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German Pages 340 [342] Year 2009
Michael Blömer / Margherita Facella / Engelbert Winter (Hg.) Lokale Identität im Römischen Nahen Osten
ORIENS ET OCCIDENS Studien zu antiken Kulturkontakten und ihrem Nachleben
---------------------------Herausgegeben von Josef Wiesehöfer in Zusammenarbeit mit Pierre Briant, Amélie Kuhrt, Fergus Millar und Robert Rollinger
Band 18
Michael Blömer / Margherita Facella / Engelbert Winter (Hg.)
Lokale Identität im Römischen Nahen Osten Kontexte und Perspektiven
Erträge der Tagung „Lokale Identität im Römischen Nahen Osten“ Münster 19. – 21. April 2007
Franz Steiner Verlag Stuttgart 2009
Gedruckt mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf, und des Exzellenzclusters „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne“, Westfälische Wilhelms-Universität Münster Umschlagabbildung: Stele mit dem Götterpaar von Doliche vom Dülük Baba Tepesi (Foto: Forschungsstelle Asia Minor, Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 978-3-515-09377-4 Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigen Papier. © 2009 Franz Steiner Verlag Stuttgart Druck: AZ Druck und Datentechnik, Kempten Printed in Germany
INHALTSVERZEICHNIS Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Blömer, Michael (Münster) Stelen mit Darstellungen lokaler Wettergottgestalten im römischen Nordsyrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Haider, Peter W. (Innsbruck) Religiöse Vorstellungen in Ninive und Assur während der hellenistischen und parthischen Ära. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Hartmann, Udo (Berlin) Orientalisches Selbstbewusstsein im 13. Sibyllinischen Orakel . . . . . . . . . . 75 Kropp, Andreas (Nottingham) King – Caesar – God. Roman imperial cult among Near Eastern “client” kings in the Julio-Claudian period . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Lichtenberger, Achim (Münster) Tyros und Berytos. Zwei Fallbeispiele städtischer Identitäten in Phönikien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Millar, Fergus (Oxford) Libanios’ Vorstellungen vom Nahen Osten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Oenbrink, Werner (Köln) „... nach Römischer Art aus Ziegelsteinen ...“ Das Grabmonument des Gaius Iulius Samsigeramos im Spannungsfeld zwischen Fremdeinflüssen und lokaler Identität . . . . . . 189 Schmidt-Colinet, Andreas (Wien) Nochmal zur Ikonographie zweier palmyrenischer Sarkophage . . . . . . . . . 223
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Inhaltsverzeichnis
Sommer, Michael (Liverpool) Imperiale Macht und lokale Identität: Universalhistorische Variationen zu einem regionalhistorischen Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Stoll, Oliver (Mainz) Kentaur und Tyche – Symbole städtischer Identität? Resaina, Singara und ihre Legionsgarnisonen im Spiegel städtischer Münzprägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
VORWORT In den letzten zwei Jahrzehnten hat das Interesse der Altertumswissenschaften am Römischen Nahen Osten stark zugenommen.1 Das dort wirksame Zusammenspiel einer Vielzahl divergenter Gruppen mit eigenen, oft weit zurückreichenden Traditionen und der Einfluss griechischer und römischer Kultur ließen eine einzigartiges Milieu entstehen, das ein breites Panorama politischer, religiöser und künstlerischer Phänomene hervorgebracht hat. Die Beschäftigung mit der lokalen Kultur des Nahen Ostens in römischer Zeit ist daher stets von der Frage geprägt gewesen, in welchem Maße und auf welche Weise lokale Traditionen und westliche Einflüsse korrelieren. Die Modelle von Hellenisierung/Romanisierung als Weg zum Kulturverständnis dieser Epoche haben sich in der Debatte der letzten Jahre jedoch als zunehmend problematisch erwiesen.2 Aufgrund seiner Offenheit erweist sich der Identitätsbegriff als tragfähiger.3 Primär entwickelt und erprobt bei der Annäherung an das kulturelle Milieu in den Provinzen des westlichen römischen Imperiums hat sich die Erforschung von Identität als zentrales Paradigma auch für den Orient etabliert.4 Insbesondere die Frage nach der Wechselwirkung von lokalen Traditionen einerseits und überregionalen Fremdeinflüssen andererseits steht dabei im Fokus. Gleichwohl ist die Tendenz, Einzelerscheinungen zu verallgemeinern und Bezüge zwischen räumlich wie zeitlich weit entfernten Phänomenen herzustellen, in der Forschung immer noch präsent, so dass mitunter ein kulturell wie strukturell einheitlicher „orientalischer“ Raum als Resultat einer statischen Verbindung autochthoner, hellenistischer und römischer Einflüsse postuliert wird, was besonders eindrücklich in der Konstruktion übergreifender „orientalischer“ Religionen manifest wird.5 Dagegen die Bedeutung lokaler Kontexte erneut zu betonen, war das Ziel einer vom 19.–21. April 2007 durch die Forschungsstelle Asia Minor im Seminar für Alte Geschichte der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und das Dipartimento di Scienze Storiche del Mondo Antico, Università di Pisa gemeinsam mit dem Centrum für Geschichte und Kultur des östlichen Mittelmeerraums der
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Das zeigt sich deutlich bereits an der Zahl der seitdem erschienenen Monographien, die sich – bei mitunter stark abweichender Perspektive – zusammenfassend mit dem Römischen Nahen Osten beschäftigen, vgl. insbesondere Millar 1993; Ball 2000; Sartre 2001; Butcher 2003; Sommer 2005. Vgl. dazu auch die zusammenfassenden Rezensionen von Kennedy 1999 und Kaizer 2004. Zu diesem weiten Problemfeld sei nur verwiesen auf die wichtigen Arbeiten von Woolf 1994; Webster 2001; Le Roux 2004; Hingley 2005 sowie die Beiträge in Schörner 2005a. Mattingly 2004; Schörner 2005b; Pitts 2007. Verwiesen sei z. B. auf die bereits existierenden Tagungspublikationen zum Nahen Osten, die den Begriff Identität im Titel tragen: Clarke 1998; Schmidt-Colinet 2004. Vgl. hierzu die wichtigen Beiträge von Kaizer 2006; Kaizer 2007.
