Lustspiele: Teil 1 [Reprint 2019 ed.] 9783111437538, 9783111071381


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German Pages 288 [292] Year 1861

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Table of contents :
Inhalt
Die Zeichen der Ehe
Die Kleinigkeiten
Wer sucht, findet, auch was er nicht sucht
Man kann sich irren
Verstand und Herz
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Lustspiele: Teil 1 [Reprint 2019 ed.]
 9783111437538, 9783111071381

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Lust spiele von

Freiherrn Angnst von Sleigenlesch.

Erster Theil.

Leipzig.

®. I. Göschen'sche Verlagshandlung. 1861.

Buchdruckeret der 3. G. Totta'schev Buchhandlung in Stuttgart und Lug-durg.

Inhalt. Gelte

Die Zeichen der Ehe

.......................................................................

1

Die Kleinigkeiten........................................................................................... 85

Wer sucht, findet, auch waS er nicht sucht

................................131

Man kann sich irren.................................................................................. 193 Verstand und Herz.................................................................................. 237

Die Zeichen -er Ehe. Ein Lu st spiel in drei Aufzügen.

Personen Oberkammerherr Graf Milden.

Amalie, feine Frau. Caroline, seine Nichte.

Luise, Gräfin von Milden, Wittwe. Ludwig von Smolniz, ihr Detter. Baron Dolft.

Erster Aufzug. Gin gemeinschaftliche- Zimmer mit zwei Seitenthüren; -wet Tische, auf dem einen steht ein Schachbrett mit ausgestellten Figuren, auf dem andern ein Schreibzeug; Zeitungen und Bücher liegen auf beiden.

Erster Äustntt. Oberkammerherr und Amalie. Gr fitzt erschöpft auf einem Sopha, ste steht vor ihm.

vderlrammerherr.

Glauben Sie mir, man hat uns

zuul Besten gehabt.

Amalie.

Welche Beweise fordern Sie denn noch?

GberKammerherr.

Amalie.

Haben wir denn Beweise?

Die ganze Welt sagt es und ich dächte doch,

es wäre hier der Mühe werth, das, was die Welt sagt, zu

untersuchen. Dieß Schloß und diese Güter hatder alte Vetter seiner Wittwe hinterlassen, und nur, wenn sie wieder heirathet, fällt das Vermögen an uns zurück.

GberKammerherr.

Ich weiß es ja.

Amalie.

Man kann es Ihnen nicht oft genug wieder­

holen, um Ihre Aufmerksamkeit zu schärfen.

Wir haben

Schulden, dringende Schulden.

VberKammerherr.

Das ist richtig,

davon gibt eS

zahlreiche Beweise.

Amalie.

Unsre Gläubiger haben uns hieher auf das

Land verbannt und unser stärkster Gläubiger ist hier; Ihre

Nichte ist uns gefolgt. GberKammerherr.

Die ist mit ihrem Herzen be­

schäftigt.

Amalie.

Sie wird sich einmal mit ihrem Vermögen

beschäftigen.

Vbertzarnmrrherr.

Aber Sie wiffen doch, wen sie

liebt: dabei muß ich um Rath gefragt werden.

Ich antworte

mit Schwierigkeit, sie weint mit Leichtigkeit; ich mache Hinder-

niffe, sie macht Bedingnisse, und die Schuld wird mit cim

paar Hindernissen getilgt.

Wenn die Herrath hier nur auch

so richtig wäre, wir könnten gleich Besitz nehmen.

Amalie.

Haben Sie denn

aus dem Betragen diesem

Menschen ihr Geheimniß noch nicht errathen? Gestern» zumr

Beispiel, als wir Besuche machten, da war alles deutlich; fuc

sah rechts aus dem Wagen, er, auf seinen Arm gestützt, fach aus dem linken Fenster.

vderkammerherr.

Freilich, das ist wie bei uns.

5 Amalie.

Thut das ein Liebhaber?

Gberkammerherr. Amalie.

Das thut er nicht.

Er sprang zuerst heraus; die Bedienten halfen

der Gräfin aus dem Wagen; er stand ruhig dabei und wischte sich den Staub von den Aufschlägen.

Gberkammerherr. Amalie.

Gberkammerherr.

Amalie.

Das ist wie bei und.

Thut das ein Liebhaber? Das thut er nicht.

Die Gräfin war zu spät gekommen; sie ent­

schuldigte sich. Er sagte nicht ein Wort und runzelte verdrieß»

lich die Stirne.

Gberkammerherr. Amalie.

Gberkammerherr.

Amalie.

Das ist wie bei und.

Thut das ein Liebhaber?

Das thut er nicht.

Nach Tische sprach er mit ihr; die Gräfin

gähnte — Gberkammerherr.

Amalie.

Das ist wie bei uns.

Er fuhr ruhig fort und die Gräfin, eben so

ruhig, gähnte noch einmal. Gberkammerherr. Amalie.

Das ist wie bei uns.

Thut man das einem Liebhaber?

Gberkammerherr. Das thut man nicht; aber ich war

gestern bei ihr und da ist mein Glaube an die Heirath unter­ gegangen.

6 Amalie.

Was hat Sie denn so ungläubig gemacht?

Gberkammerherr.

Ihre Augen, die sich suchten: die

Theilnahme, mit der sie von einander sprachen —

Amalie.

Das ist wie bei uns.

Gberkammerherr.

Ach nein, das ist nicht wie bei

Ja mein Kind! wir sehen uns auch an und wir sprechen

uns.

auch mit einander, aber das war nicht wie bei uns. Amalie.

Es gibt oft Kleinigkeiten, die uns verrathen.

Besinnen Sie sich nur, hat sie nicht einmal einen Handschuh

fallen lassen? Gberkammerherr.

Nein, aber ihr Schnupftuch fiel

herab. Amalie.

Und sie hat es aufgehoben?

Gberkammerherr.

Amalie.

Sie kam mir zuvor.

Und er war dabei und ließ es geschehen?

Gberkammerherr (stch besinnend). Er ließ es geschehen. Amalie.

Das ist wie bei uns.

Gberkammerherr. sinne.

Erzählen Sie weiter.

Das ist alles, worauf ich mich be­

Er hielt noch eine lange Lobrede über die Kleidung

der Griechinnen.

Amalie.

Und war sie als Griechin gekleidet?

Gberkammerherr.

Nein, sie war recht deutsch bis an

das Kinn verhüllt.

Amalie (schnell).

Die sind Mann und Frau.

7 Vberkammerherr (schüttelt den Kopf).

So haben sie

nicht ausgesehen.

Lmaltr.

Was wollen Sie denn für Proben? Der Lieb­

haber wäre mit dem Schnupftuche zu Boden gestürzt; der

Mann bleibt ruhig sitzen: der Liebhaber hätte sich Glück ge­

wünscht, ein deutsches Weib deutsch gekleidet zu sehen, und der Mann lobt die Griechinnen.

V berkam wer Herr. AmttliL

Das ist wie bei uns.

Thut das ein Liebhaber?

Vberkammerherr.

Das thut er nicht.

Lasten Sie

mich nur machen, mein Advokat hat mir die nöthigen Papiere

geschickt, und ist es wie bei uns, so geht es gewiß.

Zweiter Auftritt. Oberkammerherr. Amalte. Luise.

fnifr.

Sie sind |a früher auf, als die Sonne.

Vberkammerherr (richte, fich mit Mühe in die Höhe)

Ja,

meine Frau ist seit drei Tagen in die 9^tur verliebt.

Das

ist eine gräßliche Leidenschaft; bei den andern hat sie mich

wenigstens in Ruhe gelassen; aber jetzt muß ich jeden Morgen ein Zeuge ihrer Empfindungen seyn. den Berg hinter dem Garten geklettert.

So sind wir heute auf

8 Die Aussicht ist dort so reich.

Luise.

Gderkamwerherr.

Das mag seyn;

aber wir sind

athemlos hinauf gekommen; da haben wir uns hin geworfen

und haben eine Stunde geschlafen; dann sind wir wieder her­

unter; von der Aussicht will ich mir erzählen lasten. Ich habe alles gesehen.

Amalie.

vberkammerherr.

Desto bester, so können Sie mir

alles beschreiben: auf den Berg bekömmt mich die Natur nicht

wieder.

Dritter Austritt. Die vorigen.

Carolive

Caroline mit Blumen in der Hand.

(zu Luisen, der sie die Blumen gibt).

Ich bringe

Ihnen den Frühling. Er kann nicht hübscher erscheinen.

Luise.

Caroliue. Luise

Die habe ich alle für Sie gepflückt.

(zeigt lächelnd auf die

Blumen an

Carolinen- Brust).

Und diese? Amalie. Caroline.

Die wirst du mir bringen. Nein, die sind mir gebracht worden.

Vetter hatte den ganzen Hut voll Blumen.

Der

9 Vierter Auftritt. Die vorige«. Ludwig, der die letzten Worte gehört hat.

Ludwig.

Ich will ibn gleich wieder füllen.

Amallt.

Geben Sie sich keine Mühe; meine Nichte

hätte mich nicht vergessen sollen.

Laroiiue.

An der Felsenwand sind Rosen, die hole

ich für Sie.

(Will fort.)

Ludwig (halt sie besorgt'. Lara live.

Die Felsenwand ist so steil.

O ich gebe acht. Der Thau liegt aus den Steinen und die

Ludwig.

Steine sind so glatt. Laroikue.

Hindernisse reizen.

Ich bringe Ihnen die

Rosen.

Ludwig.

(Schnell ab.)

Sie füllt gewiß, wenn ich ihr nicht helfe. (Will ihr nach.)

Luise.

Bleiben Sie doch,

ich habe mit Ihnen zu

sprechen.

Ludwig.

Luise.

Das ist jetzt nicht möglich! Nur einen Augenblick.

Ludwig (außer stch).

Sie ist gewiß schon gefallen! Lassen

Sie mich nur rufen, wenn Sie mich sprechen wollen. (Schnell ad.)

10

Fünfter Austritt. Sberkammerherr. Amalie. Luise.

Gberkammerherr.

Denen fliegt das Leben noch glän­

zend wie ein Johanniswürmchen aus der Hand. Luise.

Das Gefühl behält immer seine heitern Tage.

Gberkammerherr.

Ach, da kommen dann und wann

Tage des häuslichen Glücks, die nicht glänzen wollen, aus­ genommen, man findet zuweilen ein Johanniswürmchen von

zwanzig Jahren außer dem Hause; das ist dann wieder ein Heller Augenblick. Luise lempfindlich). Sie kennen die Liebe nicht, Herr Graf!

Gberkammerherr. bekannt geworden.

Doch, ich bin zuweilen mit ihr

Aber Sie?

Luise (verlegen).

Ich — ich denke mir die Liebe unter

einem reizenden Bilde.

Amalie.

Sie sind zudringlich.

Kommen Sie.

GberKammerherr (verbeugt sich lächelnd gegen Luisen).

Ich

will Sie mit dem reizenden Bilde allein lasten; wir haben hier nur eine Pause gemacht, um zu Athem zu kommen.

Das

Herumziehen in der Natur ist erstaunlich begeisternd, aber man

wird müde wie ein Postpferd dabei.

(Er macht die Thüre auf.)

