „gegen das Ende des sechzehenden [gemeint ist wohl das 6. Jh.] Jahrhunderts gebohren“ (7). Der Vater sei Heide, die Mutter Jüdin gewesen,31 beide Coreischiten und damit von dem Stamm, der die Aufsicht über die Caabah gehabt habe. Es wird beschrieben, wie Mahomet sich bei Cadhige als Han28 Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen. Unter der Aufsicht der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften 71. Stück, 11. Juni 1753, S. 655–656, Zitat S. 656. 29 Freye Urtheile und Nachrichten zum Aufnehmen der Wissenschaften und Historie überhaupt, Band 10, 1753, S. 356–357: „Manche sind in den Geschichten berühmt, und manche sollten es seyn. Die Araber gehören zu den letztern.“ (S. 356). 30 Gemeint ist die Histoire ancienne Charles Rollin (Histoire ancienne des gyptiens, des Carthaginois, des Assyriens, des Babyloniens, des M des et des Perses, des Mac doniens, des Grecs), die von 1730 bis 1738 in dreizehn Bänden erschien. 31 Der Überlieferung, dass die Mutter eine Jüdin gewesen sei, wurde schon Mitte des 17. Jahrhunderts, etwa von David Schuster, widersprochen; zuletzt findet sich diese Kritik im betreffenden Artikel des Zedler, ist also durchaus bekannt (vgl. Kap. 8.1. in diesem Buch).

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17. Voltaire und Marigny in der Übersetzung Lessings

delsreisender bis zur Hochzeit emporgearbeitet habe. „Er setzte den Handel hierauf noch einige Jahre fort, bis er endlich, da er sich im Besitze unendlicher Reichthümer sahe, den allerkühnsten Entschluß faßte, den nur immer eine Privatperson fassen kan. Diesen nehmlich, eine neue Religion zu erdenken, und alle nöthige Maaßregeln zu ihrer Feststellung und Ausbreitung zu nehmen.“ (9) Mahomet sei in seinen letzten Jahren auf diese Idee gekommen, als er nach Syrien, Judäa und in andere Länder kam und dort das durch Ketzereyen verstellte Christentum der Arrianer, Nestorianer oder Manichäer [!] kennengelernt habe. Mahomet machte sowohl mit den einen, als mit den anderen Freundschaft. Er machte sich das Vergnügen, sich mit ihnen oft zu unterhalten, und bekam ihre Lehrsätze und ihre Gründe, warum sie sich von den Katholicken trennten, vollkommen inne. Alles dies brachte ihn ganz unvermerkt auf ein neues Lehrgebäude der Religion, dem er sich ganz und gar überließ, nachdem er seinen Handel aufgegeben hatte. (10)

Mahomet erscheint hier also als Erforscher der zeitgenössischen Christen und ihrer Gründe, sich von den Catholicken zu trennen. Diese Kenntnis innerchristlicher Streitigkeiten ist es nach Marigny, die Mahomet auf seine neue Religion gebracht habe, und zwar „ganz unvermerkt“. Die Araber habe er gut gekannt, ihr lebhaftes Temperament, ihre Neugier und das Klima brächten sie dazu „Täuschungen der Schwärmerey leicht anzunehmen“ (ebd.), wie man an den verschiedenen Sekten habe sehen können, „bey welchen man eine närrische Vermischung von Juden und Christen aller Arten wahrnahm“ (11). Mahomet wird also als jemand geschildert, der über mehrere Jahre einen Plan ausgearbeitet hatte, den er nun ausführte: Nachdem Mahomet die vornehmsten Puncte des Gottesdienstes, den er einführen wollte, genau überdacht hatte, so machte er die Probe seiner Sendung in seiner eigenen Familie; und weil er wußte, daß keine Religion für wahr gehalten würde, wenn sie sich nicht auf Eingebungen gründete, so fieng er damit an, daß er es seiner Frau überredete, er habe sehr genaue Verbindungen mit dem Himmel. (ebd.)

Dafür habe er außerdem seine Epilepsie genutzt, die er seiner Frau gegenüber als Gunstbezeugungen des Himmels interpretierte. Mahomet betrügt also zuerst seine Frau. Das weiß der Autor dieses Textes. Ob der Betrug allerdings gelang, weiß der Autor offenbar nicht, wenn er – in teilweise wörtlicher Übereinstimmung mit Pierre Bayle32 – schreibt: „Cadhige, ou tromp e, ou seignant de l’Þtre, r pandit par-tout que son mari avoit des inspirations, qu’il 32 Vgl. Pierre Bayle, Art. „Mahomet“. In: Dictionnaire Historique Et Critique, Cinquieme Edition, Revue, Corrig e, Et Augment e. Avec La Vie De L’Auteur Par Mr. Des Maizeaux. Amsterdam/La Haye/Utrecht, 1440, Bd. 2, S. 1971–1972: „Chadighe ou tromp e, ou seignant de l’Þtre, s’en alloit dire de maison en maison que son mari toit Prophete, & par ce moien elle t choit de lui procurer des sectateurs.“

17.3 Lessings Marigny-Übersetzung

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toit Proph te.“33 Lessing übersetzt hier: „Cadhige, welche entweder betrogen war, oder sich stellte, als ob sie es wäre, streute überall aus, ihr Mann habe Eingebungen, und sey ein Prophet.“ (12) Vielleicht betrogen sich also beide Eheleute gegenseitig, allerdings zu einem gemeinsamen Ziel – der Ausbreitung der neuen Lehre. Über familiäre Abhängigkeit hinaus war nach Auskunft dieses Textes auch eine Art Bestechung im Spiel. Die besondere Neuigkeit habe nur in seinem Hause, und „unter Leuten von der niedersten Sorte“ Glauben gefunden, denen „die Freygebigkeit des Mahomets Muth“ gemacht habe: „sie wurden also gar bald die eyfrigsten Jünger dieses neuen Apostels“ und dies vor allem durch „ihre erhitzte Einbildungskraft“ (ebd.). Dieser „unwissende Pöbel“ wuchs mit der Zeit zu einer großen Anhängerschaft, so dass die Obrigkeit in Mekka sich mit dieser „Schwärmerey“ befasste (ebd.). Man habe Mahomet befragen, und im Falle, dass er nicht widerrufen würde „Zeit Lebens in Verwahrung“ (13) halten wollen. Dem habe sich Mahomet durch nächtliche Flucht entzogen. Den Verfolgern sei er entkommen, „indem er nur bey Nacht reisete und sich des Tages in den Höhlen verkroch“ (ebd.). Durch die Verfolgung, die immer den Glauben bestätige, habe „dieser flüchtige Hauffe nunmehr mit weit grösserm Eyfer die Schwärmerey des neuen Propheten“ (ebd.) aufgenommen. Mahomet wird hier als geschickter Gesetzgeber beschrieben, der sich die Situationen zunutze zu machen gewusst habe: „Da er von Natur eine nachdrückliche Beredsamkeit besaß, so hielt er ihnen die allernachdrücklichsten Reden über die Hindernisse, welche die List des bösen Geistes der Ausbreitung der Lehren in den Weg legte, die der Allmächtige ihm durch seinen Engel offenbart habe.“ (14) Die Situation wird hier sehr plastisch und drastisch ausgemalt: Mahomet und einige Anhänger hätten sich vor ihren Verfolgern in Höhlen verkrochen, wo Mahomet die allernachdrücklichsten Reden gehalten habe. Das Feuer seiner Worte brachte die erhitzten Einbildungen vollends in Gluth, da sie ohne dem schon durch die Stille und Dunkelheit der Höhlen, in welche sie ihr vermeinter Religionseyfer [Das ist noch nicht einmal echter Religionseifer!] zu fliehen nöthigte, in Bewegung gebracht waren. Sie weyhten sich all seinem Willen, und schwuren einen feyerlichen Eyd, sich gänzlich für ihn und seine Lehre aufzuopfern. (14)

Die geschilderte Verlaufsgeschichte soll hier nicht gänzlich mitvollzogen werden. Deutlich ist, dass der Text zwar ohne starke Ausdrücke auskommt, in der Sache aber eine extreme und mehrfach verschlungene Betrugshypothese liefert, die erzählerisch stark ausgeschmückt wird. Das ist für die Jugend geschrieben, und vielleicht hat Lessing derartige Passagen vor Augen gehabt, als er sein Lob über dieses Buch verfasste. Der Autor, so hieß es in Lessings 33 Histoire des Arabes sous le Gouvernement des Califes. Par M. l’Abbe’ de Marigny. Time I. A Paris, Chez La veuve Estienne & Fils, rue S. Jacques. Desaint & Saillant, rue S. Jean de Beauvais. Jean-Thomas Herissant, rue S. Jaques. M.DCC.L. Avec Approbation & Privil ge du Roi, S. 13.

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17. Voltaire und Marigny in der Übersetzung Lessings

Vorwort, habe schon durch das gewählte Vorbild Rollin ein gutes Vorurteil auf seiner Seite. Daß er über dieses die Kunst wohl zu erzehlen, und die edle Einfalt in Worten und Ausdrücken, werde in seiner Gewalt gehabt haben, läßt sich schon daraus schließen, weil er ein Franzose ist. Man lasse uns dieser Nation wenigstens den Ruhm nicht streitig machen, daß die allermeisten von ihren Schriften, wann sie schon mit keiner schweren Gelehrsamkeit prahlen, dennoch von einem guten Geschmacke zeigen. (a2v–a3r)34

In Medina habe sich der „Überredungskünstler“ übrigens von seiner rachsüchtigen Seite gezeigt, heißt es weiter im Text Marignys: Die Heftigkeit seiner Weissagungen, und der verführerische und prophetische Ton dieses neuen Bekehrers, zogen ihm gar bald eine so unglaubliche Menge Schüler zu, daß er sich in kurzen in den Stand gesetzt sahe, Trupen unter seinem Gebothe zu haben. Sogleich dachte er darauf die Einwohner von Mecca zu bestraffen, weil sie seine Lehre verachtet und ihn gezwungen hätten seinen Geburthsort so schimpflich zu verlassen. Er bedeckte seine Rache mit dem Mantel der Religion; und dieses war das Mittel, sie desto grausamer auszuüben. Er erklärte sich also gegen seine Schüler, daß er von dem Himmel besonders zur Bekehrung der Araber gesendet sey; da nun diese Völker grösten Theils in die Finsternisse der Abgötterey versenkt wären, so müsse man sie ie eher ie lieber daraus reissen, welches nicht besser geschehen könnte, als wenn man, die Waffen in der Hand, gegen sie los zöge. (15–16)

In diesem Stil werden kriegerische Auseinandersetzungen geschildert. Mahomet erscheint jeweils als hinterlistiger Verführer und Anführer. Im Kampf Gestorbene seien zu Märtyrern erklärt worden: „Artige Märtyrer, Leute, die ihre Sendung durch Stehlen und Rauben ankündigten, und ihre Lehren mit dem Schwerdte in der Hand predigten! Wie unterschieden sind sie von den Märtyrern in den ersten schönen Tagen der Kirche, welche keine andere Waffen, als Predigt, Beyspiel und Ermahnung hatten!“ (18) Die Einnahme Mekkas habe Mahomet nicht genügt, sein Ehrgeiz sei weiter gegangen und er habe ganz Arabien unterworfen. „Dieser neue Vortheil machte ihn noch kühner; er kehrte seine Waffen gegen die arabischen Juden, und beschloß sie gänzlich auszurotten […].“ (20) Nach der Niederlage bei Ohod habe Mahomet die Lehre von der Vorherbestimmung verkündigt: Der Ton und das Aeusserliche des Mahomets, welche noch weit mehr als seine Worte sagten, brachten bey den Mißvergnügten alle Wirkung hervor, die er sich nur davon versprechen konnte. Weit gefehlt, daß sie länger die in der Schlacht gebliebnen hätten beweinen sollen; sie betrachteten sie vielmehr als die wahren Märtyrer des Glaubens, 34 Auch diese Passage ist direkt gegen Baumgarten gerichtet, der anlässlich von Marignys Buch das gerade Gegenteil geschrieben hatte (s. o. Anm.).

17.3 Lessings Marigny-Übersetzung

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und schienen nunmehr weit geneigter als jemals, der Lehre ihres Propheten alles aufzuopfern. (22)

Gegen Ende der Schilderung wird noch einmal ein Bild von Mahomet als Person entworfen: sein Äußeres, sein Durchsetzungsvermögen, sein Mangel an Bildung, seine Beredsamkeit und Überzeugungskraft, seine „Geschicklichkeit, mit welcher er sich der Zeit, der Umstände und besonders des Genies seines Volkes zu bedienen wußte“ (43). Marigny will sein vorgelegtes Portrait nun mit dem Koran belegen: Nichts kan mein Vorgeben mehr beweisen, als das berüchtigte Buch, das in der ganzen Welt unter dem Namen des Koran bekannt ist, welches so viel sagen will als, das Buch, eben so wie wir Christen die Bibel vorzüglicher Weise also nennen. Hier nun, in den Korane sieht man, daß Mahomet, ohngeachet der wunderlichen Vermischung abgeschmakter Fabeln und grosser Wahrheiten, beständig seine Absicht zu erreichen geschickt war. Er wußte wohl, daß in jeder andrer Gegend dieser Mischmasch wenig Fortgang haben, und er Gegentheils bey allen gesetzten Leuten von Ueberlegung für einen Betrieger gelten würde; er war aber derjenigen allzu gewiß, unter welchen er lehrte. Er hatte ihre Einbildungskraft erschüttert und eingenommen, und also schien ihnen alles an ihm gut zu seyn, und seine Ausschweifungen selbst wurden von diesen Schwärmern mit Ehrfurcht betrachtet. Es waren zwar wichtige Dinge genug darunter, die es wohl verdienten, daß man sich darüber ärgerte; doch der Prophet wußte dem Uebel bald abzuhelffen: er fügte ein neues Kapitel zu dem Korane hinzu, und auf einmal verschwand das Aergerniß, und seine Verbrechen wurden zu Tugenden. (44–45)35

Marigny bringt dafür als Beispiele, wie Mahomet zu seiner Frau Zainab und wie er zu Maria gekommen sei sowie entsprechende Koranstellen (Sure 17, Sure 33). Aus diesen Beispielen könne man sehen, was der Koran für ein Buch sei. „In der That, man wird weder Grundsätze, noch Verbindung, noch Lehrgebäude, dem er etwa gefolgt wäre, darinne antreffen. Die meisten Vorschriften, die er enthält, sind, so zu reden, nur von einem Tage zum andern gemacht worden, wie es Zeit und Umstände erfordert haben.“ (47–48) Doch es gibt auch Lob: 35 Vgl. Marigny, Histoire, S. 48–49. Lessing bleibt in seiner Übersetzung nicht immer ganz wörtlich am Original, „fables“ werden bei ihm zu „abgeschmakte[n] Fabeln“, „gens de sang froid & capables de r flexions“ zu „gesetzten Leuten von Ueberlegung“; der „imposteur“ bleibt allerdings ein „Betrieger“. Der gesamte Absatz hat im Original folgenden Wortlaut: „Rien ne prouve mieux ci que savance, que ce Livre si fameux, connu par toute la terre sous le nom d’Alcoran, c’est- -dire le Livre par excellence, telle qu’est la Bible chez les Chr tiens. C’est-la, c’est dans l’Alcoran, qu’ travers un mÞlange singulier de contradictions, de fables & de grandes v rit s, on voit que Mahomet marchoit toujours galement son but. Il savoit bien que dans tout autre climat, ce bisarre assemblage n’auroit point eu de succ s, & qu’au contraire il auroit surement pass pour imposteur chez des gens de sang froid & capables de r flexions; mais il toit s r de ceux chez qui il dogmatisoit.“

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17. Voltaire und Marigny in der Übersetzung Lessings

Mitten unter den kindischen Erzehlungen aber, mitten unter den fabelhaften Wundern und schwärmerischen Erscheinungen, womit dieses Buch angefüllet ist, entdeckt man doch zugleich erhabne Wahrheiten, die mit einem erstaunungswürdigen Nachdrucke vorgetragen werden. Was das göttliche Wesen und seine Eigenschaften anbelangt, das ist darinne auf eine eben so edle als genaue Art abgehandelt: desgleichen auch die Liebe des Nechsten und verschiedne moralische Tugenden, wovon die Begriffe und Erklärungen mit vieler Einsicht und Genauigkeit auseinander gesetzt sind. (48)

Und nach dem Lob gibt es wieder Tadel: Mahomet brachte mehr als 20 Jahre zu, diese wunderliche Sammlung zusammen zu schreiben, welche wirklich an sich selbst ein beständiges Galimathias, ohne Ordnung, ohne Methode, ohne Verbindung ist. Der meiste Theil der Lehrsätze sind Ketzereyen, die er von dem Arius, Nestorius, Sabellius und andern geborgt hat. Dieses war die Frucht des Umganges, den Mahomet, wie ich schon gesagt habe, mit den Lehrern der verschiednen Secten, die damals in den Morgenländern zerstreut waren, gehabt hatte. (ebd.)

Mahomet habe anfangs einen Juden, später einen christlichen Mönch („Bahira“ oder „Sergius“) als Helfer gehabt. Und die besten Partien des Koran stammten gar nicht von Mahomet: „Auch wurden noch einige andre Lehrer zu dieser Arbeit genommen, um ihrer Sorgfalt, ohne Zweifel, hat Mahomet die vornehmsten Züge der Theologie und Moral, die in dem Korane enthalten sind, zu danken.“ (49) Als die beiden Grundartikel des Koran und der ganzen Lehre gibt Marigny übrigens die Lehre von der Vorherbestimmung aller Dinge und den Verzicht auf Wunderwerke sowie auf Streit und Widerspruch bei der Annahme der Religion; „folglich ist es erlaubt, einen jeden zu tödten, der sich sie anzunehmen weigert, und man macht sich des Paradieses würdig, wenn man die Ungläubigen umbringt; eben wie man die Martyrerkrone verdient, wenn man den Waffen der Feinde der mahometanischen Lehre unterliegen muß.“ (Ebd.) Aus diesen Gründen seien Mahomet und seine Nachfolger so erfolgreich gewesen. Nur durch seine Lehre hätte Mahomet niemals Anhänger bekommen können. Sie würde ihm nur sehr wenig geholfen haben, wann er nicht vor allen Dingen die seltene Gabe besessen hätte, welche Häuptern einer Parthey so unentbehrlich ist, nehmlich die erhabene Kunst, die Gemüther zu lenken. Dieser aber muß er wohl in einem sehr vollkommenen Grade mächtig gewesen seyn, da er sich, ohngeachtet des Aergernisses, welches seine unordentliche Leidenschaft für das Frauenzimmer verursachen mußte, gleichwohl eine so beträchtliche Menge Anhänger verschafft hat. (50)

Seine zahlreichen Tugenden seien durch dieses Laster jedoch „entsetzlich verstellet“ (51) worden. Und dennoch habe dieses Laster seiner Lehre nicht geschadet. Im Anschluss an diese Charakterskizze wird erörtert, wie viele

17.3 Lessings Marigny-Übersetzung

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Frauen Mahomet gehabt habe. Sicher sei, es seien mehr als die im Koran erlaubten vier gewesen. Dieses Thema leitet dann zur Frage der Nachfahren und der Nachfolge über, mit der die Zeit der Kalifen, der eigentliche Gegenstand des gesamten Werks, eingeleitet wird. 17.3.3 Lessing und seine Übersetzung Der Text Marignys ist fast durchgängig eine mit literarischen Mitteln entwickelte Charakterskizze Mahomets, die Mahomet viele Motive und Überlegungen zuschreibt. Er wird hier insgesamt immer wieder als ein begabter Betrüger beschrieben, auch wenn die Worte „Betrieger“ und „betrogen“ im Text nur einmal vorkommen. Dieses von Lessing übersetzte und im Vorwort gegen Baumgarten verteidigte Werk ist trotz eines in der Wortwahl eher moderaten Tons in der Sache durch ein Mahomet-Bild eingeleitet, das eine höchst verwickelte Betrugsgeschichte enthält: Mahomet habe frühzeitig einen Plan gehabt und seine Frau mit vorgegebenen Offenbarungen betrogen. Vielleicht habe diese den Betrug sogar wissentlich mitgemacht. Mahomet habe seine Anhänger durch Bestechung aus den Armen rekrutiert und seine Gabe, die Gemüter zu lenken, eigennützig eingesetzt. Andernorts – so habe er gewusst – wäre er als Betrüger enttarnt worden, der Araber sei er sich aber sicher gewesen. Den Koran habe er mit Hilfe anderer verfasst und die besten Teile seien gar nicht von ihm. Seine Leidenschaft für die Frauen habe die ebenfalls vorhandenen Tugenden Mohammeds entstellt. Seine Ausschweifungen habe er durch vermeintliche Offenbarungen seinen Landsleuten gegenüber in Tugenden verwandelt. Dieses negative Mahomet-Bild findet sich am Anfang der von Lessing übersetzten Geschichte der Araber. Wie auch die Übersetzung von Voltaires kurzem Essay über den Koran und Mahomed, will dieser Text noch nicht einmal in die Vorgeschichte des für das Toleranz-Thema bekannten Autors Gotthold Ephraim Lessing passen. Und doch hat Lessing diese Texte übersetzt und veröffentlichen lassen und damit dazu beigetragen, negative Bilder von Mahomet und seiner Religion fortzuschreiben. Anders verhält es sich mit Lessings Rettung des Hieronymus Cardanus.

18. Lessings „Rettung“: Mahomets vernünftige Religion (1754) 18.1 Lessings Rettung des Hier. Cardanus Nachdem Lessing 1751/52 und 1753 durch seine Übersetzungen Voltaires und Marignys ein Mohammed-Bild verbreitet hatte, das diesen als Marktschreier und Betrüger dargestellt hatte, setzte er in einer seiner „Rettungen“ einen anderen Akzent. In der Perspektive einer Rekonstruktion der Positionen Lessings wird man in diesem Text ein Zeugnis finden, das Karl-Josef Kuschel als „Paradigmenwechsel“ beschreibt.1 Der Blick auf die öffentliche Debatte kann Lessings Übersetzungen jedoch nicht übersehen, die sich mit der Rettung des Hieronymus Cardanus oder mit dem Nathan nicht harmonisieren lassen. Einen weiteren Akzent wird Lessing später mit der Herausgabe der Fragmente setzen.2 Vor allem das zweite der 1777 publizierten Fragmente provoziert Gegenschriften, die für das Mahomet-Bild von großer Bedeutung sind (s. u.). Lessings Rettung des Cardanus ist vermutlich ungefähr zeitgleich mit seiner Übersetzung Voltaires und Marignys in Wittenberg entstanden. Eine spätere Bearbeitung ist allerdings nicht ausgeschlossen.3 Auch mit diesem Text popularisierte Lessing Wissen bzw. gelehrte Auseinandersetzung und gab ihr die besondere literarische Form der „Rettung“. Drei seiner Rettungen veröffentlichte er 1754 im dritten Teil seiner Schriften.4 Der hier interessierende Text über Geronimo Cardano (1501–1576) enthält zwar keine Biographie oder direkte Einschätzung der Person Mahomets, aber eine den oben betrachteten Übersetzungen völlig widersprechende Perspektive und Positionierung. In seine Auseinandersetzung mit der Religionsauffassung des Hieronymus Cardanus, dem vielfach Atheismus vorgeworfen worden war, schaltet Lessing fiktive Reden eines Juden und eines „Mahome1 Vgl. Kuschel, Streit, S. 103: „Wir greifen geschichtlich hier zum ersten mal in der deutschen Literatur einen Paradigmenwechsel in der Grundeinschätzung des Islam, der die Moderne von Mittelalter und Reformation unterscheidet. War für Luther der Koran deshalb verwerflich, weil er nur ein Dokument der selbstmächtigen menschlichen Vernunft ist, ist der Koran für Lessing (erkennbar trotz aller Tarnung im ,Cardanus‘) gerade deshalb ein glaubwürdiges Buch, weil er der Vernunft nichts Widervernünftiges zumutet.“ Vgl. dazu auch Horsch, Rationalität, S. 16. 2 Vgl. dazu Dietrich Klein, An der Wiege der islamischen Vernunft. Asˇ-Sˇahrastanis Bericht über die Mu’taziliten und seine protestantischen Deutungen. In: Jörg Lauster/ Bernd Oberdorfer, Der Gott der Vernunft. Protestantismus und vernünftiger Gottesgedanke, Tübingen 2009, S. 147–168. 3 Vgl. dazu den Kommentar in B 3, S. 999–1000. 4 G.E. Leßings Schriften. Dritter Teil, Berlin 1754.

18.1 Lessings Rettung des Hier

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taners“ ein. Cardanus hatte Christentum, Heidentum, Judentum und die Religion Mahomets verglichen. Ihm war vorgeworfen worden, den Zufall über die Wahrheit der einen oder anderen Religion entscheiden lassen zu wollen. Lessing zeigt anhand der Übersetzung einiger Passagen, dass Cardanus die Religionen zwar vergleiche, das Christentum in diesem Vergleich aber klar bevorzuge. Die Wahrheit des Christentums habe Cardanus nicht etwa geschwächt, sondern vielmehr gestärkt. Die jeweilige Gegenseite habe er dagegen aber zu schwach geschildert: „Ich behaupte also, er sei mit keiner einzigen Religion aufrichtig verfahren, als mit der christlichen; die übrigen alle hat er mit den allerschlechtesten Gründen unterstützt, und mit noch schlechtern widerlegt.“ (212) Die „heidnische“ Religion übergeht Lessing hier, der jüdischen widmet er sich knapp mit der fiktiven Rede eines „Israeliten“. Sein Augenmerk liegt vor allem darauf, zu zeigen, wie schlecht Cardanus die Religion Mahomets gezeichnet habe. Zunächst entschuldigt er den Autor: „Die Nachrichten, die man zu seinen Zeiten, von dem Mahomet und dessen Lehren hatte, waren sehr unzulänglich, und mit tausend Lügen vermengt, welche die christlichen Polemici desto lieber für Wahrheiten annahmen, je ein leichtres Spiel sie dadurch erhielten.“ (214) Erst durch die Arbeiten Relands und Sales habe man „eine aufrichtige Kenntnis davon erhalten“ (ebd.). Hier bezieht Lessing nun entschieden eine Position, die sich auch gegen die von ihm übersetzten Autoren Voltaire und Marigny richtet. Aus den Schriften Relands und Sales habe man nämlich „am meisten erkannt, daß Mahomet eben kein so unsinniger Betrieger, und seine Religion eben kein bloßes Gewebe übel an einander hangender Ungereimtheiten und Verfälschungen sei“ (ebd.). Literarische Gestalt gewinnt diese Position in einer Rede, die „ein Muselmann, der eben der gelehrteste nicht zu sein braucht“ (ebd.), dem Cardanus hält. Man sehe, so setzt diese Rede ein, dass der Christ Cardanus nicht die Religionen vergleichen, sondern das Christentum triumphieren lassen wollte. Ein Vergleich sei eigentlich so nicht möglich. Man könne „die Lehren unseres Mahomets“ nicht mit dem unvernünftigen „Wirrwar von Sätzen“, die die Religion der Heiden, der Juden und der Christen ausmache, „in eine Classe“ setzen (ebd.). Alle diese stützten sich auf unbeweisbare höhere Offenbarungen, die sie selbst Geheimnisse nennen würden. Diese Geheimnisse erzeugten die allersinnlichsten Begriffe vom Göttlichen, hinderten das Volk an wahrer Gottesverehrung, verführten zu unfruchtbaren Betrachtungen und zur „Verehrung heiliger Hirngespinster“ (215). Wie solle der Redner denn die Augen öffnen, wenn es selbst dem Propheten nur zum Teil gelungen sei? „Wirf einen Blick auf sein Gesetz! Was findest du darinne, das nicht mit der allerstrengsten Vernunft übereinkomme? Wir glauben einen einigen Gott: wir glauben eine zukünftige Strafe und Belohnung, deren eine uns, nach Maßgebung unserer Taten, gewiß treffen wird.“ (Ebd.) Lessing beschreibt die Religion Mahomets somit als vernünftige Religion ohne Zusätze.5 Man müsse 5 Zwanzig Jahre später wird Lessing Reimarus’ Fragmente mit der Betonung der natürlichen

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18. Lessings „Rettung“: Mahomets vernünftige Religion

also die Unzulänglichkeit der Lehrsätze beweisen, lässt er seinen „Muselmann“ fortfahren. Man müsse beweisen, dass „der Mensch zu mehr verbunden ist, als Gott zu kennen, und tugendhaft zu sein“ (ebd.) Die Unvernunft, die üblicherweise als Vorwurf an Mahomet oder den Koran gerichtet wird, erscheint hier als Unvernunft des Christentums: „Schwatze nicht von Wundern, wann du das Christentum über uns erheben willst. Mahomet hat niemals dergleichen tun wollen; und hat er es denn auch nötig gehabt? Nur der braucht Wunder zu tun, welcher unbegreifliche Dinge zu überreden hat, um das Unbegreifliche mit dem andern, wahrscheinlich zu machen.“ (Ebd.). Der Wunderbeweis des Christen ist unvernünftig, heißt dies, und die Vernunft steht auf der Seite Mahomets, der keine Wunder brauche, der nichts als Lehren vorträgt, deren Probierstein ein jeder bei sich führet. Wann einer aufstehet, und sagt: ich bin der Sohn Gottes; so ist es billig, daß man ihm zuruft: tue etwas, was ein solcher nur allein tun könnte! Aber wenn ein andrer sagt: es ist nur ein Gott, und ich bin sein Prophet; das ist, ich bin derjenige, der sich bestimmt zu sein fühlet, seine Einheit gegen euch, die ihr ihn verkennet, zu retten; was sind da für Wunder nötig? (215–216)

Auch der Vorwurf der Tyrannei trifft hier den Christen und nicht Mahomet. Wer Unbegreifliches verkünde und den Glauben daran mit dem Schwert erzwinge, der sei „der verabscheuungswürdigste Tyrann, und ein Ungeheuer, das den Fluch der ganzen Welt verdienet“. (216) Wer aber die Ehre des Schöpfers rette, Verruchte, die nicht einmal die in der Natur bezeugte Einheit Gottes bekennen wollten, von der Erde vertilge, der sei zwar in den Augen des Christen wohl kein Friedensprophet aber „ein rächendes Werkzeug des Ewigen“ (ebd.). Mahomet und seine Nachfolger hätten kein anderes Bekenntnis gefordert als Wahrheiten, „ohne die sie sich nicht rühmen können, Menschen zu sein“ (ebd.). Bei der Belagerung von Jerusalem habe man das Bekenntnis zum einen Gott, zu seinem Apostel Mahomet, zum Gericht und zur Totenauferweckung gefordert.6 „Nun sprich, verdieneten die zu leben, welche nicht einmal die Einheit Gottes und die Zukunft des Gerichts bekennen wollten?“ (217) Auch hier dreht Lessing die übliche Argumentation um – Bekehrungsunwillige erscheinen als Atheisten. „Stoße dich nicht daran“, lässt er seinen „Muselmann“ sagen, „daß man von ihnen auch verlangte, den Mahomet für Religion im Koran publizieren; vgl. dazu Rehrmann, Ehrenthron, S. 43–45 und u. a. damit den Fragmentenstreit auslösen (vgl. Kap. 24 und 25 in diesem Buch). In seiner Erziehungsschrift, die in diesem Kontext entsteht, stuft er dagegen mit Rückgriff auf Theorien Adam Fergusons den Religionsbegriff dreifach ab und unterscheidet natürliche Religion als anthropologische Anlage von positiven Religionen in der Geschichte und vernünftiger Religion, die beide voraussetzt und sich an beiden vernünftig bildet; vgl. dazu Daniel Cyranka, Natürlich – positiv – vernünftig, Der Religionsbegriff in Lessings Erziehungsschrift. In: Ulrich Kronauer/Wilhelm Kühlmann (Hg.), Aufklärung, Stationen – Konflikte – Prozesse, Eutin 2007, S. 39–61. 6 Lessing zitiert hier aus Simon Ockleys History.

18.1 Lessings Rettung des Hier

369

einen Gesandten Gottes zu erklären. Diese Clausel mußte beigefügt werden, um zu ersehen, ob sie auch die Einheit Gottes recht eigentlich annehmen wollten; denn auch ihr behauptet sie anzunehmen, aber wir kennen euch!“ (Ebd.) Schließlich muss Lessings „Muselmann“ darüber lachen, dass man meine, er verstünde die sinnlichen Paradiesvorstellungen buchstäblich: „Sage mir doch, wenn ich euern Koran recht gelesen habe, versteht ihr die Beschreibung eures himmlischen Jerusalems auch nach dem Buchstaben?“ (Ebd.). Diese Rede des „Muselmann“ lässt sich nicht nur als kunstvolle Entlastung Cardanos vom Atheismusvorwurf, als Rettung des Hieronymus Cardanus lesen, sondern durchaus auch als Gegenentwurf zu den von Lessing zeitnah übersetzten Texten von Voltaire und von Marigny, in denen Mahomet als Betrüger dargestellt wird (s. o.). Und noch mehr: Lessing bezeichnete sein Vorgehen in der Rettung des Cardanus als eine Fortsetzung Bayles: „Man wird es als einen guten Zusatz zu dem Artikel ansehen können, welchen Bayle, in seinem critischen Wörterbuche, von diesem Gelehrten gemacht hat.“ (199) Lessing soll Wert darauf gelegt haben, als eine Art Bayle-Nachfolger erkannt zu werden.7 Die beschriebene Rede des „Muselmann“ liest sich allerdings in ihrer Grundausrichtung wie ein Anti-Bayle. In Anlehnung an die Formulierung Lessings lässt sich über seinen Umgang mit Mahomet bzw. seiner Religion durchaus Folgendes behaupten: „Man wird es als einen guten Gegensatz zu dem Artikel ansehen können, welchen Bayle, in seinem critischen Wörterbuche, von diesem Propheten gemacht hat.“ Neben damaliger historischer Sachkenntnis war der (inzwischen von Gottsched auch in deutscher Fassung vorgelegte) Artikel „Mahomet“ von Bayle stark durch den Betrugsvorwurf an Mohammed geprägt.8 Lessing wendet sich somit implizit, bzw. in der Sache gegen Bayle, Voltaire und Marigny, gegen eine Mehrheitsmeinung auch unter sogenannten Aufklärern. Er bezieht sich dagegen explizit positiv auf Reland, auf Sale und lässt seinen „Muselmann“ aus Ockleys History zitieren.9 Bemerkenswert ist, dass Lessing seine Rettung mit einer Konfessionspolemik schließt: Diese Beschuldigung des Cardans, welche ich hoffentlich unwidersprechlich zu Schanden gemacht, haben unsere Litteratores aus den Händen der Katholiken […]. Ich will ihnen raten, dass sie alles, was sie diesen Glaubensgenossen abborgen, vorher wohl untersuchen, ehe sie mit ihnen gemeinschaftliche Sache machen. Diese Herren haben oft besondre Ursachen, dem und jenem Verfasser einen Schandfleck anzuhängen, welche bei uns wegfallen. Cardanus zum Exempel läßt die Vielheit der Götter 7 Vgl. dazu den Kommentar in B 3, S. 1006–1007. 8 Horsch, Rationalität, S. 39: „Im Gegensatz zu Bayle, der in seinem Dictionnaire betont sachlich vorgeht, verwendet Lessing einen emotionsgeladenen Stil, der ,Aggressivität’ und ,polemischen Ehrgeiz‘ (Stenzel, B II, S. 727, 729) erkennen lässt.“ Im Hinblick auf das Mohammed-Bild beider Autoren ist allerdings das genaue Gegenteil zu verzeichnen! 9 Vgl. B 3, S. 216–217.

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18. Lessings „Rettung“: Mahomets vernünftige Religion

in der streitigen Stelle, auf eben die Art verteidigen, wie sie die Heiligen zu verteidigen pflegen, dergleichen er auch den Mahometanern beilegt. Sollte dies die Katholiken nicht etwa weit mehr verdrossen haben, als andere? Allein sie waren vielleicht zu klug, um nicht einen andern Vorwand zu suchen. Ich bitte dieses zu überlegen. (223)

Lessings eigenständige Auseinandersetzung mit dem Thema in der Rettung des Cardanus steht in Kontrast zu seinen Übersetzungen; seine Beiträge sind in dieser Hinsicht ambivalent. Deutlich ist aber, dass Lessing hier am zeitgenössischen Religionsthema interessiert und orientiert ist, das er mit Blick auf Mahometaner und auf römische Katholiken erwägt.

18.2 Lessing, Voltaire und Bayle Wie verhält sich Lessings Rettung zu den von ihm übersetzten Texten und zu weiteren zeitgenössischen Positionierungen? Silvia Horsch meint: Vergleicht man […] die Darstellung des Islam aus der Rettung des Cardanus mit der Sales, Relands, Voltaires und Marignys, wird deutlich, dass Lessing seinen Quellen das entnimmt, was seiner Zielsetzung entspricht: Mit Sale betont er den konsequenten Monotheismus des Islam und Relands Informationen zieht er zur Widerlegung von Vorurteilen heran. Aufklärung über den Islam hat bei ihm jedoch niemals den Zweck der Mission (wie bei Reland und Sale), sondern dient im Gegenteil dazu, der eigenen Religion einen kritischen Spiegel vor zu halten. Im Gegensatz zu Voltaire, der den Islam negativ darstellt, um den Fanatismus aller Religionen anzuprangern, betont Lessing positive Elemente der fremden Religion, um auf problematische Aspekte der eigenen hinzuweisen. Entgegen aller Quellen enthält sich Lessing jedes Hinweises darauf, dass es sich beim Islam um eine ,falsche’ Religion handele. Denkt man an die beiden zuvor beschriebenen Paradigmen – Islam als Schwärmerei und Islam als vernünftige Religion – ist Lessing ein Vertreter der Sicht des Islam als einer vernünftigen Religion und steht damit im Gegensatz zu Voltaire und Marigny.10

Ob man die Texte Voltaires und Marignys, die Lessing übersetzt hat, als seine „Quellen“ bezeichnen soll, scheint mir fraglich zu sein. Wenn man nachweisbare Quellen benennen möchte, dann sind es Reland, Sale und Ockley auf die Lessing verweist. Entscheidend ist aber auch der Hinweis auf Bayle, den Lessing selbst gibt. Aus meiner Sicht geht es hier weniger um die Erhebung von (möglichen) Quellen als vielmehr um den Kontext der Äußerungen Lessings. Dieser scheint mir mit Reland, Sale und Ockley auf der einen, mit Voltaire, Bayle und Marigny auf der anderen Seite klar zu sein. Lessing liefert hier einen – aus der Perspektive einer Aneignung Relands und Sales – ,besseren‘ Text als 10 Horsch, Rationalität, S. 37.

18.2 Lessing, Voltaire und Bayle

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der große Voltaire und der große Bayle dies tun, denen er mit seinen 25 Jahren inhaltlich klar widerspricht. Vielleicht fiel Lessing diese anti-voltairsche Mahomet-Darstellung nach der Affäre in Berlin (s. o.) auch besonders leicht? Vielleicht zeigt er sich hier auch als der ,bessere Voltaire‘11 und der ,bessere Bayle‘?

11 In seiner Schrift Von Adam Neusern kritisiert Lessing jedenfalls viele Jahre später (1774) Voltaires mangelhafte Kenntnisse der Türken und des Koran; vgl. Lessing, Werke, B, XI/2, S. 668, dazu auch Horsch, Rationalität, S. 65 sowie Zahim Mohammed Muslim, Lessing und der Islam. Eine Studie zu Lessings Auseinandersetzung mit dem Islam, Diss. Phil. HU Berlin 2010; (http:// edoc.hu-berlin.de/dissertationen/muslim-zahim-mohammed-2010–06–30/PDF/muslim.pdf; 17. 03. 2017). Auffällig an dieser Studie ist, dass die Gesamtdarstellung nicht nur mit Blick auf Lessing, sondern auch mit Bezug auf Voltaire so angelegt ist, dass die Ambivalenzen verschwinden. Was bleibt, ist jeweils ein positives „Islam“-Bild mit Saladin als Prototyp. Diese – in Deutschland übliche – Betonung des Toleranz-Themas mit Konnex zu Lessing kritisiert Andrea Polaschegg sehr deutlich, aber auch zu Recht: „Den Orientalismus der Aufklärung auf den allzu oft bemühten Begriff der ,Toleranz‘ zu bringen und als Gewährsmann dafür ein ums andre Mal Lessings armen alten Nathan aus seinem wohlverdienten Ruhestand zu reißen und ins Scheinwerferlicht zu scheuchen, erzählt sehr viel von unserem heutigen ,aufgeklärten‘ Selbstbild, zugleich aber sehr wenig vom 18. Jahrhundert. […] Für Lessing stellt die heute so viel beschworene ,Toleranz gegenüber dem Islam‘ ein ebenso wenig aktuelles oder sonderlich interessantes Thema dar wie für den stürmenden und drängenden Goethe […]. Beide Autoren arbeiteten sich an hiesigen, zeitgenössisch virulenten Themen ab – am Verhältnis von Offenbarung, Vernunft und Humanität der eine, an der spannungsreichen Beziehung des genialischen Einzelnen zum Kollektiv der andere. Was den Orient als Schauplatz für diese und zahlreiche andere literarische Projekte der Aufklärungszeit prädestinierte, war die wahrgenommene Strukturanalogie zwischen seinen Gesellschaften und den hiesigen, dank derer nahezu jeder aktuelle Konflikt in den morgenländischen Raum projiziert und dort ausagiert werden konnte. Dynamisiert durch die verbreitete Lust an der Differenz und ihrem epistemologischen Vermögen, formierte sich im 18. Jahrhundert somit ein deutscher Orientalismus, der ebenso ein aufklärungs-spezifisches Gepräge besaß wie er wichtige Leitlinien für die Zeit zwischen 1770 und 1850 vorzeichnete.“ Andrea Polaschegg, Die Regeln der Imagination. Faszinationsgeschichte des deutschen Orientalismus zwischen 1770 und 1850. In: Charias Goer/Michael Hofmann, Der Deutschen Morgenland. Bilder des Orients in der deutschen Literatur und Kultur von 1770 bis 1850, München 2008, S. 13–36, Zitat S. 23 f.

19. Mohammed als Betrüger im Rahmen der Weltgeschichte betrachtet – Siegmund Jacob Baumgarten, Johann Salomo Semler und die Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie (1759) 19.1 Siegmund Jacob Baumgarten und Johann Salomo Semler Siegmund Jacob Baumgarten (1706–1757) lieferte in seinen Nachrichten von einer hallischen Bibliothek einige Informationen zum zeitgenössischen Mahomed-Bild im Stil einer Bücherkunde. Baumgarten gilt als eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Halleschen Universität. Er war zunächst Adjunkt Gotthilf August Franckes (1696–1769), bevor er von 1734 bis zu seinem Tod 1757 ordentlicher Professor an der Theologischen Fakultät in Halle war.1 Zu seinen Schülern zählte neben Johann Melchior Goetze (1717–1786) und Johann Christoph Wöllner (1732–1800) nicht zuletzt Johann Salomo Semler (1725–1791). Baumgarten wird in der Theologiegeschichtsschreibung als „Übergangstheologe“ bezeichnet, insofern er pietistische und wolffianische Ansätze verband.2 Von Interesse ist hier seine Propädeutik bzw. Bücherkunde, weil er sich in diesem Zusammenhang auch zu Biographien über Mahomet/ Mahomed äußerte.3 Weiterhin sind die nach Baumgartens Tod von seinem Schüler Semler fortgesetzte Übersetzung der Universal History (1759) sowie Baumgartens Geschichte der Religionspartheyen (1766) zu beachten.

19.2 Baumgartens Nachrichten von einer hallischen Bibliothek von 1748 Baumgartens Nachrichten von einer hallischen Bibliothek, die großenteils noch zu Studienzeiten Semlers erschienen, und auch einige Beiträge von 1 Zu Baumgartens und auch Semlers Verhältnis zum Institutum Judaicum vgl. Christoph Rymatzki, Hallischer Pietismus und Judenmission. Johann Heinrich Callenbergs Institutum Judaicum und dessen Freundeskreis (1728–1736), Tübingen 2004 (Hallesche Forschungen 11). 2 Vgl. Martin Schloemann, Siegmund Jacob Baumgarten. System und Geschichte in der Theologie des Übergangs zum Neuprotestantismus. Göttingen 1974. 3 Zur Propädeutik vgl. Marianne Schröter, Enzyklopädie und Propädeutik in der Halleschen Tradition. In: PuN 39 (2009), S. 115–147.

19.2 Baumgartens Nachrichten von einer hallischen Bibliothek

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diesem enthalten,4 geben unter anderem einen Einblick in den damaligen Umgang mit Literatur zum Thema Mahomed. Die Monatsschrift war nicht dazu gedacht, die neuesten Bücher anzuzeigen, sondern sie verfolgte eine andere Absicht. Die Nachrichten von einer hallischen Bibliothek sollten – wohl durchaus im Stile der Propädeutik – als eine gelehrte Bücherkunde verwendet werden. So heißt es in der Vorrede: „Da die meisten und besten Monatschriften entweder allein, oder doch hauptsächlich mit Nachrichten von den neuesten Büchern angefüllet sind: so sol diese vornemlich alten Büchern gewidmet seyn. An welchem Hülfsmittel gelerter Bücherkentnis es bisher noch merklich gefelet […].“ (a2v)5 Die Nachrichten seien besonders seltenen, „berümten und merkwürdigen, folglich auch zum theil berüchtigten und seltsamen Büchern bestimmet“ (a3r), aber auch hierzulande unbekannte, ausländische Bücher gehörten dazu. Der Inhalt und die Struktur der Bücher sollten vorgestellt werden, auch wenn Bücher dabei wären, die wegen ihrer Angriffe auf die Religion verboten seien. Dieses Vorgehen diene einem aufklärenden Zweck: Es zeige sich, dass die neuesten Religionsgegner nichts Neues hervorgebracht hätten, vielmehr ihren Vorgängern nicht einmal ebenbürtig seien. Außerdem werde auf diese Weise offenbar, dass in verbotenen Büchern gar nicht so wichtige und unerhörte Dinge ständen, wie manche vorgäben.

19.2.1 Mahomed und der Schwerpunkt ,Orient‘ – Kritik an Boulainvilliers und an Arnold Ein erster und auch wiederkehrender Schwerpunkt dieser Bücherkunde galt Literatur zum Orient. Hier werden auch Bücher vorgestellt, die für die Kenntnis Mahomeds und des Koran von Bedeutung sind.6 Reisebeschreibungen und andere beschreibende Texte fehlen dagegen fast völlig. Bereits der dritte in dieser Bücherkunde besprochene Titel ist die aus Pocockes Handschrift der Bodleian-Library in Oxford stammende, von Jean Gagnier besorgte lateinische Ausgabe von Ismael Abulfedas De vita et rebus gestis Mohammedis, moslemicae religionis auctoris et imperii saracenii fundatoris (Oxford 1723). In der Buchvorstellung wird auf Johann Jakob Reiskes Übersetzung verwiesen, die genauer und richtiger sei und statt auf der Oxforder auf der besseren Leidener Handschrift beruhe. 4 Vgl. ebd., S. 133. Ein Beleg dafür findet sich z. B. in Semlers Vorrede zum 19. Teil der Uebersetzung der Allgemeinen Welthistorie (dort S. 16 Anm. 17). 5 Nachrichten von einer hallischen Bibliothek. Erstes Stück. Halle, bey Johann Justinus Gebauer. 1748. 6 Zu Koranhandschriften, Korandrucken bzw. Übersetzungen vgl. das 4. Stück, April 1748, das 24. Stück, Dezember 1749 und vor allem das 27. Stück, März 1750, in dem neben Handschriften auch die Koranausgaben von Marracci, Bibliander, Schweigger und Sale vorgestellt werden; Abu lFaradsch, Pocockes Specimen und Erpenius folgen im 28. Stück, April 1750.

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19. Die Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie

Als nächstes wird Jean Gagniers La vie de Mahomet (Amsterdam 1732) als erweiterte und populäre Biographie lobend vorgestellt, in deren Vorwort Gagnier sich von Henri de Boulainvilliers’ La vie de Mahomed (s. o.) distanziert habe. Zusammenfassend heißt es über Gagniers Biographie: Wir haben also an dieser Schrift eine aufrichtige Nachricht vom Mahomed, und können sie als eine Arbeit eines Moslem ansehen: indem dieselbe aus dem Alkoran und desselben Auslegungen, aus der Sonna, oder mündlichen Ueberlieferung, aus dem Abu’l-Feda, doch mit Zuziehung Abu’l-Faragji, Elmakins, und anderer arabischer Schriftsteller genommen ist. Und daher kan man sich auch von dieser Lebensbeschreibung eine nicht geringe Erleuterung, so wol der muhammedanischen Geschichte, als ihrer Religion versprechen, weil man daraus ersiehet, wie ihrem Vorgeben nach der Ursprung derselben beschaffen gewesen. (24)

Darum werde es auch niemand befremden, dass Mahomed hier als Prophet und Gesandter Gottes bezeichnet und dass „auch die lächerlichsten Fabeln“ (25 Anm.) mit größter Ernsthaftigkeit geboten würden. Gagnier sei zunächst von einem Londoner Verleger gebeten worden, für Boulainvilliers’ unvollendetes Buch La vie de Mahomed einen abschließenden dritten Teil zu schreiben. Dies sei jedoch wegen der sehr unterschiedlichen Schreibart beider schließlich von einem unbekannten Autor übernommen worden. Das Buch Boulainvilliers’ sei in London 1730, sowie 1731 in Amsterdam erschienen, „weil gotlose Schriften in den Buchläden schneller abgehen als andere und bald unsichtbar werden“ (26–27). Es handele sich um eine Lebensbeschreibung, „welche einem übel ausgedachten Roman änlicher siehet als einer historischen Abhandlung von dem Leben eines Menschen“ (27). Boulainvilliers erscheine in dieser Schrift nicht als Geschichtsschreiber, sondern als ein Lobredner und Romanschreiber; und wer denselben kent, wird die Absicht dieser Schrift leicht erraten. Er war ein Mensch ohne Religion, und ob er sich gleich in dieser Schrift einen Christen nennet, war ihm doch die christliche Religion verhast. Dieser solte durch diese Schrift ein tödtlicher Streich versetzet werden. Er suchte um deswillen den Mahomed zu erheben, und als ein Werkzeug darzustellen, wodurch der falsche Gottesdienst aufgehoben, und der wahre eingefüret worden; damit er die christliche Religion umstürzen, und dem Gespötte anderer aussetzen könne. Wohin zielen anders die Anmerkungen über die muhammedanische Religion und Gebräuche, und über die Mittel wodurch Mahomed ein Prophet geworden? und was braucht man mehr als die christliche Religion mit der muhammedanischen, so wie er sie vorgetragen, oder CHristum mit dem Mahomed, zu vergleichen, wenn man einsehen wil, was Boulainvilliers von beiden gehalten? Wir glauben daher, daß man den Grafen gar nicht beleidiget, wenn man von der gedruckten Schrift, so wie Gagnier von der Handschrift, urtheilet: J’aurois declar , sagt dieser, que la meilleure mani re, de le (MS), mettre en lumi re, c’etoit, de jetter au feu. (29–30)

Dass dieses Buch nun auch noch ins Deutsche übersetzt worden sei, wird hier für überflüssig erklärt, „weil eine geübte Feder“ – wie es hier in Anspielung auf

19.3 Semlers Kommentar und Herausgabe

375

den Titel der deutschen Fassung heißt – „zu nützlichern Arbeiten mit mehrerm Rume und Vortheil hätte können gebraucht werden“ (30). Diese kurz zuvor (1747) in Lemgo bei Meyer erschienene Übersetzung wird in den Nachrichten von einer hallischen Bibliothek als nächstes vorgestellt. Deutlich ist, dass der anonyme Übersetzer – Theodor Arnold, der durchaus Verbindungen nach Halle hatte – bekannt ist und wegen dieser Übersetzung gerügt wird: Da uns die sonst christliche Gemütsfassung des Uebersetzers nicht unbekant ist, so wenig als die geschehene Warnung desselben: so mus man desselben Arbeit als eine Wirkung der jetzigen Uebersetzungssucht unserer Landsleute ansehen, wodurch manche aus Unwissenheit und ermangelndem Besitz besserer vorhandenen ausländischen Bücher, über schlechte, ja gefärliche Schriften geraten, und mit derselben Uebersetzung etwas zu verdienen suchen. (30–31 Anm.)

Zitiert werden distanzierende Bemerkungen Arnolds aus dem Vorwort des Übersetzers, in denen er sich u. a. darüber wundert, wie dieses Buch überhaupt der Inquisition habe entgehen können. Dem gegenüber heißt es in den Nachrichten von einer hallischen Bibliothek: Hat der Graf von B. Dinge behauptet, und zwar in dieser Schrift die der Inquisition würdig sind, warum thut man demselben Unrecht, wenn man ihn hart beurtheilet? Warum nimt aber der Uebersetzer an solchen behaupteten Dingen, durch weitere Bekantmachung derselben, Antheil? und wo ist endlich eine heilige Inquisition in Paris, Londen und Amsterdam? (32 Anm.)

Arnold wird somit widersprüchliches Verhalten vorgeworfen, wenn seine Position so interpretiert wird: „der Graf von B. hat ein guter Christ seyn können, ob gleich seine Schriften das Gegentheil klar genug an den Tag legen“ (33). Einige dieser hier vorgestellten Bücher finden Jahre später – Baumgarten hatte Semler 1753 auf eine Professur von Altdorf wieder nach Halle holen lassen – in einem anderen „Gemeinschaftswerk“ Baumgartens und Semlers Beachtung: der deutschen Fassung der Algemeinen Welthistorie.

19.3 Semlers Kommentar und Herausgabe der Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie von 1759 Baumgarten hatte seit 1744 An universal history from the earliest account of time in 18 Bänden in deutscher Übersetzung herausgegeben: Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie, die in England durch eine Gesellschaft von Gelehrten ausgefertiget worden. Das Buch erschien zwischen 1744 und 1814. Nach Baumgartens Tod 1757 hatte Semler die Aufsicht über das Unternehmen.7 Von 7 Der letzte Band der ersten Serie (Band 18) erschien aus verschiedenen Umständen jedoch später

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19. Die Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie

1759 bis 1766 erschien The modern part of an universal history from the earliest account of time compiled from original writers by the authors of the antient part in London. Der Hallenser Verleger Gebauer reihte dieses Werk auch in die bisherigen 18 Bände der Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie ein und Semler besorgte die ersten beiden Bände (dt. Zählung Bd. 19 und 20) bereits im selben Jahr.8 Es sind nach Semlers Auskunft mehrere Übersetzer gleichzeitig und in Eile mit diesem Werk beschäftigt gewesen.9 Dieser Modern part of an universal history beginnt mit den Arabern zur Zeit Muhammeds und ist deswegen hier von Interesse. Dabei ist besonders das Vorwort Semlers zu beachten, ggf. sind Textabweichungen bzw. Besonderheiten der Übersetzung zu vermerken. Die Historie der neuern Zeiten beginnt mit Muhammed. Bemerkenswert ist, dass für dieses Werk vier Privilegien eingeholt wurden, es also weit verbreitet und urheberrechtlich geschützt werden sollte.

19.3.1 Semlers Umgang mit dem Muhammed/Mohammed-Bild der von ihm herausgegebenen Übersetzung des Modern part of an universal history Semler will an der deutschen Ausgabe „wenigstens dem vorgesetzten Namen nach“ (Vorr. 3) Anteil nehmen. Dass er als Theologe den Auftrag des Verlegers angenommen hat, verteidigt er mit folgenden Worten, die den Nutzen der Geschichte auch für die Theologie unterstreichen: Ich glaube es einzusehen, daß es unmöglich ist, ein geschickter Gottesgelehrter, ein genauer Ausleger, ein treuer und guter Moralist, ein billiger Richter über die verschiedenen theologischen Meinungen und Lehrsätze, ein vorsichtiger Rathgeber in kirchlichen Sachen zu seyn, ohne gute und ausgebreitete Erkentnis der Geschichte der menschlichen Geselschaft, und des verschiedenen Inhalts derselben, in verschiedener Verbindung der Zeit und des Orts, und daher ungleichen Gemütsfassungen der Menschen. (Vorr. 4)

Diese Haltung verteidigt er gegen den Vorwurf der Ehrsucht, mit großen Geschichtswerken prahlen zu wollen. Vor Augen hat er dabei offenbar theologische Gegner, wenn er weiter schreibt: als die ersten beiden Bände der neuen Serie (weitergezählt als Band 19 und 20). Teilweise waren mehrere Übersetzer parallel am Werk (vgl. Semlers Vorrede zu Bd. 19, S. 31). 8 Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie die in England durch eine Geselschaft von Gelehrten ausgefertiget worden. Neunzehnter Theil. Unter Aufsicht und mit einer Vorrede herausgegeben von Johann Salomo Semler der heil. Schrift Doctor und öffentlichem Lehrer, auch des theologischen Seminarii Director auf der königl. preußl. [!] Friedrichsuniversität zu Halle. Mit Röm. Kaiserl. Königl. Poln. und Churfürstl. Sächs. Königl. Preußisch- und Churbrandenburgischen wie auch Schweizerischen Privilegien. Halle, Druck und Verlag Joh. Justinus Gebauers. 1759. 9 Vgl. Semlers Vorrede, S. 31 und 35.

19.3 Semlers Kommentar und Herausgabe

377

Wer diese und ähnliche Geschicklichkeiten sämtlich und mit ihren verschiedenen Stuffen, aus sich selbst, aus noch so frommer Gemütsfassung, und aus so genanter geistlichen Erfarung, oder aus GOttes Wirkungen erwarten und gleiches zu thun andern auflegen und anraten wil, mus folglich andere Einsichten haben; und daß es verschiedene Einsichten giebt und geben mus, weis ich aus der Geschichte, aus welcher ich auch gewiß bin, daß deswegen meine so wenig überhaupt falsch, als jene häufig und gewönlich die richtigsten sind, und daß sie niemand verbinden, als in so fern er ein gleiches in seinen innern und äussern Umständen gegründet findet oder veranlasset. (ebd.)

Semler macht in der Vorrede die in diesem ersten Teil zitierten Bücher wiederum ganz im Stil der Bücherkunde bekannt. Aus Zeitgründen habe er diese Arbeit selbst übernommen. „Ich hatte also Gelegenheit und Veranlassung, mich mit morgenländischen Schriftstellern etwas bekanter zu machen, welcher Vortheil mir sonst auch zu anderer Absicht sehr dienlich seyn mus, wenn ihn nur mir gehörig eigen machen kan.“ (Vorr. 6) Die Geschichte des Morgenlandes sehe ganz anders aus, als noch vor einem Jahrhundert, als in Europa nur wenig arabische Quellen gebraucht werden konnten. Die griechischen und lateinischen Berichte über Muhammed (den Semler, wie die Übersetzer, abwechselnd „Muhammed“ und „Mohammed“ schreibt) und seine Nachfolger seien sehr mangelhaft. In europäischen Bibliotheken (Semler nennt Paris, Oxford, Leiden und Rom) finde sich dem gegenüber eine Vielzahl an Büchern und Nachrichten. Angesichts dieser Fülle müsse man sich wundern, dass man „fremde und unrichtige Gedanken von der muhammedanischen gesamten Geschichte und Gelehrsamkeit oder Erkentnis, gehabt hat“ (Vorr. 8). Semler bezweifelt, dass im Abendland über irgendein Thema so viel geschrieben worden sei wie im Morgenland über „Muhammed, und von dem, was zu seiner aufgebrachten Religion gehöret, auch ihre Vertheidigung, Aufklärung und mystische oder geistliche Vorstellung betrift“ (ebd.). Er widerspricht an dieser Stelle Pierre Bayle10 und wendet Bayles Vorwurf mangelnder Gelehrsamkeit nun nicht mehr gegen die Anhänger Muhammeds, sondern gegen die damaligen Christen, „wenn die Rede ist von den Heiligen, ihren Thaten und Mißionen, oder von Religionskriegen voriger Zeiten“ (Vorr. 8 Anm. 3).

19.3.2 Ein Lob der englischen Verfasser Semler lobt die im vorgelegten Werk von den englischen Verfassern vorgenommene Auswahl aus der unüberschaubaren Literaturmenge als geschmackvoll und fleißig. Sie setze allerdings andere Akzente als etwa Bayle in seiner Sammlung der Überlieferungen dokumentiere. 10 Vgl. Kap. 12 in diesem Buch; Bayle, Artikel „Mahomet“ im Dictionnaire, Anm. P.

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19. Die Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie

So erdichtet übrigens einige Abschnitte dieser Geschichte unleugbar sind, nach unsern Erkentnisgründen: so erheblich wird diese Geschichte für uns, so gar in eben diesen Erdichtungen und Unwahrheiten, daß ich meines Theils gar wol gestehen möchte, daß diese Geschichte für uns und unsre Zeiten noch erheblicher sey, als manche grosse Abschnitte der sonstigen politischen Völkergeschichte. Man könte eine sehr grosse Parallele anstellen, zwischen den abendländischen auch griechischen Geschichtschreibern vom 7ten Jahrhundert an, und zwischen den morgenländischen Schriftstellern, welche die Geschichte des Islam, und folglich auch die politischen Veränderungen dadurch, beschrieben haben. (Vorr. 9)

Die meisten damaligen Geschichtsschreiber hätten „die fast unüberwindliche Neigung zum Wunderbaren und Abentheuerlichen“ (Vorr. 9) gehabt. Es ist die Unvernunft, die der vernünftige Historiker Semler hier anprangert: „Wenn die Unvernunft in Asien, Africa und Europa, sich über einerley Gegenstand herausläst: so wird es überal ein gleiches Meisterstück seyn.“ (Vorr. 9 Anm. 5) Semler lässt eigentlich keine Unterschiede zwischen Morgen- und Abendland gelten, wenn er nun in beide Richtungen austeilt: So sehr wir auf die sichtbaren Listigkeiten des Muhammed ungehalten seyn können, so sehr verdienet es der arglistige römische Hof eben von den Zeiten an; und wenn wir über die vielen ernstlichen und fanatischen Anhänger und feierliche Vertheidiger dieses angeblichen Gesandten Gottes betrübt seyn können, so müssen wir gewis einen eben so grossen Haß wider die Möncherey und diese feierlichen Verfechter der römischen Einrichtungen und Bestimmungen der Religion fassen und behalten. Je gewisser wir voraussetzen und behaupten, daß das vernünftige Nachdenken durchaus der wahren Religion wesentlich sey, und nimmermehr davon getrennet werden dürfe: desto gewisser sind wir vor solchen christlichen Coranen sicher, als die abendländischen Derwische und Sophi ehedem in so reicher Anzal, als ie im Orient, mit schelmischer Andacht den armen fast unvernünftigen Christen zubereitet haben. (Vorr. 9)

Semler bezeichnet Vertreter der römischen Kirche hier als „abendländische Derwische und Sophi“, hat also offenbar von beiden keine positive Vorstellung. 19.3.3 Semlers Bücherkunde Semler erläutert nun mit Hinweis auf Pococke, der ähnlich verfahren sei, alle zitierten Schriften bzw. Schriftsteller in der Reihenfolge ihres Erscheinens. Einige Aspekte zur Beurteilung Muhammeds sollen hier herausgegriffen werden. Immer wieder finden sich antirömische Äußerungen. Nicht die zitierten Schriften und Schriftsteller, nicht die diskutierten Einzelaspekte, sondern Semlers immer wieder durchscheinende Beurteilung Muhammeds ist hier von Interesse. Für Boulainvilliers (und einige andere) verweist Semler auf die Nachrichten

19.3 Semlers Kommentar und Herausgabe

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von einer hallischen Bibliothek. Dort wird Boulainvilliers als unwissenschaftlicher Romanschreiber verrissen (s. o.). Interessant ist auch Semlers Einschätzung von Prideaux. Prideaux sei nicht vollständig und brauchbar genug, weil er zu wenig Hilfsmittel genutzt habe. Die durchgängig von Prideaux betonte Betrugshypothese erwähnt Semler hier gar nicht als eigenes Thema. Er vertritt sie vielmehr selbst: Es ist überhaupt leicht, ihn für einen vorsetzlichen Betrüger, was die vorgegebne Göttlichkeit seines Berufs betrift, zu erkennen; alle Kirchengeschichtschreiber vergessen nicht, wenn sie an seine Zeit kommen, ihn zu beurtheilen; unter welchen Spanheims historischer Vortrag, im 2ten Theil seiner Werke, noch am vorzüglichsten hier zu brauchen ist. (Vorr. 10 Anm. 8)11

Nur über die Mittel, die Muhammed gebraucht habe, werde sehr viel Falsches geschrieben. So gewiß man viel fanatisches in seinen Unternemungen zu finden glauben kan, so überlegt und bedächtig, oder nach den damaligen Umständen eingerichtet ist es alles […]. Da er sich das doppelte grosse Verhältnis nach und nach beigelegt hat, sowohl die oberste gottesdienstliche als auch die oberste weltliche Person zu seyn: so ist der Character selbst leicht aus den einzelnen Zügen zusammen zu setzen, welche damalen, bey so wenigem Widerstand der Vernunft, und geflissentlicher Beobachtung der möglichen Hauptneigung des Volks, vortheilhaft seyn konten. Kurz, die uns bekantere Gestalt eines römischen Bischofs seit dem 7ten Jahrhundert, enthält fast alles das, was Muhammed hatte, ausser der morgenländischen Kleidung und Scene. (ebd.) 11 Dass Semler hier auf Friedrich Spanheims (1632–1701) teilweise Jahrzehnte vor der diskutablen Literatur von Reland, Ockley oder Sale erschienene Opera Omnia (1701–1703) verweist, verwundert; Zu Spanheims Einschätzung Mohammeds vgl. Friderici Spanhemii F.F. Professoris Batavi Primarii Operum tomus secundus. Qui complectitur miscellaneorum ad sacram antiquitatem et ecclesiæ historiam Pertinentium libros decem. Lugduni Batavorum, Apud Cornelium Boutestein, Jordanum Luchtmans, Johannem du Vivi cum Isaaco Severino. MDCCIII. Cum Privilegio D. D. Ordinum Hollandiæ. Z. B. Sp. 1340: „Sed provoco ad testes alios illustres eos ac Paganorum celeberrimos, Suetonios, Tacitos, Plinios, de Christo, discipulis, supplicio quo per Pilatum affectus, exertim scribtitantes; provoco ad impurissimum illum V]maja Muhammedem, cui, mendacissimo cæter homini, vis veritatis hanc confessionem expressit, Christum Sanctum fuisse Prophetam, miraculis clarum Dei nuncium, Apostolum, qui ad veram salutis viam præivit mortalibus, quanquam Filium Dei negarit crassissimus impostor, quod scilicet Deus uxore gignendæ soboli destitutus sit; in subsidium voco Celsos, Julianos, (at quanti Christianorum hostes!) edita Christo supra omnem naturae virtutem opera vel invitos agnoscentes.“. Vgl. auch Sp. 1342: „Muhammedem, fateor, celeritate maxima florentissimas gentes & Ecclesias sub jugum redegisse suum, sed quid mirum videbitur? Aderat vis terrorque gladii quo reluctantes subegit; aderat carnalium voluptatum, ad quas imprimis Orientales, fervente sub sidere, proni, effrænis quædam licentia; in promptu erant præmia, opes, dignitates; accessit omnium de religione controversiarum, ne crassi errores proderentur, eliminatio.“ Der Autor (Semler?) scheint diesen Hinweis auf Spanheim aus dem Gedächtnis zu geben. Die Einschätzung Mohammeds ist klar, aber sehr knapp.

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Mohammed ist – wie seine damaligen und späteren christlichen Gegner – unvernünftig und unaufgeklärt. Er hat nach Semler den Charakter eines römischen Bischofs (seit dem 7. Jh.) und davon setzt sich der vernünftige Historiker Semler hier ab. Allerdings scheint er sich dabei auch selbst zu widersprechen. Einerseits kritisiert er Pierre Bayle: „Es ist übrigens einzuschränken, daß der Verfasser [Bayle] saget, Okley habe alzuvortheilhafte Meinungen gehabt: er fängt so gar seine Geschichte mit den Worten an, Mohammed der grosse Betrüger, und Urheber etc. Was nicht erweislich genug ist, darf man wohl weglassen.“ (Vorr. 18) Andererseits kann er wenige Zeilen weiter selbst schreiben, dass Mohammed ein vorsätzlicher listiger Betrüger gewesen sei. Dies geschieht in einem Kommentar zum Haupttext der Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie. Der Text lautet: Die christlichen Scribenten hingegen, denen man doch am meisten trauen mus, haben den Character dieses Betrügers und seine Lehren auf einer ganz andern Seite vorgestellet. Sie bilden uns ihn als einen Erfinder und Ausbreiter der schandbarsten Lügen ab, als einen Beförderer des abscheulichsten Betrugs, und als den Stifter einer Religion, dadurch alle wahre Heiligkeit und Reinigkeit des Gemütes zu Boden geworfen wird. Ob nun diese Abbildung richtig sey oder nicht, das mögen die Nachrichten von Mohammeds Leben, die uns von den besten Mohammedanischen Scribenten hinterlassen worden, die Lehrsätze des Korans selbst, und die von den Mohammedanern zugestandenen und dem Koran gemässen Grundsätze, von der Zeit ihres vorgeblichen Propheten bis auf den heutigen Tag entscheiden. Wie nun die Warheit oder Unwarheit desjenigen, was die christlichen Scribenten vom Character Mohammeds so wol als von seinen Lehren aufgezeichnet haben, gar leicht und gewis entdecket werden kan; so scheinet es, als ob Herr Sale sich alzu voreilig erkläret hätte, da er nicht blos unter der Hand zu verstehen gegeben, daß man die erwehnte Vorstellung der Partheilichkeit der Christen zuzuschreiben habe, welche wegen der grossen Vortheile, so die Mohammedaner wider sie erhalten, nothwendig einen Abscheu an ihrer Religion gewinnen müssen. Denn dieses siehet einer Vertheidigung des Mohammeds und seines Korans, wo nicht gar einer Entschuldigung und Bemäntelung der Grausamkeiten, die dieses Betrügers Anhänger an den Bekennern der christlichen Religion verübet, ähnlicher, als einer getreuen und zuverläßigen Nachricht von dem wahren Zustande der einen, und Gesinnung der andern Partey. (28)12

Warum man den „christlichen Scribenten“ am meisten trauen könne, erklärt Semler nicht. Er zeigt damit unter den zeitgenössischen Autoren, die das Gegenteil annehmen, allerdings eine Minderheitenposition an, die er kritisiert.

12 Als Quelle wird hier S. 40 des Preliminary Discourse angegeben.

19.3 Semlers Kommentar und Herausgabe

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19.3.4 Semlers Kommentare zum Haupttext des Buches Auf den zitierten Vorwurf der Entschuldigung und Bemäntelung Mohammeds durch George Sale bezieht Semler sich, wenn er in seiner Vorrede als Kommentar zum Haupttext des Werkes schreibt: Die Beurtheilung des Sale, so S. 28 wiederholt wird, ist vielleicht nicht allen Lesern recht. Es ist unleugbar, daß die Christen, die Mönche zumal, viel erdichtet haben, zum Nachtheil des Mohammed, wie es stets fast ein Lehrsatz gewesen, wider alle Ketzer den Vortheil zu gebrauchen, daß man sie schändlich und abscheulich vorstellet. Mohammed bleibt ein vorsetzlicher Betrüger, der seinen Vortheil und Ansehen gesucht, wenn gleich nicht alles das wahr ist, was man von ihm sagt. Es ist in der That falsch, daß man hier den christlichen Schriftstellern am meisten trauen müsse. (Vorr. 18)

Gegenüber Bayle äußert Semler also, dass ein Betrug Mohammeds nicht bewiesen und diese Aussage also wegzulassen sei. In der Verteidigung Sales hält er dagegen fest, auch bei Abzug falscher Nachrichten über Mohammed bleibe dieser ein vorsätzlicher und listiger Betrüger. Es geht offenbar mehr um Bayle und Sale selbst, als um den Betrugsvorwurf gegen Mohammed. George Sale (1697–1736), das ist besonders bemerkenswert, hatte am Plan der Universal History mitgearbeitet und selbst das Kapitel „The Introduction, containing the Cosmogony, or Creation of the World“ verfasst, das Kritiker als feindlich gegen Tradition und Schrift eingestuft haben sollen.13 Hier, im ersten Band der Fortsetzung der Universal History, wird also eine ähnliche Kritik an Sale laut, der Semler klar widerspricht. Semler verlässt mit diesen Bemerkungen über Sale die Ebene der Vorstellung der in der Algemeinen Weltgeschichte zitierten Literatur und beginnt zu kommentieren und zu diskutieren. Diese Eigentümlichkeit seiner Vorrede erklärt er selbst im Anschluss an die kommentierenden Passagen. Offenbar hatte er die ersten, von mehreren anderen Helfern übersetzten Bögen zu spät gelesen. Das ganze Projekt stand wohl unter enormem Zeitdruck. Die Vorrede habe er erst einige Wochen zuvor übernommen und beim Auszeichnen der Quellen aus den bereits gedruckten Bögen habe er Fehler bemerkt, die er korrigieren wollte, erklärt Semler entschuldigend in der Vorrede. Seine Einsprüche gegen einige Einschätzungen des Textes erklärt Semler so:

13 Vgl. Dazu R.A. Davenport, A Sketch of the Life of George Sale. In: The Koran: Commonly called the Alcoran of Mohammed; translated into English immediately from the original Arabic with Explanatory Notes, taken from the most approved Commentators to which is prefixed a Preliminary Discourse. By George Sale, Gent. Fifth Edition, with a Memoir of the Translator, and with various readings and instructive notes from Savary’s version of the Koran, Philadelphia J.B. Lippincott & Co 1870, S. xi–xv.

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Insbesondre habe einige mal dem englischen Verfasser widersprochen, welcher zu weit zu gehen scheinet, und beim Mohammed und seiner Religion durchaus lauter abscheuliche Gründe und Absichten vorziehet. Ich glaube nicht, daß dis die vornehmste oder hinlängliche Pflicht ist, weswegen GOtt diese Religion hat neben uns aufkommen und bisher dauren, auch uns viele arabische Quellen ihrer Geschichte, jetziger Zeit in die Hände kommen lassen. Durch so algemeines Verurtheilen thun wir uns selbst Schaden, indem wir unleugbar ganz edle, vortrefliche Handlungen, eine feste rümlichste Ehrlichkeit, eine strenge Gewissenhaftigkeit unter vielen Stücken dieser mohammedanischen Geschichte antreffen: welche aber folglich allen Eindruck verlieren, und uns weder beschämen noch reitzen können, wenn wir durchgängig lauter abscheuliche Bosheiten voraussetzen. Indes lasse ich gern andern es frey, ganz anders zu urtheilen. (Vorr. 33)

Einige der Kommentare Semlers, die sich bis auf die Seite 132 (von 672) bzw. bis zum § 104 (von 491) des Werkes erstrecken, sollen hier zusammen mit ihren Referenztexten noch erwähnt werden, zeigen sie doch Semlers Auseinandersetzung mit der englischen Mohammed-Darstellung und anderen zeitgenössischen Texten zu diesem Thema an. Dass die Türken als Erbfeinde der Christen bezeichnet würden, bezeichnet Semler als „die gemeine päbstliche Schreibart“ (Vorr. 18–19). Mit dieser falschen Vorstellung habe man die christlichen Könige und Kaiser sehr geschwächt. Auch im Zusammenhang des Themas Polygamie wird im Haupttext (§ 27) George Sales Position angegriffen. Polygamie sei damals zwar üblich gewesen, wie Sale meine, wäre von vielen Arabern aber scharf kritisiert worden. Außerdem sei Mohammed vom nestorianischen Mönch Sergius oder Boheira im Christentum unterwiesen worden und habe also gewusst, „daß die jüdische Haushaltung durch die christliche abgeschaffet worden“ (35) ist und damit auch die jüdische Duldung der Polygamie. In diesem Zusammenhang heißt es: Es werden sich daher unsere Leser nicht darüber wundern, daß wir uns die Freiheit nehmen, unser Misfallen [disapprobation] an dem zu bezeugen, was Herr Sale, seiner ungemeinen Geschicklichkeit in der arabischen Sprache und ausgebreiteten Belesenheit ungeachtet, hievon geschrieben hat. Denn uns dünket, daß eine solche Vorstellung mit der Heiligkeit der Religion, die wir bekennen, nicht bestehen könne, und wir halten uns verpflichtet, dieselbe bey aller Gelegenheit zu vertheidigen. (36)

Diese Distanzierung von Sale wird in der Fußnote (hier im Original zitiert) eingeschränkt: It may not be improper to remark here, that not a single passage is to be met with in that part of the Universal History written by Mr. Sale, which can give the least offence to any of our Christian readers; tho’ we must not take upon us to assert the same thing of his Preliminary Discourse, and some of his notes upon the Kor n.14 14 The Modern Part of an Universal History, From the Earliest Account of Time. Compiled from

19.3 Semlers Kommentar und Herausgabe

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Die deutsche Fassung gibt diesen Text wieder, ergänzt jedoch noch die genaue bibliographische Angabe und setzt dann fort: Die Verfasser des bekanten engländischen Journals: The present state of litterature in the republic of letters, haben im Jahr 1735 Vol. 13 einen Auszug davon mitgetheilet, und sind bey eben der Stelle etwas stehen geblieben, die den Verfassern dieses Theils der algemeinen Welthistorie verdächtig und anstößig vorgekommen. Sonst ist dieses Werk, das vom Herrn Theodor Arnold 1746 in die deutsche Sprache übersetzt worden, mit vieler Gründlichkeit und Einsicht in die arabische Litteratur angefüllet. Und es werden es die Verfasser dieses Lebens Mohammeds wol nicht leugnen, daß sie sich dessen Präliminardiscours wohl zu Nutze gemachet. (36 Anm. S)

In seiner Vorrede, die zum Teil ein Kommentar zu bereits gedruckten, von Semler aber nicht entsprechend bearbeiteten Bogen darstellt, versucht Semler dieser Kritik zu begegnen, die immerhin in einem unter seinem Namen erscheinenden Werk laut wird. Er schreibt: Was das Ende desselben § [27] betrift: so müssen wir zwar die Heiligkeit unsrer Religion kennen, lieben und höchlich vertheidigen, aber wir dürfen bey andern, die nicht Christen sind, nicht schon voraussetzen, daß sie unserm Gewissen und Urtheil, ohnehin folgen müssen. Es gereicht zu grösserer Erbauung und Beschämung der Christen, daß Mohammedaner in der habenden moralisch guten Erkenntnis, viel gewissenhafter und redlicher wandeln, als die meisten Christen, welche die Mohammedaner als die Scheusale des menschlichen Geschlechts, als geschworne Feinde einer guten Moral, und Tyrannen der Christen, ansehen. Uebrigens hatte Muhammed freilich an den damaligen Christen eben keine Muster, so wol in der guten Politik als Moral vor sich; und die morgenländischen alten Gewonheiten, ja gar Vorzüge, Pflichten (wozu jene nach und nach wurden,) der Araber, sehen wir noch aus einem zu engen Gesichtspunct an. (Vorr. 20–21)

Die letzte Aussage belegt Semler mit Zitaten aus Relands De religione Mohammedica (1705), die Kritik an der falschen alten Muhammed-Polemik zum Ausdruck bringen, und er schließt mit der Feststellung: „Es ist gewis, daß GOttes weise Providenz auch bey dieser falschen und sehr schlechten Religion, doch mehr Gutes erreicht hat, als wenn das wirkliche abgöttische Heidentum wäre.“ (21) In moralischer Hinsicht ist Muhammeds Religion nach Semler dem Heidentum und sogar dem damaligen östlichen Christentum überlegen. Sie ist Mittel der göttlichen Vorsehung. Sie ist kein Heidentum. Sie ist allerdings falsch und sehr schlecht. Damit bringt Semler seine eigene Auffassung gegen den Text des Buches zum Ausdruck und hält dazu fest: „Es behält jeder seine Freiheit, hievon selbst zu urtheilen, gleichwie auch vom § 28.“ (Vorr. 21) Original Writers. By the Authors of the Antient Part. Vol. I. London: Printed for S. Richardson, T. Osborne, C. Hitch, A. Millar, John Rivington, S. Crowder, P. Davey and B. Law, T. Longman, and C. Ware. M.DCC.LIX, S. 35, Anm. S.