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Vorwort
Westfälischen Wilhelms-Universität Münster veranstalteten Tagung mit dem Titel: „Lokale Identität im Römischen Nahen Osten“. Der Impuls, diese Tagung zu veranstalten, ging zunächst von den landeskundlichen Arbeiten der Forschungsstelle Asia Minor in Kommagene aus, vor allem von den Resultaten der Grabung im Zentralheiligtum des Iupiter Dolichenus.6 Hier zeigte sich in den vergangenen Jahren, wie hinter dem vermeintlich bekannten Kult eines reichsweit prominenten Gottes in seiner Heimat – im lokalen Kontext – ein komplexes Neben- und Miteinander verschiedener, mitunter divergenter Einflüsse existiert. Die Fragen, die sich hier stellten, erwiesen sich als Teil eines für den gesamten Nahen Osten virulenten Fragenkomplexes. Vor dem Hintergrund aktueller Forschungen, die Licht werfen auf die Geschichte, Archäologie und Topographie insbesondere Syriens und Mesopotamiens in hellenistisch-römischer Zeit, sollte daher das regionale Gefüge erneut in den Blick genommen werden. Anhand von Fallbeispielen wurden mit Blick auf den Charakter lokaler Phänomene auch methodologische Fragen angesprochen, die Kontexte unserer Quellen aufgespürt und die Konstruktion von übergreifenden Konzepten, die die Eigenheiten lokaler Phänomene überlagern, kritisch diskutiert. An die Forschungen in Doliche knüpft der erste Beitrag des Bandes an, in dem Michael Blömer Stelen aus Nordsyrien untersucht, die Gottheiten zeigen, deren Ikonographie in der Tradition altorientalischer Wettergötter steht (S. 13–47). Sie stammen aus der ländlichen Kyrrhestike und Kommagene und werden traditionell mit der Verehrung des Iupiter Dolichenus verknüpft. Tatsächlich spiegeln sie jedoch eine sehr viel stärker kleinräumlich orientierte religiöse Vorstellungswelt, die eine Vielzahl lokaler Wettergottheiten kennt. Der Gott von Doliche ist auf regionaler Ebene nur einer unter vielen, auch wenn sich sein Kult schließlich reichsweit verbreitet. Wie eng die Anbindung auch des Dolichener Kultes an lokale eisenzeitliche Religion ist, zeigt eine neue, bei den Ausgrabungen im Heiligtum entdeckte Stele, die hier erstmals vorgestellt wird. Ein weiteres Beispiel für die kleinräumliche Entwicklung religiöser Vorstellungen gibt die Untersuchung der Religion in den Städten Assur und Ninive/Ninos während der hellenistisch-parthischen Epoche durch Peter W. Haider (S. 49–74). Obwohl beide Orte nah beieinander liegen und in einer gemeinsamen kulturellen Tradition stehen, entwickeln sich die religiösen Systeme seit Beginn der hellenistischen Epoche unterschiedlich. Während in Ninive/Ninos, wo eine makedonischgriechische Elite lebte, eine deutliche Hellenisierung beobachtet werden kann, wird in Assur bis in die parthische Zeit das angestammte Pantheon verehrt, wenn auch die kultische Ikonographie und Architektur durch hellenistische und parthische Einflüsse transformiert wird. Die Verschmelzung ikonographischer Elemente aus verschiedenen Traditionen führt Andreas Schmidt-Colinet am Beispiel zweier palmyrenischer Sarkophage vor (S. 223–234). Angehörige der lokalen Elite verbinden hier römische und einheimische Elemente und definieren damit eine eigene Identität jenseits von Stereotypen wie Romanisierung und Resistenz. 6
Vgl. etwa Blömer/Winter 2005; Winter 2008.
Vorwort
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Mit Grabformen und Grabrepräsentation als Marker von Identität beschäftigt sich auch der Beitrag von Werner Oenbrink (S. 189–221). Ausgehend von einer eingehenden Untersuchung des Grabmals des Samsigeramos in Emesa/Homs werden die Grabbauten lokaler Eliten in Nord- und Mittelsyrien in römischer Zeit in den Blick genommen. Deren Form ist zum einen durch eine unterschiedlich starke Affinität der Grabinhaber zu Rom bedingt. Gleichzeitig zeigen einzelne Elemente der Bauten wie auch die grundsätzliche Auffassung vom Grab eine gleichzeitige Verwurzelung in lokalen Traditionen. Die Auseinandersetzung mit Rom prägte in besonderer Weise die wechselhaften Geschicke der zahlreichen formal selbständigen, aber von Rom abhängigen Herrschaften, die im späten Hellenismus und der frühen Kaiserzeit im Nahen Osten existierten.7 So lässt sich hier, jenseits provinzieller und munizipaler Strukturen, in iulisch-claudischer Zeit der römische Herrscherkult fassen. Andreas Kropp untersucht in seinem Beitrag (S. 99–150) die vier archäologisch nachweisbaren Tempel, die mit diesem Herrscherkult verbunden sind, und mit Blick auf kulturelle Implikationen deren Architektur. Drei der Tempel sind in augusteischer Zeit im Auftrag des König Herodes errichtet worden. Während diese herodianischen Anlagen ganz römischen Modellen verpflichtet sind, steht der vierte Tempel, in Faqra gelegen, in einer lokalen Bautradition und gibt sich nicht per se als römisch zu erkennen. Das kulturelle Profil der phönikischen Städte in der römischen Kaiserzeit steht im Zentrum des Beitrages von Achim Lichtenberger (S. 151–175). Die Städte waren bereits seit der vorhellenistischen Zeit einem kulturellen Pluralismus ausgesetzt, weshalb die Frage, wie „phönikisch“ sie in der Kaiserzeit waren, nicht leicht zu beantworten ist. Aussagekräftige archäologische Quellen fehlen vielfach. Die Betrachtung städtischer Münzprägung kann aber in diesem Zusammenhang weiterführen. Spätestens seit severischer Zeit ist eine Besinnung auf die phönikische Vergangenheit in der städtischen Selbstdarstellung auf lokal geprägten Münzen zu beobachten. Am Beispiel der Städte Tyros und Berytos geht Lichtenberger diesem Phänomen nach und zeigt, wie sich in der Auseinandersetzung mit Rom eine lokale Identität neu formuliert. Oliver Stoll nimmt die Entwicklung lokaler Identität der nordmesopotamischen Städte Resaina und Singara unter dem Einfluss der starken Präsenz des römischen Militärs in den Blick (S. 249–340). Die Analyse der Münzprägung dieser Städte und ihrer Bildersprache während der ersten Hälfte des 3. Jh. n. Chr. unterstreicht, wie aufschlussreich städtische Münzen als Quellen für das politische, kulturelle und religiöse Leben sein können.8 Die Prägeverläufe helfen nicht nur bei der Rekonstruktion historischer Ereignisse, sie erlauben auch Rückschlüsse auf wirtschaftliche, kulturelle und politisch-soziale Entwicklungen im Zusammenhang mit der Anwesenheit von Militäreinheiten im Rahmen der Ereignisse an der römischen Ostgrenze im 3. Jh. n. Chr. Die Analyse zeigt eine Identifikation von Stadt und Garnison und eine Selbstdefinition der Stadt über ihren Charakter als Standort der Le7 8
Vgl. hierzu insbesondere die Beiträge in Kaizer/Facella (in Vorbereitung). Vgl. zu Münzprägung und Identität auch die Beiträge in: Howgego/Heuchert/Burnett 2005. Die Bedeutung der Münzen für eine Annäherung an Fragen kultureller Identität im Nahen Osten zeigt besonders gut Lichtenberger 2003.