Amalie. Ich komme nach, die Natur hat mich erschöpft. (La sie zu langsam geht, eilt er hinan-; sie folgt.)

11 Sechster Austritt. Luise sieht Ihnen nach.

Was soll dieß Bild des häuslichen Glücks?

Luise.

Diese lauernden Blicke beobachten und dieß Glück ist so leicht

erkannt.

Siebenter Austritt. Suife. Seift.

Do Ist (tm Jagdkleide, legt eine Schnepfe vor sie hin). Der Wald

legt seinen Tribut zu Ihren Füßen.

Luise.

Ich bin verstimmt.

Do ist.

Das sind Sie ost.

Luise.

Unser Besuch macht mich besorgt.

Volft.

Anziehend sind die beiden Leute nicht, das ist wahr.

Luise (steht sich ängstlich um, leise).

Wenn unsere Verbin­

dung bekannt würde! Dolft.

Wer soll sie bekannt machen?

Luise.

Der alte Priester, der uns verband.

Do ist.

Der plaudert nicht mehr.

Um seiner Verschwie­

genheit recht sicher zu seyn , hat er sich vor einem Vierteljahre

begraben lassen.

12 Luise.

Jeder Blick ist eine Sprache, die uns ver­

rathen kann.

Dolfl (streckt sich gLhnend auf dem Sopha). Beruhigen Sie sich, Meine Verräther schließen sich.

Luise.

Ich glaube wirklich, Sie wollen schlafen.

Dolfs.

Erlauben Sie, ich fange eben an.

Luise.

Ach Gott, da soll man nun nicht sehen, daß

wir verheirathet sind! Do Ist (springt erschrocken auf).

Glauben Sie, daß man

etwas merkt?

Luise.

Sie setzen sich mir gegenüber, um die Augen

zuzudrücken. " Dolft.

Die Natur fordert ihre Rechte.

Luise.

Vor zwölf Monaten war Ihre Natur liebens­

würdiger als jetzt. Dolft.

Die Naturen ändern sich; nur die große Natur int

Walde bleibt sich gleich, und die haben Sie nie besuchen wollen.

Luise.

Was soll ich dort?

Dolft.

Jeder Baum ist ein Buchstabe in der Chronik

der Vergangenheit.

Dort steht die Eiche, stark wie unsere

Väter und die kleinen Sprößlinge, die schwach wie ihre Nach­

kommen an dem Stamme herum sitzen.

Lui st (bückt sich au- dem Fenster). Dolft.

Was locken Sie denn?

Bst! Bst!

13 Luise. Sehen Sie die Nachtigall — sie kommt immer näher. Do Ist.

Da soll man nun nicht errathen, daß wir verhei-

rathet sind! Luise (erschrocken).

Do Ist.

Freilich,

Wie so, lieber Freund? eine Nachtigall singt besser, als ein

Ehemann; aber locken Sic die Nachtigallen nur so vor dem

Oberkammerherrn, wenn ich Ihnen erzähle, so hat er Ihnen auch Ihr Geheimniß herausgelockt.

Luise.

Sie sprechen auch immer von Ihrer Jagd.

Dolft.

Von was soll ich denn sprechen? Die Hasen

sind einen Tag gekleidet wie den andern; ich kann Ihnen die

neueste Mode nicht immer wie eine Schnepfe zu Füßen legen. Luise.

Aber es gibt sanftere Bilder in der Natur. Sie

bringen den Tod mit sich in den Wald — ich streue den

Nachtigallen Futter: unsere Herzen verrathen sich in der Wahl ihrer Beschäftigung.

Dolft.

Da haben wir das häusliche Glück: jeder sucht

sich aus einer andern Seite zu beschäftigen. (Nimmt die Leitung.) Ich muß doch sehen, ob man auch in andern Ländern Nachti­

gallen lockt.

Luise.

Und meine hat sich verloren.

Dolft (lie-t und ruft freudig)

In

Bengalen war eine

Tigerjagd —

Luise.

Nein, dort sitzt sie.

Bst! Bst! Sie kann mich

14 nicht sehen; ich will mich auf daS Fenster stellen.

Wie komm'

ich nur hinauf? Lieber Dolst! Zweihundert Tiger sind geblieben!

Dolst.

Die Leute

müssen Hunde haben zum Küssen.

Luise.

geholfen.

Ach,

ich glaube, ein Tiger hätte mir hinauf

Es ist ein Glück, daß ich mit selbst helfen kann. (Sie nimmt einen Stuhl und steigt hinauf.)

Dolst.

Ich komme schon.

Luise.

Bemühen Sie sich nicht; ich bin schon oben.

Und nun ist sie weggeflogen; richtig — sie ist fort — Wie ich nur wieder herunter komme? Herr von Dolst!

Dolfs.

Ich komme.

Luise.

Mir wird schwindlich.

Dolst.

Ich bin schon auf dem Wege.

Hören Sie, der

eine Tiger hat sich erstaunlich gewehrt.

Luise (weint).

Seine Frau wird ihm vermuthlich ge­

rufen haben.

Achter Austritt. Die vorigen.

Luise

Oberkammerherr.

(zum Oberkammerherrn.)

Vberkammerherr.

Dolst

Amalie.

Herr Graf!

Da bin ich, schöne Frau.

(springt hastig auf).

Warum rufen Sie mich denn nicht?

15 Luise (steigt an der Hand des Oberkammerherrn

herab, empfindlich).

Wie oft soll ich rufen? Amalie.

Dort saß eine Nachtigall, die ich lockte.

Luise.

Amalie Lotst

Aber wie kommen Sie denn aus das Fenster?

(zu Doift-.

Das hat Sie nicht gelockt?

(zeigt auf die Zeitungen).

Ich war auf einer Tiger­

jagd in Bengalen. GderKammerherr. Welttheile.

Das ist gar

in

einem andern

Und die Frau Gräfin sind dort so lange ohne

Stütze gestanden? Amalie.

Das Fenster ist so schwach.

Gberlrammerherr.

Und man kann der Natur in die

Arme fallen und doch den Hals brechen. Das nicht.

Doift.

Von dem Fenster in den Garten

sind es kaum sechs Schuhe.

Amalie.

volft

Ist Ihnen das nicht hoch genug?

(mit steigender Verwirrung).

vom Hause hat es gewollt.

Freilich, aber die Frau

Ich habe gewettet, daß sie sich

nicht ohne Schwindel dort oben erhalten kann. Luise (schnell).

Sie haben gewonnen; aber wir wollen

so bald nicht wieder wetten.

Volft.

In meinem Leben nicht wieder.

vderkammerherr. kommen Sie.

Thun Sie das ja nicht.

Und nun

Es gibt Augenblicke, wo der Dritte lästig ist.

16 Amalie (sieht ihn lächelnd an).

vderkammerhtrr (nickt». Luisen.)

Huri? — Das ist wie bei uns.

Wetten Sie ja nicht wieder.

liert man immer.

.

eng, das hindert mich im Steigen.

Julie.

Ich glaube, in dem Rocke haben Sie sich vor

dreißig Jabren malen lassen. Goll.

Ja, es ist ein alter Bekannter, von dem man

sich ungern trennt; aber das ist wahr, in den letzten sechs Jahren ist er gewaltig eingegangen.

Ich stecke in dem Be­

kannten , als ob ich in eine Degenscheide gekrochen wäre.

Julie.

In der Höhe erweitert sich die Brust, vielleicht

hat Ihr Rock das nämliche Schicksal.

Goll (steigt noch eine Sproffe).

Erinnern Sie sich denn gar

nicht, daß ich den Schwindel habe? Julie.

Sie müssen nur nicht daran denken.

Goll (wischt sich die Stirne, und steigt eine dritte Sproffe).

geht wahrhaftig nicht. Julie. Goll.

Julie.

Warum denn nicht? Es wird mir, so zu sagen, ein wenig übel.

Weiter oben finden Sie eine reinere Luft.

Es

158 Goll

(steigt eine Sprosse herab).

Und das Bad Wird kalt.

Sie wollen es ja nicht nehmen.

Julie.

Goll (steigt wieder eine Sprosse herab).

Ich

habe das über­

legt, bezahlen muß ich es doch einmal, und meiner Gesund­ heit darf ich auch keinen Abbruch thun; für die sorgt kein

Mensch, als ich. Bater ist todt.

Julie.

So ein Rabe hat Eltern, aber mein Herr

(Steigt vollend- herab.)

Da haben Sie recht.

Ihre Gesundheit geht allen

jungen Raben vor. Soll.

Ich will nur einen Ueberrock anziehen, um es

bequemer zu haben, dann will ich mich hier ein wenig erholen.

Julie.

Wie? Sie wollen hier bleiben, und nicht auf

den Baum?

Goll.

Erlauben Sie, ich muß nur zu Athem kommen,

dann lege ich mich gleich der Länge nach in das Waffer, um auszuruhen.

Hören Sie, befehlen Sie auf der Erde über mich;

es ist nichts in der Welt, daS ich nicht thue.

Aber so, wie

die Gefälligkeiten zwanzig Schuhe hoch in der Lust hängen, so

thun Sie mir den Gefallen, und bitten Sie andere Leute darum.

Ich will nur machen, daß ich aus dem Rocke komme,

dann bin ich wieder' hier.

(Gehr

ab.)

159 Neunter Auftritt. Julie allein.

Hernach Wartfeld.

Wenn er nur fort wäre! Die Ungeduld bringt gewöhnlich eine Uebereilung auf die Welt, und die könnte hier alles ver­ derben.

Er muß in der Nähe sehn.

(Sie sieht sich ängstlich um,

so-

dann geht sie an da- Gebüsch, und Hopft in die Hände, da- nämliche Zeichen wird erwiedert.)

Er ist da.

sie sagt mit gedämpfter Stimme.)

Pst! Pst!

(3m Gebüsch antwortet e-,

Kommen Sie eine Viertelstunde

später.

Vartfeld

(steckt den Kopf au- dem Gebüsch).

Julie lruft

erschrocken).

Vartfeld.

Sie nicht!

Lieber gleich. (Schnell ab.)

Ich bin nicht erwartet worden, wie es scheint,

aber wen man erwartet? Der alte Drache ist ausgeflogen, er ist mit mir aus der Thüre gefahren; also der Wächter fehlt, das ist der Augenblick, um die Bewachten kennen zu lernen. (Er öffnet die Thüre, und begegnet Goll, der ihn herau-stößt.)

Zehnter Auftritt. Wartfeld.

Goll.

Goll.

Ist die Malerei wieder da?

Vartfeld. Kunst anzubieten.

Ich habe vergessen, Ihnen vorhin meine

160

Goll. Fällt man einem denn mit der Kunst in das Haus? Vartseld (zieht fick, zurück). Ich gehe gleich wieder, sobald Sie mich nicht brauchen. (Soll. Halt! Sie sind zu einer guten Stunde gekommen, um Geld zu verdienen. Ich muß jemanden eine Freude machen. Was kann so ein Ding in Lebensgröße kosten? Vartseld. Das Ding ist wahrscheinlich ein Gemälde? Goll. Das Ding bin ich. Wartfeld. Sie in Lebensgröße? Nehmen Sie mir nicht -übel, ich wüßte nicht, was ich damit machen sollte; ich würde also für Sie in Lebensgröße nicht viel geben; daher ist es billig, daß ich auch nicht viel dafür nehme. Goll. Das ist mir lieb, so können Sie gleich anfangen. Vartseld. Das ist nicht möglich. Goll. Warum? Wartfeld. Ich habe alles zu Hause gelassen, was ich dazu brauche. Goll. Sie sotten gleich Papier und Bleistift haben. Die Bilder nut Bleistift müssen ohnehin die wohlfeilsten seyn. (Geht gegen da« Hau-.)