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19.3.5 Die Diskussion um Sale Dieser eben erwähnte, zu beurteilende Paragraph 28 enthält folgende Aussagen: 1) Der „Islamismus“ sei auf die lasterhaften Begierden besonders der arabischen Heiden ausgerichtet worden und habe sich darum so erstaunlich schnell verbreitet. 2) Die Unvernunft der Menschen sei letztlich schuld daran, „daß sie blos durch einen betrüglichen Eindruck so gar oft zu einem solchen Glauben verleitet werden“ (36). 3) Außerdem hätten wir einen geistlichen Feind, der uns betrüge und verwirre und von der uns bestimmten höchsten Glückseligkeit abzuhalten versuche. 4) „Jedoch, unerachtet der Bosheit und Ungereimtheit der Lehrsätze Mohammeds, vereinigten sich einige andere Umstände, die ihn mächtig machten, und die Ausbreitung seines Betrugs beförderten.“ (ebd.) 4.1) Die Araber seien vom „Zendicismus“ vergiftet gewesen, hätten die Existenz von Engeln und Geistern geleugnet, was auf absoluten Unglauben oder „Atheisterey“ (37) hinauslaufe. 4.2) Die Araber hätten die Vorsehung, die Auferstehung und einen künftigen Zustand verworfen und damit gar keine Religion, „und waren daher, wie D. Prideaux bemerket hat, zubereitet, einen jeglichen Eindruck von GOtt und seiner Verehrung anzunehmen, den ihnen Mohammed mitzutheilen für gut fand“ (ebd.). 4.3) Sale beschreibe die Araber allzu günstig als Leute, die den einen Gott angebetet hätten, von Abgötterei frei gewesen seien und keine der anderen vorhandenen Religionen angenommen hätten. Auch von diesen Aussagen der von ihm herausgegebenen deutschen Fassung der Weltgeschichte hatte Semler sich durch seine oben zitierte Bemerkung distanziert. Jeder solle selbst urteilen. Für sich nimmt er in Anspruch: Die Folgerungen, die wir machen können, gehen uns und unser Verhalten gegen irrige Meinungen an, werden aber nicht deswegen von den Irrenden selbst so leicht eingesehen. Wenn die eigentlich gelehrten theologischen Schriften der Mohammedaner könten von uns gebraucht werden, würden wir dis besser erkennen; aber ihre Scholastici sind noch nicht gebraucht worden. Vielleicht wäre die Ursache noch begreiflicher worden, wenn man dazu gesetzt, daß Mohammed alles vernünftige Untersuchen, dessen was er vorgab, geradehin verboten, gleichwohl aber sich der einfältigen Vorurtheile der Araber zu seinem Zweck bedienet hat. (Vorr. 21)

Auch einem weiteren Vorurteil widerspricht Semler: „Daß die Mohammedaner ihre Religion mit Feuer und Schwert ausbreiten, ist nicht erweislich, wenn es gleich so oft geschrieben wird. La Croze, Bayle und andere haben gründlich widersprochen.“ (21)

19.3 Semlers Kommentar und Herausgabe

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George Sales Preliminary Discourse wird in dieser englischen, von Semler in deutscher Übersetzung herausgegebenen Kompilation vielfach genutzt, seine Interpretationen Mohammeds aber explizit abgelehnt. Die hier vorgenommene Beurteilung Mohammeds kommt Prideaux nahe, der ebenfalls häufig zitiert wird. Eine Einschätzung mag diese grundsätzliche Parteinahme des Textes abschließend belegen: Mohammed sei ein Mann von außerordentlicher Fähigkeit und Geschicklichkeit gewesen, der „sehr wohl verstund, wie er einen jeglichen Vorfall sich zu Nutze machen solte; wenigstens müssen wir ihn uns so vorstellen, wenn wir den muselmannischen Schriftstellern und seinen grossen Bewunderern, dem Graf von Boulainvilliers und Herrn Sale, glauben wollen“ (41). Bewundert wird Mohammed in diesem Text gerade nicht. Er wird vielmehr immer wieder als Betrüger dargestellt. Ein Beispiel mag genügen: Die Kirche sei zu Mohammeds Zeiten schwach gewesen, ebenso das persische und das römische Reich: „Es konte daher keine Zeit den Absichten Mohammeds günstiger seyn, als diejenige, darin er Mittel fand, seine neue Religion oder vielmehr seinen schandbaren Betrug den Arabern aufzubürden.“ (38) 19.3.6 Semlers Kritik an dem von ihm herausgegebenen Werk Die Lektüre des Textes zeigt, dass Semler sich von wesentlichen Aussagen des von ihm herausgegebenen Buches distanziert. So teilt er nicht die vielfach geäußerte Kritik an George Sale, vielmehr verteidigt er dessen Ansichten mehrfach. Es macht den Eindruck, als sei Semler erst unter der Druckerpresse deutlich geworden, was für ein Buch er in Eile hatte übersetzen und verlegen lassen: „So billig also der Herr Verleger gewesen, mir nicht noch mehr Arbeiten aufzulegen, sondern mich mit der Durchsicht dieses Werks von Anfang an, zu verschonen: so sehr sahe ich doch nun den Zusammenhang mit mir ein, nachdem schon ein halber Bogen von meiner Vorrede gedruckt worden.“ (Vorr. 31) Die Widerlegung des englischen Autors bzw. der englischen Autoren (Semler schreibt manchmal im Singular, manchmal im Plural) sei anfangs gar nicht sein Vorhaben gewesen. Offenbar hat dies sich bei der Lektüre aber geändert. Seine Kritik scheint ihm selbst als geschäftsschädigend erschienen zu sein, wenn er gegen Ende seiner Vorrede betont: „Bis hieher habe ich übrigens beinahe wider dis Werk geschrieben, wenigstens gewis nicht den geringsten Schein, dasselbe angelegentlich zu loben, und einer grossen Anpreisung mir gegeben; in der That hat es auch diesen Dienst nicht sonderlich nötig.“ (Vorr. 34) Es folgen einige wenig überzeugende Lobsprüche zur Anlage des Werkes, das, wie jedes große, allgemeine Geschichtswerk nicht unverbesserlich sei. Es seien die besten gedruckten und handschriftlichen Quellen gebraucht worden, allerdings oft aus zweiter Hand. Vielfach seien ganze Stücke von Gagnier und noch häufiger von Sale übernommen worden, was

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allerdings nach Semler kein Fehler sei, denn in England dürfe jeder ohne Plagiatsvorwurf von Sale abschreiben: Allein, wie dies kein Feler ist, daß man ein gutes Buch nutzt, und nicht alles selbst wissen und erfinden wil, in England auch, wo Sale so algemein in dieser Geschichte und Sache gebraucht wird, es nicht für ein plagium gelten kan, sondern anzeigt, daß er den besten Gewährman, den jedermann bisher in Händen hatte, fleißig genug gebraucht: so ist auch unwidersprechlich, sowol, daß der Verfasser nicht selten, viel mehr gesamlet, und nützlich oder anders angebracht, als er im Sale finden konte, als auch, daß er viele Stücke der Geschichte wirklich aus den angefürten arabischen Verfassern selbst genommen hat.“ (ebd.)

Die ausführlichen Verweise auf die von den englischen Verfassern genutzten Quellen, die in deren Vorbericht folgen, werden durch dieses Urteil Semlers geradezu konterkariert. Allein für die Zeit Mohammeds erwähnt der Vorbericht über dreißig genutzte Autoren und betont vielfach, keine Übersetzungen genutzt, sondern vielmehr vorhandene Übersetzungen korrigiert zu haben. Wer dieses Buch bzw. diese Kompilation geschrieben hat, wird allerdings auch von Semler nicht verraten. Semler macht deutlich, dass dieses Buch Sale einerseits abschreibt, ihn andererseits aber (zu Unrecht) scharf kritisiert, und er stellt sich immer wieder auf die Seite Sales. Dennoch: Mohammed gilt auch in Semlers Vorwort als Betrüger und nicht etwa als Vertreter einer vernünftigen Religion mit vernünftiger Moral etc., wie es sich in anderen Texten finden ließ. Semler kann nämlich schreiben: „Es ist überhaupt leicht, ihn für einen vorsetzlichen Betrüger, was die vorgegebene Göttlichkeit seines Berufs betrift, zu erkennen […].“ (Vorr. 10 Anm. 8). 19.3.7 Wie heißt diese Religion bei Semler und im Haupttext? Im englischen Original findet sich vielfach der Ausdruck „Islamism“. Das ist zunächst deswegen bedeutsam, weil die durch das Werk vorgenommene Einteilung der Geschichte eben damit beginnt. The modern part of an universal history beginnt mit folgendem Satz: The Arabs rendered themselves so famous, both by their extensive conquests and their cultivation of ancient literature, after the introduction of Islamism amongst them, that their glory, for several centuries, eclipsed that of all other nations”. (i)

„Islamism“ ist hier also gewissermaßen der ,Revolutionsbegriff‘, der den modern part der universal history einläutet. Genauer gesagt wäre das Leben Mohammeds dieser Beginn der modernen Geschichte der Araber. „For the life of Mohammed, which may not improperly be considered as the first part of the modern history of the Arabs […]“ (ii). Die deutsche Übersetzung gibt eben dies wieder:

19.3 Semlers Kommentar und Herausgabe

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Die Araber haben sich sowol wegen ihrer ausgebreiteten Eroberungen, als auch wegen Betreibung der alten Litteratur, seit der Einführung des Islamismus unter ihnen, so berühmt gemacht, daß ihr Ruhm den Ruhm aller andern Nationen einige Jahrhunderte hinter einander verfinstert hat. (Vorr. 38)

Der Ausdruck „modern“ findet sich in der Übersetzung jedoch so nicht. Hier heißt es: „das Leben Mohammeds, welches nicht unbillig als der erste Theil von der neuern Historie der Araber anzusehen ist“ (ebd.). „Islamism“ und „Mohammedism“ werden im englischen Text synonym verwendet (vgl. z. B. 35 und 37). Auch hier folgt die Übersetzung der englischen Vorgabe: „Islamismus“ (36) und „Mohammedismus“ (37). Eine adjektivische Verwendung (etwa „islamic“ und entsprechend „islamisch“) findet sich hier nicht. Es heißt „Moslem historians“ (25) und dem entsprechend „muselmannische Scribenten“ (28). Allerdings finden sich auch hier Abweichungen. So heißt es mit Blick auf Khadijah: „The Moslems pretend, that she was the first convert to Islamism […]“ (29), während die deutsche Übersetzung lautet: „Die Muselmänner geben vor, daß sie die erste gewesen, die sich zur Religion Mohammeds bekant […]“ (30). Soweit ich sehe, ist dieser Text nach der deutschen Übersetzung der KoranFassung von George Sale durch Theodor Arnold (vgl. Kap. 14) das erste Dokument in deutscher Sprache, in dem der Ausdruck „Islamismus“ Verwendung findet, wenn auch synonymisch mit „Mohammedismus“ und „Religion Mohammeds“. Anders verhält es sich in Semlers Vorrede. Semler schreibt teilweise „Muhammed“, teilweise „Mohammed“ (wie auch die Übersetzer des Haupttextes); auch „Coran“ und „Koran“ wechseln sich ab. Die „Moslem historians“ heißen hier die „muhammedanischen Schriftsteller“ (z. B. Vorr. 8 und 19). Einmal verwendet Semler den Ausdruck „Islam“ (Vorr. 9), grundsätzlich aber die Bezeichnung „Mohammedaner“ bzw. „Muhammedaner“. Deutlich ist also, dass dieser Band der Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie in der englischen wie in der deutschen Fassung ein abstrahiertes Phänomen „Islamismus“ bzw. „Mohammedismus“ kennt, das nicht eine Person oder Gruppe, sondern so etwas wie eine Religion bezeichnet. In Semlers Kommentar zu diesem Text findet sich einmal die Redewendung „Geschichte des Islam“, sonst findet sich grundsätzlich aber kein Abstraktum, sondern eine konkrete Bezeichnung einer als konkret zu denkenden Gruppe – die „Mohammedaner“. Semlers Vorrede zeigt verschiedene Ebenen an. Einerseits führt sie in die Literatur zum Thema ein, um das folgende Werk besser nutzbar zu machen. Andererseits finden sich – zumindest für die ersten Druckbögen – Kommentare zu Einzelfragen. Auffällig ist dabei, dass Semler sich mehrfach gegen die Angriffe auf George Sale, die im übersetzten Werk eine große Rolle spielen, richtet, allerdings ohne den Betrugsvorwurf mit Bezug auf Mohammed aufzugeben.

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19.3.8 Vorstellung des von Semler kommentierten Werks im Überblick Einige Grundaussagen des ersten Abschnitts „Erzählung des Lebens Mohammeds, von seiner Geburt an bis auf seine Flucht nach Medina“ sollen hier noch in Auszügen zusammengefasst vorgestellt werden, um einen Eindruck von dem 1759 in englischer und in deutscher Sprache erschienenen Mohammed-Bild bekommen zu können.15 Die „Erzählung des Lebens Mohammeds, von seiner Geburt an bis auf seine Flucht nach Medina“ § 1. Es ist vielleicht keine in den Geschichten berühmte Person auf verschiedenerern Seiten betrachtet worden, als Mohammed, der Gesetzgeber der Araber und der Stifter der muselmannischen Macht [„Moslem Power“]. Einige christliche Scribenten haben ihn als einen abscheulichen Betrüger vorgestellet, den die Gebrechen seines Leibes und Geistes verächtlich gemachet, und der ein Mensch von dem lasterhaftesten Verhalten gewesen. Andere hingegen haben kein Bedenken getragen, ihn für einen der vortreflichsten Gesetzgeber zu erklären, der jemals in der Welt erschienen; der mit den feinesten Gaben des Verstandes geschmücket gewesen; der sich durch die Ausübung einer jeden geselschaftlichen Tugend noch liebenswürdiger gemachet, und der durch seine grossen Fähigkeiten und durch die Vortreflichkeit seiner Anordnungen gleichen Ruhm erlanget. Ja, einige von diesen, bey welchen die Gründe so wol der natürlichen als geoffenbarten Religion keine sonderliche Vestigkeit erlangt zu haben scheinen, haben es nicht blos unter der Hand zu verstehen gegeben, daß, wie er alle wesentlichen Stücke der christlichen Religion, ohne irgend eine von den Verfälschungen derselben, in dem Koran zusammen gefasset, also auch sein Lehrbegrif der Religion GOtt wenigstens eben so anständig sey, als der Lehrbegrif des Evangelii, wo er nicht gar der letzte grosse Prophet gewesen, der zur Vollendung der Haushaltung JEsu selbst gesendet worden. (6)

Die Fußnote zu diesem bemerkenswerten Einstieg erwähnt Prideaux, Sale und Boulainvilliers. § 2. Mohammed habe zwar gute Gaben gehabt, seine Offenbarungen seien aber erlogen gewesen, dadurch habe er sich als „Betrüger“ und „Erzbösewicht“ erwiesen. Zum Erfolg des Koran, der viele Ungereimtheiten enthalte, hätten vor allem die Gemütsneigung der Araber, „die algemeine Ueppigkeit und Weichlichkeit der Griechen; der zu seinem Untergange sich neigende Zustand der Perser, und der verderbte und zerrüttete Zustand der christlichen Religion zu dieser Zeit“ (7) beigetragen. §§ 3–11. Genealogie. § 12. Enthält einen Verriss des Vie de Mahomet von Boulainvilliers. Dieser 15 Dabei werden die Aussagen, die keine wörtlichen Zitate sind der übersichtlichen Paragraphenzählung der deutschen Fassung ohne Seitenangaben zugeordnet (§§ 1–186). Ggf. werden Begriffe und Ausdrücke des englischen Originals in eckigen Klammern mit angegeben.

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sei ein unansehnlicher Schriftsteller ohne Kenntnis und Wissenschaft, ohne Aufrichtigkeit und Wahrheitsliebe. Sein Übersetzer (ins Englische) habe dies vergeblich zu übertünchen versucht. Sein Buch sei keine Historie von Mohammed, sondern ein gottloser Roman, eine Lobschrift zu Ehren dieses Betrügers. §§ 13.–21. Chronologie, Biographisches. § 22. Heirat mit Khadijah. § 23. Diskussion einer zweiten Reise Mohammeds nach Syrien und Kontakt zu einem nestorianischen Mönch (Boheira) § 24. Mohammed als Kaufmann in Mekka § 25. Mohammed führt eine neue Religion ein, die hauptsächlich in der Verehrung des einigen Gottes besteht. „Daraus ist ganz offenbar, daß Mohammed, so wie seine noch ungereimteren Nachfolger, die Deisten und Socinianer, unter dem Vorwande die Einigkeit der göttlichen Natur zu behaupten, die Lehre von der Dreieinheit samt allen andern Geheimnissen der christlichen Religion verworfen.“ (33) Diesen „Islamismus“ habe er nach dem Geschmack der sinnlichen Menschen eingerichtet, und Juden, christlichen Sekten und selbst Heiden genehm gemacht. § 26. Dieses Unternehmen sei nicht durch Enthusiasmus motiviert (gegen Sale), sondern aus dem Vorsatz oberste Regierung und Gesetzgeber der Araber zu werden. Mittel seien Ehrgeiz und Genuss sinnlicher Lüste gewesen. Dies gäben auch Sale und Boulainvilliers zu: So daß Herr Sale und der Graf Boulainvilliers, so sehr sie auch sonst einander zuwider seyn mögen, n der That damit den Character dieses Betrügers, wie er von den christlichen Schriftstellern uns übergeben worden, bestätigen: obwol jener erste Gelehrte zu gleicher Zeit gestehet, daß durch dieselben der Character Mohammeds in das infamste Licht gesetzet worden. (33–34)

§ 27. Bekundet Missfallen mit George Sale, der Mohammeds Polygamie entschuldige. § 28. Erste Ursache der Ausbreitung: Der „Islamismus“ sei nach den lasterhaften Begierden der Menschen eingerichtet und habe darum in so kurzer Zeit so großen Erfolg gehabt. Die areligiöse Situation der Araber habe es Mohammed leicht gemacht (für Prideaux gegen Sale). § 29. Zweite Ursache der Ausbreitung: Die Zwietracht der abendländischen und der Aberglaube und Streit der morgenländischen Kirche hätten durch ihren schlechten Zustand ebenfalls zur Verbreitung beigetragen. § 30. Dritte Ursache der Ausbreitung: Die Schwäche des römischen Reiches nebst einem Hinweis auf die Kirche „Es ist auch daran nicht zu zweifeln, daß er von GOtt selbst erwecket worden, um eine Geissel für die christliche Kirche zu seyn, dafür, daß sie sich durch unendliche Spaltungen und Zämkereyen getrennet und zertheilet, und zwar um schwerer und verworrener Kleinigkeiten willen […]“. (38) §§ 31–32. Vierte Ursache der Ausbreitung: Die Schwäche des persischen

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Reichs, ihre Wurzeln (Manichäer und Mazdakiten) und Verlauf des Niedergangs. § 33. Fünfte Ursache der Ausbreitung: Der Zustand Arabiens. Die Härte der Menschen wird erwähnt, ihr sparsamer Lebensstil aufgrund der Unfruchtbarkeit des Landes – „sie aßen selten etwas Fleisch, sie tranken keinen Wein und sassen auf der Erde“ (41). Das Land war politisch in Stämme zersplittert und konnte von Mohammed vereinigt werden. § 34. Nacht der Bestimmung, Bekehrung Khadijahs und ihres Vetters, der hebräisch schreiben konnte und sich in den Schriften des Alten und Neuen Testaments auskannte. „Aus dem, was bereits angemerket worden, kan geschlossen werden, daß Mohammed den Anfang des Evangelii Lucä vor Augen gehabt habe, als er die Erzählung von seiner ersten vorgeblichen Offenbarung geschmiedet.“ (44) § 35. Weitere Bekehrungen. §§ 36–37. Mohammed predigt in Mekka. § 38. Er gibt weitere göttliche Offenbarungen vor. Diskussion der Epilepsie (der „fallenden Sucht“) Mohammeds (gegen Sale für Gagnier). §§ 39–48. Öffentliche Predigt, Auseinandersetzungen und Bekehrungen, Flucht und Rückkehr. §§ 49–62. Mohammeds Himmelsreise. §§ 63–65. Anhänger in Medina und Mekka, Apostel § 66. „Als nun Mohammed sahe, daß zu seiner Unterstützung ein Bündnis aufgerichtet worden, so fieng er an, die Masqve abzunehmen [began to pull off the mask], und seine wahren Gesinnungen in Absicht auf die Mittel der Reformation [reformation] zu entdecken.“ (81) Nachdem er zwölf Jahre lang nur gepredigt habe, „gab er eine göttliche Erlaubnis vor, daß er sie [die Ungläubigen und Feinde] angreifen, die Abgötterey ausrotten und den wahren Glauben mit dem Schwert aufstellen dürfe.“ (82) §§ 67–73. Mordanschlag, Flucht nach Medina. § 74. Die alten und die neuen arabischen Monate Die „Erzählung der Begebenheiten Mohammeds von seiner Flucht nach Medina bis auf seinen Tod.“ §§ 75–95. In Medina, Reformen und Auseinandersetzungen, Feldzüge § 96. Ausrottung der Koreidhiten, Mord an einem Juden: Durch dergleichen entsetzliche Thaten und die unmenschliche Hinrichtung derer Banu Koreidha, die im Koran auf eine heillose Art als eine unmittelbare Wirkung der götlichen Almacht vorgestellet wird, suchte Mohammed seine neue Religion unter den Arabern auszubreiten; eine Religion, die des Vaters der Lügen, der selbst von Anbeginn ein Mörder gewesen, der barbarischen Mittel und des höchst ärgerlichen Betrugs würdig war, dessen man sich zur Einführung derselben bedienete; eine Religion, die dem höllischen Bösewicht geziemete, dem es die göttliche Vorsehung wegen der Sünden der Christenheit gestattete, sa unmittelbare Werkzeug von der Fortpflanzung und Ausbreitung derselben zu seyn. (122)

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§§ 97–106. Mohammed als Herrscher und Heerführer § 107. Kein Herrscher werde so verehrt wie Mohammed. Denn wenn er sich gewaschen, um sein Gebet zu verrichten, so wären sie hinzu gelaufen und hätten das Wasser aufgefangen, dessen er sich bedienet; wenn er seinen Speichel ausgeworfen, so hätten sie denselben unverzüglich aufgelecket, und ein jegliches Haar, das ihm entfallen, hätten sie mit grossem Aberglauben aufgehoben. Diese Nachricht that ohne Zweifel bey den Khoreishiten eine grosse Wirkung, indem sie daraus hinlänglich erkennen konten, mit was für einem Eifer die Anhänger dieses Propheten für ihn streiten würden. Daher trug sie, aller Wahrscheinlichkeit nach, nicht wenig zu dem darauf erfolgten Frieden bey. (135)

§§ 108–118. Einladung zu seiner Religion, Feldzüge, Vergiftung Mohammeds § 119. Zum Verhältnis Mohammeds zur Koptin Maria wird kommentiert: Es wird uns von einigen muselmannischen Geschichtschreibern , deren Autorität daher in diesem Puncte unwidersprechlich ist, gemeldet, daß ihr heiliger Prophet sich vor dem Beschlus dieses Jahres der Hurerey schuldig gemachet; obwol diese grobe Ausschweifung desselben von dem Herrn Sale, nach seiner gewöhnlichen Aufrichtigkeit und Gottseligkeit, bemäntelt, wo nicht gar unter der Hand vertheidigt worden. (147)

Semler verteidigt in seinem, im Vorwort zu Band 20 nachgereichten Kommentar in diesem Zusammenhang den im Haupttext der Algemeinen Weltgeschichte kritisierten Sale und nicht etwa die dargestellte Person – Mohammed. Semler schreibt: Das Urteil über den Sale §. 119 ist ungegründet, und desto sonderbarer, als der meiste Theil dieses §. mit des Sale eigenen Worten abgeschrieben ist, aus seinen Anmerkungen über den Coran p. 456 und 457 im englischen; woraus man auch sieht, daß diese Marie 5 Jahr nach dem Mohammed zu Medina gestorben, und im Al Baki ordentlich begraben worden, wovon Prideaux gar unrichtig geschrieben hatte. (Bd. 20, Vorr. 15)16

§§ 120–168. Verlaufgeschichte bis zu Mohammeds Tod und Beerdigung Mit diesem ausführlichen Überblick beginnen die Modern Times der Universal History, die Semler in der Nachfolge Baumgartens für deutsche Leser herausgab. Von größter Bedeutung für unsere Fragestellung sind dabei die sich anschließenden Charakter-Zeichnungen.

16 Reiske wird später zu demselben Sachverhalt einen ganz anders gelagerten Kommentar schreiben, der die historisch-kulturellen Umstände erläutert und nicht Sale, sondern Mohammeds Verhalten erläutert bzw. rechtfertigt, zumindest aber den aus der Interpretation stammenden Vorwurf der Hurerei entkräftet (s. u.).

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19.3.9 Die Beschreibung von Mohammeds Person und Charakter (§§ 169–172) Entscheidend für das Mohammed-Bild dieser Texte und in die Übersetzung eingefügten Kommentare sind die Paragraphen zu Mohammeds Person und zu seinem Charakter. Er wird hier noch einmal ausführlicher dargestellt. Um ihnen aber von diesem berüchtigten oder vielmehr infamen Betrüger ein wahres Bild in Miniatur vorzulegen: so bitten wir um Erlaubnis, seine persönlichen Eigenschaften, die Gestalt seines Leibes, seinen Gemütscharacter, seine Vorzüge und Mängel, sein Nature und Fähigkeiten, kurz, die Eigenschaften seines Verstandes und Willens zu beschreiben. Wir werden dabey, ohnerachtet sein Character von verschiedenen Schriftstellern gar ungleich vorgestellet worden, nach der strengsten Unparteilicheit und mit der grösten Hochachtung gegen die Wahrheit verfahren, indem wir die unveränderliche Ergebenheit an die Wahrheit für eine wesentliche Eigenschaft eines guten Geschichtschreibers halten.g [g Abulfeda et Al Iannabi, Evthymivs Zigabenvs, Cusanua, Ioannes Andreas, Prideaux, Boulainvilliers, Gagnier, Sale, aliique quam plurimi scriptores.] (213)

Größe, Statur, Gesichtszüge, Haar- und Augenfarbe werden ebenso beschrieben wie Stimme, Gang und gesamtes Betragen, das einnehmend gewesen sei. Dies sei aus den zuverlässigsten Überlieferungen mitzuteilen, wenn es auch mit fabelhaften Artikeln, eingebildeten Schönheiten und erdichteten Zierraten vermischt sei. Ausführlicher wird noch auf das prophetische Siegel zwischen den Schultern und den Bezug zu Jesaja eingegangen. Marracci habe diese Legenden alle gründlich widerlegt. Die angemaßte Herrschaft über viele Nationen sei hinreichendes Anzeichen für seinen Ehrgeiz, „so wie die grosse Anzahl Weiber und Kebsweiber, mit denen er zu thun gehabt, seine Geilheit anzeigen“ (214). Die vielen Mordtaten und Racheakte verrieten die grausame und rachgierige Gemütsart. Die erlogenen Offenbarungen, dadurch er die Araber hintergangen, die vorgegebenen öftern Unterredungen mit dem almächtigen GOtt, dessen anbetungswürdigen Namen er schändlich misbrauchte, seine Lügen zu unterstützen, Irtum und Betrug fortzupflanzen, und seinen Lüsten und Ehrgeitz den Unterhalt entweder unmittelbar, oder durch Beistand und Vermittlung des Engels Gabriel zu verschaffen. Dieses alles sind solche Dinge, die ihn als einen Mann von grosser Frechheit und Gottlosigkeit, wo nicht gar als den abscheulichsten Bösewicht darzustellen, der jemals in der Welt gelebet. Ja es kan dieses ganz deutlich aus den ausdrücklichen Worten des Korans geschlossen werden, als in dessen sechstem Kapitel mit den stärksten Worten versichert wird, daß kein ärgerer Bösewicht sey, als derjenige, der eine Lüge von GOtt erdichtet, und die Welt mit einer falschen Offenbarung hintergehet. So war es auch nicht eins von seinen geringsten Verbrechen, daß er die heiligen Schriften verfälschte und verkehrte, um sich derselben zu seinem schandbarsten Vorhaben und Absichten zu bedienen; wovon ausser dem, was oben schon angeführet worden, leicht mehrere

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Beweise könten dargelegt werden, wenn es nötig wäre. Und das dienet beiläufig zu einem Beweise, daß er mit der heiligen Schrift bekant gewesen, und sie daher entweder wirklich verstanden, oder doch dieselbe leicht verstehen lernen können; welches ihm alle Entschuldigung benimt, die zu seinem Vortheil von der vermeinten Unwissenheit des wahren Verstandes der heiligen Schrift hergenommen wird. (214–215)

In diesen Paragraphen wird nun nicht (mehr) Mohammeds Leben beschrieben, sondern seine Person wird eingeschätzt und beurteilt. Hier wird ihm also deutlich ambition and lust in his imposture zugeschrieben, wie man es bei Prideaux findet. Der Koran selbst wird im Zusammenhang der Lebensgeschichte Abu Bakrs erst im zweiten Teil des Bandes vorgestellt.

19.3.10 Die Ergänzung zum Haupttext – „Mohammed ein geiler, stolzer und grausamer Mensch“ Offenbar aus diesem Grund steht in der deutschen Ausgabe Semlers an dieser Stelle, gegen Ende der Lebensbeschreibung Mohammeds, eine Ergänzung. Hier findet sich nämlich die folgende über das englische Original hinausgehende Anmerkung, in der Koran und Bibel, Jesus und Mohammed ohne historische Begründung verglichen werden17 und an deren Ende es heißt, „daß Mohammed ein geiler, stolzer und grausamer Mensch gewesen“ (216 Anm.) sei: Mohammed giebt in seinem Koran vor, daß er das Gesetz und Evangelium bestätige; und wie er sowohl Mosen als Jesum für Propheten und Abgesandte GOttes erkennet, so behauptet er, daß in seinem Koran alles dergestalt enthalten sey, daß man des Gesetzes und Evangelii gar nicht mehr bedürfe, daher auch den Muselmännern schlechterdings untersagt ist, etwas aus diesen heiligen Schriften anzuführen, oder dieselben in ihre Sprache zu übersetzen, darum, weil Juden und Christen dieselben gänzlich verfälschet hätten. Man darf sich auch darüber nicht wundern, weil er durch dieses Mittel zu verhindern suchen muste, daß seine Anhänger den wahren Character der Person, der Lehre und des Lebens Jesu nicht möchten kennen und seinen abscheulichen Betrug aufdecken lernen, den er darin begangen, da er sich demselben nicht nur vorgezogen, sondern ihn auch aus seinem Religionsgebäude gänzlich verbannet; wie denn auch zwischen Jesu und ihm ein solcher Unterschied ist, als zwischen Licht und Finsternis, zwischen Himmel und Hölle. Denn von Jesu haben alle Propheten gezeuget, und um dieses Zeugnisses willen hat das ganze jüdische Volk auf seine Zukunft gehoffet; von dem Betrüger Mohamed aber hat kein Mensch etwas gewust, oder seinen Auftrit erwartet. JEsus hat von solchen Begebenheiten geweissaget, deren Erfüllung aller Welt vor Augen lieget; Mohammed aber hat nicht einmal 17 Ein ähnlicher Vergleich zwischen Jesus und Mohammed findet sich auch 1741 bei Ludvig Holberg, Vergleichung (s. o.).

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geschehene Dinge richtig angeführet, welches ihm entweder seine Unwissenheit oder Bosheit nicht gestattet, geschweige daß er von künftigen Dingen prophetische Aussprüche thun sollen. JEsus hat ausdrücklich bezeuget, daß sein Reich nicht von dieser Welt sey; dahingegen Mohammed durch Betrug, List und Gewalt alles darauf eingerichtet, daß er sich ein Reich in der Welt zubereiten möchte, und seine Nachfolger haben es bis zum Erstaunen iu[!] drey Welttheile ausgebreitet. JEsus hat sein Leben für seine Schaafe dahin gegeben; Mohammed aber hat zur Vermehrung seiner Macht anderer Menschen Blut wie Wasser vergossen. Alles, was in Mohammeds Koran noch wahr und gut ist, das hat er aus der Lehre Mosis und Jesu genommen; was er aber von seinem eigenen hervorgebracht, das ist entweder abgeschmackt, albern, lügenhaft, oder auf die Erreichung seiner wollüstigen, ehrgeitzigen und rachgierigen Absichten eingerichtet. Die Verheissungen, die JEsus den seinigen gegeben, betreffen heilige, unsichtbare und ewige Dinge, und enthalten lauter Reitzungen zu einer wahren Heiligkeit; dahingegen Mohammed seinen Anhängern lauter fleischliche Dinge und ein Paradies vorgelogen, das einem Bordel änlich siehet. Statt dessen, daß JEsus den Christen anbefolen, daß sie in der Schrift forschen, und seine Lehre prüfen sollen; so hat Mohammed den seinigen einen blinden Köhlerglauben auferleget, und die heilige Schriftt gänzlich von der Seite geschoben. (215–216 Anm.)

Hier ergänzte Semlers deutsche Ausgabe das vielfach von ihm kritisch kommentierte Lexikon um ein Mohammed-Bild, das auch aus einem Vergleich mit Jesus erwächst. Mohammed wird an positiv beurteilten Seiten Jesu als Gegenbild gezeichnet. Beide Figuren werden „wie Licht und Finsternis, wie Himmel und Hölle“ gegenübergestellt. Mohammed habe sich auf betrügerische Weise über Jesus gestellt und ihn zur Verdunklung aus seinem „Religionssystem“ verbannt. Das Reich des Himmels steht auf der einen, Betrug, List und Gewalt für irdische Macht stehen auf der anderen Seite des Bildes, das Paradies Jesu wird dem Bordell Mohammeds entgegengesetzt. Christen sollten nach Jesu Befehl in der Schrift forschen, Mohammed habe blinden Köhlerglauben verordnet. Für diesen in die Uebersetzung der Algemeinen Weltgeschichte eingeschriebenen Exkurs, wird auf drei Titel als Belege verwiesen: Es ist hievon nachzulesen Mill diss. de Mohammedismo ante Mohammedem, die in seinen dissertat. selectis die zehente ist. D. Christ. Ben. Michaelis, diss. de Mohammedanorum laxitate morali, Halle 1708. Jenkins, Reasonableness of Christianity, darin T. 1. p. 368 sqq. verschiedene hieher gehörige Sätze ausgeführet, und sonderlich gezeiget worden, daß Mohammed ein geiler, stolzer und grausamer Mensch gewesen. (216 Anm.)18 18 Es handelt sich 1) um die erste Dissertation (Dissertatio de Mohammedismo ante Mohammedem) in Davidis Millii S.S. Theologiae D. ejusdemque, nec non Antiquitatum Sacrarum, & Linguarum Orientalium, in Academia Trajectina, Professoris Ordninarii, Dissertationes selectae, varia s. litterarum et antiquitatis orientalis capita, exponentes et illustrantes. curis secundis, novisque dissertationibus, orationibus, et miscellaneis orientalibus auctae. Lugduni Batavorum. Apud Conradum Wishoff et Georg. Jac. Wishoff, Conr. fil. 1743, S. 1–124 und 2) um die Disputatio academica de Mvhammedismi laxitate morali. […] Praeses M. Christianvs Bene-

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Semler hatte im Vorwort ausführlich Sale und die historische Methode verteidigt. Seine Veröffentlichung verlässt nun diesen Boden, indem gegen Ende des ersten Teils (ohne diskutierte Gegenmeinung bezüglich einer Sale-Kritik wie oftmals zuvor), gewissermaßen ungefragt, der englische Text ergänzt wird. Der Koran wird in diesem Werk, wie bereits erwähnt, nicht im Zusammenhang des Lebens Mohammeds, sondern des Lebens Abu Bakrs dargestellt. Der deutsche Text wird nun um die Aspekte Bibel und Koran, Jesus und Mohammed ergänzt. Eingeschoben wird ein Text, in dem Mohammed als wollüstig, rachgierig und betrügerisch bezeichnet wird, er sei ein „geiler, stolzer und grausamer Mensch gewesen“ (216 Anm.), eine Aussage, die Semler mit Verweis auf akademische Schriften, auch auf englischsprachige Literatur unterlegt.19 Diese Aussagen stehen in deutlicher Spannung zum Vorwort, in dem Semler nicht nur immer wieder Sales Positionen verteidigt, sondern auch Bayle, der Mohammed als Betrüger bezeichnet, widersprochen hatte. „Was nicht erweislich genug ist, darf man wohl weglassen“ (Vorr. 18), hatte er mit Bezug auf Bayles Betrugsvorwurf geschrieben. Diese in der deutschen Anmerkung ergänzten Aussagen stehen jedoch nicht in Spannung zu der Einschätzung Mohammeds, die die englischen Autoren gegeben hatten. Semler verteidigt in seinem Vorwort also tatsächlich den Orientalisten und Historiker Mohammeds, George Sale, er verteidigt damit aber keineswegs die Gestalt Mohammeds selbst, vielmehr polemisiert er massiv. Mohammed wird auch im weiteren Haupttext noch mehrfach als böser Heuchler oder Betrüger dargestellt: „Wir wollen indes gerne zugeben, daß er dictvs Michaelis, respondente Iohanne Henrico Pothovio, Rhoda-Waldec. Halae Magdeburgicae, Litteris Christiani Henckelii, Acad. Typ. [1708]. [Das in der ULB Halle befindliche, 28 Seiten umfassende Exemplar (Sign: Bb 278) ist mit ausführlichen lateinischen, teilweise arabischen Glossen versehen und sollte genauer untersucht werden.] Neben diesen beiden Dissertationen verweist er auf Robert Jenkin (1656–1727). Zugänglich war mir nur die 6. Auflage der Reasonableness and Certainty of the Christian Religion von Jenkin. Die entsprechenden Kapitel lauten: „The Novelty and Defect in the Promulgation of the Mahometan Religion“; „The want both of Prophecies and Miracles in the Mahometan Religion“; „The Alcoran is false, absurd, and immoral“; „Of Mahomet“). Zitiert wird in diesem Text neben dem Koran ausschließlich Prideaux’ Life of Mahomet. Vgl. The Reasonableness and Certainty of the Christian Religion. Vol. I. By Robert Jenkin, D.D. late Lady Margaret’s Professor of Divinity and Master of St. John’s College in Cambridge. The Sixth Edition, Corrected. London, Printed für J.J. and P. Knapton, J. Brotherton, J. Hazard, W. Meadowes, T. Cox, W. Hinchcliffe, S. Birt, R. Williamson, W. Bickerton, T. Astley, S. Austen, L. Gilliver, and R. Willock. 1734, S. 392–402. Zum Thema Mohammed und seine Religion heißt es dort abschließend: „It is notorious, that he set up his New Doctrine first in oppressing his own Country men [!], who would not submit to his Imposture, and afterwards in Rebellion against the Emperor Heraclius, then at War with the Persians; and his Alcoran is fit only for a Saracen Camp, preaching Lust to his Followers, but Blood and Destruction towards all others. This may satisfy any Man, that there is nothing in the Author of the Mahometan Religion, nor in the Religion it self [!], which may incline him to believe it to be of Divine Revelation. But whoever would know more of this vile Imposture, may see it fully display’d in the life of Mahomet, lately publish’d by the Learned Dr. Prideaux.“ (402) 19 Siehe vorige Anmerkung.

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dem äußerlichen Anschein nach nicht ein solcher verruchter Bösewicht gewesen, als er von einigen Schriftstellern vorgestellet worden; indem ihm ein gewisser Grad der Heucheley nötig gewesen, wenn ihm anders sein unternommenes Werk gelingen sollte.“ (216–217) Sale habe sich einer solchen Beurteilung entziehen wollen, demgegenüber wird hier aber festgehalten: Ein gewisser Grad der Heucheley kan eine grosse Menge der abscheulichsten Laster, wenigstens vor den Augen der Welt, verbergen, ja wol gar demjenigen, der derselben schuldig ist, Beifall und Anhang unter dem Pöbel zuwege bringen, wenn er sonst nur ein offener Kopf ist, die Verstellungskunst besitzet, und die menschlichen Gemüther kennet. (217)

Mohammed war also nach Aussage dieser Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie ein Betrüger und ein Heuchler. War er aber ein so guter Heuchler, dass dies seine Laster verbergen konnte? Wahrscheinlich nicht, meinen die englischen Autoren: „Ob aber Mohammed zu einem solchen Grad von dergleichen Volkommenheiten gelanget, das wollen wir hier nicht angelegentlich behaupten.“ (217) Die Behauptung, Mohammed sei ungelehrt gewesen, tauge nicht zum Beweis der Echtheit seiner Offenbarungen, so fahren die englischen Verfasser in der Beurteilung Mohammeds fort. Mit Fleiß zu erwerbende Gelehrsamkeit sei unter den Arabern gar nicht üblich gewesen. Außerdem gäbe es so etwas wie Naturtalente. Mohammed aber hätte bei der Abfassung des Korans Helfer gehabt und die Endgestalt des Korans stamme ohnehin nicht von ihm. Damit ist der, im Zusammenhang mit Mohammeds Biographie gar nicht vorgestellte, Koran kein Zeugnis, von dem aus man auf seinen Urheber schließen könnte. Unter dieser Voraussetzung ist es nicht nachvollziehbar, den Koran und die Lehre aus der Mohammed-Biographie auszuklammern – unter dieser Voraussetzung wohlgemerkt. Ein letzter Blick soll siebzig Vorrechten und Privilegien Mohammeds gelten, die in § 182 mit Hinweis auf arabische Quellen nur knapp genannt werden, da „einige nicht das allergeringste zur Erläuterung der Historie Mohammeds beitragen“ (234). Auch zu diesen hier nicht zu wiederholenden Vorrechten im Hinblick auf seine Stellung bei Gott, sein Verhältnis zu Engeln, den anderen Propheten, zu den Menschen etc. findet sich eine interessante Anmerkung im deutschen Text, die hier wiederum über die englische Fassung hinausgeht: Dieses Verzeichnis von den Vorrechten Mohammeds ist ausführlich genung, verständige Leser aber werden das unwahre, unnatürliche und greuliche leicht daran entdecken. Denn einige dieser Vorrechte sind so ungereimt, daß man weiter nichts als den rasenden Unsinn derjenigen Araber, die sie ersonnen, daran erkennen kan. Andere sind mit einer groben Beleidigung der Majestät GOttes verbunden, und stellen den Mohammed als einen schandbaren Betrüger der Menschen und Majestätsschänder GOttes vor. Einige widersprechen selbst der historischen Wahrheit seiner Lebensgeschichte, und verraten solche Erfinder, denen es an einem guten

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Gedächtnis gefehlet. Andere scheinen geflissentlich in der Absicht ersonnen zu seyn, den Mohammed über JEsum zu erheben, und das, was das Evangelium von diesem hochgelobten Heilande saget, jenem Lügengeiste zuzueignen. Einige von diesen Zügen gereichen zu seiner offenbarsten Schande, und stellen ihn in seiner abscheulichsten Geilheit vor, die aber von den arabischen Schriftstellern vielleicht deswegen nicht für was hesliches erkant worden, nachdem er sie in seinem Koran belehret, daß seine unreinen Lüste und Triebe nicht wie andrer Menschen ihre angesehen werden müsten. Man mus es daher billig als ein schreckliches Gericht GOttes ansehen, daß der Betrüger, der von seinen eigenen Anbetern so geschildert worden, einen grossen Theil des Erdbodens an sich gezogen, und in sein Verderben mit eingestricket; noch mehr aber mus man sich darüber wundern, daß es Menschen giebt, die dieses Betrügers Lehren und Anstalten rühmen, seine Absichten und Mittel entschuldigen, ja wohl gar dem JEsu, den alle wahre Christen und alle Engel GOttes anbeten, zur Seite stellen können: welches letztere vom Graf von Boulainvilliers auf eine solche Art geschehen, daß es fast scheinet, als ob er diese Materie, der er doch gar nicht gewachsen war, nur darum gewählet, um seinen Has gegen die christliche Religion und ihren höchsten Urheber, auf eine hämische Art auszulassen. (241 Anm.)

Hier schließt sich der Kreis. Die Einstreuung dieser Bemerkungen zu Boulainvilliers in den deutschen Text entspricht dem, was in den Nachrichten von einer hallischen Bibliothek zu lesen war (s. o.). Semlers Kommentare von 1759 entsprechen der Bücherschau von 1748. Sie erweisen sich als massive Mohammed-Polemik. Das Unbehagen des Herausgebers Semler bezog sich ausschließlich auf den Umgang mit Literatur bzw. mit Autoren, vor allem George Sale; es bezog sich nicht auf den dargestellten Gegenstand, das MohammedBild. 19.3.11 Ein weiterer nachgereichter Kommentar Semlers Die Vorrede zum zwanzigsten Band20 ist zunächst ein Nachwort zum neunzehnten. Semler fährt hier mit seinem Kommentar fort. Allerdings erschließt dieser Text nicht, von wem die eben zitierten deutschen Anmerkungen stammen. Semler erwähnt diese ja mindestens unter seiner „Aufsicht“ veröffentlichten Texte nicht, obwohl er den Zusammenhang, die Charakterisierung Mohammeds in §§ 170–172, durchaus berührt: „zu der Beurtheilung des Characters Mohammeds wil ich nichts mehr hinzusetzen, als schon in der ersten Vorrede gethan habe“ (25–26). Allerdings tut Semler es doch, indem er 20 Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie die in England durch eine Geselschaft von Gelehrten ausgefertiget worden. Zwanzigster Theil. Unter Aufsicht und mit einer Vorrede herausgegeben von Johann Salomo Semler der heil. Schrift Doctor, ordentl. und öffentl. Lehrer, auch des theologischen Seminarii Director auf der königl. preußl. Friedrichsuniversität zu Halle. Mit Röm. Kaiserl. Königl. Poln. und Churfürstl. Sächs. Königl. Preußisch- und Churbrandenburgischen wie auch Schweizerischen Privilegien. Halle, Druck und Verlag Joh. Justinus Gebauers 1759.

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wiederum Sales Vorgehen gegen die Vorwürfe des englischen Textes verteidigt. So leugne Sale z. B. weder Mohammeds Bosheit, noch untersuche er sie, – „weil er es nicht kan“ (Vorr. 26) –, womit Semler auf die historiographischen Mittel anspielt, nicht aber auf die offenbar selbstverständlich vorausgesetzte Bosheit Mohammeds. Der Text der Algemeinen Weltgeschichte und nicht zuletzt die in der deutschen Fassung ergänzten Anmerkungen, betonen aber, wie bereits mehrfach dargestellt, eben diese Bosheit. Davon ist das Mohammed-Bild in diesem von Semler herausgegebenen umfangreichen Geschichtswerk geprägt. Im Rahmen der hier erscheinenden Mohammed-Darstellung wird Sale in den Kommentaren als Historiker gegen den Haupttext des Buches verteidigt. Die präsentierte Mohammed-Figur aber wird angegriffen, und das nicht nur im übersetzten Haupttext, sondern auch in zusätzlichen Anmerkungen. Mohammed erscheint hier als Betrüger, der Anbeter gehabt habe. Die Polemik der englischen Fassung wird in der deutschen eigenständig fortgeschrieben und noch überboten.

19.4 Muhammed in Baumgartens Geschichte der Religionspartheyen, herausgegeben von Semler 1766 Nachdem Siegmund Jacob Baumgartens Nachrichten von einer hallischen Bibliothek (1748), an denen Semler mitgearbeitet hatte, mit Blick auf die Mahomed betreffende Literatur in den Blick genommen wurden sowie die von Semler herausgegebene, mit Mohammed beginnende zweite Reihe der Algemeinen Welthistorie inklusive der Kommentare Semlers dargestellt wurde, soll ein abschließender Blick einer Veröffentlichung gelten, für die wiederum Semler und sein Lehrer Baumgarten maßgeblich sind. Es handelt sich um D. Siegmund Jacob Baumgartens Geschichte der Religionspartheyen.21 Mit diesem umfangreichen Werk werden Mitschriften von Vorlesungen Baumgartens präsentiert, die sein Student Joachim Christoph Bertram (1730–1802) angefertigt hatte. Es handelt sich um das erste von insgesamt vier Werken, die Bertram aus den Mitschriften herausgab. Die beiden letzten Werke wurden nicht mehr von Semler, sondern von Bertram selbst verantwortet.22 Bertram hat seine Nachschrift mit Baumgartens Kompendien ver21 D. Siegmund Jacob Baumgartens Geschichte der Religionspartheyen. Herausgegeben von D. Johann Salomon Semler, der heil. Schrift Doctor und öffentlichem Lehrer, des theologischen Seminarii Director, auch der königl. und halberstädtischen Freitische Ephorus auf der königl. preußl. Friedrichsuniversität zu Halle. Halle, bey Johann Justinus Gebauer. 1766. 22 Nach der Geschichte der Religionspartheyen (1766) erschienen noch, Siegmund Jacob Baumgartens ausführlicher Vortrag der Moral (1767), Siegm. Jac. Baumgartens Erläuterung der christlichen Alterthümer (1768) und Ausführlicher Vortrag der biblischen Hermeneutik (1769).

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glichen, die 1734 und 1739 sowie 1754/55, als Bertram die Vorlesung gehört hatte, erschienen waren. Abweichungen der Texte sowie (wenige) Anmerkungen Bertrams sind im Text kenntlich gemacht. Es handelt sich bei dieser 1766 vorgelegten Publikation um ein Buch vor allem für Studierende. Die Jenaischen Auszüge aus den merkwürdigsten neuesten Schriften23 widmen der Geschichte der Religionspartheyen ihre allererste Rezension, davon man sich wegen des großen Ansehens theils des eigentlichen Urhebers, theils des Herausgebers, und wegen ihrer beiderseitigen Verdienste um die Gelehrsamkeit, im Voraus keinen schlechten Begrif machen kan, ungeachtet die opera posthuma sonst eben nicht so gar sehr pflegen geschätzet zu werden. (1–2)

Dieses Werk ist eine interessante Quelle zur Behandlung Muhammeds und seiner Religion in Baumgartens Vorlesungen selbst. Die Herausgabe durch Semler muss damals ebenfalls als Empfehlung gelten. Semler geht in seinem Vorwort nicht näher auf die behandelten Religionsparteien, also auch nicht näher auf Muhammed ein, macht aber immerhin folgende Bemerkung: So lange geistliche und weltliche Macht getrennt waren, habe es in den verschiedenen Staaten immer auch Gottesdienste anderer Religionsparteien gegeben, in Konstantinopel auch arianische und novatianische und in Rom auch gnostische und montanistische. Entweder gestatte oder verbiete die Obrigkeit den Juden, Albigensern, Wycliffiten, Hussiten oder Sozinianern ihre Religionsausübung, ob es gleich wegen vieler Zeitumstände viel seltenere Exempel von solcher Billigkeit unter christlichen Monarchen und Herren vor dem 16ten Jahrhundert gibt, als man unter den muhammedanischen Regenten zu aller Zeiten antrift; unter deren gerechtem Schutz Nestorianer, Jacobiten, Paulicianer, Armenier, Franken etc. (wie die muhammedanischen viele Secten selbst,) allesamt die Freiheit ihrer Erkentnis und ihres Gewissens ganz ungestört genießen. (Vorr. 17)24

Die Religionsfreiheit unter muhammedanischen Regenten wird in diesem Text ausdrücklich gelobt. 19.4.1 Die Struktur des Werks Das Werk beginnt mit Religionsspöttern und ungläubigen Freygeistern (Atheisten, Deisten und Indifferentisten), fährt mit Heiden, dann mit Juden fort, um im vierten Abschnitt von den Muhammedanern zu handeln. An23 Jenaische Auszüge aus den merkwürdigsten neuesten Schriften nebst der neuesten Geschichte der Akademie und gelehrten Beiträgen des ersten Bandes erstes Stück. Jena, bei Christian Friedrich Gollner. 1766, S. 1–36. 24 D. Siegmund Jacob Baumgartens Geschichte der Religionspartheyen. Herausgegeben von D. Johann Salomon Semler, der heil. Schrift Doctor und öffentlichem Lehrer, des theologischen Seminarii Director, auch der königl. und halberstädtischen Freitische Ephorus auf der königl. preußl. Friedrichsuniversität zu Halle. Halle, bey Johann Justinus Gebauer. 1766, Vorr. S. 17.

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schließend werden in den Abschnitten fünf bis siebzehn die verschiedenen christlichen Kirchen und Sekten vom Altertum an behandelt. Die Darstellung gipfelt im Luthertum und seinen Streitigkeiten. Damit geht diese Geschichte der Religionspartheyen nicht chronologisch-historisch vor, wie der Titel erwarten lässt, sondern systematisch: Atheisten – Heiden – Juden –Muhammedaner – alte Ketzer/Secten – griechische Kirche – weitere morgenländische Kirchen – römische Kirche – Separatisten vor der Reformation – Reformierte – englische Kirche – Antitrinitarier – Täufer – Arminianer und Remonstranten – Quäker und Inspirierte – kleinere fanatische und separatistische Parteien – lutherische Kirche und ihre inneren Streitigkeiten. Die Muhammedaner sind in dieser Systematik etwas näher an den Lutheranern als die Juden und deutlich näher als die Atheisten, die noch entfernter von den wahren Lutheranern sind als die Heiden. Die Texte über die verschiedenen Religionsparteien selbst zeigen wiederum einen klaren Aufbau: Zunächst wird der Name der jeweiligen Religionspartei und dessen Herkunft erläutert, dann die Geschichte und die Quellen, schließlich die Lehre und, wenn es diese Religionspartei noch gibt, auch die Art der Widerlegung inkl. Literaturhinweisen dazu. Der Text insgesamt besteht also vor allem aus Literaturhinweisen, von denen einige aufschlussreich für Baumgartens Muhammed-Bild sind, das von Semler hier postum in einem Werk verbreitet wird, das über Empfehlungen erhaben sei: „Diese Vorlesungen des wohlsel. Baumgarten über die Geschichte der Religionspartheyen haben eben so wenig als irgend eine baumgartensche Abhandlung eine Empfelung nötig“ (Vorr. 3). 19.4.2 Literaturempfehlungen im Werk Aus der Fülle der angezeigten Literatur seien einige Hinweise herausgegriffen. Ähnlich wie die Nachrichten von einer hallischen Bibliothek und ähnlich wie Semlers in die Algemeine Welthistorie einführenden Literaturanzeigen, werden auch hier wiederum Bücher vorgestellt. Einige dieser Bücher stehen für ein dezidiertes Muhammed-Bild in die eine oder andere Richtung. Am auffälligsten ist zunächst, dass Adrian Relands De religione Mohammedica, und zwar liber I, in deutscher Übersetzung ausführlich als Anhang wiedergegeben wird (vgl. 409–415). Die erste Abteilung aus Relands Übersetzung wird ganz wiedergegeben, die zweite in Auszügen mit teilweise zusammenfassenden Hinweisen. Einige Aspekte von Anmerkungen Relands zu seiner Übersetzung werden in diesem Nachdruck in den Text integriert.25

25 Sein Hinweis auf den Namen „Islamismus“, der sowohl Lehre als auch Leben und Pflichten umfasse, fehlt allerdings, dies war bereits im Haupttext der Vorlesung ausführlich erwähnt worden; vgl. Reland, Zwey Bücher (1717), S. 4. Diese Auflage ist im ersten Teil textgleich mit der

19.4 Muhammed in Baumgartens Geschichte der Religionspartheyen

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Bemerkenswert ist, dass negative Aspekte im Text im Unterschied zur ursprünglichen Fassung typographisch durch Fettdruck hervorgehoben werden (hier kursiv hervorgehoben). So heißt es neben vielen anderen Aussagen: Gott „leitet in die Wahrheit und führet in den Irrthum“ (410); seine Eigenschaften sind neben vielen anderen hier genannten „Regierung zum Guten, Verführung zum Bösen“ (ebd.). Hier, in diesem Anhang, zeigt sich entweder die Handschrift Bertrams oder die Handschrift Semlers oder beider, denn es handelt sich um eine Ergänzung zu Baumgartens Vorlesung.26 Reland war nicht in den Nachrichten von einer hallischen Bibliothek rezensiert worden, aber in Semlers Vorrede zur Algemeinen Welthistorie Bd. 19. in der lateinischen Fassung von 1705. Hier, in der Geschichte der Religionspartheyen, folgt nun ein ausführlicher Auszug in der deutschen Übersetzung von 1716 mit diesen kleinen Auffälligkeiten. Boulainvilliers wird, wie in den anderen beiden Texten, auch in der Geschichte der Religionspartheyen klar abgelehnt: Gagniers Vie de Mahomet von 1732 sei durch Boulainvilliers’ La vie de Mahomed veranlasst worden, „so 1730. in 8. herausgekommen, und mit einer sehr feindseligen Bestreitung der christlichen Religion abgefasset ist, indem Boulainvilliers vorgegeben, daß Muhamed auf eben die Art, wie Moses sowol als Christus, verfahren habe“ (373). Diese Einschätzung verwundert nicht, war Boulainvilliers doch in den anderen genannten Schriften als gottlos und unwissenschaftlich kritisiert worden. Ebenso wenig wundert man sich über die Einschätzung Sales: „Ge. Sale preliminary discourse zu desselben englischen Uebersetzung des Korans, 1734. in groß 4; ist eine der vorzüglichsten Schriften, auch nach einiger Zeit ins Teutsche übersetzt worden“ (372). Auch dieses Lob des Historikers durchzieht alle bisher genannten Texte. Bemerkenswert ist darüber hinaus auch die Einschätzung Prideaux’, die hier nach der englischen Ausgabe zitiert wird:27

ersten deutschen Auflage Hannover 1716, von Bertram/Semler verwendeten, und kann darum hier zitiert werden. 26 Es handelt sich um einen von vier als „Anhang“ bezeichneten Textabschnitten; darüber hinaus findet sich ein „Zusatz“. Dass diese weder in Semlers noch in Bertrams Vorwort erwähnten Texte nachträgliche Ergänzungen sind, belegt bereits die Tatsache, dass teilweise aus Veröffentlichungen zitiert wird, die erst nach Baumgartens Tod erschienen, z. B. im Anhang zum siebenten Abschnitt aus Semlers Versuch eines fruchtbaren Auszugs der Kirchen-Geschichte, Halle 1773–1778 (vgl. S. 620ff). 27 The true nature of imposture fully display’d in the life of Mahomet with a discourse annexed for the vindicating of Christianity from this Charge; offered to the consideration of the deists of the present age, by Humphrey Prideaux …, London: Printed for William Rogers …, 1697. Diese Ausgabe enthält den Letters to the Deists von 1696 als Appendix. Übersetzt wurde ins Deutsche aber nur das Life of Mahomet unter eben diesem Titel. Der englische Titel macht deutlich, worum es Prideaux geht, um den Betrugsvorwurf der Deisten, den er als Betrugsvorwurf an Mohammed wendet.

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19. Die Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie

Humphr. Prideaux true nature of imposture fully displai’d in the life of Mahomet, ,die auch französisch, teutsch und holländisch herausgekommen.‘[28] In dieser Schrift, die mit vielem Beyfall aufgenommen worden, hat der Verfasser nur aus den bekantesten Schriftstellern, aber mit einer sehr lebhaften Schreibart, das Leben Muhammeds beschrieben. (373).

In den Nachrichten von einer hallischen Bibliothek war Prideaux nicht erwähnt worden, dafür in Semlers Vorrede zur Geschichte der Religionspartheyen, in der er auch oft zitiert wird.29 Hier, in Baumgartens Vorlesung, hatte Prideaux laut Bertrams Mitschrift mit seiner „sehr lebhaften Schreibart“ einen positiven Platz bekommen.

19.5 Baumgartens und Semlers Äußerungen zum Muhammed/Mohammed-Bild Baumgarten und auch Semler,30 das zeigen alle drei vorgestellten Texte deutlich, legen Wert auf historiographische Genauigkeit und loben und nutzen daher vor allem auch die Arbeiten von George Sale, Semler auch die von Adrian Reland. Henri de Boulainvilliers La vie de Mahomet wird durchgängig als historiographisch unzureichend und tendenziös strikt abgelehnt. Allerdings haben beide Autoren offenbar keinerlei Probleme mit Polemik, wie sie sich bei Humphrey Prideaux findet, der sein Life of Mahomet als Beweis des echten Religionsbetruges, wie er seiner Kirche von Deisten am Ende des 17. Jahrhunderts vorgeworfen worden war, geschrieben hatte. Dies aber ist eine Schreibhaltung, die die historiographische Perspektive des Buches verengt und den zeitgenössischen Lesern eine äußerst starke polemische Note gegen Mahomet liefert. Semlers „Aufklärung durch Historisierung“31 findet auch in diesen Texten im Sinne der historiographischen Auseinandersetzung statt. Diese Aufklärung macht aber vor der Polemik nicht Halt bzw. nimmt für sich selbst das Recht auf Polemik in Anspruch, wie besonders durch das Einschreiben der MuhammedPolemik in die deutsche Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie zeigt. Zwischen 1748 und 1766 ändert sich in dem hier dargestellten Umfeld (Baumgarten, Semler) in Halle in dieser Frage offenbar grundsätzlich nichts. 28 Die An- und Abführung kennzeichnet den in Baumgartens Kompendium zur Vorlesung gedruckten Text. Der Rest ist Mitschrift. 29 Allerdings unter dem Titel Life of Mahomet und nicht unter dem „Betrugstitel“ The true nature of imposture fully display’d in the life of Mahomet. 30 Ähnliches gilt wohl auch für Joachim Christoph Bertram, dessen Position in dieser Frage sich aus dem vorliegenden Text aber nicht erheben lässt. 31 Marianne Schröter, Aufklärung durch Historisierung. Johann Salomo Semlers Hermeneutik des Christentums, Tübingen 2010 (Hallesche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 42).

19.5 Baumgartens und Semlers Äußerungen

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Gibt es andernorts, im „aufgeklärten Berlin“ etwa, andere Tendenzen? Dort erschien 1763 ebenfalls ein umfangreiches Geschichtswerk, das eine Mahomed-Darstellung enthält.

20. Mahomed als unaufgeklärte Figur – FranÅois de Marsys Histoire moderne, erschienen bei Voß in Berlin in der Übersetzung von Justus Friedrich Wilhelm Zachariae (1763) Justus Friedrich Wilhelm Zachariae (1726–1777), Professor für Dichtkunst am Collegium Carolinum in Braunschweig, Dichter, Musiker und Komponist, übersetzte dieses Werk von FranÅois-Marie de Marsy (1714–1763) im Auftrag des Verlegers Christian Friedrich Voß (1722–1795). Voß hatte seit 1751 das Privileg für die Berlinische privilegierte Zeitung. Bei der (inoffiziell) so genannten Vossischen Zeitung, war auch Lessing früher (1751–1755) Rezensent sowie Redakteur für die Monatsbeilage. Die Berlinische privilegierte Zeitung genoss ein hohes Maß an Freiheiten unter der Regentschaft Friedrichs des Großen (reg. 1740–1786), die es andernorts so nicht gab. Sie waren nicht unbeteiligt daran, dass Berlin als aufgeklärte Stadt galt. Im Vossischen Verlag erschien 1755 bis 1779 das hier interessierende Werk: Neuere Geschichte der Chineser, Japaner, Indianer, Persianer, Türken, und Russen etc.1 Dieses Werk war, wie die von Lessing 1753 übersetzte Geschichte Marignys, nach dem Vorbild der Histoire ancienne2 von Charles Rollin verfasst worden. Die französische Originalfassung erschien zwischen 1754 und 1778 in dreißig Bänden in Paris.3 Die deutschen Übersetzungen erschienen jeweils zeitnah zwischen 1755 bis 1779 in Berlin beim Verleger der Werke Lessings, Herders und Jean Pauls, der auch Schriften Friedrichs II. publizierte. Welches Mahomed-Bild wird von hier aus verbreitet?

20.1 Zum Werk: Marsys Vorrede Kommentiert ist diese Übersetzung nur sehr sparsam, um Papier und Geld zu sparen, wie der Übersetzer Zachariae im Vorbericht des Übersetzers an1 Neuere Geschichte der Chineser, Japaner, Indianer, Persianer, Türken, und Russen etc. Als eine Fortsetzung von Rollins ältern Geschichte. Aus dem Französischen übersetzt, und mit einigen Anmerkungen versehn. Erster Theil. Berlin, bey Christian Friedrich Voß 1755. 2 Gemeint ist die Histoire ancienne Charles Rollin (1661–1741); vgl. Kap. 17, Anm. 31. 3 1754 erschien der erste Teil unter dem Titel „Histoire moderne des Chinois, de Japonnois, des Persans, des Turcs, des Russiens, etc.“ Begründet wurde die Reihe von FranÅois-Marie de Marsy (1714–1763), und fortgesetzt bis Band 30 (1778) von Adrien Richier (1720–1798).

20.2 Die Darstellung Mohammeds

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merkt.4 Der Autor Marsy will sich in seinem Werk weniger auf die Geschichte von kriegerischen Begebenheiten beziehen, sondern einen Gesamtzusammenhang zeichnen, wie es in seiner Einleitung heißt: Aber alles, was der Ursprung und das Wachsthum, das Glück und die Unglücksfälle jedes Volks am merkwürdigsten zeigen, unter einen Gesichtspunkt und so zu sagen in ein Gemälde zu bringen; sein System der Politik und Religion zu entwickeln; eine gehörige Idee von seiner Größe und seinem Fleiße zu geben; zu allen diesen verschiednen Känntnissen eine getreue Abbildung seiner Sitten und Gebräuche, seiner Beschäftigungen und Lustbarkeiten, und die wichtige Geschichte seiner Privatlebensart hinzu zufügen; dieses haben wenig Schriftsteller unternommen, und niemand hat es auf die gehörige Art geleistet. (5v)

Ein solches Gemälde malt Marsy auch von den Arabern und in dieses Gemälde hinein ein Bild von Mahomed unter den Überschriften „Besondere Umstände, den Mahomed betreffend. Wie er die Verfassung von Arabien änderte“ und „Von den Gesetzen Mahomeds, und insbesondere vom Alkoran“.5 Als Grundlage dieser Schilderung werden Marigny, Prideaux, Bayle und Salmon angegeben.6

20.2 Die Darstellung Mohammeds Auf dieser Grundlage wird Mahomed als vermögender Mann geschildert, der die Welt mit einem „neuen Religionsgebäude“ (275) zu reformieren beabsichtigt habe, indem er sich bei den Grundsätzen und Lehrsätzen von „Abgöttern, Manichäern, Juden und Christen von verschiedenen Secten“ (276) 4 „Man hat sich bemüht, gegenwärtige Uebersetzung dem deutschen Leser durch eine fließende Schreibart angenehm zu machen, und einige Anmerkungen hinzugefügt, deren Anzahl man vermehrt haben würde, wenn es nicht nöthig gewesen wäre, dabey auf eine gewisse Bogenzahl zu sehen, um das Werk im Preiße nicht zu theuer zu machen.“ (Neuere Geschichte, Bd. 1, S. 3r–3v). 5 Der Band 7 der Neueren Geschichte von 1763 enthält innerhalb der Geschichte der Araber eine Darstellung Mahomeds (S. 274–300). 6 „Geschichte der Araber durch den Abbe de Marigny B. I. Prideaux Leben des Mahomed, hin und wieder, Bayle Wörterbuch Art. Mah. Salmon, Staat von Arabien Kap. VIII.“ (S. 275); Des Abts von Marigny Geschichte der Araber unter der Regierung der Califen. Aus dem Französischen. Erster Theil. Berlin und Potsdam bey Christian Friedrich Voß. 1753; Das Leben Mahomets beschrieben durch Humphrey Prideaux. Aus dem Englischen übersetzet. Leipzig, bey Thomas Fritsch. 1699; Historisches und Critisches Wörterbuch, nach der neuesten Auflage von 1740 ins Deutsche übersetzt; Mit des berühmten Freyherrn von Leibnitz, und Herrn Maturin Veissiere la Croze, auch verschiedenen andern Anmerkungen, sonderlich bey anstößigen Stellen versehen, von Johann Christoph Gottscheden. Dritter Theil. K bis P. Mit Röm. Kaiserl. auch Königl. und Chursächs. allergnädigster Freyheit. Leipzig, 1743. Verlegts Bernhard Christoph Breitkopf; Die heutige Historie oder der gegenwärtige Staat von Arabien und der Grosen Tartarey samt denen daran grenzenden Ländern nebst einer Landcharte und Abbildung des Coffee- und Palmbaums nach dem Englischen und Holländischen Herrn Salmons und Herrn von Goch ins Deutsche übersetzt, Altona/Flensburg: Korte 1747.

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20. de Marsys Histoire moderne

bediente, die er auf seinen Handelsreisen kennengelernt habe. Dieser Plan Mahomeds erscheint hier als „kühne[r] Entwurf“ (275). Der Synkretismus Mahomeds aus den genannten Traditionen wird in seiner Qualität gelobt: Er borgte allen diesen Religionen Grund- und Lehrsätze ab, die er mit Klugheit verband, und sie der Gemüthsart der Araber, einem wollüstigen, unwissenden Volke, das die Neuigkeit und das Wunderbare liebte, und sehr leicht enthusiastische Eindrücke auf sich machen ließ, gemäs zu bilden suchte. (275–276)

Mahomed habe Offenbarungen vorgegeben und später aus Medina flüchten müssen, weil die Obrigkeit von Mekka die Unruhen durch diese neue Secte gefürchtet und ihn verfolgt habe. „Der Prophet, da er sah, daß er mit dem bloßen Wege der Ueberredung schwerlich durchkommen würde, entschloß sich, Gewalt zu gebrauchen, und seine Lehren mit den Waffen in der Hand zu verteidigen.“ (277) Später habe Mahomed Mekka eingenommen. „Er führte daselbst die öffentliche Uebung seiner Religion ein, doch ohne Gewalt zu brauchen und die Einwohner ihrer Privilegien zu berauben.“ (278) Die knappe Darstellung vermeidet die Spitzen, die sich v. a. bei Prideaux und auch bei Bayle finden. Vielmehr wird versucht, ausgewogen zu argumentieren: „Die christlichen Schriftsteller werfen ihm solche unzüchtige Dinge vor, die abscheulich sind, und seine eignen Anhänger erzählen dießfals Sachen, die seinem Andenken zu keiner großen Ehre gereichen.“ (281) Mahomed sei maßvoll gewesen, aber „sinnlich und wollüstig, ein Fehler, den er mit allen Arabern gemein hatte“ (ebd.).

20.3 Der Koran Der als synkretistisch entstanden geschilderte Koran erscheint gleichwohl in einem positiven Licht. Mahomed sei zwar nicht gebildet gewesen, man glaube, er habe nicht einmal lesen und schreiben können. Aber er verstund seine Sprache vortreflich: er drückte sich mit Anmuth aus; seine Ausdrücke waren voller Feuer und Kraft; der Klang seiner Stimme selbst hatte etwas rührendes und beredendes. Der Alkoran, der eine bloße Sammlung von seinen alltäglichen Reden ist, ist ein Meisterstück von Seiten der Zierlichkeit und Reinigkeit des Styls: man findet so gar einige erhabene Züge darinnen. (285–286)

Dass man in Mahomeds Koran einige erhabene Züge finden könne, ist eine eher seltene Aussage im mittleren 18. Jahrhundert. Mahomed selbst wird ein ambivalentes Talent bescheinigt. Es sei sicher, „daß er ein wunderungswürdiges Talent, die Leute zu verblenden hatte.“ (286) Seine Anhänger wären bis heute der Lehre des Koran zugetan, so dass es fast unmöglich sei, sie zum Christentum zu bekehren.

20.3 Der Koran

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Das System des Mahomedismus hat in gewissen Aussichten viel scheinbares. Die wahre Religion, sagen die Mahomedanischen Lehrer, ist allezeit eben dieselbige gewesen, was das wesentliche der Lehre und des Sittlichen anbetrift; aber in der Folge so vieler Jahrhunderte hat sie verschiedene Grade der Vollkommenheit in Absicht auf die Gebräuche und die Disziplin erhalten. GOtt hat anfänglich Mosen, den Urheber des ersten Gesetzes, geschickt; alsdenn JEsum Christum, den Verfasser eines noch vollkommnern Gesetzes, endlich den Mahomed, den letzten und großten unter den Propheten. (287)

Diese Position werde mit 5. Mose 13 begründet: „Dominus de Sinai venit, et de Seir ortus est nobis: apparuit de monte Pharan“ (ebd.). Auf dem Sinai habe Mose den Pentateuch erhalten, auf dem Berge Seir in Galiläa Jesus das Evangelium, auf den Bergen von Pharan Mahomed den Koran. In Anlehnung an das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg heißt es weiter, nun mit Bezug auf Mahomed als „Betrüger“: Der Pentateuchus, sagt dieser Betrüger, ist den Kindern des alten Gesetzes gegeben gewesen, die bis an Mittag gearbeitet haben: nachgehends sind sie müde geworden, und jeder hat einen Groschen empfangen. Nachgehends ist das Evangelium den Kindern des Gesetzes und der Gnade gegeben worden, die bis in die neunte Stunde gearbeitet haben; hernach sind sie müde geworden und sie haben auch jeder einen Groschen empfangen. Endlich ist auch der Alkoran gegeben worden, und nachdem ihr bis zu Sonnenuntergang gearbeitet habt, hat jeder von euch zwey Groschen empfangen. Deswegen haben die andern Arbeiter gesagt: diese da haben weniger gearbeitet und haben einen doppelten Lohn empfangen. Aber GOtt hat ihnen geantwortet: habe ich euch unrecht gethan, indem ich euch etwas von eurem Lohn entziehe? nein, es ist eine Güte auf meiner Seite, und ich kann sie erweisen, wem ich will. (289)

Die göttliche Sendung ihres Propheten werde mit der weiten Verbreitung seiner Lehre bewiesen. Über den Koran, der oben als ein Buch beschrieben wurde, das sogar einige erhabene Züge trage, wird nun aber noch einmal und insgesamt doch ganz anders geurteilt: Das berühmte Buch, welches die Muselmänner al Koran, (* [Al ist der Artikel, und man sollte also der Koran und nicht der Alkoran sagen]) oder das Buch wegen seiner Vortrefflichkeit nennen, ist durch den Otman, wie man spricht, gesammelt worden, der es in 214 [!] Kapitel abgetheilet. Es ist eine seltsame Vermischung von Offenbahrungen, läppischen Erzählungen, aber auch bisweilen von erhabenen Wahrheiten. Es wird darinnen von Krieg, von der Redekunst, Meßkunst, Sternseherkunst, und andern Wissenschaften geredet, die dazumal in Arabien anfiengen bekannt zu werden. Sonst ist keine Ordnung in diesem Buche; viel Dunkelheit; sehr lächerliche Ueberschriften über den Capiteln; ewige Wiederholungen; Widersprüche ohne Zahl; die Bibel der Juden und das Evangelium der Christen auf eine läppische Art übersetzt; viel Unfläthereyen; ein Paradis, wo man nichts als Mägdchen, Ganymeden, Betten, Tische und Töpfe sieht etc. (292)

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20. de Marsys Histoire moderne

20.4 Mahomed als unaufgeklärte Gestalt – Der Koran hält vernünftiger Prüfung nicht stand Marsy zitiert Paradiesvorstellungen des Koran, die er abschließend folgendermaßen kommentiert: Dieß ist eine Probe von den Träumen, die dieß berühmte Buch der Mahomedanern enthält. Ich könnte noch andere weit abgeschmaktere Stellen anführen. Wenn jemals diese Völker die Augen öffnen und sich unter ihnen ein Philosoph erheben sollte, dessen Weisheit die Finsterniß des Aberglaubens zerstreute, so würde es um die Mahomedanische Religion gethan seyn. Die mindeste Prüfung würde alle ihre Grundfesten erschüttern. Aber Mahomed hat diesem Zufalle weißlich vorgebauet, inde er alle Glaubensund Religionsstreitigkeiten verboten. Dieß ist das weiseste Gesetz im Alkoran. (294)

Mit anderen Worten: Diese Völker und aufgeklärte Philosophie sind eigentlich unverträglich, heißt es in diesem, im aufgeklärten Verlag Voß in Berlin erschienenen Buch, in dem anschließend ausführlicher aus Prideaux’ Life of Mahomet zur Abrogation zitiert wird. Der Koran sei ein „ungeheueres Buch, worinnen so eine große Unordnung herrschet“ (296). Der Ton des Textes ist nicht unfreundlich. Obwohl immer wieder auch Prideaux angeführt wird, ist relativ wenig von Betrug die Rede. In der Sache ist allerdings klar, dass Mahomed Offenbarungen vorgegeben, aus den Lehren der Juden und Christen geschöpft und an den Geschmack seiner Umgebung angepasst habe, dass seine Religion unvernünftig sei und wegen des von ihm (vernünftig!) erlassenen Disputierverbotes auch nicht aufgeklärt werden könne, selbst wenn ein Philosoph unter den Mahomedanern erschiene. Auch dieser Berliner Beitrag prolongiert auf seine Art eine ,Ablehnungsgeschichte‘ Mahomeds. Dies geschieht hier im Rahmen eines aufgeklärten Selbstverständnisses bzw. im Rahmen aufgeklärter Selbstdeutung. In diesen Jahren, in denen Geschichtswerke in Frankreich und England in geradezu inflationärer Zahl erschienen, versuchte man auch in Deutschland derartige Werke auf den Markt zu bringen. Viele dieser zur Wissensvermittlung, Zeichnung und Herausbildung eines neu entstandenen Geschichtsverständnisses und damit letztlich auch zur Selbstverortung gebildeter Bürger durchaus nutzbaren Werke wurden schnell ins Deutsche übersetzt, teilweise auch in mehreren Kurzfassungen. Hier spielten sich durchaus nicht nur verlegerische Erfolge oder Tragödien ab (vgl. Kap. 15.1.1.), sondern es fand auch ein Meinungskampf statt. Dies lässt sich besonders gut an der folgenden Publikation ablesen, die durch Expertenwissen und Expertenmeinung aufgewertet wurde. Um den entsprechenden Experten, Johann Jakob Reiske, bemühten sich auch andere Herausgeber solcher Übersetzungen, z.T. erfolglos.7 7 Auch im Vorwort der Mignot-Übersetzung wurde mit Kommentaren Reiskes geworben, die allerdings nie erschienen. Herrn Mignots Abts zu Scellieres und Ehrenmitglieds des hohen Raths Geschichte des Ottomanischen Reichs von seinem Ursprunge bis zum Belgrader Frieden 1740, Mitau und Leipzig, verlegts Jakob Friedrich Hinz, 1774, Bd. 1, S. *8r.