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Vorwort
gion oder Legionsgarnison. Die Bildwelt und die Legenden der städtischen Münzen Resainas und Singaras sind Ausdruck einer kollektiven Identität, die mit Stolz auf die Präsenz der Legionen rekurriert und damit integrative sozio-politische Prozesse belegt. Gleichzeitig sind manche der Zeichen auf den Münzen doppeldeutig und können sowohl in einem lokal-indigenem als auch in einem römischen Kontext gelesen werden. Fergus Millar führt in seinem Beitrag zu Libanios und dessem Konzept von „Orient” vor, wie wichtig es ist, zwischen den verschiedenen Epochen und den verschiedenen Regionen zu unterscheiden, wenn wir von kulturellen und religiösen Kontexten reden (S. 177–187). Durch die Werke des Libanios, der im politischen Leben seiner Heimatstadt und der ganzen Region im 4. Jh. n. Chr. eine zentrale Rolle spielte, erlangen wir eine Einsicht in die zeitgenössischen Verhältnisse, die, wie Millar zeigt, weder subjektiv noch phantastisch ist: „Was Libanios wahrnahm, als er über die Region schrieb, die wir als den Nahen Osten betrachten, war nichts anderes als eine griechische Welt mit griechischen Städten, in denen die griechische Kultur blühte“. Als zentrale soziale Struktur erscheinen bei Libanios griechische Poleis. Daraus ergibt sich weder das Bild eines „Synkretismus“ oder einer „Mischung von griechischen und lokalen – oder „semitischen“ – Elementen im Heidentum“ in Nordsyrien, noch lässt sich ein Bewusstsein vom Nahen Osten im Sinne einer einzigartigen Region in der griechisch-römischen Welt mit spezifischen Verschiedenheiten feststellen. Dieser Befund zeigt, wie sehr Wahrnehmung und Identität sich gegenseitig beeinflussen. Ein interessantes Beispiel für die Koexistenz verschiedener Identitäten liefert der Autor des 13. Sibyllinischen Orakels. Dieser Text, der in der Mitte der 260er Jahre zusammengestellt wurde und auf einen syrischen Diaspora-Juden als Verfasser zurückgeführt werden kann, wird von Udo Hartmann analysiert mit dem Ziel, das Selbstverständnis des Verfassers als Syrer einerseits und als römischer Bürger andererseits sowie das Verhältnis dieser Identitäten zueinander zu untersuchen (S. 75–98). Die Verse lassen zwar die römische Identität des Syrers erkennen, der sich um die Zukunft des Reiches sorgt, gleichzeitig verdeutlichen sie aber das orientalische Selbstbewusstsein des Autors, der glaubt, dass nur die lokalen, orientalischen Kräfte das Land vor den Feinden beschützen können. Michael Sommer geht letztlich in allgemeiner Weise der Frage nach, wie sich in einer ethnisch, sprachlich, religiös heterogenen Zone wie dem Römischen Orient unter den Auspizien imperialer Herrschaft kulturelle Identitäten herausbilden konnten (S. 235–248). Sein Aufsatz versucht sich in einer Begriffsbestimmung und widmet sich sodann zwei Fallstudien: der Interaktion von römischem und lokalem Recht sowie dem Mythos und seiner Repräsentation. Damit sind in diesem Buch Beiträge aus der althistorischen, der numismatischen und der archäologischen Forschung vereint. Der zeitliche Rahmen ist weit gespannt, wie auch der Raum, mit dem sich die einzelnen Aufsätze befassen. Es wird kein einheitliches Bild einer einzelnen Landschaft, einer Stadt, einer Gruppe entworfen. Verbindendes Element ist aber das Bemühen, die erkennbaren kulturellen Phänomene aus ihren lokalen Kontexten heraus zu verstehen und auf diese Weise einige Perspektiven für zukünftige Arbeiten aufzuzeigen. Dass dieser Ta-
Vorwort
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gungsband dabei lediglich einen kleinen Beitrag zu einem großen Problemfeld leisten kann, versteht sich von selbst. Danken möchten wir an dieser Stelle zunächst allen Referenten, die in Münster ihre Forschungen zur Diskussion sowie ihre Beiträge für die Publikation zur Verfügung gestellt haben. Darüber hinaus gilt besonderer Dank der Gerda Henkel Stiftung, ebenso dem Centrum für Geschichte und Kultur des östlichen Mittelmeerraumes der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, die sich in großzügiger Weise an der Finanzierung des Kolloquiums beteiligten. Die Gerda Henkel Stiftung sowie das Exzellenzcluster „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und Moderne“, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, haben zudem durch die Übernahme der Druckkosten die Publikation des vorliegenden Bandes ermöglicht. Münster – Pisa, im April 2009
Michael Blömer Margherita Facella Engelbert Winter
LITERATUR Alcock, Susan E. (Hg.), The Early Roman Empire in the East, Oxford 1997 Blömer, Michael / Winter, Engelbert, Der Dülük Baba Tepesi bei Doliche und das Heiligtum des Iupiter Dolichenus. 2. Vorbericht (2004–2005), IstMitt 56 (2006), 185–205 Ball, Warwick, Rome in the East. The Transformation of an Empire, London u. a. 2000 Butcher, Kevin, Roman Syria and the Near East, London 2003 Butcher, Kevin, Information, Legitimation, or Self-Legitimation? Popular and Elite Designs on the Coin Types of Syria, in: Howgego/Heuchert/Burnett 2005, 143–156 Clarke, Graeme W. (Hg.), Identities in the Eastern Mediterranean in Antiquity. Proceedings of a Conference held at the Humanities Research Centre in Canberra, 10–12 November 1997, Med Arch 11 (1998) Hingley, Richard, Globalizing Roman Culture. Unity, Diversity and Empire, London u. a. 2005 Howgego, Christopher / Heuchert, Volker / Burnett, Andrew (Hgg.), Coinage and Identity in the Roman Provinces, Oxford 2005 Kaizer, Ted, The Near East in the Hellenistic and Roman Periods between Local, Regional and Supra-Regional Approaches, Scripta Classica Israelica 22 (2003), 283–295 Kaizer, Ted, In Search of Oriental Cults. Methodological Problems Concerning “The Particular” and “The General” in Near Eastern Religion in the Hellenistic and Roman Times, Historia 55 (2006), 26–47 Kaizer, Ted, Introduction, in: Kaizer, Ted (Hg.), The Variety of Local Religious Life in the Near East in the Hellenistic and Roman Periods (RGRW 164), Leiden 2008, 1–36 Kaizer, Ted / Facella, Margherita (Hgg.), Kingdoms and Principalities in the Roman Near East. Corpus Christi Conference, July 2005 (in Vorbereitung) Kennedy, David, Greek, Roman and Native Cultures in the Roman Near East, in: Humphrey, J. H. (Hg.), The Roman and Byzantine Near East 2. Some Recent Archaeological Research (JRA Suppl. 31), Portsmouth 1999, 77–106 Le Roux, Patrick, La romanisation en question, Annales HSS 59/2 (2004), 287–311