Wartfeld. Lassen Sie mich suchen. Goll. Nein, ich finde das gleich. Sie können mich hier malen. Die Baumgruppe hat Ihnen ohnehin gefallen, die

161

können Sie dabei anbringen. In meinem Gemälde zu Hause liegt eine ganze Gegend hinter mir, und ein todter Hirsch, zwei Schnepfen in den letzten Zügen, ein Hund der aufwartet, und das Schloß von meinem Herrn Vater, der am Fenster liegt. Und das Ganze hat nur zwei Dukaten gekostet. Mit Bleistift kann das höchstens die Hälfte kosten. Ich bin gleich wieder hier. (Geht ah in das Hau-.)

(Stifter Austritt. Wartfeld

allein.

Da bin ich in einer angenehmen Lage. Ich habe in meinem Leben keinen Strich versucht, und der will in Lebens­ größe gemalt seyn. Jndeffen, ich gewinne Zeit, die Viertel­ stunde geht vorüber, und die geliebte Erwartung erscheint. Ich bin begierig, ob ich diese Erscheinung nicht kenne.

Zwölfter Auftritt. Goll.

Goll (mit Papier Sie brauchen.

Wartfeld.

und Bleistiften).

Steige ntesch, Lustspiele. I.

Da haben Sie alles, was

162 Wartfeld. Sehr belebt wird das Gemälde nicht werden; die graue Farbe ist so traurig, das müssen Sie selbst schon bemerkt haben. Gott. Vergessen Sie nur die Aehnlichkeit nicht. Wenn das Bild auch nicht ganz jung aussieht, da ist der Bleistift daran Schuld; ich will mich unter die Baumgruppe setzen, und Sie können gegenüber Platz nehmen; meinen Sie nicht? Wart fei- (seht ftch). Ganz recht. Aber Sie müssen still sitzen, wie eine Bildsäule. Goll. Ich will eine Zeitlang nicht athmen. wart selb. Ganz still. (Gr steht gegen das Hau«) Goll (derer bemerkt). Wo sehen Sie denn hin? wartfeld. Ich zeichne erst die Umgebungen. Goll. Aber glauben Sie nicht, daß es nöthig ist, auch mich zuweilen anzusehen, wenn das Bild ähnlich werden soll? Wartfrtd. Jetzt kommt die Reihe an Sie. Goll. Sagen Sie nur, wie ich sitzen soll. Wartfeld. Den Kopf besser rechts. Goll. Ist das genug? Wartfeld. Noch besser. Goll. Jetzt geht es keinen Zoll weiter. Wartfeld. Noch viel weiter, es muß gehen. Goll. Wenn ich so sitzen bleibe, so werden Sie mir den Rücken abmalen, und ich möchte gern, büß mein Gesicht getroffen würde.

163 Vartfeld.

Wissen Sie was, es fehlt mir ohnehin an

einer Unterlage, ich will Ihnen das Papier auf den Rücken

legen, und Sie sehen sich dann zuweilen um, so habe ich Ihr Gesicht mehr in der Nähe. Goll.

Da geht ja die ganze Stellung verloren.

Vartfeld.

Verlust.

Es ist auch wahr, das wäre ein unersetzlicher

Aber in welcher Stellung male ich Sie denn? Ich

möchte gern eine große That aus Ihrer Lebensgeschichte in dem Bilde anbringen.

Goll.

Das wäre frellich sehr schicklich; ich will mich nur

besinnen, was ich gethan habe.

Vartfeld.

Zum Beispiel Sie haben die Holzwürmer

aus Ihrer Gegend vertrieben.

Ich will Sie mit den Trophäm

Ihres Sieges schmücken; Alexander hat einen Feldherrnstab in der Hand, ich will Ihnen einen Holzwurm in die Hand geben.

Goll.

Das ist so ein häßliches Thier.

Vartfeld.

Oder in den Mund? Sie sehen dann aus,

wie eine Nachtigall, die einen Mehlwurm im Schnabel hat.

Goll.

Laffen Sie mir alle Aehnlichkeit mit den Thieren

aus dem Gesichte weg. Vartfeld.

Da bin ich wirklich in Verlegenheit, wie ich

Sie malen soll.

Goll.

Sie müffen einen sehr starken Ausdruck von Zärt­

lichkeit hineinlegen.

164 Wartfeld.

Goll.

Das wird Ihr Gesicht sehr reizend machen.

So ein recht nachdenkendes Gesicht mit ein paar

feurigen Augen, die aber schmachten; um den Mund ein Lächeln, aus dem eine Borliebe für das Landleben hervorblickt, dabei einen

Ausdruck von Traurigkeit, der wie Sehnsucht aussieht; und dann ein

paar starke Züge, die Kenntnisse von der Schafzucht verrathen.

Wart seid.

Das muß alles hinein? das wird ein Ge­

sicht wie ein Scheuerthor werden.

Goll.

Das ist einerlei; machen Sie nur, daß es bald

fertig wird, denn in ein paar Minuten muß ich baden. Wartfeld.

Ich fange schon an.

Sie werden erstaunen,

wie viel sich durch ein paar Striche verewigen läßt.

Goll.

Muß ich denn die ganze Zeit so da sitzen?

Wartfeld.

Goll.

Nur so lange ich male.

Den Kopf immer rechts?

Wartfeld.

Ja.

Goll (dreht sich um).

Da fällt mir etwas bei.

Vartfeld (schreit).

Den Kopf rechts!

Goll

(dreht ihn rechts).

Wartfeld.

Aber dahinaus darf ich doch sprechen?

Au/ der rechten Seite können Sie so viele

Einfälle haben, als Sie wollen.

Goll.

Hören Sie, die Künstler sind gewöhnlich bekannt.

Das Volk läuft allen Leuten in das Haus. von einem Grafen Wartfeld gehört?

Haben Sie nichts

165 Wartsrld. Die Familie ist zahlreich, so viel ich weiss, welchen meinen Sie denn? Goll. Es soll einer hier seyn. Vartfeld. Im Garten? Goll. Der läge schon vor der Thüre. Unter uns gesagt, das ist ein schlechter Mensch. Wartfcld. Es soll ganz unter uns bleiben. Goll. Der Mensch betrügt. Wartfeld. Sie? Goll. Er möchte gern, aber es wird nicht gehen. Wartfcld. Geben Sie recht Acht. Goll. Das will ich auch; denn es ist recht sonderbar, ich habe die schlechten und die dummen Menschen nie leiden können. Wartfeld. Das ist wirklich zu bewundern. Sie müssen oft übler Laune seyn, wenn Sie allein sind. Goll. Da haben Sie recht, das Alleinseyn ist mir zuwider. Wartfeld. Es wäre auch Schade, wenn Sie für die Gesellschaft verloren gingen. Sie haben das seltene Talent, die Leute recht angenehm zu unterhalten. Goll. Aber die Unterhaltung mit dem Malen wird mir den Kopf verdrehen. (Dreht sich erschöpft um.) Sind Sie fertig?

166 Wortfeld.

Noch nicht ganz; Ihre Unterhaltung hat

mich zerstreut. Holl.

Könnte ich nicht eine Zeit lang einen andern für

mich sitzen lasten? mein Kopf will gar nicht mehr links gehen.

Wortfeld.

Ich habe gerade

So lasten Sie ihn rechts.

einen Anfall von Begeisterung, in dem mir das Werk ge­ lingen muß. Goll (steht auf). Ich möchte nur misten, ob man schon eine

Aehnlichkeit merkt.

Wortfeld (schreit).

Den Kopf rechts, lasten Sie mich mein

Werk vollenden.

Goll (steht dar Papier und schreit).

Wortfeld.

Was machen Sie denn?

Ihr Bild.

Goll (reißt ihm da- Papier au- der Hand).

Da ist ein Strich

rechts, und ein Strich links, da kann eben so gut eine Heu­

schrecke daraus werden, als mein Gesicht.

Wortfeld.

Das ist der Keim der Kunst, dem alle Ge­

stalten entblühen. Soll.

Sie haben doch mich malen wollen?

Wortfeld.

Goll.

Das müssen Sie doch sehen.

Was denn? da sind ein paar Striche, die wie

griechische Buchstaben aussehen; haben Sie in Ihrem ganzen Leben einen Gutsbesitzer gesehen, der eine Aehnlichkeit mit dem

Griechischen hat?

167 Vartseld. Goll.

Wenn Sie mir nur Zeit gelassen hätten.

Was? Sie haben mir da eine Stunde die Glieder

auseinander gezogen, wie auf der Folter, das Gesicht ist mir beinah auf dem Rücken gelegen; und nun frage ich Sie, ob das ein Gesicht ist?

Watt selb.

Das Gemälde ist nicht ausgearbeitet, aber

die Anlage ist zu allem da.

AuS den kleinen Punkten da

oben werden Augen — aus dem hohlen Bogen wird eine

Stirne — da wird der Zug von der Schafzucht angebracht — nnd aus den schiefen Linien werden zwei Füße — Sie wollen doch nur zwei?

Goll.

Wenn ich die nur einmal sähe.

Vartseld.

Die sollen Sie gleich haben, ich male Sie

Ihnen doppelt, wenn Sie wollen.

dreizehnter Austritt. Vorige.

Jolle (macht da» Fenster auf).

Julie.

Herr Vormund! die Raben

schreien schon wieder.

Goll.

Das verdammte Vieh! ich will jedem eine Amme

halten, bis er ausfliegen kann. — Jetzt muß ich in das Bad;

kommen Sie, Sie müssen das neben mir im Bade ausarbeiten.

168 Wartfeld. Wissen Sie was? lassen Sie sich unter dem Wenn Sie nur eine Viertelstunde dazu sitzen,

Wasser malen.

so stehe ich Ihnen für die Aehnlichkeit.

Soll.

Machen Sie, daß wir fortkommen, die Raden

treibdn mich noch in das Meer.

Vartfeld.

Ich habe noch einen Gang.

'Soll. Den machen wir zusammen vor die Thüre. Wartfeld.

Sie wollen also nicht mehr sitzen?

Goll (licht ihn fort).

Gott soll mich bewahren!

Wie ich

wieder nach Hause komme, so lasse ich alle Gemälde ver­

brennen, und alle Vögel vergiften.

(Beide ab.)

Vierzehnter Austritt. Illi». 3Ulte

Luis,.

(steht ihnen nach, dann spricht ste hinab).

Der

Käsigt

ist offen.

Luise (au- dem Hause). Julie.

DaS war seine Stimme.

Das ist ein Echo, das die Zärtlichkeit vor fünf

Jahren zurückgelaffen hat.

Luise.

Ich bin in einer Bewegung, die ich kaum ver­

bergen kann. Julie (steht hinaus).

Ich

glaube, er kommt schon.