21. Mohammed als Opfer seines Erfolgs, kein Betrug nach Plan, sondern nach den Umständen – Die General History of the World von Guthry/Gray in der Übersetzung von Christian Gottlob Heyne, kommentiert von Johann Jacob Reiske (1768) 21.1 Biographisches zu Heyne und Reiske Im Jahre 1765 hatte der Göttinger Professor Christian Gottlob Heyne (1729–1812)1 begonnen, ein Geschichtswerk herauszugeben, für dessen Band über Arabien er die Hilfe von Johann Jacob Reiske (1716–1774) in Anspruch nahm. Der erfolgreiche Göttinger Professor Heyne, Mitglied vieler angesehener Akademien, bat mit Reiske jemand um Hilfe, der sich wegen seiner die akademische Karriere nicht befördernden Beschäftigung mit arabischer Literatur am Ende seines Lebens als „Märtyrer“ verstand. Beide Wissenschaftler seien kurz vorgestellt. Nach dem Besuch der Lateinschule in Chemnitz studierte Heyne ab 1748 in Leipzig und hörte philologische Vorlesungen (J.A. Ernesti, J.F. Christ) und juristische (J.A. Bach). In seiner Dresdner Zeit (ab 1753) als Kopist edierte er Tibull und Epiktet. Während des Krieges verlor er seine Stelle an der Brühlschen Bibliothek in Dresden, war einige Jahre Hofmeister und lebte dann von Gelegenheitsübersetzungen. 1753 wurde er auf Empfehlung als Professor der Poesie und Beredsamkeit nach Göttingen berufen, war dort Direktor des philologischen Seminars, Bibliothekar der Universitätsbibliothek2 und Mitglied der Gesellschaft der Wissenschaften. 1765 begann er mit der Übersetzung der Allgemeinen Weltgeschichte von William Guthrie und John Gray, der 7. und letzte Band erschien 1772. 1767 folgte der erste Teil seines VergilKommentars, 1773 eine Pindar-Ausgabe. Ab 1770 war Heyne Sekretär der Göttinger Akademie und damit auch Redaktor der angesehenen Gelehrten Anzeigen. Sowohl im Bibliotheks- als auch im Schulwesen machte Heyne sich durch Reformen verdient und prägte durch sein Seminar ganze Lehrergene1 Zur Biographie vgl. Ulrich Schindel, Art.: „Heyne, Christian Gottlob“. In: Neue Deutsche Biographie, Bd. 9, Berlin 1972, S. 93–95; dort auch weitere Literatur. 2 Helmut Vogt bezeichnet ihn gar als „bedeutendsten Bibliothekar des 18. Jahrhunderts“ mit genialem bibliothekarischem Talent; Helmut Vogt, Heyne als Bibliothekar. In: Christian Gottlob Heyne (1729–1812). Ausstellung anlässlich seines 250. Geburtstages (Kleiner Ausstellungsführer Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, 8), Göttingen 1979, S. 15–16, Zitat S. 15.

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21. Die General History of the World von Guthry/Gray

rationen in Norddeutschland. Angebote anderer Universitäten lehnte er ab. Nach einer langen Amtszeit in Göttingen legte er sein Amt als Universitätsprofessor im Jahre 1809 nieder. Heyne war Mitglied von dreißig Akademien und gelehrten Gesellschaften verschiedener Länder. Bekannt ist er in der klassischen Philologie vor allem für seine Exegese des Poetischen und weniger für die reine philologische Arbeit geworden; die Archäologie bereicherte er durch Anfänge einer wissenschaftlichen Etruskologie. Bedeutsam ist vor allem, dass er durch seine Arbeitsweise die antike Dichtung ins zeitgenössische Bewusstsein holte. Er korrespondierte u. a. mit Gellert, Goethe, Albrecht von Haller und Herder. Besonders verbunden war er seinem Wolfenbütteler Bibliothekarskollegen Lessing, den er als Kritiker und Literaten sehr schätzte. Ebenfalls mit Lessing in Verbindung stand Johann Jacob Reiske,3 der 1771 auf Betreiben seiner Frau Ernestine Christine Reiske, geb. Müller (1735–1798), zusammen mit dieser einige Zeit in Wolfenbüttel verbrachte und dem Bibliothekar der Herzog-August-Bibliothek die orientalischen Handschriften ordnete. Reiske kam aus einfachen Verhältnissen. Nach dem Besuch der Stadtschule seiner Heimatstadt Zörbig und Privatunterricht in Zöschen wurde Reiske von 1728 bis 1733 im Halleschen Pädagogium Franckes ausgebildet. 1733 immatrikulierte er sich für Theologie in Leipzig, studierte als Autodidakt daneben Arabisch. 1738 kam er nach Hamburg und lernte dort unter anderem den Hebraisten Hermann Samuel Reimarus (1694–1768) kennen. Von Hamburg reiste Reiske nach Leiden, um in der Bibliothek die dortigen arabischen Handschriften zu studieren. Neben dem Studium des Arabischen beschäftigte er sich mit klassischer griechischer Literatur. Reiskes teils harte Fachkritik an seinem Lehrer und Förderer Albert Schultens (1686–1750) hatte die Konsequenz, dass er seinen Doktorgrad nicht in der Philologie, sondern in der Medizin erwarb,4 was allerdings nie zu ärztlicher Praxis führte. Trotz guter Aussichten in Leiden ging Reiske, nachdem er die arabischen Handschriften dort studiert hatte, nach Leipzig zurück, wo er sich ab 1746 mit philologischen Gelegenheitsarbeiten über Wasser hielt. Auch die 1748 angetretene außerordentliche Professur bot ihm durch das geringe Gehalt kaum ausreichende Lebensgrundlage. Dafür, dass Reiske weder in Leipzig noch in Wittenberg zum ordentlichen Professor berufen wurde, sorgten einflussreiche Gegner wie Johann August Ernesti (1707–1781) und Johann David Michaelis (1717–1791). Seinen Lebensunterhalt verdiente Reiske nicht zuletzt damit, dass er 1758 zum Rektor der Stadtschule St. Nikolai in Leipzig berufen wurde. 1764 heiratete Reiske, er lebte bis zu seinem Tod 1774 in Leipzig. Reiskes Lebenslauf zeigt, dass er sich aus dem Studium der Theologie heraus neben der klassischen vor allem mit der arabischen Philologie be3 Zur Biographie vgl. Hartmut Bobzin, Art.: Reiske, Johann Jacob. In: Neue Deutsche Biographie Bd. 21, Berlin 2003, S. 391–392. 4 Die Promotionsschrift von 1746 trägt den Titel: Miscellaneae aliquot observationes medicae ex Arabum monumentis.

21.2 Die Übersetzung der Allgemeinen Weltgeschichte

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schäftigte, der er einen Eigenwert zumaß, indem er sie nicht (nur) als theologische Hilfswissenschaft zum alttestamentlichen Studium verstand. Für die mit seinem Namen engstens verbundene arabische Philologie wurden vor allem seine postum 1789 bis 1794 erschienene Übersetzung des Geschichtswerks von Abu’l-Fida (1273–1331) Annales moslemici bedeutsam. Zeitgenössisch wirksam wurde er auch durch seine Beschäftigung mit altarabischen Sprichwörtern,5 mit Numismatik und Epigraphik. Auch als Gräzist leistete Reiske Bedeutendes; z. B. die Edition des Zeremonienbuches des byzantinischen Kaisers Konstantin VII. (Porphyrogennetos), für dessen Kommentar er auch arabische Quellen heranzog.

21.2 Die Übersetzung der Allgemeinen Weltgeschichte Die Gestalt der deutschen Übersetzung der Allgemeinen Weltgeschichte ist durch Heyne, im sechsten Band (6.1. und 6.2.) aber auch durch Reiske geprägt.6 Beide haben das von Heyne übersetzte Werk kritisch kommentiert. Die Autoren der englischen General History of the World, William Guthrie (1708–1770) und John Gray (1716–1782), legten damit eine Kurzfassung der Universal History vor, die in einer gewissen Konkurrenz zu den 54 Bänden der Universal History stand und diese verbessern wollte.7 Auch Johann August 5 Johann Jacob Reiske, Sammlung einiger arabischer Sprüchwörter, die von den Stecken oder Stäben hergenommen sind, Leipzig 1758 6 Allgemeine Weltgeschichte von der Schöpfung an bis auf gegenwärtige Zeit; welche alle bekannten Reiche und Staaten, ihre Veränderungen, Staatsverfassungen, Gesetze, Religionen, Sitten und Gebräuche, ihr Wachsthum in der Gelehrsamkeit, den Künsten und Wissenschaften, der Handlung und Schiffahrt, sammt ihrer Zeitrechnung, ihren Alterthümern, öffentlichen Gebäuden und besondern Seltenheiten der Natur und Kunst in sich begreift; ausgefertigt von Wilhelm Guthrie, Johann Gray, und andern in diesen Theilen der Wissenschaften berühmten Gelehrten. Aus dem Englischen übersetzt. Aus den Originalschriftstellern berichtigt, und mit einer fortlaufenden Zeitrechnung und verschiednen Anmerkungen versehen von Herrn Christian Gottlob Heyne, Professor der Beredsamkeit zu Göttingen. Sechsten Bandes erster Theil. Mit gnädigster Freyheit. Leipzig bey M. G. Weidmanns Erben und Reich. 1768. 7 Dass es sich um eine Kurzfassung der Universal History handelt, die diese gleichzeitig kritisiert und verbessern will, erklärt sich u. a. aus folgender Bemerkung von Guthrie und Gray im Vorwort zum ersten Band (S. xii–xiii): „But to attain a just elegance, order was requisite; it was necessary, in so complex a subject, to be very careful both of the method and the connexion. This is a point in which all writers of general history have usually vied with the predecessors, every last attempt discovering the defects in the former: and indeed to do each justice, every last attempt seems to have been the best in this respect. Method, in very complex subjects, is one of those attainments which is gained only by the successive application of different talents to the same pursuit; it is mended by repeated effort, and refines as it flows; so that from the times of the first writer of this kind among the moderns that we remember, down to that of the late Universal History published in fifty four volumes, the distribution of the parts has gone on improving. It would therefore be the height of injustice not to acknowledge our obligations to those writers last mentioned for their assistance in this particular. We have, however, laid hold of every opportunity that offered of

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21. Die General History of the World von Guthry/Gray

Ernesti kritisiert in seinem Vorwort zum ersten Band von Heynes Fassung der Allgemeinen Weltgeschichte die Universal History: Sie haben sich zuweilen in ihre Materialien so verirret, daß sie nicht wieder heraus finden konnten, in Erzählung gewisser nicht nothwendiger Dinge, in Muthmaßungen, in geographische Sachen, so weit eingelassen, daß es uns zuweilen vorgekommen ist, als hätten sie vergessen, daß sie eine Geschichte, nicht Geographie oder Chronologie, oder Philologie schrieben; da sie hergegen in einigen andern Dingen zu sparsam gewesen sind. (IX)8

Die in Halle durch Baumgarten und Semler herausgegebene deutsche Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie kritisiert er damit nur indirekt, ja er hat sogar bescheidenes Lob für dieses verlegerische Konkurrenzunternehmen übrig, das durch eine große Anzahl von Anmerkungen, Zusätzen und Erläuterungen verbessert worden sei. Dennoch sei dieses umfangreiche Werk, das eher einer Bibliothek gleiche, eigentlich unbrauchbar. Fachleute würden es nicht benutzen, anderen wäre es wie ein ägyptisches Labyrinth, in dem kein Ausgang zu finden sei. Ernesti habe Heyne empfohlen, als man ihn um Rat gebeten habe, wer eine lesbare Verbesserung der Algemeinen Welthistorie erarbeiten könnte. Heyne habe gezögert. „Mitten in der Verlegenheit, in welcher man sich hiebey befand, wurde aus Engelland ein Werk auf eine vortheilhafte Art angekündiget, das in gleicher Absicht verfertiget wäre.“ (XI–XII)9 Der nun vorliegende erste Band sei im Vergleich zur Algemeinen improvement, particularly by proscribing all such foreign matter as tended to lead the reader away from the principal subject. Uniformity in a work of this kind should be principally attended to; in a subject like this, consisting of heterogeneous parts that are best feebly held together, we should never render the connexion still more feeble by the insinuation of new materials; or, to express it in a different manner, where there is already danger of embarrassment from multitude, the introduction of foreign members would be necessarily encrease the tumult. We hope, therefore, that the reader will here see the revolutions of empires without confusion, and trace arts and laws from one kingdom to another, without losing his interest in the narrative of their other transactions.“ 8 Johann August Ernesti, [Vorwort]. In: Allgemeine Weltgeschichte von der Schöpfung an bis auf gegenwärtige Zeit, Bd. 1, Leipzig 1765, S. III–XIV, Zitat S. IX. 9 A General History of the World, from the Creation to the present Time. Including All the Empires, Kingdoms, and States; their Revolutions, Forms of Government, Laws, Religions, Customs and Manners; the Progress of their Learning, Arts, Sciences, Commerce and Trade; Together with Their Chronology, Antiquities, Public Buildings, and Curoisities of Nature and Art. By William Guthrie, Esq; John Gray Esq; And others eminent in this Branch of Literature. [cui lecta potenter erit res / Nec facundia deseret hunc, nec lucidus ordo. Hor.] Volume I. London: Printed for J. Newberry, R. Baldwin, S. Crowder, J. Coote, R. Withy, J. Wilkie, J. Wilson and J. Fell, W. Nicoll, B. Collins, and R. Raikes. MDCCLXIV. Im sechsten Band (Vol. VI.), ebenfalls 1764 erschienen, findet sich die Darstellung Mohammeds nach einer Einführung in die arabische Geschichte (auf den Seiten 25–83). Die Schreibweise arabischer Namen und Ausdrücke wird in diesem Werk explizit dem bekannten Gebrauch angepasst, womit man sich ebenfalls von der Universal History abgrenzt (Vorwort zu Vol. I., S. xiv–xv): „Thus, for instance, when an Arabian historian, and his faithful copyists, in a late Universal History, assures that H reth Ebn Tal tula led an army into the field, which by the temerity of Al Howaireth Ebn Nokaid Ebn Wahab Ebn Abd Ebn Kosa was

21.3 Heynes Vorwort zum sechsten Band

413

Welthistorie sehr geschickt um Überflüssiges gekürzt, ohne dass man Wichtiges vermissen müsste. Die englischen Verfasser Guthrie und Gray hätten fast nur aus der Universal History geschöpft. Heyne habe die dadurch entstehenden Mängel ausgeglichen, die Quellenbasis erweitert und dokumentiert sowie die Chronologie verbessert. Damit wurde auch dieses englische Werk in einer deutschen Übersetzung und – was entscheidend ist – mit Kommentaren vorgelegt. Die von Semler verfassten oder wenigstens herausgegebenen Kommentare zur Geschichte Mohammeds in der Algemeinen Welthistorie (Universal History) sind bereits dargestellt worden. Hier sind nun Johann Jacob Reiskes und teilweise auch Christian Gottlob Heynes Kommentare zur Mohammed-Darstellung zu beachten. Sie beziehen sich auf die General History of the World, eine Kurzfassung der Universal History, die Semler kommentiert hatte, und sie sollen dieselbe Zielgruppe bedienen. Hier verbinden sich also die Kommentare Semlers und die Kommentare Reiskes für dieselbe Leserschaft.

21.3 Heynes Vorwort zum sechsten Band Heyne hatte die ersten Bände seit 1765 herausgegeben und sich nun für die Durchsicht dieses sechsten Bandes über Arabien nach einem geeigneten Bearbeiter umgesehen. Das Buch kommt nicht nur als Kurzfassung, sondern offenbar auch als Göttinger Konkurrenz zur Hallenser Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie in Betracht,10 denn es wird hier – wie schon im Vorwort Ernestis zum ersten Band – durchaus Kritik an der Qualität des größeren Vorläufers laut: utterly defeated, we thought Leß ceremony might be used with such an indifferent general, and simply mention Howaireth’s folly and his defeat. To be serious, innovation in a work of this nature should by no means be attempted; those names and spellings which have been used in our language for time immemorial, ought to continue unaltered; for like states, they acquire a sort of jus diuturne possessionis, as the civilians express it, however unjust their original claims might have been. Yet how far we have reformed these defects of style, without substituting errors of our own, we leave the public to determine; for few writers are judges of themselves in this particular.“ Aus diesem Grunde wird in Band 6 dann auch „Mahomet“ geschrieben, und auf die Schreibweise der „Arabian writers, Mohammed“, nur einmal hingewiesen (vgl. Bd. 6, S. 25). Dies findet sich allerdings nicht in der deutschen Übersetzung Heynes wieder, in der durchgängig von „Mohammed“ die Rede ist. Außerdem widerspricht Heyne in seiner Übersetzung genau dieser Bemerkung. Ein solches Vorgehen tauge nur für „flüchtige Leser“: „Wenigstens sollten die richtigen Namen unterm Texte beygefügt werden.“ (Bd. 1, S. 19). 10 Ab Band 31 wurde dann auch die Algemeine Welthistorie nicht mehr von Semler, sondern von den Göttinger Historikern August Ludwig von Schlözer und Johann Christoph Gatterer, später auch von Johann Georg Meusel, Johann Friedrich Le Bret und Ludwig Albrecht Gebhardi herausgegeben.

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21. Die General History of the World von Guthry/Gray

,Da der Verleger wünscht‘, schreibt Heyne im Vorbericht, ,dieser Weltgeschichte so viel Vollkommenheit zu verschaffen, als er es nur bey der Unvollkommenheit, mit welcher die allgemeine Weltgeschichte zur Zeit noch bearbeitet ist, in seiner Gewalt hat, so ließ er sich leicht geneigt finden, zur Durchsicht dieses Bandes einen Mann zu wählen, welcher diesen Theil der Geschichte zu seiner besondern Beschäfftigung gemacht hätte, und die dazu erforderliche Litteratur besäße, Herr Prof. Reiske war der erste, an welchen man hierbey denken konnte; und er war so gefällig, daß er in das Ansuchen, diese Arbeit zu übernehmen, einwilligte.‘ (2r–2v)

Heyne begründet nun, warum Reiske diesen Band bearbeiten sollte. Reiskes Gelehrsamkeit, seine Kenntnis der arabischen Literatur und Geschichte, seine Übersetzungen historischer Werke aus dem Arabischen, seine Auszüge aus den besten arabischen Schriftstellern setzten ihn leicht in den Stand, viele vortreffliche Anmerkungen auf das Papier zu werfen, Irrthümer und Fehler, welche Guthrie theils eigen, theils, und zwar mehrentheils, mit dem großen Werke der allgemeinen Welthistorie gemein hat, zu bemerken und zu verbessern, und überhaupt dem deutschen Guthrie Vorzüge zu geben, deren sich vielleicht noch kein anderes Werk dieser Art zur Zeit noch zu rühmen hat. (2v–3r)

Offenbar versprachen sich Verleger und Herausgeber viel von einer Bearbeitung durch Reiske. Sie sollte die Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie nicht nur durch Übersichtlichkeit und Kürze, sondern auch in der historiographischen und sprachlichen Qualität übertreffen. Doch Reiske konnte nicht wirklich gewonnen werden, denn er bearbeitete zu dieser Zeit ganz andere Themen, wie es in Heynes Vorwort heißt. Nur ungern und aus dem Gedächtnis oder den zufällig zur Hand befindlichen Schriften habe Reiske den Text kommentiert, teilweise auch nur Fehler ohne Verbesserungsvorschläge angemerkt und – zum Leidwesen Heynes – „die Zeitrechnung gar nicht bearbeitet, ohne welche die Absichten bey der deutschen Ausgabe des Guthrie gar nicht zu erreichen seyn würden.“ (3r–3v) Heyne habe dies daher selbst – „wider Willen und ohne Neigung“ (3v) – übernommen, den Guthrie mit der Algemeinen Welthistorie verglichen, „aus der er ein Auszug seyn sollte“ (3v), und gegebenenfalls die Originalschriftsteller herangezogen.

21.4 Der Text über Mohammed und die kritischen Kommentare von Heyne und von Reiske Die Bemerkungen Reiskes sind von Heyne in die Anmerkungen der Bände 6.1. und 6.2 eingearbeitet und gekennzeichnet worden. Auf dieser Grundlage ist es möglich, Aussagen des „Guthrie“ in ähnlicher Weise mit ihren Kommentaren zusammen wahrzunehmen, wie dies bei Semler und der Uebersetzung der

21.4 Kommentare von Heyne und von Reiske

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Algemeinen Welthistorie möglich war. Auf diese literarische Diskussion beschränkt, soll das Werk mit einzelnen, auffälligen Aussagen in den Blick genommen werden. Das zweite Hauptstück bezeichnet Mohammed bereits in der Überschrift als einen Betrüger, der schlechte Zustand der Religion in Europa, Asien und anderen Teilen der damals bekannten Welt „war den Anschlägen des Betrügers Mohammed überaus günstig“ (53). Zum Leben Mohammeds schreibt Heyne folgende Literaturanmerkung, in der er auf Abu’l-Fida (1273–1331) und Abu¯ Sa’ı¯d al-Dschanna¯bı¯ (gest. 913) anspielt: Der Hauptverfasser des Lebens Mohammeds ist Abul feda, herausgegeben von Gagnier, Oxf. 1723. und Herrn Prof. Reiske in Annal. Moslemic. Abulfedæ. Einiges ist aus Jannabi u. and. beym Pocock Spec. Hist. Arab. Abulpharagii Hist. Dynastiar. Dyn. IX. Elmacini Hist. Saracenic. c. i. sq. und dem Koran gezogen. Unter den neuern ist der vorzüglichste Gagnier. Weit unter ihm stehen Prideaux, Boulainvilliers, Bayle im Art. Mahomet, Maracci und Sale vor dem Koran, Okley vor der Gesch. der Saracenen, Marigny vor der Gesch. der Araber. Auch die Verf. der Engl. Welthistorie wollen hier etwas vorzügliches geleistet haben; sie sind wenigstens sehr ausführlich. (55 Anm. c)

Bemerkenswert ist die Einschätzung, dass Gagnier der Vorzug zu geben sei, und dass Sale wie auch Ockley sich weit darunter in einer Reihe mit so unterschiedlichen Autoren wie Prideaux, Boulainvilliers, Bayle und Marracci finden.11 Der Haupttext berichtet davon, dass Mohammed in der Wüste (Reiske: „in einem arabischen Dorf“ [57 Anm. f]) „einige Anwandlungen von der fallenden Sucht“ (57) gehabt habe, die seine Anhänger später als übernatürlichen Antrieb erklärt hätten. Reiske erklärt dies auf der lexikalischen Ebene: Dieß ist das gewöhnliche Vorgeben der Christen. In den Schriften der Araber findet sich kein entscheidender Beweis davon. Sie sagen nur von ihrem Propheten, daß er zuweilen Sodea, daß ist Kopfweh, gehabt habe. da der Buchstabe Dal mit dem Buchstaben Re in den arabischen Handschriften eine so große Aehnlickeit hat, daß vielmals blos der Zusammenhang und der Sinn bestimmen muß, welcher von beyden gemeynet sey, so kann gar leicht der erste, welcher von dem Mohammed vorgegeben hat, er sey der fallenden Sucht unterworfen gewesen, gelesen haben Sorea, morbo comitiali fuit impetitus. Vielleicht hat sogar Bosheit Anteil daran gehabt. R. (57–58 Anm. g)

Im Haupttext heißt es über Mohammed: „es ist gewiß, daß er nicht schreiben konnte, oder daß er wenigstens vorgab, er könnte es nicht“ (58). Reiske 11 Reiske kritisiert Gagnier dagegen an geeigneter Stelle sehr deutlich in Bezug auf eine falsche Übersetzung und schreibt: „dergleichen Stellen giebt es in Gagniers Uebersetzung mehr, wo er seinen Abulfeda und andere Araber die widersinnigsten Sachen sagen läßt. R.“ (S. 67 Anm. q) Daraus lässt sich kaum eine so eminente Wertschätzung Reiskes für Gagniers Vie da Mahomet konstruieren, wie Heyne sie hier seinerseits vorlegt; vgl. Heyne, Allgemeine Weltgeschichte, S. 553.

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21. Die General History of the World von Guthry/Gray

kommentiert dies so: „Schreiben und Lesen konnte damals in Arabien kein Mensch. Die arabischen Buchstaben kamen erst auf, als Mohammed etwa funfzehn Jahre alt war. Alle die Folgerungen also, die man hieraus auf seine Erziehung und Ungelahrtheit macht, sind irrig. R.“ (58–59 Anm. h) Zu der entscheidenden Frage des Betruges heißt es im Haupttext: „Es ist noch bis diesen Tag ein Geheimniß, auf welche Art der Entwurf der Betrügerey gemacht worden ist.“ (59) Dazu schreibt Reiske: Man hat völlig Ursache zu zweifeln, daß Mohammed einen überdachten Plan zu seinen Betrügereyen gemacht habe. Seine Verbesserung des arabischen Gottesdienstes baute er anfangs auf dem Grundsatze, daß derselbe, so wie er damals war, ausgeartet, und mit heidnischem Aberglauben und christlichen Lehrbegriffen vermischt sey; er müsse also wiederum in der ursprünglichen Lauterkeit hergestellt werden, in welcher er vom Abraham und Ismael hinterlassen worden sey. Ein Einfall zog hierauf den andern nach sich, und der glückliche Erfolg machte den Mohammed noch kühner, immer weiter zu gehen. Endlich gediehe alles dieß zu einer förmlichen Religion, der das Geklügle ihrer Anhänger den Anstrich eines Zusammenhanges und einer Uebereinstimmung mit sich selbst erst nachher gegeben hat, so wie es mit mehr andern Religionen ergangen ist. (59–60 Anm. i)

Die Vorstellung, Mohammed habe einen Plan erarbeitet und ausgeführt, wird von Reiske damit abgelehnt. Viel wahrscheinlicher scheinen ihm äußere Faktoren und der Erfolg die Gründe der Entwicklung zu sein. Einige Religionen hätten nach Reiske demnach die Eigenart, erst im Nachhinein zu einem Religionssystem (Zusammenhang und Übereinstimmung mit sich selbst) entwickelt worden zu sein. Also kein Plan oder Betrugsplan, sondern ein bekanntes Phänomen der Religionsgeschichte wird hier zu beschreiben sein. Mohammed gilt hier als Opfer seines eigenen Erfolgs. Die „förmliche Religion“ ist also nachträglich entstanden, wie andere Religionen auch. Das Wort „Betrügerei“ wird hier allerdings auch in dieser Anmerkung Reiskes verwendet. Heyne fügt dieser Anmerkung Reiskes noch einen entscheidenden historiographischen Aspekt hinzu: Es scheint überhaupt nicht genug erwogen zu werden, daß alle die Nachrichten vom Mohammed viel zu unsicher und zu unvollkommen sind, um von seinen Veranlassungen, Gründen und Absichten mit Sicherheit urtheilen zu können. Es fällt dieß in die Augen, wenn man bedenkt, daß wir keinen gleichzeitigen glaubwürdigen Schriftsteller haben, und daß die Nachrichten nicht nur um so viele Zeit später, sondern auch durchgängig entweder durch den Fanatismus oder den Religionshaß verstellt und verfälscht seyn müssen. Wir enthalten uns, im folgenden bey jedem einzelnen Falle, wo dieß zu bemerken wäre, eine Anmerkung beyzufügen. (60 Anm. c)

Damit wird im Grunde allen gängigen Interpretationen der Person Mohammeds ein Riegel vorgeschoben. Für das Erheben seiner Motive und Absichten

21.4 Kommentare von Heyne und von Reiske

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gebe es keine angemessene Quellengrundlage. Sämtliche vorhandenen Quellen fallen nach Heynes Bemerkung unter „Religionsverdacht“ (Fanatismus oder Religionshass als Grund für Verstellungen und Fälschungen). Aus dieser Bemerkung folgt, dass eine historisch-moralische Beurteilung Mohammeds mit wissenschaftlich-historischen Mitteln letztlich gar nicht möglich ist. Möglich ist dann höchstens ein religionskritisches oder ein apologetisch-theologisches Projekt, das hier aber nicht vorgelegt wird. Heyne setzt der Geschichtsschreibung hier methodisch wie in der Darstellung eine klare Grenze. Ähnlich äußert sich auch Reiske in einer weiteren Anmerkung. Im Haupttext heißt es über Mohammed: Um einen guten Schein zu erhalten, fiel er auf das beste, vielleicht aber kühnste Mittel, das iemals einem Menschen eingekommen ist; auf eine stufenweise, oder vielmehr gelegentliche Offenbarung. Er kannte wohl seine eigene Leibesbeschaffenheit, welche besonders wollüstig und sinnlich war, vornehmlich in Ansehung des weiblichen Geschlechts; und er sagte nachgehends, er könnte den Entwurf, den er im Sinne hätte, nicht ausführen, ohne ein Meer von Blute zu vergießen, und sich der abscheulichsten Unmenschlichkeiten schuldig zu machen. Er wußte ferner, daß kein allgemeines Lehrgebäude von Religion oder Sittenregeln unter seinen Landsleuten würde angenommen werden, dessen Grundsätze ein solches Verfahren behaupteten oder bestätigten. Daher beschloß er sehr weislich, daß seine Lehre, so wie sie mündlich vorgetragen würde, allgemeine Bekenntnisse der Religion und Tugend enthalten sollte; sobald er aber in die Nothwendigkeit gesetzt seyn würde, beyde auf offenbare Art zu überschreiten, nahm er sich vor, einen Ausspruch oder ein Kapitel bereit zu haben, das ihm Gott eingegeben haben sollte, um seine That zu rechtfertigen. (62–63)

Auf diese Art wird im Text der Koran eingeführt. Zum Anfang dieser Passage merkt Reiske an: Das folgende enthält Grillen eines Geschichtschreibers, welcher gern pragmatisch schreiben möchte. Er setzt sich hin, erdenkt sich Ursachen zu seiner Begebenheit, und um beyde passend zu machen, giebt er der Begebenheit die Wendung und die Gestalt, welche seine erfundenen Ursachen erforderten. So entsteht ein völliges Luftgebäude. R. (62–63 Anm. l)

Zum Koran selbst, der im Haupttext auch als „das Evangelium Mohammeds“ bezeichnet wird und der „nichts anders, als eine Sammlung abgerißner Stücke“ sei, „durch Dichtkunst erhöht“ (63), schreibt Reiske in seiner Anmerkung: Der Koran ist eine Sammlung von Reden oder Predigten, welche Mohamed an seine Leute hielt. Der Name selbst giebt es. Koran bedeutet eine Sammlung, eine Anthologie oder Chrestomathie. Hätten wir vollends die Tradition im Drucke, so würden wir Mohammeds großen Geist und wunderbare Beredsamkeit erst recht bewundern. Denn gegen die weisen Sprüche, welche darinne diesem Manne beygelegt werden, ist der ganze Koran ein Kindergewäsche. Man muß zwar zweifeln, ob alles von ihm

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herrühre; genug aber, es ist schön, es ist meisterhaft. So sehr ich die Schwärmereyen, beydes des Korans und der Tradition, verachte, so verehre ich doch die Ueberreste von Mohammeds Geiste in der Tradition so sehr, als irgend eines andern großen Mannes, welchen die Natur je hervor gebracht hat. R. (63–64 Anm. m)

Reiske verschweigt die Begeisterung des Arabisten für die Schönheit der Überlieferung keineswegs. Mohammed gilt ihm wegen seiner Geistesgaben als „großer Mann“. Dennoch macht auch Reiske deutlich, dass die Absichten Mohammeds kein Gegenstand der Untersuchung und der Beschreibung sein können, ein Aspekt, der von Heyne deutlich herausgestellt wird. Zum Ausdruck „Islamismus“ im Haupttext erklärt Reiske weiterhin: Islam heißt so viel als eine gänzliche Verläugnung seiner selbst, und Ergebung in den göttlichen Willen mit Aufopferung seines eigenen Willens und Beharrlichkeit bey der erkannten Wahrheit. Moslem ist also einer, der Gott und dessen Willen mit unverfälschtem Glauben und unbedingtem Gehorsam ergeben ist. R. (65 Anm. n)

Zur Beschreibung der Himmelsreise Mohammeds fragt Reiske: „Sollten vernünftige Mohammedaner selbst wohl diese Beschreibungen anders lesen und ansehen, als wir die miltonschen Paradießreisen der Engel und Teufel? R.“ (79 Anm. c) Anlässlich der Hidschra heißt es im Haupttext: Bis daher war unsers Propheten Religion, so phantastisch sie auch scheinen mag, doch noch nicht teuflisch. Sie schien noch mehr von der christlichen als einer andern zu entlehnen; und diejenigen Theile des Korans, die vor dieser Zeit bekannt gemacht wurden, empfehlen auf sehr merkwürdige Art seinen Anhängern Langmuth und Geduld bey den zu erleidenden Verfolgungen und Kränkungen. Der Betrüger gieng iedoch noch weiter. Denn er wählte sich, zur Nachahmung Christi, 12 Männer aus den Ansars, denen er eben die Macht gab, als unser Heiland seinen Aposteln; sich selbst nannte er den grossen Apostel seines Volks; und sie willigten darein. (86–87)

Auch diese Passage ist für Reiske ein Beispiel für „pragmatische Geschichte“: „In allem dem folgenden muß man gegen ein erkünsteltes Ansehen einer pragmatischen Geschichte, welches natürlicher Weise zu einer leeren Declamation führt, auf seiner Hut seyn. R.“ (86 Anm. i) Im Haupttext heißt es, Mohammed habe einen Grundsatz aufgestellt, „dem seine Nachfolger so unveränderlich nachgekommen sind, die, welche sie bezwangen, oder zu bezwingen gedachten, zu nöthigen, entweder den Islamismus anzunehmen, oder Tribut zu erlegen. Das erstere schmeichelte der herrschenden Leidenschaft des Betrügers, das letzte befriedigte seine Geiz.“ (119) – „aber die musulmannischen Unterthanen selbst sind deswegen nicht von Abgaben und Steuern befreyet. R.“ (119 Anm. d), merkt Reiske dazu an. Wie in der Algemeinen Weltgeschichte12 so findet sich auch hier die Meldung 12 Vgl. Heyne, Allgemeine Weltgeschichte, S. 135.

21.4 Kommentare von Heyne und von Reiske

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vom Speichel-Lecken: „Es ist unglaublich, in welcher Ehrfurcht damals der Prophet bey seinen Anhängern stand, daß sie sogar das Haar von ihm, und das Abgeschnittne von seinen Nägeln aufhoben, das Wasser tranken, dessen er sich bedient hatte, und seinen Speichel aufleckten.“ (125) Während diese Meldung in der Algemeinen Weltgeschichte unkommentiert abgedruckt wird, schreibt Reiske in Heynes Ausgabe dazu: Die arabischen Schriftsteller sagen nur so viel: man habe dem [!] Mohammed so sorgfältig bedient, daß, wenn er sich gewaschen hätte, ein jeder der erste habe seynwollen, der das Wasser wegnähme, und wenn er ausgespuckt hätte, so habe man um die Wette geeilet, es wegzuwischen. R. (125 g)

Ähnliches gilt auch für den Vorwurf der Hurerei, die Mohammed trotz Verbots in seinem eigenen Gesetz mit der Koptin Maria getrieben habe, wie es im Haupttext heißt. Dazu schreibt Reiske: Die Verf. sehen die Sachen viel zu oft nach unsern Sitten und Begriffen an; sie kennen die Araber nicht. Kein Araber verspricht seiner Frau eine ewige Treue. Die Frau weiß es auch schon vorhin, daß der Mann, wenn er will und kann, sich so viele Weiber und Beyschläferinnen nehmen wird, als es ihm beliebt, und daß sie kein Recht hat, ihm darinnen etwas vorzuschreiben, ob sie gleich selbst eingezogen leben muß. R. (131 m)

Im Gegensatz dazu findet sich in der Algemeinen Welthistorie kein historischer Kommentar zum mehrfachen Hinweis auf Hurerei Mohammeds. Semler verteidigt in seinem, im Vorwort zu Band 20 nachgereichten Kommentar in dem hier dargestellten Zusammenhang – Hurereivorwurf wegen des Verhältnisses zur Koptin Maria – den im Haupttext der Algemeinen Welthistorie kritisierten Sale und nicht etwa, wie Reiske, die dargestellte Person – Mohammed. Semler schreibt: Das Urteil über den Sale §. 119 ist ungegründet, und desto sonderbarer, als der meiste Theil dieses §. mit des Sale eigenen Worten abgeschrieben ist, aus seinen Anmerkungen über den Coran p. 456 und 457 im englischen; woraus man auch sieht, daß diese Marie 5 Jahr nach dem Mohammed zu Medina gestorben, und im Al Baki ordentlich begraben worden, wovon Prideaux gar unrichtig geschrieben hatte. (Bd. 20, Vorr. 15)

Reiske schreibt zu demselben Sachverhalt einen ganz anders gelagerten Kommentar, der die historisch-kulturellen Umstände erläutert und nicht Sale, sondern Mohammeds Verhalten erläutert bzw. erklärt, zumindest aber den aus der Interpretation stammenden Vorwurf der Hurerei entkräftet. Auch wenn Heyne wie Reiske betonen, dass sie nicht alle Falschheiten anmerken würden,13 finden sich bei derartigen Aussagen in der Regel Kommentare zum Text. 13 Vgl. Heynes Aussage (Heyne, Allgemeine Weltgeschichte, S. 60 Anm. c): „Wir enthalten uns, im folgenden bey jedem einzelnen Falle, wo dieß zu bemerken wäre, eine Anmerkung beyzufügen.“

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21. Die General History of the World von Guthry/Gray

Dafür soll ein letztes Beispiel genügen. Der Prophet habe eine einfache und mäßige Lebensart angenommen, heißt es anlässlich der Meldung von der Geburt eines Sohnes Mohammeds und Marias, die Anlass für ein Fest und für Geschenke an Arme gewesen sei. Dergleichen Umstände, wiewohl sie außerdem nicht erheblich sind, dienen, die große Einfalt in der Lebensart zu bezeichnen, die der Prophet angenommen hatte, und die außerordentliche Mäßigkeit, die er beständig ausübte. Dieß vermehrte unstreitig die Kräfte seiner Leibesbeschaffenheit, welche seine Weiber, mit denen er fortfuhr sich täglich die lasterhaftesten Ausschweifungen zu erlauben, stets ungeschwächt fanden. (145)

Zu dieser Passage merkt Reiske an: „Dieß sind offenbare Verläumdungen des Propheten, und zweytens gehört so etwas auf keine Weise in die Geschichte. R.“ (145 s) Der Durchgang zeigt, dass Reiskes Kommentare für diese deutsche Übersetzung Heynes von erheblicher Bedeutung sind.14 Hier kritisierte ein bekannter Fachmann landläufige Mohammed-Bilder. Das blieb offenbar nicht unwidersprochen. Silvia Horsch resümiert: „Reiske, der erste namhafte deutsche Arabist, betonte, dass die islamische Geschichte an innerem Gehalt nicht hinter der abendländischen zurückstehe. Er sah Muhammad nicht als Betrüger an und erkannte auch im Siegeszug des Islam die Fügung Gottes. Auch aufgrund dieser Ansichten stand er im Geruch der Freigeisterei – einer der Gründe, warum er nie einen Lehrstuhl bekam.“15

und Reiskes Bemerkung S. 135 Anm. o: „Aber solche kleine Unrichtigkeiten überall aufzusuchen und zu rügen, wäre ekelhaft. R.“. 14 Auch im Vorwort der Mignot-Übersetzung wurden mit Kommentaren Reiskes geworben, die allerdings nie erschienen. Herrn Mignots Abts zu Scellieres und Ehrenmitglieds des hohen Raths Geschichte des Ottomanischen Reichs von seinem Ursprunge bis zum Belgrader Frieden 1740, Mitau und Leipzig, verlegts Jakob Friedrich Hinz, 1774, Bd. 1, S. *8r–*8v: „Es würde mir nicht schwer geworden seyn, meiner Übersetzung auch noch Anmerkungen beyzufügen. Wenigstens hätte ich die Abhandlung von Mahomet und seinen Nachfolgern, die in der That sehr unvollständig ist, erweitern, und bey der Geschichte selbst das anführen können, was in der verbesserten Geschichte des Herrn de la Croix mit andern oder mehreren Umständen erzählet wird. Allein ich besorge, daß ich das Werk dadurch ohne Not vergrößern möchte. Sollte ich mich noch bey den beyden übrigen Theilen entschließen, Zusätze zu machen, so kann das, was bey diesem ersten Bande weggeblieben ist, in der Vorrede des zweyten nachgeholet werden. Uebrigens hoffe ich, von dem berühmten Herrn Doktor Reiske, dessen vorzügliche Kenntniß in der arabischen Litteratur und morgenländischen Geschichte von jedermann bewundert und geschätzet wird, wenn es seine übrigen gelehrten Beschäftigungen verstatten, noch Zusätze und Anmerkungen zu erhalten, die auch dieser Uebersetzung einen vorzüglichen Werth beylegen werden.“ Ob diese Bitte wirklich an Reiske herangetragen wurde oder nicht: Es gibt kein Vorwort zu Bd. 2. auch nicht zu Band 3. Diese Werbung mit dem Namen Reiske hatte also keine inhaltlichen Folgen. 15 Horsch, Rationalität, S. 26; vgl. auch Fück, Studien, S. 108–112.

22. Mahomed als Antichrist, der Koran als das Thier sowie als Erbauungsbuch für Christen und Lehrbuch für Juden – David Friedrich Megerlins Koran-Übersetzung (1772) David Friedrich Megerlin (ca. 1698–1778)1, ein gebürtiger Württemberger2, studierte Theologie in Tübingen, legte dort 1718 sein Magisterexamen ab und war von 1725 bis 1729 Repetent am Tübinger Stift. Von 1729 bis 1735 war er Rektor am Gymnasium in der damaligen linksrheinischen württembergischen Grafschaft Mömpelgard (heute Montb liard). Von dort aus wechselte er 1735 in den Pfarrdienst des Königreiches Württemberg nach Maulbronn, zunächst auf die zweite Predigerstelle, 1736 auf die erste. Nach zwölf Jahren im säkularisierten Kloster Maulbronn wurde er gegen seinen Willen als Dekan in die Heilbronner Gegend nach Güglingen versetzt. 1749 wurde ihm Unterschlagung vorgeworfen, dem verhängten Hausarrest versuchte er sich zu entziehen, wurde jedoch festgenommen und aus dem kirchlichen Dienst entlassen. 1750 wurde er von seiner Frau geschieden. Megerlin widmete sich fortan seinen Studien; nach Jöcher/Adelung war er bis 1769 Pastor und Rektor in Lambach in der Wetterau und schließlich Privatgelehrter in Frankfurt am Main.3 Er 1 Zur Biographie vgl. Matthias Wolfes, Art.: „Megerlin, David Friedrich“. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band XVI (1999), Sp. 1043–1047. Über die späteren Lebensjahre gibt Wolfes keine Auskunft, die Angaben zum Lebensweg unterscheiden sich deutlich von Jöcher/ Adelung, die er allerdings nicht zitiert. Die vorhandenen biographischen Angaben für die frühere Lebenszeit belegt Wolfes folgendermaßen: „Landeskirchliches Archiv Stuttgart. Bestand: A 13: Zeugnisbuch des Konsistoriums. Band 2, Bl. 268; – Das Evangelische Wuerttemberg. 2. Hauptteil: Generalregisterbuch. Mitteilungen aus dem Leben der evangelischen Geistlichen von der Reformation an bis auf die Gegenwart. Ein Nachschlagewerk in alphabetischer Ordnung. [Abteilung:] M–N. Gesammelt und bearbeitet von Christian Sigel, o.O. o. J. [Hand- und maschinenschriftliches Exemplar beim Landeskirchlichen Archiv Stuttgart], Eintrag Nr. 72, 44 M.“ Sie werden auf dieser Grundlage hier geboten und abweichenden Angaben des DBA vorgezogen. Weiterführende Auskünfte erfolgen nach Jöcher/Adelung (vgl. DBA 1–817); sehr knappe biographische Angaben bieten auch Elena Daum in Bobzin, Glaubensbuch. S. 30 und Michael Fisch, umm-al-kit b, S. 61; zusätzlich zur Biographie vgl. Adolf Wohlwill, Deutschland, der Islam und die Türkei. In: Euphorion 22 (1915), S. 1–21 und 225–267. 2 Wolfes gibt als Geburtsdatum ca. 1698 und als Geburtsort Königsbronn an, bei Jöcher/Adelung wird als Geburtsort (ohne Jahr) Stuttgart genannt. 3 Dass er danach Professor (wiederum) in Maulbronn gewesen sei, ist angesichts der von Wolfes dokumentierten unehrenhaften Entlassung wohl eher als eine Verwechslung der Lebensstationen anzusehen, die wohl auf Meusel zurückgeht; vgl. Lexikon der vom Jahr 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller. Ausgearbeitet von Johann Georg Meusel. Neunter Band. Leipzig, bey Gerhard Fleischer, dem Jüngeren. 1809, S. 13. Dass er in Maulbronn Professor (an der

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22. Megerlins Koran-Übersetzung

starb im August 1778. Von seinen Schriften sind hier die Texte zur Judenbekehrung zu nennen,4 denen mehrere Veröffentlichungen zu Mahomed und zum Koran folgten.5 Diese Texte des späten Megerlin, er war zur Zeit ihres Erscheinens 70 bzw. 74 Jahre alt, ermöglichen die Einordnung seiner Koranübersetzung, deren Vorwort ebenfalls einen umfassenden Einblick in seine Gedanken und Meinungen gibt. Der aus den evangelisch-katholischen württembergischen Gebieten stammende Megerlin hatte bereits in den 1750er-Jahren mehrfach apologetische bzw. konfessionspolemische Schriften in Auseinandersetzung mit dem römischen Katholizismus publiziert. Seine Interessen galten aber vor allem dem alten und neuen rabbinischen Judentum wie auch dem Koran und dem Osmanischen Reich, die für ihn letztlich ,Missionsfelder‘ waren, wie aus vielen Publikationen Megerlins deutlich wird. Seine Publikationen, und damit auch seine Koranübersetzung bewegen sich zwischen Apologetik, Polemik und Missionstheologie. Mit Blick auf die Einordnung Megerlins Koranübersetzung ist auf zwei kurze Veröffentlichungen von 1772 hinzuweisen, die beide in Frankfurt am

höheren Schule) war, ist dagegen wahrscheinlich, unterzeichnet er doch noch 1772 seine Widmung der Koranübersetzung mit „M. David Megerlin, Prof.“. 4 Z. B. Reitzung der Juden zum wahren Jubelgenuss, 1751; Ansprach an die in der ganzen Welt zerstreute Judenschaft, sonderlich die Frankfurtische, 1755; Geheime Zeugnüsse vor die Wahrheit der christlichen Religion, aus vier und zwanzig neuen und seltenen Jüdischen Amuletten oder Anhängezetteln gezogen, 1756; Neue Erweckung der zerstreuten Judenschaft durch eine allgemeine Rabbinerversammlung, 1756; Christlicher Zuruf an die Rabbinen, ein neues Rabbinerconcilium anzustellen, um die wichtige Frage von dem Messia aufs neue zu untersuchen, 1757; Unzulässigkeit des Schabbasdienstes der Christen bey den Juden, 1763; Abschilderung einer möglichen neuen Zurechtweisung der vom Heilsweg verirrten Juden, 1764; Unumstösslicher Beweis der Wahrheit der christlichen Religion, weil alle Hauptkennzeichen des wahren Messias auch nach der Juden Erforderung in Jesu allein erfüllt zu finden; sammt dem Anhange eines kurzen Wegweisers zur Bekehrung der Juden, 1767. 5 Grundriss eines Offenbahrungsschlüssels von Mahomed dem falschen Propheten Frankfurt a.M./Leipzig 1768; Schriftmäßige Ermunterung, an die gesamte Christenheit, und alle ihre hohe[n] Häupter gerichtet: das Ottomanische Reich, oder das politische Raubthier, und den falschen Propheten im Koran, und das grosse Babylon in Constantinopel, mit gemeinschaftlichen Kräften, nach Gottes willen, zu verfinstern, und seiner Macht zu berauben: und, jetzo und künftig, einander dazu zu helfen: theils aus der Bibel behauptet, theils wider alle Einwürfe vertheidiget, und wohlmeinend entworfen. Frankfurt a.M. 1772; Die türkische Bibel, oder des Korans allererste teutsche Übersetzung aus der Arabischen Urschrift selbst verfertiget. Welcher Nothwendigkeit und Nutzbarkeit in einer besondern Ankündigung hier erwiesen von David Friedrich Megerlin. Franckfurt am Mayn: Johann Gottlieb Garbe 1772; Haupt-Innhalt eines Erweckungsschreibens an den Türkischen Groß-Sultan, um Mahomeds Koran aufs neue zu prüfen, und untersuchen zu lassen, weil er nur ein menschliches Buch, und die wahre[n] Kennzeichen der göttlichen Offenbarung zu Gottes Ehre und der Menschen Seligkeit nicht hat: als welche allein bey der Christen Bibel und Religion in der Probe sich befinden. Frankfurt a.M. 1772. Im Anhang dieser 16-seitigen Schrift findet sich die ebenso lange „Nachricht an den wahrheitliebenden und christlichen Leser, von der Ausfertigung der jüngst neu-übersetzten Türkischen Bibel“.

22.1 Megerlins Vorwort zu seiner Koran-Übersetzung

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Main erschienen und die er – etwas vollmundig – einmal an die gesamte Christenheit und einmal an den Sultan richtete: Zuerst ist zu nennen seine Schriftmäßige Ermunterung, an die gesamte Christenheit, und alle ihre hohen Häupter gerichtet, das Ottomanische Reich, oder das politische Raubthier, und den falschen Propheten im Koran, und das grosse Babylon in Constantinopel, mit allen gemeinschaftlichen Kräften, nach Gottes willen zu verfinstern, und seiner Macht zu berauben, und jetzo und künftig einander dazu zu helfen, theils aus der Bibel behauptet, theils wider alle Einwürfe vertheidiget, und wohlmeinend entworfen. Über die gesamte Christenheit und alle ihre hohen Häupter hinaus wandte sich der Titel seines zweiten Textes an den Sultan in Konstantinopel: Haupt-Innhalt eines Erweckungsschreibens an den Türkischen Groß-Sultan, um Mahomeds Koran aufs neue zu prüfen, und untersuchen zu lassen, weil er nur ein menschliches Buch, und die wahre Kennzeichen der göttlichen Offenbarung zu Gottes ehren und der Menschen Seligkeit nicht hat: als welche allein bey der Christen Bibel und Religion in der Probe sich befinden. Im Anhang zu dieser sechzehnseitigen Veröffentlichung findet sich eine Nachricht an den wahrheitliebenden und christlichen Leser, von der Ausfertigung der jüngst neu-übersetzten Türkischen Bibel. Im Lichte dieses „Erweckungsschreibens“ ist es schließlich Megerlin selbst gewesen, der diese dem Türkischen Groß-Sultan empfohlene Untersuchung vorlegte und dem Leser anpries. Mit seinem Erweckungsschreiben stellt Megerlin sich letztlich in eine Reihe mit Enea Silvio Piccolomini, der als Papst Pius II. (1458–1464) dem Sultan Mehmet II. in seiner Epistola ad Mahumetem die Kaiserkrone angeboten hatte, wenn dieser sich von seiner falschen Christologie ab- und dem Christentum zuwende.6 So betrachtet ist die Publikation des Erweckungsschreibens Megerlins im Jahre 1772 in Frankfurt am Main durchaus als eine selbstbewusste Aktion dieses betagten Privatgelehrten anzusehen.

22.1 Megerlins Vorwort zu seiner Koran-Übersetzung Wie die Widmung an den Direktor, die Vizedirektoren und sämtliche Assessoren des Württembergischen Konsistoriums zu verstehen ist, die Megerlin, mit „M. David Megerlin, Prof.“ unterzeichnet und am 29. September 1771 in Frankfurt am Main datiert, ist nicht klar.7 Immerhin war er nach einem Prozess aus dem württembergischen Kirchendienst entlassen worden. Klar er6 Vgl. Klaus Wolf/Jonas Göhler (Hg.), Papst Pius II. an Sultan Mehmet II. Die Übersetzung der Epistola ad Mahumetem durch Michael Christian, Berlin/Boston 2016. 7 Rehrmann weist auf Probleme hinsichtlich des Publikationsdatums hin und plädiert für die Ostermesse 1772; vgl. Rehrmann, Ehrenthron, S. 77 f.

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22. Megerlins Koran-Übersetzung

kennbar ist dagegen seine Freude über die nun vorgelegte Koranübersetzung, die er schon seit 1750 angestrebt habe.8 Er schreibt: Hochgeehrt und Hochgeneigter, Warheit und Gelehrsamkeit liebender Leser! […] Endlich geht, durch Gottes Schickung, mein vieljähriger Wunsch, in die würkliche Erfüllung: der Türken Bibel, oder den Mahomedanischen Koran, in einer, aus dem Arabischen Grundtext selbst, von mir, verfertigten Uebersetzung, unsern Teutschen, und so der gelehrten und ungelehrten Welt, zu allgemeinem Nutzen und Gebrauch, in die Hände zu lifern, in einem mäßigen und nicht gar theuren Octavband. (7)

In mehreren Durchgängen will Megerlin den gelehrten und ungelehrten Deutschen beweisen, dass und warum eine solche Übersetzung notwendig sei und welchen Nutzen sie habe. Dazu gibt er einen Überblick über die Übersetzungen und Ausgaben des Koran, „seit er im 7. Jahrhundert die Welt zu verführen angefangen, und sich, mit entsetzlicher Geschwindigkeit, in allen 3 Theilen der Welt ausgebreitet, und die wesentliche Hauptwahrheit der Christlichen Religion verdunkeln wollen“ (10–11). Megerlin liefert eine Liste mit 15 Titeln, die er allesamt einzeln, am Ende noch einmal zusammengefasst kritisiert. 1) In den ersten beinahe 500 Jahren habe man keine lateinische Übersetzung „in der schon theils verwilderten Abendländischen Kirche gesehen“ (11), bis 1143, durch den Abt von Cluny veranlasst, die Übersetzung Roberti Retinensis erstellt worden sei, die allerdings bis zu Biblianders Ausgabe 1543 in den Klöstern verborgen geblieben sei. 2) 1547 sei in Venedig eine schlechte italienische, nach der schlechten lateinischen Ausgabe durch Arrivabene veranstaltet worden, der behaupte, sie sei aus dem Arabischen übersetzt. 3) 1616 erschien die erste deutsche Ausgabe des Pfarrers Salomon Schweigger, die von der schlechten italienischen Ausgabe abhänge. 4) Die alte Holländische Ausgabe sei wiederum nach Schweigger erstellt und von Hornbeck deswegen kritisiert worden. 5) 1633 sei die französische Übersetzung von du Ryer in Paris erschienen, die fast anderthalb Jahrhunderte eine fruchtbare Mutter der europäischen Tochterübersetzungen gewesen sei, allerdings nicht sehr nahe am Arabischen und vor allem ohne Verszählung eigentlich schlecht brauchbar. Wiederabdrucke seit 1674, Amsterdamer Nachdrucke von 1672, 1685, 1719 und 1734 seien zu verzeichnen.9 8 Megerlin verweist hier auf einen Text von 1750, Demonstratio necessariæ Versionis novæ Alcorani Arabici, & ex historica omnium Europæarum translationum recensione, & ex critica illarum dijudicatione deducta, in honorem & usum nationis germanicæ. Accedit denuo hic impressa & sæpius petita, der 1750 in Frankfurt am Main zusammen mit weiteren kurzen Texten erschienen war und den er hier noch einmal erläutert. 9 „Ich könte wohl, nach meiner Teutschen auch eine verbesserte Französische Uebersetzung verfertigen: wann ein Verleger dazu sich finden sollte, um die Fehler der du Ryerischen zu verbessern.“ (S. 14–15)

22.1 Megerlins Vorwort zu seiner Koran-Übersetzung

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6) Daraus sei 1649 und 1688 eine englische Übersetzung gemacht worden. 7) Darauf folgte eine neuere Holländische nach du Ryer, „wodurch der Schweiggerischen Fehlern in etwas abgeholfen worden“ (15). 8) Die Russische Übersetzung von 1716 solle ebenfalls aus du Ryers angefertigt worden sein. Man solle der großen russischen Kaiserin raten, ihre Gelehrten darum zu bemühen, etwas nach Sales Vorbild zu machen, mit Vermeidung von dessen Mängeln, „da sie meiner neuen Teutschen nahe kommen müste“ (ebd.). 9) Marraccis Übersetzung, von 1690 bis 1698 zum Druck befördert, habe nur mit Mühe die eigentlich bestehende Zensur durchlaufen und sei nicht, wie eine andere venezianische Edition von 1530, komplett verbrannt worden. 10) Noch vor Marraccis Ausgabe habe Hinkelmann in Hamburg eine Druckausgabe ohne Übersetzung veranstaltet, weil dies der arabischen Gelehrsamkeit schade. Eine Übersetzung mit Widerlegung hätte Hinkelmann aber manchen Ärger ersparen können. 11) 1721 habe Reineccius in Leipzig die lateinische Fassung Marraccis ohne den teuren arabischen Text mit Historie, Inhalt und Widerlegung des Korans drucken lassen. 12) Aus derselben lateinischen Fassung habe Pfarrer Nerreter in Nürnberg 1703 eine deutsche Übersetzung angefertigt. 13) Die englische Übersetzung von Sale (1734) lobt Megerlin mehrfach, spart aber auch nicht mit Kritik (keine Verszählung!). 14) Theodor Arnold habe (1747) das Werk Sales ins Deutsche übersetzt. 15) Megerlin merkt an, „daß wir Teutsche noch keine eigene, aus dem Arabischen unmittelbar gemachte, Uebersetzung aufweisen können, und also 15. diese meine neue, und allererste Teutsche Dolmetschung uns Teutschen zur Ehre gereichen solle, und zum allgemeinen Nutzen“ (23). Megerlin stellt sein Buch in ausführlicher Weise in die Geschichte europäischer Koranausgaben und -übersetzungen, um ihre Bedeutung und ihren Nutzen zu demonstrieren. Der Schluß, hieraus folgend, ist kürzlich dieser: wann 1. die Bibliandrische alte lateinische 2. die Ryerische Französische 3. die Marraccische neue Lateinische 4. die Nerreterische teutsche 5. die Salische Englische 6. die darnach eingerichtete Arnoldische neueste teutsche, vielen Mängeln unterworfen, und die meiste, wegen Auslassung der Verse, nicht wohl brauchbar, theils auch abgängig, oder allzu groß, und zu kostbar sind, […] und doch eine gute teusche als nöthig, und nützlich, zu wünschen ist; […] so ist inzwischen, meiner wenigen Bemühung erfullter Endzweck zu loben, und die verlegende Garbische Buchhandlung hier zu rühmen: daß sie keine Kosten sparen wollen, solche allererste neue […] zu befördern, und in einem mäßigen Octavband, und in nicht gar zu hohem Preiß, Gelehrten und Ungelehrten zu nutz, ans Licht zu bringen. (23–24)

Die Notwendigkeit hat Megerlin nun aus seiner Sicht, anhand der Geschichte der europäischen Ausgaben erwiesen. Den Nutzen für Gelehrte und Unge-

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22. Megerlins Koran-Übersetzung

lehrte stellt er in einem weiteren Paragraphen umständlich vor. Ob man den Koran für jeden Deutschen verständlich gemacht unter die Christen bringen dürfe oder ob dies nicht Ärger und Verwirrung stifte, fragt Megerlin nun, „da man dieses Lügenbuch, als eine Verläugnung des Mittlers Jesu, und der Dreyeinigkeit, und Verfälschung der H. Schrift vielmehr verbrennen und verbannen sollte, und gar ausrotten“ (24), wie es mit Koran und Talmud schon geschehen sei, die verbotene Bücher gewesen wären. [H]ält nicht der Verfasser selbst den Mahomed vor den grossen Antichrist, und den Koran vor das Zeichen des Thiers und des falschen Propheten? wie kan er dann, mit gutem Gewissen, ein so gottloses Buch selbst teutsch übersetzen […]und der Welt vor Augen legen, als nöthig und nützlich zu lesen? das sind widersprechende Dinge. (25)

Ja, Megerlin habe sich schon vielfach so geäußert. Mahomed sei das in Apk 13 angezeigte Tier, der Antichrist und falsche Prophet. Die Folge aber, dass man darum den Koran nicht lesen und also erst recht nicht übersetzen und veröffentlichen sollte, zieht Megerlin nicht. Im Gegenteil: „je greßlicher seine Gestalt, je mehr man sich davor zu hüten, und je näher, sein prophezeites, und durch gewisse, auch gelehrte und geistliche Mittel zu beförderndes Ende ist: je mehr und je richtiger solle man dieses Fabelbuch auch kennen, und sich von seiner Falschheit überzeugen lernen“ (26). Die Zeiten des Aberglaubens und blinden Eifers seien gottlob vorbei. Sogar in Rom würden Koran und Talmud nicht mehr verbrannt. Für Megerlin ist es ein Zeichen der Zeit, dass man, nachdem man der Juden wegen das Rabbinische und Talmudische getrieben habe, nun das Arabische fördere, wie die vielen Grammatiken, Wörterbücher und Schriftsteller (Hirt, Plitt, Michaelis, Schultens, Schelling und Froriep) bewiesen. Er betrachtet seine Übersetzung als ein Mittel, „so wohl den Antichrist Mahomed, als auch sein Lügenbuch den Koran, besser kennen zu lernen, und Gott zu bitten, diesem gewaltthätigen Reich, und seiner aberglaubigen Religion im Koran, bald ein Ende zu machen“ (29). „Mahomedaner, Juden und Heiden“ sollten in den Schafstall Christi „durch billige Mittel“ eingeführt werden (29–30). Die Siege der russischen Waffen seien ein Vorspiel dazu. Megerlin wünscht, dass sich die europäischen Mächte verbünden und die Türken aus Europa vertreiben.

22.2 Der Koran als Erbauungsbuch für Christen und Lehrbuch für Juden Interessant ist Megerlins Antwort auf die Frage nach dem Nutzen der Übersetzung auch außerhalb der Gelehrtenschaft. Man müsse sich einen doppelten Begriff von Mahomed und dem Koran machen – eine Aussage, die nach Me-

22.2 Erbauungsbuch für Christen und Lehrbuch für Juden

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gerlins endzeitlichen Phantasien überrascht. Mahomed sei das „Zeichen des Thiers“, wiederholt er noch einmal, um überraschend festzustellen, dass Mahomed auch „Hörner wie das Lamm“ (31) habe, bisweilen gute Sachen rede und Scheintugenden besitze, die man zumindest äußerlich nicht verwerfen könne. Lobredner Mahomeds habe er kritisiert, falsche Aussagen über ihn aber, wie Reland, zumindest grundsätzlich abgelehnt. Megerlins Vorwort nimmt nun eine überraschende Wendung. Die Türken sollten aus Europa vertrieben werden, Mahomed sei der Antichrist, sein Koran aber könne nach Megerlin durchaus als Erbauungsbuch für Christen taugen! „Ich versichere also: man kan da und dorten auch gute und unärgerliche Stellen finden: die jedermann lesen darf, und zur Erbauung anwenden kan.“ (32) Der Leser des Koran müsse aber fest im christlichen Glauben sein, in der Liebe zum Erlöser und im Gebet zum dreieinigen Gott um das „Schriftlicht“ zur Heilserkenntnis. Auf diese Weise, wird er keinen Grundartickel der Christlichen Religion aufgeben lernen, nach dem Koran: er wird ihm da und dort die Eigenschaften Gottes vergrössern, ihn zu guten Werken ernstlich antreiben, unter der Verheissung eines ewigen bessern Lebens, vor Fromme, und hingegen ernstlichen Androhungen der Hölle und göttlichen strengen Strafen, vor alle Gottlose. Gottesverläugner und Unglaubige aller Arten werden sich stets darinnen beschämt, und widerlegt finden: von aller Art Abgötterei wird ein Leser abgemahnet, und zu völliger Ergebung seines Herzens an Gott angefrischet werden. (33)

Der Koran tauge auch als Lehrbuch für Juden: Die Juden insonderheit könten manches daraus lernen, und ihren Undank gegen Gottes Wohlthaten, und Halßstarrigkeit, und Unglauben gegen das Evangelium bestrafet sehen. Ich habe deswegen auch eine besondere Schrift entworfen, gegen die Juden, mit dem Titel: Mahomed ein ernstlicher Zeug wider die Juden und ihren Unglauben etc. (ebd.)

Megerlin hat sein Unternehmen nach allen Seiten verteidigt und angepriesen. Er erwartet den Beifall verständiger Leser und einen guten Verkauf. Insbesondere wünscht er sich eine Rezension durch Michaelis, der Reiskes Abu’lFida-Übersetzung so ausführlich besprochen habe. Er bringt auch noch einmal seinen Hang zu den orientalischen Sprachen zum Ausdruck, den er von Jugend auf gehabt habe.10 Bevor Megerlin den Koran mit der Überschrift „Im Nahmen des Dreyeinigen Gottes!“ (37) beginnen lässt, schließt er sein Vorwort mit dem Wunsch: „Gott lasse, auch aus diesem vermischten Buch, das Gute darinnen einigen 10 Er habe sich im Übersetzen geübt, „auch allbereits zweimal als Repetens eine kleine Arabische Rede, einmal vor dem Herrn D. Francken aus Halle, und hernach vor der Hochfürstl. Clostervisitation, in dem Stipendio zu Tübingen gehalten, und Collegia andern gelesen“ (S. 34–35), wie er mit Publikationen belegt. Der reformierte Leipziger Pfarrer Zollicofer und der Hofmeister M. Bauer hätten bei ihm den Koran studiert.

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Nutzen bringen, und meine Hofnung nicht ganz fehlen. Er erhalte uns Christen das Schriftlicht, und lasse uns darnach wandeln. Die Gnade Jesu seye zu diesem Ende mit uns allen. Amen.“ (36) Im Namen des dreieinigen Gottes kann ein Christ nach Megerlin den Koran durchaus auch zur Erbauung lesen, seine Hoffnung kann nach Megerlin dennoch auf die Vertreibung der Türken und die Bekehrung der Juden, denen der Koran ein Lehrbuch sein könne, abzielen. Megerlins Vorwort liest sich wie das Vermächtnis eines Mannes, dem ein lang gehegter Wunsch erfüllt wird und der sich, gefragt oder ungefragt, dafür nach allen Seiten verteidigt und absichert. Für den Rezensenten der Frankfurter gelehrten Anzeigen (22. 12. 1772; Herder oder Goethe) war diese Übersetzung eine „elende Produktion“, er wünschte sich eine Übersetzung mit allem „Dichter- und Prophetengefühl“.11 Der Rezensent Johann Friedrich Hirt las durchaus auch Megerlins Eigenlob.12 Megerlin selbst hatte seine Übersetzung als dem Arabischen entsprechend, als deutlich und fließend gelobt, man solle nicht meinen, die Übersetzung eines so besonderen alten Buches eines Propheten der Araber könne so angenehm wie andere Schriften ausfallen. Dazu merkt Hirt an: Und ob ich ich gleich nicht traue, dieses Urtheil in allen Stücken zu vertheidigen, so kan man doch Herrn M. den Ruhm nichts absprechen, daß seine neue Ueberseztung vor den vorigen deutschen Uebersetzungen in vielerley Absicht den Vorzug habe, und daß sie an den allermeisten Orten richtig und treulich gerathen sey.13

Hirt bringt darauf einige kritische Proben, revidiert dieses Urtheil aber nicht mehr grundsätzlich, er wolle damit „den übrigen Werth dieser schönen neuen deutschen Uebersetzung des Alcorans keineswegs […] verringern.“14 Bald darauf hatte Hirt zu seiner großen Verwunderung wieder eine deutsche Übersetzung des Koran zu rezensieren, die er noch deutlich höher einschätzte und die sich nicht wie Megerlins Türckische Bibel ohne weiteres im Kontext von Apologetik und Polemik, von Missions- oder Bekehrungsabsichten im Zusammenhang verorten lässt.

11 Die Autorschaft ist nur wahrscheinlich zu machen; vgl. Stefan Leder, Die Botschaft Mahomets und sein Wirken in der Vorstellung Gottes. In: Oriens 36 (2001), S. 215–241, Zitat S. 227; Rehrmann (Ehrenthron, S. 84 f) identifiziert den Rezensenten dagegen wie die bisherige Mehrheit der Literatur mit Goethe. 12 D. Johann Friedr. Hirts Orientalische und Exegetische Bibliothek. Erster Theil. Jena, bey Felix Fickelscherr, 1772, S. 433–459. 13 Ebd., S. 447. 14 Ebd., S. 459.

23. Muhammed als Reformator und Stifter einer philosophischen Religion – Friedrich Eberhard Boysens Koran-Übersetzung (1773) Friedrich Eberhard Boysen (1720–1800), Oberhofprediger und Konsistorialrat im Reichsstift Quedlinburg, wo er kurz nach seiner Pensionierung verstarb, gilt als „einer der letzten Vertreter des altlutherischen Lehrbegriffs im Zeitalter der Aufklärung“, eine Einschätzung, die auch in neuerer Literatur wiederholt wird.1 Es ist allerdings unklar, was für ein Gegensatz mit dieser Typisierung aufgemacht wird, wenn man sich konkreten Positionierungen Boysens widmet. Rainer Neußer etwa verbucht Boysen auf der Seite des „aufgeklärten Absolutismus“, was sich im Verhältnis Boysens zu Islam und Koran spiegele,2 für Marc-Oliver Rehrmann ist Boysens Vorgehen schlicht „unvoreingenommen“3. Die Allgemeine Deutsche Biographie schildert Boysen jedenfalls wenig sympathisch: Auf diesem orthodoxen Standpunkt, der ihn aber doch nicht abhielt, am göttlichen Ursprung der hebräischen Accente zu zweifeln und den Exorcismus aufzugeben, eiferte er gegen Thomasius, der den Aristoteles pasquillantisch heruntergesetzt habe, gegen den lüderlichen Herumläufer Edelmann und dessen von Dr. Bahrdt adonisierten Auswürfe, gegen den Socinianer, den er nicht blos in der Dogmatik, sondern ebenso kenntlich in der Moral fand, endlich gegen die sophistische Witzgelehrsamkeit und cyclopische Grobheit der Religionsmischer. Bei aller Sprache der Demuth selbstgefällig und von sich eingenommen, wollte er in mancherlei Wissenschaft als der Erste und Vieles besser als Andere gemacht haben.4

Ob sich eine derart beschriebene Haltung und ein solcher Habitus auch in seinen Veröffentlichungen zum Koran finden, wird zu prüfen sein. Boysen, als Sohn eines Halberstädter Konsistorialrats geboren, erhielt nach dem Besuch der dortigen Domschule seine höhere schulische Bildung am Stadtgymnasium in Magdeburg, bevor er 1737 an die Universität Halle wechselte, wo er beim älteren Michaelis wohnte, der neben Callenberg und Schultze auch sein Lehrer wurde.5 Boysen studierte in Halle neben der 1 ADB, Bd. 3, S. 226–227, Zitat S. 226; vgl. DBA; Die Charakterisierung Boysens durch Michael Fisch bedient sich dieser Aussage; das Buch gibt allerdings keine konkreten Literaturbezüge; vgl. Fisch, umm-al-kit b, S. 64. 2 Bobzin, Glaubensbuch, S. 31. 3 Rehrmann, Ehrenthron, S. 88. 4 ADB, Bd. 3, S. 226–227. 5 Vgl. zur Biographie auch Martin Hentrich, Friedrich Eberhard Boysen. Ein Halberstädter

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Theologie vor allem rabbinische Literatur, vor allem den Talmud. Hier erlernte er auch die Arabische Sprache.6 Bereits 1739 legte er in Halle eine Dissertatio de ritualibus nonnullis ex alcorano illustratis vor. 1741 ging Boysen als Konrektor nach Seehausen in der Altmark, wechselte von dort bereits 1742 als Diakon an St. Johannis in Magdeburg, wo er 1750 auch zum Archidiakon ernannt wurde. 1760 wechselte er als Oberhofprediger, Konsistorialrat und Gymnasiumsinspektor nach Quedlinburg, wo er den Rest seines Lebens verbrachte. Er starb, nachdem er 1799 in den Ruhestand versetzt worden war, am 4. Juni 1800 in Quedlinburg. Boysens Nachruhm schillert unter den Biographen sehr. Auch in Heinrich Dörings Die gelehrten Theologen Deutschlands im 18. und 19. Jahrhundert7 wird ihm bescheinigt, dass er durch seine ausgebreiteten und gründlichen Kenntnisse in vielen wissenschaftlichen Fächern in seinen Ämtern und als Schriftsteller vielfältig nützlich geworden sei. Aber ihm wird Mangel an Aufklärung und auch Starrsinn und Eigendünkel bescheinigt: In noch weit höherem Grade würde er diesen Zweck erreicht haben, wenn er mit der Aufklärung seines Zeitalters fortgeschritten wäre. Aber sein Starrsinn ließ ihn nicht von der einmal erlangten Ueberzeugung abweichen und machte ihn untüchtig zur Prüfung neuerer theologischen Ansichten. Auch sah er sich durch Stolz, Rechthaberei und Eigendünkel in manche gelehrte Fehde verwickelt.8

Mit seiner Koranübersetzung, die Michaelis in seiner Orientalischen Bibliothek gelobt habe, habe Boysen sich jedoch größere Verdienste erwerben können. Das Buch erschien in erster Auflage 1773, in zweiter erweiterter Auflage 1775.9 Eine Verteidigung Boysens findet sich 1789 im Journal von und für Deutschland. Sie zeigt über verschiedene literarische Auseinandersetzungen hinaus an, dass Boysen, zumindest in den letzten Jahren nicht unumstritten war.10 In den späteren Jahren wird ihm harter Dogmatismus übersetzt den Koran. In: Zwischen Harz und Bruch. Heimatzeitschrift für Halberstadt und Umgebung, Dritte Reihe, Heft 61 (Dezember 2010), S. 42–45. 6 In seiner Lebensbeschreibung weist er auf ein einjähriges Privatissimum bei Michaelis hin, das dieser seinem Sohn und Boysen in der arabischen Sprache gewährt habe. Vgl. Friedrich Eberhard Boysens, der heiligen Schrift Doktors Ihrer königlichen Hoheit der Prinzeßinn von Schwede Oberhofpredigers, Konsistorialraths im Reichsstifte Quedlinburg, des Königlichen Instituts der Historischen Wissenschaften zu Göttingen, wie auch der deutschen Gesellschaft in Helmstädt Mitglieds Eigene Lebensbeschreibung. Erster Theil. Quedlinburg 1795. Bey Friedrich Joseph Ernst, S. 122. 7 Bd. 1. 1831 (vgl. DBA), dort auch die ausführlichsten biographischen Angaben. 8 DBA, Fiche 132, S. 33–34. 9 Eine umständliche Beschreibung der Umstände und Folgen gibt Boysen in seiner Lebensbeschreibung; vgl. Boysen, Lebensbeschreibung, Bd. 1, S. 123–133. 10 „Aus einem Schreiben von Quedlinburg den 16 Jan. 1788“ (Journal von und für Deutschland. 1788, 5. Jg., 1.–6. St., S. 96). Hier wird der schwache Zustand Boysens zusammen mit einer energischen Anregung, in den Ruhestand zu gehen, öffentlich bekannt gemacht: „Würden seine Freunde und Vorgesetzten nicht wohl thun, wenn sie ihn bewegten, sich nunmehro aller Ge-

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nachgesagt.11 1795, Jahre nach dieser Affäre im Journal von und für Deutschland, veröffentlichte Boysen eine zweibändige Autobiographie bis zum Jahre 1760. Allerdings gibt es darin auch weiterführende Abschnitte zu seinen Arabischstudien und zu seiner Koranübersetzung.12 Eine Werk-Biographie Boysens wäre wünschenswert, um die widersprüchlichen Einschätzungen, die sich nicht zuletzt durch die Lektüre seiner Koran-Veröffentlichungen ergeben, zu erhellen. Zu klären wären m. E. vor allem die Verbindungen Boysens in den 1770er-Jahren, in denen er seine Koranübersetzung veröffentlichte. Er muss mit Gleim, Reiske und anderen in Verbindung gestanden haben, mit denen auch Lessing korrespondierte (s. u.). Hier ist seine Lebensbeschreibung nicht allzu ergiebig, sie endet eigentlich mit dem Jahr 1760, enthält aber im ersten Band den genannten Einschub zur Koranübersetzung. Boysen bringt in diesem Zusammenhang seine vergebliche Erwartung zum Ausdruck, Reiske oder Froriep würden den Koran übersetzen, was schließlich zu seiner eigenen Übersetzung geführt habe. Von einer Kritik an seiner Muhammed-Darstellung oder an seiner Ablehnung Prideaux’ findet sich hier in Boysens Lebensbeschreibung allerdings nichts, auch nicht von Michaelis’ Meinung zu diesem Thema.13 Boysens enorme schriftstellerische Tätigkeit, auch unter dem Pseudonym „Johann Samuel Kühn, Lehrer am Waisenhause zu Quedlinburg“, kann hier nicht dokumentiert werden. Hingewiesen werden soll allerdings darauf, dass er bereits 1745, also in seiner Magdeburger Zeit, diverse Koranfassungen vergleichend studierte.14 Neben der Koranübersetzung, die 1773 und 1775

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schäffte – ausser die, des Predigtamts – gänzlich zu entschlagen, und sich zur Ruhe zu begeben?“ (ebd.). Dieser anonymen Bekanntmachung folgte eine ebenfalls anonyme „Berichtigung der im ersten Stücke dieses Journals 1788. S. 96. enthaltenen Nachricht den Herrn D. Boysen betr.“ (Journal von und für Deutschland. 1789, 6. Jg., 2. St., S. 172–173). Hier wird betont, wie beliebt und aktiv Boysen sei. Er verdiene keinen öffentlichen Tadel für Fehler, die er gar nicht begangen habe. Boysen blieb nach dieser Affäre noch zehn Jahre im Amt. Vgl. die Rezension zu Boysens Ausgabe von Martin Luthers kleinem Katechismus in: Neue allgemeine deutsche Bibliothek. 1793–1806. 1797 , 33. Bd., 1. St., S. 137–138: „Daß der Verf. bey allen seinem harten Dogmatismus, den er in dieser Erklärung des Lutherischen Katechismus der Jugend auftischt, nicht ganz orthodox ist, siehet man unter andern gleich S. 12, wo er die Lehre von der Dreyeingkeit bloß davon erklärt, daß sich Gott den Menschen als Vater, Sohn und Geist offenbaret habe, wovon sich auch noch andere Spuren finden. Z.E. daß der Mensch das göttliche Ebenbild noch habe, S. 25.“ (S. 137) Boysen, Lebensbeschreibung; vgl. die Rezension „Boysen, Fr. Eberhard, eigene Lebensbeschreibung, 1r Theil.“ (Neue allgemeine deutsche Bibliothek. 1793–1806. 1796, 23. Bd., 1. St., S. 218–225) sowie „Boysen, Fr. Eberhard, eigene Lebensbeschreibung, 2r Theil.“ (Neue allgemeine deutsche Bibliothek. 1793–1806. 1796, 26. Bd., 1. St., S. 218–225). Boysen wird hier als beleidigter und unversöhnlicher Autor beschrieben. Sein Buch bringe den Leser in Verlegenheit. Was allerdings auffällig ist, wenn man Michaelis’ Rezension von 1774 mit Boysens Vorrede zur zweiten Auflage seines Koran vergleicht (Johann David Michaelis Orientalische und Exegetische Bibliothek. Achter Theil. Frankfurt am Mayn bey Johann Gottlieb Garbe, 1774, S. 30–98). Es ist kaum anzunehmen, dass Boysen diese grundsätzlich positive Rezension von fast 70 Seiten nicht zur Kenntnis genommen hat (s. u.). Vgl. dazu Rehrmann, Ehrenthron, S. 85.