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Vorwort
Lichtenberger, Achim, Kulte und Kultur in der Dekapolis. Untersuchungen zu numismatischen, archäologischen und epigraphischen Zeugnissen (ADPV 29), Wiesbaden 2003 Mattingly, David J., Being Roman. Expressing Identity in a Provincial Setting, JRA 17 (2004), 5– 25 Millar, Fergus, The Roman Near East, Cambridge, Mass. u. a. 1993 Pitts, Martin, The Emperor’s New Clothes. The Use of Identity in Roman Archaeology, AJA 111 (2007) 693–717 Sartre, Maurice, D’Alexandre à Zénobie. Histoire du Levant antique, IVe siècle av. J.-C. – IIIe siècle ap. J.-C., Paris 2001 Schmidt-Colinet, Andreas (Hg.), Lokale Identitäten in Randgebieten des Römischen Reiches. Akten des internationalen Symposiums in Wiener Neustadt, 24.–26. April 2003 (Wiener Forschungen zur Archäologie 7), Wien 2004 Schörner, Günther (Hg.), Romanisierung – Romanisation. Theoretische Modelle und praktische Fallbeispiele (BAR Int. 1427), Oxford 2005 [= Schörner 2005a] Schörner, Hedwiga, Identität, in: Schörner 2005a, 15–24 [= Schörner 2005b] Sommer, Michael, Roms orientalische Steppengrenze. Palmyra, Edessa, Dura-Europos, Hatra. Eine Kulturgeschichte von Pompeius bis Diocletian (OrOcc 9), Stuttgart 2005 Webster, Jane, Creolizing the Roman Provinces, AJA 105 (2001), 209–225 Winter, Engelbert, Doliche, das Heiligtum des Iupiter Dolichenus und die Grabung auf dem Dülük Baba Tepesi, in: Winter, Engelbert (Hg.), ΠATPIΣ ΠANTPOΦOS KOMMAΓHNH. Neue Funde und Forschungen zwischen Taurus und Kommagene (AMS 60), Bonn 2008, 53–68 Woolf, Greg, Becoming Roman, Staying Greek. Culture, Identity and the Civilizing Process in the Roman East, ProcCambrPhilSoc 40 (1994), 116–143
STELEN MIT DARSTELLUNGEN LOKALER WETTERGOTTGESTALTEN IM RÖMISCHEN NORDSYRIEN Michael Blömer Ein kleines Heiligtum, prominent auf einem vorgerückten Felssporn des steil aufragenden Amanusgebirges gelegen, überragt nahe der Ortschaft Ceylanlı das Tal des Kara Su (Abb. 1).1 Perdrizet und Fossey haben es 1897 während einer Forschungsreise in Nordsyrien erstmals untersucht.2 In der Publikation der Ergebnisse ihrer Reise beschreiben sie zunächst mehrere in einer steilen Felswand angelegte Felskammergräber, zu denen verschiedene Felsreliefs und eine Grabinschrift gehören.3 Anschließend erwähnen sie einen kleinen Tempel, der noch weit oberhalb der Felswand solitär auf einer felsigen Kuppe liegt. Sie sprechen ihn als hellenistisch an.4 Nur wenige Jahre später besuchte Chapot Ceylanlı und bestätigte diese Angaben.5 Er machte zudem auf eine nahe gelegene antike Siedlung bei dem Weiler Gündüzlü 1 2 3
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Zur Ortslage Casana 2005, 42 f.; Casana/Wilkinson 2005, 253 Kat. AS 272 (Ceylanlı Kale). Perdrizet/Fossey 1897, 87–89. Perdrizet/Fossey 1897, 87. Außerhalb von Felskammergräbern angebrachte Reliefs sind in Nordsyrien recht selten, haben aber Parallelen etwa in Quatura, vgl. Tchalenko 1953, Taf. 62, 1–3 u. 175, 3 oder in Perrhe, vgl. Winter/Eraslan 2008, 183 f., Taf. 25, 3. Zahlreich sind Felsreliefs allerdings im nahen Kilikien, vgl. etwa Durugönül 1989. – Die lange Grabinschrift, die neben dem Eingang eines Felskammergrabes angebracht ist, wurde zuerst von Chapot gelesen, vgl. Chapot 1902, 189 f.; IGLS I 101 ff., Nr. 171. Von diesem Grab leitet sich der ehedem verbreitete Name des Ortes „Kara Mağara“ (Schwarze Höhle) ab. Dieser Name ist zeitweise auch auf die nahe Siedlung übertragen worden und findet sich in der älteren Literatur zuweilen anstatt Ceylanlı/Gündüzlü. Für eine präzise Rekonstruktion des Baus ist die Publikation einer ausführlichen Bauaufnahme abzuwarten. Es handelt sich um ein langrechteckiges Gebäude von geringer Größe (Bei Casana/Wilkinson 2005, 253 wird eine Größe von 6 m x 6 m angegeben). Große Teile des Fundaments und des Stylobats sowie die erste Lage des aufgehenden Mauerwerks liegen noch in situ. Der Mauerfuß ist einfach profiliert. Zahlreiche Bauglieder sind in einer nachantiken Festungsmauer verbaut, die um die felsige Kuppe angelegt ist, und von der insbesondere im Süden Mauerreste noch hoch anstehen. Zum Tempel gehörende Bauornamentik scheint nicht erhalten zu sein, was bereits Perdrizet/Fossey 1897, 88 bemerken. Von Säulentrommeln ist allerdings bei De Giorgi 2007, 293 die Rede. Insgesamt handelt es sich um einen einfachen Naos. Sehr gut vergleichbar ist etwa der kleine Tempel von Köșk in der südlichen Kommagene, vgl. Comfort/Abadie-Reynal/Ergeç 2000, 117. Dieser ist durch mehrere Inschriften in hadrianische Zeit datiert. Chapot 1902, 188–190. Auch für den Bau bei Ceylanlı ist eine Errichtung im 2. Jh. n. Chr. wahrscheinlich, was offenbar auch der Keramikbefund nahelegt, vgl. De Giorgi 2007, 293. Als hellenistisch (seleukidische Zeit) bezeichnet bei Perdrizet/Fossey 1897, 88; als späthellenistisch-frühkaiserzeitlich datiert bei Casana 2007, 205.