169 Luise.

Mein Zittern wird mich verrathen.

Julie.

Muth! Muth! unsere Tyrannen müssen vor uns

Er kann dich nicht erkennen, in fünf Jahren wird

zittern.

man sich fremd, besonders, wenn man fünf Jahre in einem fort gewachsen ist, und sechs Wochen lang die Blattern ge­

habt hat. Aber meine Stimme hat nicht die Blattern

Luise. gehabt.

Julie.

Desto besser, das ist eine alte Bekannte, die ihn

dreister machen wird. — Richtig, er hat sich losgemacht, er

nimmt den Umweg durch die Gebüsche. i fc (eilt gegen den Dorgrund der Bühne, und fetzt sich so, daß ihr Gesicht meisten- gegen die andere Seite gewendet ist).

Das ist der Aug'N-

blick, den ich gewünscht und gefürchtet habe. Julie. Muth! Er ist int Garten. (Schlägt das Fenster zu.)

Luise.

Muth! Ach ich gehöre zu dem schwachen Ge­

schlechte, das ängstlich hofft, treu liebt und gern verzeiht.

Michrhnter Austritt. Luise.

Wartfeid.

Varistld (von der andern Seite, stutzt, wie er sie erblickt, dann eilt er auf sie zu).

Endlich bin ich so glücklich, Sie zu finden.

170 Luise (fleht auf. al- ob fie böse wäre). Wer gibt Ihnen ein Recht dazu? Vartfeld. Mein Gefühl, das Sie sucht. Luise. Sie könnten sich irren. Auf jeden Fall muß ich Sie bitten, auf Ihren ersten Standpunkt zurückzukehren. Vartfeld (tritt einen Schritt zurück). Das bringt mich Ihnen nicht näher. Luise. Wenn Sie wollen, daß ich hier bleibe, so bleiben Sie dort am Gebüsche. Vartfeld (tritt hin). Wie sich das ändert! Vor ein paar Minuten habe ich hier Gesetze über Stellungen gegeben — es ist billig, daß ich auch welche erhalte. Luise. Haben Sie sich nie härtern Gesetzen unter­ worfen? Vartfeld. Seit langer Zeit nicht. Es ist sonderbar, je länger ich Sie sprechen höre, je mehr glaube ich, Sie schon gehört zu haben. Lu i se. Sie scheinen mit mancher Stimme bekannt zu seyn l Vartfeld. Das kann ich nicht läugnen. Ich liebe die Musik. Luise. Und die weibliche Stimme gefällt Ihnen bloß im Gesang? Vartfeld. Verzeihen Sie, sie kann auch sprechen, und sie gefällt mir doch. Aber wirklich, die Stimme wird immer

171 bekannter.

(Tritt einen Schritt vor).

Wollen Sie mir nicht er­

lauben, daß ich auch mit dem übrigen etwas bekannter werde? Luise.

Nicht von der Stelle, wenn ich hier bleiben soll.

Wart seid (tritt zurück).

Die Stimme hat sich im Befehlen

geübt, und ich int Gehorchen, wie Sie sehen.

Luise.

Ich weiß ja nicht einmal, wer Sie sind.

Wartfeld. Ach! ich bin erstaunlich wenig. Meine Eitel­

keit scheut alle Erklärungen über diesen Punkt. Luise.

Cie haben doch wahrscheinlich einen Namen und

Verhültniffe? Wart selb. Luise.

Ja, ich liege an der Kette Ihrer Reize.

Haben Sie sonst nichts, das Sie bindet?

V art seid.

Bindet?

Ja und Nein; sie haben mir vor

fünf Jahren ein Joch aufgelegt, das sie den Ehestand nennen;

durch das habe ich mit einer Frau ein halbes Jahr lang den Kopf gesteckt, und dann haben wir beide gefunden, daß es etwas langweilig ist, so neben einander herzuziehen, da hat sie sich rechts gezogen, und ich links. Luise.

Und Sie haben sich nicht wieder gesehen?

Wart seid.

Ach Gott, nein! ich glaube, wir haben uns

schon genug gesehen.

Luise.

Fünf Jahre sind eine Ewigkeit.

Vari seid. Sie würden Ihnen etwas kürzer vorgekommen

seyn, wenn sie die liebe Frau gekannt hätten.

172 Luise.

War sie so häßlich?

Wartset-. Nein, nicht einmal das.

Sie war gar nichts.

Ihre Mutter hatte sie bis zu dem großen Tage der.Hochzeit in aller Stille mit guten Lehren gemästet, und so kam sie aus dem mütterlichen Stalle in meine Arme geflogen. Luise.

Ihre Erziehung hätten Sie übernehmen sollen.

Vartfetd.

Erlauben Sie, nur die Liebe erzieht, in der

Ehe wird der beste Mensch ungezogen.

Luise.

Sie war also ganz ohne Geist?

Vari seid.

Das mag wohl seyn. Man hat mir nachher

gesagt, daß sie eine Menge Anlagen gehabt hat, aber in den

sechs Monaten unserer Bekanntschaft habe ich bloß die Anlage, stark zu werden, an ihr bemerkt.

Und doch hängt sie mit schwärmerischer

Luise (au-brechend).

Liebe an Ihnen. Vartsel- (erstaunt).

Luise.

Wer sagt denn das?

Eine Freundin, die Ihr Verhältniß kennt.

V art seid (lachi).

Die Freundin hat wohl alles, bis auf

meinen Namen, gewußt.

Luise.

Der Graf von Martfeld ist nicht so unbekannt,

als er glaubt.

Vartsetd (außer fich). Luise.

Sie wissen meinen Namen?

Sie können die Aehnlichkeit mit Ihrem Bilde

nicht verläugnen?

173 Wartfeld.

Wo haben Sie denn mein Bild gesehen?

Luiss Erinnern Sie sich keiner Freundin, der Sie es gaben? Wart seid.

Ich erinnere mich freilich — wenn Sie

mir nur sagen wollten, auf welche ich mich eigentlich er­ innern soll?

Luise.

Ihre (Erinnerung muß eine wahre Kunstkammer

seyn, wo die Gemälde zu Dutzenden liegen.

Aber bewahrt sie

kein Bild, das Ihnen theurer war als die übrigen?

Wart fei-.

Doch, seit acht Tagen, als ich Sie hier zum

erstenmal singen hörte. Luise.

Wer kann Ihnen glauben? Meine Freundin hat

Ihnen auch geglaubt.

Vartsel-,

Die muß mich verläumdet haben.

Wer ist

denn diese Freundin?

Luise.

Ich besitze ihr Bild.

Vartsel-.

Luise.

Vartsel-. Luise.

Darf ich eö sehen?

Es liegt oben -wischen meinen Papieren. Sie wird vermuthlich todt seyn.

Nein, die lebt.

Vartsel-.

Das wundert mich; ba muß sie mir untreu

geworden seyn, denn nur der Tod hat meine Schwüre gelöst. Luise.

Herr Graf, besinnen Sie sich!

Wart seid. Wenigstens habe ich immer geglaubt, daß die Leute bald sterben, und da kann ich mich zuweilen geirrt haben.

174 Luise

(steht auf).

Vartseld. Luise.

Ich

werde das Bild finden.

Erlauben Sie, daß ich es suchen helfe?

Nein! aber ich will Sie rufen lassen, sobald es

gesunden ist.

Vartseld.

Ich gehe nicht von der Stelle, und wenn

Sie vier Wochen suchen.

Luise.

Herr Graf — Herr Graf! die hat manche Ihrer

Untreuen überlebt! wenn Sie wieder einmal lieben, so rathe

ich Ihnen die Arzneikunst zu fernen, um sich nicht wieder ZU

irren.

(Weht ab in da- Hau-.)

«Sechzehnter Austritt. Wartfeld allein.

Die Malerei bringt Unglück; das muß ich aufgeben. Mein

eigenes Bild hat mich verrathen!

Wem soll man trauen,

wenn man seinem eigenen Gesichte nicht mehr traueq darf? Aber ich bin begierig, wen ich hier kennen lerne?

Auf jeden

Fall ist eS eine freundliche Erinnerung, und wohl dem Menschen, der sein Leben dazu anwendet, frohe Erinnerungen für sein

Alter zu sammeln.

175

Siebzehnter Austritt. Wartfeld.

Julie.

Julie (au- dem Hause). Das Bild ist gefunden,

toartftlb.

Ich bin begierig, wer es ist.

Thüre, und bleibt vor Julien stehen.)

(Till gegen die

Wenn ich mich nicht irre,

so habe ich vorhin schon das Glück gehabt, mich Ihnen vor­

zustellen?

Julie.

Sie werden sich auch besinnen, daß Sie meiner

Erwartung nicht ganz entsprochen haben. Varlseld.

Das thut mir leid.

(Tritt ihr näher.)

Es

muß ein wahres Glück seyn, von solchen Augen erwartet zu

werden. Julte.

Das Bild erwartet Sie.

Varl seid.

Das ist ein Denkmal der Vergangenheit; die

vergißt man so gern, wenn die Wirklichkeit so reizend vor uns

steht, wie jetzt vor mir. Julic.

Hier oben wohnt eine sehr schöne Wirklichkeit.

Varlfeld.

Ich bin mit der hier unten recht zufrieden.

Julie. Wir haben hier zu Lande nur ein Herz für einen Gegenstand. Vartscld.

Ländlich — sittlich.

Ich bin nicht hier aus

dem Lande. Julie.

Es ist billig, daß man die Fremden auf die

176 herrschenden Gebräuche aufmerksam macht. (Letzt auf die vffeuc Thüre). Bei uns läßt man eine Dame nie auf sich warten. Varl fei-. Bei uns auch nicht, ausgenommen, wenn uns eine andere zurückhält; aber ich bin schon auf dem Wege, um meinen Fehler zu verbessern. (Geht ab in das Haus.)

Achtzehnter Austritt. Suite allein.

Die Besserung wird nicht lange währen! Indessen wer keinen Fehler liebt, muß keinen Mann lieben, und so muß man eines mit dem andern ertragen. — Aber, wo nur mein fehlerhafter Herr der Schöpfung bleibt. Gerade jetzt, da ich einen Plan für unser Glück entworfen habe, bleibt er aus.

Neunzehnter Austritt. Julie.

Wartfeld.

Man hört ein Geräusch im Hause, als ob Jemand die Treppe herabeilte.

Julie. Was ist das? Vartsetd stürzt aus dem Julie. Wohin?

Hause.

177 Vartfeld. Julie.

Vartfeld. Julie.

Gott im Himmel! das ist meine Frau.

Das Bild? Ach nein! sie selbst.

Der Engel mit der schönen Stimme?

Vartfeld.

Ich weiß nicht, die Stimme kommt mir lange

nicht mehr so hübsch vor.

Julie.

Das reizendste — gebildetste Weib, das wir

besitzen?

Wart seid.

Das muß sie sich doch alles erst angewöhnt

haben, seitdem wir getrennt sind.

Da sehen Sie, der Vor­

theilhasteste Augenblick in der Ehe ist die Trennung. Aber hat

sie denn wirklich selbst gesungen? Julie. Sie werden doch an ihrer Stimme nicht zweifeln?

Vartfeld.