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23. Boysens Koran-Übersetzung

erschien, lohnt aber für unsere Fragestellung zunächst auch ein kurzer Blick in seinen Pragmatischen Auszug aus der Allgemeinen Welthistorie.15 In einer knappen Beschreibung des alten Arabien findet sich eine Erwähnung Muhammeds als Religionsstifter, die außer Betrug oder Wahnsinn viele gängige polemische Stichwörter enthält, allerdings interessanterweise nicht bezogen auf Muhammed, sondern auf die Araber, wodurch manches eigenartig in der Luft hängt. Hier scheint das Bemühen vorzuliegen, Muhammed als großen Mann der Geschichte zu schildern, ohne jedoch die polemischen Züge völlig wegzulassen.16 In seiner Koran-Übersetzung wird Boysen Muhammed noch ganz anders schildern.

23.1 Boysens Koran-Übersetzung Boysen veröffentlichte seine Koran-Übersetzung zuerst 1773, im Jahr nach dem Erscheinen der Übersetzung Megerlins. In der zweiten Auflage von 1775 findet sich bereits im Titel eine Änderung, die auf eine Rezension zurück15 Die Allgemeine Welthistorie die in England durch eine Gesellschaft von Gelehrten ausgefertiget worden. In einem vollständigen und pragmatischen Auszuge. Herausgegeben von D. Friedrich Eberhard Boysen […]. Alte Historie III. Band. Mit allergnädigster Churfürstl. Sächs. Freyheit. Halle bey Johann Justinus Gebauer. 1768. A. L. Schlözers Rezension zum dritten Teil in der Allgemeinen deutschen Bibliothek z. B. ist vernichtend. Allgemeine deutsche Bibliothek, 1771, Anh. 1–12. Bd., 2. Abt., S. 916–922, Zitat S. 918: „Dritter Theil: Klein-Asiatische Völker, Celten, Scythen, Araber, Inder, Anfang der griechischen Geschichte. Die Abschnitte von Celten und Scythen erregen Grauen und Eckel. Wie kommen Araber und Inder zu eignen Kapiteln in einem Auszug der alten Weltgeschichte? Beyde sind in der alten Welt unerhebliche Völker: von beyden sind die Nachrichten aus diesem Zeitraume so ärmlich, daß man sie ganz bequem nur gelegentlich in die Geschichte wichtigerer Völker hätte einschieben können.“ Die vernichtende Rezension Schlözers und Boysens Reaktion darauf, spiegeln sich auch in M. C. Sprengels Besprechung der letzten beiden Bände seines Auszugs aus der Weltgeschichte. Allgemeine deutsche Bibliothek, 1777, Anh. 13, 24. Bd., 3. Abt., S. 1309–1310, Zitat S. 1309: „Die Manier des Verfassers, die Geschichte zu behandeln, ist längst bekannt, und da das vorige Urtheil unserer Bibliothek ihn so sehr entrüstet hat, so thun wir wohl besser, bloß den Innhalt eines jeden Theils anzuzeigen, und es dem geschichtsbegierigen Leser anheim zu stelen, ob er nicht lieber andre weitläuftigere Werke, als Hrn. Boysens Auszüge und Erzählungen lesen möchte. Wir unsers Theils können uns keine mehr ermüdende, trockenere und langweiligere Lectüre, als Hrn. Boysens historische Arbeiten gedenken.“ (1309) 16 „Jede von diesen [im alten Arabien vorhandenen] Religionen war voll Irrthümer; selbst die christliche wurde durch Aberglauben und Unwissenheit verunstaltet; sie stimmten aber auch alle in einigen Wahrheiten mit einander überein. Muhammed suchte von einer jeden nur das, was nach seiner Meynung das Beste war, aus, und führte aus diesen verschiednen Lehrbegriffen ein neues auf. Die persönlichen Eigenschaften dieses Mannes, die ihn so geschickt machten, eine ausserordentliche Rolle in der Welt zu spielen, die Neuheit seiner Lehre, der Hang der Araber zum Ungewöhnlichen, ihre Wollust, ihr Eigennutz, ihre ungezähmte Freyheit, nach der sie rangen, und die allgemeine Unwissenheit unter dem Volke, verschafften dieser Religion, mit dem Zwange der Waffen, einen leichten und schnellen Eingang.“ (S. 473–474).

23.2 Die Vorrede von 1773

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geht:17 Boysen änderte den Ausdruck „Muselmänner“18 in „Moslemer“19. Das Vorwort ist darüber hinaus um „Denkwürdigkeiten aus der Geschichte des Propheten und seiner Reformation“ erweitert. Boysen legte nach Megerlin die zweite Koranübersetzung aus dem Arabischen ins Deutsche vor. Von Interesse sind hier vor allem seine begleitenden und einführenden Texte, insbesondere die beiden Vorreden, in denen er vielfach Position bezieht.

23.2 Die Vorrede von 1773 Boysen widmet seinen Koran, der in Halle bei Gebauer erschien, dem Erbprinzen Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig (1735–1806), der 1773 die Nachfolge seines Vaters als Fürst von Braunschweig-Wolfenbüttel und Herzog zu Braunschweig und Lüneburg antrat;20 einem Mann, der nach Boysen als Denker von einem Jerusalem und Mendelssohn verehrt werde. Dem Erbprinzen legt er diese Übersetzung eines Buches vor, „welches durch seinen Verfasser, durch seinen Innhalt, durch seinen Ausdruck, und durch seine Verehrer einen grossen Ruf erhalten hat“ (7). Die Vorrede ist sehr dicht. Zunächst versichert Boysen, wie bereits aus dem Titel hervorgeht, dass er die Übersetzung auf Verlangen von Freunden publiziere, wofür er „Beweise in Händen“ (9) hätte. Er spielt auf die „grossen Kenner“ in Göttingen, Leipzig, Jena, Halle, Gießen und Erfurt an.21 Sie würden erkennen, „ob meine Uebersetzung viel schlechter ist, als diejenigen, die das Publicum von Zeit zu Zeit erhalten hat“ (ebd.). Damit wird auf Megerlins 1772 erschienene Übersetzung angespielt, die aber mit keiner Silbe direkte Erwähnung findet. Boysen nennt seine Lehrer Michaelis, Callenberg und Schulze, bei denen er „Muhammeds Bibel“ studiert habe, weswegen er weder 17 Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur, Bd. 6, 1774, S. 199–209. Bereits der Titel wird in zwei Fußnoten kommentiert: „*) Muselmänner, – im Munde eines Teutschen – im Jahre 1773 – Leser, wie gefält es dir? **) Herzlich schlecht gefält es mir. Der Korrektor.“ (S. 199). Die ähnliche Kritik aus den Frankfurter gelehrten Anzeigen stand Boysen nicht zur Verfügung (s. u.). 18 Der Koran, oder Das Gesetz für die Muselmänner, durch Muhammed den Sohn Abdall. Nebst einigen feyerlichen koranischen Gebeten, unmittelbar aus dem Arabischen übersetzt, mit Anmerkungen und einem Register versehen, und auf Verlangen herausgegeben von Friedrich Eberhard Boysen. Halle bey J.J. Gebauers Wittwe und Joh. Jac. Gebauer 1773. 19 Der Koran, oder Das Gesetz für die Moslemer, durch Muhammed den Sohn Abdall. Nebst einigen feyerlichen koranischen Gebeten, unmittelbar aus dem Arabischen übersetzt, mit Anmerkungen und einigen Denkwürdigkeiten aus der Geschichte des Propheten und seiner Reformation, herausgegeben von Friedrich Eberhard Boysen. Zweyte verbesserte Ausgabe, Halle bey J.J. Gebauers Witwe und Joh. Jac. Gebauer, 1775. 20 Er war auch Dienstherr Lessings. 21 Zu denken ist in jedem Fall an Reiske, Hirt, Froriep, Michaelis und Schulze.

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23. Boysens Koran-Übersetzung

Übersetzungen gebraucht habe, noch den Golius22 öfters habe aufschlagen müssen. Außerdem gebe er schon lange Unterricht im Arabischen am fürstlichen Gymnasium Quedlinburg. Neben Marracci und Hinkelmann habe er sechs gute Handschriften verwendet. Die Lesarten der schönen Handschrift in der Universitätsbibliothek in Halle kenne er aus dem Unterricht des älteren Michaelis und aus eigener Anschauung, ebenso den „geschriebenen Commentar des Abu-Muhammed Elhosain, mit dem Zunamen Elkara, den die Bibliothek des hallischen Waisenhauses verwahrt“ (10), habe er vormals benutzt. Boysen bezeichnet seine Übersetzung als „mehr wörtlich als frey“ (ebd.), stellt die Übersetzung selbst dann aber unter die Überschrift „Freye Uebersetzung des Korans“ (17). Die Schwierigkeiten beim Übersetzen des Koran („ein so dunkles Buch“, 9) führt er auf Besonderheiten des Verfassers zurück: Der Verfasser, der überall feurigen Witz, Scharfsinnigkeit, und eine glückliche Einbildungskraft zeigt, ward durch die lebhaften Vorstellungen seines Gegenstandes, oft dergestalt erhitzt und gerührt, daß er die Vorstellungen und die Ausdrücke in den engen Grenzen einer matten und einförmigen Prose nicht erhalten konnte. Und ich gestehe aufrichtig, daß mirs nicht möglich gewesen ist, das lebhafte Gefühl des Dichters, und den hierdurch erweckten erhabenen und feurigen Schwung in meine Sprache zu bringen; ich zweifle auch, daß sich diese Antriebe des orientalischen Geistes in unsre Sprache übertragen lassen. (10)

Muhammed ist in dieser Schilderung ein lebhafter Dichter, mit Witz und Scharfsinn, mit erhabenem und feurigem Schwung in der Sprache, eigentlich unübersetzbar. Manche Freunde („die Besten im Arabischen“, 11) hätten sich Übersetzungen im Silbenmaß gewünscht, weil sonst so viel verloren gehe. An dieser Stelle fügt Boysen zwei „Suren“ eines ihm noch nicht bekannten Korans ein, die in der zweiten Auflage 1775 fehlen, in der Zwischenzeit aber (in leicht geänderter Fassung) 1774 anderweitig publiziert worden waren. Boysens hier gebotene Texte sind erste Versionen zweier Gedichte von Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719–1803), die 1774 bei Bode in Hamburg in dem anonymen Werk Halladat oder das rothe Buch. [Zum Vorlesen in den Schulen.] erschienen. Das erste Gedicht heißt „Der Zweifler“, das zweite heißt „Der kindische Gedanke“.23 Boysen druckte sie – wohl in einer früheren Fassung – ohne Überschrift ab, gab zwischen beiden lediglich als Hinweis: „Hier ist die zweyte Sure, des ihnen noch nicht bekannten zweyten Korans, fuhr mein Freund fort“ (12). Selbst Lessing, dem Gleim sein Halladat Anfang 1774 überlassen hatte, war sich nicht sicher, ob das Buch von Gleim verfasst oder übersetzt sei, wie 22 Jacob Gool (Jacobus Golius, 1596–1667), Orientalist und Mathematiker in Leiden; Verfasser des Lexicon Arabico-Latinum, Leiden 1653. 23 [Johann Wilhelm Ludwig Gleim], Halladat oder das rothe Buch. [Zum Vorlesen in den Schulen.] 1774. Hamburg, gedruckt bey Bode. „X. Der Zweifler“ findet auf S. 30–31, „III. Der kindische Gedanke“ auf S. 13–14.

23.2 Die Vorrede von 1773

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aus Briefen hervorgeht.24 Gleim veröffentlichte diese religiös-moralischen Gedichte, die stilistisch an den Koran angelehnt sind, aber ausschließlich exotische Phantasienamen enthalten, zum Vorlesen an Schulen. Boysen veröffentlichte zwei Gedichte in seiner Vorrede zum Koran, allerdings in anderen, früheren Textfassungen. Beide Fassungen werden im Anhang 3 geboten. Boysen hofft, durch seine Übersetzung „zu wahren Begriffen von Muhammeds Religionssystem beförderlich zu seyn, und meine Leser auf die grossen Vorzüge aufmerksam zu machen, durch welche unsere christliche Religion sich von jenem unterscheidet“ (13). Als Kontrast dazu verweist er auf Prideaux, der in seinem Leben Muhammeds „die gröbesten Unwahrheiten niedergeschrieben, und sowol den Charakter des Religionsstifters verunglimpft, als auch sein Lehrgebäude verkehrt vorgestellt“ (ebd.). Muhammed habe eine philosophische Religion einführen und eher durch kurze und sinnreiche Aussprüche und kühne Vergleiche belustigen wollen, als den Verstand seiner Anhänger durch Beweise zu überzeugen. Nach Hinweisen auf den nicht systematischen Aufbau der Suren des Koran und seine spätere Sammlung gibt Boysen einen Überblick über dessen Hauptlehren (hier zusätzlich nummeriert): [1] Es ist nur ein Gott. [2] Gott regiert die Welt und sorgt für ein jedes Individuum in der Welt. [3] Gott hat das Böse und das Gute vorherbestimmt. [4] Der Mensch ist gefallen. [5] Gott hat nach dem Fall dem Menschen seinen Willen bekannt gemacht, und ihn unterschiednen Propheten schriftlich mitgetheilt. [6] Es ist ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Guten und Bösen. [7] Diese Welt hört auf, und die Toten werden auferstehen. [8] Es ist ein künftiges Gericht, an welchem jedes Gute genau belohnt, und jedes Böse genau bestraft werden soll. [9] Es ist eine Ewigkeit für die Frommen, und für die Gottlosen. [10] Die Natur der Frömmigkeit besteht in der völligen Ergebung des Herzens an Gott. [11] Die Unterlassung aller schändlichen Ausbrüche der Leidenschaften, ist ein Beweis, daß das Herz sich Gott ergeben habe. [12] Die Gerechtigkeit im gesellschaftlichen Leben, die Leutseligkeit, und die Mildthätigkeit, sind Beweise, daß sich das Herz Gott ergeben habe. 24 Vgl. unten Kap. 23.7.

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23. Boysens Koran-Übersetzung

[13] Das Gebet, die Mittheilung der Allmosen, die Reinigung, das Fasten, und die Wallfahrt nach Mecca, die wenigstens einmal im Leben geschehen muß, sind Beweise, daß sich das Herz an Gott ergeben habe. (13–14)

Diese „Hauptpunkte“ betreffen die Glaubenslehre (1–9) und die Ethik (10–13), erscheinen in ihrer Systematik sehr übersichtlich und gehen auf keine polemische oder kontroverstheologische Position (Jesusbild, Gottesbild, Leute des Buches o. ä.) ein. Geboten wird die Übersicht über eine vernünftige, aus christlicher Sicht nicht anstößige Religion. Nicht einmal der Name Muhammed erscheint, geschweige denn eine Über- oder Unterordnung der verschiedenen, hier gar nicht namentlich genannten Propheten. Dazu passt auch die abschließende Bemerkung über die koranischen Paradiesvorstellungen. Muhammeds sinnliche Rede vom künftigen Leben werde von den Auslegern nämlich nicht sinnlich gedeutet, hält Boysen fest. Es sei „kaum zu vermuthen, daß ein Mann, der so viele unschätzbare Wahrheiten wuste, zu so kindischen und albernen Irrthümern ausgeschweift sein sollte“ (14). Boysen weist abschließend darauf hin, dass er keine polemischen, sondern literarische Anmerkungen zum Text mache und im Anhang Gebete aus einer Handschrift mit lateinischer Übersetzung bringe, die 1666 unter dem Titel Muhammedanus precans in Schleswig von Henning Henningsen herausgegeben worden sei.25 In seinem dichten Text räumt Boysen mit einigen Vorurteilen auf, benennt seinen Hintergrund und seine Absicht, und er gibt seine Zuneigung zum dargebotenen Gegenstand zu erkennen. Der Hinweis auf die Überlegenheit des Christentums wirkt in seinem Zusammenhang wie eine captatio benevolentiae. Hier scheint jemand am Werk zu sein, der seine Religionsanschauungen auf dem Umweg über den Koran transportiert. Die vorgestellten Inhalte können – mit Ausnahme der Wallfahrt – für jede vernünftige Religion, auch für ein vernünftiges Christentum als Maßstab gelten. Diese Darstellung hebt ausschließlich auf Gemeinsamkeiten ab, wie sie auch in den beiden Gedichten Gleims, die Boysen abdrucken lässt, zum Ausdruck kommen. Zu Boysens sonstigen theologischen Äußerungen, vor allem zu seinem Leumund, zur Meinung er sei gewissermaßen der letzte unaufgeklärte Lutheraner, will dieser Text nicht recht passen. Bemerkenswert ist, dass die Rezensenten – mit Ausnahme Michaelis’ – auf diese Ebene der Vorrede nicht eingehen. 25 Henning Henningsen: Muhammedanus Precans, id est, Liber Precationum Muhammedicaru[m] Arabicus Manuscriptus. in Illustri Bibliotheca Gottorpiana inventus. Latinitate nunc donatus, & Notis illustratus, typisque mandatus & in lucem editus; Ut unusquisq[ue] videre poßit mirum & miserandum precandi modum, quo utuntur Muhammedani, ut Turcae, Persae, & qui sunt ex Tartaris, Indis Orientalibus, & Africanis, Religionis Muhammedicae sectatores & quae sint praecipua Doctrinae eorum Capita, ut quorum paßim sit mentio in Notis. intermixtis quoq[ue], hinc inde iis, quae spectant ad Sectam Judaeorum, & diversorum Christianorum, &c. / Authore Henningio Henningi[i], Husano Holsato, Sereniss. Slesw. & Holsat. Ducis nunc Regentis, Fratrisq[ue] ejus germani, Episcopi, & Coadjutoris Capit. Lubecensis, quondam Præceptore.

23.3 Rezensionen

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23.3 Rezensionen Johann Friedrich Hirt26 zeigt sich grundsätzlich überrascht und erfreut durch diese Übersetzung: Als ich in dem 2then Theil dieser Or. und Exeg. Biblioth. S. 433. u.f. eine neue deutsche Uebersetzung des Korans recensirte, so stellte ich mir nicht vor, daß in so kurzer Zeit schon wider eine andere neue deutsche Uebersetzung würde zum Vorschein kommen. […] Von jener Uebersetzung konnte ich mit Recht rühmen, daß sie ein Paar andern deutschen Uebersetzungen dir wir vor derselben hatten, übertreffe; und von dieser muß ich bekennen, daß sie die vorhergehende wieder übertreffe, und weit hinter sich zurücklasse. (341–342)

Die Übersetzung habe zwar nicht alle Vollkommenheit, bleibe aber „im Ganzen betrachtet allemal vortrefflich, und bringt ihrem Verfasser in Deutschland Ehre“ (342). Hirt greift Boysens Stichworte auf und zitiert diesen auch mehrfach zustimmend, bringt dann aber auch einige Verbesserungsvorschläge anhand von Textbeispielen. Er kritisiert seinerseits Boysens Prideaux-Kritik und meint, sie werde Boysen den Vorwurf einbringen, „daß er sich von dem Mohammed einen etwas übertriebenen und allzugünstigen Begriff gemacht, und diesen verkehrten Mann zu vortheilhaft […] geschildert habe“ (342–343). Darauf werden die von Boysen aufgestellten Hauptlehren des Koran wörtlich zitiert. Auf eine Gegenüberstellung von Boysens und Megerlins Übersetzung anhand einer Sure verzichtet Hirt aber aus Platzgründen, stattdessen kritisiert er einige Passagen anhand des arabischen Textes, vermutlich nach Hinkelmanns oder Marraccis Text. Die Anmerkungen Boysens seien zwar zu kurz, aber das sei immer noch besser als Megerlins völliger Verzicht darauf. Eine Zählung der Verse finde sich hier leider nicht. Vielleicht enschliesset sich daher der berühmte Consistorialrath Boysen, daß er bey einer neuen Auflage, welche bey seiner schönen Uebersetzung eher als bey der Megerlinischen zu vermuthen ist, auf die Erfüllung dieses unsers Wunsches, und auf einige Vermehrung der Anmerkungen mit bedacht zu seyn sich gefallen lässet. (352)

Diesen letzten Wunsch Hirts sollte Boysen auch in seiner zweiten Auflage nicht erfüllen. Damit entfällt, wie Hirt bemerkt, ein Grund für die vorliegende neue deutsche Fassung (den Megerlin immer wieder betont hatte). Die Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur27 macht sich zuerst über den Titel lustig: „*) Muselmänner, – im Munde eines Teutschen – im Jahre 1773 – Leser, wie gefält es dir? **) Herzlich schlecht gefält es mir. Der Korrektor.“ (199) 26 D. Johann Friedr. Hirts orientalische und exegetische Bibliothek. Sechster Theil. Jena, bey Felix Fickelscherr, 1774, S. 341–353. 27 Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur 1774, Bd. 6, S. 199–209.

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23. Boysens Koran-Übersetzung

GOtt Lob, deutsche Leser, daß unser Jahrhundert lächelnd auf jene Menschenalter zurücksieht, wo zu aller Zeit gegen arge Kätzer rüstige Polemiker der Stolz der orthodoxen Kirche waren! GOtt Lob! Sonst würde Herr Boysen, unbesorgt für eure und seines Verlegers Finanzen, und klüger als Hinkelmann, dem sein arabischer Koran beinahe Amt und Ehre kostete, ganze Alphabete um des arabischen Schwärmers willen zu Makulatur gemacht haben. – Also itzt Moh mmed als Ketzer bei Seite! Herr Boysen präsentiert uns ihn als Mann von Geschmack. Las sehen, wie er in dieser Gestalt hervortrit! (ebd.)

Es folgt ein Auszug aus Sure 3 in Boysens Übersetzung und die Kritik, dass es keine kritische Ausgabe und keinen Kommentar gebe, was vor einer Übersetzung aber erst geleistet werden müsse. Boysen gebe keine Auskunft darüber, welche Codices er mit Hinkelmanns und Marraccis Text verglichen habe. Der Rezensent fragt, ob Boysen dem seit einem halben Jahrhundert vorherrschenden Koran Sales nun den Rang ablaufe und gibt Vergleichsproben aus Sure 61, 1–14. Zufrieden ist der Rezensent noch nicht. Uebrigens mag Herrn Boysens Uebersetzung immer ihren Werth behalten. Sie ist von der Art, daß sie weit über die Vergleichung mit der megerlinischen ist; aber die gedrungene Kürze fehlt ihr, sie entfernet sich bisweilen zu weit vom Original, und erweckt bei dem deutschen Patrioten den Wunsch nach einer deutschen Uebersetzung, welche einheimische und ausländische weit hinter sich hertraben läßt. (209)

Deutsche Patrioten erwarten nach diesem Rezensenten letztlich die weltbeste Übersetzung, ein origineller Gedanke. In den Erlangischen gelehrten Anmerkungen und Nachrichten28 wurde das Buch ebenfalls positiv besprochen, in den Frankfurter gelehrten Anzeigen29 28 Erlangische gelehrte Anmerkungen und Nachrichten, 1774, S. 138–139: „Bey dem Feuer und dem Fleiße, den wir seit einigen Jahren in der orientalischen Litteratur sahen, da es beynahe schon so weit ist, daß sie wieder vernachläßiget wird, (ohngeachtet noch grosse Dinge übrig sind) und bey dem Uebersetzungs-Eifer der Deutschen; haben wir uns mehr als einmal gewundert, warum die Ehre einer Uebersetzung nicht dem Coran zutheil worden ist. Da doch in allem Betrachte dessen Uebersetzung etwas wichtiger, als so vieler hunderte Zeitvertreibender und anmuthiger Bücher. Denn gesetzt, der Gelehrte könnte sich aus lateinischen Dollmetschungen behelfen; so sind doch noch andre Sorten von Leuten da, die ebenfalls gerne wissen wollen und dürfen, ab alles das, was man von den Muselmännern, in Ansehung ihrer Religion und Meinungen schwatzt, wahr seyn möchte. Das Schwere dieses Buchs mochte vielleicht die meisten abgeschröckt haben, zumal bey der Art, wie das arabische von vielen erlernt wird. Jetzt aber haben wir vom Herrn CR. Friedrich Eberhard Boysen eine Uebersetzung des Corans erhalten, die um so schätzbarer ist, ie bekannter die Verdienste und die Kenntnisse des Herrn B. in der arabischen Litteratur sind.“ Es folgt hier eine aus der Vorrede abgeschriebene Vorstellung des Buches. 29 Frankfurter gelehrte Anzeigen 1774, S. 183: „Der Koran – übersetzt von Boysen. 1773. Diß ist sicher der rechte Titel: denn der, den ich vor meinem Exemplare habe: der Koran, oder das Gesetz für die Muselmänner, durch Muhammed, den Sohn Abdallah. Nebst einigen feyerlichen koranischen Gebeten unmittelbar aus dem Arabischen übersetzt, mit Anmerkungen und einem Register versehen, und auf Verlangen herausgegeben von Friedrich Eberhard Boysen, ist, mit diesen Schnörkeln entstellt, gewiß Carton – die Arbeit eines müßigen Amanuensis oder Kor-

23.3 Rezensionen

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dagegen kritisiert. Insgesamt wird Boysens Koran-Übersetzung in den hier zitierten Rezensionen also durchaus gewürdigt. Es wird angemerkt, Boysen präsentiere Mohammed als „Mann von Geschmack“. Der bissigen Kritik am bisherigen Titel „Muselmänner“ gab Boysen nach. Herausragend für unsere Fragestellung ist die Rezension von Johann David Michaelis (1717–1791), die offenbar einen Niederschlag in der zweiten Auflage findet – allerdings ohne jede Erwähnung durch Boysen.30 Michaelis’ Rezension erschien 1775 im selben Verlag wie der Koran Boysens.31 Hatte Johann Friedrich Hirt Boysen noch einen Vorwurf prognostiziert, weil dieser Prideaux kritisiert, Mohammed dagegen zu vorteilhaft geschildert habe, pflichtet Michaelis diesem Aspekt bei, ja er verstärkt ihn massiv. Nach einem Dank für diese Übersetzung Boysens, die man im Gegensatz zu anderen (Megerlin) ohne Widerwillen lesen könne, hebt Michaelis die Vernünftigkeit des Koran hervor: Offenbahr ist doch, daß nach der Religion, die in der Bibel gelehret wird, keine so vernünftige ist, als die Muhammedanische, die beynahe den ganzen Inhalt der natürlichen Religion, sonderlich die Lehre von einem einzigen allmächtigen und unendlichen Gott, und einem zukünftigen Leben, in dem gestraft und belohnet wird, beybehält, auch das Verdienst hat in so grossen Ländern (nur zu viel mit Hülfe der Waffen, doch aber ohne eigentlichen Religionszwang) den Götzendienst gestürtzt, und den Dienst des wahren Gottes, so wie ihn Christen, Juden, Muhammedaner, und Deisten, gemeinschaftlich erkennen, eingeführt zu haben. (31).

Michaelis sieht hier also die eine deistische Grundlage gegeben, die Gott, künftiges Leben sowie Lohn und Strafe enthält bei Christen, Juden, Muhammedanern und Deisten, die hier in interessanter Apposition erscheinen. Nach der Religion der Bibel, sei keine so vernünftig wie die Muhammedanische. Michaelis lobt diese Religion auch in ethischer Hinsicht. Hier schiebt er das Judentum in der Bewertung noch vor die Muhammedanische Religion. Er hält fest, „daß nach der Jüdischen und Christlichen Religion keine einzige so vortheilhafte Wirkungen zur Besserung des menschlichen Herzens gehabt hat, als die muhammedanische. Kann eine solche Religion dem gleichgültig seyn, rektors – Der Koran mit einem Register! Oßians Werke mit einem Index vocabulorum & phrasium! Die Religion der Vernunft nach dem feinsten populären Geschmack! Schwarzens Geschichte der Religion für Denker! Das kann kein in numerum studiosorum receptus, es mag auch von einer Alma seyn, von welcher es will, X oder Y, so hinhudeln; nur Amanuensis, Korrektor – vielleicht gar nur Setzer in der Feuerstunde thut dieß, kann diß thun.“ 30 Weder in der zweiten Auflage der Koran-Übersetzung noch in Boysens Lebensbeschreibung, in der dieses Thema breiten Raum einnimmt, wird auf Michaelis eingegangen. 31 Johann David Michaelis Orientalische und Exegetische Bibliothek. Achter Theil. Frankfurt am Mayn bey Johann Gottlieb Garbe, 1774, S. 30–98; Johann Fücks Verdikt über Michaelis, der keine Originalität besessen und die Orientalistik im Banne der Bibelexegese betrieben habe, findet hier seine Grenze. Denn eine derart positive Würdigung des Propheten (zugänglich allerdings nur in einem Fachorgan) ist beispiellos in dieser Zeit; vgl. Fück, Studien, S. 119.

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23. Boysens Koran-Übersetzung

der über das menschliche Herz, und blos als unpartheyischer Zuschauer über die Religionen des Erdbodens philosophieren will.“ (32) Michaelis nimmt hier also einen Standpunkt ein, der über Religionen philosophieren soll. In diesem Sinne schreibt er über „diese Religion“ und ihre Folgen, abstrahiert also gewissermaßen im Stil einer deistischen Religionsperspektive und markiert und taxonomiert wiederum Folgen, die er auf Grundlage dieser Abstraktion gewinnt. Er bescheinigt auf solche Weise dieser Religion auch große politische Folgen („Was für Siege!“ 32), die er andererseits auch als „schädliche“ bezeichnet (33). Michaelis schließt von der deistischen Religionsvorstellung, die er hier anlegt, auf die politischen und gesellschaftlichen Umstände. Letztlich siegt in seinem Vergleich das preußische Christentum über die Religion der Türken, wenn er schreibt: [J]jetzt sehen wir keinen einzigen Muhammedanischen Staat glücklich, ja nicht einmahl mächtig, ungeachtet sie die weiten Länder in sich fassen, in denen sonst alle Macht der Welt beysammen war: den Türkischen Staat, der noch immer der mächtigste unter ihnen allen ist, vergleiche man einmahl mit dem Preußischen, und das nach den drey von der Bevölkerung unabhängigen politischen Dimensionen der blossen Länder, Quadratmeilen, Lage und Fruchtbarkeit, und denn ihre Macht, wiederum nicht die Qualität der Armeen, sondern nur die in ihrer Grösse, und in den Einkünften des Staats bestehende: so wird man doch merken, daß etwas in der Muhammedanischen Religion seyn müsse, daß den Staaten zuletzt nachtheilig wird. […] Sollte einer nicht auf eine Religion die so sonderbahre politische Wirkungen hat, aufmerksam seyn. (33 f)“

Michaelis lobt diese Religion entsprechend seines Religionskonzepts und gleichzeitig kritisiert er massiv sogenannte Folgen. In der Anmerkung zu dem eben zitierten Vergleich mit Preußen geht er noch einen Schritt weiter: Vielleicht fragt mich ein Leser, was ich von den Ursachen des schädlichen Einflusses der Muhammedanischen Religion in den Staat denke? Ich glaube, 1) weil sie gar keine Untersuchung ausstehen kann, sie auch klüglich verbietet, so entfernt sie die Wissenschaften, wo nicht von dem Lande, doch von der Religion. In die Länder der Muhammedaner sind sie gleichsam eingebrochen, und da wir in Finsterniß lebten, war es bei ihnen im medio aevo Licht; aber nur, diese Wissenschaften durften sich Theologie nicht nennen, historische Untersuchungen durfte niemand anstellen, und darnach den Koran prüfen. Eine solche unwissende Religion voll Enthusiasmus wird immer viel Unglück stiften, und Staaten einem wallenden Meere gleich machen können. 2) weil sie den fürchterlichen Irrthum vom unbedungenen Rathschluss Gottes hatte, und durch einen unglücklichen Misgriff Muhammeds, der sich bei einer verlohrnen Action nicht anders zu helfen wußte, nicht blos auf das Geistliche, sondern auch auf Dinge des gemeinen Lebens, und auf Leben und Tod der Menschen anwandte. Daher die Verwüstungen der Pest, und so viel anderes Unglück, dem der steuren würde, der keinen unbedungenen Rathschluß glaubte. 3) Weil sie bloß na-

23.3 Rezensionen

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tional für Araber, deren Herr Muhammed seyn wollte, ohne je von so großer Ausbreitung seiner Religion sich etwas träumen zu lassen, gemodelt war, und folglich 4) die Lehre von den Pflichten gegen die Obrigkeit nirgends befindlich war, sondern blos Gehorsam gegen den Propheten gepredigt ward. Wem man nach dessen Tode gehorchen, lies der Koran noch unentschiedener als Alexander, und doch mischte sich nach seinem Tode gleich die Religion darein, konnte es auch nicht anders thun, da Staat und Religion bey ihm unzertrennlich war. Wer die Muhammedanische Geschichte kennet, wird wissen, daß eben Religions-Prätensionen das stete Schwanken der Staaten verursachten. (34–35, Anm. i)

Michaelis hatte die Kriterien natürlicher Religion als Maßstab aufgestellt. Daraus folgt für ihn, dass die Muhammedaner als die strengsten Unitarier zu gelten hätten und keine Heiden oder Götzendiener seien, „wie so manche neuere, auch nicht ungelehrte, Comödienschreiber, denen man diesen fehler ungern für ihre übrigen Schönheiten verzeihet, getan haben“ (36). Die folgende Aussage ist nach Michaelis politischen Ausführungen hoch interessant. Hier zeigt sich die geradezu klassisch protestantische Bibelfixierung, die aufgrund von Schriftstudium Religion (und Welt) erklärt: Aus Reisebeschreibungen könne man diese Religion nur so kennenlernen wie etwa „die christliche aus einer Reisebeschreibung durch Spanien im Jahr 1517“ (36). Wie man also dazu die Bibel lesen müsse, und nicht diese oder jene Sekte studieren, so müsse man die Religion Mohammeds im Koran aufsuchen. Nach Meinung der Türken seien wir Christen Ungläubige, aber nicht nach Muhammeds seiner, sondern nach dem können Christen Muslimin seyn, und seelig werden, wenn sie gutes thun. So gar auch die Juden, denen er sonst nicht gut ist, sind Muslimin, und werden unter der Bedingung guter Werke seelig, wenn sie nur von dem Irrthum rein sind, den er ihnen aus Versehen zuschreibt, Gotte einen Sohn zu geben (37).

Wer untersuchen wolle, ob es göttliche Offenbarung gebe, müsse sich an Bibel und Koran halten, „die vor dem Richterstuhl der Philosophie einigen Anspruch an weitere Prüfung ihrer Göttlichkeit“ (37) machen könnten. Andere Texte schließt Michaelis „wegen ihrer allzu groben Widersprüche gegen die natürliche Religion, oder sonst wegen ihres Inhalts“ (38) aus. Entweder es gebe gar keine göttlichen Offenbarungen, oder Bibel resp. Koran könnten sie enthalten. Das beschreibt Michaelis als Dilemma mit Blick auf die Frage nach dem künftigen Leben, nach Lohn und Strafe, nach Gerechtigkeit. [W]enn ich einen so schwarzen Gedanken von dem Vater aller Wesen nicht haben kann, so ist die christliche Offenbarung die wahre und göttliche. – – Wer diese Religions-Untersuchung anstellen will, dem leistet Herr B. durch die Uebersetzung des Korans einen grossen Dienst. (40)

Michaelis bezeichnet Religion der Muhammedaner (oder eigentlich doch nur Muhammeds Religion?) als vernünftig und plädiert für Koran-Lektüre. Mo-

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23. Boysens Koran-Übersetzung

hammeds Religion sei die zweitbeste nach der Biblischen, womit er die Christliche und Jüdische bezeichnet, um die Jüdische nicht auszuschließen. Das ist Michaelis’ Grund-Aussage.32 Von Boysen wünscht er sich Verszählung und Register. Stattdessen bekommt er aber in der zweiten Auflage eine Darstellung und Einschätzung Muhammeds, die seiner eigenen sehr entspricht. Ähnliches wird auch wenige Jahre später für Michaelis’ Göttinger Kollegen Gottfried Leß gelten, der im Zusammenhang des Fragmentenstreits aus anderen Gründen zu ähnlichen Schlüssen kommt wie Michaelis in seiner dem Maßstab der Vernunftreligion resp. der „natürlichen Religion“ Bahn brechenden Rezension, in der Muhammed und den Koran so gewürdigt, die gegenwärtigen Muhammedaner so herabgewürdigt werden. Lassen sich Spuren der hier geäußerten Auffassungen auch bei Boysen wiederfinden?

23.4 Die Vorrede von 1775 Boysen erwähnte die Rezension Michaelis nicht, obwohl er sich sowohl in der Vorrede, wie auch später (1795) in seiner Lebensbeschreibung mit der Koranübersetzung beschäftigte. Die Widmung seines Buches änderte Boysen nicht, wohl aber den Titel, wie bereits oben angemerkt wurde.33 Vor allem aber änderte und erweiterte er seine Vorrede. Die Gedichte Gleims fielen weg, eine längere Passage über Muhammed unter dem Titel „Denkwürdigkeiten aus der Geschichte des Propheten und seiner Reformation“ wurde dagegen neu eingeführt. Eingangs stellt Boysen fest, dass seine Übersetzung mit Wohlwollen aufgenommen worden sei, sie habe sogar Hirt, Schulz, Froriep und auch Reiske nicht missfallen, den Boysen seinen „nun verewigten Freund“ nennt und dessen Witwe er gedenkt. Er habe sich gewünscht, Fehler benannt zu bekommen, was aber nicht geschehen sei. (Eine Aussage, die angesichts Hirts Kommentaren zu den geheimnisvollen Buchstaben und zur Basmala allerdings nicht ganz zutrifft.) Für die Kritik am Ausdruck „Muselmänner“ im Titel hat Boysen hier zwar nichts übrig, dennoch ändert er den Titel seines Buches. 32 Vgl. dagegen die Texte des älteren Michaelis über Mohammed als „schlechter Geschichtschreiber“ und Mohammed als „schlechter Sittenlehrer“ in den Wöchentlichen Halleschen Anzeigen, die sozusagen eine Generation zuvor erschienen waren: Wöchentliche Hallische Anzeigen, Nr. XXXI., Halle, 3. August 1750, Sp. 509–516 („Mohammed ein schlechter geschichtschreiber“) und Wöchentliche Hallische Anzeigen, Nr. V., Halle, 1. Februar 1751, Sp. 65–75 („Mohammed ein schlechter Sittenlehrer“). 33 Der Koran oder Das Gesetz für die Moslemer durch Muhammed den Sohn Abdall. Nebst einigen feyerlichen koraischen Gebeten, unmittelbar aus dem Arabischen übersetzt, mit Anmerkungen und einigen Denkwürdigkeiten aus der Geschichte des Propheten und seiner Reformation herausgegeben von Friedrich Eberhard Boysen. Zweyte verbesserte Ausgabe. Halle, bey J.J. Gebauers Wittwe und Joh. Jac. Gebauer, 1775.

23.4 Die Vorrede von 1775

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Einige „aufgeklärte, und vortrefliche Männer“ (10)34 hätten gewünscht, dass er Texte im Silbenmaß auch entsprechend übertragen solle. Boysen wiederholt hier seine Aussagen zum Scharfsinn und Witz Muhammeds aus der ersten Auflage und meint, über einen solchen Versuch würde er sich freuen. Genauso, wie er sich darüber gefreut habe, dass die Probebogen seiner Übersetzung einen „der berühmtesten Dichter unseres Jahrhunderts veranlasst hätten, „dem arabischen Propheten nachzuempfinden“ (11). Die beiden in der Vorrede zur ersten Auflage abgedruckten Gedichte, die Boysen nun weglässt, seien mit allgemeinem Beifall, als Meisterstücke bewundert, aufgenommen worden. Keinesfalls seien sie Übersetzungen, wie auch gemutmaßt wurde, sondern sie „sollen Nachahmungen der muhammedischen Muse seyn“ (ebd.). Boysen freut sich, versteckt auf Gleims zu erwartende Halladat-Veröffentlichung anspielen zu können:35 „Das wäre schon ein Nutzen, zu welchem ich durch die Ausgabe meiner Uebersetzung, ganz gewis beförderlich gewesen bin.“ (ebd.) Außerdem freue sich Boysen darüber, dass er mitgeholfen habe, Vorurteile gegen Muhammed und sein „schönes Buch“ (12) zu verdrängen, und er beginnt, beide zu verteidigen: Ist je ein Religionsbuch gemishandelt, und der Verachtung ausgesetzt worden, so ist es der Koran. Will man einen Lehrsatz verschreyen, und ihn mit aller nur möglichen Schande brandmarken, so nennt man ihn muhammedisch, weil man den Koran als eine völlig gottlose Schrift ansieht, als eine Schrift, welche die Ehre Gottes verkleinert, welche das Laster nährt und anfrischt, und die von einem Menschen herrührt, welcher der vermaledeyteste Bösewicht gewesen ist, und ärger als der Teufel gehandelt hat. (ebd.)

Als Beispiele für solche Muhammed-Bilder nennt Boysen in der Anmerkung: „Die Verfasser der allgemeinen Welthistorie, und Guthri.“ (12 Anm.) Die ältere Welthistorie hatte er selbst zusammengefasst vorgelegt und ein zurückhaltendes Muhammed-Bild eingezeichnet (s. o.), Reiskes Kommentare zu Heynes Guthry-Übersetzung dürften ihm bekannt gewesen sein (s. o.). Neben „vielen grossen, und hinreissend vorgetragenen Wahrheiten“ enthalte der Koran im Gegensatz zur Bibel, die mit dieser Feststellung genug verteidigt sei, auch „Irrthümer und Schwärmereyen“ (12). Man dürfe zum Vorteil des Christentums aber nicht auf Kosten des Korans lügen „so wenig unterrichtete Christen fürchten dürfen, daß ihre Bibel je durch die Bibel der Türken verdunkelt werden wird“ (ebd.). Der Koran rede mit tiefster Verehrung von Gott und habe dazu beigetragen, „daß das menschliche Geschlecht in vielen wilden Gegenden verfeinert, wenigstens geschlachteter geworden ist“ (ebd.). Er enthält nach Boysen sogar „verschiedene heilige Lehren des Christentums“ und man könne nach einer angestellten Untersuchung nicht 34 Gemeint ist mindestens Gleim; vgl. den Brief Gleims an Lessing vom 8. 2. 1774 (s. u.). 35 Die allerdings bei Drucklegung seiner Vorrede bereits vorlag, s. o.

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23. Boysens Koran-Übersetzung

anders urteilen, als daß die „muhammedische […] Religion […] nach der christlichen die vernünftigste sey“ (ebd.); sie habe, seit man im 8. und 9. Jh. griechische Literatur mit dem Koran verband, „der Menschheit grosse Dienste geleistet“ (13). Marracci habe sie am feurigsten angegriffen, „aber oft von der Nacht der Vorurtheile bedeckt“ (ebd.). Von diesem Maraccius und von dem Prideaux, der Muhammeds Leben, auf eine elende Art beschrieben hat, rühren die meisten irrigen Meynungen, und Vorurtheile her, die wider den lesenswürdigen Koran, und seinen erhabenen Verfasser ausgestreuet, und beynahe von der ganzen Welt aufgenommen worden sind. Verschiedene dieser falschen Meynungen behaupten sich noch immer, weil sie von Leuten fortgepflanzt werden, die Credit haben. (ebd.)

Boysen, der Quedlinburger Lehrmeister, will hier aufdecken und aufklären. Er kritisiert auch zwei Schulbücher, die vollkommen verkehrt über diese Themen informierten.36 Zum Beispiel würde behauptet, dass man neben Gott auch an Muhammed glaube: Welch eine Unwahrheit! Die Anhänger des Korans würden es schon als eine Beschimpfung ansehen, wenn man sie nur Muhammedaner nennen wollte, weil diese Benennung sie mit dem Verdachte beladen könnte, als ob sie in dem Muhammed eine Gottheit verehrten. Sie glauben an Einen Gott, und dem Mohammed glauben sie, weil sie glauben, daß er inspirirt gewesen ist. (14)

Boysen ist damit der erste Autor in den hier untersuchten Texten, der die Bezeichnung „Muhammedaner“ als eine Beschimpfung kennzeichnet. Er nennt sie „Muselmänner“ bzw. später „Moslemer“ und orientiert sich damit an „Islam“ und nicht an Muhammed. Er wechselt die Perspektive, um zur angemessenen Bezeichnung zu kommen. Boysen bezeichnet es weiterhin als „eine Sonderlichkeit“, dass man von Muhammed in Europa, besonders in Deutschland so viel wisse, seine Absichten und die Art der Durchführung seiner Unternehmungen kenne und gleichzeitig keine Quelle dafür angeben könne. Er schreibt hier von dem „arabischen Reformator“ (ebd.). „Die meisten Nachrichten von diesem Reformator, sind durch die Kreuzzüge nach Europa gekommen. Wen aber hat Fanatismus und Religionshass mehr beherrscht, als die elenden Kreuzfahrer?“ (17). Boysen kennt keinen vorurteilsfreien Biographen Muhammeds. „Boulainvilliers ist mehr Lobredner als Biograph, und seine ganze Vorstellungsart ist hämisch. Bayle ist in dem Artikel Muhammed Bayle nicht.“ (ebd.) Jean Gagnier wäre der erträglichste unter den neueren, obgleich er vielfach falsch übersetzt und falsch verstanden habe. „Hauptverfasser in diesem Fache, ist Abulfeda vom Gagnier im Jahr 1723 mit vielen Erläuterungen herausgegeben, und von dem sel. Reiske übersetzt.“ (Ebd.) Boysen sieht keinen Nachfolger für 36 Er nennt zum Beispiel die neunte Auflage des Schulbuches Innbegriff aller Wissenschaften zum Gebrauch der Kinder, Berlin 1772.

23.5 Muhammeds Leben nach Boysen

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den „bis zum Wunder“ (ebd.) in der arabischen Sprache und Geschichte gelehrten Reiske. Nach dieser weit über die erste Vorrede hinausgehenden Situationsbeschreibung liefert Boysen nun selbst einen Überblick über das Leben Muhammeds, über seine Lehre und die gottesdienstliche Praxis seiner Anhänger. Seine Grundaussagen kommen den klaren Worten in Michaelis’ Rezension zur ersten Auflage sehr nahe, ohne sie zu erwähnen.

23.5 Muhammeds Leben nach Boysen Boysen beginnt mit dem Stammbaum Muhammeds und der Kalifen, allerdings nicht bis auf Ismael zurückführend, sondern innerhalb seines Stammes. Die knappen Bemerkungen über die Kindheit münden in der Feststellung, dass Lesen und Schreiben unter den Arabern dieser Zeit völlig unbekannt gewesen seien. Die jetzt übliche Schrift z. B. sei 300 Jahre nach Muhammed erfunden worden. Dafür sei die Dichtkunst sehr entwickelt gewesen, besondere Gedichte seien in der Kaaba aufgehängt worden. Muhammed habe mit seiner zweiten Sure einen Dichter so beschämt, dass er sein preisgekröntes Gedicht dafür abgenommen habe. Durch seinen Onkel habe er auf der Löwenjagd den Gebrauch der Waffen gelernt, das Handeln habe sich ihm als einziges ehrhaftes und einträgliches Gewerbe in Mekka empfohlen. Muhammed sei ein sehr uneigennütziger Handelsreisender gewesen, der sich auf seinen Reisen viele Kenntnisse über die Menschen, ihr Denken, ihre Religion und ihre Sitten erworben habe. Er lernte unter andern den Aberglauben kennen, der die Christen wider einander aufwiegelte, die Tücken, welche die Juden brüteten, und die er als Feinde des übrigen ganzen menschlichen Geschlechts betrachtete, und die Erboosungen der Heiden von der alten sabischen Landesreligion, wider die Heiden aus Zoroasters Schule. Ueberall fand er Trennungen und Schwächen. (20–21)

Arabien sei uneinig gewesen, das schwache Persien habe in den letzten Zügen gelegen: „Und so ein Kopf, wie Muhammed war, hätte eine so allgemeine Niederlage nicht nutzen wollen, nicht die Entschliessung ergreifen wollen, Eroberer zu werden?“ (21) Muhammed habe seinen Stamm tapfer gegen einen Angriff geschützt. Eine reiche Witwe habe ihm für seine Ehrlichkeit mit ihrer Hand gedankt, als er 25 Jahre alt war. Er habe neben ihr keine Frau haben wollen, obwohl die Polygamie schon lange vor seiner Zeit im Orient gebräuchlich gewesen sei. Es sei falsch zu behaupten, dass er sich durch ihre Einführung Anhänger habe verschaffen wollen. Muhammed hätte seinen Plan niemals ausführen können, wenn er hundert Jahre früher gelebt hätte. Denn die Umstände für die Errichtung einer Monarchie seien niemals günstiger gewesen als in dieser Zeit, in der außer den Chinesen und den Franken alle Reiche in Ohnmacht gelegen hätten. Wenn

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man sich also über die Geschichte Muhammeds wundern wolle, dann darüber, dass er nicht noch mehr Erfolg gehabt habe. Boysen zeichnet Muhammeds Vorgehen in die von ihm gezeichneten Verhältnisse als sinnvoll und notwendig ein. Der Offenbarungsanspruch erscheint bei ihm eher als Übertreibung, jedenfalls nicht als Betrug. Letztlich wird Muhammed eine notwendige Akkommodation an seine Landsleute zugeschrieben: Wollt aber Muhammed eine Monarchie in Arabien wagen, so mußt er eine neue Religion wagen. Er mußte Held und Prediger zugleich seyn, in der einen Hand mußt er ein göttliches Buch, und in der andern ein Schwerd führen, weil fast immer in Arabien die weltliche Gewalt mit der geistlichen verbunden gewesen ist. Er muste Offenbahrungen vorgeben, um seiner Lehre die nöthige Autorität zu verschaffen, und er muste mehr Sittenlehre als Glaubenslehre verkündigen, weil der gröste Theil der Menschen, der von der Natur der Glaubenslehren, nicht den rechten Begriff hat, mehr von jenen, als von diesen gelenkt wird. (22–23)

Die Religion habe ihm die Würde eines göttlichen Gesandten und das Ansehen eines Freundes und Wohltäters verschafft, ihm gleichzeitig aber ermöglicht, Widersetzlichkeit und Verdunklung der Ehre Gottes mit Waffengewalt zu verhindern: „Muhammed wagte eine neue Religion.“ (23) Er erfand sie nach Boysen also nicht, er betrog nicht mit ihr, sondern er sah ihre Notwendigkeit ein und wagte sie, ohne die alte völlig auszurotten: „synkretistisch wollt er aus den verschiedenen Lehrbegriffen, die in Arabien bekannt waren, ein neues Lehrgebäude zusammenschmelzen“ (ebd.). Die notwendige Einsicht in die christliche Religion habe Muhammed kaum haben können, weil sie durch Unwissenheit und Aberglauben verdunkelt gewesen sei. Der Vorwurf der Vielgötterei an die Christen und die Ablehnung ihrer Soteriologie sei weniger einer „Bosheit des Herzens“ (ebd.) Muhammeds, sondern vielmehr dem damaligen Mangel an Einsicht unter den Christen zuzuschreiben, dem auch durch die kirchlichen Streitigkeiten nicht wirklich abgeholfen werden konnte. Zu rühmen sei aber Muhammeds Eifer für die Lehre von der Einheit Gottes. Boysen bezeichnet Muhammed als „Erfinder“, der sich desselben Kunstgriffes bedient habe wie Lykurg und Numa, göttliche Offenbarungen vorzugeben. Dieses Vorgehen bezeichnet Boysen als betrügerisch. Kein rechtschaffener Mann sei zu so etwas fähig und auch die beste Absicht könne solche Täuschungen nicht rechtfertigen. Muhammed sei aber von der Notwendigkeit dieses Mittels überzeugt gewesen und habe seine Frau eingeweiht und nach ihr andere Verwandte in den Zirkel aufgenommen. Die „erkannten den Muhammed für einen Propheten, und nahmen seine Lehre an“ (24). Mit ihrer Hilfe habe er seine göttliche Sendung seinen widersetzlichen Landsleuten bekannt gemacht. Boysen zitiert einige koranische Aussprüche Muhammeds, illustriert damit Muhammeds Unerschrockenheit und meint: „Das könnte die Sprache eines Sektenstifters seyn, der einen Anhang hat, auf den er sich verlassen kann.“ (25)

23.6 Muhammeds Blasphemie

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Die vorgegebene Himmelsreise sei aus der Tradition, die mehr schöne als wahre Sachen enthalte, sie werde allegorisch ausgelegt. In seiner mekkanischen Zeit sowie in den ersten drei Jahren in Medina sei Muhammed nur Prediger gewesen. Die militärische Führung sei ihm aufgrund seiner Tapferkeit und Weisheit dort angetragen worden. Nach einigen Erfolgen sei seine Macht gewachsen. „Seine Märsche waren Siege, und da, wo das Schwerd siegte, siegte auch die Religion.“ (28) Die Überwundenen hätten seine Religion angenommen, Götzentempel in Moscheen verwandelt. Darunter seien viele Christen gewesen, die zuvor Bilder und Heilige verehrt hatten. Boysen schildert die Erfolge Muhammeds und widerspricht der Auffassung, er sei grausam und unversöhnlich gewesen mit einer bemerkenswerten Begründung: „Die Wollust war Muhammeds Hauptleidenschaft, und sehr selten ist der Wollüstige grausam.“ (30) Boysen beschreibt Muhammed auch als großmütig. Er habe seine besiegten Feinde zu freien Leuten erklärt und auch Beleidigungen vergeben.

23.6 Muhammeds Blasphemie Nach dieser ausführlichen Apologie Muhammeds kommt nun Boysens moralisches Urteil über den „Lügner“ Muhammed. Der Vorwurf lautet letztlich Blasphemie. Nicht Betrug, nicht Wahnsinn, nicht Wollust, nicht Grausamkeit, nicht Tyrannei, nicht Dummheit oder Unbildung, keiner der üblichen Vorwürfe trifft nach Boysen auf Muhammed zu. Boysen will mit seiner abschließenden Beurteilung die Kritik an Muhammed, den Ansatzpunkt für die Ablehnung, auf die seiner Meinung nach zutreffende Ebene bringen: Was den Muhammed in den Augen aller ehrlichen Leute schlechterdings heruntersetzen muß, ist sein falsches Vorgeben, daß seine Aussprüche unmittelbare Offenbarungen der Gottheit wären, daß er von Gott selbst unmittelbar zum Gesandten an das menschliche Geschlecht bestellt sey, und daß er nicht seine, sondern die Sache Gottes führte. Durch diese Unredlichkeit verlieren seine sonst respectablen Tugenden fast allen Werth. Denn ein Lügner, der so unverschämt ist, daß er alles was er thut, durch Berufung auf Gott, und auf besondere Befehle von Gott, heiligen will, ist ein verwerfliches Geschöpf. (31)

Boysen erklärt Muhammeds Vorgehen umständlich aus den Verhältnissen heraus. Er räumt mit so gut wie allen im Umlauf befindlichen Vorurteilen auf. Er lobt die Religion Muhammeds und des Koran als zweitvernünftigste Religion nach dem Christentum. Weder politische Umstände („Türkengefahr“) noch Endzeitvorstellungen („Antichrist“) spielen in der Mohammed-Darstellung des Quedlinburger Konsistorialrats eine Rolle. Nicht der Gehalt des Koran, nicht das Vorgehen Muhammeds werden abgelehnt. Im Gegenteil, Muhammeds Vorgehen wird in einer plausiblen, nachvollziehbaren Variante vorgestellt. Auch das Vorgeben einer göttlichen Offenbarung wird als eine

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23. Boysens Koran-Übersetzung

Notwendigkeit aus der Perspektive Muhammeds beschrieben. Doch dieses Vorgeben, diese „Lüge“ sei blasphemisch. Der Zweck, auch der erfolgreiche Zweck, heilige die Mittel nicht: Ein Lügner, der sich auf Gott berufe, sei ein verwerfliches Geschöpf. Nun folgt allerdings noch Boysens Darstellung der Religion Muhammeds, die er bereits in der ersten Auflage gegeben hatte. Diese Religion heiße „Islam“, wäre die Religion Adams, Noahs, Abrahams und Moses gewesen und auch Jesus habe sie gepredigt. Die Menschen hätten sie ganz verlernt. Sie bestehe in völliger Selbstverleugnung und Überlassung in den Willen des Schöpfers. Boysen nennt sie „den Islam, und die Bekenner dieser Religion, oder des Islam, Moslemer, Moslemiten, oder wie es gemeiniglich ausgesprochen wird, Muselmänner. Der ganze Islam wird in die Dogmatik, welche Iman heißt, und in die Moral, die der Din genannt wird, eingetheilet.“ (32) Es folgt, fast unverändert, die Darstellung der Sätze aus der ersten Vorrede (s. o.), nun eingeteilt in Dogmatik (1–10) und Moral (11–14). Eingefügt sind theologische Themen (Ratschluss Gottes, der Satan, die Engel), gewissermaßen als Konkretionen. Darüber hinaus liefert Boysen noch erläuternde Artikel zum Gebet, der Wallfahrt, dem Fasten. Als Quellen dieses Glaubens benennt er den Koran und charakterisiert ihn kurz nach seiner Entstehung und Sammlung sowie die Sunna, die nicht von allen angenommen werde.37 Die bereits in der Vorrede zur ersten Auflage erscheinende Liste seiner Lehrer (Michaelis, Callenberg, Schultze) ergänzt er nun noch um seine Lektüren und Beschreibung eines angemessenen Vorbereitens auf die Tätigkeit der Koranübersetzung, um Kritik der vorhandenen Drucke und die Kritik der Kritiker, die meinten nicht Philologie, sondern Philosophie sei dafür hinreichend, eine Übersetzung zu beurteilen.38

23.7 Boysen, Gleim und Lessing Während Megerlin auf Kriegs- und Bekehrungserfolge hoffte, war Boysen an sprachlicher Schönheit, an Sinn, an religiöser Dichtung und Muhammeds philosophischer Religion interessiert. Größer kann der Unterschied in derselben Zeit und unter vergleichbaren Umständen (protestantische Theologen in der Stadt, mit Lehrerfahrung) kaum sein. Boysen, vielfach von den Biographen als starrsinnige, unaufgeklärte Figur bezeichnet, klärt über den 37 Reiske habe den Koran im Vergleich zur Sunna als ein „Kindergewäsche“ (36) bezeichnet. 38 „[U]nd ich bin auch bemüht gewesen, ausser den Uebersetzungen der Bibel, den Abilpharagius, Abisenna, Abulfeda, den vortreflichen und schweren Ibn Arabschah, von Timurs Leben und Thaten, den Thograi, und das oben gedachte Gedicht des Caab Ibn Zohair auf den Muhammed, nebst andern arabischen Schriften verstehen zu lernen.“ (S. 37).

23.7 Boysen, Gleim und Lessing

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Koran, seinen Sinn und seine Schönheit sowie über Muhammed auf. Dieser Befund steht im diametralen Gegensatz zu Boysens ambivalentem Nachruhm. Seine Koranübersetzung regte Gleim zu seinen religiösen Gedichten an, die er im Halladat 1774 veröffentlichte und auch Lessing zur Prüfung gab.39 Lessing sollte ihm schnell empfehlen, ob das Buch gedruckt werden solle.40 Dieser war aber unsicher, ob es sich um Dichtungen Gleims oder um Übertragungen handelte. Er formulierte zwar keine Empfehlung in die eine oder andere Richtung, wollte aber das Geheimnis um den Autor erfahren,41 das ihm Gleim dann auch eröffnete, wobei er wiederum um Lessings Urteil bat.42 Lessing 39 Unter Rückgriff auf Theodor Seelgen (Seelgen, Theodor: Lessings jambische Dramenfragmente, Berlin 1930, S. 111) weist auch Zahim Mohammed Muslim in seiner Dissertation auf diesen Umstand hin; vgl. Zahim Mohammed Muslim, Lessing und der Islam. Eine Studie zu Lessings Auseinandersetzung mit dem Islam, Diss. HU Berlin 2010; http://edoc.hu-berlin.de/dissertationen/muslim-zahim-mohammed-2010–06–30/PDF/muslim.pdf; 27. 03. 2017), wo sich Hinweise auf diese Episode finden. 40 Vgl. Gleims Brief an Lessing, Halberstadt, den 4. 2. 1774 (Nr. 958 in Lessing, Werke, B 11/2, S. 617–618, Gleim sendet Lessing Das rote Buch mit der Bitte: „Das rote Buch, das nur Er und keines andern Menschen Auge dort zu sehen bekommen soll, durch zu sehn, und sein Urteil darüber mir bekannt zu machen. Ich wollte, wenn es meines Lessings Beifall hätte, noch gern vor Ostern den Druck zu Stande bringen; von dem Verfasser weiß ich nichts weiter als was im Vorbericht steht, und weil Er gern verborgen bleiben will, so wünscht ich, mein Leßing spräche gegen seine Freunde nichts, das ihn verraten könnte, davon.“ (S. 617) In diesem Brief denkt Gleim ans Sterben und fragt Lessing, wie er am besten seine Bücher verkaufen könnte, um ein Einsiedler werden zu können. 41 In seinem Antwortbrief an Gleim, Wolfenbüttel, den 6. 2. 1774 (Nr. 959 in Lessing, Werke, B 11/2, S. 618–620), findet er tröstende Worte für Gleim und fragt: „Doch wem sage ich das? Dem Verfasser des Halladat? Wär er aber auch nur sein Dolmetscher: man dolmetscht so ein Buch nicht, und dolmetscht es nicht so, wenn man von dem Inhalte nicht ganz durchdrungen ist. Wahrlich, mein lieber Gleim, Sie hätten mich in der Ungewißheit nicht lassen sollen, ob Halladat, ganz, so wie es da ist, aus Ihrem Kopfe allein gekommen, oder ob es sich nicht sonst wo her schreibet. Ich bekenne meine Unwissenheit: aber, so viel ich auch Ihrem Kopfe zutraue, so glaube ich doch wirklich Spuren zu finden, daß irgendwo irgend einmal auch noch sonst so ein Kopf gewesen. Sagen Sie mir immer das Geheimnis ganz, wenn ich es wissen darf.“ (S. 619–620). 42 Gleim an Lessing, Halberstadt, den 8. 2. 1774 (Nr. 960 in Lessing, Werke, B 11/2, S. 620–622): „Ja, mein bester Freund, Halladat ist ganz, so wie es da ist, aus ihres Freundes Kopf allein gekommen, nicht Ausdruck, nicht Dichtung, nicht ein Name darin schreibt sich anderswo her. Da nun diesem also ist, so möcht ich meinen lieben Leßing wohl bitten, sich doch recht zu besinnen, wo denn, und wann einmal auch noch sonst so ein Kopf gewesen sei? Denn diese Spuren, die Er wahrzunehmen geglaubt hat, können zwar unmöglich zu einer Quelle führen, weil nur die eine Quelle vorhanden ist, dennoch möcht’ ich so gern wissen, in welchem Kopfe der große Kenner Ähnlichkeit mit dem meinigen gefunden hat. Das ganze Geheimnis aber ist dieses: Ich wollte schon in meiner ersten Jugend immer eine Bibel schreiben. Dieser Gedanke kehrte bei manchem Anlaß, und bei dem bekannten Streit über die Inspiration, von dem ich mit unsern Gelehrten zu sprechen mehrmalen Gelegenheit hatte, fast täglich immer lebhafter zurück – Ich höre den Hofrat Michaelis zu Göttingen und den Consistorialrat Boysen zu Quedlinburg von dem göttlichen Mahomet sprechen, wie mein Leßing vom göttlichen Homer – Boysen aber sagte den vorigen Sommer zu mir, von s. Übersetzung des Korans, Ich behauptete, daß Verse müßten in Verse gedolmetschet werden, und wollt’ ihm eine Probe, nur der Versart geben, es wurden der Proben zweie, dreie etc. und so entstand in wenigen Wochen, in wenigen Stunden könnt’ ich mit recht sagen, das rote Buch, und hätt ich dem genius, der mich in mancher Morgenstunde zu

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23. Boysens Koran-Übersetzung

bekennt in seiner Antwort, das Manuskript mit viel Vergnügen gelesen zu haben, und will nun die vorher vermutete Ähnlichkeit mit einzelnen Zügen einer orientalischen Philosophie mehr auf den Ton, besonders im Gedicht Nr. X, „Der Zweifler“ beziehen,43 könne dies aber aus gesundheitlichen Gründen gerade nicht ausführen.44 Gleim bekam, soweit es die erhaltenen Briefe belegen, letztlich keine Antwort von Lessing. Möglicherweise haben sie bei einem Treffen in Braunschweig, wo sich beide z. B. im Sommer 1776 trafen, über die Texte gesprochen.45 Gleim schickte Lessing 1777 auch den dritten Teil seines Roten Buches zu.46 Lessing kannte Gleims koranische Gedichte und sicherlich auch Boysens Koran-Übersetzung, als er mit den Fragmenten und dem Fragmentenstreit und mit dem Nathan beschäftigt war.47 Boysen hatte wohl einen Anstoß für Gleim, vielleicht auch (direkt oder indirekt) für Lessing gegeben, als dieser sich mit den Fragmenten und mit dem Nathan beschäftigte. Aus der Fragmentenveröffentlichung erwuchs der in die Geschichte eingegangene Fragmentenstreit, der hier nicht geschildert werden soll, aber durchaus auch Auswirkungen auf protestantische Muhammed-Bilder hatte.

23.8 Eine Spitze gegen Neologen Mit seiner letzten Bemerkung in der Vorrede zur zweiten Auflage der Koranübersetzung wendet Boysen sich gegen diejenigen Theologen, die das eigentümlich Christliche nicht predigten.

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dreien Capiteln begeisterte, längere Besuche verstatten können, so würde, glaub’ ich noch mehr als ein Koran entstanden sein. Und nun, mein bester Leßing nun, denn ich befinde mich etwas besser, nun vergessen Sie der bösen Menschen, der Großen und Kleinen der Männer und Weiber, und sagen Ihrem Gleim ihre Meinung umständlicher über sein rotes Buch; ich send’ es Ihnen zurück, auf acht Tage; denn sie können’s bei näherm Urteil nicht entbehren.“ (S. 620–621) Gleim bietet Lessing außerdem an, er könne die erste Handschrift des Halladat für die Bibliothek haben. Dies hatte Boysen – in früherer Fassung – abgedruckt. Vgl. Lessings Brief an Gleim, Wolfenbüttel, den 27. 2. 1774 (Nr. 962 in Lessing, Werke, B 11/2, S. 629–630). Vgl. den Gleims Brief an Lessing [Braunschweig], den 18. 8. 1778 (Nr. 1391 in Lessing, Werke, B 11/2, S. 187). Gleim stellt in seinem Brief fest, dass Lessing ihn vergessen hätte und gibt eine Doppelspitze gegen Lessing und sich selbst ab: „Vergessen, doch den alten Freund, die Klopstocke, die zu bessern Werken nicht berufen sind! […] Übrigens, mein bester Leßing, send’ ich Ihnen hiebei, das dritte Buch des roten Buchs, von welchem ich, nur wenig Exemplare, habe drucken lassen, weil das ganze Büchel, nächstens neu erscheinen soll“ (Gleim an Lessing, Halberstadt, den 28. 12. 1777, Nr. 1329 in Lessing, Werke, B 11/2, S. 115–116, Zitat S. 115). Dies sollte bei der Erhebung der Umstände des Nathan und vielleicht auch für Lessings im Winter 1778/1779 umgesetzte Entscheidung, von der Prosa in die Versform zu wechseln, den Text zu „Versifizieren“, berücksichtigt werden. Vgl. zum „Versifizieren“ des Stückes den Kommentar in Lessing, Werke, B 9, S. 1134–1135.

23.8 Eine Spitze gegen Neologen

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Noch Eins: Muhammeds Religion ist gröstentheils aus der christlichen und aus der alten arabischen zusammengesetzt, die ein Zweig der jüdischen war. Das eigenthümlich Christliche der christlichen Religion hat er aber nicht in sein System aufgenommen. Wenn nun in der christlichen Kirche, von ihr besoldete Lehrer auftreten, welche das Eigenthümliche der christlichen Religion nicht predigen, so könnte man doch wol fragen: Wem sie denn nachpredigten, Jesu Christo, in dessen Dienste sie stehen, oder dem Muhammed, den sie für einen Betrüger halten? Quedlinburg am 12ten Jenner 1775. (40)

Boysen polemisiert hier gegen sogenannte Neologen, die in der Literatur – im Gegensatz zu ihm selbst – der Aufklärungstheologie zugerechnet werden.48 Friedrich Eberhard Boysen, der als starrsinnig altlutherisch bezeichnet wird und mit der Aufklärung seines Zeitalters nicht Schritt gehalten haben soll, ist mit seiner Koranübersetzung in ein bestimmtes Aufklärungsbild einzuordnen. Sieht man sich zum Beispiel die von Johann Salomo Semler in der Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie verantwortete Darstellung Muhammeds an, auf die Boysen anspielt,49 und vergleicht sie mit der hier vorgestellten Darstellung Boysens, wird man in Boysen den ,besseren Aufklärer‘ finden. Was also ist ,Aufklärung‘? Dogmenreduktion und ,vernünftiges Christentum‘, durchaus auch verbunden mit Muhammed-Polemik oder historiographische und weitgehende auch theologische Verteidigung Muhammeds und des Koran, durchaus auch verbunden mit Neologen-Polemik? Es kommt wohl darauf an, wonach man gerade fragt.50 Eine Zuordnung Boysens zum nicht aufgeklärten oder zumindest nicht hinreichend aufgeklärten Teil der Theologenschaft ist mit diesem Text über Muhammed und den Koran nicht möglich. ,Aufklärung‘ lässt sich wohl nicht einseitig ,den Neologen‘ zuschreiben, gegen die Boysen, der über Muhammed und den Koran informiert und aufklärt, polemisiert. Ironischerweise bezeichnet er sie als ,Diener Muhammeds‘, den sie aber für einen Betrüger hielten. Diese Spitze richtet sich wohl direkt gegen Semler. Doch auch auf Seiten der sogenannten ,Neologen‘ findet sich nach dem Fragmentenstreit die eindeutige Tendenz, Mahomed zu würdigen, wie sich an den Antifragmenten von Döderlein und von Leß ablesen lässt. 48 Albrecht Beutel, Kirchengeschichte im Zeitalter der Aufklärung. Ein Kompendium, Göttingen 2009. 49 Man benutze den Koran gewissermaßen als Schimpfwort hatte Boysen oben (S. 12) beklagt, „weil man den Koran als eine völlig gottlose Schrift ansieht, als eine Schrift, welche die Ehre Gottes verkleinert, welche das Laster nährt und anfrischt, und die von einem Menschen herrührt, welcher der vermaledeyteste Bösewicht gewesen ist, und ärger als der Teufel gehandelt hat“. Als Beispiele für solche Mohammed-Bilder nennt Boysen in der Anmerkung: „Die Verfasser der allgemeinen Welthistorie, und Guthri.“ (12 Anm.) Die Darstellung Muhammeds/ Mohammeds in der Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie findet sich in dem ersten von Semler verantworteten Band 19 (s. o.). Die Auslassungen des von Heyne übersetzten Werkes von Guthrie/Gray hatte Reiske scharf kommentiert (s. o.) 50 Zu Semler in dieser Fragehinsicht vgl. Dirk Fleischer, Lebendige Geschichte. Hermann Samuel Reimarus und Johann Salomo Semler auf der Suche nach der biblischen Wahrheit. In: Albrecht Beutel u. a. (Hg.), Aufgeklärtes Christentum. Beiträge zur Kirchen- und Theologiegeschichte des 18. Jahrhunderts, Leipzig 2010, S. 75–92, bes. S. 84.

24. Mahomeds Religion als Vorbereitung zum Christentum – Johann Christoph Döderleins Antifragmente (1779) 24.1 Döderleins Antifragmente von 1778 Was also ist, um noch einmal an die letzten Bemerkungen zu Friedrich Eberhard Boysens Spitze gegen die ,Neologen‘ anzuschließen, „Aufklärung“, was ist „Neologie“? Mit Johann Christoph Döderlein (1746–1792) reagierte nunmehr „ein waschechter Neologe“1 mit Antifragmenten auf Lessings Publikation und äußerte sich pointiert zu Mahomed.2 Döderlein ließ die von Lessing 1777 herausgegebenen und mit Gegensätzen des Herausgebers versehenen Fragmente noch einmal, allerdings ohne Lessings Gegensätze drucken und fügte seine eigenen Antifragmente an. Die Veröffentlichung dieser christentumskritischen Fragmente selbst beurteilt er positiv, wenn er fragt: „Sollte es eine undankbare Bemühung seyn, wenn ein andrer […] denkt und diese bekannt macht?“ (3) Durch den abermaligen Abdruck lieferte er die Texte des Wolfenbüttelschen Ungenannten sowie eigene, allerdings zunächst anonyme Beiträge für die weitere Diskussion. Andere Autoren hatten bereits die Herausgabe als solche kritisiert, weil Lessing eine fachtheologische Debatte unangemessenerweise in die breite Öffentlichkeit ziehe. In einer späteren Ausgabe seiner Fragmente und Antifragmente distanzierte Döderlein sich auf das Schärfste von Lessings bekanntestem Kontrahenten im Fragmentenstreit, Johann Melchior Goetze. So schrieb er „[a]m letzten Tag meines Aufenthaltes in Altdorf. 1782“3 (VIII) statt eines Vorwortes zu der 2. Auflage seiner Fragmente und Antifragmente, unter der Anrede „Mein Herr Pastor!“, dass es Geschöpfe gäbe, denen man besser mit Schweigen antworte. Döderlein zählt Goetze zu dieser Art von Geschöpfen und entschuldigt sich gewissermaßen, dass er nun doch reagiere: „Sie haben mich in den Rock gebissen, und ich trage an demselben Ihren theologischen Schaum als Ehrenzeichen.“ (IV) In der Auseinandersetzung ging es um die Frage, ob kritische Angriffe auf Mose auch die christliche Religion erschüt1 Beutel, Kirchengeschichte, S. 141. 2 Fragmente und Antifragmente. Zwey Fragmente eines Ungenannten aus Herrn Lessings Beyträgen zur Litteratur abgedruckt mit Betrachtungen darüber. Nebst einigen Landkarten. Nürnberg, in Verlag der Johann Georg Lochnerischen Buchhandlung. 1778. 3 Das Vorwort zur zweiten Auflage 1782 wird hier nach dem Wiederabdruck von 1788 zitiert: Fragmente und Antifragmente. Erster Theil. Neue Auflage. Nebst einigen Landkarten. Nürnberg in Verlag der E.C. Grattenauerischen Buchhandlung. 1788.