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aufmerksam.6 Danach geriet der Ort für lange Zeit in Vergessenheit7. Erst in den letzten Jahren ist das Gebiet um Ceylanlı und auch der antike Bau im Rahmen des Amuq-Surveys des Oriental Institute, Chicago, erneut untersucht worden.8 Perdizet und Fossey gehen in ihrer Beschreibung des Platzes auch auf eine Gruppe von Skulpturen näher ein, die aus der unmittelbaren Umgebung des Tempels stammt.9 Diesen Skulpturen ist in der Folgezeit keine weitere Beachtung geschenkt worden, obwohl sie für Fragen der lokalen Religion und der nordsyrischen Götterikonographie von Interesse sind. Sie gehören zu einer Gruppe von lokalen nordsyrischen Reliefs, die traditionell mit dem Kult des Iupiter Dolichenus verbunden werden. Hier sollen sie als Ausgangspunkt dienen für einige allgemeine Überlegungen zur Darstellung von Wettergöttern in Nordsyrien in römischer Zeit, zu denen als prominentester Vertreter der Gott von Doliche gehört, der als Iupiter Dolichenus weit über die Grenzen Syriens hinaus Verbreitung gefunden hat. DIE STELEN AUS CEYLANLI Die Skulpturen von Ceylanlı müssen heute als verschollen gelten.10 Ihre Beschreibung kann sich daher nur noch auf die Beschreibung von Perdrizet und Fossey sowie die ihrem Artikel beigefügten Abbildungen stützen. Im Mittelpunkt stehen zwei Stelen mit figürlichen Darstellungen, aus Basalt gearbeitet.11 Das Relief der ersten Stele zeigt eine männliche Figur auf einem Vierfüßler stehend nach rechts (Abb. 2).12 Das Tier ist von gedrungener Gestalt, schwach ausgebildete Beinstummel tragen einen langgestreckten schweren Körper, der ohne erkennbare Ausdifferenzierung in einen kleinen Kopf übergeht. Das Maul ist leicht angehoben. Nur noch schwach erkennbar ist die Angabe von Hörnern. Der Schwanz ist kurz und aufgerichtet. Auf dem Rücken des Tieres stehen parallel nebeneinander die Füße des Mannes in Seitenansicht. Er trägt Schuhe, deren Spitzen leicht nach oben gebogen sind. Die Person ist mit einer knielangen Tunika mit kurzen Ärmeln bekleidet. Meh6
Zwei Inschriftenfunde aus dem Bereich dieser Siedlung sind bei Mecerian/Mouterde 1942/3, 90 ff. publiziert. Aufgrund eines Grenzsteines identifizieren sie den Ort überzeugend als das antike Meleagrum. Meleagrum ist vor allem aus Itinerarien bekannt, vgl. Dussaud 1927, 438 f., wo er allerdings bei Muratpașa in der Ebene des Kara Su angesiedelt wird; Honigmann, Ernst, Meleagrou charax, RE XV 1 (1931) 489 f.; Cohen 2006, 184 f. Die in jüngster Zeit vorgeschlagene Identifizierung mit Sochoi, vgl. Casana 2004, 117 und Casana 2007, 205, wo Meleagrum erneut bei Muratpașa lokalisiert ist, wird zurecht zu Gunsten von Meleagrum verworfen bei De Giorgi 2007, 293; De Giorgi 2008, 257. 7 Erwähnt wird er bei Jacquot 1931, 175 u. 178 ff.; Chammas 1933, 18 sowie bei Sinclair 1990, 134. 8 Im Rahmen des Amuq Valley Surveys ist der Ort mehrfacht besucht und beschrieben worden, vgl. Casana 2004, 117; Casana 2005, 42 ff.; Casana/Wilkinson 2005, 253 Kat. AS 272; De Giorgi 2007, 291–293; De Giorgi 2008, 257. 9 Perdrizet/Fossey 1897, 88 f. 10 Chapot hat die Reliefs noch gesehen, vgl. Chapot 1902, 189. Danach fehlen Hinweise auf ihren Verbleib. 11 Perdrizet/Fossey 1898, 89, Abb. 4, Taf. 4. 12 Maße: H 0,97 m, B 0,57 m, T 0,24 m.