Es ist gar nicht glaublich, daß der liebe

Gott meiner eigenen Frau eine solche Stimme in den Mund gegeben hat.

Jndeffen ich bin auf alles gefaßt.

Wenn man

fünf Jahre durch Europa wandert, und dann noch in seine Frau verliebt wird, von der man sich aus Langeweile getrennt

hat, so muß man an alle Wunder glauben.

Steiqen te sch, ‘•ufttyiefe.

I.

12

178

Zwanzigster Austritt. Die Vorige«. Luise.

Luise (unter der Thüre).

Eduard!

3ölic Gu Wartfeld). Erkennen Sie Ihr Glück? (Zti Luisen.) Dn hast gefunden, was ich suche. (Geht ab.) Vart seid. Das Verlieren ist oft angenehmer als das Finden. Luise (reicht ihm ihre Hand). Auch bei uns? Wir habenuns wieder gefunden. Vartseld (verbeugt fich). Der Zufall bestimmt ost unsern Willen. Luise. Du hast dein Glück in der Ferne gesucht. Vartseld (hat indessen ihre Hände besehen, die er schnell küßt). Aber ich finde, daß ich allerliebste Hände zu Hause gelasien habe. (Besteht ste verwundert.) Du bist überhaupt so freundlich geworden. Ich glaube, die Blattern haben dich so hübsch ge­ macht. Mer mir wieder von den Kuhpocken spricht, dem will ich beweisen, daß er Unrecht hat. Luise. Und du siehst noch immer aus, wie dein Bild. Du bist dir selbst t eu geblieben, um doch jemand treu zu bleiben. Varlfeld. Wer hat dir denn das kleine Bild gegeben? Luise. Mein Gedächtniß hat mir jeden Zug geliefert

179 Wie! du malst? Die Talente sind ja alle

VartseiL.

Das wird uns Beschäftigung geben; du

bei dir eingekehrt.

kannst mich im Malen unterrichtendenn man sagt, daß ich

unglücklich in meinen Zeichnungen bin.

Ja! ich werde suchen, unsere Einsamkeit zu er­

Luise. heitern.

Recht. — Einsamkeit! Das ist daS große

Vart seid.

Wort, das ich immer gesucht habe, das ist der Hafen nach Auf unsern Gütern ist erstaunlich viel Einsam­

den Stürmen.

keit, dort wollen wir allein seyn.

Du — und ich — ganz

allein — kein Mensch außer uns — und ich wette mein Leben, wir bleiben uns treu. Luise.

Das würde ich in jeder Lage seyn.

(ImGebüsche

macht aus dem Gebüsche.

}

Selen

Vartfeld.

Liegt der Drache schon in seiner Höhle?

Setcu.

Da liegt er mir gerade im Wege.

Luise.

Sie müssen sie sprechen; er will abreisen.

Seien.

Aber, wie komme ich zu ihr?

Varl seid. Gebüsche.

Ich locke ihn heraus.

Du bleibst hier im

So wie die Thüre ausgeht, gehst du hinein.

Seteu.

Nur bald — mein Schicksal muß sich schnell

bestimmen. Luise.

(Geht ab.)

Liebe fordert Vertrauen; du hast ihre erste For­

derung nicht erfüllt.

Varl sei-. Die Herzen sind in diesem Jahrhundert so schwach.

188 Luise.

Nicht alle gleichen dem deinigen.

Wartfeld

(drückt Ihre Hand an seine Brust)

Ach! das ist ein

Wenn es auch zuweilen in Verlust geräth, am

gutes,Herz.

Ende findet es sich doch wieder an der Stelle ein, wohin es gehört.

Aber jetzt muß der im Gebüsch auch auf seine Stelle. Herr von Goll —

(Ruft gegen das Haus.)

Aechsrrnhrvalyigster Auftritt. Die vorigen, ©oll.

Sott

Wer tust?

(öffnet die Thüre).

Vartfeld Soll.

(verbeugt fich).

Der Maler.

Kann ich denn die Künste nicht aus dem Garten

bekommen? Vartfeld.

Sie haben mit mir heute von einem Grafen

Wartfeld gesprochen? Holl

(kömmt schnell

hervor und zieht Wartfeid auf

wahrend dem schleicht Geten in da- Hau-).

Vartfeld.

die Gelte,

Wiffen Sie etwas V0N ihm?

Ja! dort steht seine Frau.

Goll.

Die Freundin meiner Mündel?

Luise.

Die bleib' ich auch unter einem andern Namen.

Unter dem fremden Namen sucht' ich einen Mann, der mir fremd geworden war.

189 Goll.

Und den haben Sie gefunden?

Wart fei-. Goll.

Vari seid.

Goll.

Ja, hören Sie nur weiter.

Was gibt es denn noch?

Der Mann bin ich.

Was find Sie denn jetzt?

Vartfrl-(verbeugt stch). Der Graf Wartfeld. Goll (tritt zurück).

tvarlfeld.

Wer?

Der Mensch betrügt —

Goll (hält ihm vis Haud auf den Mund).

Pst! — das wird

ein anderer seyn. Julie (am Fenster mit Seien).

Hier sind auch noch Be­

kannte. Goll (dreht stch schnell um). Was? (Zu Seien.) Wie kommen

Sie denn auf einmal von der Straße an mein Fenster?

Leteu.

Die Liebe hat Flügel, wie Sie wissen.

Ihrer

Mündel wird die Last des Hauswesens zu schwer.'

Goll.

Sie wird einen Gehülfen bekommen..

Julie (schlingt ihren Arm um Selen).

Ich habe schon einen,

wenn Sie es erlauben.

Goll (heftig).

Das erlaube ich nicht.

V urtfeld (hält ihn).

(Will fort.)

Bleiben.Sie bei uns; die Liebe will

allein seyn. Luise.

herumzieht.

Das ist die Freundin, die mit dem Flüchtling

190 Goll (außer sich).

D! ich Dummkopf! die haben sich um­

bringen wollen, und ich habe sie gehindert.

Julie. Goll. Julie.

Herr Vormund! in fünf Monaten bin ich frei.

Wissen Sie das so genau? Ja, die Furcht, Sie früher zu verlieren, hat

mich neugierig gemacht.

Aber, wenn Sie jetzt einwilligen, so

willigt der Gehülfe ein, Ihnen den Pacht meines Guts auf fünf Jahre zu verlängern.

Varl seid.

Greifen Sie zu; vielleicht bekommt er bald

Lust, auch seine Frau zu verpachten; dann melden Sie sich. Luise.

Wie können Sie sich noch besinnen?

Vartfeld.

Sie dürfen nur nicken, und ich male Sie

jedes Jahr umsonst. Goll (der in Gedanken gestanden hat, schlägt fich vor die Gttrnex

Ich habe sie aufgehalten!

Vartseld. Goll.

Halten Sie uns nur jetzt nicht auf.

Versuchen Sie es nur noch einmal!

S e t eu. Beruhigen Sie sich, es bleibt bei dem ersten Versuche. Goll (seufzt).

Also fünf Jahre! — aber das muß noch

vorher richtig werden.

Julie.

Noch heute.

Leteu.

Auf der Stelle.

Varl seid. Das ist ein glücklicher Tag für Sie; er gibt

Ihnen ein Gut und nimmt Ihnen eine Frau.

191 Luise. Eduard! (Zu Goll) Sie sollen Zeuge seyn, wie er sich bessert. Goll. Nein! die fünf Jahre am Fenster nehme ich an, aber auf das Tableiben und das Malen lasse ich mich nicht ein. Ich muß mich zerstreuen; ich will herum ziehen; ich will mir daS Vergnügen machen, im ganzen Lande Raben zu schießen. (Zu Julien.) Und so bald alles richtig ist, so nehmen Sie Ihren Gehülfen. Ich hoffe, er hilft Ihnen besser als mir.

Man kann sich irren. Ein Lu st spiel in einem Aufzuge.

S t e l q e n t e s ch, Lustspiele. I.

13

Personen Benfatti, Arzt.

Luise, feine Frau. Hedwig, ihre Schwester. Hauptmann Branden.

Erster Austritt. Zimmer int Hause de- Arzte-, mit zwei Nebenthüren. Auf einem der Tische liegen Bücher, auf dem andern steht ein Schreibzeug. Hedwig schnell herein.

Hinter ihr

Branden.

sran-en. Sie fliehen vor Ihren Freunden? Hedwig. Wer hat Sie denn zu meinem Freunde ge­ macht? Sravdcn. Ihr Gang, Ihr Wuchs, Ihre Augen, jetzt Ihre Stimme, und, ich hoffe, künftig Ihr Herz. Hedwig. Hat Sie nie eine Hoffnung getäuscht? S rav den. Sie wollen meine Geheimnisse wissen? Hedwig. Ich will gar nichts wissen. Sraudeu. Sie wissen schon zu viel. Ich folge Ihnen seit acht Tagen, wie Ihr Schatten; da- hat Ihnen alles gesagt. (Holt einen Stuhl.) Wer den Anfang weiß, muß auch das Ende hören. Hedwig. Der Anfang unserer Bekanntschaft ist, hoffe ich, auch das Ende. (Verbeugt sich.) Leben Sie wohl.

196 Srau-en. He-wlg.

Srau-en. He-wlg.

Srau-en.

He-wlg.

Und mein Geheimniß? Ich liebe die Geheimnifle nicht.

Und mein Vertrauen? Ich liebe das Vertrauen nicht.

Was lieben Sie denn? Bescheidenheit.

Wenn wir uns wieder einmal

begegnen, so vergessen Sie nicht, das mitzubringen, was ich

liebe.

(Schnell In da» Nebenzimmer linker Hand ab.)

Zweiter Auftritt. Branden allein.

Das ist ganz gut; aber sie hat meine Bescheidenheit gar nicht zum Worte kommen lasten.

Ich hatte die bescheidenste

Erklärung auf der Zunge, da geht sie fort, und die Bescheiden­ heit bleibt mir im Munde, wie der Vogel im Käfigt.

sich um.)

(Sieht

Ich wette, sie ist in der Nähe geblieben — sie wird

hören wollen, was ich thue, und ich will sehen, was sie macht. (Er sieht durch da» Schlüsselloch der Nebenthüre.)

da steht ein Klavier.

Da

liegen Bücher und

Wenn ich ihr nur begreiflich mache, daß

man außer Noten und Büchern noch andere Dinge lieben kann.

197

Dritter Austritt. Branden.

Denfatti.

Seufatti (bleibt erstaunt stehen. und schleicht näher, endlich klopft er Branden auf die Schulter, und sagt) : Sie scheinen Neugierig ZU seyn?