24.2 Döderleins Antifragmente von 1779

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terten, was Döderlein verneint, Goetze offenbar entschieden bejaht hatte. Aus der Bezweiflung des historischen Mose folge keineswegs, dass Jesus etwa nicht gelebt habe, hält Döderlein fest. Man müsse eben nicht alles aufgeben, nur weil man ein Wunder Mose nicht beweisen könne. Nun behalten Sie also ihren Triumph, daß ich – ein Lästerer Jesu, ein Verräther der Religion, ein Läugner der Gottheit Jesu und alles bin, was in Ihren Augen abscheulich ist – weil ich von Ihrer rohen Polemik kein Freund bin – für sich: Ihre Logik kan nicht die meinige seyn: und Gottlob! sie ist Ihnen so eigen, daß ich um die Behaltung der meinigen Gott bitten muß. (VII)

Zuerst hatte Döderlein sich in seiner anonymen Veröffentlichung unter dem Titel Fragmente und Antifragmente mit dem Fragment Durchgang der Israeliten durchs rothe Meer auseinandergesetzt,4 worauf sich auch die hier aus der zweiten Auflage zitierte Auseinandersetzung mit Goetze bezieht. Der zweite hier mit einem Antifragment kommentierte Text ist das Fragment über die Auferstehungsgeschichte5. Dem folgte 1779 eine zweite Publikation, die einige für unser Thema relevante Aspekte enthält.

24.2 Döderleins Antifragmente von 1779 Im Vorwort zu seinen zweiten Fragmenten und Antifragmenten6 freut sich der Autor über den Beifall, den die erste Veröffentlichung gefunden habe. Gegenstand seiner zweiten, nunmehr namentlich unterzeichneten Veröffentlichung ist das zweite 1777 von Lessing publizierte Fragment Unmöglichkeit einer Offenbarung, die alle Menschen auf eine gegründete Art glauben können, das Döderlein wiederum abdruckt7 und mit einem Antifragment kommentiert. Hier finden sich Passagen, die sich mit Türcken bzw. Muselmännern auseinandersetzen. Zunächst kommt bei Döderlein der Fragmentist zu Wort, indem das ganze Fragment abgedruckt wird, in welchem sich einige Passagen über andere Religionen finden. 4 Fragmente und Antifragmente. Zwey Fragmente eines Ungenannten aus Herrn Lessings Beyträgen zur Litteratur abgedruckt mit Betrachtungen darüber. Nebst einigen Landkarten. Nürnberg, im Verlag der Johann Georg Lochnerischen Buchhandlung. 1788. Der Text des Fragments und Döderleins Antitext finden sich auf S. 35–110. 5 Der Text dieses Fragments, gegen das auch Leß 1779 geschrieben hatte, und der Antitext Döderleins dazu finden sich auf den Seiten 111–268 (s. vorige Anmerkung). 6 Fragmente und Antifragmente. Zwey Fragmente eines Ungenannten aus Herrn Lessings Beyträgen zur Litteratur abgedruckt mit Betrachtungen darüber. Zweiter Theil. Nürnberg, in Verlag der Johann Georg Lochnerischen Buchhandlung. 1779. 7 In der überlieferten Fassung der Apologie, erschienen 1972, ist dieser Text nicht enthalten; vgl. Hermann Samuel Reimarus, Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes, 2 Bde., hg. v. Gerhard Alexander, Frankfurt/M. 1972.

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24. Döderleins Antifragmente

24.2.1 Die Position des Fragmentisten Dass die Welt zum Christentum bekehrt werden könnte, wird in diesem Fragment, das die Unmöglichkeit einer Offenbarung, die alle Menschen auf eine gegründete Art glauben können beweisen möchte, entschieden bestritten. So heißt es u. a., dass die Heyden – wie alle anderen auch – ihre Religion von den Vätern geerbt hätten und diese für die einzig wahre hielten. Die Beschäftigung mit anderen Religionen hielten sie für unnötig und auch für gefährlich. Wer ihnen dies verargen wollte, der mag mir zuvor antworten, ob er den Talmud, die Misna und Gemara, den Alcoran, den Zendavesta des Zerduscht, den Sad-der des Destur, den Con-fu-zu und andere dergleichen Bücher gelesen? ob er aller Völker Religionen so genau zu kennen und so unpartheyisch zu untersuchen, jemals Lust, Fähigkeit oder Zeit gehabt? ob er nicht glaube, die Religion, darin er erzogen worden, sey die einige, wahre und seligmachende? ob er nicht daher unnöthig zu seyn glaube, sich um andere Religionen viel zu bekümmern? ja ob er es nicht fast für sündlich erachtet hätte, sich nach andern, als bessern, umzusehen, und aus Reizung zu denselben ihre Bücher zu lesen, und nach ihren Lehrern zu laufen? (54–55)8

In den Schriften würden die Heyden also nicht forschen. Der Lebenswandel und die Spaltung des Christentums in viele Sekten würden sie vom Christentum abschrecken. Die mit neusten Mitteln (Wissenschaft, Buchdruck) ausgestatteten Missionsbemühungen der letzten Jahrhunderte zeigten darüber hinaus die Erfolglosigkeit solcher Versuche. Kaum einer von einer Million sei bekehrt worden, wenn doch, dann wegen zeitlicher Vorteile, aus Einfalt oder nur zum Schein. Niemand aber sei wegen der Geschichte Jesu, der Apostel, der Wahrheit ihrer Sendung oder ihrer Wunder, wegen der Unverfälschtheit der heiligen Bücher und ihrer Untersuchung bekehrt worden: „das Christentum lässet sich heutigen Tages bey den Heyden nicht weiter ausbreiten“ (57). Es sei gar nicht möglich, das Evangelium in alle Sprachen zu übersetzen, wie der Fragmentist bemerkt: „Kurz, der Mensch ist für keine Offenbarung geschaffen: den einen hindert dieses, den andern jenes, daß sie ihm nicht kann beygebracht werden.“ (67). Ein weiterer Hinderungsgrund wäre die weltliche Macht. Hier widmet sich der Text des Fragments auch der Situation im Osmanischen Reich. Die weltliche Macht mit ihren strengen Gesetzen erweise sich als Hindernis, wie auch die Landes-Religion und der Unterthanen Gewissen, welche nach ihren Lehr-Sätzen glauben die einige wahre Religion zu besitzen, und eine Tod-Sünde zu begehen, wenn sie sich nur im geringsten unterfiengen, ihre Religion vernünftig zu überlegen, und 8 Zitiert nach dem Abdruck Döderleins; vgl. Lessing, Werke, B 8, S. 189–236.

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daran zu zweifeln, oder wenn sie lüstern würden, sich um andere Religionen zu bekümmern, und sich mit deren Verwandten in ein Gespräch darüber einzulassen. (67)

Von Missionaren, mit denen dort ohnehin kurzer Prozess gemacht würde, habe man auch noch nie etwas gehört. Es würde auch bey den Türcken selbst, wegen ihres blinden Gehorsams und Eifers für ihren Glauben und Alkoran, nicht angehen. Denn eben das bringt ihre Religion mit sich, nicht zu raisonniren, nicht zu zweifeln, sich mit Irrgläubigen in keine Unterredung oder Streit einzulassen. Sie sind so vest von der göttlichen Sendung des Mahomed, von der Wahrheit seiner Wunder, von der göttlichen Eingebung und Vorzügen ihres Alkorans überredet; sie haben aus dem Alkoran so starken Haß wider das Christenthum, als einer Vielgötterey und Abgötterey eingesogen, daß es keiner Gesetze oder Strafe brauchte, sie davon abzuhalten. (68)

Es sei nicht zu leugnen, dass man nach dem Koran Mose und Christus für große Propheten halte, aber es sei den Türken, wie es im Fragment durchgängig heißt, klar, dass die Christen die heiligen Schriften nun einmal verfälscht hätten und drei Götter anbeteten. „Denn daß die Christen drey Götter anbeten, ist einem Türken so klar, als er drey zählen kann; und daß ein Mensch zugleich Gott sey, ist bey ihnen offenbare Abgötterey.“ (69) Es sei also „menschlicher Weise unmöglich“, dass ein Türke in der Türkey zum Christentum gelangen könnte. „Und dieses müssen wir auf alle andere Völker, deren Beschaffenheit und Erziehung dieser ähnlich ist, ja selbst auf die Catholische Christenheit deuten.“ (71) Man könne von niemand etwas erwarten, was dessen Kräfte und Umstände übersteige. Dies wird am Beispiel eines spanischen Katholiken, der keine Bibel kenne, sondern den Geistlichen blind glauben müsse, zum Ausdruck gebracht. Das Christentum könne unmöglich allgemein oder auch nur weiter ausgebreitet werden. Es habe weder seit der Entdeckung Amerikas und anderer Länder, noch seit siebenhundert Jahren bei den Türken noch nach der Zerstörung Jerusalems eine Ausbreitung gegeben. Vielmehr hat Mahomed mit seinen Nachkommen dem Christenthume erstaunlichen Abbruch gethan, und gerne die Hälfte christlicher Botmäßigkeit unter seine Herrschaft und Glauben gebracht. Und bis auf den heutigen Tag gibt es eine Menge Renegaten, die vom Christenthume zu den Türken übertreten. (77)

Das Christentum habe am wenigsten zugenommen, „seitdem es die größten und besten, ja fast allein wahren Hülfsmittel gehabt, nemlich Erkenntniß der Sprachen und Wissenschaften, Historie, Buchdruckerey, Schiffahrt, Handlung, Reichthümer und Mißionen“ (81). Vielmehr hätten zu derselben Zeit die inneren Feinde des Christentums und die Ungläubigen zugenommen. Nach derartigen Anmerkungen zur äußeren Entwicklung wird nun ausführlich danach gefragt, wie eine vernünftige Überzeugung von der Wahrheit

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des Christentums im Christentum selbst aussehen könnte. Von Canstein habe zwar Bibeln drucken lassen, aber insgesamt habe kaum der tausendste Christ eine Bibel zu sehen bekommen. […] Es ist vom Anfange des Christenthums, in den Zeiten der Unwissenheit und Finsterniß, und noch jetzt im Papstthume, ja auch unter den meisten Protestanten, lauter Köhler-Glaube, lauter Catechismus-Glaube. (86)

Man lerne eben den Katechismus der Väter und komme immer auf denselben zurück. Das gelte sogar für Gelehrte, die immer auf dieselben Wahrheiten aus ihren Katechismen zurückkämen: Vitringa und Lampe auf den Heidelberger Katechismus und die Dordrechter Synode; Buddeus, Reinbek und Mosheim auf die Confessio Augustana und Luthers Katechismus; Grotius, Episcopius und Limborch auf die Lehre der Arminianer; Petavio und Bellarmin auf die Lehre der Tridentinischen Väter. Diese großen Leute fänden bei allem Forschen nur das, was sie in ihrer Jugend im Katechismus gelernt hätten. Außerdem reiche es nicht, ein vermeintliches Offenbarungsbuch zu verstehen. Man müsse auch wissen, ob es authentisch sei oder den vermeintlichen Autoren nur untergeschoben. Die meisten Bücher des Alten Testaments seien jünger, als sie vorgäben, Mose könne nicht der Verfasser der fünf Bücher Mose sein. Die Schreiber des Neuen Testaments machten gar keinen Anspruch darauf, eine göttliche Offenbarungsurkunde vorgelegt zu haben. Handschriften, auch die der Apostel, seien nicht überliefert. Die Meinung, „daß es mit allen Büchern und üblichen Lesarten der Schrift seine vollkommene Richtigkeit habe, ist auf nichts gegründet, als auf die blinde und faule Leichtgläubigkeit der Vorfahren“ (100). So ein blinder Glaube wäre der „türkischen, jüdischen und heydnischen Religion, ia alles Aberglaubens und Abgötterey gleich fähig; und kann eben daher unmöglich allgemein werden“ (101) und auch nicht Grund der Seligkeit sein. Der Glaube an eine Offenbarung könne unmöglich allgemein werden. Die Wahrheit der Offenbarung lasse sich nicht dadurch beweisen, dass sie ihre Wahrheit selbst behaupte; es bleibe die Ungewißheit, welche der behaupteten Offenbarungen die wahre sei. Auch die Berufung auf die Kraft des Geistes helfe nicht weiter. Nur der, der zuvor an die Wahrheit der Schrift glaube, verspüre diese Kraft bei sich. „Denn sonst müßten ia Juden, Türken, Heyden, und alle die noch nicht von der Göttlichkeit der Schrift überführt sind, alsobald bekehrt werden, wenn sie nur die Schrift läsen“, sie merkten aber nicht die Kraft des Geistes, sondern das Gegenteil, sie nähmen Anstoß an der Bibel. Und wenn ia gleich hin und wieder etwas vorkäme, das wahr und gut gesagt sey, so sey es doch nichts ausserordentliches, dergleichen nicht auch im Alkoran und bey vernünftigen Heyden, ia mehrentheils weit edler, schöner, und unanstößiger ausgedrückt, anzutreffen wäre. (104–105)

Man solle einmal einen Türken fragen, ob er nicht beim Lesen des Koran von heiliger Andacht und Bewunderung der göttlichen Schreibart so berührt wäre, dass er meine, nicht einmal alle Engel zusammen könnten ein derartiges Buch

24.2 Döderleins Antifragmente von 1779

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verfassen. „Das macht, er kömmt zu seinem Alkoran eben so vorbereitet, wie der Christ zur Bibel.“ (106) In immer neuen Durchgängen bringt der Text zum Ausdruck, dass es für den allergrößten Teil der Menschheit unmöglich sei, eine Offenbarung so zu untersuchen, dass sich ein vernünftig begründeter Glaube darauf aufbauen ließe. Vielmehr sei Katechismus- oder Köhlerglaube verbreitet. Die meisten Menschen seien von der christlichen Offenbarung aus Unkenntnis oder Unvermögen ausgeschlossen. Einziges und notwendiges Mittel zur Seligkeit könne eine Offenbarung darum nicht sein, so muß gewiß die Offenbarung nicht nöthig, und der Mensch für keine Offenbarung gemacht sey. Es bleibt der einzige Weg, dadurch etwas allgemein werden kann, die Sprache und das Buch der Natur, die Geschöpfe Gottes, und die Spuren der göttlichen Vollkommenheiten, welche darinn als in einem Spiegel allen Menschen, so gelehrten als ungelehrten, so Barbaren als Griechen, Juden und Christen, aller Orten und zu allen Zeiten, sich deutlich darstellen. (119–120)

Offenbarung ist nach diesem Text unnötig, der Mensch sei dafür gar nicht gemacht. Es bleibe nur das Buch der Natur.

24.2.2 Döderleins Gegenposition im Antifragment Auf dieses Fragment antwortete Döderlein mit seinem Antifragment, das hier wiederum nur in Bezug auf seine Aussagen über Muhammed und seine Religion vorgestellt werden soll. Eingangs stellt er – wie Lessing in seinen Gegensätzen des Herausgebers9 – klar, dass die Notwendigkeit einer Allgemeinheit eben kein Kriterium für Wahrheit sei. Ich kan nach allen Wunsch und Willen des Ungenannten, auch ohne seine Sterbelisten, Rechnungskünste und geographische Reisen, bloß nach dem, was ieder weiß, die Nichtallgemeinheit ieder Religion zugeben, ohne daß sich ihre Ungöttlichkeit so geschwinde daraus folgern läst. Ich kann ihre Heilsamkeit schätzen, ohne sie für allgemein nothwendig auszugeben. (121)

Nicht Allgemeinheit, sondern Vernünftigkeit setzt Döderlein als Maßstab an. Er unterscheidet die geoffenbarte Religion von der „Religion selbst“: Was gehen doch diese gesammten Vorstellungen von der wesentlichen Nothwendigkeit der Erkenntniß der geoffenbarten Religion, von Verdammung aller Nichtiuden und Nichtchristen, an denen nur Sektenstolz, Mangel an Auslegungskunde, und 9 Lessing hatte geschrieben: „Daß nemlich die Offenbarung auch für diejenigen Menschen zur Seligkeit nötig sei, die gar keine, oder doch keine gegründete Kenntnis davon erlangen können: ist weder die Lehre Christi, noch jemals die allgemein anerkannte Lehre der Kirche gewesen.“ (Lessing, Werke, B 8, S. 323).

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24. Döderleins Antifragmente

gutherzige Schwäche bey aller Achtung fürs Christenthum schuld ist, die Religion selbst an? (124)

Es gäbe einen Unterschied zwischen einem Verächter und einem Nichtkenner der geoffenbarten Religion, so betont Döderlein. Die Unmöglichkeit, eine Bedingung zu erfüllen, dispensiere von der Bedingung. Es sei schon so oft betont worden, dass die Forderungen des Glaubens immer voraussetzten, dass man von ihm erfahre. Döderlein betont, daß Gott Vergebung durch Christum auch denen ertheilen könne und werde, welche in der Periode der Unwissenheit lebten, daß iene Kette von Sätzen, welche die ganze Lehre von einer Offenbarung niederschlagen soll, ihre Vestigkeit iezt gewiß verloren hat. (126)

Döderlein nennt dafür Johann Friedrich Eberhard, Gottfried Leß und Johann Wilhelm Jerusalem, „Männer welche auch zu philosophiren wissen und diese ganze Philosophie so zerstört haben, daß ihre Reste entweder Ruinen oder Luftschlösser sind“ (127). Mit denselben Gründen wie der Ungenannte könnte man auch die ganze Naturreligion wegphilosophieren, denn die Berufung auf Sprache und das Buch der Natur falle, wenn man die weltgeschichtlichen Umstände mit beachte. Es sei „ein Werk des Zufalls, unter einer aufgeklärten Nation oder unter den Barbaren geboren zu werden, dort Gott, hier die Herrlichkeit Gottes ins Bild der Thiere verwandelt zu sehen.“ (128–129) Es reiche aus, einen geographischen Atlas mit der Verteilung des Monotheismus vor dem Christentum vor sich zu haben, um zu sehen, dass diese Idee des Monotheismus vor dem Christentum, die nach Meinung des Ungenannten so offen in der Natur liegen solle, bei den meisten Nationen, selbst bei den Weisen, verloren gewesen sei. Daraus folge aber nicht, dass diese monotheistische Naturreligion nicht von Gott als Mittel zur Seligkeit gesetzt sei. Nicht nur die Kenntnis bestimmter, positiver Offenbarung, auch die Art des Umgangs mit der Natur, ist nach Döderlein veränderlich. Der Schluss des Fragmentisten richte sich also eigentlich auch gegen die Naturreligion. Eine Offenbarung sei das beste göttliche Mittel, aber eben nicht das einzige. Es sei ein Missverständnis, dass ohne göttliche Offenbarung für den Menschen keine Seligkeit möglich sei. Außerdem entwickle sich eine geoffenbarte Religion wie die Menschheit in ihrer Geschichte, die sich nur nach und nach entwickelt und grade in den nützlichsten Kenntnissen langsam fortschreitet, allmählig erfindet, und eben so langsam ihre Erfindungen nährt, herumträgt, und ausbildet, biß sie Gemeingut werden. Die Fieberrinde ist gewiß nicht erst seit hundert Jahren geschaffen, und die Materialien zur Buchdruckerey sind seit Anfang der Schöpfung vorhanden: die Entdeckung von der Heilkraft iener und die Erfindung von dieser sind unstreitig gemeinnützig: aber warum sind sie nicht eher in der Welt? Frage die Vorsehung. Endlich wenn auch die Offenbarung ihre Teilnehmer glücklicher macht, als die übrigen Menschen sind: ist denn ungleiche Vertheilung der Vorzüge sogleich parteyische Ungerechtigkeit? So könnte doch iede

24.2 Döderleins Antifragmente von 1779

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Klasse von Geschöpfen über Ungerechtigkeit des Schöpfers schreyen, der Stein, daß er nicht die Wohlthat der Empfindung, das Pferd, daß es keine Vernunft, der Mensch, daß seine Natur nicht die Vollkommenheit der Engel hat. Was dem Menschen zu seiner Glückseligkeit wesentlich nöthig ist, Liebe des Schöpfers, ist allgemein, ist nicht an die Erleuchtung durch die Offenbarung gebunden, und wird ihm alsdann zu Theil, wenn er nach seinen Fähigkeiten und den Veranlassungen, die er findet, Gott erkennt und verehrt. Die Erweisungen dieser Liebe, die wir Wohlthaten nennen, richten sich theils nach dem Gefühl der Bedürfnisse eines ieden, welche bey gröserer Aufklärung in der Religion gröser an Zahl und Mannigfaltigkeit sind, theils nach der Anwendung der Fähigkeiten und dem Gebrauch der Veranlassungen zur Ausbesserung der Religionseinsichten und Gesinnungen. Hieraus entsteht nothwendig Ungleichheit der Wohlthaten: aber das wunderbarste ist, daß sich der, der versäumt zu seyn scheint, über keine Hintansetzung beschwert, und der, der höhere geniesen kan, sie herabsetzt und schmäht, weil sie kein Gemeingut ist. Der mögliche oder vortheilhafte Gebrauch einer Sache bestimmt ihr erst ihren Platz und Rang unter den Wohlthaten und oft wird in einem bestimmten Zustand gefährlich, was bey einer andern Lage der Sachen wohlthätig und nützlich heist. Aus diesem Gesichtspunkt der Empfänglichkeit, des Gebrauchs und der Würkungen muß der Werth aller Wohlthaten betrachtet und abgeschätzt werden, selbst in menschlichen Dingen, sonst wird kein Vater, kein weiser Regent, kein Menschenfreund ie bey allem Eifer, wohlthätig zu werden, und bey aller reinen Liebe, vom Verdacht der Partheylichkeit loß kommen. (130–132)

Döderlein illustriert dies mit einem Gespräch zwischen Vater und Sohn, in dem in Anlehnung an Lessings Rede vom „Elementarbuch“ in der Erziehungsschrift verdeutlicht wird, dass der ältere Sohn ein besseres Buch (aus Engelland; 133) bekommt als der Jüngere, dem sein Kinderbuch allerdings angemessen und ausreichend ist. „Gehe, mein Sohn“, sagt der Vater zum Älteren, „ich liebe ihn, wie dich: dich wie ihn. Drum gebe ich dir zur Bildung ein kostbares Buch; ihm eines wie er ietzt brauchen kan. Anders zu handeln ist Thorheit und unnütze Verschwendung meiner Gaben.“ (138) Döderleins hier vorgelegte Akkommodationstheorie zielt auf die Unterschiede zwischen verschiedenen Offenbarungen ab, die nichts verlieren, wenn sie auch jeweils bei wenigen in Gebrauch sind. Wer noch ein Gefühl der Menschenliebe und Wahrheit habe, werde wünschen, dass sich die christliche Religion, die Klarheit in den Verstand, Ruhe ins Herz und so viel Gutes ins bürgerliche Leben gebracht habe, sich weiter ausbreite. Diesen Wunsch untergrabe die im Fragment vorgetragene Hypothese der Unmöglichkeit einer Allgemeingültigkeit des Christentums. Mit „Offenbarung“ würden nach Döderlein entweder göttliche mitgeteilte Wahrheiten bezeichnet, die der Mensch sonst gar nicht oder nicht so leicht bzw. früh erhalten hätte. Oder man bezeichne damit die Bücher, in denen diese Wahrheiten enthalten seien – die Bibel. Nicht alle Beweise gegen die Bibel taugten dazu, die Unmöglichkeit einer allgemeineren Kenntnis dieser Wahrheiten zu beweisen. Döderlein hält es für

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24. Döderleins Antifragmente

dreist, die Unmöglichkeit einer Übersetzung der Bibel in alle Sprachen zu leugnen. Und wenn es Europäern unmöglich sein sollte – was Döderlein bestreitet –, die Sprache der Hottentotten zu lernen und entsprechend die Bibel zu übersetzen, dann könne eben nur ein Hottentott dort Missionar werden. Die Bibel sei nicht die Religion bzw. die Offenbarung, sondern sie enthalte sie, wie Döderlein mit ausdrücklichem Bezug auf Lessing10 festhält, „und sollte denn niemand gesund werden, als wer die Arzeney mit samt der Schachtel verschluckt?“ (154) Döderlein setzt voraus, dass Erkenntnisse von Gott, seiner Einheit und Kraft, von seinem Verhältnis zu den Menschen, von Belohnungen und Strafen zu allen Zeiten vorhanden gewesen seien. Dagegen könnten Erkenntnisse, die zu einer vollkommeneren Religion gehören, fehlen. Döderlein meint damit „geistigere, von Einmischung sinnlicher Vorstellungen geläuterte, hellere Begriffe, historische Wahrheiten, die erst nach den Begebenheiten deutlich werden, Verheisungen höherer Glückseeligkeiten, von denen der Mensch im rohen Zustand weder Ideen noch Empfindung hat“ (156).11 Döderleins Religionskonzept bleibt davon letztlich unberührt. Diese Unaufgeklärtheit findet er vielmehr auch im „System der Theologen, welches sich vom System der vollkommnern Religion so merklich unterscheidet, und durch unvorsichtige Vermischung mit demselben die Klagen des Fragmentisten veranlaßt und begünstigt hat!“ (157) Döderlein plädiert für eine vernünftige, christliche Religion, für ein aufgeklärtes Christentum. Er ordnet dieses Christentum seiner Zeit und seinen Umständen zu. Dies zeigt auch seine religionsgeschichtliche Skizze, an deren Spitze dieses vernünftige Christentum steht. Die Vernunft hatte, „ich weiß nicht, durch welche Revolution“ (ebd.), die Vorstellung der Einheit Gottes vergessen. Auch hier argumentiert Döderlein mit Lessings am Anfang der Erziehungsschrift skizziertem Urmonotheismus.12 Darum sei die Hauptwahrheit des Judentums diese Einheitsvorstellung gewesen; Paulus hätte bei den Heiden immer mit dieser Vorstellung angefangen, „daher wird der

10 Lessing hatte geschrieben: „Weh dem menschlichen Geschlechte, wenn nur dieses – oder etwa noch irgend ein armseliges Distinctiönchen, es trösten soll! Daß man zwischen der Offenbarung und den Büchern der Offenbarung einen Unterschied machen müsse; daß jene nur eine einzige sehr faßliche Wahrheit sei, deren Geschichte in diesen enthalten; daß die Seligkeit nicht an die mühsame Erforschung dieser, sondern an die herzliche Annahme jener gebunden sei, welches in den einzeln Posten der Rechnung große Ausfälle machen müsse.“ (Lessing, Werke, B 8, S. 322). 11 Ähnliche Gedanken finden sich in Lessings Erziehungsschrift, deren erste 53 Paragraphen 1777 in den Gegensätzen des Herausgebers zu den Fragmenten erschienen waren. Vgl. zu Lessing Friedrich Vollhardt, Kritik der Apologetik. Ein vergessener Zugang zum Werk G. E. Lessings. In: Peter-Andr Alt (Hg.), Prägnanter Moment. Studien zur deutschen Literatur der Aufklärung und Klassik. Festschrift für Hans-Jürgen Schings, Würzburg 2002, S. 29–47. 12 Zum Urmonotheismus vgl. Daniel Cyranka, Lessing im Reinkarnationsdiskurs. Eine Untersuchung zu Kontext und Wirkung von G.E. Lessings Texten zur Seelenwanderung, Göttingen 2005, (Kirche – Konfession – Religion, 41) S. 334–337.

24.2 Döderleins Antifragmente von 1779

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Muhamedanismus, der sich meist aus dem Heidenthum sammlete, eine Vorbereitung der Völker zur Christlichen Religion werden“ (158). Zunächst gehe es in der Mission also um „Götzendienst“ bzw. seine Beseitigung. In diesem Sinne charakterisiert der den (streng monotheistischen) Muhamedanismus als Vorstufe bzw. Vorbereitung wahren Christentums, das darauf aufbauend von der Erlösung des Menschen handele. Unter dieser Maßgabe verteidigt Döderlein die vom Fragmentisten abgelehnte Möglichkeit weiterer christlicher Mission. Unter den Heiden solle der Missionar zunächst nur vom Schöpfer reden, „ehe er ihnen den Erlöser (leider! oft unbehutsam genug) predigt“ (ebd.). Unter den drei anderen Religionen könne aber anders verfahren werden: Da hingegen, wo durch Judenthum und christliche Lehre, (auch durch den aus ihnen entstandenen Muhamedanismus) der Natur ihr unendlicher Urheber gezeigt, der Irrthum von National-Gottheiten den Völkern entrissen und die Götzentempel nicht eben zerstört (dieß ist nur die Sitte des ausartenden Christentums) sondern nur einsam geworden: da können wir weiter schreiten, von den Wohlthaten der Gottheit schneller und sicherer unterrichten und die Ausbreitung der Lehren der vollkommenern Offenbarung glücklicher versuchen. (Ebd.)

Auch Döderleins folgende religionsgeschichtliche Skizze ist an die Erziehung des Menschengeschlechts angelehnt, deren erste 53 Paragraphen Lessing dem vierten der 1777 veröffentlichten Fragmente angefügt hatte, deren zweite Hälfte allerdings erst im Jahr nach diesem Antifragment Döderleins, 1780, erschien. Eine Offenbarung, die nach ihren ganzen Inhalt für alle Völker und alle Perioden derselben wäre, müste entweder ein Kinderbuch seyn: und dann wie armseelig! oder ein Männerbuch: und dann wie unbrauchbar! Sollen die Nationen immer in Wildheit bleiben; wo bliebe die Vernunft? Sollen sie aber auf einmal zur höchsten Aufklärung überspringen; wo bliebe wieder die Vernunft, bey welcher, wie beym Körper, iede schnelle unbereitete Veränderung einen gefährlichen Paroxysmus erzeugen kan. – Es bleibt daher bloß die Frage übrig: ob es möglich sey, daß gewisse von Gott den Menschen mitgetheilte Erkenntnisse, nach den Fähikeiten der Nationen stufenweise ausgebreitet werden und durch sie allmählich eine allgemeine Aufklärung der Völker in der Religion erfolge? (158–159)

Döderlein geht hier davon aus, dass Gott durch Offenbarungen in die Menschheitsgeschichte eingreife – wie ein Arzt mit Medikamenten. Durch Offenbarung werde dem Unvermögen der menschlichen Erkenntnis aufgeholfen, es würden Wahrheiten, die verloren waren, wieder gezeigt. Und dies gelte, auch wenn manche Menschen keine Medikamente brauchten, „weil bey manchen Personen sich die Natur selbst hilft“ (163). Döderlein bezeichnet die Bibel nicht selbst als Offenbarung, sondern als „das älteste und ächteste Denkmal und Geschichtbuch der geoffenbarten Religion“ (167). Darum träfen Angriffe auf die Bibel nicht die Religion selbst.

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24. Döderleins Antifragmente

Es gäbe falsche Offenbarungen, die man daran erkenne, dass sie die menschliche Glückseligkeit untergruben, unvernünftig seien und eine Verwilderung der Sitten beförderten. Eine Lehre dagegen, die wahre Glückseligkeit zeige, mit dem Schöpfer genauer bekannt mache, die Herzen reinige, verbessere und beruhige, „muß von iedem, der Kenntniß und Gefühl für Glückseeligkeit hat, als eine Gabe des Himmels ohne Bedenken angenommen werden.“ (168) Döderlein zielt also auf eine innere Wahrheit ab, die Kriterium für die Echtheit einer Offenbarung ist. Dies könne der Verstand prüfen und so könne man auf göttlichen Ursprung schließen. Es ist also nicht die historische Urkunde, die Döderlein gegen die Kritik des Fragmentisten verteidigt, es ist die innere Wahrheit, die er verteidigt. Diese sei von ihren ersten Zeugen nicht als eigene Einsicht, sondern als Offenbarung von Gott bezeichnet worden. Dass diese Wahrheit den einen ein Ärgernis, den anderen eine Torheit sei, lässt Döderlein als Einwand nicht gelten. Dass es falsche Propheten gebe, ist ihm ein Hinweis darauf, dass es auch echte geben müsse. Hauptkriterium für Echtheit ist seiner Auffassung nach der Inhalt, „dessen Wichtigkeit fürs menschliche Geschlecht, dessen Würkungen auf Tugend und Glückseeligkeit“ (170). An dieser Stelle zitiert Döderlein in Kurzfassung die Aussage des Fragments, dass man kaum alle vorgeblichen Offenbarungen lesen, prüfen und vergleichen könne. „,Wer kann es iedem Menschen zumuthen, den Alcoran, und Zend-Avesta, die Bücher der Perser und Indier, der Türken und Chineser, der Juden und Christen zu sammlen, abzuwägen und aus ihnen die beste Offenbarung zu wählen?‘“ (171) Eines so weiten Weges bedarf es nach Döderlein nicht: „Wehe dem Docenten,“ schreibt Döderlein, der Altdorfer Theologieprofessor, „der ein schlechtes Kompendium der Theologie eingeführt findet, wenn er alle Kompendia durchlesen muß, ehe er ienes aufgiebt!“ (171–172) Es ist nach Döderlein trotzdem nicht unmöglich, die bessere Religion der schlechteren vorzuziehen, wenn man Kenntnis von ihr habe. „Wenn der Vielgötter ein Mahomedaner wird, ehe er das Christenthum kennen lernt, so ists eben so rühmlich, als wenn der Mahomedaner ein Christ wird.“ (172) 24.2.3 Döderleins Wertschätzung und Kritik des Muhamedanismus Döderleins Akkommodationstheorie erlaubt ihm also eine Wertschätzung des von ihm so genannten Muhamedanismus. (Auch hier zeigt sich wieder, dass es keine wirklich eingespielte Terminologie gibt, wenn Döderlein an verschiedenen Stellen von „Muhamed“, „Muhammed“, den „Muhamedanern“ und den „Mahomedanern“ schreibt und seine Analogiebildung zu „Christenthum“ dann „Muhamedanismus“ nennt.) Diese relative Wertschätzung des Muhamedanismus als Monotheismus findet sich noch mehrfach in seinem Antifragment. Allerdings finden sich auch klare Abgrenzungen, z. B. wenn es um

24.2 Döderleins Antifragmente von 1779

463

die Frage der Allgemeinheit geht. Könnte der Muhamedanismus eine Religion für die Welt sein, die Glückseligkeit, Vernunft und Moralität befördere? Diese Kriterien hatte Döderlein oben eingeführt. Man sage, was man wolle, von der Vortreflichkeit des Muhamedanismus, der Religion der Hindu und der Chineser: so bald ich sie mir als allgemein denke, so bald ist die Welt ein Schauplatz von grösern Elend und die heiligen Bande der Gesellschaft, das erste Gesetz des menschlichen Geschlechts, zerrissen. Man lasse Muhammeds Waffen (denn durch dieß Mittel hat er für seine Parthey die grösten Eroberungen gemacht) ganz Europa, und Amerika besiegen, und denke sich eine Welt voll Beschnittener, eine Welt, in welcher die Polygamie erlaubt, Wein bey Verlust der Seeligkeit untersagt, und eine Wallfahrt nach Mecca – von Grönland und Canada nach Mecca, – der sicherste Weg zum Paradies ist, eine Welt, in welcher all’ die aufgeklärten Genies ihre Philosophie so sehr verläugnen müssen, daß sie nun alle glauben, der Mond seye würklich einst in einen Brunnen herabgefallen u. a.m. (202–203)

In dieser Beschränkung, die eine ganze Reihe zeitgenössisch üblicher Urteile über diese Religion (und andere wie den römischen Katholizismus) enthält, kann Döderlein gleichwohl, gewissermaßen vom religionsgeschichtlichen Entwicklungsstand her – der aber letztlich kein historisches, sondern ein theologisches Urteil abbildet, und damit vielleicht als „religionsphilosophischer“ Entwicklungsstand bezeichnet werden könnte – Muhammed und den Muhamedanismus würdigen. Dies tut er in Abgrenzung vom Fragmentisten, der jeder Offenbarungsreligion – mit eigentlichem Blick allerdings nur auf das Christentum und damit vor allem dem Christentum – den Anspruch auf Allgemeinheit, auf Verallgemeinerung im Sinne von Mission, abgesprochen hatte.13 Der Fragmentist hatte verschiedene Gründe angeführt, warum sich das Christentum in der Türkei nicht verbreiten könne. Dem widerspricht Döderlein, indem er zunächst vermutet, mit dem türkischen Staat meine der Fragmentist die „Muhamedaner“ und nach dem Zitat der entsprechenden Passagen festhält: Das heißt: So lange der Muhamedaner Muhamedaner ist, wird er kein Christ werden. Aber ob es nicht möglich sey, eine Nation, oder ihre Gelehrte zu der Aufklärung zu bringen, daß sie die Thorheiten des Muhameds, seine Betrügereyen und das ungöttliche seiner Religion einsehen; ob es nicht möglich sey, iene Vorurtheile für den väterlichen Glauben zu bezwingen, und den Haß gegen das Christenthum (an dessen Daseyn ich doch noch sehr zweifle) wegzuräumen? dieß ist eigentlich die Frage. Es ist doch bekannt, daß die Muhamedaner die Schriften des N.T. gerne lesen; bekannt, daß Muhamed von JEsu mit Achtung redet, und die göttliche Sendung desselben nicht 13 Nebenbei kritisiert Döderlein Montesquieus Auffassung, „daß das Clima die Gränzen Christenthums und des Muhamedanismus bestimme“ (S. 206), indem er die tatsächliche Verbreitung der beschriebenen Phänomene angibt und bringt damit zum Ausdruck, dass wahre Religion einen universalen Anspruch hat.

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24. Döderleins Antifragmente

läugnet oder bestreitet; bekannt, daß der Alcoran viel mehr Sätze vorträgt, gegen welche sich der Menschenverstand empört, als kein noch so sehr mit Geheimnissen beladenes christliches System; bekannt, daß die Lehre von Einem Gott so wol eine Grundlehre der Christen als der Muhamedaner ist und, wäre es auch schwer, dem Türken es zu bedeuten, daß die Christliche Lehre der Trinität keine Abgötterey ist, so wird’s doch nicht unmöglich seyn und nur auf vorsichtige Lehrer ankommen. (236–237)

Dass der türkische Staat, wie der Fragmentist betont hatte, allen christlichen Missionsversuchen strikt wehre, veranlasst Döderlein dazu, zu fragen: „Ist keine Revolution möglich, in welcher das türkische Reich in christliche Hände kommt? keine Aufklärung, die den grösern Theil die Last des Aberglaubens und der Priester fühlen läst?“ (237) Revolution oder Aufklärung könnten also nach Döderlein dazu beitragen, das vernünftige, Glückseligkeit und Moral bringende Christentum im Osmanischen Reich zu verbreiten – „Schwierigkeiten, wie ich oben gesagt, machen den Erfolg nicht unmöglich“ (ebd.). Es besteht also kein Zweifel daran, dass Döderlein diese Religion überwinden möchte, indem ihre Anhänger über die „Thorheiten des Muhameds und seine Betrügereyen“ (236) aufgeklärt werden, vielleicht auch durch eine christliche Revolution. Gleichwohl findet sich in seinem Antifragment eine Wertschätzung dieser Religion, indem neben dem zitierten Vorwurf von Unvernunft und Betrug die Leistungen Muhammeds gewürdigt werden: Die Vernunftmäsigkeit der christlichen Offenbarung vor dem Muhamedanismus ist sogleich einleuchtend, so bald die Sätze von beyden richtig erkannt und durch eine genaue Vergleichung geprüft werden. Im letztern bleibt immer ein Rest vom Christenthum, ein Keim, zwar in Aberglauben eingehüllt, aber vielleicht nur so lange verborgen, bis die Hülle abfault, und er sich allmählig zu neuen Entwicklungen vorbereitet hat. So groß der Schade ist, den Muhamed dem Christenthum zugefügt, so leicht ist es, daß es schadlos gehalten werde, wenn Muhamedanismus Vorbereitung zum Christenthum ist. Durch ihn haben viele heidnische Völker den wahren Gott kennen gelernt; durch ihn selbst Achtung für Jesum bekommen, für welchen, bey genauerer Erkenntniß seiner Lehre, die Achtung in dem Maaß zunehmen wird, in welchem sie sich für Muhamed, bey der Erkenntniß seines Charakters und seiner Betrügereyen vermindert: und wer weiß, wie lange die Stütze der muhamedanischen Religion, weltliche Macht und Oberherrschaft, die jetzt schon augenscheinlich schwächer wird, und allmählich sinkt, noch stehen wird? wie bald eine Veränderung des Völkersystems auch eine Veränderung des herrschenden Religionssystems im türkischen Reiche nach sich zieht? Doch es sey ferne von mir, Prophezeihungen zu wagen. (245–246)

Summa: Die Aufklärung werde zeigen, dass das vernünftige Christentum die wahre Religion ist. Vielleicht sei zur Unterstützung auch eine Revolution im schwächer werdenden Osmanischen Reich nötig.

24.3 Wertschätzung Muhammeds

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24.3 Wertschätzung Muhammeds aufgrund evangelischer Apologetik gegen deistische Christentumskritik – ein Antifragment Döderlein und nach ihm v. a. Gottfried Leß bauen Muhammed in die Religionsgeschichte ein. Lessing hatte dies unterlassen, und er sollte es auch in der Fortführung der Erziehungsschrift von 1780, die in 100 Paragraphen drei Zeitalter entwirft, nicht tun. Dagegen findet sich – in andere historische Umstände und in eine andere Gattung versetzt – eine erstaunliche Würdigung der Gestalt Saladins im Nathan.14 Döderlein kommentierte die Texte des Fragmentisten unter Rückgriff auf Lessings Zusätze des Herausgebers und entwarf ein eigenes Bild, in dem Muhammed Vertreter einer vernünftigen Religion ist und von dieser Voraussetzung aus gewürdigt werden kann. Das vernünftige Christentum ist für Döderlein zwar die wahre Religion, und nicht etwa die vernünftige Religion Muhammeds. Dennoch weist die von Döderlein entwickelte Voraussetzung einer an Vernunft orientierten Religionskonzeption einen neuen, nicht zuletzt durch den Fragmentenstreit15 angestoßenen Beurteilungsrahmen auf, der entscheidende Wirkungen auf das vermittelte Muhammed-Bild und den so eingeordneten Muhamedanismus hat. Das gleiche Vorgehen findet sich auch bei Gottfried Leß.

14 Auf die Menge an Literatur zu diesem Thema sei hier nur pauschal verwiesen. 15 Ein neuerer Überblick über den Fragmentenstreit fehlt; vgl. aber Dietrich Klein, Hermann Samuel Reimarus (1694–1768). Das theologische Werk, Tübingen 2009 (Beiträge zur historischen Theologie, 145). Aus der älteren Literatur vgl. Gerhard Freund, Theologie im Widerspruch. Die Lessing-Goeze-Kontroverse, Stuttgart u. a. 1989.

25. Muhammed als Kompilator neutestamentlicher Vernunftreligion und Vorbereiter des Christentums – Gottfried Leß’ Ueber die Religion (1784) 25.1 Beweis der Wahrheit der Christlichen Religion (1768) Bereits 1768 hatte Gottfried Leß1, der in der Literatur als „klassischer Neologe“ geführt wird,2 seine apologetische Schrift Beweis der Wahrheit der Christlichen Religion das erste Mal veröffentlicht. Seitdem hatte es mehrere Auflagen dieses häufig gelesenen Buches gegeben.3 Leß will mit diesem Werk auf historische 1 Dieses Kapitel ist in erweiterter und umgearbeiteter Fassung bereits 2015 publiziert worden; vgl. Daniel Cyranka, Schwärmerei, Betrug, Vernunft oder Irrtum? Zum Mohammed-Bild bei Gottfried Leß. In: Ulrich Kronauer/Andreas Deutsch (Hg.), Der „Ungläubige“ in der Rechts- und Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts, Heidelberg 2015 (Akademiekonferenzen, Heidelberger Akademie der Wissenschaften, 20), S. 175–206. 2 Albrecht Beutel, Kirchengeschichte im Zeitalter der Aufklärung, ein Kompendium, Göttingen 2009, S. 145: „Als ein klassischer Neologe war Gottfried Leß (1736–1797), von 1763 bis 1791 in Göttingen lehrend, darum bemüht, gegenüber der radikalen westeuropäischen Religionskritik die selbständige Dignität des Christentums zu erweisen und den tradierten Lehrbestand durch kritische Revision und populartheologische Transformation für die religiöse Lebenspraxis fruchtbar zu machen.“ 3 Vgl. Karl Werner, Geschichte der apologetischen und polemischen Literatur der christlichen Theologie, Bd. 5, Osnabru¨ck 1966 (Neudruck der Ausgabe 1861167), S. 132. Folgende Publikationen von Gottfried Leß sind in diesem Zusammenhang von besonderem Belang: Beweis der Wahrheit der christlichen Religion von Gottfried Leß Doktor und Prof Theol. Ordin. und Universitätsprediger zu Göttingen, Göttingen und Bremen, Verlegts Georg Ludewig Förster, 1768; erweiterte Auflagen dieses Buches erschienen 1773, 1774 und 1776. Die Publikationsgeschichte von Leß’ Apologie ist etwas unu¨bersichtlich. Die Auflagen 2 bis 4 erschienen von 1773 bis 1776 unter demselben Titel. Nach dem Fragmentenstreit legte Leß 1783 eine neue Schrift unter dem Titel Geschichte der Religion vor, die seinem Beweis der Wahrheit der christlichen Religion vorangestellt wurde. Dabei handelt es sich um einen neuen Text, der eine geplante, aber unvollendet gebliebene Trilogie eröffnen sollte. 1785 erschien mit Leß’ Wahrheit der christlichen Religion eine Bearbeitung der Beweisschrift von 1768 als neuer zweiter Band der Trilogie unter dem Titel: Ueber die Religion. Ihre Geschichte, Wahl und Bestätigung. Der Zweite Band, oder Beweis der Wahrheit der Christlichen Religion; von Doktor Gottfried Less Königl. Grosbrit. Konsistorial-Rath und Primarius der Theologie zu Göttingen, mit Röm. Kaiserl. allergnädigster Freiheit, Göttingen, im Verlag der Witwe Vandenhoek 1785. Damit lagen zwei Bände der Trilogie vor, die allerdings unter verschiedenen Titeln mehrfach publiziert wurden. 1786 erscheinen die beiden Bände erneut. Teilweise ist der erste Band unter dem nun gemeinsamen Titel Ueber die Religion als zweite Auflage publiziert worden: Ueber die Religion. Ihre Geschichte, Wahl und Bestätigung In Dreien Theilen von Gottfried Less Königl. Grosbritannischen Konsistorial-Rath und Primarius der Theologie zu Göttingen. Erster Theil, 2. Aufl.; mit Röm. Kaiserl. Allergnädigster Freiheit, Göttingen, im Verlag der Witwe Vandenhoek. 1786. Der erste Band findet sich allerdings in der zweiten Auflage von 1786 auch unter dem Titel: Geschichte der Religion, von

25.1 Beweis der Wahrheit der Christlichen Religion

467

Art die „Authentizität des Neuen Testaments und der Wunderwerke und Weissagungen Jesu“ angesichts deistischer und atheistischer Fundamentalkritik erweisen. Dagegen stellt er die Frage nach der „Vernunftmäßigkeit der Lehren“ etwas zurück.4 Für Deismus und Atheismus macht er vor allem britische Ursprünge haftbar: „Der so sehr einreissende Unglaube und Verspottung der Religion, und die unbändige Frechheit der Sitten sind mit diesen Schriften zu uns übers Meer gekommen.“(4). Doch besteht das Problem für Leß nicht nur in religionskritischen Schriften. Manche gingen sogar so weit, ohne jede Lektüre dieser Texte die Religion zu verachten, also nur weil sie gehört hätten, dass Schriften gegen die Religion publiziert worden seien. Leß liefert zunächst eine Skizze deistischer Positionen u. a. von Edward Herbert of Cherbury (1583–1648), Thomas Hobbes (1588–1679), John Toland (1670–1722), Thomas Woolston (1668–1733), David Hume (1711–1776), Matthew Tindal (1657–1733) und Thomas Morgan (gest. 1743) und benennt damit das Diskursfeld: deistische und religionskritische Positionen des 17. und frühen 18. Jahrhunderts von englischen, schottischen, irischen und walisischen Autoren, die auch in Kontinentaleuropa diskutiert wurden. An einer Stelle dieses apologetischen Werkes geht Leß auch auf Muhammed ein und darum ist es hier von Interesse. Mit seiner ausführlichen Schilderung der ,Hauptwahrheiten‘ der christlichen Religion in geschichtlicher Perspektive will er diese Wahrheiten verteidigen. Der Vorwurf gegen das Christentum lautete, dass man vor lauter Religionsstreitigkeiten gar nicht erkennen könne, was eigentlich christliche Religion sei. „Dieser sonst mit solchem Frohlocken vorgetragene Einwurf fällt numehro von selbst zu Boden!“ (1768: 625). Im Anschluss an diese Feststellung vergleicht Leß nämlich „mit diesem Religionsgebäude den Inhalt der übrigen in der Welt bekannten; der Heidnischen, Jüdischen, Muhammedanischen und blos natürlichen Religionen.“ (Ebd.) Hier findet sich eine kurze Darstellung und Einschätzung Muhammeds. Zunächst geht Leß auf Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) ein, der behaupte, man fände in der jüdischen Religion mehr Schein der Wahrheit als in der christlichen. Was indessen Rousseau in Absicht der jüdischen Religion so gegen alle Wahrscheinlichkeit annimmt; das behaupten andere mit noch grösserer Dreistigkeit in Gottfried Less Königl. Grosbritannischem Konsistorial-Rath und Primarius der Theologie zu Göttingen, 2. Aufl., mit Röm. Kaiserl. allergnädigster Freiheit, Göttingen, im Verlag der Witwe Vandenhoek 1786. Der zweite Band findet sich ebenfalls 1786 als 6. Aufl. unter dem Titel: Wahrheit der christlichen Religion von Doktor Gottfried Less Königl. Grosbrit. Konsistorial-Rath und Primarius der Theologie zu Göttingen, 6. Aufl., mit Röm. Kaiserl. allergnädigster Freiheit, Göttingen, im Verlag der Witwe Vandenhoek 1786. Der in der Vorrede zur 1783 erstmals erschienenen Geschichte der Religion angekündigte dritte Band ist nicht nachweisbar. Für die folgende Darstellung werden die Ausgaben von 1768 (1. Aufl.) und 1786 (2. bzw. 6. Aufl.) zugrunde gelegt. 4 Gottfried Leß, Beweis der Wahrheit der Christlichen Religion, Göttingen 1768 (im Folgenden: 1768), S. 2.

468

25. Leß’ Ueber die Religion

Absicht der Muhammedanischen. – Es ist wahr: der Koran, das vorgegebene göttliche Buch, in welchem Muhammed die Grundsätze seiner Religion vorgetragen; enthält viele wahre Lehren, von der Einheit Gottes, von einem Leben nach dem Tode; und viele schöne Moral. Aber: alle diese richtige, heilsame Lehren waren schon viele hundert Jahre vor ihm in der christlichen Offenbahrung vorgetragen worden: und aus dieser hat sie auch der arabische Prophet, der seine ganze Religion aus den Lehren der Juden, Heiden und Christen zusammengeschmiedet, ohne Zweifel hergenommen. (1768: 627)

Leß zeichnet hier ein Bild Muhammeds und des Koran, das in der älteren Literatur, die auch beinahe das gesamte 18. Jahrhundert prägt, gängig ist. Der Koran erscheint bei Leß als etwas Amalgamiertes: Er sei nichts Eigenständiges, sondern er sei aus verschiedenen Quellen ,zusammengeschmiedet‘. Muhammed sei kein echter, sondern ein vorgeblicher Gesandter Gottes, der keine Beweise seiner Vollmacht gebracht, sondern vielmehr Glauben verlangt und mit Waffengewalt gezwungen habe. Auf die Gabe der Weissagung habe er nicht einmal Anspruch erhoben. – Der Koran sei so voll von Irrtümern, dass man nur den gemeinen Menschenverstand brauche, um seine Falschheit einzusehen. Leß kolportiert an dieser Stelle übliche Klischees über historische Falschheit und moralische Verwerflichkeit Muhammeds und des Koran: Er lehret das unwidertreibliche Schicksal auf eine recht grobe Art. In der Geschichte begehet er recht lächerliche Irrthümer: die Fabel von den sieben Schläfern glaubet er in allem Ernst; (Sure 18.) und erzählet von Alexander dem Grossen, daß er die Quelle gesehen, in welche sich die Sonne des Abends tauche. (Sure 18,84.) Er begünstiget die Vielweiberei und willkührliche Ehescheidung. (Sure 4.) Er befiehlet; stets wider die Unglaubigen Kriege zu führen, und sie, entweder zur Annehmung der Muhammedanischen Religion, oder zur Zahlung eines Tributs zu zwingen. (Sure 9.) Die Seligkeiten des Himmels in jenem Leben setzet er vornähmlich, in Sättigung geiler Lüste. (Sure 2.3.10.52.78.) – Und dergleichen Irrthümer, schädliche, Gott unanständige Lehrsätze, und offenbahre Ungereimtheiten finden sich noch viel mehrere in dieser Religion Muhammeds, von welcher viele Naturalisten so günstige Urteile fällen. (1768: 628)

Leß verwendet die Klischees also, um damit gegen die sogenannten ,Naturalisten‘ zu polemisieren. Für seine Kritik an Muhammed bzw. am Koran verweist er allerdings auf Literatur, die für differenzierte Urteile steht.5 Jedoch überwiegt der apologetische Duktus und ein differenzierteres MuhammedBild nach Adrian Reland6 oder George Sale7 wird nicht gezeichnet. In dieser 5 Vgl. A. a. O., S. 628–629, Anm. 522: „Siehe Ludou. Maraccii, prodromus ad refutationem Alcorani. (Romae 1691. Vol. in 8.) und besonders: Hadrian Reland, de religione Muhamedica, und Sale’s preliminary discourse zu seiner engländischen Uebersetzung des Korans. (London 1734. in 4.)“. 6 Vgl. Adriani Relandi de religione Mohammedica libri duo Quorum prior exhibet compendium theologiae Mohammedicae, ex codice mso. Arabice editum, Latine versum, et Notis illustratum. Posterior examinat nonnulla quae falso Mohammedanis tribuuntur. Ultrajecti ad Rhenum 1705

25.1 Beweis der Wahrheit der Christlichen Religion

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ersten Repräsentation Muhammeds durch Gottfried Leß geht es um Triebhaftigkeit, Gewalt und Unvernunft. Was Leß 1768 derart formulierte, zeigt sich allerdings in seiner neu konzipierten Apologetik von 1783 stark verändert. Der Vergleich der Passagen zeigt, in welchem Kontext der für unsere Frage maßgebliche Text über die Geschichte der Religion von 1783 (2. Aufl. 1786) steht, den Leß der Wahrheit der christlichen Religion als ersten Band voranstellte. In der Auflage von 1785 (wie auch in der 6. Aufl. von 1786, aus der hier zitiert wird) ist die eben zitierte Passage in der Wahrheit der christlichen Religion leicht erweitert und um Verweise auf die Geschichte der Religion von 1783 ergänzt worden (1786: 633 f). Leß bezieht sich 1783 auf andere Autoren, deren Texte er allerdings 1768 auch schon hätte zitieren können, da sie bereits vorlagen. Die entsprechenden Passagen zeigen den Horizont an, der seit 1768 Leß dazu gebracht hatte, nicht nur hier zu erweitern, sondern v. a. dieser Wahrheitsschrift einen neuen, eigenen ersten Band unter dem Titel Geschichte der Religion voranzustellen, der klar eine enorme Veränderung in der Perspektive auf Muhammed markiert. Leß zeichnet in diesem Text ein ganz anders gelagertes Muhammed-Bild als in seiner Verteidigung der Wahrheit der christlichen Religion. Für die nunmehr zu verzeichnende Wertschätzung Muhammeds durch Leß in seiner Geschichte der Religion kann sicherlich auch die Position seines Göttinger Kollegen Johann David Michaelis (1717–1791) herangezogen werden, die dieser in einer 1774 erschienenen umfangreichen Rezension zu Friedrich Eberhard Boysens (1720–1800) Koran-Übersetzung von 1773 deutlich formuliert hatte: Muhammeds Religion nach dem Koran sei die vernünftigste nach der biblischen, i. e. vernünftig-christlichen.8 Leß schreibt 1783 ganz ähnlich: sowie die zweite Ausgabe von 1716: Hadriani Relandi de religione Mohammedica libri duo. Editio alterior auctior. Trajecti ad Rhenum. Ex libraria Gulielmi Broedelet. M D CCXVII. Johannes Fu¨ ck bezeichnet Relands De religione Mohamedica als „bahnbrechend“ (Johannes Fu¨ ck, Die arabischen Studien in Europa bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts, Leipzig 1955, S. 102). Dieses Urteil findet sich auch in der Literatur der jüngsten Zeit; vgl. z. B.: Hartmut Bobzin, Mohammed, München 32006, S. 18, wo Reland als „ein Vorreiter für ein unvoreingenommeneres Mohammedbild“ bezeichnet wird. 7 The Koran, Commonly called The Alcoran of Mohammed, Translated into English immediately from the Original Arabic; with Explanatory Notes, taken from the most approved Commentators. To which is prefixed A Preliminary Discourse. By George Sale, Gent. London: Printed by C. Ackers in Sr. John’s-Street, for J. Wilcox at Virgil’s Head overagainst the New Church in the Strand. MDCCXXXIV. Vgl. zu George Sale Kap. 14 in diesem Buch. 8 Vgl. Johann David Michaelis Orientalische und Exegetische Bibliothek. Achter Theil. Frankfurt am Mayn bey Johann Gottlieb Garbe, 1774, S. 30–98; sowie die beiden Ausgaben des Koran in der Übersetzung von Friedrich Eberhard Boysen: Der Koran, oder Das Gesetz für die Muselmänner, durch Muhammed den Sohn Abdall. Nebst einigen feyerlichen koranischen Gebeten, unmittelbar aus dem Arabischen übersetzt, mit Anmerkungen und einem Register versehen, und auf Verlangen herausgegeben von Friedrich Eberhard Boysen. Halle bey J.J. Gebauers Wittwe und Joh. Jac. Gebauer 1773; und: Der Koran, oder Das Gesetz für die Moslemer, durch Muhammed

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25. Leß’ Ueber die Religion

Es ist gewis kein Zeichen einer grossen Einsicht und Unpartheilichkeit; wenn die Ungläubigen unserer Zeit darauf ausgehen: eine jede andere Religion, auch die ungereimteste zu erheben; um nur die christliche zu stürzen. Rousseau ist ein grosser Lobredner der jüdischen Religion. Voltaer erhebt bei jeder Gelegenheit die Sinesische als die einzige vernünftige. Diese Religion, welche bei einigen wenigen Wahrheiten, eine Menge grober und schädlicher Irrthümer enthält. – Vornehmlich aber hat die Muhammedische Religion an dem Grafen Boulainvilliers, auch dem Verfasser der Lettres Juives, Cabbalistiques, u. a.[9] grosse Panegrysten gefunden; welche von ihr rühmen: daß sie ebenso gute, ja bessere moralische Grundsäze als das Christenthum; auch in Absicht der Toleranz und edlen Simplicität vor diesem merkliche Vorzüge habe. Wahr ist es, der Koran, das vorgegebene göttliche Buch, worin Muhammed die Grundsäze seiner Religion vorgetragen, enthält viele wahre Lehren; von der Einheit Gottes, von einem Leben nach dem Tode; auch viel schöne Moral. Aber alle diese richtige, heilsahme Lehren waren schon viele hundert Jahre vor ihm in der christlichen Offenbahrung vorgetragen worden: und aus dieser hat sie auch der arabische Prophet, der seine ganze Religion aus den Lehren der Juden, Heiden und Christen zusammenschmiedete, ohne Zweifel hergenommen. – Der vorgegebene göttliche Gesandte führt überdem nicht den geringsten Beweiß von seiner Vollmacht. Er verlangt blinden Glauben; und zwingt die Menschen durch Gewalt der Waffen dazu: aber auf die Gabe zu weissagen und Wunder zu thun macht er nicht einmahl Anspruch. – Sein Koran ist so voll von Irrthümern und offenbahren Ungereimtheiten: daß mann dem gemeinen Menschen-Verstande entsagen müste, um ihn für göttliche Eingebung zu halten.10

Für die letzte Aussage nennt Leß an dieser Stelle noch einige Beispiele, um abschließend festzustellen: Kurz, die ganze Religion bestehet, nach seinen Grundsäzen; in Fasten, Hersagung einiger sogenannten Gebete, Almosen, und andern körperlichen oder bloß maschinenmässigen Handlungen; welche die lasterhaften Leidenschaften in völliger Ruhe den Sohn Abdall. Nebst einigen feyerlichen koranischen Gebeten, unmittelbar aus dem Arabischen übersetzt, mit Anmerkungen und einigen Denkwürdigkeiten aus der Geschichte des Propheten und seiner Reformation, herausgegeben von Friedrich Eberhard Boysen. Zweyte verbesserte Ausgabe, Halle bey J.J. Gebauers Witwe und Joh. Jac. Gebauer, 1775. 9 Vgl. Lettres juives, ou correspondance philosophique, historique, et critique entre un juif voyageur Paris et ses correspondans en divers endroits, Den Haag 1735–1737 ; Dt.: Jüdische Briefe, oder philosophischer, historischer und kritischer Briefwechsel, zwischen einem Juden der durch verschiedene Länder von Europa reiset und seine Correspondenten an anderen Orten, Berlin/Stettin, 1763–1765; Lettres cabalistiques, ou correspondance philosophique, historique, et critique entre deux cabalistes, divers esprits l mentaires, et le Seigneur Astaroth, Den Haag 1735–1737; Dt. : Kabbalistische Briefe, oder philosophischer, historischer und kritischer Briefwechsel, zwischen zween Kabbalisten, verschiedenen Elementargeistern und dem höllischen Astaroth, Danzig 1773–1777. Beide Werke stammen von Jean-Baptiste de Boyer, Marquis d’Argens (1703–1777), Hof-Philosoph Friedrichs des Großen. 10 Leß, Wahrheit 1786, Bd. 2, 633–634; (6. Auflage der zuerst 1768 erschienenen Schrift: Wahrheit der christlichen Religion).

25.2 Auferstehungsgeschichte nach allen vier Evangelisten

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lassen. Dies ist die Religion, welche mann dem Christenthum an die Seite stellen, ja vorziehen will. (634)

Neben Jean-Jacques Rousseau sind nun Voltaire (FranÅois-Marie Arouet 1694–1778), Henri de Boulainvilliers und Jean-Baptiste de Boyer, Marquis d’Argens (1703–1777) im Blick, die nach Leß’ Meinung die Religion Muhammeds der christlichen vorziehen wollten. Um diese Veränderung der Muhammed-Passagen aus dem Beweis der Wahrheit der christlichen Religion von 1768 nachvollziehen zu können, sind Leß’ Äußerungen zum Fragmentenstreit heranzuziehen.

25.2 Auferstehungsgeschichte nach allen vier Evangelisten nebst einem doppelten Anhange gegen die Wolfenbüttelschen Fragmente von 1779 Auch Gottfried Leß hatte 1779 mit der Auferstehungs-Geschichte Jesu nach allen vier Evangelisten auf Gotthold Ephraim Lessings Veröffentlichung der Fragmente eines Ungenannten reagiert.11 Im Anhang zu dieser Schrift spricht er sich dagegen aus, dass manche „den seligen Reimarus, den vortrefflichen Verfasser, der vornehmsten Wahrheiten der Natur-Religion, eines Werks, worauf Deutschland stolz seyn kann“ (1779: 367) als Fragmentist identifizierten, dem habe auch dessen Sohn widersprochen. Es kann uns aber am Ende gleichgültig seyn, von wem das Werk kommt. Denn ein vernünftiger Mann siehet vornehmlich auf das, was gesagt ist, und nicht, wer es gesagt hat; läßt das, ipse dixit, in Bestimmung seiner Urtheile wenig gelten; und gründet seinen Glauben bloß auf die Autorität Gottes und der Vernunft, die Er uns gegeben hat. (Ebd.)

In seiner Auferstehungs-Geschichte Jesu kritisiert Leß allerdings Lessings Polemik in dessen Duplik: „Mit solchen Macht-Sprüchen und Schimpf-Reden, entweihet Herr Lessing seinen Mund; der durch so viele wahre Weisheit, die er sprach, sich bei jedem Wohldenkenden ehrwürdig gemacht hatte!“ (1779: 369) Lessing schreibe hier derart, dass man meinen könne, der Text sei ihm von seinem ärgsten Feind untergeschoben worden. Leß wendet die im Fragmentenstreit diskutierte Konzeption von Religion als Vernunftreligion auch auf das Christentum an, setzt in apologetischer Absicht allerdings noch eine höhere Geltung neben oder über die Qualifizierung des Christentums als Vernunftreligion – seinen exklusiven Offenbarungscharakter. Dieses Programm führt er im Anschluss an den Fragmen11 Gottfried Leß, Auferstehungs-Geschichte Jesu nach allen vier Evangelisten. Nebst einem doppelten Anhange gegen die Wolfenbütteler Fragmente von der Auferstehung Jesu; Und vom Zwecke Jesu und seiner Apostel. Göttingen, im Verlage bei Daniel Friedrich Kübler. 1779.

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25. Leß’ Ueber die Religion

tenstreit in einer neu gefassten Apologie des Christentums durch, in der er den Zusammenhang von natürlicher und vernünftiger Religion in einer Religionsgeschichte platziert, in die er nicht nur das Christentum bzw. das Neue Testament, sondern u. a. auch die Religion Muhammeds und den Koran stellt. Leß, der Verfasser der Wahrheit der Christlichen Religion, hatte sich in den Fragmentenstreit begeben. Mit seinem Werk Geschichte der Religion von 1783 (und 1786) wandte er sich gegen das Fragment Von der Unmöglichkeit einer Offenbarung, die alle Menschen auf eine gegründete Art glauben können. Dabei wird allerdings neben die Muhammed-Kritik von 1768 erstaunlicherweise eine Wertschätzung Muhammeds gestellt, wie sie im Zusammenhang des Fragmentenstreits auch der Altdorfer Theologe Johann Christoph Döderlein (1746–1792) geäußert hatte.12

25.3 Geschichte der Religion von 1783 25.3.1 Zum Zweck des Buches Während Humphrey Prideaux, um an den viel rezipierten Autor im deistischantideistischen Diskurs mit Blick auf Muhammed zu erinnern, dem Betrugsvorwurf mit einer geradezu prototypischen Darstellung des Betruges Muhammeds als Gegenbild zur christlichen Wahrheit begegnet war,13 versuchte Leß nunmehr das Christentum als natürlich-vernünftige Religion zu schildern. 1783 (und 1786) veröffentlichte er Ergänzungen zur Neuauflage der Wahrheit der Christlichen Religion in Gestalt des neuen ersten Bandes Geschichte der Religion. Diese ausführlichere und neue Fassung seines apologetischen Werks sei nicht für gemeine, oder solche Christen bestimmt, welche weder die Einwürfe gegen das Christenthum, noch deren Beantwortung fassen können; und durch ihre Laage in der Welt der Gefahr von irreligioesen Schriften und Werken angesteckt zu werden, entnommen sind. […] Dreierlei Klassen meiner Neben-Menschen sind es demnach, für 12 Vgl. [Johann Christoph Döderlein] Fragmente und Antifragmente. Zwey Fragmente eines Ungenannten aus Herrn Lessings Beyträgen zur Litteratur abgedruckt mit Betrachtungen darüber. Nebst einigen Landkarten. Nürnberg, in Verlag der Johann Georg Lochnerischen Buchhandlung. 1778; [ders.] Fragmente und Antifragmente. Zwey Fragmente eines Ungenannten aus Herrn Lessings Beyträgen zur Litteratur abgedruckt mit Betrachtungen darüber. Zweiter Theil. Nürnberg, in Verlag der Johann Georg Lochnerischen Buchhandlung. 1779; [ders.] Fragmente und Antifragmente. Zwey Fragmente eines Ungenannten aus Herrn Lessings Beyträgen zur Litteratur abgedruckt mit Betrachtungen darüber. Nebst einigen Landkarten. Nürnberg, im Verlag der Johann Georg Lochnerischen Buchhandlung. 1788; [ders.] Fragmente und Antifragmente. Erster Theil. Neue Auflage. Nebst einigen Landkarten. Nürnberg in Verlag der E.C. Grattenauerischen Buchhandlung. 1788; zu Döderlein vgl. Kap. 24 in diesem Buch. 13 Zu Prideaux vgl. Kap. 2 in diesem Buch.

25.3 Geschichte der Religion von 1783

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die ich dieses Werk bestimmt habe. Dem Theologen soll es, wenn meine Bemühung dabei nicht ganz unglücklich gewesen, ein Handbuch aller Beweise fürs Christentum, auch der vornehmsten Zweifel dagegen seyn. Dem Gelehrten aber; so wie auch dem übrigen ganzen fähigern, kultivirteren Theile der Menschen beides Geschlechts, allen denen mit einem Wort, welche ihren Verstand durch Lektur angebaut und zum Nachdenken gewönt haben; möchte ich dadurch gern, eine vollständige Anweisung geben, sich in der Ueberzeugung vom Christenthum, und in der Ausübung desselben so feste zu sezen, daß kein Zweifel der Schriften und Gesellschaften unsrer Zeit, sie darin irre machen könne. (1786: VIII)

Leß verweist auf den englischen Geistlichen John Leland (1691–1766) und auf seinen Professorenkollegen in Göttingen, den Philosophen Christoph Meiners (1747–1810). Beide bedienten sich einer systematischen Methode, von der Leß sich hier absetzt. Er wolle stattdessen alle „Haupt-Schriften der Heiden“ selbst durchgehen und ihre Religionssysteme in ihren Worten vorstellen. Wie sich die theologische Rubrik ,Heiden‘ mit der Einreihung von Altem Testament, Neuem Testament und Koran verträgt, wird zu zeigen sein. Seit Jahren habe Leß sich mit diesen Schriften beschäftigt und ihren Inhalt exzerpiert.14 Diese Sammlung mache den ersten Band seines Werkes aus. Leß bringt am Ende seines Vorworts die Hoffnung zum Ausdruck, dass man anhand dieser Sammlung am leichtesten werde beurteilen können, „wem wir die gesunde Natur-Religion unserer neuern, im Christenthum auferzogenen Philosophen, eines Klark, Wollaston, Reimarus und anderer, zu danken haben? Göttingen den 8. September 1783.“ (1786: XII) Mit dem englischen Philosophen und Theologen Samuel Clarke (1675–1729), dem ebenfalls aus England stammenden Moralphilosophen William Wollaston (1659–1724) und mit dem Hamburger Orientalisten und philosophischen Schriftsteller Hermann Samuel Reimarus (1694–1768) verweist er auf Autoren, die vor allem als Vertreter einer rationalistischen Vernunft-Theologie und -Philosophie gelten können, die das Konzept einer Natur-Religion zugrunde legen. Dieser Tendenz gegenüber versucht Leß in seiner Apologie das Neue Testament als grundlegende Religions- und Offenbarungsurkunde zu behaupten. Nunmehr betont Leß das Thema Christentum als natürliche und vernünftige Religion stärker als dies noch 1768 der Fall gewesen war. 25.3.2 Grundaussagen dieser Religionsgeschichte Leß stellt zu diesem Zweck eine Geschichte der Offenbarungsreligion(en) vor, die vom Alten Testament über die griechischen Orakel und die sibyllinischen Bücher der Römer, das Avesta („Zendavesta“) der Perser, die heiligen Bücher 14 Dies steht der Aussage des Fragmentisten, ein solches Vorgehen sei nicht möglich, entgegen; ebenso der Ansicht Johann Christoph Döderleins, dass ein solches Vorgehen nicht nötig sei.

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der Inder und der Chinesen schließlich zum Koran führt, dem nur noch das Neue Testament als vernünftige Überbietung aller vorgenannten Texte folgt. Dieses Konzept sei kurz vorgestellt: 1) Das Alte Testament sei das älteste Geschichtsbuch der Welt. Es gebe vollständige Nachricht vom Entstehen des Menschengeschlechts und enthalte die frühesten Meisterstücke der Poesie, es sei Aufbewahrer der reinen Religion in der Alten Welt. Es erfordere Achtung und tiefe Ehrfurcht. „Es ist werth, das zu seyn, wofür es, Juden und Christen ansehn, eine – Unmittelbahre Offenbahrung Gottes!“ (1786: 382) 2) Die sibyllinischen Bücher der Römer und die griechischen Orakel dagegen seien: Staats-Betrügereien; Maschinen, welche die Obrigkeit wirken machte, um das Volk nach ihrem Willen zu lenken. Die gänzliche Dunkelheit ihres Ursprunges; die Heimlichkeit ihrer Aufbewahrung und Einschauung; der Gebrauch den mann davon machte; und die klaren Zeugnisse der Geschichte lassen daran nicht ferner zweifeln. (1786: 393).

3) Anquetil du Perron (Abraham Hyacinthe Anquetil-Duperron; 1731–1805) glaube, mit dem „Zendavesta“ ein mehr als zweitausend Jahre altes Werk Zarathustras geliefert zu haben. Dem widerspricht Leß. Das Buch sei ungereimt, ein Mischmasch, enthalte Spuren des Christentums und des Judentums und arabische Ausdrücke, die man im Persischen erst seit dem 7. Jahrhundert habe. Es sei nicht von Zarathustra, sondern wohl „erst seit dem siebenden Jahrhundert nach Christo erdichtet; eine Sammlung von Albernheiten und Ungereimtheiten; folglich, nichts weniger als eine göttliche Offenbahrung“ (1786: 405). 4) Die drei Arten der heiligen Bücher der Inder (veda, pura¯na und s´a¯stra – ˙ „Vedam“, „Pouranam“, „Schaster“) haben nach Leß ebenfalls keinen Bestand als heilige Bücher bzw. als Offenbarungen. Das „Esour-Vedam“ bezeichnet Leß als „Erdichtung irgend eines europaeischen und französischen Missionars“ (1786: 420), entweder frei erfunden oder in der Übersetzung völlig entstellt. Die Veden („Vedam“) dürften nur Brahmanen lesen, keiner habe sie je gesehen, sie seien wohl „der zerstümmelte und korrumpierte Schastah“ (1786: 423). La Croze (Maturin Veyssi re de La Croze; 1661–1739) und andere Gelehrte würden sogar an deren Existenz zweifeln. „Und ein solches – sollen wir sagen, Buch? oder Unding? soll eine göttliche Offenbahrung seyn?“ (1786: 424) 5) Nach Leß seien die Chinesen anzusehen: als Gözen-Diener, die noch jezt auf einer sehr niedrigen Stuffe der Kultur stehen: und ihr Göttliches Buch, den Schuking [shu¯jı¯ng bzw. sh ngshu¯], als ein elendes Geschmiere. In dem Alten Testament höret mann Philosophen reden; und in dem Schuking, Schul-Knaben. – Wie verschieden ist dieses Bild von dem romanhaften Ideal, das uns Jesuiten, die im sechzehnten Jahrhunderte dahin kamen, und Voltaere;

25.3 Geschichte der Religion von 1783

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jene, um ihre Missionen zu verherrlichen, und dieser, um das Christentum zu schmähen, aufgestellet haben! (1786: 436 f)

6) Nachdem Leß das Alte Testament als eine Art historische Urkunde und die übrigen Schriften als Mischmasch oder Betrug bezeichnet hat, kommt er auf eine andere Weise auf den Koran zu sprechen. Den Ursprung des Koran bestimmt Leß – ganz im Sinne älterer Literatur, die Grundzüge des Koran aufgrund der abweichenden, letztlich ,anti-trinitarischen Christologie‘ traditionell entweder auf Arianer, Sabellianer oder Nestorianer zurückführt – folgendermaßen: Ein Arianer oder Sabellianer, „der in vielen Stücken der Religion aufgeklärt war, und in andern Irrthümer hegte“ (1786: 466), habe seine Religion an Muhammed vermittelt. Aber als einem Manne ohne Kultur, und als einem Wollüstlinge gefielen ihm in andern Stücken, die krassen, kindischen und fleischlichen Fabeln der Rabbinen besser. Und so entstand nun – eine Komposition, von vielen reinen Lehren der Bibel, und des Christenthums insbesondere; gemischt mit manchen unschuldigen Gebräuchen seiner väterlichen Religion; aber auch mit vielen wollüstigen Vorstellungen und krassen Irrthümern der Rabbinen und Falschen Christen. Und dies ist der Muhammedismus; die Religion, welche der Koran lehret, und noch jetzt von den meisten Menschen der Erde bekannt wird. Was sie daher Gutes und Vortrefliches enthält, nebst allen ihren wahren Verdiensten um Arabien, und einen sehr grossen Theil der Welt; sind nicht Muhammeds, sondern – der Bibel; und insbesondere des Christenthums, wahres Eigenthum. (1786: 466 f)

7) Das Neue Testament lehre „zu allererst, eine Vollständige, und ganz Reine Vernunft-Religion“ (1786: 468). Für seine Authentizität führt Leß in mehreren Paragraphen innere und äußere Gründe an. Es ist ihm die Grundlage seiner Demonstration der Wahrheit des Christentums gegen deistische und atheistische Bestreitung. Neben dem Neuen Testament gilt Leß also nur das Alte Testament als Offenbarung, die anderen genannten Schriften enthielten allerdings alle „manche Wahrheiten über die wichtigste Angelegenheit des Menschen, die Religion: zum deutlichen Beweise, daß der Allgemeine Vater der Geister, auch den Unwissendsten Völkern, so viel Kenntnisse verschaffet hat, als nöthig waren, sie glücklich zu machen“ (1786: 467).15 Allerdings wird auch dem Koran, durch die betonte Abhängigkeit vom Alten und vor allem vom Neuen Testament, Vernünftigkeit und eine mittelbare Geltung zugesprochen. Damit fallen diese drei Texte wohl doch nicht unter die Rubrik Haupt-Schriften der Heiden und die Einschätzung entspricht der seit dem Mittelalter kolportierten Einteilung der Welt in Juden, Christen, Muhammedaner/Sarazenen/Türcken sowie Heiden. Nach den hier vorgeführten, auch im 18. Jahrhundert weithin üblichen 15 A. a. O., S. 467; Das erinnert deutlich an Lessings Erziehungsschrift, aber auch an Christoph Döderlein in seinen Antifragmenten.