Stelen mit Darstellungen lokaler Wettergottgestalten im römischen Nordsyrien
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rere parallele Bogenfalten laufen zur linken Schulter. Das Gewand schließt mit einem welligen Saum ab. Um die Taille läuft ein Gürtel, der als doppelter Wulst gebildet ist. Ein Schwert, senkrecht hinter den Körper entlang geführt, ist an ihm befestigt. Im frontal wiedergegebenen Brustbereich sind summarisch Staufalten wiedergegeben. Die Oberarme sind angewinkelt, die Unterarme in die Höhe gestreckt. Die Hände sind wie der gesamte obere Bildrand stark beschädigt. In der Beschreibung des Reliefs heißt es, die Hände seien geöffnet. Jedoch ist zumindest in der linken Hand ein Gegenstand erkennbar. Der nach rechts gewendete Kopf ist stark bestoßen und weitgehend verloren. Von dem zweiten Relief ist nur die untere Hälfte erhalten, es ist zudem lediglich in einer sehr schematischen Zeichnung überliefert. Es zeigt eine Person in einem langen Gewand, das über den Knöcheln einen welligen Saum aufweist. Das Gewand ist gegürtet, der Gürtel als einfaches Band wiedergegeben. Die summarisch wiedergegebenen möglicherweise unbekleideten Füße weisen nach links, der Körper ist frontal ausgerichtet. Oberkörper und Kopf sind vollständig verloren. Da auf Höhe der Taille keine Spuren der Arme zu sehen sind, scheinen diese erhoben gewesen zu sein. Beide Stelen waren ehedem maßgleich und zeigen einen identischen Aufbau. Den unteren Abschluss bildet eine schmale, schwach vortretende Standfläche. Die Seiten laufen senkrecht nach oben, das besser erhaltene Relief mit der männlichen Figur zieht sich im oberen Viertel geringfügig ein, woraus sich ein bogenförmiger Abschluss rekonstruieren lässt. Bei der Auffindung der Stelen war ihr Aufstellungskontext offensichtlich noch weitgehend intakt. Leider sind die Angaben, die Perdrizet und Fossey zu dem Gesamtbefund machen, nur sehr allgemein.13 Sie vermuten lediglich, dass die Reliefs einander gegenüber oder nebeneinander aufgestellt waren. Zu dem Ensemble gehörten auch zwei rundplastische Löwenfiguren, über deren Gestalt weiter nichts überliefert ist. Es ist von weiteren Werksteinen aus Basalt ohne bildliche Darstellung in der unmittelbaren Umgebung die Rede. Die Anlage wird mit dem eingangs beschriebenen Tempel verbunden und als Höhenheiligtum angesprochen. Zur Identifizierung der dargestellten Figuren äußern sich Perdrizet und Fossey nicht konkret. Sie erkennen aber in ihrer Ikonographie Affinitäten zur „hethitischen“ Plastik.14 Darüber hinaus verweisen sie auf die Nähe zu Darstellungen des Iupiter Dolichenus, der damals durch zahlreiche Denkmäler aus dem Westen des Römischen Reiches bereits gut bekannt war.15 Aus Nordsyrien, wo der Gott in der Stadt Doliche seine Heimat hat, kannte man 1897 allerdings lediglich eine einzige
13 Perdrizet/Fossey 1898, 88 f. Heute scheint der gesamte Befund nicht mehr existent zu sein, zumindest gibt es seit Chapots Besuch keine Nachrichten mehr zu dem Ensemble. Weder war es möglich, bei einem Besuch im Sommer 2005 Spuren der Anlage zu lokalisieren, noch ist sie bislang im Rahmen der Surveypublikationen erwähnt. Hier ist jedoch die abschließende Publikation abzuwarten. 14 Perdrizet/Fossey 1898, 89. 15 Frühe zusammenfassende Abhandlungen zu Iupiter Dolichenus und seinen Denkmälern sind bereits Seidl 1854 und Hettner 1877.
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Darstellung hellenistisch-römischer Zeit, die einen Gott mit einer dem Iupiter Dolichenus vergleichbaren Ikonographie zeigte.16 Die Assoziierung des Gottes auf der Stele mit dem Gott von Doliche lag jedoch auf der Hand. Beide verbindet eine Ikonographie in der Tradition der in Nordsyrien in der Bronze- und Eisenzeit verbreiteten Sturm- und Wettergötter. Ein charakteristisches Element ihrer Darstellungsweise war seit der Bronzezeit das Stehen auf dem Stier und die Pose des smiting god.17 Mit der Deutung des Gottes auf dem Stier von Ceylanlı als Wettergott bietet sich eine Erklärung der Figur auf dem stark zerstörten zweiten Relief als weiblicher parhedros des Wettergottes an, wenn hier auch die Darstellung selbst keine konkreten Anhaltspunkte gibt. Die Verehrung von Wettergottheiten hat im gesamten Nahen Osten eine lange Tradition. Als Verkörperung einer der elementaren Gewalten, für die Existenz des Menschen von zentraler Bedeutung, ist er in allen Panthea des Orients an prominenter Stelle vertreten.18 Im semitisch syrisch-mesopotamischen Bereich trägt der Wettergott den Namen Hadad bzw. Haddu oder Hadda.19 Im anatolisch-hethitischen Raum wird der Wettergott als Teŝŝop, im luwischen, also auch in den syro-hethitischen Staaten, als Tarhunzas verehrt. In Syrien wird seit dem späteren 2. Jt. v. Chr. Baal oder Bol, was zunächst nur „Herr“ als Epitheton bedeutet, als Synonym für Hadad geläufig.20 In manchen Regionen ersetzt Baal den Namen Hadad vollständig.21 Vor allem im küstensyrisch-phönizischen Raum wird der Name Hadad schließlich ganz von Baal verdrängt.22 Lediglich im aramäischen Sprachraum bleibt Hadad der Name des Wettergottes23. Als höchste Götter der lokalen Panthea wurden die Sturm- und Wettergötter in Syrien bis in römische Zeit ununterbrochen verehrt. So berichtet noch Macrobius über die Syrer: „Deo enim, quem summum maximumque venerantur, Adad nomen dederunt“.24 Im Rahmen einer interpretatio graeca wird der indigene Name dann aber zumeist als Zeus, in der interpretatio romana als Iupiter wiedergegeben25. 