Sraudeu (dreht fich um) Das bin ich. Sie sind es, Doktor! Seufatti. Es freut mich, daß Sie hergestellt sind. Vor drei Wochen habe ich Sie noch im Bette gesehen, und jetzt findet man Sie schon im zweiten Stock an den Schlüssellöchern. Sraudeu. Sind Sie hier bekannt? Sevfatti. So ziemlich. Srau-eu. Als Arzt, als Liebhaber, oder als Freund? Seufatti. Als Arzt und als Freund. Sraudeu. So hindern wir uns nicht; Sie müssen mir Auskunft geben. Seufatti. Ueber was? Sraudeu. Erstens; wer wohnt denn hier? Seufatti. Das müssen Sie doch wissen! Wenn man einmal bis an das Schlüsselloch kommt — Sraudeu. So ist es ein Zeichen, daß man vor der Thüre bleiben muß. Ein Narr sieht durch das Schlüsselloch, wenn er anderswo Hinsehen darf. Ich habe nichts gesehen, als etwas, das hübsch gewachsen ist, das hübsche Augen hat, das hübsche Zähne hat, das hübsche Füße hat; aber auf den Zähnen

198

steht es nicht, wie sie heißt, und mit den Füßen ist sie davon gelaufen, als ich sie fragen wollte. Seufatti. Sehen Sie — hier tritt der Fall ein — Lrandeu. Da kommen Sie wieder mit Ihrer Gelehr­ samkeit von den verschiedenen Fällen, wo ich für jeden Fall habe eine Arznei nehmen müssen. Hier ist nur ein Fall, und das ist der: das Etwas, das ich Ihnen beschrieb, habe ich vor acht Tagen auf einem Spaziergange gesehen, und seit acht Tagen (zeigt auf seinen Kopf) geht es hier immer auf und ab. Das ist ein Fall, der Ihnen auch schon vorgekommen seyn wird. Sen satt i. Der Fall geht leider die Apotheke nichts an. Ich wollte, es wäre ein Fieber, Sie sollten auf der Stelle geheilt werden. Sraudeu. Geben Sie sich keine Mühe! Seit acht Tagen folge ich dem Etwas auf dem Fuße; heute eilt sie hier die Treppe herauf; ich eile ihr nach. Sie verschwindet dort in das Nebenzimmer, und ich krieche an das Schlüsselloch, um das Lager meines Feindes kennen zu lernen. Leufattt. Wissen Sie denn gewiß, daß sie hier wohnt? Sraudeu. Das weiß ich nicht, aber hier ist sie hinein­ gegangen. Seusattt. .Der Fall ist der, daß hier zwei Damen wohnen. Sraudeu. Ich habe nur eine gesehen.

199 Senfattt. Sehen Sie, hier wohnt die Frau eines Mannes, den ich — schätze. Sravden. Das wird also die Frau seyn, die schätze ich auch. Sen satti. Das sollte — mir — leid thun. Srau-en. Warum? Sensatti. Ich habe — den Mann — sehr lieb. Ständen. Da hindern wir uns wieder nicht. Sie hal­ ten sich an den Mann, und ich an die Frau. Senfattt. Auf der andern Seite wohnt eine Schwester — Ständen Ich habe bloß auf dieser Seite zu thun. Senfattt. Sie können sich irren. Sranden. Das ist menschlich. Sie hat Eindruck auf mich gemacht, das ist auch menschlich. Ich werde vielleicht Eindruck auf sie machen, das ist wieder menschlich, und der Zufall hat schon manches Menschliche vereinigt. Lieber Doktor! Sie können gleich die Rolle des Zufalls übernehmen. Senfattt. Ich soll Sie vereinigen? Sranden. Sie haben mir die Gesundheit wieder ge­ geben. Senfattt. Ich bin recht belohnt dafür. Sie wiffen sie recht gut anzuwenden. Sranden. Ein Leben ohne Liebe ist kein Geschenk, und ich möchte Ihnen gern Beides verdanken. Senfattt. Sie machen mich erstaunlich glücklich.

200 Sehen Sie: seit acht Tagen streife ich dem

Sraudeu.

Irrlicht durch alle Straßen nach; es schleppt mich durch die ganze Stadt, um mich irre zu führen, und heute habe ich zum

erstenmal das Haus entdeckt, in dem es verschwindet.

Auf die

Entdeckung warte ich schon einige Tage; ich habe auf den Fall,

daß sie mich nicht sprechen will, eine kleine Erklärung in der

Tasche, die sie durchaus lesen muß, (zieht einen Brief heraus) und die könnte durch Sie am besten ihre Bestimmung erreichen.

Seufatti.

Das soll ich übergeben?

Sraudeu.

Wer denn sonst?

Seufatti.

An die, die hier linker Hand wohnt?

Sraudeu.

Wem denn sonst?

Seufatti (außer sich).

Meiner eigenen —

Srauden (schnell). Haben Sie hier etwas eigenes?

Seufatti (faßt sich).

zeugung zuwider.

Das heißt — meiner eigenen Ueber­

Glauben Sie mir, ich fühle das Unrecht

tief, das Sie dem Manne anthun wollen, der hier wohnt.

Sraudeu. dringlich war. Seufatti.

Sraudeu.

Vergeben Sie, daß ich zu­

Sie haben recht.

Aber den Brief wird sie doch erhalten.

So? — doch? Ich weiß nun, wo sie wohnt; ich werde wohl

auch erfahren, wer hier wohnt.

Die ganze Nachbarschaft muß

sich aufmachen, und da werde ich wohl eine mitleidige Seele finden, die ihr den Brief übergibt.

(Will gehen.)

201 Senfatti (Mi ihn).

Nein — nein — nein, da ist es

doch bester, daß ich ihn-übergebe.

Ständen.

Aber gewiß? Sonst schicke ich zehn Nachbarn

mit Nachschriften, von denen jede dreimal länger ist, als der Brief. S en sattt.

Sie soll ihn gleich erhalten.

Aber ich habe

eine Bedingung.

Srandeu.

Die ist?

Senfatti.

Sie haben mich zu Ihrem Vertrauten ge­

macht, und ich werde Ihr Vertrauen nicht mißbrauchen.

Gott

weiß, daß von mir kein Mensch etwas erfahren soll. Ständen.

Bis auf die Frau — es versteht sich, daß

die alles wissen muß. Senfatti.

Natürlich, und ich hoffe, es wird ihr —

recht viel — Freude machen.

Aber außer ihr, und mir, darf

kein Mensch eine Sylbe wiffen.

Sranden.

Sobald Sie helfen, kein Mensch.

Senfatti.

Sie ziehen außer dem Hause keine Erkun­

digungen ein — das kann Verdacht erregen — Ständen.

Ich verlaffe mich auf Sie.

Senfatti.

Sie sollen Antwort haben.

Ständen.

Von ihr?

Senfatti.

Nun ja — wenn sie schreiben will — auch

von ihr.

Sie können dann gleich sehen, ob Sie Hoffnung

202 haben, oder nicht.

Wenn ich glaube, daß Sie nöthig sind,

so müssen Sie erscheinen.

Sranden.

Machen Sie nur, daß ich bald nöthig bin.

Ich gehe, um bald wieder zu kommen.

Uebergeben Sie nur

gleich meinen Brief.

Lenfatti (geht gegen die Nebenlhüre). Ich bin schon auf dem Wege.

Sranden.

Und — hören Sie — da Sie mit dem

Manne so gut sind, so könnten Sie es ja wohl dahin bringen, daß der gute Mensch wenigstens in der ersten Zeit nichts merkt. Lenfatti.

Das wird schwer seyn.

Sranden.

Sie sind Arzt.

Könnten Sie ihn nicht auf

Reisen schicken, um sich zu zerstreuen? Lenfatti.

Er geht nicht von der Stelle.

Sranden.

Das ist ein hartnäckiges Thier, was fangen

wir denn mit ihm an?

Lenfatti.

Ich weiß schon alles, was er wissen soll.

Sranden.

Das ist mir lieb; das erspart mir das Nach­

denken.

Doktor! ich habe Ihnen viele Verbindlichkeiten.

Lenfatti.

Es ist nicht der Mühe werth davon zu sprechen.

Sranden.

Sagen Sie das Nicht. (Zeigt auf die Nebenlhüre.)

Das ist der Mühe werth.

(Umarmt ihn.)

Es ist billig, daß

der mein Leben verschönert, dem ich es zu danken habe. bin bald wieder hier.

Ich

(Geht ab.)

203 Vierter Auftritt. Denfatti allein, sieht ihm traurig nach.

Co wird jede gute Handlung belohnt.

war er noch in meiner Gewalt.

Vor drei Wochen

Ich habe ihm mit eigenen

Händen die China eingeschüttet, damit er gesund wird, um

an meine Frau schreiben zu können.

Nun, ich will den Brief

übergeben, das habe ich versprochen, und das werde ich halten. Das Ge­

Vielleicht ist er nicht an sie, das wird sich zeigen;

sicht antwortet während dem Lesen, und aus den Buchstaben

im Briefe kann ich mein Schicksal zusammensetzen.

Fünfter Auftritt. Benfatti.

Luise.

Luise mit einer Arbeit in der Hand.

Guten Morgen! Du bist heute früher zu Hause,

als gewöhnlich?

Scnfattl. Luise.

Habe ich noch nicht kommen sollen?

Du kannst mir nie zu früh kommen.

Ich ärgere

mich oft über deinen Stand, der dir auch nicht eine Stunde erlaubt, die dir gewiß angehört.

Seufattt.

sieht

Leute

Das wird einem reichlich vergolten.

gesund

werden,

Man

an denen Natur und Kunst

2M verzweifelt sind — das sind ost die lästigsten Gesundheiten von der Welt; gleich schleppen sie sich mit einer Gesundheitsprobe in das Haus.

Luise. Deine Kranken scheinen dich heute verstimmt zu haben. Senfatti.

Kranke!

nein — ach nein!

geben sich zuweilen die Mühe. lächelnd) ich bin sehr heiter.

Die Gesunden

Aber ich bin heute, (gezwungen

(Setzt sich und blättert in einem Buche.)

Du bist heute schon recht fleißig gewesen, nicht wahr?

Luise.

Nicht außerordentlich.

Senfatti.

Luise.

WaS hat dich denn gehindert?

Ich habe einen Besuch bei einer Freundin gemacht.

Senfatti.

Du bist ausgegangen? — Das ist mir lieb.

Frische Lust ist eine Arznei, die ich allen Leuten empfehle.

Luise.

Dann hat mich das heitere Welter verführt.

Srufattt.

Das Wetter? — Nun, mit dem Wetter hat

das nichts zu bedeuten. Luise.

Ich habe einen

kleinen Umweg gemacht, um

nach Hause zu kommen.

Seusatti.

Bewegung gehört auch zu meinen Arzneien.

Du hältst dich ganz an die Vorschriften deine- Mannes, das

ist recht. Luise (setzt sich).

säumte.

getreten.

Nun will ich einbringen, was ich ver­

Du siehst, ich bin schon mit dem guten Vorsatz ein­

205 Seufattt.

Und hier hast du arbeiten wollen? gerade

hier — in dem Zimmer, wo jeder eintreten muß, der mich sucht? Luise.

Ich habe hier die Aussicht auf den Wall, und

die Menschen, die sich auf und nieder treiben. Seufatti.

Das zerstreut, wenn man arbeitet.

Ein

einziger Mensch zerstreut oft erstaunlich.

• Luise.

Ich sitze ja gewöhnlich hier.

Warum fällt dir

cs heute auf? Seufatti.

Mir? — was geht mich der Wall mit den

Menschen an, die darauf herum gehen? Es ist ein Zeichen, daß die Leute gesund sind, und darüber kann sich nur ein Arzt

ärgern, der keine Kranken hat.

nicht.