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25. Leß’ Ueber die Religion

Konnotationen des Koran mit „wollüstigen“ Vorstellungen und „krassen Irrthümern“ erwartet man eigentlich keine positiven Aussagen über Muhammed oder den Koran. Gleichwohl werden diese Auskünfte in erstaunlichem Maße noch gegeben.

25.3.3 Leß’ Wertschätzung Muhammeds und des Koran Besonders bemerkenswert ist dabei, dass Leß’ Beurteilung des Koran durch seine konstruierte Abhängigkeit vom Neuen Testament her entwickelt wird, das hier als erste Urkunde der ,Vernunft-Religion‘ erscheint. Die damit einhergehende Wertschätzung der enthaltenen vernunftreligiösen Lehren korrespondiert nun auch mit einer kulturellen Wertschätzung der Türken und der Araber sowie einer nach den eben zitierten Aussagen etwas überraschenden Wertschätzung Muhammeds. Liest man die oben abschließende Einschätzung des Korans, so scheint zunächst, als würde Leß Muhammed als kulturlos und „wollüstig“ bezeichnen und den Koran nur in die konstruierte Abhängigkeit vom vernünftigen Neuen Testament so nah vor dem inhaltlichen Höhepunkt der Religionsgeschichte, eben diesem Neuen Testament, platzieren. Ein Blick in den dazugehörigen Paragraphen zeigt aber noch weitergehende, positive Einschätzungen im Unterschied zum damals nach wie vor üblichen Diskurs. Leß fasst gängige Repräsentationen türkischer und arabischer Kultur- und Religionsgeschichte zusammen und kritisiert diese deutlich: Seitdem die Araber im siebenden Jahrhundert unsrer Zeit-Rechnung; und nach dem Untergange ihres Reichs, die Türken, welche wir gemeiniglich Saracenen nennen, die christlichen Länder überschwemmten, und dergestalt das Schrecken der Christen wurden, daß mann gar in den öffentlichen Kirchen-Gebethen, wider sie bethete; ist mann gewohnt, die Muhammeder mit Türken für einerlei zu halten: diese aber als die wildesten, und grausamsten Barbaren; und ihre Religion als ein Gemisch der entsezlichsten Greuel zu betrachten. In dem allen hegen wir den gröbsten und ungerechtesten Irrthum. Mann darf nur die Geschichte dieser von Muhammed stammenden Religion; seiner Landsleute, der Araber; und seiner Anhänger, der Türken lesen, eines grossen Volks, das seit dem fünften Jahrhunderte nach Christo, aus seinen ursprünglichen Sizen beim kaspischen Meere hervorkam, das ungeheure Reich der Araber zerstörete, und das jetzt noch jetzt fortdauernde grosse Reich der Ottomannischen Pforte stiftete: und mann wird diese Lektur, nicht anders als mit Achtung und Liebe gegen dieses Volk endigen [Fn.135] Die Nation der Araber insbesondere, zeichnet sich unter den Völkern des Orients, durch Wiz und Verstand sehr aus; wie die grosse Menge von Dichtern, Philosophen und Geschichtschreibern zeugen, die aus diesem Volke noch vorhanden sind. Ihre natürliche Offenheit, ihre Tapferkeit, die ausnehmende Gast-Freiheit, und der Edelmuth; die sich bei Ihnen, zu allen Zeiten, vornehmlich in den ersten Jahrhunderten ihrer Herrschaft zeigen, flössen jedem fülbahren Herzen Achtung und Liebe gegen diese Nation ein. Sie waren

25.3 Geschichte der Religion von 1783

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es auch, welche, nebst den Nestorianischen Christen, in dem barbarischen Zeit-Alter Wissenschaften und Geschmack vor dem gänzlichen Untergange sicherten. (1786: 437–441)

Im Zusammenhang dieser Hochschätzung türkischer und arabischer Kultur findet sich in Leß’ Text – ganz nebenbei – auch eine Wertschätzung der Nestorianer, die in der christlichen Überlieferung zu Muhammed traditionell eine entscheidende Rolle spielen. Der nestorianische Mönch Sergius ist laut dieser Überlieferung nämlich entscheidend am Entstehen des Koran beteiligt gewesen. Doch Leß geht noch weiter: Die Religion der Araber und Türken „lehret Reine und Erhabne Begriffe von dem Einigen Wahren Gott, und Seinen Eigenschaften, und der Moral: und wird schon seit mehreren Jahrhunderten von dem grösten Theil des Erdbodens angenommen“ (1786: 441 f). Der Grund dieser Hochschätzung ist wohl, dass nach Leß diese Religion zum großen Teil aus dem Alten Testament und – und das ist hier entscheidend – aus dem Neuen Testament genommen sei. Muhammeds Nachfolger, sowohl unter den Arabern als auch unter den Türken, werden ebenfalls positiv gewürdigt. Man fände unter den Kalifen „nicht wenige Männer von wahrer Seelen-Grösse; musterhafter Redlichkeit und Treue; Mässigkeit und Simplicitaet; Menschlichkeit und Grosmuth“. Dagegen beschreibt Leß die Kreuzfahrer als weit unter denen stehend, die zuvor Palästina und Jerusalem beherrscht hätten, als eine „Rotte von Schwärmern, Räubern und Mordbrennern“, die kein Recht auf diese Länder gehabt und dort Blutbäder angerichtet hätten. „Die Muhammedaner dagegen, sahe man indessen, so redlich, menschlich, gütig und grosmüthig handeln: daß ein jeder ihrer Religion Unkundige, diese für die Anhänger des Göttlichen Christus, und jene für Kinder der Hölle hätte halten müssen. “ (1786: 442) Saladin sei edel, redlich und gütig gewesen – „eine wahre Erquickung“ (1786: 443). Noch einmal lobt Leß diese Religion: Diese Religion ist voll der Reinsten, Erhabensten Lehren; und hat unter ihren Anhängern, eine Menge Edler, Vortrefflicher Charaktere gebildet! Das ist die Religion, und Nation, deren Geschichte ich aus den in der 135 Note genannten Geschichtschreibern, aber nach meinem Zweck, nur summarisch erzälen will. (Ebd.).

Wie kommt Leß zu dieser Einschätzung Muhammeds und des Koran? Aus der Literatur über dieses Thema? Die genannte Fußnote 135 enthält Leß’ Auseinandersetzung mit der gängigen Literatur. Als Quellen für die Geschichte Muhammeds und seiner Religion nennt er zunächst Abulfeda (Ismail Abu lFida¯; 1273–1331) und Abul Faradsch (Gregorius Bar-Hebraeus/Bar Evra’y Abu al-Faraj; 1226–1286) mit den dazugehörigen Übersetzungen, dann die Historia Orientalis von Edward Pococke (1604–1691), die Historia Saracenica von Elmacin (Girgis al Makin/Ibn al-’Amid; 1205–1273) in der 1625er Ausgabe von Thomas Erpenius (Thomas van Erpe; 1584–1624) sowie Ximenes’ His-

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25. Leß’ Ueber die Religion

toria Arabum (Rodrigo Jim nez de Rada; 1170–1247) in seiner Darstellung der Archiepiscopi Toletani. Abschließend werden die Koranausgaben von Ludovico Marracci, erschienen 1691 und 1698, sowie von George Sale, erschienen 1734, erwähnt. Unter die besten neuesten Schriften zählt Leß Sales Preliminary Discourse zu seiner Koranübersetzung aus dem Arabischen, die in den 1770erJahren zweimal neu aufgelegte Bibliotheque Orientale von Barth lemy d’Herbelot de Molainville (1625–1695), zuerst erschienen 1697 in einer von Jean Gagnier (1670–1740) fertiggestellten Fassung sowie die deutsche Fassung der Allgemeinen Weltgeschichte von William Guthrie und John Gray, „hin und wieder von Reiske berichtiget“ (1786: 441, Anm. 135). Diese Literaturgrundlage ist – mit Ausnahme der Erwähnung des sonst oft ausgesparten Johann Jakob Reiske – eher unauffällig.

25.3.4 Leß’ Muhammed-Bild im Spiegel der Geschichtsschreibung Entscheidend ist dagegen Leß’ Diskussion der Literatur, anlässlich seiner Einschätzung Muhammeds, in der er über diese erste Aufzählung hinausgeht. Nun heißt es: Alle neuere Geschichtschreiber Muhammeds, die mir zu Gesichte gekommen, D’Herbelot (Artikel Muhammed) Marraccius, Gagnier, Prideaux, Guthrie, begehen die Ungerechtigkeit, den Muhammed zum Schwärmer, oder gar zum Betrüger zu machen. Aber wenn Muhammed göttliche Offenbahrungen erdichtete, – denn daß er sie nicht geglaubt habe, dafür ist uns sein guter Verstand, und seine küle Ueberlegung Bürge – so hat er nichts gethan, als was auch Numa, Pythagoras, und fast alle die grossen würdigen Gesezgeber und Philosophen der Griechen und Römer thaten. Männer, die kein Unpartheiischer für Betrüger erklären wird; und die wir Christen, nach den Grundsätzen unsrer erhabneren Tugend, zwar für Irrende, aber auch wegen ihrer guten Absichten dabei, und der herrschenden Redlichkeit ihres Betragens, für redliche tugendhafte Männer halten. (1786: 450 f, Anm. 142)

Muhammed zum Betrüger zu erklären, sei eine Ungerechtigkeit, so hält Leß gegen d’Herbelot, Marracci, Gagnier, Prideaux und auch Guthrie und damit gegen die Hauptpositionen der damals bekannten bzw. diskutierten Literatur – mit einer Ausnahme – fest. Doch auch von dieser Ausnahme grenzt Leß sich ab, wenn er fortfährt: Der Graf Boulainvilliers fällt in den entgegenstehenden Fehler. Seine Vie de Mahomed, Amsterd. 1731 in 8, ist so superficiell in der Geschichts-Erzälung; als partheiisch in Lobpreisung seines Helden. Gagnier urtheilte von dem Manuscript, das ihm ein gewinnsüchtiger Buchhändler zuschickte, um es zu continuiren, und wie es scheint mit Recht, la meilleure maniere de la mettre en lumiere es, de jetter au feu. – Am billigsten urtheilt Sale, prelim, dis. Sect. 2; doch macht er ihn zu einem Schwärmer. (1786: 451, A. 142).

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Nach dieser üblichen Ablehnung von Boulainvilliers’ Buch, das man mit Gagnier ins Feuer werfen könne, findet sich die inzwischen ebenso übliche Wertschätzung Sales – allerdings verbunden mit einer Kritik, die vor allem auch Leß’ eigenes Muhammed-Bild anschaulich macht: Sale mache Muhammed zu einem Schwärmer und davon grenzt Leß sich hier ab. Neben seinen kürzeren Bemerkungen zur Geschichte Arabiens und zum Lebenslauf Muhammeds ist dies letztlich der Kern der Darstellung Leß’, der auch die neue Beurteilung der Offenbarungsurkunde – Koran – vorbereitet. „Der Stifter dieser in vielen Absichten überaus merkwürdigen Religion, ein Mann von nicht gemeinem Verstande, war also, sehr genau mit Juden und Christen bekannt; denen er auch die grösten Lobsprüche in seinem Koran giebt.“ (1786: 448) Anfangs habe er seinen unwissenden Zeitgenossen bessere Religionsbegriffe beibringen wollen. Er habe dabei wie Mose und Christus als Gesandter Gottes gelten wollen, „vielleicht aus guter Absicht; vielleicht aus Ruhmsucht; vielleicht aus beiden Ursachen“ (ebd.). Darum habe er wie Numa Pompilius göttliche Offenbarungen vorgegeben, „weil er glaubte, seine gemeinnüzige Absicht lasse sich nicht ohne solche Maschinen erreichen. Das ganze Leben des Mannes zeiget uns keine Spur ausschweifender Imagination.“ (1786: 448 f) Forderungen nach Wundern habe er nicht nachgegeben. Wir haben daher keinen Grund anzunehmen, daß er ein Schwärmer, und von seiner Einbildungs-Kraft betrogen war; wohl aber viel Grund zu glauben, daß er wie Numa diesen Umgang mit der Gottheit erdichtete. Aber darum war er noch kein Betrüger; welches nur der ist, der bey dem Bewustseyn der Strafbahrkeit seiner Absichten und Erdichtungen dennoch dergleichen thut. Muhammed aber glaubte ehrlich, wie eine Menge der redlichsten Männer des Alterthums, das Beste seiner Landsleute fordre diese Erdichtung. Ein Irrender war er also, aber kein Betrüger. (1786: 449)16

Kein Betrüger, kein Schwärmer, sondern ein Irrender sei Muhammed nach Leß’ Auskunft also gewesen. Aus demselben Grund, aus dem er göttliche Offenbarungen erdichtet habe, habe Muhammed auch zur Ausbreitung seiner Religion zum Schwert gegriffen. Beides, die erdichteten Offenbarungen und die gewaltsame Ausbreitung, ist nach Leß als „Irrthum“ aufzufassen. Und so ward Muhammed, getrieben von der Begierde, die Religion seiner Landsleute zu bessern, und über sie zu herrschen, ein vorgegebener Prophet, und wahrer Eroberer. Wenigstens anfangs, waren seine Absichten unsträflich, und zum Theil rümlich. Ob in der Folge, das Wachsthum seines Ansehns ihn schwindeln gemacht, und seinen Charakter verdorben habe: dies zu entscheiden, giebt uns die Geschichte bis jezt [(141) Bis jezt, denn von den Orientalischen Geschichtschreibern, welche in den Bibliotheken zu Paris, Oxford, Leiden, Upsala und a. liegen, lesen wir nur erst einige Proben.], noch nicht Data genug. (1786: 449 f). 16 Dies zitiert auch Rehrmann, Ehrenthron, S. 101 f

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Offenbar hält Leß hier also die Quellenlage für die Frühzeit Muhammeds für verlässlicher als die Quellenlage für dessen spätere Lebenszeit, denn für die Frühzeit erlaubt er sich ein klares Urteil, während er sich im Hinblick auf die spätere Zeit zurückhält. Leß betont in seinem Text mehrfach, was von Muhammed zu halten sei und wie unangemessen er in der bisherigen Literatur beurteilt würde. Muhammed war nämlich – folgt man Leß’ Darstellung – ein Aufklärer, zumindest am Anfang seiner Wirksamkeit. Deutlich ist dies, wenn man bedenkt, was Religion für Leß ist bzw. was das Neue Testament für Leß ist (s. o.). Wenn man Muhammed also weder unangemessen herabsetzen oder erheben wolle, sondern nur nach den Tatsachen „und mit dem Geist christlicher Güte“ urteilen wolle, so fährt Leß fort, käme man zu folgender Einschätzung: Muhammed war „ein Mann von Talenten und Geschick, der mit der löblichen Absicht, seine Landsleute aufzuklären, anfieng, und mit der Begierde, sie zu beherrschen, endigte; der in vielen Stücken als ein Geblendeter, nie aber als ein Schwärmer, und noch weniger als ein Betrüger handelte; der neben vielen, und grossen Fehlern, der Wollust insbesondere, auch viele gute und grosse Handlungen verrichtete; der weder ein vorzüglich Tugendhafter noch ein Bösewicht; sondern ein rechtschaffener Mann war, und durch Einführung einer bessern Religion sich um seine Nation und einen sehr grossen Theil des Erdbodens sehr verdient machte. (1786: 450)

Muhammed wird von Leß hier also als positiver Faktor einer als Entwicklung vorgestellten Religionsgeschichte repräsentiert. Dieser Einschätzung Muhammeds stellt Leß die oben zitierte Sicht der neueren Geschichtsschreiber entgegen, die Muhammed ungerechterweise zum Schwärmer oder Betrüger machten, oder, wie Henri de Boulainvilliers, eine historiographisch oberflächliche und parteiliche Lobschrift vorlegten, deren Brennwert mehr Licht bringe als ihr Inhalt. Exkurs Warum betont Leß mehrmals, dass Muhammed nicht als Schwärmer zu bezeichnen sei? Um diese Frage beantworten zu können, ist ein Blick in Leß’ Konzeption von Schwärmerei bzw. Schwärmertum hilfreich, aus der er das Neue Testament als Offenbarung (,von oben‘) heraushalten will. Man kann dies als Versuch werten, suprahistorische Offenbarung qua Vernunftzuschreibung zu retten: Das Neue Testament kommt, ,von oben‘ – und ist gleichzeitig ,vernünftig‘. ,Schwärmerei‘ kommt ,von unten‘ und ist für Leß mit ,Leichtgläubigkeit‘ gepaart. Insgesamt geht es Leß in diesem Kapitel um die Verteidigung der Glaubwürdigkeit der neutestamentlichen Schriften. Es geht darum, „daß die Schriften des N.T. authentisch, und in allen Haupt-Sachen, ganz Unverfälscht

25.3 Geschichte der Religion von 1783

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sind“ (1786: 648).17 Die neutestamentlichen Schriftsteller wären 1) unmittelbare Schüler Jesu, gewesen, hätten 2) wie Paulus die Geschichte der Auferstehung „gewiß mit größten Fleiß untersuchet und geprüfet“ (1786: 651), seien 3) nicht leichtgläubig und 4) keine Schwärmer, sondern 5) „redliche Männer“ (1786: 666) gewesen, die 6) Begebenheiten ihrer Zeit erzählten und sich 7) auf Beweise beriefen. Dass 8) ihre Lehre verspottet würde, hätten sie vorausgesehen und 9) bis in den Tod hinein erduldet, und sie hätten 10) viele Zeitgenossen überzeugt. In diesem Kontext stellt Leß seine Bestimmung des (von ihm abgewiesenen) Schwärmertums. Leß grenzt aus seinem Verständnis des Neuen Testaments und vernünftiger Religion zuerst Emanuel Swedenborg (1688–1772) aus, dem er sehr wohl Gelehrsamkeit, Einsicht und Redlichkeit bescheinigt, der aber leichtgläubig gewesen sei: denn „es glaubete und behauptete dieser sonst einsichtsvolle, ehrwürdige Mann mehr als vierzig Jahre nach einander; daß er öftere Besuche von Engeln habe, in den Himmel entzücket werde, und daselbst allerlei neue Belehrungen empfange“ (1786: 651).18 Der in den 1780er-Jahren in breiter Öffentlichkeit geführte Streit um Swedenborg dürfte eine nicht zu unterschätzende Folie für Leß’ Repräsentation Muhammeds sein.19 Schwärmer ist nach Leß jeder, „der bloß nach Gefühlen, nicht nach Überlegungen der Vernunft handelt“ (1786: 656, Anm. 353). Muhammed bzw. dem Koran wird aber gerade Vernünftigkeit bescheinigt. Swedenborg ist somit als unvernünftig apostrophiert, Muhammed dagegen als vernünftig. Gefühl und Vernunft werden hier gegeneinander ausgespielt, denn ein Schwärmer wäre man sogar, wenn diese Gefühle wahr, allerdings erst recht, wenn sie eingebildet seien. Auch das Handeln nur aus Sym- oder Antipathie oder nach innerem Trieb gehöre hierher oder die Einbildung, „Engel zu sehen, oder Ansprachen vom Himmel zu hören, Kaiser zu sein u.s.f.“ (1786: 656). Schwärmer würden auch alle geschriebene Offenbarung verachten und dies wäre mit Gleichgültigkeit gegen die Religion und Fanatismus verbunden. In Religionsdingen seien Schwärmer oft tolerant, das bürgerliche Betragen sei dagegen grausam und barbarisch; ihnen wird eine „unsinnige Wuth bis hin zu konvulsivischen Bewegungen des Körpers, und wirkliche Raserei“ (1786: 659) bescheinigt. Nachdem Swedenborg benannt und ausgesondert ist, kommt Leß an dieser Stelle noch auf die Quäker zu sprechen und nennt daneben die Montanisten, die älteren Wiedertäufer, Oliver Cromwell und seinen fanatischen Anhang sowie die Jansenisten. Muhammed hatte Leß aus dem Schwärmerei-Verdikt in 17 A. a. O., § 36: „Höchste Glaubwürdigkeit der Neutestamentlichen Schriften“, S. 648–695, Zitat S. 648. 18 Zu Swedenborg vgl. Friedemann Stengel, Aufklärung bis zum Himmel. Emanuel Swedenborg im Kontext der Theologie und Philosophie des 18. Jahrhunderts, Tübingen 2011 (Beiträge zur historischen Theologie 161). 19 Vgl. Friedemann Stengel, Prophetie? Wahnsinn? Betrug? Swedenborgs Visionen im Diskurs. In: Pietismus und Neuzeit. Ein Jahrbuch zur Geschichte des neueren Protestantismus, Band 37, Göttingen 2011, S. 136–162.

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seinem Text mehrfach ausgenommen. Gleichwohl ist Muhammed in Leß’ Aufzählung der Schwärmer wieder enthalten, so als wäre der alte Katalog, wie er in die Apologie von 1768 gehören könnte, stehengeblieben. Dies ist widersprüchlich.

25.4 Muhammeds Koran als Zeugnis einer vom Neuen Testament abhängigen vernünftigen Religion – auch ein Antifragment Es geht in dieser Darstellung allerdings nicht um Muhammed, sondern es geht Leß um die Vernünftigkeit des Christentums als zeitgenössisch offenbar notwendiger Beweis seiner Wahrheit unter Abweisung der von ihm als Leichtgläubigkeit apostrophierten ,Schwärmerei‘ Swedenborgs und anderer, älterer Personen und Gruppen. Muhammed wird als Vernünftigem (aber Irrendem) mit seinem Koran der zweitbeste Rang in der Religionsgeschichte zugewiesen, während ältere, vor allem aber zeitgenössische ,Schwärmerei‘ grundsätzlich abgewiesen wird. Da sich im Koran so viele vernünftige Ansichten fänden, die vom vernünftigen Neuen Testament abgeschrieben seien, könnten dieses Buch und v. a. sein Urheber nicht gänzlich als unvernünftig oder unmoralisch (weil betrügerisch) gelten. Vom vernünftigen Glanz des Neuen Testaments fällt also einiges auch auf den hier als vernünftigen, aufklärenden und staatsmännischen Kompilator vorgestellten Muhammed. Die Wahrheit des Neuen Testaments und damit die Wahrheit des Christentums als vernünftige Religion machen für Leß zwar vor ,Schwärmern‘ wie Swedenborg, nicht aber vor Muhammed halt. Leß hatte am Anfang seines Buches Kriterien aufgestellt, die er nun, zumindest teilweise, auch auf Muhammed anwendet. Die „Geschichte der Vernunftreligion“, in Unterscheidung von der „Geschichte der Geoffenbarten Religion“ hatte Leß aus dem Neuen Testament entwickelt. Dabei stellte er sieben Kriterien auf: Dasein Gottes – Einheit Gottes – Wesen Gottes – Eigenschaften Gottes – Vorsehung Gottes – Die Seele des Menschen und das Leben nach dem Tod – Moral.20 Schon die ,Vernunft-Religion‘ sei eine Offenbarung Gottes, der die Vernunft gab, mit der die Vernunftreligion erkannt werden könnte. Leß nennt sie „Mittelbahre Offenbahrung“ (1786: 24). Daneben gebe es noch Religionen, die sich auf unmittelbare Offenbarung zurückführten, die Leß mit dem oben genannten Ergebnis untersucht. Das Alte Testament sei zwar unmittelbare Offenbarung Gottes und man habe es als solche zu achten, vernünftige Religion finde sich aber eigentlich nur im Neuen Testament, das deswegen nicht nur den Anspruch auf unmittelbare Offenbarung, sondern auch auf Ver20 Vgl. dazu die Paragraphen 14 und 15 unter der Überschrift „Summarische Vorstellung und Beweiß der im N.T. enthaltenen Vernunft-Religion“; Leß, Geschichte der Religion, 1786, S. 96–191.

25.4 Muhammeds Koran

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nunftreligion erheben könne. Darum – und das ist hier entscheidend – fänden sich davon abhängig auch im Koran Aussagen vernünftiger Religion, die vom Umgang mit unmittelbarer und vernünftiger Offenbarung (NT) abhängig seien. Der Koran gilt hier nicht etwa als unmittelbare Offenbarung Gottes, aber er gilt als ein Buch, das Elemente vernünftiger Religion aus dem Neuen Testament enthalte. Darum kann sein Urheber nicht gänzlich negativ beurteilt werden und es ergibt sich eine Würdigung Muhammeds und seiner Nachfolger, die zeitgenössisch als exzeptionell anzusehen ist. Ausgangspunkt dieser Würdigung ist der Diskurs, den Leß spätestens seit er 1768 sein Buch Ueber die Wahrheit der christlichen Religion veröffentlicht hatte, führt. Die Wertschätzung des Koran und Muhammeds entspringt bei Leß der theologischen Apologetik im Angesicht von deistischer Religionskritik im Zusammenhang des Fragmentenstreits sowie atheistischer Religionskritik, vertreten durch Paul Henri Thiry d’Holbach (1723–1789), auf dessen 1770 anonym erschienenes Werk Syst me de la Nature Leß in seinem Vorwort von 1783 neben einem Hinweis auf Voltaire anspielt: Seit er 1768 die Wahrheit der christlichen Religion veröffentlicht habe, habe sich die Situation in Europa, und besonders in Deutschland, in Religionsdingen sehr verändert. Der wachsende Vernunftgebrauch habe auch deren Missbrauch ansteigen lassen, und eben die edlen Untersuchungen, welche viele auf den Weg der Wahrheit füreten, haben andere auf Irrwege geleitet. Mann ist seitdem, von Bestreitung des Christenthums und aller höhern Offenbahrung Gottes bis zur Verwerfung aller Religion; und endlich gar, bis zur Bestreitung des Daseyns Gottes fortgegangen. Nicht wenige Menschen, Frauen und Männer, sind durch das Systeme de la Nature, Atheisten, wenigstens ihrem Vorgeben nach, geworden. Viele, selbst Lehrer des Christenthums, haben den Grossen Männern des Römischen und Griechischen Alterthums, eine ganz Vollständige und Reine Natur-Religion zu-, und dem Christenthum das Verdienst abgesprochen, der Erste Lehrer derselben zu seyn. Seitdem endlich, die Schriften des Alten Testamentes mit grösserer Kenntniß der Geschichte, NaturKunde und Philosophie untersucht worden, hat mann neue Schwierigkeiten entdeckt, und neue Zweifel erhoben: welche nicht allein den Voltaeren reichen Stoff zur Herabsezung und Verspottung dieses Aeltesten aller Bücher in der Welt darbiethen; sondern auch selbst Verehrer des Christenthums, an diesem Buche irre machen. Auf die beschriebene Art haben sich denn, zu der Verwerfung des Christenthums; auch noch übertriebene Erhebung der Religion Griechischer und Römischer Weltweisen; Bezweiflung und Verspottung des Alten Testaments, nebst Bestreitung der NaturReligion und dem Atheismus gesellet. (1786: V–VI)

Diese veränderte Situation verlangt nach Leß nun auch eine andere Apologetik. Und ein Bestandteil dieser zuerst 1783 von Leß vorgelegten Apologetik ist die Beweisführung aus der Geschichte der Natur- und der Offenbarungsreligion. Dabei lehnt Leß sich bis in die Formulierungen hinein an die 1780 erschienene Erziehung des Menschengeschlechts von Gotthold Ephraim Les-

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25. Leß’ Ueber die Religion

sing (1729–1781) an. Auch wenn er dessen zentraler Unterscheidung von natürlicher, positiver und vernünftiger Religion – Lessings dreigestuften Religionsbegriff21 – nicht übernimmt, zeigt sich bei Leß dennoch die seit den 1770er-Jahren im Zuge des Fragmentenstreits enorm gestiegene Konjunktur des Themas Vernunft als basale Zuschreibung für (christliche) Religion. In Paragraph 41, der den ersten Band seiner neuen Apologetik abschließt, vergleicht Leß die biblische Offenbarung mit der Geschichte der Menschheit. Er erkennt in der unmittelbaren Offenbarung der Bibel einen stufenweisen Fortschritt: „Nicht auf einmahl ward alles geoffenbahrt“ (1786: 734). Die Natur mache keine Sprünge, sondern schreite langsam aber desto sicherer von einer Stufe zur anderen fort. Das Menschengeschlecht habe sich nie in einem tierischen Zustand ohne Sprache, Vernunft und sittliche Gesellschaft befunden. Auch diese Formulierungen erinnern klar an Lessings Erziehungsschrift. In Abwandlung von Lessings Drei-Zeitalter-Lehre stellt Leß hier Epochen vor: 1) Adam habe in regelmäßiger Ehe gelebt, die frühesten Menschen hätten Gott gekannt. Das Menschengeschlecht habe sich hier noch im „Stande der Kindheit“ befunden, „wenig und fast ganz sinnlich waren ihre Begriffe; ganz sinnlich ihre Sprache; (…) sehr gering der Grad ihrer Tugend; und wenig, aber roh ihre Laster“ (1786: 735). 2) Im „Stand der Wildheit und Barbarei“ habe es (unvollkommene) bürgerliche Verbindungen gegeben. Leß bezeichnet dies als das „Jünglings-Alter des Menschen: er verläßt die kindische Unthätigkeit, fült seine Kraft; aber aus Unwissenheit und übergrossem Feuer, braucht er sie meist übel“ (ebd.). 3) „Aus diesem Stande der Wildheit gieng dann der Mensch, die eine Nation geschwinder, die andere langsahmer, in den Gesitteten Zustand, oder das Männliche Alter über“ (ebd.) Diesen Stand bezieht Leß auf Kyros und auf das Römische Reich nach dem Untergang Karthagos. Leß’ Grundfigur ist an Lessing, den er hier allerdings nicht erwähnt, angelehnt.22 Allerdings skizziert er – anders als Lessing – zunächst eine Menschheitsgeschichte, in die er die biblische Offenbarung dann einzeichnet. Doch auch in dieser Umformung sind Anklänge an Lessings Text zu bemerken, wie nicht zuletzt die verwendete Erziehungsmetapher anzeigt: Mit dieser Geschichte der Menschheit“ – die Leß aus antiken Schriftstellern und Reisebeschreibungen belegt wissen will – „hält die Geschichte der Biblischen Offenbahrung, augenscheinlich gleichen Schritt. Das Menschen-Geschlecht wird hier, jedesmahl seinem Alter gemäß Erzogen. Die Bibel, das Alte und Neue Testament, ist also auch in dieser Betrachtung, werth das zu seyn, wofür sie von Juden und Christen gehalten wird, – eine, Unmittelbahre Offenbahrung Gottes. (1786: 736) 21 Vgl. dazu Daniel Cyranka, Natürlich – positiv – vernünftig, Der Religionsbegriff in Lessings Erziehungsschrift, in: Ulrich Kronauer/Wilhelm Kühlmann (Hg.), Aufklärung, Stationen – Konflikte – Prozesse, Eutin 2007, S. 39–61. 22 Dagegen setzt er sich in der Wahrheitsschrift namentlich an zwei Stellen von Lessing ab; vgl. Leß, Wahrheit 1786, S. 256 f u. 971.

25.4 Muhammeds Koran

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Leß Text markiert somit eine partielle, aber nicht offengelegte Aneignung von Positionen Lessings. Leß war über den auch in diesem eben zitierten Schlusssatz des ersten Bandes gezogenen biblischen Rahmen, wie ihn auch Lessing in der Erziehungsschrift zeichnet, hinausgegangen und hatte in sieben Stufen diverse heilige Schriften, darunter den Koran, skizziert und beurteilt. Der Fragmentist hatte einen solchen Vergleich als unmöglich bezeichnet, Döderlein, der Verfasser der Antifragmente hatte ihn nicht auf die innere Wahrheit der Religionen beziehen wollen. Leß führte diesen Vergleich im ersten Band seiner unvollendeten Trilogie durch, kritisierte allerdings weder konsequent nach äußeren historischen oder inneren theologischen oder philosophischen Kriterien, sondern je nach begutachteter Quelle sehr unterschiedlich. In diesem neuen Ansatz Leß’ wird die Geschichte der natürlichen und der geoffenbarten Religion unter Einschluss von Texten beschrieben, die nicht als Offenbarungen gelten sollen. Kulminationspunkt ist jeweils das Christentum bzw. das Neue Testament. Eine vernünftige Naturreligion findet sich für Leß nämlich erst mit dem Neuen Testament: Dies ist für ihn der Ursprung der neueren reinen Vernunftreligion. Von dieser Bestimmung hängt die Stellung und Beurteilung Muhammeds und des Koran ab, die nun grundsätzlich positiv ausfällt und Muhammed Vernunft und seiner Moral sowie seiner Religion Vernünftigkeit bescheinigt. Das ist neu! Muhammed ist vernünftig, weil Religion als solche (als Konzept) vernünftig ist, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllt. Erst die deistische Kritik an Offenbarung überhaupt, wie sie von Lessing unter dem Titel Unmöglichkeit einer Offenbarung, die alle Menschen auf gegründete Art glauben können publiziert wurde, veranlassen Döderlein, Leß u. a. dazu, Muhammed und den Koran in dieses (neue) vernünftige Religionsschema aufzunehmen. In dieser Situation ändert sich das MuhammedBild also entscheidend. Statt als Betrüger oder als Antichrist beschrieben zu werden, wird Muhammed als Vertreter vernünftiger Religion repräsentiert, die vorzüglich im vernünftigen Evangelium und dementsprechend im vernünftigen Christentum realisiert sei. Muhammed gerinnt bei diesen Theologen zu einem Zeugen für die Wahrheit der Religion überhaupt und damit indirekt auch zu einem Zeugen für die Wahrheit der christlichen Religion. Eine solche Zeugenschaft lässt keinen Raum für polemische Abgrenzungen. Vielmehr wird Muhammed religionsgeschichtlich und theologisch der zweitbeste Rang zugewiesen. Gleichzeitig wird das so gezeichnete Muhammed-Bild eingesetzt, um diese bis in die 70er-Jahre des 18. Jahrhunderts hinein mehrheitlich als Betrüger und Erzfeind repräsentierte Gestalt einerseits in das vorgelegte Religionskonzept zu inkorporieren und damit andererseits auch gegenüber der zeitgenössischen Auseinandersetzung um die Schwärmerei, für die Leß namentlich Swedenborg benennt, einsetzen zu können: Diese zeitgenössische Schwärmerei wird somit nicht – wie Muhammeds Koran – in eine Verbindung zum vernünftigen Neuen Testament des vernünftigen Christentums gebracht, sondern grundsätzlich ausgegrenzt.

Repräsentationen des Propheten im 18. Jahrhundert – Zusammenfassung und Ausblick Man könnte nach diesen 25 Kapiteln, die deutschsprachige Quellen von den 1680er- bis in die 1780er-Jahre zum Gegenstand haben, noch viele weitere Beobachtungen anfügen. Man könnte sicherlich auch noch zwischen die hier vorgeführten Etappen weitere einfügen, Einzelbeobachtungen vorstellen, bekannte Namen oder unbekannte Werke zitieren und weitere Querverbindungen ziehen, das angelegte Mosaik also weiterbauen. Doch das hier vorgeführte Material soll erst einmal genügen. Am Ende dieser Präsentation ist es vielmehr nötig, das Gesehene noch einmal zu bündeln und Konsequenzen zu ziehen. Wie bereits in der Einleitung mehrfach betont, ist es durchaus eine Schwierigkeit, wenn man in die Quellen des 18. Jahrhunderts heute geläufige Vorstellungen von „Islam“ einträgt. So geht Silvia Horsch unter dem Stichwort „Paradigma“ (vgl. Karl-Josef Kuschel) zum Beispiel kurz auf Humphrey Prideaux ein, dem das zweite Kapitel des vorliegenden Buches gewidmet ist. Sie schreibt: Wie stark jedoch auch mittelalterliche Paradigmen der Auseinandersetzung mit dem Islam in diesem Rahmen lebendig bleiben konnten, zeigt das Beispiel von HUMPHREY PRIDEAUX (1648–1724) einem englischen Geistlichen. […] Das Werk von Prideaux ist ein Beispiel dafür, wie der Islam in innerchristlichen Auseinandersetzungen instrumentalisiert wurde: Das Buch richtet sich nämlich gegen Deisten und Sozinianer, die ihrerseits das Christentum des Betrugs bezichtigen. Prideaux will nun zeigen, was wirklich ein Betrug ist (nämlich der Islam), und warum man diesen Vorwurf gegenüber dem Christentum nicht erheben könne. Hier zeigt sich eine Parallele zur Funktionalisierung des Islam in der innerchristlichen Auseinandersetzung zur Zeit der Reformation. Prideaux benutzt den Islam, um die Deisten und Sozinianer anzugreifen, indem er ihnen vorwirft, islamische Lehren übernommen zu haben. In seiner Darstellung des Islam wiederholt Prideaux die seit dem Mittelalter kanonisierten Vorwürfe […]. Prideaux steht damit in der Tradition der Polemiken mittelalterlicher Autoren wie Eulogius und Petrus Alvarus. Seine Sicht des Islam kann als beispielhaft für die orthodoxe Geistlichkeit (katholisch wie protestantisch) angesehen werden und muss wohl auch für die Laien als die vorherrschende angenommen werden. Sogar in den Fachkreisen der beginnenden Orientalistik wurde sein Werk als zuverlässige Quelle angesehen […].1 1 Horsch, Rationalität, S. 16–17.

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Für die letzte Aussage verweist Horsch auf Ockley und auf Bayle. Es ist durchaus zutreffend, Prideaux’ Buch als Instrument zu interpretieren und es ist sicherlich auch möglich, ihn ins Verhältnis zu den alten Polemiken zu setzen. Nur ist dann kritisch zu fragen, was genau von wem, gegen wen und wofür instrumentalisiert wird. Man verstrickt sich unter Umständen in schiefe Alternativen, wenn man z. B. für Prideaux in der englischen Debatte des ausgehenden 17. Jahrhunderts den „Islam“ als eigenständige Religion (im modernen Sinne) voraussetzt, aufsucht und dann gewissermaßen ein Fehlverhalten bestimmter Autoren – in diesem Fall Prideaux’ – aufdeckt. Prideaux’ Buch handelt von Mahomet. Es ist nicht zu verkennen, dass der Prophet bis weit in das 18. Jahrhundert hinein als Häretiker und darum nicht zuletzt oft als Betrüger charakterisiert wurde. Dass also nicht etwa zwei selbstständige Religionen (Islam und Christentum) verglichen, sondern Polemik gegen eine als falsch bezeichnete Auffassung von Gott, von Jesus, von den Propheten etc. geübt wurde – was eine prinzipielle, geschichtliche und theologische Zusammengehörigkeit voraussetzt. Die Polemik wird nicht anhand einer abstrahierten Größe (,Islam‘) vorgeführt, sondern anhand einer Quasi-Person, anhand von Repräsentationen Mahomets – einer konstruierten prophetischen Figur. Mit diesem Mittel polemisiert Prideaux gegen zeitgenössische ,Häretiker‘, Religions- und Kirchenkritiker. Dafür verwendet er eine polemische Repräsentation, die aus der Position Prideaux’ selbst hervorgeht. Die davon abstrahierten Rezeptionsprozesse seines Life of Mahomet können demgegenüber allerdings kein Mittel zur Analyse der Situation Prideaux’ bzw. seiner Texte sein. Das hat der Vergleich des englischen mit dem deutschen Kontext deutlich gemacht (vgl. Kap. 2.5–2.7). Gleiches gilt aber durchaus auch für positive Charakterisierungen Mohammeds, wie sie sich etwa bei Jonas Korte finden (vgl. Kap. 11). Hier stellt sich ein Mann, der sich der pietistischen Bewegung zurechnet, gegen die römische und gegen die orthodoxe Kirche auf die Seite Mahomets, den die anderen christlichen Parteien genauso nachteilig darstellen würden wie Luther, Spener, Francke und andere ,pietistische Heilige‘. Korte sieht also einen theologie- und kirchengeschichtlichen Zusammenhang von Phänomenen, die er zuvor als solche konstruiert und einander gegenübergestellt hat, um seine eigene Lokalisierung aufzuzeigen und sich zu positionieren. Korte instrumentalisiert einen Gegenentwurf zum traditionellen, polemischen MahometBild, um damit gegen römisch-katholischen und orthodoxen Kultus zu polemisieren. Auch die Interpretation des Propheten als Werkzeug Gottes, die Horsch bei Prideaux entdeckt und als ,mittelalterlich‘ bezeichnet, entbehrt nicht ihrer damaligen theologischen Stringenz. Heute, nach dem Ende heilsökonomischer Geschichtstheologien, wird sich schwerlich eine theologische Strömung finden, die den Islam, oder personifiziert den Propheten des Islam, als Strafe Gottes interpretiert. ,Mittelalterlich‘ ist das nicht. Wenn man wie Karl-Josef

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Kuschel und Silvia Horsch (in Anlehnung an Hans Küng) von Paradigmen und Paradigmenwechseln sprechen will, dann muss man folgerichtig verzeichnen, dass die behaupteten Paradigmenwechsel, die auf diese Weise im 18. Jahrhundert ausgemacht werden, zur Konstruktion des Islam als eigenständiger und damit fremder, dichotomisch oder antagonistisch ,dem Christentum‘ oder ,dem christlichen Abendland‘ gegenüberstehender Religion führen (konnten). Abgesehen von der religionsgeschichtlichen Problematik zeigen sich hier theologische Konsequenzen aus einer Religionskonstruktion, die nicht ohne Verhältnisbestimmung ,nach außen‘ zustande gekommen ist und sich damit wohl auch aus Gegenbildern generiert. Eine theologische Konsequenz kann z. B. lauten, dass Muslime nicht an denselben Gott glaubten wie Christen (vice versa).2 Die Schwierigkeit einer solchen Position besteht letztlich darin, dass es theologisch eigentlich nichts mehr zu besprechen gibt, sondern dass ein ,interreligiöser Dialog‘ geführt wird, der religiöse Traditionen in dem Moment, in dem er sie an einen Tisch setzen möchte, mit einiger Zwangsläufigkeit erst einmal in ,dort‘ und ,hier‘, ,ihr‘ und ,wir‘, ,fremd‘ und ,eigen‘ trennt. Die Spielarten der Repräsentationen des Propheten im 18. Jahrhundert schwanken zwischen zugeschriebenem Betrug oder Wahnsinn, Ehrgeiz, Wollust, List, Beredsamkeit, Klugheit, Moralität, Amoralität und Vernunft. Sie sind von der Konstruktion einer grundsätzlich fremden und absolut eigenen Religion weit entfernt. Mit Blick auf theologische oder religiöse Debatten lässt sich feststellen: Wir leben heute nicht in einer Zeit der Häresievorwürfe. Heute geht es in vergleichbaren Debatten oft um die (In-)Kompatibilität von Islam und Aufklärung; Islam und Demokratie, Islam und Menschenrechten oder gar Menschenwürde. ,Islam‘ wird von diversen im Diskurs hörbaren und sichtbaren Akteuren als ,das Andere‘ erzeugt; ,das Andere‘ gegenüber als hegemonial apostrophierten und ,dem Westen‘ reservierten sozialen Praktiken, Ansichten und ,Werten‘. Ein Häresievorwurf aus theologischer Perspektive würde heute anachronistisch anmuten – ergäbe nur aus einer solchen theologischen Perspektive aber überhaupt einen Sinn. Diese alte Art, über ,Wahrheit‘ und ,Häresie‘ zu streiten würde allerdings signalisieren, dass es – religiös gesprochen – um Gott bzw. um dieselbe Wahrheitsdimension gehen 2 Vgl. Klarheit und gute Nachbarschaft. Christen und Muslime in Deutschland. Eine Handreichung des Rates der EKD, herausgegeben vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD-Texte 86), Hannover 2006, besonders den Abschnitt 1.2 „Chancen und Grenzen des Glaubens an den ,einen Gott‘“, in dem es u. a. in Anlehnung an Luthers Großen Katechismus heißt: „Ihr Herz werden Christen jedoch schwerlich an einen Gott hängen können, wie ihn der Koran beschreibt und wie ihn die Muslime verehren.“ (S. 18) Die evangelische Kirche könne allerdings in Gemeinsamkeiten (Bezug auf die Offenbarung Gottes in Israel, Verehrung des transzendenten Gottes) Spuren oder Zeichen erkennen, „dass sich der Gott der Bibel auch Muslimen nicht verborgen hat. Diese Spuren begründen keinen gemeinsamen Glauben und erst recht keine gemeinsame Verkündigung oder Frömmigkeitspraxis. Aber sie rufen doch Christen und Muslime auf, in dieser zerrissenen Welt auf Gott hinzuweisen.“ (S. 19) Auf die Diskussion dieser Positionierung sei hier nur verwiesen.

Zusammenfassung und Ausblick

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soll. Doch ein kulturell, politisch, wirtschaftlich und sozial verknotetes Gewebe an diskursiven Praktiken und Aussagen zum Thema ,der Islam und der Westen‘ lässt sich nicht mit kontroverstheologischen Mitteln des 18. Jahrhunderts bearbeiten. Darum soll es hier natürlich auch nicht gehen. Es soll aber in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen werden, dass alle hier vorgeführten Befunde, in denen der Prophet in unterschiedlichsten Gestalten entworfen wird, letztlich kontroverstheologisch grundiert sind. Insofern sind die Repräsentationen des Propheten aus dem 18. Jahrhundert auch heute virulent, werden doch diverse Autoren affirmativ (Lessing, Voltaire, Sale oder andere ,Aufklärer‘) oder ablehnend (Prideaux und andere, meist pauschal zitierte Autoren) eingesetzt, um ein Islambild ex negativo zu erzeugen. Hartmut Bobzin fasst verschiedene „Abendländische Mohammedbilder“ aus dem 7. bis 19. Jahrhundert gewissermaßen typologisiert zusammen.3 Er nennt Repräsentationen Mohammeds als „Pseudoprophet“, „Häretiker“, „Betrüger“, „Epileptiker“, „Gott“ neben Göttern, „Antichrist“, „Gesetzgeber“ und als „Held“. Es gebe kaum eine Gestalt der Weltgeschichte, so hält Bobzin fest, „die im christlichen Abendland über lange Zeit so negativ dargestellt, dann aber ebenso überschwenglich gelobt worden ist wie Mohammed“.4 Eine solche Feststellung voraussetzend wurde hier nach den Kontexten und Funktionen von Repräsentationen des Propheten in deutschsprachigen Texten des 18. Jahrhunderts gefragt. Die Bilder, die sich im 18. Jahrhundert in diesem Kontext finden lassen, entsprechen ungefähr diesem von Bobzin skizzierten Befund. Die verschiedenen Zuschreibungen sind nicht neu, sondern in der Regel traditionell. Ausnahmen fallen in diesen Zusammenhängen umso mehr ins Gewicht. Deutlich ist, dass meist mehrere derartige, auch von Bobzin genannte Zuschreibungen vorgenommen werden. In Frage stehen hier also weniger die Zuschreibungen selbst, als ihre Kontexte und Funktionen. Es ergibt sich folgendes Bild.

Triumph über das Osmanische Reich Angesichts des Krieges gegen das Osmanische Reich wird zum Beispiel 1685 in Hamburg die Confusio Sectae Muhammedanae von Juan Andr s (Johannes Andreas Maurus) nach ungefähr zweihundert Jahren in einer neuen deutschen Fassung (nach 1598 und 1647) wieder aufgelegt (vgl. Kap. 1.1). Dieses Werk eines Konvertiten im Königreich Valencia erinnert an dessen Bekehrung im Jahre 1487. Ein solches Zeugnis der Rückeroberung (Reconquista) hat seinen aktuellen Bezug im Krieg gegen die Osmanen („Großer Türkenkrieg“ von 1683–1699). Die Belagerung Wiens im Sommer 1683 war erst wenige Jahre 3 Hartmut Bobzin, Mohammed, München 32006, S. 9–21. 4 Ebd., S. 9.

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vorüber. Das Buch schildert Mahomet letztlich als Proselytenmacher unter den Christen, aus der Feder eines authentischen Autors. Die im Hintergrund dieser Expertise stehende Bekehrungsgeschichte steht für geglückte Rückeroberung. In ausführlichen Informationen über den militärischen Gegner, die 1699 im Constantinopolitan- Oder Türckischen Kirchen-Staat (Leipzig, bei Thomas Fritsch; vgl. Kap. 1.2), dem Werk eines ungenannten evangelischen Autors (David Priz), erschienen, wird der Prophet als arglistiger Staatsmann mit ,natürlicher‘ Staatsreligion geschildert. Große Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass der sächsische Kurfürst August der Starke als nunmehriger König von Polen am Sieg über die Osmanen beteiligt war. Das Buch ist im Zusammenhang des Friedens von Karlowitz (26. Januar 1699) zu lesen, es ist nicht zuletzt ein Siegesdokument.

Mahomet, der erste Religionsbetrüger Im selben Verlag erscheint zur selben Zeit das Werk eines englischen Autors in deutscher Übersetzung (vgl. Kap. 2). Auch hier ist als Kontext die politische Situation um 1699 zu sehen. Der Prophet Mahomet wird als der Erfinder der Religionsbetrügerei geschildert. Dieses Leben Mahomets von Humphrey Prideaux erhebt den Anspruch, das Leben „dieses betrügers“ zu vermitteln, geschrieben „aus den besten scribenten“. Ein Vergleich des deutschen Kontextes mit der englischen Situation, in der dieses Buch verfasst worden war, zeigt erhebliche Unterschiede. Es wird schon anhand dieses einen Buches und seines englischen Entstehungskontextes sehr deutlich, dass die englische Auseinandersetzung mit deistischen Strömungen, die zur Abfassung des Life of Mahomet Prideaux’ geführt und maßgeblich seine Textgestalt beeinflusst hatte, im deutschen Kontext weder zum Erscheinungszeitpunkt noch in den folgenden Jahrzehnten, in denen immer wieder auf dieses Buch Bezug genommen wird, eine Rolle spielen. Im Vorwort zur englischen Gesamtveröffentlichung von 16975 hatte Prideaux betont, dass er für die Jugend schreibe, und er hatte aktuell vor deistischer Apostasie gewarnt. Von diesem Kontext findet sich in der deutschen Publikation und in der deutschen Diskussion nichts wieder. Der deutsche Text ist vielmehr ein Auszug innerhalb eines neuen, anderen Kontextes. Nicht die Deismusdebatte, sondern zunächst der Krieg mit dem Osmanischen Reich ist hier als Referenzrahmen zu sehen. Darum fehlt nicht nur das Vorwort Pri5 The true Nature of Imposture Fully Displayed in the Life of Mahomet. With A Discourse annexed, for the Vindicating of Christianity from this Charge; Offered to the Consideration of the Deists of the present Age. By Humphrey Prideaux, D.D. London: Printed for William Rogers […] M DC XC VII (1697).

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deaux’, sondern vor allem auch der Letter to the Deists, der im deutschen Kontext offenbar nicht relevant war. Prideaux’ Leben Mahomets erscheint 1699 im selben Verlag (Thomas Fritsch) wie der Constantinopolitan- Oder Türckische Kirchen-Staat in Leipzig, wo man August den Starken nicht nur als 1697 neu gekrönten König von Polen, sondern auch als Mitbezwinger der Anhänger des Propheten ehrte. Mit dem Frieden von Karlowitz feierte man nicht zuletzt einen sächsisch-polnischen Triumph über die Osmanen. In dieser Situation wird Prideaux’ The true Nature of Imposture Fully Displayed in the Life of Mahomet von einer Apologie des Christentums und antideistischer Polemik zu einer reinen Propheten-Kritik angesichts des Sieges über die Osmanen im Leben Mahomets. Und als solche Propheten-Kritik wird das Buch positiv wie negativ über das gesamte 18. Jahrhundert gedeutet.

Muhammed, dargestellt wie ein christlicher Ketzer Gottfried Arnolds bekannte Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie (vgl. Kap. 3) erschien ebenfalls bei Thomas Fritsch, wie Prideaux’ Leben Mahomets und auch der Constantinopolitan- Oder Türckische Kirchen-Staat, allerdings in Frankfurt statt in Leipzig und mit königlich-polnischem, kurfürstlichsächsischem sowie mit kurfürstlich-brandenburgischem Privileg. Arnold betont den Aspekt der Verketzerung Muhammeds, schildert ihn aber gleichwohl als ,Erfinder‘ einer Religion. Klar ist, dass Muhammed nach Arnold das (in seinem Sinne wahre) Christentum erkannt habe, trotz des verfallenen Zustandes des damaligen Christentums. Muhammed habe Christus etwas Übermenschliches und Göttliches zugeschrieben und zwar so weit, wie er selbst davon einen Begriff gehabt habe. Arnold lobt an Muhammed, dass dieser durch sein Disputierverbot in Religionsdingen sowie durch seine Religionsduldung keinerlei Ketzer produziert habe. Arnolds Muhammed-Bild, vor allem seine positive Wertung innerhalb seines Ketzer-Themas, müssen in seinem Umfeld als singulär angesehen werden. Bemerkenswert ist bereits die Tatsache, dass Arnold den Propheten in den Kontext der Kirchengeschichte stellt. Es ist gerade Arnolds Kritik an den christlichen Angriffen und Verleumdungen Muhammeds, die diesen letztlich als verketzerte Figur und damit – aus westlicher Sicht – als Opfer erscheinen lässt. Selbstverständlich könnte gefragt werden, inwieweit Arnold in seinem Kontext eher verteidigt oder durch seine Verteidigung von Ketzern eher angreift, wie stark es also um die Kritik an zeitgenössischen Verketzerungen, um zeitgenössische ,Ketzer‘ ging oder wie stark um Rehabilitierung historischer Personen. Deutlich ist aber der Vorwurf an Arnold, der ihm im Zusammenhang seiner Darstellung Muhammeds gemacht wird: „[…] so könnte er sich auch Muhammedisch nennen“ (Ernst Salomon Cyprian). Insgesamt handelt es sich in Arnolds Text um ein umstrittenes Prophetenbild eines umstrittenen Autors. Die vielfachen Aufla-

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gen seines Werkes bis über seinen Tod hinaus und die Faszination, die Arnolds Ansatz bis heute ausübt, werden auch dafür gesorgt haben, dass sein Muhammed-Bild wirksam wurde und blieb. Gleichwohl muss festgestellt werden, dass es – ganz im Gegensatz etwa zu Prideaux’ Mahomet-Biographie – in keinem der hier untersuchten und in keinem der weiterhin erhobenen Beiträge im 18. Jahrhundert Erwähnung findet. Ob Arnolds wichtige Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie im Hinblick auf die diversen Repräsentationen des Propheten in dieser Zeit damit auch deutlich weniger wirksam war als seine heftig umstrittene Kirchenkritik, ist fraglich. Arnolds Muhammed-Bild hängt engstens mit seinem kirchenkritischen Ansatz zusammen und dürfte auch als Teil seiner auf die Verketzerungstendenzen der Kirchen gerichteten Kritik wahrgenommen worden sein.

Der Antichrist Mahomet Zu derselben Zeit, in der Arnold seine Unpartheyische Kirchen- und KetzerHistorie publiziert (1700), wird Mahomet auch ganz anders, in gewissem Sinne traditionell interpretiert, wenn David Nerreter 1703 die erste deutsche Übersetzung des Koran nach der kurz zuvor erschienenen lateinischen Fassung von Ludovico Marracci (1698) in seiner Neueröffneten Mahometanischen Moschea veröffentlicht (Nürnberg 1703; vgl. Kap. 4). Hier erscheint Mahomet als der große Antichrist nach dem Danielbuch. Die Geschichte des Osmanischen Reiches wird ebenfalls in diesen Zusammenhang gestellt. Allerdings verbindet Nerreter diese kurz nach dem „Großen Türkenkrieg“ und dem Sieg über die Osmanen publizierten Ansichten nicht mit militärisch-politischen, sondern vielmehr mit geistlichen Strategien. Es geht um Bekehrung in der Endzeit.

Wissensvermittlung zur Bekehrung – Man muss den Gegner besser kennen I Auch hier zeigt sich deutlich der Unterschied des deutschen Kontextes zum englischen, denn Nerreter schreibt in seiner Neueröffneten Mahometanische Moschea Alexander Ross’ Pansebeia, or View of all Religions in the World, with the Lives of certain notorious Hereticks (1652) fort. Nerreters Adaption von Ross wendet wesentliche Grundaussagen dieses Buches in ihr Gegenteil. Hatte Ross versucht, die Allgemeinheit und damit die Allgemeingültigkeit des Gottesglaubens in der Welt aus der Geschichte und dem universalen Vorhandensein der Religion (in seinem Sinne des Gottesglaubens) zu erweisen

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und damit auf atheistische Tendenzen seiner Zeit reagiert, wollte Nerreter zur Bekehrung, nicht zuletzt der besiegten Osmanen in der Endzeit aufrufen. Der begonnene Fall dieses Reiches gilt ihm als Zeichen der Endzeit. Die Anhänger des „großen Antichrist“ Mahomet seien mit geistigen und geistlichen Waffen zu bekämpfen bzw. zu bekehren. Dem dient seine Übersetzung des Korans aus dem Lateinischen ins Deutsche. Die Koran-Lektüre soll zur Widerlegung dieses falschen Glaubens und dadurch zur Bekehrung dienen können. In ähnlicher Weise hatte Marracci seine lateinische Koranfassung mit einer Confutatio versehen. Nerreter liefert in diesem Rahmen und zu diesem Zweck den ersten Koran in deutscher Sprache.

Religiöser Betrug – politische Gewalt Wissen über Mahomed wird in einer Zeit, in der Pierre Bayles französisches Dictionnaire Historique et Critique (zuerst erschienen 1697 in Rotterdam) bekannt wird, auch in einem deutschen Lexikon publiziert: Allgemeines Historisches Lexicon (Leipzig 1709, Thomas Fritsch; vgl. Kap. 5). Der Herausgeber Johann Franz Buddeus besteht darauf, dass Lexika immer einen konkreten Ort hätten und haben müssten, dass also auch ein französisches Dictionnaire kein wirklich passendes Lexikon für den deutschen Kontext sein könne. Die Hauptaussage der in diesem Kontext vorgelegten Repräsentation Mahomeds ist, dass dieser ein listiger Religionsbetrüger und ein gewaltsamer Erfinder einer Staats-Religion gewesen sei.

Orientalistische Richtigstellungen – Man muss den Gegner besser kennen II Doch nicht nur Darstellungen des Osmanischen Reiches im Zusammenhang der Kriege, Prophetenbiographien, Koranwiderlegungen und das neu (nämlich lexikalisch) aufbereitete Wissen, sondern auch die Popularisierung akademischer Schriften spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. So wird das lateinische Werk De Religione Mohamedica (1705) des Utrechter Orientalisten Adrian Reland, einige Jahre nach dessen Erscheinen in deutscher Übersetzung zugänglich gemacht (Hannover 1716, 2. Auflage 1717; vgl. Kap. 6). Hier ist ein entscheidender Beitrag zunächst nicht der Koran, sondern ein „kurtzer Begriff Der Mohammedischen Theologie“, den Reland aus einer (unbekannten) Handschrift publiziert hatte. Nun ließ sich eine Darstellung dieses Glaubens aus der eigenen Tradition wahrnehmen. Mit Blick auf das Mohammed-Bild ist vor allem der zweite Teil von Relands Buch entscheidend, der mit 39 falschen

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Ansichten aufräumt, indem sie hier mit philologischen und historischen Mitteln widerlegt werden. Dieses für die deutsche Leserschaft publizierte akademische Wissen gehört somit zum Wissensbestand der Zeit. Nach Reland ließen sich manche Aspekte des traditionellen Mohammed-Bildes, bzw. der traditionellen Mohammed-Polemik so nicht mehr wiederholen, es sei denn, die jeweils vorgelegten Interpretationen verzichten auf die Ergebnisse akademischer Forschung, ein Umstand der vielfach zu verzeichnen ist. Der holländische Ursprung des Buches lässt sich insofern auch in der deutschen Fassung noch erahnen, als diese Schrift des reformierten Theologen und Orientalisten Reland mit der Diskussion polemischer Positionen versehen wird. Einerseits finden sich römisch-katholische Positionen (aus holländischer Sicht: habsburgische), andererseits evangelische Positionen, die allerdings nicht in lutherische und reformierte unterschieden werden. Wenn für das protestantische Holland, die Republik der Sieben Vereinigten Provinzen (Verenigde Nederlanden) in Abgrenzung zum habsburgischen Süden ein Spruch wie „Liever Turks dann Paaps“ gilt, dann wird man dem deutschen Kontext vielleicht eher das Gegenteil bescheinigen können, zumindest aber keine (relative) Bevorzugung der Osmanen. Reland hatte in gewisser Hinsicht Osmanen und Habsburger gegeneinander ausgespielt, wie aus seinem Vorwort deutlich wird. In Deutschland herrscht eine andere Situation, die sich auch daran zeigt, dass der in Hannover erschienenen deutschen Fassung von Relands De Religione Mohamedica ein Traktat Relands zum türkischen Kriegsrecht beigefügt wird.

Negative Integration der Osmanen Die Bedeutung der osmanisch-türkischen Geschichte für das Verständnis europäischer Geschichte überhaupt, wird auch in einer weiteren Publikation sehr deutlich unterstrichen. In einer Buchreihe für die Jugend, die in Erfurt von 1722 bis 1728 unter dem Titel Neu-eröffnetes Amphitheatrum erscheint, findet sich ein seltsamer Einschub, der weder zur Konzeption der Reihe noch im Hinblick auf die Aussagen zu Mahomed zu den sonst dort vorgestellten Positionen passen will (vgl. Kap. 7). In diesem (durch Fingierung?) der Reihe zugeordneten Neu-eröffneten Amphitheatrum Turcicum (1724) zeigt sich eine bemerkenswerte Spannung. Einerseits wird Mahomed als „Kern der Türckischen Historie“ in den düstersten Farben geschildert. Andererseits, und in gewisser Spannung zu dieser drastischen Prophetendarstellung, wird die Geschichte des Osmanischen Reichs in die europäische Geschichte eingeschrieben, weil diese ohne die Osmanen gar nicht verständlich sei. Die zeitgenössische Wirkung der dem Neu-eröffnete Amphitheatrum Turcicum als Frontispiz und als Text vorangestellten ,Mahomed-Karikatur‘ lässt sich nur erahnen. Durch die Konzeption dieses Buches werden die Osmanen ,negativ

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integriert‘, aber nicht als außerhalb der eigenen Grenzen stehender Komplex geschildert.

Alte Fronten im neuen Lexikon Als Wissensreservoir für die gebildete Leserschaft kann auch das größte deutschsprachige Lexikon des 18. Jahrhunderts angesehen werden: Johann Heinrich Zedlers Großes vollständiges Universal-Lexikon (Halle/Leipzig 1732–1750; vgl. Kap. 8). Dabei ist festzustellen, dass die Artikel „Mahomet“ und „Mahomedischer Glaube“ von 1739 alte Ansichten in diesem neuen Lexikon verbreiten. Mahomet erscheint als epileptischer Betrüger und gewissermaßen gewalttätiger ,Putschist‘, Ansichten die nach Arnold und v. a. nach Reland – zumindest nicht unkommentiert – als zeitgenössischer Wissensbestand gelten können. Die Hauptquelle für diese hier verbreiteten Ansichten und Interpretationen ist, wie sich erweist, auch deutlich älter, sie reicht in die 1660er-Jahre zurück.

Ein betrügerischer, gewalttätiger und wahnsinniger Anti-Held Die Formen und Gattungen, in denen Mahomed-Bilder entworfen wurden, sind durchaus vielfältig. So bietet der Schriftsteller Ludvig Holberg in seinen Heltehistorier seinen Lesern moralische Vorbilder und Beispiele aus der Geschichte, in dem er jeweils zwei historische Persönlichkeiten einem Vergleich unterzieht (vgl. Kap. 9). Das erfolgreiche Buch erscheint 1741 in deutscher Sprache in Kopenhagen und Leipzig unter dem Titel Vergleichung der Historien und Thaten verschiedener insonderheit Orientalisch- und Indianischer Grosser Helden und berühmter Männer. Mahomed erscheint hier als AntiHeld, als ein wahnsinniger Betrüger, der in dem von Holberg unternommenen direkten Vergleich mit Zoroaster unterliegt. Als Held gilt für Holberg eher ein guter Hausvater, denn ein erfolgreicher Kriegsheld. Holberg liefert in seinen Heldengeschichten (dän.: Heltehistorier) exotisierte Vorbilder zur aufklärerischen moralischen Erbauung und Erziehung. Die Quelle seiner MahomedDarstellung als Anti-Held, Humphrey Prideaux’ Life of Mahomet, macht Holberg allerdings nicht wirklich kenntlich. Auch die immer wieder diskutierte Frage, ob Mahomed als ein Betrüger oder als ein Wahnsinniger gelten solle, ob Mahomed sich selbst geglaubt habe, will Holberg nicht entscheiden. Insofern wird Mahomed hier letztlich als ein wahnsinniger Betrüger zur Erscheinung gebracht, der eine unvernünftige Lehre gewaltsam verbreitet habe und vor allem darin im Vergleich mit dem vernünftigeren Zoroaster unterliegen müsse. Das von dem als dänischer Moli re und Aufklärer apostrophierten Literaten Holberg transportierte Ideal ist somit klar. Er bedient sich

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zur Schilderung dieses Ideals des viel rezipierten und häufig umstrittenen Life of Mahomet von Humphrey Prideaux. Mahomed wird von Holberg also nicht als historische Gestalt, als Gegenstand einer Biographie vorgestellt, sondern als Anti-Held zur allgemeinen moralischen Bildung eingesetzt. Historisierung wäre jedenfalls in einem auf Holberg angewendeten Aufklärungsbegriff nicht enthalten.

Ansätze zur Historisierung I Im Jahr nach Holbergs Heldengeschichten erscheint ein Buch, dessen äußere Gestaltung ebenfalls einen Anti-Helden in Karikatur inklusive Spottgedicht liefert – Mahomet Maximus Infernorum Conquestor (Erfurt 1742; vgl. Kap. 10). Blickt man in den Text selbst, findet man Mahomet allerdings als größten Staatsmann der Weltgeschichte dargestellt, als einen „Reformator“ Arabiens. Die seltsame Publikation enthält viele Positionen. Mahomet erscheint hier als ein erfolgreicher Staatsmann, seine Art von Prophetie wird eher als Beredsamkeit und Überzeugungskraft verstanden und positiv geschildert. Verkleidet sind diese Aussagen allerdings als polemische Karikatur: Mahomet Maximus Infernorum Conquestor. Wie sich herausstellt, enthält das Buch die erste deutsche Übersetzung des umstrittenen La Vie de Mahomet von Henri de Boulainvilliers, allerdings auf verdeckte Weise. Boulainvilliers’ Werk wird noch mehrfach im Laufe des 18. Jahrhunderts in Deutschland erscheinen: in einer Nachauflage dieses Mahomet Maximus Infernorum Conquestor (1750), zuvor in der ersten offiziellen deutschen Version, übersetzt von Theodor Arnold (1747) sowie später in einer weiteren Fassung des Juristen Johann August Mebes (Halle 1786) und gegen Ende des Jahrhunderts mehrfach in Auszügen. Der in diesem Buch vermittelten grundsätzlich positiven Haltung Mahomet gegenüber wird immer wieder zugestimmt wie auch widersprochen. Das Buch ist umstritten und nicht zuletzt deshalb besonders wirksam. Fast durchgängig wird ihm von den Autoren des 18. Jahrhunderts eine romanhafte Gestaltung vorgeworfen. Der Popularität des Werks hat dies gewiss keinen Abbruch getan, wie schon die bemerkenswerte deutsche Publikationsgeschichte belegt. Von Interesse ist dabei, dass man die gegensätzlich wirkenden Repräsentationen des Propheten von Prideaux und von Boulainvilliers – einmal als Urbild der Religionsbetrügerei, einmal gewissermaßen als Urbild eines Staatsmannes – letztlich auf gemeinsame Prämissen zurückführen kann, die unterschiedlich interpretiert werden: Religion als kluge Staatskunst oder als kluger Staatsbetrug.6

6 Vgl. Saviello, Imaginationen, S. 176 sowie Rehrmann, Ehrenthron, S. 24 f.

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Das göttliche Werkzeug gegen Rom und Konstantinopel Zur selben Zeit erscheint eine positive Sicht auf Mahomet im Zusammenhang grundsätzlicher Kirchenkritik und Konfessionspolemik in Jonas Kortes Reise nach dem weiland Gelobten Land (Halle 1743; vgl. Kap. 11). Der Rahmen ist ein Reisebericht von Jonas Korte, der im Umfeld des hallischen Pietismus anzusiedeln ist, wo er die verschiedenen Auflagen und Supplemente seines Buches erarbeitete. Korte will beweisen, das römische und orthodoxe Christen nicht nur Idolatrie betrieben, sondern dies im Heiligen Land auch noch an den falschen Orten täten. Er ordnet beide Kirchen als heidnisch ein und schildert Mahomet – wie auch Luther, Arndt, Spener und andere – als Verfolgten. Im Rahmen dieser Konfessionspolemik findet sich ein positives Prophetenbild. Nicht etwa Mahomet, sondern die von Korte als heidnisch bezeichnete römisch-katholische Kirche und auch die orientalischen Kirchen seien der Antichrist. Korte greift Reland positiv auf und besteht auf einer angemessenen Würdigung Mahomets, der kein Betrüger, sondern ein Werkzeug Gottes zum Gericht über die morgenländischen Kirche gewesen sei, ein bilderstürmender Eiferer nach dem Gesetz, den man in gewisser Hinsicht mit Luther vergleichen könne. Angesichts der deutschen Boulainvilliers-Ausgaben wünscht Korte sich in einem Supplement von 1747, dass man Mahomet nicht wie Boulainvilliers politisch, sondern theologisch interpretiere und ihm dabei weder wie die „meist selbst dummen Pfaffen“ der Vergangenheit alles Mögliche andichte, noch ihn wie Boulainvilliers zum allerklügsten Kopf erhebe. Entscheidend ist für Korte, Mahomet als Gottes Werkzeug gegen „bilderverehrende Christen“ zu sehen, die nach wie vor ihren für Korte falschen, heidnischen Verehrungspraktiken anhingen. Die Aufgabe Mahomets als Bilderstürmer ist aus dieser Sicht also noch nicht erfüllt worden. Korte beteiligt sich mit seinen Entdeckungen historisch falscher Verehrungsorte im Heiligen Land an eben dieser von ihm selbst ausgemachten Aufgabe.

Ein Standardwerk der Aufklärung Auch dem Dictionnaire Historique et Critique von Pierre Bayle (zuerst Rotterdam 1697; vgl. Kap. 12) lässt sich im Artikel „Mahomet“ nichts anderes als eine mit Detailinformationen versehene traditionelle Interpretation Mahomets als Religionsbetrüger zur Erlangung der Macht bescheinigen. In der deutschen Übersetzung Gottscheds, Historisches und Critisches Wörterbuch (übersetzt nach der Ausgabe 1740, der betreffende dritte Band erschien 1743 in Leipzig), wird diese Darstellung nicht wesentlich geändert. Der Übersetzer Gottsched verweist im Kommentar mit Rückgriff Boulainvilliers zwar auf Mahomets „höchstrühmliche Absicht […], den in Arabien sehr verfallenen

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Gottesdienst des einzigen wahren Gottes wieder herzustellen“, die Darstellung bleibt aber letztlich am Betrugsvorwurf orientiert und bezieht sich dafür positiv auch (auf den oftmals kontrovers diskutierten) Prideaux, der in der Literatur üblicherweise als Anti-Aufklärer geführt wird.

Theodor Arnolds Würdigung und Verteidigung Mahomets Einen anderen Ansatz findet man dagegen bei Gottfried Arnolds Vetter Theodor Arnold, der als Übersetzer wichtiger Werke über den Orient wirkte (vgl. Kap. 13–15). Arnold übersetzte Simon Ockleys History of the Saracens (Leipzig und Altona 1745), Sales Koran (Lemgo 1746) und Boulainvilliers’ La Vie de Mahomet (Lemgo 1747) ins Deutsche. In einem ausführlichen Literaturbericht (zur Ockley-Übersetzung) zeigt Arnold die relevante zeitgenössische Literatur zum Thema nicht nur an, sondern er bezieht mit Verweis auf Jonas Korte auch Position: Mahomet sei ein Werkzeug Gottes und kein vorsätzlicher Betrüger, wird von Arnold festgehalten. Die Texte der beiden Autoren, die Arnold im Vorwort zu Ockley positiv zitiert, übersetzt er in den beiden folgenden Jahren. Entsprechend dieser Intention liefert Arnold eine deutsche Übersetzung des Koran nach George Sale, verbunden mit dessen sehr ausführlichem Preliminary Discourse zum Koran, in dem Mohammed der Betrugsvorwurf zwar nicht erspart bleibt, er dennoch aber als Staatsmann wie Minos oder Numa bezeichnet wird. Darüber hinaus wird ihm in diesem Text eine richtige Gottesvorstellung bescheinigt. Noch weiter geht Arnold mit der Übersetzung des Vie de Mahomet von Boulainvilliers, ein Buch, das er zwar auch kritisch kommentiert, dessen positive Würdigung Mahomeds aber nun in Deutschland weitere Verbreitung findet. Arnold kann durch die Art und den Umfang seiner Übersetzungen, aber auch durch die Art seiner Kommentare als wichtigster deutscher Popularisator fremdsprachiger Mahomet/Mohammed-Literatur in dieser Zeit gelten. Seine Übersetzungen aus verschiedenen Quellen finden sich nicht, wie die meisten anderen zeitgenössischen Texte zu diesem Thema, im Rahmen von Konfessionspolemik oder christlicher Apologetik. Arnolds Anliegen ist offenbar, dass der Prophet nicht (nur) als unvernünftiger Betrüger oder Schwärmer erscheinen soll. Ob der „Muhamedanismus-Vorwurf“ an seinen Vetter Gottfried Arnold dabei eine Rolle spielt, kann nur vermutet werden.

Mahomet als Zinzendorf-Karikatur Geradezu als ein Gegenstück zu den Übersetzungen Arnolds mutet Johann Leonhard Fröreisens Polemik an, in der er Mahomet als Zinzendorf-Karikatur

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einsetzt, um seine Angriffe auf Zinzendorf und die Herrnhuter zu verschärfen (vgl. Kap. 16). Mahomet erscheint hier wiederum als polemisches Argument, allerdings in verschärfter Weise als Abschilderung des Mahomets und des Zinzendorfs als seines heutigen Affens (Frankfurt/Leipzig 1748, 2. Aufl. 1749).

Lessings ambivalente Beiträge Auch in Übersetzungen Lessings wird der Betrugsvorwurf an Mahomed erhoben (vgl. Kap. 17). Lessing belieferte die Debatte zunächst mit zwei Übersetzungen historischer Schriften (Voltaires kleine Schrift Von dem Korane und dem Mahomed und Marignys Geschichte der Araber), in denen Mahomed ganz klar als Betrüger charakterisiert wird. Als (direkte) Vorgeschichte seines Nathans taugen diese Texte nicht, gleichwohl ist mit ihrer Wirksamkeit zu rechnen. Lessings Rettung des Hier. Cardanus (Berlin 1754; vgl. Kap. 18) setzt sich insofern davon ab, als er hier erstmals selbst über Mahomets Religion schreibt und einen fiktiven Vertreter dieser Tradition zu Wort kommen lässt. Diese Rettung Lessings lässt sich nicht zuletzt auch in seinem Verhältnis zu Voltaire und auch zu Bayle verstehen, sie ist ein Kontrapunkt. Lessing erscheint gewissermaßen als der ,bessere‘ Voltaire und auch als der ,bessere‘ Bayle, deren Werke er bewundert haben soll, ein Umstand, der angesichts von Voltaires Mahomet-Bild Fragen aufwirft. Dass mit Lessings Rettung des Hier. Cardanus dieser Religion erstmals (!) eine Stimme gegeben werde und insofern ein Paradigmenwechsel einsetze (Kuschel) lässt sich angesichts der seit 1703 auch ins Deutsche erfolgten Koranübersetzungen (Nerreter, Arnold) oder etwa der Übersetzung einer authentischen theologischen Quelle (Reland) nicht ohne weiteres behaupten. Das Bemühen um Aufbereitung authentischer Quellen findet sich bereits vor Lessings berühmtem Nathan, in den Koranübersetzungen Megerlins und auch Boysens, bei dem in diesem Zusammenhang auch noch eine Würdigung des Propheten als Reformator erscheint (vgl. Kap. 23).