16 Humann/Puchstein 1890, 399, Abb. 58; Cumont 1917, 90 f., Abb. 68; CCID 23 f., Kat. Nr. 17 Taf. 5. 17 Zur dessen Ikonographie Demirçioğlu 1939; Vanel 1965; Orthmann 1971; Börker-Klähn 1982; Bunnens 2004, 57–60. Eine Zusammenstellung aller Wettergottstelen aus Nordsyrien bei Bunnens 2006. 18 Vanel 1965; Haas 1982; Kearns 1982; Schwemer 2001; Green/Hausleiter 2001, 145–150; Green 2003; Schwemer 2007; Schwemer 2008. 19 Cornelius 1994, 23–45; Schwemer 2007, 135–168. 20 Schwemer 2001, 502–511. 21 Auch der Bel von Palmyra ist ursprünglich eine Ausprägung des Hadad, vgl. Kaizer 2002; Tubach 2006, 195–218. 22 Cornelius 1994. 23 In Nordsyrien vermengen sich im 1. Jt. v. Chr. in den verschiedenen lokalen und regionalen Ausprägungen des Wettergottes aramäische und luwische Elemente, vgl. Hutter 1996; Novak 2002; Novak 2004; Bunnens 2004. 24 Macrobius, Sat., 1, 23, 17. 25 Zur interpretatio graeca/romana indigener Gottheiten allgemein etwa Lichtenberger 2003; Ando 2006; Lichtenberger 2007. Gleichwohl bleibt auch der Name Hadad geläufig und wird auch in griechischen Inschriften verwendet, so z. B. in einem der seltenen hellenistischen Zeugnisse aus dem nordsyrischen Binnenland, einem bronzenen Täfelchen, das von zu opfernden
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In die römische Zeit einordnen muss man trotz nicht zu leugnender Bezüge zur syro-hethitischen Plastik auch die Stelen von Ceylanlı.26 Bereits der Fundkontext im Zusammenhang eines römischen Heiligtums legt dies nahe. Letztlich ausschlaggebend sind aber ikonographische und stilistische Gründe. So setzt die Gewandbehandlung mit der Angabe von Bogenfalten eine Prägung durch hellenistisch-römische Vorbilder voraus. Die ansonsten sehr einfache Tracht des Gottes in Form einer Tunika unterscheidet sich zudem von den auf vorhellenistischen Stelen üblichen Gewandangaben von Göttern. Insgesamt lässt sich die Darstellung wegen des Verzichts auf graphische Präzision und die teigig wirkende Bildung des Körpers mit der Formensprache der lokalen römerzeitlichen Bildnisse nordsyrischer Provenienz deutlich besser vergleichen als selbst noch mit den weniger qualitätvollen Reliefs der Eisenzeit. Der Stelentyp, oben in einem Rund auslaufend, unten mit einem Steg als Standfläche, entspricht dabei dem gängigen Aufbau von Stelen aus der Eisenzeit, der aber auch noch in römischer Zeit in der lokalen Kunst des nordsyrischen Binnenlandes üblich war.27 Anhaltspunkte für eine nähere Eingrenzung der Entstehungszeit der Stelen lassen sich allerdings kaum festmachen. Sie entstammen dem lokalen Kunsthandwerk des nordsyrischen Binnenlandes, dessen fast durchweg zu erkennende Tendenz zu einer stark vereinfachten Wiedergabe von Bildbestandteilen eine Anbindung an die Stilentwicklung der hellenistisch-römischen Plastik nicht erlaubt.28 Eine chronologische Einordnung einzelner Denkmäler aufgrund typologischer oder stilistischer Merkmale ist daher nicht möglich. Allerdings ist zu konstatieren, dass in der benachbarten Kyrrhestike Basaltstelen, die hinsichtlich der Bildsprache und der Syntax mit den Stelen aus Ceylanlı vergleichbar sind, erst ab etwa 100 n. Chr. in großer Zahl hergestellt worden sind und offenbar bereits in severischer Zeit auslaufen.29 Dies ist zumindest ein Indiz für eine Einordnung der Stelen in das Umfeld einer Renaissance lokaler Basaltplastik im 2. Jh. n. Chr. Welcher Gott auf der Stele von Ceylanlı nun konkret dargestellt ist, lässt sich aus dem überlieferten Befund zunächst nicht erschließen. Einen wichtigen Hinweis auf seinen Namen und auch auf seinen Charakter gibt aber eine Weihinschrift, die aus der unmittelbaren Umgebung des Platzes stammt, jedoch noch nicht mit den Skulpturen in Verbindung gebracht wurde.30 Es ist eine Weihung in griechischer Sprache an einen Zeus Ombraros, vorgenommen von einem centurio der ersten
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Mengen an Tieren und an Getreide für Zeus Hadad, Hera und einem König Demetrios berichtet, vgl. Lücke 2004. Zu den nordsyrischen Stelen der Eisenzeit allgemein Orthmann 1971; Börker-Klähn 1982. Zwar auf die syro-hethitischen Grabdenkmäler fokussiert, aber auch darüber hinaus von großem Wert Bonatz 2000. Zum Stelentyp Börker-Klähn 1982, 79. Zu den lokalen nordsyrischen Skulpturen aus Basalt Parlasca 1982, 16, Taf. 18, 1–4; Skupinska-Lovset 1999, 165–167; Blömer 2008. Vergleichbar ist die Situation bei der weitaus bekannteren Basaltplastik Südsyriens, vgl. etwa Bolelli 1986; Weber 2002; Weber 2006; Laxander 2009. Blömer 2008. Mecerian/Mouterde 1942/3, 90–95, Abb. 1, Taf. 5, 1; IGLS III 1, 741; Stoll 2001, 465 f., Nr. 79.