Das ist, Gottlob! mein Fall

Da ist eine kleine Liste von fünfzig Christen, die das

Fieber haben. (Zieht den Brief au- der Tasche.) Nein — das ist etwas anderes, das ist an dich. Luise.

Eine Krankenliste für mich?

Seufatti. ihr den Brief.)

Nein, das sieht aus, wie ein Brief.

(Gibt

Dort an der Ecke hat mir ihn jemand gegeben,

ich weiß nicht mehr, wer? Er kommt, ich weiß nicht mehr, von wem? Er enthält, ich weiß nicht mehr, was — und ich habe ihn zu mir gesteckt, ich weiß nicht mehr, wie? man, das ist das einzige, was ich noch weiß. als ob er läse, und schielt über da- Buch weg.)

Antwort will

(Setzt sich, thut

Es wird wohl eine

Freundin seyn, die deine Meinung über ein Kleid einholt.

206 Lulst (licet, und sagt erstaunt).

Das ist an mich?

Seufatti (lieft auch fort, gleichgültig).

Luise.

An dich.

Und das hat man dir gegeben?

S e u fa t ti (wie oben). Für dich. Luise (steht ihn von der Seite an, dann sagt sie für sich). Er will

mich zum Besten haben; das kann ich auch.

(Lächelnd zu ihm.)

Man will Antwort? Seufatti.

So viel ich weiß.

Luise (dreht sich um, um zu schreiben).

Ich will gleich

schreiben. Seufatti (erschrocken).

Wirklich?

Luise (ihm nachsporrend). Der ganze Brief betrifft ja ein Kleid. Seufatti (trocknet sich die Stirne).

Luis/.

Das ist auch wahr.

Was fehlt dir denn?

Seufatti.

Es ist eine Hitze wie in Afrika; aber die

Leute sind dort klüger, als wir; sie gehen wie die Maulwürfe ohne Kleider herum. Luise.

Erzähle mir etwas von dem Lande; ich werde

hier gleich fertig seyn.

Seufatti (ist aufgeftanden, und nähert sich ihr ängstlich).

Ich

weiß gar nichts zu erzählen. Luise fortschreibend).. Versuch' es nur. Also in Afrika —

Seufatti (sieht ihr über die Achsel, und sagt mit zitternder Stimme): In Af — rika —

207 Lut st (dreht sich schnell um, und hält die Hand auf den Brief). Sieht man nicht in die Briefe, die an andere geschrieben werden. Lrusatti (zieht sich zurück). Das ist gewiß, denn das nackte, glückliche Thier, der Mensch, kann dort nicht schreiben. Luise. Das muß langweilig seyn. Lrusatti. Das weiß Gott! die Erfindung mit dem Schreiben ist recht unterhaltend. (Kleine Pause.) Das Kleid nimmt gar kein Ende. Luise. Doch — ich bin gleich fertig. Lrusatti. Das muß wenigstens eine Decke für einen Elephanten werden. Luise (siegelt dtn Bries). Nein! ich wickele nichts, als einen freundschaftlichen Rath in dieß Papier. Lrufattl (nimmt'-, und befiehl'-von allen Seiten). Das ist ein Rath? — Luise. Er heißt: Prüfe nie, wenn du nicht selbst gewiß bist, die Probe zu bestehen. Ich überlaste dir jetzt meinen Rath, meinen Brief, und meine Aussicht auf den Wall. Du kannst mit allen dreien machen, was du willst. (Geht ab.)

208 Sechster Austritt. Benfatti (Hält den Brief in die Höhe).

allein.

Das ist ein Kleid? — ja frei­

lich, das ist das Leichenhemd für meine häusliche Ruhe.

ist richtig, es ist sehr richtig.

Es

Sie ist ausgegangen, sie bat

einen Umweg gemacht, und das schöne Wetter hat sie verführt. Ja, ich kenne das Wetter; das hat noch vor vier Wochen das Fieber gehabt, und ich Dummkopf bin daran Schuld, daß

ein solches Wetter noch in der Welt ist.

Siebenter Austritt. Benfatti. Branden. Srav-ev.

Da bin ich wieder.

Scvfattl.

Sie lassen nicht lang auf sich warten, das

ist gewiß. Sranden.

Die Ungeduld treibt mich her.

Sevfattt.

Ich habe alles besorgt.

Lrav-en.

Alles?

(Umarmt ihn.)

Sie sind doch ein

thätiger Freund!

Senfatti.

Meine Mühe wird auch belohnt.

Sranden.

Haben sich Schwierigkeiten gefunden?

Aber —

209 Senfattt.

Ich fürchte —

Sraaden.

Daß sie mich nicht, hört? —

ßtttfattl Ach Gott, nein! Das es ist eben, was ich nicht

fürchte. Sraaden.

Was fürchten Sie denn?

Senfattt.

Ich habe ein weiches offenes Gefühl.

Der

Mann thut mir erstaunlich leib; für den fürchte ich alles.

Sraaden.

Desto besser.

Senfattt.

Meinen Sie?

ßranbcn.

War er hier?

Senfattt (seufzt).

Sraaden.

Ja!

Da haben Sie ihr nicht alles sagen können,

was Ihnen die Freundschaft für mich eingegeben hat? Sevfattt.

Ich habe doch alles gesagt.

ßranben.

Und den Bries?

Senfattt.

Den hat sic auch.

Srandcn.

Und sie hat geantwortet?

Senfattt (seufzt).

Auf der Stelle.

Sraaden.

Und der Mann war dabei?

Senfattt.

Freilich war er dabei.

Sravden.

Lieber Doktor! das muß Ihnen erstaunlich

viel Mühe gekostet haben.

Senfattt.

Ja, es ist mir recht sauer geworden.

Sraaden.

Dafür wird Sie einmal die Liebe belohnen. 14

Steigentesch, Lustspiele. I.

210

Sensatti (reicht ihm die Antwort). Da — da — ich bin in dem Augenblicke schon recht belohnt dafür. ßranbttt erbricht den Brief und lie-t schnell.

Der Doktor nähert

sich ihm immer. Branden dreht sich aber stet- so. daß er nicht- sehen kann.

LeusaNi (außer sich). Aber, was schreibt sie denn? Srauden. Sie sträubt sich noch ein wenig; Sie wissen, das geschieht immer im Anfänge. Sensatti. Ist sie nicht aufgebracht? Lrau-en (fortlesend). Im Gegentheil: sie scheint sehr guter Laune zu seyn. Sensatti. Lassen Sie mich die Laune nur sehen. Scan-en. Ich bin noch nicht fertig. Sensatti. Das ist ein Frag- und Antwortspiel, bei dem ich eine dumme Rolle spiele. Srau-eu (steht gegen die Nebenthüre). Ich glaube, man kommt? — fort, Doktor! fort — sie muß mich allein finden. Sensatti. Und der Brief? Srandev. Da ist er, Sie können ihn vor der Thüre lesen. (Schiebt ihn gegen die Thüre.)

Sensatti. Was soll ich denn vor der Thüre machen? Srandev. Schildwache stehen, damit uns Niemand über­ fällt.

(Er drückt ihn aus der Thüre, und schließt sie hinter ihm ab.)

Sensatti lvon außen). Aufgemacht! der Mann ist da! Srandev. Halten Sie ihn auf.

211 Senfattt »von außen).

Er will sich nicht aufhalten lassen.

So werfen Sie ihn die Treppe hinab.

Srav-en.

Senfatti (von außen). Er will sich auch nicht hinabwerfen

lassen. Ich bringe ihn um, wenn er Lärm macht.

Sravden.

Senfatti (von außen, seufzend).

Nun, da wird er gewiß

still werden. S ran-en (eilt gegen die Nebenthürei.

Ich habe sie gehört.

Dieser Augenblick muß über mein Schicksal entscheiden.

Ächter Austritt. Hedwig.

Branden.

He-wtg.

Lran-en.

Denfattl, vor der Thüre.

Sie sind noch hier?

Sie wissen recht gut, daß ich erst wiedör ge­

kommen seyn kann.

He-wig.

Srau-en. He-wig.

Woher soll ich das wissen?

Ich komme, Ihnen für Ihre Güte zu danken. Das; ich Sie vorhin habe stehen lassen.

neigt sich, und thut, als ob sie ginge.)

(Der-

Den Dank können Sie wieder

holen. Sran-cu.

Wie? ein Augenblick kann Sie ändern?

He-wig. Haben Sie mich von einer andern Seite gekannt?

212 Lrasdea.

Warum wollen Sie mir nicht mündlich wieder­

holen, was Sie mir schriftlich sagten? Hedwig (verwundert).

Lran den.

Soll ich Ihnen geschrieben haben?

Sie wissen, mein Brief war so frei, Ihnen

mein Gefühl zu erklären, und Sie waren so gütig, mir zu

antworten.

Hedwig.

Lran den.

Das habe ich gethan? Ich habe ja den Bries in der Tasche. (Sucht.)

Nein — da hab' ich ihn nicht — den hat — (Geht gegen die Thüre, kehrt aber schnell wieder um.)

Ich darf ihn jetzt nicht holen,

sonst geht der zweite Augenblick, der mich Ihnen näher bringt, verloren. Hedwig. Also den Brief, den ich geschrieben haben soll,

hat bereits ein anderer? Lraudea.

Ein Freund — ein anderes Ich, dem ich

mein Glück und mein Leben anverttauet habe. Hedwig. Glauben Sie denn mit einem Kinde zu sprechen,

dem Sie Mährchen erzählen können, und das begierig ist, sie zu hören? Sranden.

Ich habe Ihnen gesagt, daß ich Sie anbete,

das ist kein Mährchen.

Hedwig.

Sranden. zeugen.

Sie wollen also, daß ich daran glaube? Mein ganzes Leben soll Sie davon über­

213 Hedwig. O ich fordere viel kleinere Beweise, die Ihnen

nicht so schwer werden sollen. Sranden. Hedwig.

Fordern Sie nur, ich bin zu allem bereit.

Ich nehme Sie beim Wort.

Also, mein be­

scheidener junger Mann — der erste Beweis, den ich fordere,

ist — daß wir uns jetzt zum letztenmal sehen.

iöraadt«. Hedwig.

Ist es möglich?

Das werden Sie finden. Wenn Sie die For­

derung erfüllt haben, so sollen Sie in einigen Jahren die

übrigen hören. Srandea. Hedwig.

Das stand nicht in Ihrem Briefe. In meinem Briefe kann gar nichts gestanden

haben.

Sraudeu.

So viel, das mich glücklich machte.

Schon

die Züge Ihrer Hand, die ich an mein Herz drückte, machten mich glücklich. Hedwig.

Sie haben Ihr Gluck vermuthlich geträumt.

Die Nacht ist Ihnen günstiger als der Tag. Sraudru.

Nun gut.

Meine Unbescheidenheit verdient

Strafe, meine Abficht verdiente sie nicht. Aber ich bin zu stolz,

um Liebe zu betteln.

Hedwig.

Das,

(Geht gegen die Thüre.)

Leben Sie wohl!

hoffe ich, werden wir Beide thun.

(Sie setzt sich, thut al- ob sie läse, sieht dann seitwärts, ob er wirklich abgeh«, ex bemerkt es. und kommt schnell zurück.