Verschärfte Polemik bei Semler Über die Geschichte der Osmanen, Sarazenen oder Araber (z. B. Ockley, Marigny) hinaus greifen Universal- oder Weltgeschichten, in denen man schon aus Gründen der Vollständigkeit an einer Darstellung Mohammeds nicht vorbeikommt. Ab den 1750er-Jahren erscheint eine Fülle solcher Werke, aus denen allein schon wegen ihres Umfanges die zunächst von Siegmund Jacob Baumgarten, später von Johann Salomo Semler herausgegebene Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie herausragt (vgl. Kap. 19). Sie ist Quelle und Vorbild weiterer Geschichtsdarstellungen, die einen universalen Rahmen

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aufbauen. Die ablehnende Schilderung des Propheten im englischen Original wird im ersten von Semler verantworteten Band dieses monumentalen Werkes (Bd. 19, Halle 1759) nicht geändert oder kritisch kommentiert. Semlers Kommentare zu diesem von ihm offenbar nicht sehr positiv beurteilten Text bestehen vor allem in Verteidigungen George Sales gegen Angriffe der englischen Autoren des Bandes. Das Mohammed-Bild selbst bleibt dagegen negativ, Semler ergänzt es sogar um polemische Bemerkungen über den Betrüger Mohammed, der ein „geiler, stolzer und grausamer Mensch“ gewesen sei. Die von Baumgarten und Semler im Stil der propädeutischen Bücherkunde zwischen 1748 und 1766 gegebenen Literaturempfehlungen sind ausführlich, ändern jedoch nichts an der mitgelieferten polemischen Sicht auf die Gestalt Mohammeds.

Auf dem Weg zur ,Aufklärung‘ Weniger polemisch aber dennoch deutlich abwertend wird Mahomed in einer Übersetzung von FranÅois de Marsys Histoire moderne vorgestellt, Neuere Geschichte der Chineser, Japaner, Indianer, Persianer, Türken, und Russen etc., die im Verlag von Christian Friedrich Voß in Berlin erscheint (vgl. Kap. 20). Der betreffende Band wird 1763, zehn Jahre nach Lessings Marigny-Übersetzung, die (wie seine Rettung des Hier. Cardanus) ebenfalls in diesem Verlag erschienen war, ausgeliefert. Hier steht nicht der Betrugsvorwurf an Mahomed im Vordergrund, sondern es wird ihm ein Mangel an Aufklärung attestiert. Mahomed wird gleichwohl positiv geschildert. Er habe die verschiedenen Religionen „mit Klugheit“ zu einer neuen verbunden, der Koran sei ein „Meisterstück von Seiten der Zierlichkeit und Reinigkeit des Styls: man findet so gar einige erhabene Züge darinnen“, ja das „System des Mahomedismus“ habe „in gewissen Aussichten viel scheinbares“. Gleichwohl halte der Koran vernünftiger Prüfung nicht stand. Kritische Kommentare des Übersetzers Justus Friedrich Wilhelm Zachariae finden sich hier nicht.

Ansätze zur Historisierung II Im Gegensatz dazu kommentieren Christian Gottlob Heyne und Johann Jacob Reiske ihre aus dem Englischen übersetzte Weltgeschichte ganz entschieden (vgl. Kap. 21). Das englische Original, die General History of the World, stammt von William Guthrie und John Gray und soll eine Kurzfassung der 54 Bände der Universal History bieten, die sich ihrerseits in der Fülle des Materials verliere. Es handelt sich also um eine Kurzfassung der von Baumgarten und Semler aus dem Englischen herausgegebenen Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie, die etwa zeitgleich in Deutschland erschien. Mohammed

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wird in Heynes 1768 in Leipzig erschienenem Band geschildert. Dieser ganze Band über Mohammed und die Araber lebt nicht zuletzt von den beigefügten kritischen Kommentaren Johann Jacob Reiskes, aber auch des Herausgebers Heyne. Mit Reiske kritisiert erstmals ein orientalistischer Fachmann ein solches Werk, um den sich auch andere Herausgeber von Universalgeschichten vergeblich bemüht hatten. Reiske kommentiert die Mohammed-Darstellung direkt im betreffenden Werk selbst. Es bietet somit einen guten Einblick in die Spannungen dieser Debatten, die öffentlich artikuliert wurden, und es erlaubt einen Vergleich zu Semlers entsprechenden Kommentaren in der Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie. Mohammed erscheint in Reiskes Kommentaren nicht wie bei Semler als ein Betrüger, sondern als ein Opfer seines eigenen Erfolgs. Es wird ihm somit kein Betrug nach Plan zugeschrieben, vielmehr habe er den Umständen entsprechend gehandelt. Allerdings habe Mohammed – auch nach Reiskes Kommentar – mit vorgegebenen Offenbarungen betrogen.

Ambivalenzen I – Antichrist mit Erbauungsbuch Zwei gegensätzliche theologische Interpretationen finden sich in den Koranübersetzungen, die 1772 und 1773 erschienen und die vermittelten Übersetzungen Nerreters (1703 nach der lateinischen Fassung Marraccis von 1698) und Arnolds (1746 nach der englischen Übersetzung George Sales von 1734) ablösen sollten (vgl. Kap. 22 u. 23). Auch hier lässt sich zunächst mit Recht behaupten, dass der (historische) Prophet insofern eine Stimme bekommt, als der Koran in deutscher Sprache, direkt aus dem Arabischen übersetzt damit öffentlich zugänglich gemacht wird. Gleichwohl geschieht dies nicht ohne einleitende Bemerkungen und Interpretationen. Im Vorwort zu David Friedrich Megerlins Koranfassung, unter dem Titel Die türkische Bibel, oder des Korans allererste teutsche Übersetzung aus der Arabischen Urschrift selbst verfertiget in Frankfurt am Main 1772 erschienen, wird Mahomed als der große Antichrist und der Koran als das Thier nach Apk 13 bezeichnet. Dennoch kann Megerlin erstaunlicherweise schreiben, dass der Koran als Erbauungsbuch für Christen und Lehrbuch für Juden taugen könne. Der Nutzen der vorgelegten Übersetzung außerhalb der Gelehrtenschaft bestehe nämlich darin, dass der Christ durch den Koran etwas über die Eigenschaften Gottes lernen könne, der Koran an das Gericht erinnere (und darin auch die Gottlosen beschäme) und die Abgötterei ablehne. Megerlin bringt zum Ausdruck, dass ein gläubiger Christ durch den Koran „völliger Ergebung seines Herzens an Gott angefrischet“ werde. Juden dagegen, deren Bekehrung Megerlins jahrelange Aufmerksamkeit galt, könnten im Koran ihren Undank gegen Gott und seine Wohltaten gespiegelt und ihren „Unglauben gegen das Evangelium bestrafet sehen“. Mahomed selbst ist nach

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Megerlin dennoch das Thier nach Apk 13. Seine Koranfassung beginnt Megerlin „Im Nahmen des Dreyeinigen Gottes!“. Das von Megerlin erzeugte Bild ist durch innerchristliche und durch antijüdische Polemik bestimmt.

Ambivalenzen II – Reformation trotz Blasphemie Megerlins Konkurrent auf dem Markt für deutsche Korane, Friedrich Eberhard Boysen, akzentuiert ganz anders, wenn er in Muhammed nicht das „Thier“, sondern einen Reformator erkennt, dem er „feurigen Witz, Scharfsinnigkeit, und eine glückliche Einbildungskraft“ bescheinigt. Seine Übersetzung trägt den Titel Der Koran, oder Das Gesetz für die Muselmänner, durch Muhammed den Sohn Abdall (Halle 1772). Die zweite Auflage (Halle 1775) bekommt als Reaktion auf eine spöttische Rezension einen anderen Titel (Der Koran oder Das Gesetz für die Moslemer …) und eine um eine MuhammedDarstellung erweiterte Einleitung (Denkwürdigkeiten aus der Geschichte des Propheten und seiner Reformation). Nach Boysens Auffassung habe Muhammed eine philosophische Religion gestiftet, die ,zweitvernünftigste‘ nach dem Christentum. Dennoch wirft Boysen Muhammed Blasphemie vor. Nicht Betrug, nicht Wahnsinn, nicht wollüstige Prinzipien, nicht Grausamkeit, nicht Tyrannei, nicht Dummheit oder Unbildung, keiner der üblichen Vorwürfe trifft nach Boysen auf Muhammed zu. Sein Vorwurf setzt sich mit Unwahrheit in Gestalt von Lüge auseinander. Ein Lügner, der sich auf Gott berufe, ist nach Boysen, trotz allen Lobes ein letztlich verwerfliches Geschöpf. Boysen erweiterte seine Darstellung Mohammeds als Reformator deutlich, nachdem 1774 eine positive Rezension von Johann David Michaelis in seiner orientalischen Bibliothek erschienen war, die eine durchgängig positive Beurteilung des Propheten enthält. Einer breiteren Leserschaft wurde eine solche Haltung durch das lange Vorwort Boysens zur zweiten Auflage seines deutschen Koran bekannt gemacht. Allerdings geht Boysen weder hier noch in anderen relevanten Texten auf eine umfangreiche und bemerkenswerte Rezension Michaelis’ direkt ein. Das ist auffällig und kann als beredtes Schweigen gedeutet werden. Von Boysen aus finden sich zwei Verbindungen zu Lessing, dem Fragmentenstreit und einigen für die Frage nach den Repräsentationen des Propheten erwähnenswerten Folgen. Boysens Koranübersetzung hatte Johann Wilhelm Ludwig Gleim zu religiösen Gedichten im Stil des Koran angeregt, die er auch Lessing mehrfach vorlegte und 1774 unter dem Titel Halladat oder das rothe Buch drucken ließ (vgl. Anhang 3). Diese Verbindung könnte für die Frage nach dem Fragmentenstreit und dem Zusammenhang zu Lessings Drama Nathan der Weise fruchtbar gemacht werden, zeigt sich hier doch ein grundsätzlich positiver und auch produktiver Umgang mit dem Koran. Die genannte Rezension von Michaelis selbst führt dagegen nach Göttingen, wo Gottfried Leß im Gefolge des Fragmentenstreits 1784 in Ueber die Religion zur

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Verteidigung des Christentums auch eine Würdigung des Propheten veröffentlichte.

Ein Protochrist für die Völker Zuvor bestimmt jedoch der Altdorfer Theologieprofessor Johann Christoph Döderlein in seinen Antifragmenten (Nürnberg 1779; vgl. Kap. 24) Mahomeds Religion als eine „Vorbereitung der Völker zur Christlichen Religion“. Die von Lessing ausgelöste Debatte hatte also Folgen auch für das Prophetenbild, indem nun eine Wertschätzung Mahomeds aufgrund evangelischer Apologetik gegen deistische Christentumskritik artikuliert wurde. Döderlein plädiert für eine vernünftige, christliche Religion, für ein aufgeklärtes Christentum. Dies zeigt auch seine religionsgeschichtliche Skizze an deren Spitze ein vernünftiges Christentum steht. Für Döderlein ist es nun durchaus denkbar, dass „Muhamedaner“ zur Aufklärung gebracht werden könnten und die „Thorheiten“ und „Betrügereyen“ Mahomeds sowie „das ungöttliche seiner Religion“ einsähen. Dennoch kann Döderlein diese Religion in seinem Sinne positiv qualifizieren. Es bleibe immer „ein Rest vom Christenthum, ein Keim, zwar in Aberglauben eingehüllt, aber vielleicht nur so lange verborgen, bis die Hülle abfault, und er sich allmählig zu neuen Entwicklungen vorbereitet hat“. Somit kann Döderlein, nachdem er für das Christentum Aufklärung und Vernunft proklamiert hat, Mahomeds Religion einen vernünftigen Kern, eine Anlage zu vernünftiger Religion bescheinigen und versetzt sich damit in die Lage, ein positives Mahomed-Bild zu erzeugen.

Muhammeds Vernunftreligion, Monotheismus und Moral Noch einen Schritt weiter als Döderlein ging Johann David Michaelis’ Göttinger Professorenkollege Gottfried Leß (vgl. Kap. 25). In seinem 1784 im Gefolge des Fragmentenstreits geschriebenen Buch Ueber die Religion, das seine Wahrheit der christlichen Religion von 1768 mit einer neuen Verteidigungsstrategie ergänzt, wird Muhammed positiv in Anspruch genommen. Leß repräsentiert Muhammed hier als Kompilator neutestamentlicher Vernunftreligion und als Vorbereiter des Christentums. Leß hatte sich bereits früher im Fragmentenstreit zu Wort gemeldet, bevor er nun Muhammeds Koran das Zeugnis einer vom Neuen Testament abhängigen vernünftigen Religion vorstellt. Damit platziert er Muhammed in einer als Entwicklung aufgefassten Religionsgeschichte, im Vergleich zum (älteren) Christentum. Es handele sich bei dessen Religion zwar um eine jüngere Fehlentwicklung, aber wegen der inhärenten, (vom Christentum abhängigen) vernünftigen Anteile sei sie dennoch ein möglicher Weg hin zum vernünftigen Christentum. Diese weit

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verbreitete Religion lehre nämlich „Reine und Erhabne Begriffe von dem Einigen Wahren Gott, und Seinen Eigenschaften, und der Moral“. Diese Religion sei „voll der Reinsten, Erhabensten Lehren; und hat unter ihren Anhängern, eine Menge Edler, Vortrefflicher Charaktere gebildet!“

Der geschmiedete Koran Wertschätzung und Ablehnung der Gestalt des Propheten, seines prophetischen Anspruches und seiner Religion, das lässt sich an allen hier vorgestellten Repräsentationen ablesen. Diese Interpretationen und entsprechende Zuschreibungen haben in der Regel spezifische, kontextabhängige Gründe. Bereits an dem Begriff, der für die Entstehung des Koran verwendet wird, kann man dessen Bewertung ablesen. Johannes Andreas Maurus (Juan Andr s) hatte die Entstehung des Koran in Zusammenhang mit zwei Messerschmieden gebracht, die Mahomet geholfen hätten (vgl. Kap. 1.1). Diese Überlieferung selbst findet sich in den weiteren Quellen nicht mehr, wohl aber die Redewendung bzw. das Motiv vom Schmieden. Der Prophet schmiedet in den verschiedenen Texten – meistens mit anderen zusammen – entweder den Alkoran, eine neue Offenbahrung oder auch eine neue Religion, einen neuen Gottesdienst. Die Herkunft des Ausdrucks von den Messerschmieden lässt den Zusammenhang zum Thema ,Gewalt‘ durchscheinen. Die Redewendung vom Schmieden findet sich im Constantinopolitan- oder Türckischen Kirchenstaat (vgl. Kap. 1.2.), im Leben Mahomets von Humphrey Prideaux (vgl. Kap. 2), in David Nerreters Neueröffneter Mahometanischer Moschea (vgl. Kap. 4), in Johann Franz Buddeus’ Allgemeinem Historischen Lexicon (vgl. Kap. 5), in Ludvig Holbergs Heltehistorier (vgl. Kap. 9). In der Einleitung zur ersten deutschen Übersetzung von Henri de Boulainvilliers’ La Vie de Mahomet ist ebenfalls vom zusammenschmieden des durchteufelten Alkoran die Rede, ganz gegen die Intention des darauf folgenden Textes (vgl. Kap. 10). Abgelehnt wird der Ausdruck auch von Jonas Korte in seiner Reisebeschreibung (vgl. Kap. 11) und von George Sale in seinem Preliminary Discourse (vgl. Kap. 14). Positiv verwendet wird der Ausdruck dagegen von Johann Leonhard Fröreisen in seiner Abschilderung des Mohameds (vgl. Kap. 16), in der von Johann Salomo Semler herausgegebenen Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie (vgl. Kap. 19) sowie auch von Gottfried Leß in Ueber die Religion (vgl. Kap. 25). Der Ausdruck vom Schmieden des Koran wird also im gesamten untersuchten Zeitraum von 1685 bis 1786 immer wieder aufgegriffen. Es wird deutlich, dass ein und derselbe Begriff innerhalb teils diametraler Beurteilungsraster verwendet werden konnte, mithin im Ausdruck selbst kein zwingendes Kriterium für ein eindeutiges Urteil enthalten ist.

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Islam und Religion Die polemischen Abgrenzungen gegen den Propheten verlieren im Zusammenhang der durch den Fragmentenstreit ausgelösten öffentlichen Deismusdebatte ihre Funktion. Nachdem ,der Deismus‘ in Gestalt des Vernunftkonzeptes als Kennzeichen ,der Religion‘ in der theologisch-religionsphilosophischen Debatte angekommen war, nachdem ,Religion‘ (immer in Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Konzept des Christentums und damit der christlichen Theologie) zu einem Prinzip entwickelt wurde, das verschiedene Ausgestaltungen hat, wird der vernünftige Gehalt der Religion des Propheten bestimmt und auf den prophetischen Anspruch bezogen. Die Prophetengestalt wird somit zum Stifter einer Religion in diesem modernen Sinne, die später, ganz allmählich, im Gefolge dieser Bestimmung von seiner Person abstrahiert und als ,Islam‘ bezeichnet wird. Dass es eine solche Konstruktion ,des Islam‘ als positive Religion und damit als Ausdrucksgestalt der einen Religion im 18. Jahrhundert gegeben habe, ist – zumindest für den hier dargestellten Zeitraum – fraglich. Das zeigt schon der sprachliche Befund der Quellen, die in aller Regel diese Bezeichnung nicht verwenden. Sie wird in den hier untersuchten Texten mehrfach erklärt, aber so gut wie gar nicht verwendet. Bereits im Constantinopolitan- oder Türckischen Kirchen-Staat von 1699 (vgl. Kap. 1.1.) sowie in Humphrey Prideaux’ Leben Mahomets (1699, vgl. Kap. 2) wird der Ausdruck erläutert, den auch Abraham Hinckelmann seiner arabisch-lateinischen Fassung des Koran von 1694 gegeben hatte (Al-Coranus sive Lex Islamitica Muhammedis). Auch in Adrian Relands Zwey Büchern von der Türckischen oder Mohammedischen Religion (dt. 1716, vgl. Kap. 6) wird auf den „Islamismum“ hingewiesen, der Lehre und Leben umfasse. Eine Benennung wird daraus jedoch nicht. Das gilt ebenso für den 1739 erschienenen Artikel „Mahomedischer Glaube“ in Johann Heinrich Zedlers Großem vollständigen Universal-Lexikon. Henri Boulainvilliers thematisiert diese Frage ebenfalls. In der ersten deutschen Fassung dieses Buches von 1742 erscheint dieser Zusammenhang aber in einer Verkleidung Mohammeds als Conquirant des Teufels (vgl. Kap. 10). George Sale gebraucht den Ausdruck „Islam“ in seinem Preliminary Discourse wie auch in manchen Kommentaren zum Koran. Allerdings verwendet er ihn abwechselnd und gleichbedeutend mit „Mohammedismus“ („Mohammedism“). In der deutschen Übersetzung von Theodor Arnold (1746, vgl. Kap. 14) wird „Islam“ sowohl indeterminiert verwendet, als auch feminin und maskulin. Das spricht dafür, dass Arnold mit diesem Ausdruck keineswegs vertraut war, obwohl er sich über mehrere Jahre mit diesem Thema beschäftigt hatte. Im Modern Part of an Universal History, den Johann Salomo Semler ab 1759 in deutscher Übersetzung herausgab (vgl. Kap. 19), findet sich mehrfach der Ausdruck „Islamism“, allerdings auch hier gleichbedeutend verwendet mit

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„Mohammedism“. Entsprechendes gilt für Semlers deutsche Ausgabe, in der an den betreffenden Stellen von „Islamismus“ und „Mohammedismus“ die Rede ist. Dies ist nach der deutschen Fassung von George Sales Koran (vgl. Kap. 14) das erste Dokument für eine sporadische Verwendung des Ausdrucks „Islamismus“, die sich nicht in der Erklärung des Begriffes erschöpft. Gleichwohl ist auch hier festzustellen, dass „Islamismus“ synonymisch mit „Mohammedismus“ und mit „Religion Mohammeds“ verwendet wird. Semlers Welthistorie enthält abwechselnd die Schreibweisen „Muhammed“ oder „Mohammed“, „Coran“ oder „Koran“. Semler gebraucht den Ausdruck „Islam“ in seiner Vorrede nur einmal (sonst „Mohammedaner“ und „Muhammedaner“). „Moslem historians“ werden von Semler „muhammedanische Schriftsteller“ genannt. Konsequent sind die Kommentare, die Johann Jacob Reiske 1768 zur deutschen Übersetzung der General History of the World vorlegte (vgl. Kap. 21). Er erläutert und verwendet den Ausdruck „Islam“ bzw. „Musulmann“ oder „musulmannisch“. Friedrich Eberhard Boysen ist der erste Autor im Rahmen der hier untersuchten Texte, der die Perspektive wechselt und die Bezeichnung „Muhammedaner“ aus der Sicht der „Moslemer“ als Beschimpfung kennzeichnet, die den Vorwurf transportiere, man glaube an Mohammed und nicht an Gott (vgl. Kap. 23).

Ausblick Dass dieser Ausdruck „Islam“ als Name für eine ,Religionsgattung‘ verwendet wird, ist eine vergleichsweise späte Entwicklung. Darüber kann auch eine gelegentliche Bezeichnung nicht hinwegtäuschen. Somit lässt sich sagen, dass die ,Erfindung‘ des Islam als positive Religion einige der in diesen Studien skizzierten Entwicklungen voraussetzt. Die Beschreibung der Phänomene ist nicht an den Religionsbegriff gebunden. Die Beschreibung des Propheten auch nicht. Wohl aber die Bezeichnung einer ,Religionskonstruktion‘, die sich an der Benennung ,Islam‘ festmachen lässt. Mit dem „Islam“ begegnet in der Wissenschafts- wie in der Alltagssprache ein abstrahierter, theoretischer Ausdruck (vgl. Christentum, Judentum, und Ismen wie Buddhismus oder Hinduismus). In die Fachsprache und erst Recht in die Alltagssprache findet der Ausdruck erst im Laufe des 19. Jahrhunderts, in dem auch der Buddhismus als universale Religion konzeptualisiert wird. Das Bild des Propheten in deutschsprachigen Texten des 18. Jahrhunderts ist darum als Bestandteil der „Entdeckung der Religionsgeschichte“7 wahrzunehmen. Die heute geläufige 7 Vgl. Kippenberg, Entdeckung.

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Konzeptualisierung ,des Islam‘ als ,Weltreligion‘8 beruht auf diesen Voraussetzungen. Ein Faktor für das Aufkommen der Bezeichnung „Islam“ in deutschsprachigen Texten ist die positive Sicht auf den Propheten durch die Qualifizierung seiner Religion als vernünftige Religion – ein Konzept, das im Laufe des Jahrhunderts immer wieder diskutiert wird, das im Gefolge des Fragmentenstreits jedoch allmählich diskursbestimmend wird. Erst nach der Jahrhundertwende 1800 – im Zusammenhang der gescheiterten griechischen Aufstände gegen die Osmanen – erscheint „Islam“ auch als Titel von Büchern. Der Kontext ist hier die Debatte um griechischen Nationalismus, Europa und das Osmanische Reich nun unter Einschluss des Themas „Islam“.9 Ein sehr kurzer Eintrag „Islam“ findet sich im 1809 erschienenen Conversations-Lexicon von Friedrich Arnold Brockhaus (1772–1823).10 Gleiches gilt für Heinrich A. Pierers (gest. 1850) Universal-Lexikon11, das ab 1824 erschien. Hier findet sich unter „Islam“ nur ein kurzer Hinweis auf den Artikel „Muhammedanische Religion“, wo eine ausführliche Darstellung geboten wird. Erst in der vierten Auflage (1857–1865), also in der Mitte des 19. Jahrhunderts, wird die Darstellung unter dem Stichwort „Islam“ geboten, das damit zum eigentlichen Lemma avanciert. Diese Benennung setzt sich also erst sehr spät durch, wie sich an weiteren Beispielen zeigen ließe.12 Es wäre zu prüfen, inwieweit Nationalstaatlichkeit, Revolutionen und militärische Auseinandersetzungen europäischer Mächte untereinander und mit dem Osmanischen Reich den Kontext für den Aufstieg dieses Ausdrucks bieten. Jedoch liegen diese Entwicklungen jenseits des Untersuchungszeitraumes dieser Studien. Zu fragen wäre, welche Konzepte von ,Weltgeschichte‘, ,Weltliteratur‘ oder auch ,Weltreligion‘ die Debatten – weit über das Feld des Religiösen hinaus – prägen. Wie das vermehrte Auftauchen des Ausdrucks gegen Ende des 18. Jahrhunderts zustande kam, lässt sich allerdings gut an zwei Beispielen verdeutlichen, die jeweils im Kontext von ,Weltgeschichte‘ stehen. Sie sollen hier nicht als zusätzliche Kapitel 26 und 27 erscheinen, sondern nur knapp eine Tendenz sichtbar machen. 8 Vgl. Tomoko Masuzawa, The Invention of World Religions Or, How European Universalism Was Preserved in the Language of Pluralism, Chicago/London 2005. 9 Als relativ frühe Belege vgl. etwa Joseph von Hazzi, Ueber den Islamismus, das Türkenthum, dann die Sache der Griechen, und Europens Pflichten dabei, München 1822; Carl Venturini, Der Islam und sein Stifter Abul Casem Muhamed mit besonderer Beziehung auf die neuesten Ereignisse in Griechenland, historisch dramatisch dargestellt, 2 Bde., Kopenhagen 1822. 10 Vgl. Conversations-Lexicon oder kurz gefasstes Handwörterbuch für die in der gesellschaftlichen Unterhaltung aus den Wissenschaften und Künsten vorkommenden Gegenstände mit beständiger Rücksicht auf die Ereignisse der älteren und neueren Zeit, Leipzig 1809–1811. 11 Vgl. Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit oder neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe, Altenburg 1824–1836. 12 Vgl. zu diesem Thema auch Arnulf von Scheliha, Der Islam im Kontext der christlichen Religion, Münster u. a. 2004 (Studien zum interreligiösen Dialog 6), S. 26–45.

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Christian Daniel Beck Der Leipziger Professor für griechische und lateinische Sprache Christian Daniel Beck (1757–1837) gab ab 1787 seine Anleitung zur Kenntniß der allgemeinen Welt- und Völkergeschichte für Studirende heraus, in der er ganz selbstverständlich vom „Islam“ schreibt: Muhamed habe bei verschiedenen Gelegenheiten und nicht auf einmal die Grundsätze seiner Religion bekannt gemacht, „welche von der Hauptlehre den Namen Islam erhalten hat“. In der erläuternden Fußnote gibt Beck ältere Literatur, nicht aber die von ihm zeitgleich anonym herausgegebene Übersetzungsarbeit an, die dafür die Grundlage ist.13 Wie kommt der Ausdruck Islam in diesen Kontext? Beck hat zur selben Zeit Tableau G n ral de l’Empire Othoman unter dem Titel Allgemeine Schilderung des ottomanischen Reichs im Auftrag des Verlegers aus dem Französischen übersetzt und in zwei Bänden 1788 und 1793 publizieren lassen.14 Der Autor dieses umfangreichen Werkes war der Armenier Ignatius Mouradgea d’Ohsson (1740–1807), geb. als Ignatius Muradcan Tosunyan in Istanbul, der in schwedischen diplomatischen Diensten an der Hohen Pforte tätig war, und der nicht zuletzt durch seine Sprachkenntnisse (u. a. Arabisch und Türkisch) als Experte gelten konnte. Becks Einführung und Erläuterung des Ausdrucks „Islam“ in seine Anleitung zur Kenntniß der allgemeinen Welt- und Völkergeschichte für Studirende entspricht dem von d’Ohsson verfassten Text, der seinerseits wiederum eine arabischsprachige Grundlage hat: die Glaubensartikel von Najm al-Dı¯n anNasafı¯ (1067–1142).15 13 Anleitung zur Kenntniß der allgemeinen Welt- und Völker-Geschichte für Studirende. Von Christian Daniel Beck. Zweyter Theil. Bis auf die Theilung der Carolingischen Monarchie. Leipzig, in der Weidmannischen Buchhandlung 1788, S. 644; vgl. auch die Anmerkung k auf Seite 651. Erwähnt wird neben der lateinischen Fassung von Relands De religione Mohammedica von 1717 noch die damals weit über 100 Jahre alte Abhandlung Fides et legis Mohammedis des Altdorfer Theologen und Orientalisten Theodoricus Hackspan (1607–1659), erschienen 1646. Eine entsprechende Bemerkung über „Islam“ enthält auch Becks im Folgejahr publizierte Kurzfassung: Kurzgefaßte Anleitung zur Kenntniß der allgemeinen Welt- und Völker-Geschichte. Ein Auszug aus dem größern Werke zum Gebrauch der Vorlesungen. Von Christian Daniel Beck. Erster Theil. Von Erschaffung der Welt bis auf das J. Chr. 843. Leipzig, in der Weidmannischen Buchhandlung 1789, S. 388. 14 Der erste Band erschien unter dem Titel: Allgemeine Schilderung des Othomanischen Reichs Aus dem Französischen des Herrn von Muradgea d’Ohsson mit einiger Abkürzung übersetzt und mit Anmerkungen, Zusätzen, einem Glossarium und Register versehen von Christian Daniel Beck. Erster Theil. Mit Kupfern und Tabellen. Mit Churfürstl. Sächs. Privilegio. Leipzig, in der Weidmannischen Buchhandlung 1788. 15 D’Ohsson weist selbst auf diese Quelle seiner Ausführungen hin; vgl. Tableau G neral de l’Empire Othoman, divis en deux Parties, Dont l’une comprend la L gislation Mahom tane; l’autre, l’Histoire de l’Empire Othoman. D die au Roi du Suede, par M. de M*** D’Ohsson, Chevalier de l’Ordre Royal de Wasa, Secr taire de S. M. le Roi de Suede, ci-devant son Interpr te,

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In d’Ohssons Text findet sich der Ausdruck „Islamisme“ (vii, u. ö.) neben „Musulmanisme“ (11 u. ö.) sowie Bezeichnungen wie „L gislation Mahom tane“ (bereits im Titel).16 In einer 1788 in Bayreuth erschienenen anonymen Übersetzung dieses Werkes werden diese Ausdrücke so gespiegelt: „Mahometism“ und „Islamism“ werden parallel gebraucht, ebenso „Islamiten“, „Mahometaner“ und „Muselmannische Gesellschaft“.17 Bei Beck, der seine Übersetzung im selben Jahr in Leipzig publizierte, lauten diese Ausdrücke: „Islam (Islamismus)“ (3), danach nur noch „Islam“ (5 u. ö.) sowie „Mahometanische Gesetzgebung“ (4 u. ö.), „Mohammedanismus“ und „Mohamedaner“ (7 u. ö.), aber auch „Moslem“ (8) sowie der Plural „Moslemin“ (2 mit einem Kommentar zur Schreibweise d’Ohssons: „Musulmans“). Die Bezeichnungen variieren offensichtlich auch in Becks Übersetzung stark. Allerdings macht er seine Abweichung vom französischen Original zumindest an einer Stelle kenntlich, wenn er den genannten Plural „Moslemin“ einführt. „Islam“ wird von Beck also verwendet, allerdings nicht als einzige Vokabel.18 Der Ausdruck taucht mehrfach im Text auf, nicht aber im Register, wo nur der „Islamismus“ mit einer Belegstelle erläutert wird (vgl. [611], unpag.), und auch nicht in dem von Beck angefügten Glossar, das mit Hinweis auf d’Herbelot das Wort „Isslam (Eslam)“ als „rechter Glaube; Ergebung an Gott; Reet charg d’affaires la Cour de Constantinople. Ouvrage enrichi de Figures. Tome premier. A Paris, de l’Imprimerie de Monsieur. M. DCC. LXXXVIII. Avec Appropriation, et Privi ge du Roi. [1788], S. xij. 16 Im folgenden Beispiel verwendet D’Ohsson „Islamisme“, „Mahom tan“ und „Musulmane“ parallel: „On voit …, que la connoisance et la confession de ces six articles de foi est suffisante pour constituer dans l’homme le caract re de l’Islamisme. Tout Mahom tan qui les ignoreroit seroit oblig , au moment de son instruction, de renouveler sa profession de foi, et mÞme son mariage, puisque dans cet tat d’ignorance, la religion ne Penvisage plus comme un membre de la soci t Musulmane. On verra plus bas le d veloppement de tous ces points.“ (D’ Ohsson, Tableau G neral, S. 161) 17 Dasselbe Beispiel (vgl. die vorherige Anmerkung) lautet in der anonymen Übersetzung von 1788: „Man sieht …, daß die Annahme dieser sechs Glaubensartikel einen Menschen als Islamiten hinlänglich charakterisieren. Jeder Mahommetaner, dem sie unbekannt wären, mu¨ ßte in dem Augenblicke, da sie ihn gelehrt würden, sein Glaubensbekenntniß und sogar seine Ehe erneuern, weil ihn in einem solchen Stande der Unwissenheit die Religion nicht als Mitglied der Muselmannischen Gesellschaft betrachtet.“ (Muradgea D’Ohsson’s Ritters des Wasa-Ordens, Königl. Schwedischen Secretairs und vormaligen Geschäffts-Trägers am Hofe zu Constantinopel vollständige Beschreibung des Othomanischen Reichs in zween Theilen, deren erster die Mahometanische Gesezgebung und deren zweiter die Geschichte des Othomanischen Reiches enthält. Aus dem Französischen übersezt. Ersten Theiles erster Band. Mit Churfürstlich Sächsischem gnädigsten Privilegio. Baireuth, 1788, verlegt in der Zeitungsdrukerei, und in Commission bei Johann Georg Benjamin Fleischer in Leipzig. S. 120). 18 Dieselbe Passage (vgl. die beiden vorhergehenden Anmerkungen) lautet in der Übersetzung von Beck: „… lieset man, daß Kenntnis und Bekenntniß dieser sechs Glaubensartikel hinreichend ist, einen Menschen zum Gläubigen zu machen. Jeder Mohamedaner, dem sie unbekannt wären, müßte, sobald er davon unterrichtet würde, sein Glaubensbekenntniß und selbst seine Ehe erneuern, weil die Religion niemand in diesem Stand der Unwissenheit als ein Glied der moslemischen Gesellschaft betrachtet.“ (D’ Ohsson, Allgemeine Schilderung, S. 97)

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ligion der Mohamedaner“ erläutert (591). Es gibt also in Becks deutscher Übersetzung dieses Werks „Islam“ – und es gibt ihn auch wieder nicht, da er „Islamisme“ auch einfach durch „Glaube“ übersetzt.19 Die Verwendungen und Schreibweisen der Ausdrücke schwimmen. In Becks Geschichtslehrbüchern findet sich zeitgleich dagegen eine stärker konzentrierte Verwendung des Ausdrucks „Islam“.20 Johann Christoph Gatterer Als weiteres Beispiel kann der Göttinger Historiker Johann Christoph Gatterer (1727–1799), studierter Theologe und Orientalist, angeführt werden, der einer der frühen breitenwirksamen Autoren ist, die in selbstverständlicher und nicht weiter erläuterter Weise vom „Islam“ schreiben. 1792 erscheint sein Versuch einer allgemeinen Weltgeschichte in Göttingen, ein hochgelobtes Buch.21 Ähnlich wie Beck, der zehn geschichtliche Perioden benannt hatte, teilt Gatterer seine Weltgeschichte in Zeitalter ein. Er ordnet Mohammed in den dritten großen Zeitabschnitt, ein „Macedonisch-Römisches“ Zeitalter, das auf ein „Adamisch-Noachisches“ und ein „Assyrisch-Persisches“ Zeitalter von jeweils 1800 Jahren folgt. In diesem Zeitalter, das er auch Periode nennt, folgt die römische Zeit auf die macedonische und ist ihrerseits wieder dreigeteilt. 19 D’Ohssons Formulierung „constituer dans l’homme le caract re de l’Islamisme“ (D’Ohsson, Tableau G neral, S. 161) wird von Beck nicht im Sinne des Lehnwortes „Islamism/Islam“, sondern sachbezogen übersetzt, wenn er schreibt: „daß Kenntnis und Bekenntniß dieser sechs Glaubensartikel hinreichend ist, einen Menschen zum Gläubigen zu machen“. Der anonyme Übersetzer der anderen deutschen Fassung formulierte dagegen etwas ungeschickt, vor allem aber so, dass, eine Gruppe mit einem Eigennamen, nämlich „Islamit(en)“ entsteht: „Man sieht …, daß die Annahme dieser sechs Glaubensartikel einen Menschen als Islamiten hinlänglich charakterisieren.“ 20 In der Anleitung zur Kenntniß der allgemeinen Welt- und Völker-Geschichte für Studirende, sowie in deren Kurzfassung (die keine Übersetzungen sind) verwendet Beck nun mehrfach eine eingedeutschte bzw. abgekürzte Variante von „Islamisme“ / „Islamism“, nämlich „Islam“. Im geschichtlichen Überblickswerk ist also von „Islam“ die Rede, wenn von der Religion Muhameds geschrieben wird. (Beck, Kurzgefaßte Anleitung, S. 388 [gezählt als „838“]). Daneben ist weiterhin auch die Rede von der „muhamedanischen Religion“. In der längeren Fassung seiner Welt-Geschichte wird „Islam“ knapp so erläutert: „Glaube und Ergebenheit gegen den einzigen Gott, daher Moslemin, Gläubige“ (Beck, Anleitung, S. 651). 21 Johann Christoph Gatterers Versuch einer allgemeinen Weltgeschichte bis zur Entdeckung Amerikens. Göttingen, im Verlag Vandenhoeck und Ruprecht. 1792. Der Rezensent der Gemeinnützigen Betrachtungen der neuesten Schriften, welche die Religion, Sitten und Besserung des menschlichen Geschlechts betreffen schreibt: „Durch das ganze Werk ist die Chronologie mit der strengsten Genauigkeit durchgeführt; die Sprache durchaus edel erhalten; bisweilen in Anspielungen scherzend; und auf jeder Seite erkennt man den Mann, der sich selbst durch die unbebautesten Gegenden der Geschichte Wege geöffnet, und dadurch zu einem Standpunct hinaufgearbeitet hat, aus dem er die alte und neue Welt vollständiger und richtiger, als Tausende seiner Zeitgenossen, beurtheilen kann.“ (Gemeinnützige Betrachtungen der neuesten Schriften, welche die Religion, Sitten und Besserung des menschlichen Geschlechts betreffen, 1793, S. 273–282, Zitat S. 282)

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Mohamed steht am Anfang des Römisch-Slawisch-Arabischen Zeitabschnittes, der mit der Hidschra 622 beginne. Hier finden sich nebeneinander Darstellungen der Römer, Germanen, Slawen, Finnen, Türken, Araber, Inder und Chinesen. Mohamed habe so viel Zeit wie Alexander der Große für seinen Sieg über Persien oder wie Cäsar für seinen Sieg über Gallien gebraucht, um Arabien zu bekehren und zu unterwerfen: zehn Jahre. Gatterer schildert Mohamed als „Prediger des Islam“22, nennt seine Anhänger „Moslem“ oder „Moslemer“ (594) verwendet daneben allerdings auch die Bezeichnung „mohamedische Religion“ (595). Die Auseinandersetzungen „moslemischen und unmoslemischen Koreischiten“ (594) wären in der Finsternis begraben, wenn nicht aus diesen Keimen die mohamedische Religion und die arabische Weltherrschaft hervorgewachsen wären. Mohamed predigte den Islam, brachte aus seiner himmlischen Fabrik eine Sure des Korans nach der andern zum Vorschein, that Wunder über Wunder, prophezeyete, reiste in den Himmel zum Throne Gottes, und verstärkte seinen Anhang durch manchen Koreischiten von Ansehen und Gewichte […]. (595)

Hier findet sich eine weltgeschichtliche Betrachtung Mohameds, die seinen Anspruch benennt, aber nicht problematisiert, die ihn als Gestalt der Geschichte würdigt und ihn als „Prediger des Islam vorstellt“. Die Religion wird allerdings auch hier „mohamedische Religion“ genannt, in Parallele zu „Jehovens Religion“, während „Islam“ Gegenstand der Predigt ist. (Der Ausdruck „Christentum“ fehlt übrigens in Gatterers Weltgeschichte.) Beide Aspekte, die (lange umstrittene) historische Würdigung Mohameds23 wie auch die Bezeichnung ,Islam‘, sind bis heute vorhandene Bestandteile des Diskurses. Hier lassen sich diachrone Linien finden. Ergänzt werden diese beiden Aspekte aber vor allem durch damals neuartige Wertschätzungen des Propheten aus einer religiös-theologischen Perspektive, wie sie sich etwa bei Johann Christoph Döderlein und bei Gottfried Leß zeigen. Hier ist eine Entwicklung zu sehen, die in der Regel im Schatten der Nathan-Toleranz-Thematik steht, aber vor allem auch aus ,neologischen‘ Gründen bzw. Assoziationen erfolgt zu sein scheint. Die spätestens durch Lessings Drama Nathan der Weise diskutierte Problematik der Pluralität religiöser Wahrheitsansprüche wird entweder durch Historisierung der Betrachtung ausgeblendet, beantwortet, nicht beantwortet bzw. ignoriert. In der Perspektive der Welt- und Politikgeschichte wird die religiös-theologische Wahrheitsfrage ebenso wenig gestellt wie in der ,entdeckten‘ Religionsgeschichte. 22 Gatterer, Versuch, S. 592. 23 Der Rezensent der Gemeinnützigen Betrachtungen lobt die Mohammed-Darstellung Gatterers sehr. Sie sei zwar sehr kurz, „aber doch so vollständig, daß Rec. auch keinen einzigen wichtigen Umstand vermißte“ (Gemeinnützige Betrachtungen, S. 279), im Gegenteil: Die Schilderung der Himmelsreise hätte der „pragmatische“ Gatterer zugunsten einer Betrachtung über die Ursachen des Erfolges Mohammeds und der Kalifen auch noch weglassen können, stellt der Rezensent abschließend fest.

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Die Wahrheitsfrage stellt sich dagegen religiös und theologisch. Und hier ist ein Umschwung im Laufe des 18. Jahrhunderts zu vermerken. Humphrey Prideaux hatte im Jahre 1697 in Auseinandersetzung mit deistischen Positionen das Bild Mahomets als eines Betrügers entworfen, um damit das Thema ,Betrug‘ zu illustrieren und den deistischen Betrugsvorwurf gegen Jesus und die Apostel, somit auch gegen seine eigene Kirche abzuwehren. In Deutschland war diese Problematik nach dem Ende der „letzten großen Türkenbedrohung“ (Cardini) offenbar so fern, dass Prideaux’ Life of Mahomet aus dem zugehörigen Zusammenhang genommen und 1699 als Einzeltext veröffentlicht und auch wirksam wird. Gegen Ende des Jahrhunderts, in den 1770erund 1780er-Jahren, wird eine solche deistische Debatte auch in Deutschland öffentlich geführt. Lessing, der in diesem Zusammenhang auch seinen Nathan publizierte, kann als entscheidender Motor dieses Vorganges angesehen werden. Im Schatten seines Nathan und seiner Erziehung des Menschengeschlechts wurden jedoch auch theologische Texte publiziert, die den Betrugsvorwurf wie Prideaux 80 Jahre zuvor in England aufnahmen. Im Ergebnis findet sich jedoch das Gegenteil zu Prideaux’ Betrugs-Darstellung. Das Konzept der vernünftigen Religion hatte sich hier so weit durchgesetzt, dass nun auf dieser Grundlage argumentiert wurde. Es waren immerhin jahrzehntelang religionsphilosophische Debatten geführt worden, an denen sich auch ,Neologen‘ beteiligten. Der Prophet wird in diesem Rahmen wegen der Vernünftigkeit seiner Grundansichten geschätzt, eine Vernünftigkeit, die man auch für das Neue Testament in Anspruch nimmt. Das tertium comparationis ist dann nicht der Glaube an Gott und die Frage der Wahrheit oder Gültigkeit seiner Offenbarungen, sondern die Religion an sich, die verschiedene Gestaltungen haben kann. Will man das Christentum verteidigen, so nimmt man nun seine vernünftige und moralische Überlegenheit an, seine Absolutheit. Für Wertschätzungen entsteht somit durchaus Raum. Der Prophet muss nun nicht mehr wegen seines (nicht akzeptierten) prophetischen Wahrheitsanspruches als Betrüger o. ä. abgelehnt, sondern er kann verglichen werden. Und dies geschieht dann aus der Perspektive ,vernünftiger Religion‘. Verkürzt gesagt: Aufklärer erzeugen einen aufgeklärten Mahomed gegen ihre theologischen oder kirchlichen Gegner, sich als verfolgt gebende Pietisten erzeugen einen verfolgten Mahomet gegen ihre kirchlich-orthodoxen oder andere Gegner; orthodoxe Polemiker wenden Muhammed prototypisch gegen ihre Gegner. Religionskritiker bringen ihn als Prototyp des Betrügers gegen jede Religion, auch die christliche in Stellung, während christliche Apologeten ihn als Betrüger vom wahren Jesus unterscheiden. Ein weiteres, sehr schönes Beispiel für die Offenheit der Figur für diverse Repräsentationen ist der Dao lernende und Sutras schreibende japanische Muhammad, den Fabio Rambelli vorgeführt hat.24 24 Fabio Rambelli: Muhammad Learning the Dao and Writing Sutras. Early Japanese Represen-

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Mit dem in diesem Buch an verschiedener Stelle vorgeführten vernünftigen Propheten und Staatsmann zeigt sich eine neue Spielart, die neben damals bereits vorhandenen Motiven wie Betrug, Wahnsinn oder Heldentum tritt. Weitere Repräsentationen sind im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts unter verschiedensten Umständen entstanden. Abseits der im 21. Jahrhundert besonders massiv erscheinenden Kontroversen um die Prophetengestalt in diversen Medien, auf Straßen und Plätzen und in nicht mehr nur verbalen Auseinandersetzungen ist die derzeit wohl markanteste Repräsentation das Bild des Propheten als historisch fiktive Gestalt.25 Spätestens hier wird klar, dass die historischen Rückbindungen der diversen Repräsentationen des Propheten in den Kontexten ihrer Entstehungen zu suchen sind, dass nicht ohne weiteres eine historisch verifizierte (oder nicht verifizierte) Person als das Epizentrum aller darauf bezogenen Repräsentationen gelten kann. Die Bindung der Repräsentationen an den historisch tatsächlichen oder vermeintlichen Plot sind nicht stabil, sondern sie werden ständig neu erzeugt und ausgehandelt.

Epilog Mit der Bezeichnung „Islam“ geht eine Abstrahierung von der Person des Propheten und von der konkreten Umma einher. Islam wird auf diese Weise zu einer Religion im Sinne des modernen Religionsbegriffes. Die Bestimmung des Islam in diesem Bezugsrahmen, als Religion oder Weltreligion, ordnet ihn in das moderne, letztlich von der Vernunftorientierung der Aufklärung her generierte Religionskonzept ein und setzt damit einen westlichen Maßstab an (E. Said). Die „Una Sancta Ecclesia“ wird zum „Christentum“, das Volk Gottes zum „Judentum“, indische und ostasiatische Schulen, Traditionen und Gruppen zu Ismen wie Hinduismus, Buddhismus, Konfuzianismus, Daoismus, Shintoismus etc. Diese Abstrakta werden als Religionen konstruiert, oftmals verstanden als übergeschichtliche ,Wesenheiten‘. Das ist insofern festzustellen, als es in den bisher ungefähr zwei Jahrhunderten seit der „Entdeckung der Religionsgeschichte“ und der Erfindung der Religionswissenschaft immer wieder zu Aussagen über das Wesen der einen oder der anderen Religion kommt.26 Als Beurteilungsraster wird eine Teleologie eintations of Muhammad. In: Christiane Gruber/Avinoam Shalem (Hg.): The Image of the Prophet between Ideal and Ideology. A scholarly investigation, Berlin/Boston 2014, S. 295–309. 25 Vgl. Karl-Heinz Ohlig/Gerd R. Puin (Hg.), Die dunklen Anfänge. Neue Forschungen zur Entstehung und Geschichte des Islam, Berlin 32007 (Erstausgabe 2005). Die von Alberto Saviello in seiner höchst lesens- und sehenswerten Studie geltend gemachte epistemische Unabhängigkeit der bildlichen Darstellung gegenüber der historischen (vgl. Saviello, Imaginationen, S. 170) markiert möglicherweise gar nicht so einen großen Unterschied zwischen „Kunst“ und „Wissenschaft“ wie angenommen. 26 Vgl. z. B. Hans Küng, Der Islam. Wesen und Geschichte, München 2007 oder das vielfach

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gezogen, die weniger nach konkreten historischen Kontexten als nach Entwicklungen hin zu einem ,objektiven‘, oder wenigstens ,objektiveren‘ Bild fragt. Die Kriterien dafür mögen den jeweils zeitgenössischen diskursiven Bedingungen entsprechen, sind aber eben nicht ohne weiteres auf historische Texte übertragbar. Denn das ,Ding‘, der ,Gegenstand‘, von dem die Rede sein soll, wird als gegeben vorausgesetzt, bzw. in die historischen Texte auf eine bestimmte Art eingeschrieben. Diese ,Reifizierung‘ des Islam geht einher mit Bestimmungen seines ,Wesens‘: Islam ist mit sich selbst identisch. Was aber ist ,Islam‘ in den diversen Formationen und Debatten der Kultur- und Religionsgeschichte? Und was ist ,Islam‘ in der Gegenwart? Sieht man sich auch nur ein wenig um, wird schnell deutlich, dass ,Islam‘ gerade nicht mit sich selbst identisch, sondern höchst umstritten ist. Dasselbe gilt für die hier vorgestellten Repräsentationen des Propheten in deutschsprachigen Texten des 18. Jahrhunderts. Von essentialistischen Wesensbestimmungen des Islam aus betrachtet, verbunden mit einer Kulturkreistheorie, wie sie etwa Oswald Spengler in seinem Untergang des Abendlandes formuliert hat, kann historisch nachvollzogen werden, wie es zu politisch inzwischen sehr wirksam gewordenen Theorien wie der Rede vom „Clash of Civilizations“ kommen kann.27 Hier ist historische Kritik dringend notwendig, um der politisch behaupteten homogenen Identität „des Islam“, „des Abendlandes“, „des Westens“, „des Christentums“, „des Ostens“ etc. zu begegnen. Historisierende Ansätze, in denen die Kontingenz des Historischen, auch des Religionshistorischen ernst genommen wird, versuchen essentialistische Bestimmungen selbst wiederum zu kontextualisieren und damit zu historisieren. Es geht dabei um die Frage, welche Grenzen in welchen Kontexten gezogen werden, wer oder was ein- oder ausgegrenzt wird. Oder noch einmal mit Blick auf die Einleitungsanekdote und das Titelbild dieses Buches formuliert: Wofür steht die Katze?

aufgelegt Buch von Kellerhals: Emanuel Kellerhals, Der Islam – seine Geschichte, seine Lehre, sein Wesen, Basel 1945; zuletzt Gütersloh 1981. Ähnliches ließe sich auch für andere religiöse Traditionen, nicht nur für das Christentum, benennen. 27 Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte, Bd. 1, Wien 1918; In diese problematische Tradition stellt sich auch Hamed AbdelSamad, Der Untergang der islamischen Welt. Eine Prognose, München 2010; vgl. weiterhin Samuel Huntington, The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order, New York 1996 und dazu Schulze, Orientalism.

Anhänge Anhang 1: Eine Darstellung Mohammeds im Amphitheatrum Turcicum (1724) „Diese unseelige Brut, ich meine den Teufels-Propheten Mahomed, beschauete zum Ruin vieler Millionen Seelen, zur Verwüstung der halben Welt, und zur Vermehrung des teufels Reiches das Licht der Welt A.C. 570. den 5. May zu Jterip, einer ohnweit Meccha in dem glückseeligen Arabien gelegenen Stadt, nach der gemeinen Meinung, oder wie Johan Andreæ, ein ehemals gewesener Türckischer Pfaffe und nachmahliger Christ wil, zu Meccha selbst. Seinen Vater nennen die mehristen Abdalla, der von Geburth ein Araber war, und die Mutter, die sich aus dem Geschlecht Israels her zu seyn rühmete, Eminam; Andreæ dargegen jenen Montalib, und diese Humnam.“ Nach dem Tod seiner Eltern und seines Großvaters habe sein Onkel Abutalb die Vormundschaft übernommen, „welcher ihn der Zucht und Unterweisung eines Juden untergabe, der ihn nicht allein in allerhand natürlichen Künsten unterrichtete, sondern auch einen confusen Concept von der Jüdischen und Christlichen Religion beybrachte, aus welcher er nachhero seinen durchteufelten Alcoran zusammen zuschmiden Anlaß genommen. Nachdem er das 24. Jahr erreichet, begab er sich aus Arabien in Egypten, und daselbst zu einem reichen Kauffmann, welcher eine seiner nahen Anverwandtinnen, die Chatigam im EheBette hatte, des Sinnes, von und bey diesem Vetter die Kaufmanschaft zu erlernen: Kaum aber war er in dessen Hause warm worden, so starb der Kauffman, und verließ Witbe und Vermögen in den Händen des jungen Mahomeds: Denn die Chadiga verliebte sich nach ihres Mannes Tod in den selben, und räumete ihm diejenige Stelle in ihrem Bette ein, die ihr voriger Mann durch sein Abscheiden ledig gelassen, mit der er auch 3. Töchter, Fatymam, Zeinem und Umicultam gezeuget. Mit der Chadiga wurde Mahomed zugleich ein Herr eines unbeschreiblichen Vermögens, dessen er sich hernach, sein verfluchtes Vorhaben aus zu führen, gar meisterlich zu bedienen wuste. Doch es wehrete nicht lange, so leistete auch die lüsterne Chadiga ihrem erblasten Manne im Tode Gesellschaft, und ertheilete dadurch dem Mahomed Erlaubniß, ihre Stelle mit der Ahassum, des Hamars Tochter, einer renommirten Coquete zu ersetzen, der er dermassen getreu war, daß er zugleich neben ihr die Mariam Jacobinam, ein aus dermassen schönes Mädgen, die ihn Machoqueus, ein König der Jacobiner geschencket, fleischlich bedienete. Nach diesen verführte er zu seiner Unzucht eine Fürstliche Witbe und Printzeßin aus der Provintz Cana, die er durch Zauberey sich unsterblich verbande, und durch

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selbe zu einen grossen und mächtigen Fürsten wurde; Dennoch kunten auch 3. den Brandt seiner geilen Lust nicht löschen, sondern er suchte sich in noch mehr fremden Pfützen zu baden, absonderlich brauchte er seines Dieners, Zeydim junges und schönes Weib zu seinem sündlichen Willen, ohne diejenigen Galanterien, die er zwar getrieben, doch im Finstern in der Welt verborgen blieben, und der grosse Tag dermaleinst offenbahren wird, und die er mit einem besonderen göttlichen Befehle, zu dessen behuff, wie er unverschämt loge, ihm GOtt 40. Männer Kräffte gegeben, excusirte. So abscheulich war dieses Buben Leben geschwärtzet. Alldieweil aber der Ehrgeitz vor andern seinen höllischen Lastern in ihm die Oberhand hatte, so war er mit dem durch seine Durchlauchtigte Gemahlin erlangten Fürstl. Hut nicht zufrieden, sondern trachtete nach weit höhern Dingen, dahin zu gelangen deuchte ihm eine neue Religion die allersicherste Strasse, weil der schlaue Vogel sehr wohl wuste, daß die menschliche Natur immer gerne was neues haben wil, darneben der miserable Zustand derer Juden, und die ärgerlich Uneinigkeit bey denen Christen aller welt ein Aergerniß waren; diese nun zu stifften bediente er sich nachfolgendes sauberen Klee-Blates, nemlich seines schon genanten Jüdischen Præceptoris und 2. ketzerischen Mönchen, davon der eine sich Johannes Bahira, der andere Sergius nennen liesse, mit welchen er den Confusen und Phantastischen Klumpen seiner ärgerlichen und Lügen-vollen Lehre zusammen ballete, und in ein Buch, welches er Alcoran nandte, zusammen schmierete. Die nur 3. genandten helffers helffer des Mahomeds unterrichteten ihn anbey fleißig in der schwarzen Kunst, wodurch er seine neuen Glaubens Genossen wacker bey der Nasen herumführete. Seinen neuen Glauben mit Wundern zu bestätigen, und sich als einen neuen Propheten und Boten GOttes, wovor er sich ausgabe, zu legitimiren, bediente er sich Tausenderley Räncke. Er hatte eine taube abgerichtet, daß sie sich ihm auf die Achsel setzte, und nach Körnern in die Ohren pickte, diese gab der Ertz-Lügner vor den H. Geist aus, welcher unter Tauben Gestalt zu ihn käme, mit ihm rede und eingebe, was er predigen solle. Ein Ochse war gewöhnet aus seinen Händen zu fressen, diesen ließ er einstens lange ohne Fressen angebunden stehen, hernach lösete er ihn auf, band sein Gesetz ihm an die Hörner, lief hernach von ihm unter das versamlete und auf ihren neuen Propheten wartende Volck, da er seine Predigt mit grossen Geschrey anfienge: So bald der ochs seines Herrn Stimme hörete, lieff er durch die dickstehende Gemeinde mit grossen Ungestüm zu ihm. Alsobald ruffte Mahomed gegen das Volck: Sehet da lieben Leuthe, da sendet mir GOtt das Gesetz, welches ich euch verkündigen sol, dem folget. Nicht selten ließ er die Erde aufgraben, und dahin bey Nacht Zeit Milch, Geld, Mehl und Honig verbergen: Wenn er nun seinen Zuhörern den Alcoran vorlesen liesse, sprach, er: Grabet da und da, so werdet ihr Geld, Milch, Mehl und Honig finden. Wenn sie nun nachgruben, und es fanden, wie er versprochen, sagte er: Schauet, dieses deutet den reichen seegen, den ihr erlangen sollet, wenn ihr mein Gesetz annehmet, da wil ich euch als ein ander Moses in Länder führen, da Milch und Honig innen fleust. Auch seine grösten natür-

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lichen Gebrechen wuste er als besondere göttliche Uberschattungen anzugeben und zu seinem Betruge zu gebrauchen. Das Schand-Aaß wurde fast täglich mit der schweren Noth befallen, wenn er nun dieselbe bekam, überredete er seine Weiber, daß der Engel Gabriel (mit dem er gar viel zuthun hatte) mit ihm rede, dessen klarheit er nicht vertragen könne, und deßwegen ohnmächtig würde, welches dieses ohne dem zur Wäscherey geneigte Geschlecht mit vielen zusetzen vermehret unter die Leuthe brachte, und dadurch seinen Anhang nicht wenig vermehrete. Der Christen gewöhnliche Uneinigkeit und der Griechen sträfliche Nachläßigkeit öffneten ihm Thür und Thor zu grossen Conquesten. Anfangs zwar schiene es, als wenn Mahomed sich allein um die Kirche bekümmere und wenig Absicht auf den Degen habe, doch es währete nicht lange, so ließ der Löwe seine Klauen blicken: Denn weil er vermöge des Alcorans seine Lehre wieder alle anders gesinnete mit dem Schwerd fortzupflanzen befahle, so hienge er erstlich eine Bande ungehängter Strauch-Diebe an sich, mit welchen er sich zu Mecha so mausicht machte, daß endlich die Obrigkeit des Orts zufuhre und dem Mahomed A. 622. nach dem Haaren grieffe, doch der listige Vogel roche die Lunte und retiriret sich den 16. Jul. dieses Jahres bey späten Abend unter begünstigung der Finsterniß als ein rechtes Kind der Finsterniß von dar nach Medina, wo er wohl empfangen wurde, auch daselbst 12. Ausleger seines Gesetzes bestellete. Dieses Jahr und Tag ist um deßwillen höchst notable, weil die Türckische Chronologi von diese Flucht, die sie Hegiram nennen, eine besondere Epocham anfangen, und nach demselben ihre Jahre zu zählen und Hegiras zu nennen pflegen. Obiter kann man mercken, daß eine Türckische Hegira oder Jahr um 10. Tage kürtzer als eines unserer Jahre ist. Nachhero fienge er an, die Arabischen Klein-Könige und Fürsten unters Joch zu bringen, auch den benachbarten Potentzen beschwerlich zu werden, und seine Nachfolger, die sich von der Sara, Abrahams Weib Saracenen nenneten, breiteten sich nach seinem Tode fast durch den halben Osten aus. Damahls herrschete in Orient der mehr Scheltens- als Lobens würdige Käyser Heraclius, diesem träumete, als wenn ein Hauffen Mäuse aus Africa ihn anfielen, und seinen Käyserlichen Purpur zernageten, und eben dieser versäumete den gifftigen Wurm in seinem Eye zu tödten, ich meine, des Mahomeds Revolte in Anfange zu dämpffen, und da er sich erst veste gesetzt, opponirte er zwar der einbrechenden Fluth eine starcke Armee von Griechen, die aber theils durch Pest, theils durchs Schwerdt der Saracenen dermassen aufgerieben wurden, daß sie ihnen den minsten Wiederstand zuthun nicht im Stande waren: denn des Käysers Bruder Theodorus wurde zwey mahl aufs Haupt geschlagen, Mahomed wiegelte noch bey seinem Leben die käyserl. Unterthanen in Africa auf, eroberte noch gantz Arabien auch Mesopotamien und Syrien und liesse sich gar zu Damascus zum König crönen. Also wurde der käyserl. Traum von den Africanischen Mäusen mehr also zu wohl erfüllet. Ehe ich aber in der Türckischen Historie weiter gehe, muß ich och mit wenigen das Ende dieses Lügen-Propheten melden. In seinem Leben befohle er des öfftern seinen Jüngern, sie solten ihn nach seinem Tode nicht begraben; denn er wolte

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am dritten Tage auferstehen, und vor allen Augen gen Himmel fahren. Diese nun zu erfahren wollte einem seiner Schüler, Albunor, andere nennen davor seinen Secretair, Buhanduca, die Zeit zu lang werden, brachten deßwegen seinem Meister einen starcken Gifft bey, und beförderte dadurch seine Höllenfahrt am 12. Tage des Türckischen Monats Rabie in der 10. Hegira, welches nach unserer Zeit-Rechnung den 17ten Julii A. C. 631. beträgt, nachdem er etwas mehr als 60. Jahr der Welt eine Staupe gewesen. Nachdem er solcher Gestalt, da er in die 14. tage vorher fast Sinnloß gelegen, verrecket, ließ ihn sein Otter-Gezichte 12. Tage lang unbegraben liegen, und wartete indessen auf die versprochene Anferstehung [!] und Himmelfahrt, wiewohl vergebens: Denn das Raben-Aaß wurde eher stinckend als wieder lebendig, und deßwegen auch viele von seinen Anhängern, in welchen noch ein Quengen Vernunfft übrig, von ihm abfällig wurden, doch die mehresten blendete der Bauch, ihr Gott, und der von dem Teufels-Propheten versprochene Venus-Himmel dermassen, daß sie bey dem Alcoran beständig blieben und die Mahometische Lehre mit Feuer und Schwerd fortpflanzeten. Der Ort, wo das stinckende Aaß begraben worden, ist die Arabische Stadt Medina, die er selbst aus Haß gegen seine Gebuths-Stadt Meccha, weil sie ihn verjagt, zu seinen Begräbniß im Leben bestimmet: Denn alda siehet man in der prächtigen Moschee Mos al-Kibu, oder Allerheiligsten Kirche die auf 400. Marmorn Säulen ruhet, an welchen mehr als 40000. sülberne Lampen hängen, einen kleinen mit silbern blechen und güldenen Stücken bedeckten Thurm, in welchem der Sarg Mahomeds auf vielen mit silbernen Gitter umfangenen und mit unzähligen Lampen beleuchteten schwartzen MarmolSäulen ruhet, davon der Fußboden mit Silber-bestickten teppichen bedecket, der darüber ragende Himmel aber von puren Göldenen Stücke ist: Was aber von dem in das Gewölbe des Thurmes eingemaureten Magnet, und dem eisernen Sarge, in welchem der verfluchte Cörper liegen und von dem Magnet in die höhe gezogen worden seyn sol, bißher geschrieben worden, ist eine Fabel, welche alle Türckische Pfaffen, die hernach zu Christen worden, mit einem Munde wiedersprochen. [Gemeint ist hier wohl Juan Andr s.] Ubrigens war Mahomed in seinem Leben eine mehr lange als kurtze, und sehr angenehme und ansehnliche Person, mit schwarzen funcklenden Augen, einer lieblicher Stimme, und mageren etwas bleichen Angesichte, einer Melancholischen Complexion, und aus dermassen ambitieus, und besonders kein Feind von hübschen Frauenzimmer, wie dann sein Paradiß nichts anders als ein wohlgespicktes Serail ist[.] Dieses sein Paradieß ist nach seiner im Lib. II. Zuna Cap. I. befindlichen Meinung grösser als Himmel und Erden, hat 7. Theile, die alle aus Gold, Perlen und Edel Gesteinen gemacht, voller schöner Gemächer, Spazier-Gänge, fruchtbarer Bäume und Brunnen, die alle Wein, Milch und Honig quellen. In der Mitte des Paradieses stunde der Baum Tuba, der lauter güldene und silberne Blätter hätte und so groß, daß auch seine Zweige sich über die Mauren des Paradieses erstreckten. Ferner sey daselbst der Brunn Alcanzar 70000. Tag-Reisen groß, zu dessen beyden Seiten so viel

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güldene und silberne Trinckgeschirre als Stern am Himmel stünden, imgleichen unzählige schöne in güldene Stücke eingekleidete Knaben, die das Wasser denen durstigen zureicheten. Hiernechst wären darinnen unzählige admirabel schöne Jungfrauen mit glänzenden Angesichtern von deren Schimmer das gantze Paradieß erleuchtet würde, und deren Honig-Lippen so süsse, daß auch wenn eine eintzige in das Meer ausspeyete, sich dessen gesaltzene Fluthen auf einmahl in eine Nectar und Götter Tranck verwandeln würden. Diese solten denen, die seiner Lehr beypflichteten, zu Diensten stehen, und sich ihren Begierden unterwerffen. Und eben hierinne würde der höchste Grad der Seeligkeit bestehen. Aus welchen Federn man leicht mercken kan, was vor ein sauberer Vogel Mahomed selbst müsse gewesen seyn. Dieses Paradieß denen recht-Gläubigen zueröffnen werde ein Engel auf des ErtzEngels Gabriels Befehls 70000. Schlüssel aus seinem Munde speyen, deren jeder 70000. Meilen lang seyn, und die niemand aufheben können würde, ohne wenn er GOttes und Mahomeds Nahmen zuvor genennet. In dem Paradiese würde man die Tafel Adams, welche 70000. Tagreisen lang und eben so viel Breit, nebst einer Menge anderer güldener und silberner Tische mit den allerschönsten Tüchern gedecket sehen. Zu Tische würden die vorgedachten aimablen Knaben und Jungfrauen dienen und die herrlichsten Speisen und Tranck nebst den köstlichsten confituren auffsetzen, welche seine GlaubensGenossen, nachdem sie vorher mit den allerschönsten Kleidern angezogen, genießen, und nach vollbrachter Tafel sich mit den schönen Jungfrauen und Knaben ( des Höllischen Einfalles) in fleischlichen Wolleben erlustigen würden. Ein Artickel seiner seltsamen Theologie ist: Daß er von der Schöpfung schwärmet: der Himmel sey aus der Feuchtigkeit der Erden, die sich pflege wie ein Rauch gen Himmel zu ziehen, erschaffen. Die Feuchtigkeit der Erden entspringe aus dem Meere, und das Meer aus dem berge Caph, welcher dermassen groß, daß er um die gantze Welt gehe und den Himmel stütze, daß er nicht einfalle. Mit dem Ertz-Kätzer Sabellio leugnete er die H. Dreyfaltigkeit, und statuirte mit den Juden nur eine Person in der Gottheit; mit Ario tastete er die ewige Gottheit Christi an, und hielt ihn vor einen lauteren Menschen, der zwar ein grosser Prophet, aber noch lange nicht so groß, als er selbst, der Mahomed: denn so lauten seine eigenen Läster-Worte im Alcoran: Groß ist Jesus von Nazareth, aber Mahomed noch grösser. Mahomed sitzt im Himmel über Christo, und Christus zu Mahomeds Füssen. Von Christi heil bringender Paßion hat er die tolle Meinung, daß er nicht selbst gelitten, sondern den Juden als seinen Feinden unter den Händen verschwunden, und einen andern, der vor ihm litte, an seiner statt gesetzet. Mit den Anthropomorphiten theilete er GOtt menschliche Gestalt und Glieder zu, und da ihm sein Bruder, der ErtzEngel Gabriel vor GOtt geführet habe ihm dieser seine Hand auf seine Schulter gelegt, die so durchdringend kalt gewesen, daß es ihm durch Marck und Bein gedrungen. Mit den Macedonianern hält er den H. Geist nicht vor GOtt, sondern einen blossen Wind und erschaffene Creatur. Von den Engel-Fall träumet ihm, daß sie deßwegen von GOtt aus dem Himmel verstossen worden,

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weil sie den Adam nicht anbeten wollen. Nach seiner Theologie können auch die Teufel bey GOtt wieder zu Gnaden kommen, wenn sie sein Gesetz annehmen und halten. Von den zwey Engeln Aroth und Maroth heget er den Einfall, daß dieselben sich einmahl auf der Erden einen derben rausch im Weine getruncken, und hernach alle beyde mit einer schönen Frau geschlaffen, welche aber, ehe sie sich ihren Willen unterworffen, ihr die Kunst lernen müssen, im Himmel und von da wieder zurück auf die Erde zusteigen. Als nun GOtt das gen Himmel auf Händen und Füssen kletternde Weib erblicket, habe er sie zum Morgen-Sterne gemachet, aber den guten Maroth und Aroth, als Truncken Bolde und Huren-Hengste bey den Füssen über den Babylonischen Pfuhl gehenget, alwo sie in unbeschreiblicher Quaal ihre Thorheit und Sünde büssen müsten: deßwegen er hernach in seinem Gesetz seinen Jüngern den Wein, nicht aber die Weiber verboten. Nebst dem Weine verbothe er seinem Anhange das Schweine-Fleisch. Ratio: Weil die Schweine aus s. v. Kothe des Elephanten anfänglich gezeuget worden. Und wer wollte auch dieses, weils Mahomed gesagt, nicht glauben. Endlich schwermet er vom Jüngsten Tage: es werde GOtt durch den Engel des Todes, den er Adriel nennet, alles was das Leben habe, tödten, also daß niemand lebend, als er, nehmlich GOtt, und der Engel des Todes übrig bleyben würde, den er aber endlich auch sich selbst umzubringen gebieten, welches dieser auch mit grossem Geschrey verrichten würde. So dann würde GOtt Laut ausruffen: Wo sind die Fürsten und Gewaltigen der Welt? Da denn alles von neuen lebendig hervorgehen würde. Und was dergleichen abgeschmacktes Zeug mehr ist, welches Mahomed in seinem Alcoran hat, und über dessen Erzehlung sich länger aufzuhalten meine Feder ermüden möchte, und deßwegen ablassen muß.“

2: Zwei Gedichte („Suren“)

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Anhang 2: Zwei Gedichte („Suren“) Gleims nach dem Vorabdruck Boysens (1773) und nach der Erstausgabe Gleims (1774) Vorrede zu Boysens Koran-Übersetzung 1773

Halladat oder Das Rothe Buch 1774

[Ohne Überschrift]

Der Zweifler

Du zweifelst ob ein Gott herab Vom Himmel sieht? o! sieh hinauf! Sieh! seine Wolken, seine Regen, Sieh! seine Thaue, seine Blitze, Seine Donner! Siehe, wenn sein Sturm Gehorsam seinem Willen, allen Duft Und alle schwarze Wolken über dir Hinweggetrieben hat, dann sieh! Sieh auf zu seinem hellen Himmel. Und, wenn dein Herz nicht frölich ist, Wenns dir nicht sagt: Vom Himmel sieht Ein Gott herab, ein guter, der Uns alle liebt, dann steige, steige nur

Du Trauriger am Felsen-Absturz dort! Du zweifelst, ob ein Gott vom Himmel sieht, O! sieh’ hinauf! sieh’ seinen Wolkenzug! Und seinen milden Regen, seinen Blitz, Und höre seinen Donner! __Wenn sein Sturm, Gehorsam seinem Willen, allen Duft Und alle seine Wolken über dir Hinweggetrieben hat, dann sieh hinauf Zu seinem hellen Himmel, und wenn dann Dein Herz nicht frölich ist, wenn dirs nicht sagt: „Von diesem Himmel sieht ein Gott herab; „Ein guter, der uns alle liebt, ein Gott „Der diese seine Wolken regnen ließ –“

Auf jenen jähen Felsen, wo Sein Adler nistet, und o du Den nicht ein Gott vom Himmel sieht, Du, der du zweifelst, armer Mann Und, armes Weib, und, armer Sohn, Und arme Tochter, stürze dich Von jenem jähen Felsen nur herab Und werde, was du warest, Staub, Und warte Staub, ob noch einmal Der Gott, der dort herab Vom Himmel sieht, hinauf Auf eine seiner Geister-Stufen dich Erheben will, denn besser ist Ein todter seelenloser Staub Hier seyn in Gottes Welt, als Geist Und zweifeln, ob ein Gott herab Vom Himmel sieht.

Dann, armer Blinder, steige, steige nur Auf jene Spitze dieses Felsen, wo Sein Adler nistet, und, o du, dem nicht Ein guter Gott von seinem Himmel sieht, Du, der du zweifelst, armer blinder Mann, Und armes blindes Weib, und armer Sohn Und arme Tochter, stürze, stürze dich [30/31] Von dieses Felsen Spitze nur herab, Und werde wieder, was du warest, Staub, Und warte, Staub, ob etwa nicht einmal Der Gott, der dort von seinem Himmel sieht Auf eine seiner Geisterstufen dich Erheben will! Denn besser, besser ist Ein träger, todter, Seelenloser Staub Hier seyn in seiner schönen Welt, als Geist, Und zweiflen, ob ein Gott vom Himmel sieht!

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zweyte Sure

Der kindische Gedanke

Auf einem Felsen, der mit seiner Spitze Die Wolken spaltet, Halladat

Auf jenem Felsen, dessen Spitze dort Die Wolken spaltet, Bannadar

Wird er genennt, daß ich, weit umher In Gottes Welt mich umzuschaun, und sah Verschwunden unter mir, das Kriegesheer Des grossen Herrn, der, meiner Lebenszeit Ein Wunder ist, und sah verschwunden, sah Verschwunden–Ihn,undseine Sklaven–sah Verschwunden seine tausend Thürme! Gott, Wie klein ist Alles unter dir! dacht ich; Allein es war ein kindischer Gedanke! Gott Sieht nicht mit Augen, hört mit Ohren nicht, Hat keine Sinnen! Gott ist Gott! Wer ihn Mit Menschengeist ergründen will, der ist Ein Thörichter, der einen Ocean In seine holen Hände fassen will! Er ist erhaben, ist vollkommen, ist Was seine herrlichsten Geschöpfe sind, Und, wie der Sirius von Halledat,

Ist er genennet, saß ich, weit umher In Gottes Welt mich umzuschaun, und sah Verschwunden unter mir das Kriegesheer Des Misa-Lutt (*), der meiner Lebenszeit Ein Wunder ist, und sah verschwunden, sah Verschwunden _ ihn und seine Sclaven, sah Verschwunden seine tausend Thürme! Gott, Wie klein ist alles unter Dir, dacht’ ich! Allein es war ein kindischer Gedanke! Gott Sieht nicht mit Augen, hört mit Ohren nicht, Hat keine Sinnen! Gott ist Gott! Wer ihn Mit Menschengeist ergründen will, der ist Ein Thörichter, der einen Ocean In seine hohlen Hände fassen will! Er ist erhaben, ist vollkommen, ist Was seine herrlichsten Geschöpfe sind, Und wie der Andazull (**) vom Bannadar (*) Ein grosser Fürst. (**) Vermuthlich der (Wir wollen unsrer Menschenseele nur den Sirius. [13/14] Maaßstab geben, daß sie messen kann,) So weit darüber ist er dort, und dort, (Wir wollen unsrer Menschenseele nur Und oben, oder unten überall Den Maaßstab geben, daß sie messen kann) So weit darüber ist er dort, und dort, Und oben, oder unten, überall Das Wesen aller Wesen, das, zu hoch Für meinen, und für deinen Sinn, o Mensch! Nichts will von dir, als Demuth! Hast du die, Dann erst kannst du mit deinen Augen sehn, Mit deinen Ohren hören, und, in Gott Andächtig seyn! Und, wenn du dann Auf einem Felsen sitzest, und herab Auf einen Mogul, oder einen Schach Und ihn verschwinden siehest, dann, o dann, Dann wird das Wesen aller Wesen sich Dir offenbaren, wird, in deinen Geist Ein Feuer senden, einen Blitz, und laut Wird dein Gesang erschallen: Gott ist Gott!

Das Wesen aller Wesen, das zu hoch Für meinen und für deinen Sinn, o Mensch, Nichts will von dir, als Demuth! Hast du die, Dann erst kannst du mit deinen Augen sehn, Mit deinen Ohren hören, und in Gott Andächtig seyn! Und, wenn du dann Auf jenem Felsen sitzest, und herab Auf einen König oder einen Schach, Und, ihn verschwinden siehest, dann, o dann, Dann wird das Wesen aller Wesen sich Dir offenbaren, wird in deinen Geist Ein Feuer senden, eine Blitz, und laut Wird dein Gesang erschallen: Gott ist Gott!

Danksagung Für ihre Unterstützung danke ich einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Halle, des GeorgEckert-Instituts – Leibniz-Institut für Internationale Schulbuchforschung in Braunschweig, der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel, der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen zu Halle, der Eutiner Landesbibliothek, der Bayerischen Staatsbibliothek in München und der Staatsbibliothek zu Berlin. Namentlich erwähnen möchte ich Adelheid Hochheim und Katrin Bethge (ULB) sowie Kornelia Grün und Christine Peter (IZEA) und ganz besonders Christian Soboth (IZP). Für Anregungen, Gespräche, Hinweise, Korrekturen, Kritik und Geduld während der Habilitationsphase sowie bei der späteren Neubearbeitung des Projektes und der Drucklegung danke ich Catherine Ball riaux, Michael Bergunder, Alexander Clauß, Ralf Elger, Martin Emmrich, Conrad Krannich, Diana Lunkwitz, Elisabeth Nebe, Helmut Obst, Thomas Ruhland, Reinhard Schulze, nochmals Christian Soboth und Friedemann Stengel sowie für die äußerst hilfreiche und angenehme Zusammenarbeit mit dem Verlag V&R Bernhard Kirchmeier, Ulrike Vockenberg und Vera Schirl. Christoph Auffarth, Marvin-Döbler und Ilinca Tanaseanu-Döbler danke ich für die Aufnahme des Buches in die Reihe. Der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg danke ich für die Gewährung eines Forschungssemesters. Für einen namhaften Druckkostenzuschuss danke ich dem Landesforschungsschwerpunt Sachsen-Anhalt zum Thema „Aufklärung – Religion – Wissen.