214 Branden. Sie haben mir noch etwas zu sagen? Hedwig. Nicht ein Wort. Brauten. Ist es denn nicht möglich, Ihre Neigung auf andere Bedingniffe zu erhalten? Die Liebe hat mich unbe­ scheiden gemacht. Hedwig. Das thut sie sonst nicht. Branden. Ich sollte schon abgereist seyn. Ihre Reize halten mich seit acht Tagen hier. Ich bin reich, ich bin frei — so unbescheiden ich scheine, so bescheiden sind meine Ansprüche an das Glück. Freilich, ich fordere viel — Ihre Neigung, Ihr Wohlwollen, das ist es, was ich von dem Schicksal fordere. Hedwig (sanft und freundlich). Sie wissen nicht, wie wenig Ihnen das Schicksal dadurch geben würde. Branden. Alles, was ich wünsche. (Nähen sich ihr.) Lassen Sie mir Zeit, mich zu bessern; lernen Sie mich kennen, und dann sagen Sie mir, daß ich hoffen darf. (Nimmt ihre Hand.) Dann — nicht wahr? — Dann darf ich hoffen? Hedwig (zieht ihre Hand zurück, und sagt leise): Die Hoffnung ist das Erbtheil jedes Menschen. Branden (leise und innig). Sie könnten mir gut werden? Hedwig (wendet sich ab, und sagt mit gedämpfter Stimme): Vielleicht. ß rttfattt (drückt heftig gegen die Thüre, und schreit): Lauter, um Gottes willen! Lauter!

215 Hedwig (fvringt auf). Was ist das? Die Thüre ist ver­ schlossen? Das ist die erste Probe Ihrer Bescheidenheit. Es bleibt bei unsern ersten Bedingnisien; wir sehen uns nie wieder. (Schnell in die NebenthLre ab.)

Neunter Austritt. Branden. Stauden

Benfatti.

(eilt gegen die Thüre, die er aufschließt).

Aber,

Doktor! sind Sie rasend? Senfatti (tritt ganz erschöpft ein, und trocknet fich da- Gesicht).

Herr! Sie flüstern ja wie ein Zephyr. Sranden. Grade, wie ich anfange glücklich zu werden, da brüllen Sie, daß das Haus zittert. Sen satt!. Ich zittere noch stärker als das Haus. Also, Ihr Glück hat schon angefangen? Sranden. Nun freilich, sie gab schon nach. Senfatti (setzt sich erschöpft). Es geht ja erstaunlich schnell. Sranden. Das habe ich Ihnen zu verdanken. Senfatti. Das ist es eben, was mich hauptsächlich freut. Sranden. Aber, was fällt Ihnen denn ein, daß Sie auf einmal vor der Thüre rasend werden?

216 Sevfattr. Ach, das ist eine abscheuliche Geschichte. Der Mann war die ganze Zeit da.

Srau-en.

Vor der Thüre?

Sevsatti.

Richtig.

Sraud Der wird mich über mein Schicksal belehren.

Lilster Auftritt B-nfatti. Luise.

Luise

Du bist beschäftigt?

Leu satt i (steckt den Brief ein) Luise (ihn neckend).

Mich störst du nie.

Die Antwort ist bestellt, wie ich sehe.

L e u s a t t i. Liebes Kind! ich muß noch eine Antwort fordern.

Luise.

Gut, ich schreibe gleich.

S e u f a t t i. Du scheinst Geschmack an der Sache zu bekommen?

Luise.

Ich habe immer gern geschrieben.

220 Seusatti. Das ist also nicht das erstemal? Das freut mich! Luise.

Du Weißt, unsere Bekannte wohnen in allen

Ecken von Deutschland; das Schicksal entfernt, waS uns liebt, und jeder Posttag rückt es uns wieder näher.

Seusatti (fetzrsich ueoen fie).

Luise.

Dis sieht ja aus wie ein Geheimniß.

Seusatti. sich liebt.

Laß uns auch näher rücken.

Gesetzt, das Schicksal hätte getrennt, was

(Reicht ihr die Hand.)

Ich hoffe, der Posttag ist ge­

kommen, der uns wieder näher bringt. Luise (gibt ihm ihre H-Nd). Ich begreife dich nicht.

Seusatti.

Ich habe die häßlichste halbe Stunde in

meinem Leben gehabt.

Du bist heute ausgegangen und das

heitere Wetter hat dich, verführt; damit hat das Unglück an­ gefangen.

Eine Frau, die ihrem Manne keine Sorge machen

will, darf sich nicht einmal vom Wetter verführen lasten. Luise.

Die Luft war so rein wie meine Absicht.

Seusatti.

Aber die Geschöpfe, die in der Luft herum­

gehen, das sind die schädlichen Theile, die sie enthält.

Die

Pest in der Türkei, und ein junger Müßiggänger in Deutsch­

land, sind ein paar verderbliche Geschöpfe.

Da kommt denn

ein heiteres Wetter dazu; ein Umweg, den man macht; ein

Brief, den man schreibt; und daß man sich in die Ohren

flüstert, wenn der Mann vor der Thüre winselt. Du siehst, ich weiß alles.

(Stehr auf.)

221

Luise. Du hast dir eine Mosaik von Elend zusammen­ gesetzt, zu der ich wenigstens die Farben nicht geliefert habe. Srufatti. Eigentlich habe ich jetzt- mit meinen Worten einen Umweg gemacht, wie du vorhin über den Wall. Ich wollte dir sagen, daß ein Arzt im Grunde ein verdrießliches Leben führt, und seine Frau mit ihm. Luise. Was ist erhebender, als wohlthun und heilen? Srufatti. Ja, es ist recht wohlthätig, besonders wenn man die Geheilten nachher kennen lernt. Es ist oft eine wahre Gewiffenssache, die Menschen zu erhalten, und du weißt, was ich meine; ich habe jetzt eine Gewiffenssache von der Art, die mich drückt. Luise. Lieber Freund! der Arzt muß nie rüthselhast sprechen, sonst verliert der Kranke das Vertrauen. Srufatti. Habe ich denn so undeutlich gesprochen? Luise. Wenigstens für mich. Du bist wie die neuen Bücher. Die Leute glauben, es ist genug, wenn sie nur selbst verstehen, was sie drucken lassen. (Streichelt ihn.) Aber, liebes Buch, das so viele gute Recepte enthält, sey mir zu Liebe etwas deutlicher! Srufatti. Run denn — liebst du mich noch? Luise. Darauf soll ich antworten? Srufatti. Die Frage ist doch sehr deutlich. Luise. Aber sie setzt einen Zweifel voraus. Wie konnte der entstehen?

222 £ rauften (von außen).

Doktor! — Doktor! —

Le»fatti (außer sich). Da — da — da kommt der Zweifel

die Treppe herauf.

Zwölfter Austritt. Die Vorigen. Branden,

ßranften (ein Papier in der Hand).

Menschlichkeit hieher. Papier.)

Dießmal führt mich die

(Sieht Luisen, verbeugt fich und zeigt auf das

Verzeihung! hier ist meine Entschuldigung, daß ich

unangemeldet eintrete.

Augenblick zu verlieren.

(Zum Doktor.)

Sie haben nicht einen

Da lesen Sie.

Der Graf, der vor

acht Tagen hier angekommen ist, will wieder fort.

ßenfatti.

Glückliche Reise! was geht das mich an?

Lrauften.

Das geht Sie sehr viel an.

Der Tod hat

sich durch einen Schwindel bei ihm melden lassen, und hier

meldet er Ihnen, daß er ohne Sie in eine bessere Welt geht, wo er nicht hin will.

Da lesen Sie.

Der Wagen ist unten.

Machen Sie schnell! Luise.

Der arme Mann wird leiden.

Leufatti (liest). Das ist am andern Ende der Straße; Gott bewahre, dort wohnen zwei Aerzte in der Nähe, das sind

die geschicktesten Leute für den Schwindel, die es gibt.

223 Aber Ihr Ruhm und Ihre Geschicklichkeit

Srandeu.

machcn Sie überall bekannt.

Senfatti (heftig).

Er hat Zutrauen zu Ihnen.

Ich will jetzt kein Zutrauen haben.

Lieber Freund! er leidet.

Luise.

Ich will ihm ein Zugpflaster schicken, so

Senfatti.

groß wie das Zimmer.

Srand en (schiebt ihn gegen die Thüre).

So sehens Sie doch

selbst, wie ihm zu helfen ist. Senfatti (wehrt sich,.

Er soll alle Arzneien in der Apo­

theke verschlingen, eine wird ja helfen.

Doktor! ich verkenne Sie gan*.

Sraa-cv.

Unten steht der Wagen.

Luise.

S rau den.

Denken Sie an Ihren Beruf.

Senfatti.

Gott weiß, zu was ich noch berufen bin.

Nun — ich gehe.

Ich werde gehen, — ich

Aber die Thüre muß offen bleiben.

muß ja gehen.

Srandeu. Luise.

(Macht sich los.)

Ist das eine Vorschrift?

Der Zugwind ist schädlich.

Senfatti.

Ach, was Zugwind!

Ob jetzt ein bischen

Wind mehr oder weniger im Hause ist, das macht das Uebel

nicht ärger.

Der Wagen steht unkn ?

Srandeu.

So lang ich hier bin.

Der Bediente sucht

Sie überall — Ich habe ihn hergewiesen. Senfatti.

Nun, ich bin gleich wieder hier — wenn

224 der Kerl nicht im Galopp fährt, so lege ich ihm ein Blafen-

psle.ster über den ganzen Leib.

(Stößt die Tlüre weit auf.)

So

(Ab.)

muß die Thüre bleiben!

dreizehnter Auftritt. Luise. Branden.

ßraudeu.

Die Heilkunde ist eine verdrießliche Kunst;

das macht ost die Aerzte verdrießlich. meine Sache von der seinigen trenne.

Erlauben Sie, daß ich

Ich bin der Haupt­

mann Branden, der nicht zum erstenmal hier ist. Luise.

Ich erinnere mich doch nicht, Sie gesehen zu

haben. ßraudeu.

Das mag wohl seyn; aber andere Leute

haben mich gesehen.

Hier wobnt jemand, der mich für sehr

unbescheiden halten muß. Luise.

Haben Sie Anlaß dazu gegeben?

ßrnfatti (schreit von außen).

Hauptmann! Herr Haupt­

mann!

ßraudeu.

Das will der schon wieder?

225

Vieyehntkr ÄustrUt. Die vorigen.

Denfatti.

Seufatti. Da füllt mir ein, daß der Graf ein Fremder ist. Wer weiß, was dem der liebe Gott für eine Sprache in den Mund gegeben hat, und Sie verstehen alles, was in der Welt gesprochen wird; da könnten Sie der Menschheit einen wahren Liebesdienst erweisen, wenn Sie mich begleiten wollten, -raub en. Doktor! wenn Sie noch eine Mnmte warten, so spricht der Graf gar keine Sprache mehr. Seufatti. Aber, wenn ich meine beiden Ohren hinhalte, und er sagt mir etwas hinein, was ich nicht verstehe, wie dann? — Srau-eu. Der Graf spricht deutsch, wie wir. Seufatti (zieht ihn am Arm). Kommen Sie nur mit, das Deutsche wird so verschieden gesprochen. S raub en (reißt sich lo