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Quellen

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Literaturverzeichnis

Edel Ehrnvest und hochgelert Augerius Gislenius Busbeck, ihrer Maiest. Rath, und bestellter Orator, an Soleiman den Türckischen Käyser. Samt beygefügtem Nachschlag, welchen der hoch und wolgeborne Fürst und Herr, Herr Carle Graf zu Mansfeld, wie in der Prefation zu sehen, vor der Festung Gran, Ritterlich ins werck gerichtet hat. MDXCVI, Gedruckt zu Franckfurt am Mayn, in Verlegung Andree Wechels seligen Erben. British biography; or, an accurate an impartial account oft he lives and writings of eminent persons, in Great Britain und Ireland; from Wickliff, who begun the Reformation by his writings, tot he present time, Bd. 7, London 1772. Capell, Rudolf, Dissertatio publica, instututa in Gymnasio Hamburgensium de Alcorano Sive Alfurcano, Muhamedis et Muhamedanorum; Quam ex bibliothecae suae electis & excerptis, prout illa obvia, sub stilum venerunt, collectam edi voluit D. Capellus P.P. Hamburgi, Typis Georgii Rebenlini Gymnasii Typographi. A. C. 1683. Chronica Turcica Oder Außführlich und Wahrhafftige Beschreibung, Von deß Türckischen Reichs Ursprung und Auffnehmen. Von dessen Stiffter dem Mahomet, nebenst seinem gantzen Lebenslauff, auch von Regierung der ersten Türck- und Tartarischen Königen. So wol von der Türcken Religion, Gottesdienst, Gebotten, Kirchengehen, Beten, Fasten, Beschneidung, und andern dergleichen Ceremonien. Von Regierung aller Türckischen Käysern, sampt denen unter ihnen verlauffenen fürnembsten Geschichten und Kriegshändeln, biß auff den jetztregierenden Mahomet den Vierdten. Ingleichen von dero Hoffhaltung, Hoff- und Kriegsbedienten, von deren Nahmen und Verrichtungen, und von der Türcken gemeinem Leben und Wandel: Dann auch vom Reichthumb, Einkommen, Königreichen und Ländern deß Türckischen Reichs. Sampt einem Anhang, so eine Beschreibung derjenigen Potentaten, welche mit dem Türckischen Reich gräntzen, und daran zu prätendiren haben: Wie auch unterschiedliche Weissagungen von demselben: Nebenst dem Kriegsbedencken Hrn. Lazari von Schwendi, Röm. Käy. May. Gewesenen Kriegs-Obristen, wegen deß Türckenkriegs, in sich hält. Ordentlich und umständlich auß vielen glaubwürdigen Scribenten und Historicis zusammen gelesen, mit vielen Kupfferstücken geziert an Tag und hervor gegeben. Sambt einem zweyfachen Register. Frankfurt am Mäyn, In Wilhelm Serlin Verlag. Im Jahr, M.DC.LXMIV. Cyprian, Ernst Salomon, Ernsti Salomonis Cypriani, des Athenæi Casimiriani dermahlen Directoris und Theologiæ Prof. Publ. Ord. Allgemeine Anmerckungen über Gottfried Arnolds Kirchen- und Ketzer-Historie, Worinnen bescheidentlich und gründlich erwiesen wird, daß Arnold vermöge seiner vorgefaßten Meynungen, nothwendig partheyisch schreiben, seine Klagen wider die Kirche auff schwache Gründe bauen, und einiger Scribenten Meynung so gar verdrehen müssen, daß auch nur in einem halben paragrapho der Sinn und die Worte Augustini, denen Donatisten zum Behuff, über sechsmahl verfälschet worden. Zum Drittenmahl gedruckt, Und sowohl mit einer Antwort auff alle dagegen edirte Schrifften, als Vorbericht von Arnolds Religion, wie auch ferneren Anmerckungen von deßen historischen Verfälschungen und Fehlern vermehret. Franckfurth und Leipzig, bey Paul Günther Pfotenhauern, Buchhändlern in Coburg Im Jahr 1701. Constantinopolitan- Oder Türckischer Kirchen-Staat, In welchem Die vornehmsten Glaubens-Puncten des Alcorans, wie nicht weniger der gantze Mahometanische Gottesdienst nebst des falschen Propheten Mahomets Leben, In einer kurtz gefaßeten doch

Quellen

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gewissen und deutlichen Erzehlung vorgestellet wird. Leipzig, Verlegts Friedrich Groschuff. 1699. Dapper, Olfert, Naukeurige beschreijving van Asie, Amsterdam 1680. – Umbständliche und eigentliche Beschreibung von Asia, Nürnberg 1681. Davenport, R.A., A Sketch of the Life of George Sale. In: The Koran: Commonly called the Alcoran of Mohammed; translated into English immediately from the original Arabic with Explanatory Notes, taken from the most approved Commentators to which is prefixed a Preliminary Discourse. By George Sale, Gent. Fifth Edition, with a Memoir of the Translator, and with various readings and instructive notes from Savary’s version of the Koran, Philadelphia J.B. Lippincott & Co 1870, S. xi–xv. [Dçderlein, Johann Christoph], Fragmente und Antifragmente. Zwey Fragmente eines Ungenannten aus Herrn Lessings Beyträgen zur Litteratur abgedruckt mit Betrachtungen darüber. Nebst einigen Landkarten. Nürnberg, in Verlag der Johann Georg Lochnerischen Buchhandlung. 1778. – Fragmente und Antifragmente. Zwey Fragmente eines Ungenannten aus Herrn Lessings Beyträgen zur Litteratur abgedruckt mit Betrachtungen darüber. Zweiter Theil. Nürnberg, in Verlag der Johann Georg Lochnerischen Buchhandlung. 1779. – Fragmente und Antifragmente. Zwey Fragmente eines Ungenannten aus Herrn Lessings Beyträgen zur Litteratur abgedruckt mit Betrachtungen darüber. Nebst einigen Landkarten. Nürnberg, im Verlag der Johann Georg Lochnerischen Buchhandlung. 1788. – Fragmente und Antifragmente. Erster Theil. Neue Auflage. Nebst einigen Landkarten. Nürnberg in Verlag der E. C. Grattenauerischen Buchhandlung. 1788. Dçring, Heinrich, Die gelehrten Theologen Deutschlands im achtzehnten und neuzehnten Jahrhundert. Nach ihrem Leben und Wirken dargestellt von Dr. Heinrich Döring, Dritter Band N-Scho. Neustadt a. d. Orla bei Johann Karl Gottfried Wagner, 1833. Ernesti, Johann August [Vorwort]. In: Allgemeine Weltgeschichte von der Schöpfung an bis auf gegenwärtige Zeit, Bd. 1, Leipzig 1765, S. III–XIV. Forbes, John, Arnoldi Montani Forbesius Contractus, sive compendium Instructionum Historico-Theologicarum De Doctrin Christian & vari rerum statu ortisque erroribus & controversiis, jam inde temporibus Apostolicis, ad tempora saeculi decimi septimi priora. Studio Johannis Forbesii Corse Presbyteri & S.S. Theologiae Doctoris, ejusdemque Professoris in Academi Aberdoniensi. Amstelodami, Apud Aegidium Janssonium Valckenier, Anno 1663. Frçreisen, Johann Leonhard, Fröreisens Rathspredigt, Straßburg 1741. – Höchstnöthige und wohlgemeynte Warnung für der heut zu Tage grassirenden Zinzendorfischen Seelenpest, Straßburg 1742. – Johann Leonhard Fröreisens, Der H. Schrift D. und P. P. Capituli Thomani Canonici und E. E. Kirchen-Convents zu Strasburg Praesidis Vergleichung Des Graf Zinzendorfs Mit dem Mahomet, Welcher Die Bedencken der theol. Facultäten zu Altdorf, Giesen, Göttingen, Halle, Jena, Wittenberg, Und der Evangelischen Ministerien zu Augspurg, Hamburg, Lübeck, Nürnberg, Regenspurg und Ulm von dem Gräuel der Zinzendorfischen Lehren und Unternehmungen Auszugs-weise, nebst einigen andern dahin gehörigen Schriften des Verfassers beygefüget sind. Franckfurt und Leipzig 1748.

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Quellen

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gegeben// von EVERHARDO GUERNERO HAPPELIO// HAMBURG;// Gedruckt und verlegt durch Thomas von Wiering, Buchdrucker und Formschneider// bey der Börse/ im Gülden A. B. C. Im Jahr 1688. Hammer-Purgstall, Joseph von, Mohammed, Oder die Eroberung von Mekka. Ein historisches Schauspiel von dem Verfasser der Schirin und des Rosenöls, Berlin 1823. In der Schlesingerschen Buch- und Musikhandlung Unter den Linden No. 34. Hazzi, Joseph von, Ueber den Islamismus, das Türkenthum, dann die Sache der Griechen, und Europens Pflichten dabei, München 1822. Henningsen, Henning, Muhammedanus Precans, id est, Liber Precationum Muhammedicaru[m] Arabicus Manuscriptus. in Illustri Bibliotheca Gottorpiana inventus. Latinitate nunc donatus, & Notis illustratus, typisque mandatus & in lucem editus; Ut unusquisq[ue] videre poßit mirum & miserandum precandi modum, quo utuntur Muhammedani, ut Turcae, Persae, & qui sunt ex Tartaris, Indis Orientalibus, & Africanis, Religionis Muhammedicae sectatores & quae sint praecipua Doctrinae eorum Capita, ut quorum paßim sit mentio in Notis. intermixtis quoq[ue], hinc inde iis, quae spectant ad Sectam Judaeorum, & diversorum Christianorum, &c. / Authore Henningio Henningi[i], Husano Holsato, Sereniss. Slesw. & Holsat. Ducis nunc Regentis, Fratrisq[ue] ejus germani, Episcopi, & Coadjutoris Capit. Lubecensis, quondam Præceptore. Hinkelmann, Abraham, Al-Coranus S. Lex Islamitica Muhammedis, Filii Abdallae Pseudoprophetae. Ad optimorum Codicum fidem edita ex Museo Abrahami Hinckelmanni, Hamburgi. Officina Schultzio-Schilleriana, 1694. Hirt, Johann Friedrich, D. Johann Friedr. Hirts Orientalische und Exegetische Bibliothek. Erster Theil. Jena, bey Felix Fickelscherr, 1772. – D. Johann Friedr. Hirts orientalische und exegetische Bibliothek. Sechster Theil. Jena, bey Felix Fickelscherr, 1774. Holberg, Ludvig, Herrn Baron Ludewigs von Holberg Assessoris Consistorii und Professoris Publ. bey der Königl. Universtät zu Copenhagen Vergleichung der Historien und Thaten verschiedener insonderheit Orientalisch- und Indianischer Grosser Helden und berühmter Männer. Nach Plutarchi Beyspiel. Aus dem Dänischen übersetzet von I. F. S. Zweyter Theil. Copenhagen 1748. Verlegts Christian Gottlob Mengel. – Herrn Ludewig Holbergs Assessoris Consist. und Professoris Publ. bey der Königl. Universität zu Copenhagen Vergleichung der Historien und Thaten verschiedener insonderheit Orientalisch- und Indianischer Grosser Helden und berühmter Männer. Nach Plutarchi Beyspiel. Aus dem Dänischen übersetzet von I. F. S. Zweyter Theil. Copenhagen und Leipzig bey Jacob Preuß. 1741. – Herrn Ludewig Holbergs Assessoris. Consist. und Professoris Publ. bey der Königl. Universität zu Copenhagen Vergleichung der Historien und Thaten verschiedener insonderheit Orientalisch- und Indianischer Grosser Helden und berühmter Männer. Nach Plutarchi Beyspiel. Aus dem Dänischen übersetzet und mit einer Vorrede begleitet von I. F. S. Copenhagen 1741. Hottinger, Johann Heinrich, Historia Orientalis: quae ex variis orientalium monumentis collecta […]. Authore Joh. Henrico Hottingero, Tigurino. Tiguri, Typis Joh. Jacobi Bodmeri. Anno M DC LI. Hutchinson, Francis, Francisci Hutchinsons, … Dieners am Evangelio zu St. Jacobi in St. Edmunds-Bury, Historischer Versuch Von der Hexerey, In einem Gespräch Zwi-

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Literaturverzeichnis

schen einem Geistlichen, einem Schottländischen Advocaten und Englischen Geschwornen. Worinnen über würcklich geschehene Dinge vernünfftige Anmerckungen gemachet, die hieher gehörigen Stellen aus der Heil. Schrifft richtig erkläret und die gemeinen Irrthümer aufs bescheidentlichste widerleget werden; Nebst zwey vortrefflichen Predigten, … Und einer Vorrede Des Herrn Geheimbden Raths Thomasii / Aus dem Englischen ins Teutsche übersetzet … Von Theodoro Arnold, Leipzig Johann Christian Martini 1726. Jenkin, Robert, The Reasonableness and Certainty of the Christian Religion. Vol. I. By Robert Jenkin, D.D. late Lady Margaret’s Professor of Divinity and Master of St. John’s College in Cambridge. The Sixth Edition, Corrected. London, Printed für J.J. and P. Knapton, J. Brotherton, J. Hazard, W. Meadowes, T. Cox, W. Hinchcliffe, S. Birt, R. Williamson, W. Bickerton, T. Astley, S. Austen, L. Gilliver, and R. Willock. 1734. Kant, Immanuel, Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, vorgestellt von Immanuel Kant. Königsberg, bey Friedrich Nicolovius, 1793. Korte, Jonas, Jonas Kortens, ehemaligen Buchhändlers zu Altona, Reise nach dem weiland Gelobten Nun aber seit siebenzehn hundert Jahren unter dem Fluche liegenden Lande, Wie auch Nach Egypten, dem Berg Libanon, Syrien und Mesopotamien, Von ihm selbst aufrichtig beschrieben, Und bey dieser zweyten Auflage mit zwey Supplementen vermehret. Auf Kosten des Autoris. Halle, gedruckt bey Joh. Christian Grunert, 1743. King, Josiah, Mr. Blount’s Oracles of Reason, Examined and Answered, In Nine Sections. In which His many Heterodox Opinions are Refuted, the Holy Scriptures and Revealed Religion are Asserted, against Deism and Atheism, Exeter: Philip Bishop, 1698. Leß, Gottfried, Auferstehungs-Geschichte Jesu nach allen vier Evangelisten. Nebst einem doppelten Anhange gegen die Wolfenbütteler Fragmente von der Auferstehung Jesu; Und vom Zwecke Jesu und seiner Apostel. Göttingen, im Verlage bei Daniel Friedrich Kübler. 1779. – Beweis der Wahrheit der christlichen Religion von Gottfried Leß Doktor und Prof. Theol. Ordin. und Universitätsprediger zu Göttingen. Göttingen und Bremen, Verlegts Georg Ludewig Förster. 1768. Erweiterte Auflagen 1773, 1774, 1776. – Handbuch der Christlichen Religions-Theorie für Aufgeklärtere Oder Versuch einer Praktischen Dogmatik von Dr. Gottfried Less, Prof. Primar. der Theol. Dritte, sehr vermehrte und ganz umgearbeitete Ausgabe. Göttingen, in der Vandenhoek- und Ruprechtschen Buchhandlung. 1789. – Ueber die Religion. Ihre Geschichte, Wahl und Bestätigung in Dreien Theilen von Gottfried Leß der Theologie Dr. und Professor zu Göttingen. Mit Röm. Kaiserl. allergndädigster Freyheit. Göttingen, im Verlag der Witwe Vandenhoek 1784. – Ueber die Religion. Ihre Geschichte, Wahl und Bestätigung. Der Zweite Band, oder Beweiß der Wahrheit der Christlichen Religion; von Doktor Gottfried Less, Königl. Grosbrit. Konsistorial-Rath und Primarius der Theologie zu Göttingen. Mit Röm. Kaiserl. allergnädigster Freiheit. Göttingen, im Verlag der Witwe Vandenhoek 1785. Lessing, Gotthold Ephraim, Werke und Briefe in zwölf Bänden. Hg. v. Wilfred Barner zusammen mit Klaus Bohnen u. a., Frankfurt/M. 1985 ff. – G.E. Leßings Schriften. Dritter Teil, Berlin 1754. M nnlingen, J. C., Dapperus Exoticus Curiosus. Das ist des viel-belesenen Hn. Odoardi Dapperi Africa- America- und Asiatische Curiositäten, Frankfurt/M. 1717/1718.

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Nerreter, David, Dissertatio physica de fontium origine, quam Divini Numinis auxilio, Consentiente Amplissimo Philosophorum Ordine Pro Receptione in Facultatem In Illustri Regiomontana placide Eruditorum disquisitioni submittit praeses M. David Nerreter, Potea Laur. Czs. Norimbergensis, respondente Jacobo Auschwitz, MariaeInsula Prusso. In auditorio Philosophico. Ad d. Martii A. C. 1673. Regiomonti typis exscripsit Josua Segebad. Anno M. DC. LXXIII. – David Nerreters Neu eröffnete Mahometanische Moschea, worinn nach Anleitung der VI. Abtheilung von unterschiedlichen Gottes-Diensten der Welt, Alexander Rossens, Erstlich Der Mahometanischen Religion Anfang, Ausbreitung, Secten, Regierungen, mancherley Gebräuche, und vermuthlicher Untergang, Fürs andre der völlige Alkoran, Nach der besten Edition Ludovici Marraccii, verteutscht, und kürzlich widerlegt wird. Nüernberg, In Verlegung Wolffgang Moritz Endters. Gedruckt bey Johann Ernst Adelbulner. An. 1703. – David Nerreters Schau-Platz Der Streitenden doch unüberwindlichen Christlichen Kyrchen, Auf welchem, Nach Anleitung der VII. Abtheilung des unterschiedlichen GOttes-Diensts, Alexander Rossens, Der Christlichen Kyrchen Anfang, Fortgang, Ausbreitung, Verhinderung, Verfolgung, Verwirrung, Kätzereyen, Spaltungen, deren Ursachen, und wie solche durch GOttes Gnade zu heben, und die zertrennten Myrchen ohne Syncretisterey waarhafftig zu vereinigen, vorgestellet wird. Nürnberg, In Verlegung Wolffgang Moritz Endters. Gedruckt bey Johann Ernst Adelbulnern. Anno 1707. – Der Wunderwürdige Juden- und Heiden-Tempel, Darinnen derselben Gottes- und Götzen-Dinst eröffnet und gezeigt wird. Anfangs vom Alexander Roßen in Englischer Sprach beschrieben, Nunmehro aber verbessert, und, mit vielem Zusatz vermehret, ausgeführt von David Nerreter. Samt dessen Bericht Vom Ursprung der Abgötterey, wie auch von denen Poetischen Fabeln, und deren Bedeutung. Wodurch der Daifel, als GOttes aff, mit seiner List und Verführung vorgestellt, und alles gründlich untersucht wird. Nürnberg, In Verlegung Wolfgang Moritz Endters Gedruckt bey Johann Ernst Adelbulner. An. M. DCCI. Nicholls, William, A Conference with a Theist. Containing an Answer to All the most Usual Objections of the Infidels Against the Christian Religion. In Four Parts. By William Nicholls, D.D. London, Printed by T. W. for Francis Sanders at the Blue-Abchor in the New-Exchange; and Thomas Bennet at the Half-Moon in St.-Paul’s Church-Yard, 1697–1698. Neu-eröffnetes Amphitheatrum Turcicum, Worinnen Der Kern Türckischer Geschichten, Von Grundsetzung ihrer Religion und Reiches, ihrem Propheten Mahomed, seinen Nachfolgern oder Caliphen, Türckischen Käysern. ihren, wie auch einiger ihrer vornehmen Ministers seltsamen Fatis, geführten blutigen Kriegen, erstaunlichen Conquesten, Vertilgung der Christlichen Käyserthümer und derer Monarchen, Ab- und Zunehmen ihres Staats, blutigen Belag- und Eroberungen, grausamen Schlachten, unmenschlicher Grausamkeit, Hochmuth, Krieges-Listen, wie auch von den Christlichen Victorien wider dieselben etc. etc. Kurtz, doch hinlänglich, mit Historischer Feder biß auf die allerneueste und gegenwärtige Zeiten beschrieben, mit vielen Figuren und deren Beschreibung ausgeschmückt, darzu mit dem nöthigen Register versehen wird. Erffurth, Gedruckt und verlegt von Johann Michael Funcken, 1724. Neu-eröffnetes Amphitheatrum, Worinnen II. Aus dem gantzen Africa Alle Nationen Nach ihrem Habit in saubern Figuren repräsentiret: Anbey Die Länder nach ihrer Situation,

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Literaturverzeichnis

Climate, Fruchtbarkeit, Inclination, und Beschaffenheit der Einwohner, Religion, vornehmsten Städten, Ertz-Bisthümern, Universitäten, Häfen, Vestungen, Commercien, Macht, Staats-Interesse, Regierungs-Form, Raritäten, Müntzen, Prætensionibus etc. etc. aufgeführet sind, Und welches mit Zuziehung der Land-Charten, zu vieler Belustigung, vornehmlich aber der studierenden Jugend, als ein sehr nützliches und anmuthiges Compendium Geographicum, Genealogicum, Heraldicum, Curiosum, Numismaticum, kan gebraucht werden. Erffurth, Gedruckt und verlegt von Johann Michael Funcken, 1723. Neu-eröffnetes Amphitheatrum, Worinnen III. Aus dem gantzen America Alle Nationen Nach ihrem Habit in saubern Figuren repräsentiret: Anbey Die Länder nach ihrer Situation, Climate, Fruchtbarkeit, Inclination, und Beschaffenheit der Einwohner, Religion, vornehmsten Städten, Ertz-Bisthümern, Universitäten, Häfen, Vestungen, Commercien, Macht, Staats-Interesse, Regierungs-Form, Raritäten, Müntzen, Prætensionibus etc. etc. aufgeführet sind, Und welches mit Zuziehung der Land-Charten, zu vieler Belustigung, vornehmlich aber der studierenden Jugend, als ein sehr nützliches und anmuthiges Compendium Geographicum, Genealogicum, Heraldicum, Curiosum, Numismaticum, kan gebraucht werden. Erffurth, Gedruckt und verlegt von Johann Michael Funcken, 1723. Neu-eröffnetes Amphitheatrum, Worinnen Nach dem bei uns bekanten gantzen WeltCreiß, Alle Nationen Nach ihrem Habit, in saubern Figuren repräsentiret, Anbey die Länder nach ihrer Situation, Climate, Fruchtbarkeit, Inclination und Beschaffenheit der Einwohner, Religion, vornehmste Städte, Ertz-Bistümer, Universitäten, Häfen, Vestungen, Commercien, Macht, Staats-Interesse, Regierungs-Form, raritäten und Müntzen beschrieben sind. Und welches mit Zuziehung der Land-Charten, zu vieler Belustigung, vornehmlich aber der studirenden Jugend, als ein sehr nützliches und anmuthiges Compendium Geographicum, genealogicum, Heraldicum, Curiosum Numismaticum; kann gebraucht werden. Neu-eröffnetes Amphitheatrum, Worinnen aus dem südlichen Asia Die meisten Nationen Nach ihrem Habit, in sauberen Figuren repräsentieret. Anbey die Länder nach ihrer Situation, Climate, Fruchtbarkeit, Inclination und Beschaffenheit der Einwohner, Religion, vornehmste Städte, Ertz-Bistümer, Universitäten, Häfen, Vestungen, Commercien, Macht, Staats-Interesse, Regierungs-Form, Raritäten und Müntzen beschrieben sind. Und welches mit Zuziehung der Land-Charten, zu vieler Belustigung, vornehmlich aber der studirenden Jugend, als ein sehr nützliches und anmuthiges Compendium Geographicum, Genealogicum, Heraldicum, Curiosum Numismaticum; kann gebraucht werden Erfurth, Gedruckt und verlegt von Hohann Michael Funcken, 1728. Ockley, Simon, Professor Ockley’s History of the Saracens. In two Volumes. To which is prefixed, An Account of the Arabians or Saracens, of the Life of Mahomet, and of the Mahometan Religion; by a learned Hand, Cambridge 1757. – The History of the Saracens; Comprising the Lives of Mohammed and His Successors, to the Death of Abdalmelik, the Eleventh Caliph. London, 1857. – Simon Ockley’s, M.A. Vicarii zu Swavesey in Cambridgeshire, Geschichte der Saracenen, oder ihre Eroberung der Länder Syrien, Persien und Egypten. Worinnen die Lebensbeschreibungen der drey unmittelbaren Nachfolger des Mahomets: Ihre merckwürdigsten Schlachten und Belagerungen, und andere zur Erläuterung der Religion,

Quellen

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Zeitschriften und Rezensionsorgane Acta Historico-Ecclesiastica Allgemeine deutsche Bibliothek Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur Bunzlauische Monathsschrift zum Nutzen und Vergnügen Erlangische gelehrte Anmerkungen und Nachrichten Erlangische gelehrte Zeitung Frankfurter gelehrte Anzeigen Frankfurter gelehrte Zeitung Freye Urtheile und Nachrichten zum Aufnehmen der Wissenschaften und Historie überhaupt Gemeinnützige Betrachtungen der neuesten Schriften, welche die Religion, Sitten und Besserung des menschlichen Geschlechts betreffen Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen Hamburgische Berichte von Gelehrten Sachen Jenaische Auszüge aus den merkwürdigsten neuesten Schriften Journal von und für Deutschland Der Königl. Dänischen Missionarien aus Ost-Indien eingesandter Ausführlichen Berichten, Von dem Werck ihres Amts unter den Heyden Kurtze Nachricht Von den Büchern Und Deren Urhebern in der Stollischen Bibliothek Nachrichten von einer hallischen Bibliothek Nachrichten von den neuesten Theologischen Büchern und Sachen Neue allgemeine deutsche Bibliothek

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Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen Wöchentliche Hallische Anzeigen

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Index der Namen Der Index enthält Namen in den Schreibweisen, in denen sie in den Quellen auftauchen sowie in weiteren, heute u¨ blichen Schreibweisen. In diesem Buch werden diverse Namen also recht unterschiedlich geboten. Vor allem die jeweils in den Quellen des 18. Jahrhunderts verwendeten Schreibweisen werden als eigene Aussagen angesehen (vgl. dazu die Einleitung zu diesem Buch). Doch auch heutige Umschriften und Schreibweisen markieren jeweils so etwas wie Namensgebungen. Dies ist vor allem auffällig beim Namen des Propheten, der im Gesamttext des Buches in folgenden 19 Schreibweisen auftaucht, die im Register einzeln aufgeführt werden und dem entsprechend aufgesucht werden müssen: MAchomet – Mahammed – Mahmet – Mahoma – Mahomed – Mahomet – Mahometh – Mahumet – Mhmmd – Mohamed – Mohamet – Mohammed – Moh mmed – Muhamed – Muhamet – Muhammad – Muhammad ˙ – Muhammed – Muhammet. Weitere Namen wie die folgenden gehören zusammen und sind dem entsprechend mehrfach im Register aufzusuchen. Wo es sinnvoll möglich war, wurde nach dem Schema Nachname, Vorname verfahren. Nicht immer werden mit Namen historische Persönlichkeiten bezeichnet (z. B. Nicolai Klim, Nathan, Odin, Oedipus, Zopire u. a.m.). 1.

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Abdala – Abdia Ben Salon – Abdollah Ebd Salem – Salman der Persianer – Abdala Selen – Abdolla Abu Beker – Abu Bakr Abu Taleb – Abu Talib Abul Faragius – Gregorius Abulfaragius – Gregorius Bar-Hebraeus – Abu¯ l-Faragˇ Ibn al-’Ibrı¯ Abul Feda – Abu’l-Fida – Abdulfeda – Ismael Abu’l-Feda Abunazar – Abu¯ Nasr Muhammad al-Fa¯ra¯bı¯ Ahmed filius Zain Alabedin – Ahmed Ebn Zin – Zain-al’Abidı¯n Al Jannabi – Abu¯ Sa’ı¯d al-Hasan ˇ anna¯bı¯ ˙ ibn Bahra¯m al-G Al Kodai – Muhammad ibn Sala¯ma al-Quda¯’ı¯ ˙ ˙

10. Angelus a S. Joseph – Joseph de la Brosse 11. Anquetil du Perron – Abraham Hyacinthe Anquetil-Duperron 12. Arrivabene, Andrea – Arrivabenius, Andreas 13. Bahira – Bohaira – Bairam – Sergius 14. Bartholomaeus Edessenus – Bartholomäus von Edessa 15. Baul-Amivillers – Henri de Boulainvilliers, 16. Bellonius – Pierre Belon 17. Bidawi – al-Baida¯wı¯ 18. Bobovius – Wojciech Bobowski – Ali Utki 19. Bradwardinus – Thomas Bradwardine 20. Buddeus – Budde , Johann Franz

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Index der Namen

21. Cantacuzen – Johannes VI. Kantakuzenos 22. Chadiga – Chadigha – Cadigha – Chadige – Chadizia – Chadije 23. Constantinus Porphyrogenitus – Konstantin VII. 24. Ekchellensis – Abraham Ecchellensis 25. Eutychius – Eutychios von Alexandria – Sa’id ibn Batriq 26. Euthymius Zigabenus – Euthymius Zigabenos – Zygadenos 27. Franziskus Ximenius – Francisco Kardinal Jimenez de Cisneros 28. Gabriel Sionita – Gabriel Sionit – Jibra¯’ı¯l as-Sahyu¯nı¯ ˙ ˙ 29. Garc a (Garzia), Mart n – Martinius 30. Gejer – Martin Geie 31. Georgius Elmacin – Girgis AlMakin – Ibn al-’Amid 32. Guadagnol – Filippo Guadagnoli 33. Gualtherus – Balthasar Walter 34. Hermannus Dalmata – Hermann von Dalmatien/von Carinthia 35. Hieronymus Osorius – Jer nimo Os rio 36. Hoornbeek, Johannes – Hoornbeckius 37. Ican Miches – Ican d‘Espagne 38. Jacob Golius – Jacob van Gool 39. Johannes Andreas Maurus – Juan Andr s – Johannes Andreas Aaron 136, 142 f., 168 f. Abdal 46 Abdala Motalib 45 Abdala Selen 72 Abdall 433, 442, 469 f., 502 Abdalla 41, 124, 134 f., 339, 515 Abdallah 218, 438 Abdalmelik 309 Abdel-Samad, Hamed 25, 514

40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57.

– Johann Andrea – Giouan Andrea gia Moro Johannes Damascenus – Johannes von Damaskus Johannes Forbesius – John Forbes Johannes Leunclavius – Johannes Löwenklau Johannes Maccovius – Jan Makowski Kedrenos – Georg Cedrenus Kedrenos – Georg Cedrenus Martinius – Matthias Martinus Nicolao de Cusa – Nikolaus von Kues Pater Richard – Ricoldo Peninni – Ricoldus de Monte Croce Paulus Diaconus – Paul Warnefried Pierre de la Cavalaeri – Petrus de la Cavalleria Polydorus Vergilius – Polydor Vergil Raffaello Maffei – Volaterranus Seldenus – John Selden Spinosa – Spinoza – Baruch de Spinoza Thomas a Jesu – Tom de Andrade – Tome de Jesus Thomas Artus – Artus Thomas Vincentius Bellovacensis– Vinzenz von Beauvais

Abdia 134 Abdia Ben Salon 72 Abdiam 116 Abdias 150, 229 Abdolla 72 f. Abdollah Ebd Salem 72 Abdollah Ebn Salem 108 Abdorrachman 192 Abul Faragius (Abul Faradsch, Abulfaraj,

Index der Namen Abulfaray), Gregorius 64, 67, 68, 75, 181, 196 f., 477, 551 Abul Feda (Abulfeda, Abu l-Fida), Ismael 64, 67, 68, 75, 181, 212, 227, 233, 254, 257, 304, 373, 392, 411, 415, 427, 444, 448, 477, 551 Abdullah, Muhammad Salim 33, 107 Abisenna 448 Abilpharagius 448 Abraham 24, 56, 60, 66, 68, 75, 142, 144, 162, 191 f., 197, 217, 253, 272, 274, 277, 316, 416, 448, 517 Abu Bakr (Abu Beker, Abubeker) 70, 162, 231, 247, 252 f., 393, 395 Abu¯ l-Faragˇ Ibn al-’Ibrı¯ 64, 196 ˇ anAbu¯ Sa’ı¯d al-Hasan ibn Bahra¯m al-G ˙ na¯bı¯ 64 Abu Taleb (Talib) 65–67, 132, 134, 319 Abunazar 64, 75, 196, 198 Achill 206 Achmed, Schahabaddin Abulabas 167, 186, 197, 200 Achmet I. 185 Achmeth II. 185 Achmet III. 185 Ackers, C. 300, 469 Acoluthus, Andreas 119 Adam 68, 162, 191 f., 197, 238, 316, 323 f., 448, 484, 519 f. Addisons, Joseph 301 Adelbulner, Johann Ernst 127 f. Adelung, Johann Christoph 258, 421 Adesora 46 Agag 111 Ahab 282 Ahasver 168 Ahmed Ebn Zin 64, 76 Ahmed filius Zain Alabedin 64 Aikin, John 80 Aischa 170, 217, 247 ˇ anna¯bı¯ (al-Dschanna¯bı¯), Abu¯ Sa’ı¯d alal-G Hasan ibn Bahra¯m 64, 415 ˙ al-Baida¯wı¯ 64 Al Baki 391, 419 al-Fa¯ra¯bı¯, Abu¯ Nasr Muhammad 64, 198 al-Faraj, Bar Evra‘y Abu 477 Al Jannabi 64, 75

553

Al Kodai 64, 75 al-Makin, Girgis 64, 115, 151, 196 al- Quda¯’ı¯, Muhammad ibn Sala¯ma 64 ˙ ˙ Alexander, Gerhard 127, 207, 246, 250, 280, 282, 353, 441, 453, 468 Alexander der Große 511 Algazil 163 Ali 134, 162, 202, 214, 231 Ali-Bei (Ali-Beigh) 181 Alt, Peter-Andr 460, 550 Alvarus, Petrus 486 Alzobeir 192 Amundsen, Leiv 222 Amurat (Sultan) 232 Amurath I. 185 Amurath II. 185 Amurath III. 185 Amurath IV. 185 an-Nasafı¯, Najm al-Dı¯n 508 Anderlik, Heidemarie 31 Andr , FranÅois de Saint 300 Andrea, Giouan (Johanne) 40, 42, 49, 196 Andreas, Johannes 45, 67, 72, 76, 126, 140, 164, 166, 169, 313, 392 Andr s, Juan 40 f., 45–49, 64, 151, 157, 164, 196, 489, 504, 518 Angelus a S. Joseph 163 f. Anglus, Johannes Galensis 140, 151, 196 Anquetil-Duperron, Abraham Hyacinthe 474 Anz, Heinrich 205–208, 210, 225 Aristoteles 94, 429 Arius 137, 232, 364 Arnaud, Fr. 307 Arndt, Johann 228, 230, 269, 271, 288, 497 Arnold, Gottfried 113 f., 114–123, 172, 219, 227, 235, 279, 287, 298–309, 324–329, 331–333, 335, 373, 375, 491 f., 495, 498 f., 501, 505 Arnold, Theodor 114–123, 227, 235, 257, 279, 286 f., 298–311, 321, 324–329, 331–333, 335, 373, 375, 383, 387, 425, 491 f., 495 f., 498 f., 501, 505 Arouet, FranÅois-Marie 471 Arrivabene, Andrea 141, 313, 424 Arrivabenius, Andreas 141 Artus, Thomas 163

554

Index der Namen

As-Sahyu¯nı¯, Jibra¯’ı¯l 200 ˙ ˙ Asˇ-Sˇahrastani 24, 366 Astley, T. 395 Athanasius 232 Attia, Iman 22, 28 August der Starke 51, 54, 62, 490 Augustin 232, 300 Augustinus 271 Flavius Mauricius Tiberius (Kaiser) 130 Auschwitz, Jacob 124 Austen, S. 395 Ayeisha 303 Azaziel 167

102,

Baader, Clemens Alois 124 Bach, J.A. 132, 409 Bahira 66, 72 f., 108 f., 149, 213, 364, 516 Bahiram 135 Bahrdt 429 Bairam 116 Bajazeth II. 185 Bajazetz 185 Baldwin, R. 412 Bar-Hebraeus, Gregorius 196, 477 Bar Kochba, Simon 350 Barner, Wilfried 354 Barthes, Roland 352 Barz, Christiane 205, 225 Baudier, Michael 134, 164, 169 Bauer, M. 427 Baul-Amivillers, Graf von 233 f., 254 Baumgarten, Siegmund Jacob 261, 286, 326 f., 333, 357–359, 362, 365, 372, 375, 391, 398–402, 412, 499 f. Bautz, Friedrich Wilhelm 147 Bayle, Pierre 29, 147 f., 151 f., 195 f., 218, 221, 239, 289–297, 321, 360, 369–371, 377, 380 f., 384, 395, 405 f., 415, 444, 487, 493, 497, 499 Beaumonts, John 299 Beauvais, Vinzenz von, 64, 361 Beck, Christian Daniel 508–510 Beer, Johann Christoph 196, 202 Bekker, D. 299 Bellarmino, Francesco 163 f. Bellonius 64, 67, 72

Bellovacensis, Vicentius 64, 72 Belon, Pierre 64 Benedikt XIV. 352 Benedikt XVI. 35 Bengel 261 Bennet, Thomas 85 Bennett, Clinton 21, 32 Bentheim (Benthem), Heinrich Ludolph 50 Benzing, Josef 55 Bergunder, Michael 23, 523 Berman, Nina 20, 25 Bernard, Jaques 289 Berthelin, Chez Jean 134 Bertram, Joachim Christoph 398 f., 401 f. Beschnitt, Wolfgang 205, 225 Beutel, Albrecht 451 f., 466 Beyreuther, Erich 114 Bibliander, Theodor 72, 122, 140 f., 157, 171, 313, 373, 424 Bickerton, W. 395 Bidawi 64, 72 Bileam 284 f. Bircher, Martin 50 Birt, S. 395 Blaufuß, Dietrich 122 Blount, Charles 83, 85, 88, 104 Bobovius 164, 181 Bobowski, Wojciech 164, 181 Bobzin, Hartmut 34, 41 f., 46 f., 58, 125, 153, 310, 327, 410, 421, 429, 469, 489 Bochart 158 Bochinger, Christoph 310 Bodmer, Johann Jakob 132, 531 Bohairam (Boheira) 135, 382, 389 Böhlke, E. 207 Böhme, Anton Wilhelm 274 Böhme, Jakob 122 Bokenham, Bridget 80 Böse, Johann Georg 56 f., 134, 145, 155, 157, 161 f., 165, 169, 265, 295, 401, 435 Bosius, Johann Andreas 200 Boulainvilliers, Henri Bernard Comte de 196, 203, 226 f., 233–254, 256 f., 286 f., 295–297, 300–302, 304, 306, 308 f., 311, 314, 326–328, 331 f., 349 f., 355, 373 f.,

Index der Namen 378 f., 385, 388 f., 392, 397, 401 f., 415, 444, 470 f., 478–480, 496–498, 504 f. Boyer, Jean Baptiste de 470 f. Boynd, Andreas 260 Boysen, Friedrich Eberhard 105, 161, 324, 429–439, 442–452, 469 f., 499, 502, 506, 521 Bradwardine, Thomas 164 Bradwardinus 164, 166 Breitkopf, Bernhard Christoph 289, 405 Brockhaus, Friedrich Arnold 37, 507 Broedelet, Guielmus 177, 469 Brosse, Joseph de la 163 f. Brotherton, J. 395 Bruno, Giordano 209 Brutus 352 Bucer, Martin 156 f. Budde, Johann Franz 147, 151 Buddeus, Johann Franz 147–151, 289, 334, 456, 493, 504 Büffon, de 18 Buffon, Georges Louis Leclerc Comte de 18 f. Bunyan, John 269, 271 Burke, Peter 31 Burnet, Thomas 83 Busbeck, Augerius Gislenius 17, 215 Busbek 17 f. Busbequius, Augerius Gislenius 18, 169, 181, 215 Busby, Richard 80 Caab 63, 74 Cadhige 359–361 Cadiche 198 Cadigha 63, 66–68, 76, 213 Cadisha 211, 217 Caelius, Christian 42, 44 Caesar 156, 158 Caleb 107 Caligula 173 Calixt, Georg 140 Callenberg, Johann Heinrich 307, 372, 429, 433, 448 Calvin, Johannes 156 f. Campo, John Eduardo 37 Cantacuzen 64, 72

260, 274,

555

Cappell, Rudolf 40 Cardano, Geronimo 366, 369 Cardanus, Hieronymus 357, 365–367, 369 f., 499 f. Cardini, Franco 32, 512 Carolus 310 Carteret, John Lord 311 Cartouche 284 Cartwright, Thomas 136 Cäsar 208, 250, 280, 511 Castellus 158 Castle, Edward 82, 302 Cedrenus, Georg 115, 151, 164 f., 196 Celsus 93 Chadiga 131, 133, 150 f., 515 Chadige 135 Chadigha 131, 133, 198, 291 Chadighe 360 Chadija 303 f. Chadijah 247 Chadije 247, 251 f. Chadizia 170 Chaffa 170 Charlier, Robert 207 Chalmers, Alexander 80 Charondas 307 Cherbury, Edward Herbert of 83, 467 Cicero 94 Clarke, Samuel 473 Clauß, Alexander 24, 523 Coccejus, Johannes 105 Collins, B. 412 Constantius Porphyrogentius (Porphyrogennetos) 164, 171, 411, 552 Coote, J. 412 Cox, T. 395 Cranmer, Thomas 271 Croix, FranÅois P tis de la 420 Cromwell, Oliver 481 Crowder, S. 383, 412 Cusa, Nicolao de 163 f., 169 Cusanus 35, 72 Cyprian, Ernst Salomo 120 f., 123, 491 Cyranka, Daniel 368, 460, 466, 484 Dadichi, Karl Rali 310 Dalmata, Hermannus 64, 72, 140

556

Index der Namen

Dalmatien, Hermann von 40, 64, 140, 183, 187 Damascenus, Johannes 151, 164 f., 196, 232 Damaskus, Johannes von 66, 151, 164, 196, 232 Daniel 137–139, 222, 250, 269 Dapper, Olfert 196 f., 200, 202 f. d‘Argens, Marquis 470 f. Darius 222 Davenport, Richard Alfred 310, 381 Davey, P. 383 David 56, 108, 144, 157, 162, 191, 228, 261, 272, 295, 323, 421–423, 490 de Andrade, Tom 163 de Antiochia, Johanne 59 de Busbecq, Ogier Ghislain 18, 215 de Larroque, Daniel 79 de Rada, Rodrigo Jim nez 478 de Spinoza, Baruch 83, 87 Deutsch, Andreas 21, 30 f., 34, 36, 40, 42, 50, 63, 79, 100, 105, 123, 125, 151, 153 f., 197, 206, 228, 232, 288 f., 300 f., 304, 310 f., 326, 332, 337, 347, 371, 374, 401, 405, 408–410, 424–426, 429, 433, 438, 466, 493, 498 f. d‘Herbelot de Molainville, Barthelemy 196, 254, 478 d‘Holbach, Paul Henri Thiry 483 d‘Ohsson, Ignatius Mouradgea 509 Diaconus, Paulus 115, 151, 232 Dimmock, Matthew 25, 35, 63, 323, 350, 352 Dippel, Johann Konrad 348 Döderlein, Johann Christoph 451–454, 457–465, 472 f., 475, 485, 503, 511 Don Alonzo 106 Döring, Detlef 194, 529 Döring, Heinrich 124, 330, 430, 548 Doumic, Ren 226 Dschingis Khan 208, 210 du Perron, Anquetil 474 du Ryer, Andr 125, 140, 164, 169 f., 313, 424 f. Dufresnoy 358 Dunkel, Johann Gottlob Wilhelm 28, 40 f. Dzudzek, Iris 21

Eberhard, Johann Friedrich 58, 431, 458 Ebrahim, Aly 135 Ecchellensis, Abraham 151 Edessa, Bartholomäus von 64, 117, 164, 168 Edessenus, Bartholomaeus 64, 67, 76, 164, 166, 170 Edwards, John 46 Ehmann, Johannes 100 Ehrharth, Jacob 81 Ekchellensis 151 Eke, Norbert Otto 36 Elhosain, Abu-Muhammed 434 Elias 136, 197 Ellis, Harold A. 226 Ellis, John 89 Ellison, Keith 311 Elmacin, Georgius 64, 67 f., 72, 75, 115, 151, 196, 199, 214, 477 Elmarsafy, Ziad 20, 22, 25, 352 Endter, Johann Andreas Endter, Johann Andreas 126–128, 140, 538 Endter, Wolfgang Moritz 127 Enoch 136 Ernesti, Johann August 409 f., 412 f. Ernst, Friedrich Joseph 120, 262, 305, 321, 328, 331, 430, 468 Erpe, Thomas van 198, 477 Erpenius, Thomas 115, 151, 158, 173, 198, 373, 477 Espagne, Ican d’ 164, 166 Estermann, Monika 299 Eulogius 486 Euthymius 170 Eutychius (von Alexandria) 64, 75 Ewald, Heinrich 21 Fabre, Jean Claude 330 Fahlenius, Eric 81 Faradsch, Abul 373, 477 Faragius, Abul 64, 67 f., 75, 181 Fatima 135, 214 Feda, Abul 64, 67 f., 75, 181, 227, 374 Feil, Ernst 23 Felix (Abt) 52, 133 Fell, John 80, 85, 412

Index der Namen Ferdinand, Karl Wilhelm 46, 433 Ferdinand II 45 f. Ferguson, Adam 368 Ficino, Marsilio 118 Fick, Monika 25 Fickelscherr, Felix 428, 437 Figuerola, Mart n de 41 Finch (Lord) 80 Fisch, Michael 124, 310, 421, 429 Fischer, Andreas 22, 25, 92 Fleischer, Dirk 451 Fleischer, Gerhard 421 Fleischer, Johann Georg Benjamin 509 Fleury, Claudius 329–332, 352 Florius, Lucius 80 Forbes, John 151, 157, 196, 232 Forbesius, Johannes 136, 151, 157, 196, 232 Forschenberg, Emil 20, 81, 101, 176, 460, 494 Forster, Georg 18 Förster, Georg Ludwig 153, 172, 466 Förster, Nicolaus Förster, Nicolaus 153, 155, 172, 466 Forstner, Martin 41 Foucault, Michel 20 Francheville, Joseph Du Fresne de 17 f. Francke, August Hermann 50, 260 f., 271, 307, 311, 334, 372, 410, 427, 487 FranÅois, E. 207, 295, 304, 404, 500 Franckenstein, Jacob August 195 Frankl, Ludwig August 37 Freund, Gerhard 18, 37, 41 f., 74, 108, 120, 134 f., 166, 198, 214, 248, 260, 289, 293, 300, 339, 348, 353, 356, 430, 433 f., 442, 446, 449 f., 453, 465 Friedrich I. 125, 127 Friedrich II. 349 f., 355, 404 Friedrich (Fridericus) III. 51 Fries, Adelaide Lisetta 260 Fritsch, Thomas 36, 49, 62 f., 79, 105, 113 f., 119, 147, 405, 490 f., 493 Fröreisen, Johann Leonhard 261, 286, 288, 334–339, 341, 343–347, 498, 504 Froriep 426, 431, 433, 442 Fück, Johann 26, 153, 420, 439

Funcke, Johann Michael 193

557 182–184, 188 f.,

Gagnier, Jean 227, 254, 256, 304, 308, 332, 349, 373 f., 385, 390, 392, 401, 415, 444, 478 f. Galen 196 Gall, Lothar 26 Gallet, George 79 Garbe, Johann Gottlieb 422, 431, 439, 469 Garc -Monge, Isabel 49 Garcia, Elisa Ruiz 49 Garc a (Garzia), Mart n 41, 46 f. Gatterer, Johann Christoph 413, 510 f. Gawlick, Günther 290 Gebauer, Johann Justinus 327, 373, 376, 397–399, 432 f., 442, 469 f. Gebhardi, Ludwig Albrecht 413 Geier, Martin 137, 228 Gejer, Martin 137 Gellert 195, 410 Genebrardus 156 Ghobrial, John-Paul 311 Giacomo IV. Antonio 46 Gilliver, L. 395 Gleim, Johann Wilhelm Ludwig 431, 434–436, 442 f., 448–450, 502, 521 Goer, Charis 21, 36, 371 Goethe, Johann Wolfgang von 23, 25, 28, 36, 180, 350–352, 371, 410, 428 Goetze, Johann Melchior 372, 452 f. Göhler, Jonas 423 Golius, Jacob 64, 158, 434 Gollner, Christian Friedrich 399 Gool, Jacob van 64, 434 Göttert, Karl-Heinz 31 Gottsched, Johann Christoph 147, 195, 289 f., 294–297, 353, 369, 405, 497 Götze, Johann Melchior 127, 132, 216, 237, 264, 283, 303, 312, 317, 320, 322 Grandner, Margaret 27 Gray, John 409, 411–413, 451, 478, 500 Gregor IX. 165 Greilich, Susanne 33 Grelot 167 Groschuff, Friedrich 49 f. Grotius 213, 218, 456

558

Index der Namen

Gruber, Christiane 513 Grunert, Johann Christian 261 f., 303 Guadagnol 64, 67, 72, 76, 200 Guadagnolus, Filippus 200 Gualtherus 163, 165 Gudarz 168 Gunny, Ahmad 22, 256 Guthrie, William 409, 411–414, 451, 478, 500 Guthry, William 409, 443 Hackspan, Theodoricus 508 Hafsa 217 Hagar 45, 136, 277 Hali 192 Haman 168 Happel (Happelius), Eberhard Werner 58 f., 61 Harot 167 Harut 322 Hascem 135 Haug-Moritz, Gabriele 22 f. Hazard, J. 395 Hazzi, Joseph von 507 Heider, Wolfgang 232 Helfricht, Jürgen 52 Henningsen, Henning 436 Henoch 191, 238 Hentrich, Martin 429 Heraclius 60, 395, 517 Herbers, Klaus 48 Herder 356, 404, 410, 428 Herissant, Jean-Thomas 361 Herostrat 338 Heumann, Christoph Gottlieb 330 Heyne, Christian Gottlieb 409–420, 443, 451, 500 f. Hiepe, Christian Gottlieb 330 Hilmes, Carola 24 Hinchcliffe, W. 395 Hinckelmann, Abraham 124, 218, 505 Hinkelmann, Abraham 124, 425, 434, 437 f. Hinz, Jakob Friedrich 408, 420 Hiob 292 Hirt, Johann Friedrich 259, 426, 428, 433, 437, 439, 442

Hitch, C. 383 Hobbes, Thomas 83, 86, 467 Höfert, Almut 23, 25 Hoffmann, Siegm. Heinrich 288, 336, 348 Hofmann, Michael 21, 36, 371 Holberg, Ludvig 79, 100, 204–225, 347, 393, 495 f., 504 Holt, Peter Malcom 64 f., 78, 80 f., 302, 306, 310 Homar 55 Homer 206 f., 449 Homologetes, Theophanes 164, 196 Hoornbeckius 152, 157, 196 Hoornbeek, Johannes 152, 157, 196 Hornbeck 157, 196, 424 Horsch, Silvia 23, 28, 366, 369–371, 420, 486–488 Hottinger, Johann Heinrich 69, 115, 131 f., 151, 159, 163, 181, 196, 232 Hourani, Albert 23 Howaireth 412 f. Hud 144 Humbert, P. 227 Hume, David 467 Huntington, Samuel 514 Hurter, Benedict 120, 524 Hurter, Emmanuel 120, 524 Huß, Johan 284 Hutchinsons, Francis 299 f. Hutter, Manfred 35 Hyde, Thomas 164, 166 f. Iblis 167 Ibn al-’Amid 64, 115, 151, 196, 477 Ibn Arabschah 448 ibn Batriq, Sa’id 64 ibn Tophail, Aba Siafar 163 Ibn Zohair, Caab 448 Ibrahim 185 Idris 162, 191 Isaak 56, 66, 136 Isabella I. 45 f., 546 Isebel 282 Ismael 66, 68 f., 116, 136, 142, 197, 227, 253, 304, 373, 416, 445

Index der Namen Jacob 142, 195, 271, 409–411, 413, 434, 500 f., 506 James II. 80 Jan van Leyden 350 Jansen, Hans 34 Jaquelot, Isaac 289 Jaspert, Nikolas 48 Jefferson, Thomas 311 Jehu 278, 282 Jenkin, Robert 394 f. Jerusalem, Johann Wilhelm 53, 95, 108, 111, 131, 139, 165, 214, 238, 254 f., 259–261, 346, 358, 368 f., 433, 455, 458, 477 Jezem 185 Jim nez de Cisneros, Francisco 140 Joachim 142 f. Jöcher, Christian Gottlieb 258, 300, 331, 421 Johannes 47, 129, 136, 201, 303, 469, 516 Johannes VI. Kantakuzenos 64 John of Wales 151, 196 Josua 124, 185 Julian 93 Jungnicol, Johann David 228–232, 256 Jürgensen, Renate 124 f. Justinian 315 Kaiser, Katja 31, 39, 53, 60, 62, 64, 115, 130, 138, 171, 185, 208, 358, 382, 411, 481 Kant, Immanuel 19, 33, 216, 356 Karl XII. 353 Katharina (Zarin) 208 Katzer, Annette 58 Kaufmann, Thomas 62, 255, 257, 261, 274, 339 f., 343 f., 354, 389 Kedrenos, Georgios 115, 151, 164, 196 Kellerhals, Emanuel 514 Khadijah 304, 316, 387, 389 f. Khoury, Adel Theodor 34, 37 Kidder 312 King, Josiah 83 King, William 289 Kippenberg, Hans-Georg 31, 506 Klark 473

559

Klein, Dietrich 22, 24, 44, 81, 366, 409, 432, 450, 465, 517 Kleine, Peter 58, 125 Klim, Nicolai 205 Klopstock 450 Knaploch, R. 221, 537 Knapton, P. 395 Komlosy, Andrea 27 Konfuzius 221, 283, 355 Konstantin VII. 164, 411 Koppe, Johann Christian 329, 353 Köprülü, Ahmed 39 Korte, Jonas 122, 257–288, 302 f., 309, 405, 487, 497 f., 504 Krause, Johann Christoph 222 Kreimendahl, Lothar 290 Kreisl, Ingmar 310 Kronauer, Ulrich 368, 466, 484 Kübler, Daniel Friedrich 471 Kühlmann, Wilhelm 58, 368, 484 Kühn, Johann Samuel 431 Küng, Hans 488, 513 Kuran-BurÅog˘lu, Nedret 26 Kuschel, Karl-Josef 23, 366, 486, 488, 499 La Croze, Maturin Veyssi re de 181, 310, 384, 474 Labb , FranÅois 18 Laclau, Ernesto 21 Lacroix, Alexandre 330 Lange, Joachim 42, 298 Langermann, Diedrich (Dieterich) 43 f. Langes, Johann 58, 261 Larzul, Sylvette 227 Lauster, Jörg 24, 366 Lauterbach, Johannes 42, 48 Lauterbach von Noskowitz, Johannes 42 Law, B. 83, 89, 93, 97, 106, 181, 383, 412 Lazarus von Schwendi 54, 528 le Bret, Johann Friedrich 413 le Clerc, Jean 84, 289 le Moyne 151, 164 f., 196 Leder, Stefan 428 Leers, Reinier 295 Leibniz, Gottfried Wilhelm 50, 122, 181, 203, 289 f., 356, 523 Leland, John 473

560

Index der Namen

Leopold I. 39 Leß, Gottfried 413, 442, 451, 453, 458, 465–485, 502–504, 511 Leslie, Charles 79, 82, 113 Less, Gottfried 466 f. Lessing, Gotthold Ephraim 22 f., 25, 30 f., 33, 110, 113, 349, 352–359, 361, 363, 365–371, 404, 410, 431, 433 f., 443, 448–450, 452–454, 457, 459–461, 465, 471 f., 475, 484 f., 489, 499 f., 502 f., 511 f. Leunclavius, Johannes 115, 151, 196 Lewis, Bernard 65 Limborch 456 Linn , Carl von 18 Lipsius, Justus 163, 165 List, Nicol 42, 58, 74, 92, 95 f., 127, 151, 158, 161, 171, 183, 187, 212, 216, 246, 253, 266, 281, 283 f., 287, 343, 352, 361, 394, 424, 448, 488 Lobeck, Jacob Martin 222 Lochner, Johann Georg 452 f., 472, 529 Locke, John 84 Lodenstein, Jodocus van 271 Longman 383 Longolius, Paul Daniel 195 Loop, Jan 311 Löscher, Valentin Ernst 147 Loth 144 Louis XIV. 356 Louvain, Richier de 353 Löwenklau, Johannes 115, 151, 196 Lüdeke, Christoph Wilhelm 24 Ludewig, Carl Günther 195, 203, 206, 209, 466 Ludovici, Carl Günther 127, 177, 195 Ludwig XI. 214 Ludwig XV. 330 Luther, Martin 43, 100, 118, 120, 140, 156 f., 165, 273, 278, 281 f., 285, 366, 431, 456, 487 f., 497, 523 Lykurg (Lycurgus) 307, 446 Maccovius, Johannes Machiavelli 320 MAchomet 55 Macrobius 94

163, 166

Maffei, Raffaello 164 Magdeburger Centurien 164 Mahammed 131 Mahmet 43 Mahoma 45, 49 Mahomed 36, 41, 76, 115, 119, 147, 149–152, 182–187, 189–193, 196 f., 200, 202, 205, 208–225, 227, 239, 242, 304, 326, 328, 332, 335, 347, 353–357, 365, 372–374, 398, 401, 403–408, 421–423, 426 f., 451 f., 455, 478, 493–496, 498–501, 503, 512, 515–520 Mahomed I. 185 Mahomed II. 185 Mahomed III. 185 Mahomet 35 f., 39 f., 42, 45 f., 48–55, 57–84, 87–114, 117, 122–124, 128–140, 142–146, 149 f., 152, 172, 174 f., 181, 185, 192, 194–203, 206, 222, 224, 226–258, 261, 264, 267–298, 300–309, 311, 321, 323, 326 f., 332–334, 336–338, 344, 346 f., 349–355, 357, 359–369, 371 f., 374, 377, 388, 395, 401 f., 405, 408, 413, 415, 420, 428, 449, 487, 490–493, 495–499, 504 f., 512 Mahomet II. 137 f., 140 Mahometh 287, 330 Mahumet 55, 423 Mahuuias 134 Maimonides, Moses 80, 87 f., 163 Makowski, Jan 163 Mankir 57 Männlingen, J.C. 196 Maria Josepha 52 Maria 53, 116 f., 136, 142, 155, 157, 168, 179, 201, 214, 217, 231, 272, 315, 317, 363, 391, 419 f. Mariam 116, 143, 231, 515 Mariette 17 Marigny, FranÅois Augier de 349, 357–367, 369 f., 404 f., 415, 499 f. Marot 167 Marracci, Ludovicus 124, 128, 131 f., 140, 151 f., 174, 177, 181, 196, 200, 254, 304, 313, 322, 373, 392, 415, 425, 434, 437 f., 444, 478, 492 f., 501 Marsy, FranÅois-Marie de 404 f., 408, 500

Index der Namen Martens, Wolfgang 290 Marti, Hanspeter 194 Martin, Irmfried 121, 523 Martini, Friedrich Heinrich Wilhelm 18 Martini, Johann Christian 300 Martinius 164, 166 Martinus, Matthias 155, 157 f., 164 Martus, Steffen 19 f., 62 Marut 322 Masuzawa, Tomoko 29, 507 Matschke, Klaus-Peter 39 f. Mauritius 130 Maurus, Johannes Andreas 40, 44, 47 f., 64, 151, 157, 489, 504 Maximilian II. 17 McKenna, Antony 18 Meadowes, W. 395 Mebes, Johann August 227, 235, 332 f., 496 Megerlin, David Friedrich 127, 421–428, 432 f., 437, 439, 448, 499, 501 f. Mehemet 55 Mehmet 55 Mehmet II. 423 Meiners, Christoph 473 Melanchthon, Philipp 42, 140 Mendelssohn 433 Mengel, Christian Gottlob 206, 209 Merva 165 Meusel, Johann Georg 413, 421 Meyer, Johann 305 Meyer, Johann Heinrich 286, 301, 326 f., 375, 524–526, 539 Meyer, Martin 55 Mhmmd 197 Michaelis, Johann David 298, 353, 394 f., 410, 426 f., 429–431, 433 f., 436, 439–442, 445, 448 f., 469, 502 f. Miches, Ican 164 Mignot 408, 420 Mill 80, 394 Millar 383 Minos 307, 311, 498 Miriam 94, 142 Mirjam 143, 168, 179 Mohamed 25, 36, 248, 393, 417, 504, 511 Mohamet 229

561

Mohammed 22, 25, 33–37, 50, 60 f., 65, 74, 99, 114, 121, 123, 128, 138, 146, 152 f., 155–158, 161–172, 174 f., 177–180, 185, 197 f., 201–203, 206, 221 f., 224, 279, 288, 293, 300, 302, 304, 306, 308–323, 325, 329, 332 f., 344, 346, 348, 365 f., 369, 372, 376 f., 379–398, 401 f., 405, 409, 412–420, 437, 439, 441 f., 444, 447, 451, 466, 469, 487, 489, 493 f., 498–502, 505 f., 510 f., 515 Mohammed II. 165, 185 Mohammeds Mutter 131 Moh mmed 438 Moli re 205 Mommsen, Katharina 23, 28, 180, 350–352 Montalvo, Jos Hinojosa 48 Montanus, Arnoldus 136, 529 Montesquieu 207, 463 Mor ri, Louis 148 Morgan, Thomas 467 Morosini, Francesco 39 Moser, Johann Jacob 335 Moses 53, 69, 82, 110, 136, 169, 185, 192, 230, 281, 330, 401, 448, 516 Mosheim 261, 456 Motzki, Harald 35 Mouffe, Chantal 21 Muhammad 19, 21–34, 36, 65, 98 ˙ Muhamed, Abul Casem 507, 540 Muhamed 17, 19, 36, 40, 43, 48, 131, 401, 462–464, 508, 510 Muhamet 55 Muhammad 19, 24–27, 30, 33 f., 36, 98, 551 ˙ Muhammad 21, 25, 34 f., 63, 223, 420, 512 f. Muhammed 30, 55, 105, 114–123, 197, 203, 306, 334, 338–348, 376–379, 383, 387, 398–400, 402, 429, 431–436, 438, 440–451, 457, 462–472, 475–483, 485, 491 f., 502 f., 506, 512 Muhammet 197 Mukir 57 Mulsow, Martin 310 Murad II. 232 Musa 185 Musier, J. 79

562

Index der Namen

Muslim, Zahim Mohammed 20, 22, 24, 26, 28, 34–36, 41, 44, 65, 98, 108, 117, 161, 173, 177 f., 325, 371, 449, 488 Mustapha I. 185 Mustapha II. 185 Muzaim 168 Nagel, Tilman 27, 34 Namstodius, Adrian 157 Nat, Jan 153 f., 180 Nathan 25, 30, 366, 371, 450, 465, 499, 502, 511 f. Nechir 57 Nedden, Otto 205 Negri, Salomon 310 f. Nekir 57 Nerlich, Nicol 42 Nerreter, David 31, 123–125, 127–146, 172, 228, 425, 492 f., 499, 501, 504 Nestorius 364 Neuser, Adam 371 Neußer, Rainer 429 Newberry, J. 412 Nicholls, William 83, 85–88, 90, 106 Nicolovius, Friedrich 33 Niewöhner, Friedrich 87, 122 Nikephorus v. Konstantinopel (Nikephoros I.) 151, 196 Nikolaus von Kues 35, 64, 163 Nisbeth, Hugh Barr 352, 356 f. Noah 162, 192, 316, 448 Numa (Pompilius) 307, 311, 349 f., 446, 478 f., 498. Oberdorfer, Bernd 24, 366 Ockley, Simon 65, 240 f., 279, 286 f., 298, 300–303, 305 f., 308 f., 311, 326, 328, 332, 368–370, 379, 415, 487, 498 f. Odin 209, 215, 222 Odysseus 206 Oedipus 352 Oetinger, Friedrich Christoph 348 Oglethorpe 261 Ohlig, Karl-Heinz 513 Olearius 170 Olendorf 157 Olesen, Brian Kjaer 205

Olon, FranÅois Pidou de Saint 164, 166 Omar, Abdulla Mahumed 106 f., 534 Omar 55,162, 192, 199, 216, 231, 274, 351 Orchanes 185 Origines 167 Osborne, T. 383 Oßian 439 Osman 32, 39, 47, 52, 62 f., 185, 187, 283, 489–494, 499, 507 Os rio, Jer nimo 164 Osorius, Hieronymus 164, 168 Osterhammel, Jürgen 25 Othman 70 f., 162, 213, 231 Otman 407 Ottman 192 Otto, Christian 18, 205 Ottoman 185 Ovid 86, 106 f. Paisey, David L. 228 Palmire 351 Paul, Jean 41, 85, 196, 311, 404 Pauli, Joachim 18 Paulus 87, 129, 136, 232, 303, 460, 481 Pelagius 232 Peninni, Ricoldo 64 P rez, Joseph 46 Peter der Große (Zar) 208, 267 Peters, Rudolph 27 Petersen, D. 258 f., 267 Petrus (Abt zu Cluny) 35, 167, 303 Petrus Cluniacensis 118 Petrus de la Cavalleria (Pierre de la Cavaleri ), 156, 168 Pezilaeus, Ludolf 22 f. Pfaff, Christoph Matthäus 42, 58, 138, 273, 278, 287, 289, 328, 331, 497, 515, 518 Pfeiffer, August 200 Pfotenhauer, Paul Günther 121 Philemon 124 Phineam 116 Phlegon Trallianus 94 Phlegon von Tralleis 94 Phocas 53 Piccolomini, Enea Silvio 423 Picenus, Bartholomäus 64

Index der Namen Pierer, Heinrich A. 507 Pius II. 140, 165 f., 423 Plato 94 Platow, Birte 22, 81 Plinius 379 Plitt 426 Plutarch 155, 205, 207 Pocock 158, 173, 176, 181, 196, 218, 235, 276, 373, 378, 415 Pococke (Pocock), Edward (Pococke d.Ä.) 64, 66, 69, 78, 80 f., 151, 158, 173, 176, 181, 196, 218, 227, 235, 373, 378, 415, 477, 524 Pococke (Pocock), Richard 218, 261, 276 Polaschegg, Andrea 21, 26, 371 Pompanin, Maria Teresa Chicote 141 Pontoppidan, Erik 207 Pothovius, Johannes Henricus 395, 533 Pottendorf 348 Pouillon, FranÅois 227 Powels-Niami, Sylvia 87 Preissler, Holger 310 Preuß, Jacob 18, 206 Price, John Vladimir 79 f., 82–84, 87 f., 113 Prideaux, Edmund 81 Prideaux, Humphrey 36, 50, 62–75, 77–85, 87–94, 96–114, 129, 134, 145 f., 151 f., 159, 172–176, 181, 196, 203, 206, 221–225, 233, 239–242, 249, 252, 254, 302, 304–306, 308 f., 312, 314, 316–318, 320 f., 323, 379, 384 f., 388 f., 391–393, 395, 401 f., 405 f., 408, 415, 419, 431, 435, 437, 439, 444, 472, 478, 486 f., 489–492, 495 f., 504 f., 512 Prideaux, James 80 Priz (Pritius) Johann Georg 50 f., 54–59, 61 f., 490 Prusso, Mariae-Insula 124 Puin, Gerd R. 513 Pütter, Johann Stephan 329 Puyazuelo, Mart n Garc a 47 Pyrrhus (Phyrron) 289 Pythagoras 478 Quedenbaum, Gerd 194 Quinn, Frederik 22

563

Radtke, Bernd 27 Rahma 168 Raikes, R. 412 Rambach 268 Rambelli, Fabio 512 Raschid, Aron 358 Rehrmann, Marc-Oliver 23, 29 f., 58, 105, 122, 124, 138, 153 f., 228, 233, 298, 300, 327, 368, 423, 428 f., 431, 479, 496 Reimarus, Hermann Samuel 367, 410, 451, 453, 465, 471, 473 Reinbek 456 Reineccius 425 Reiske, Ernestine Christine (geb. Müller) 410 Reiske, Johann Jakob 373, 391, 408–411, 413–420, 427, 431, 433, 442–445, 448, 451, 478, 500 f., 506 Reland, Adrian 31, 81, 152–163, 165–181, 186, 196 f., 200–203, 219, 222, 224, 232, 261, 272 f., 278, 296 f., 301, 305, 308, 324, 367, 369 f., 379, 383, 400–402, 427, 468 f., 493–495, 497, 499, 505, 508 Remonchir 57 Renan, Ernest 22, 26 Retinensis, Roberto 140 f., 157, 163, 165, 313, 424 Reuber, Paul 21 Ricaut 169, 215, 218 Richard (Pater) 64, 72 Richardson, S. 383 Richiers, Adrien 356 Ricoldus (Richardus) de Monte Crucis 43, 64, 100, 547, 552 Rivington, John 383 Robert von Ketton 140, 157, 163, 165, 173, 313 Rodinson, Maxime 297 Rogers, William 89 f., 401, 490 Roling, Bernd 81, 98, 100, 105, 159, 173–176, 181 Rollin, Charles 359, 362, 404 Rorty, Richard 28 Rosenstrauch 62 Ross, Alexander 125–131, 136–139, 145 f., 313, 492 Rotermund, Heinrich Wilhelm 258

564

Index der Namen

Rousseau, Jean-Jacques 467, 470 f. Rudolf, Stefanie 40, 42, 58 Ruthven, Malise 26 Rutilius Numantius 155 Rycaut, Paul 50, 215 Rymatzki, Christoph 260, 372 S. Olon, S. 164, 166 Saad 192 Sabellius 364 Safa 165 Said, Edward 26–28 Said, Edward 26, 29, 133 f., 513 Saladin 208, 371, 465, 477 Sale, George 65, 202 f., 272, 287, 295–297, 300 f., 304, 307–316, 318–328, 332, 349 f., 352, 367, 369 f., 373, 379–382, 384–392, 395–398, 401 f., 415, 419, 425, 438, 468 f., 478 f., 489, 498, 500 f., 504–506 Salman der Persianer 72 Salmasius 218 Salmon 405 Salomo 71, 144, 272, 303 Salon, Abdias Ben 213 Sanders, Francis 85 Sara 60, 517 Sarasin, Philipp 28, 256 Saul 111 Saumaise, Claude 218 Savary 310, 381 Saviello, Alberto 21 f., 26, 29, 33, 50, 146, 181, 297, 349 f., 496, 513 Savonarola, Girolamo (Hieronymus) 164, 167, 169 Sawda 170 Scaliger 213 Scanderbeg 208 Schäbler, Birgit 22, 26 Scheliha, Arnulf von 507 Schelling 426 Schermann 274 Schickard, Wilhelm 64 Schimmel, Annemarie 37 Schindel, Ulrich 409 Schings, Hans-Jürgen 460 Schloemann, Martin 372

Schlözer, August Ludwig von 413, 432 Schmid, Johann Peter 331 Schmidt, Johann Lorenz 334 Schmidt, Martin 80, 334, 544 Schmidt-Haberkamp, Barbara 24 f., 33 Schmitz, Peter 125 Schneider, Ulrich Johannes 194 f. Schnitzer, Claudia 52 Schock, Flemming 58 Schröder, Konrad 298 f., 549 Schröder, Winfried 87, 548 Schröter, Marianne 372, 402 Schuckelt, Holger 33, 310, 548 Schulten, Albert 410, 426 Schultze 429, 448 Schulz 21, 26 f., 29, 34, 161, 433, 442, 514 Schulze, Reinhard 21, 26 f., 29, 34, 161, 523 Schunka, Alexander 298 Schuster, David 359 Schweigger, Salomon 122, 140, 164 f., 373, 424 Seeberg, Erich 114, 121 f. Seelgen, Theodor 449 Seid 192 Seide 351 Seitter, Walter 20 Seitz 274 Selden, John 164 Seldenus 164 f. Selim I. 138, 185 Selim II. 185 Semler, Johann Salomo 29, 372 f., 375–388, 391, 393–395, 397–402, 412–414, 419, 451, 499–501, 504–506 Sergius 58, 72, 130, 135, 149, 213, 244, 364, 382, 477, 516 Serlin, Wilhem 54 f. Seth 162, 191, 238 Shalem, Avinoam 513 Sharafuddin, Mohammed 23 Sigel, Christian 421 Sike, Heinrich 153, 168 Simon, Richard 161, 295 Simonetti, Christian Ernst 328–331 Singer, Hans-Rudolf 41 Sionita, Gabriel 200, 213

Index der Namen Skanderbeg 206 Smith, Thomas 50, 227 Sobieski, Jan 39 Soboth, Christian 298, 523 Sodea 415 Sokrates 208 Soliman I. 185 Solimanus II. 185 Soliman III. 185 Sonnenschein, Lilly Josefine 56, 166, 270, 346, 407, 468 Sophia Charlotte von Preußen 290 Sorea 415 Spangenberg, August Gottlieb 148 Spanheim, Friedrich 232, 306, 312, 379 Spellberg, Denise A. 311 Spener, Philipp Jakob 125, 147, 259, 265–267, 271, 288, 334, 487, 497 Spengler, Oswald 514 Spieckermann, Marie-Luise 298 f. Sprengel, M.C. 432 Stahmann, Christian 21 Stammen, Theo 194 Stausberg, Michael 206, 222–224 Stein, Heidi 165, 310, 459 Stengel, Friedemann 35, 481, 523 Stenzel, Jürgen 354, 369 Stephanus le Moine 151, 164, 196 Stephens, William 84 Stöhr, Johann Christoph 261 Sträter, Udo 298 Stricker, Nicola 289 Strüver, Anke 21 Stubenrauch, Samuel 313 Sueton 158 Swedenborg, Emanuel 481 f., 485 Sylburg, Friedrich 164, 170 Szpiech, Ryan 41, 47 Tacitus 155 Talcha 192 Tamerlan 208, 210 Tegg, William 310 Theophanes 67, 115, 151, 164, 171, 196 Theophanes der Bekenner 164, 196 Thes e 349 f. Theseus 349

565

Thomas, Artus 163, 165, 523 Thomas a Jesu 163, 165–167 Thomas Kempis 269 Thomasius, Christian 298–300, 307, 429 Thompson, Edward Maunde 89 Timur 448 Tindal, Matthew 467 Toland, John 84, 467 Tome de Jesus, Tome 163 Tommasino, Pier Mattia 141 Tonson, J. 221, 537 Tosunyan, Ignatius Muradcan 508 Trismegistus 307 Trousson, Raymond 18 Tyaneus, Apollonius 83 Ufki, Ali 164 Ulrich, Jörg 35 van Ammersfort, John 105 van Asselt, Willem J. 105, 161, 178, 180 Varenius, B. 125 Vassäus 216 Venzki 330 Vergil, Polydor 164, 409 Vergilius, Polydorus 164, 166 Vespasian, Titus 282 Vetterlein, C.F.R. 332 Virgilius, Polydorus 171 Vivaldus, Don Martinus Alfonsus (Martino Alfonso Vivaldo) 156 Voet, Gijs 293 Voetius, Gisbert 105, 179, 293 Volaterranus 164, 168, 171 Vollhardt, Friedrich 460 Volpi, Franco 87 Voltaire 29, 31, 33, 36, 349–357, 365–367, 369–371, 471, 483, 489, 499 von Carinthia, Hermann 64, 140 von Haller, Albrecht 410 von Hammer-Purgstall, Joseph 36 von Mansfeld, Carl Graf 528 von Tuy, Lucas 216 Voß, Christian Friedrich 357, 404 f., 408, 500

566

Index der Namen

Wagner, Johann Karl Gottfried 124 Walid 168 Wallich, Johann Ulrich 50 Walter, Balthasar 163, 552 Walter, Monika 226, 236, 297, 349, 352, 355 f. Ware, C. 240, 383 Warnefried, Paul 151, 196, 232 Weber, Wolfgang E.J. 194 Weidmann, M.G. 411 Weigelt, Horst 125 Weiland, Claudius Fleury 329 Weißen, Jonas Paulus 261 Werner, Karl 58, 466 Wickliff 80 f. Widmanstadt, Johann Albrecht 200 Widmanstetter, Johann Albrecht 200 Wiering, Thomas von 58 Wießner, Wolfgang 124 f. Wilhelm IV 52 Wilkie, J. 412 Willenberg, Jennifer 301 Williams, Morris 106 Williamson, R. 395 Willock, R. 395 Willoweit, Dietmar 26 Wilson, J. 412 Withy, R. 412 Wits, Herman 232 Witsius 232 Wohlwill, Adolf 421 Wolf, Klaus 423

Wolfes, Matthias 421 Wolff, Christian 203, 298 Wollaston, William 473 Wöllner, Johann Christoph Woolston, Thomas 467 Wotschke, Theodor 330 Wulff, Georg 42, 62 Ximenius, Franziskus

372

140

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm 404, 500 Zain-al-’Abidı¯n 64 Zainab 363 Zaineb 170 Zaleucus 307 Zamolsis 307 Zarathustra 208, 223, 474 Zedler, Johann Heinrich 42 f., 147, 193–195, 201–204, 359, 495, 505 Zigabenos, Euthymius 117 Zigabenus, Euthymius 163, 165 f., 168 f., 171 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von 148, 261, 286, 288, 333–338, 341–348, 498 f. Zˇizˇka, Jan 206 Zollicofer 427 Zonaras, Johannes 67, 115, 151, 196, 232 Zopire 351 Zoroaster 206, 208–210, 221–224, 307, 347, 445, 495 Zygadenos 117