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Kohorte der Legio III Gallica.31 Das Epitheton Ombraros ist in dieser Form ansonsten offenbar nicht belegt, in anderen Varianten aber vor allem in Griechenland bezeugt.32 Der Beiname wurde bereits von Mouterde in der Publikation der Inschrift plausibel mit dem vorderasiatischen Wettergott in Verbindung gebracht.33 Da nun auch das soeben besprochene Relief aus Ceylanlı dem Kult einer Wettergottgestalt in indigener Tradition zuzuordnen ist, liegt es nahe, eine Verbindung zwischen dem Relief und der Inschrift zu sehen, zumal beide vom selben Platz stammen. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind sie demselben Gott geweiht, einem lokalen Wettergott in vorhellenistischer Tradition. Verbunden ist der Kult wohl mit der Kleinstadt Meleagrum. Als Zentrum des Kultes bietet sich der eingangs erwähnte Bau auf dem Felssporn oberhalb des Fundortes der Stelen an. Die exponierte Höhenlage und die Verbindung mit dem Fels sind wichtige Merkmale auch anderer Wettergottheiligtümer in Syrien.34 STELEN MIT WETTERGOTTGESTALTEN AUS NORDSYRIEN Somit lässt sich für die Reliefs aus Ceylanlı ein Kontext vergleichsweise gut rekonstruieren. Sie eignen sich daher als Ausgangspunkt, um eine Gruppe vergleichbarer Stelen aus Nordsyrien in den Blick zu nehmen. Diese stammen ebenfalls aus römischer Zeit und folgen in ihrer Ikonographie prinzipiell einem identischen Grundschema.35 Alle Stelen zeigen den smiting god – den Gott mit einem Blitzbündel in der einen Hand und einer Waffe, in der Regel einer Doppelaxt, in der anderen. Zumeist steht er auf einem Stier. Vergesellschaftet sind diese Stelen in einigen Fällen mit Darstellungen einer weiblichen parhedros. Diese steht dann häufig, aber keineswegs immer, auf einem Hirsch.36 Eine Reihe dieser Stelen stammt aus der Ebene des Amuq/Kara Su, an dessen Rand sich auch Ceylanlı befindet, oder aus der unmittelbaren Umgebung. Es handelt sich um die Stele vom Kurdinitepe bei Alacakilise (Abb. 4),37 um das Stelenpaar vom Zeytin Tepe bei Başpinar (Abb. 5)38 und das Paar aus Kurcuoğlu (Abb. 6).39 31 Stoll 2001, 363 f. Dort wird dargelegt, dass der einheimische Gott in der Weihung als Schutzgott der Legion fungiert. 32 Zu Zeus Ombrios vgl. IGLS III, S. 427; Cook 1964, 897 f.; Stoll 2001, 363 mit Anm. 646. Eine Verbindung zwischen der Inschrift und dem Heiligtum von Ceylanlı ist auch von De Giorgi 2007, 293 vermutet worden, ohne dass er jedoch die Reliefs in die Überlegung einbezogen hat. 33 Mecerian/Mouterde 1942/3, 93; Stoll 2001, 363. 34 Haas 1982; Steinsapir 2005, 151–155. 35 Eine kurze Zusammenschau der meisten dieser Reliefs ist auch von Bunnens 2004, 65–68 vorgenommen worden. 36 Eine Untersuchung der Darstellung und Bedeutung der parhedros kann in diesem Rahmen leider nicht vorgenommen werden, weshalb sie im Folgenden weitgehend ausgeklammert wird. 37 Wagner 1982, 150, Nr. 1, Abb. 14; CCID 25, Kat. Nr. 19, Taf. 6. 38 Hellenkemper 1978, 483 ff.; CCID 26 f., Kat. Nr. 22, Taf. 7. 39 CCID 28 f., Kat. Nr. 24 f., Taf. 8.
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Aus dem nicht weit entfernten Tal des Afrin, bereits sicher in der antiken Landschaft Kyrrhestike gelegen,40 stammt das Stelenpaar von Khaltan (Abb. 7).41 Ein weiteres Denkmal aus dieser Gegend, das sich im Museum Aleppo befindet, aber noch nicht publiziert ist, kommt aus Kafer Zit.42 Nördlich der antiken Stadt Kyrrhos liegt der Fundort Gonca Dağ bei Aşağı Kaleçik (Abb. 8).43 Aus den östlich und südöstlich sich anschließenden Ebenen der Kyrrhestike stammen die Stelen von Maştala (Abb. 9),44 Zafer (Abb. 10),45 Keklik Tepe (Abb. 11),46 Asmaçık (Abb. 12)47 und, bereits am Euphratufer gelegen, Hammam (Abb. 13)48. Aus Azaz ist das Fragment eines Reliefs nur mit der weiblichen Göttin überliefert.49 Erst in jüngerer Zeit bekannt geworden sind aus dieser Region die Stelen bzw. Stelenfragmente aus Çatal Ziyaret (Abb. 14)50 und Bouzlidje (Abb. 15).51 Diese Gruppe wird ergänzt durch zwei weitere bislang unpublizierte Denkmäler aus der Kyrrhestike, die sich im Museum Gaziantep befinden und im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen. Dabei handelt es sich zum einen um ein Stelenfragment aus Basalt, das lediglich noch einen Stier und die Beine des darauf stehenden Gottes zeigt (Abb. 16).52 Die kursorische Angabe von Pteryges am noch erhaltenen Gewandansatz oberhalb der Knie zeigt, dass die Stele aus hellenistisch-römischer Zeit stammt. Die zweite Stele, ebenfalls aus Basalt, ist fast vollständig erhalten, jedoch so stark bestoßen und abgerieben, dass die Darstellung nicht mehr vollständig rekonstruiert werden kann (Abb. 17).53 Ein Zapfloch im Relief unten links deutet darauf hin, dass die Stele als Spolie verbaut war, vielleicht als Türschwelle, was auch den starken Abrieb erklären könnte. Die Stele zeigt den Gott im Profil nach rechts auf 40 Die Grenzen der Kyrrhestike sind nicht klar definiert, vgl. zusammenfassend Kramer 2004, 316–319; unsicher ist, ob auch die Amuq/Kara Su-Ebene der Kyrrhestike zugerechnet werden muss. 41 Will 1951, 135 ff.; Will 1952, 60 ff.; Merlat 1954, 182 ff.; CCID 29 f., Kat. 26, Taf. 9; Gatier 1998, 164. 42 Gatier 1998, 164. 43 Wagner 1982, 150; Abb. 15; CCID 26, Nr. 21, Taf. 6. 44 CCID 30 f., Kat. 28, Taf. 10; Gatier 1998, 164. 45 Bittel/Schneider 1940, 584–587, Abb. 17; CCID 14 f., Kat. Nr. 8, Taf. 4. 46 Rohde 1940a, 596–599, Abb. 1–3; CCID 15, Kat. Nr. 9. 47 Rohde 1940b, 75 f.; Bittel/Schneider 1941, 295; CCID 23, Kat. Nr. 16. Der Ort trug früher den Namen Tilhalit. 48 Jarry 1982, 87 f.; Marcillet-Jaubert 1986, 169; CCID 31 f., Kat. Nr. 29, Taf. 10; Gatier 1998, 162 f., Abb. 2–3. Als Fundort der Stele ist in den ersten Publikationen stets Hierapolis genannt. Erst Gatier hat als Fundort Hammam am Euphratufer identifizieren können, vgl. Gatier 1998, 163. 49 Seyrig 1933, 374, Taf. 39, 1; Börker-Klähn 1982, 237 f., Kat. 283. Die Wiedergabe des Hirsches mit dem frontal gezeigten Kopf zeigt deutlich, dass es sich um ein Erzeugnis der römischen Epoche handelt. Da die Göttin nach links orientiert ist, muss es ein Pendant mit dem Bild des männlichen Gottes gegeben haben. 50 Gatier 1998, 161 f., Abb. 1. 51 Gatier 1988, 221–224, Abb. 3; Gatier 1998, 164, Abb. 4. 52 Im Garten des Museums Gaziantep aufgestellt, ohne Inv. H 0, 68 m, B 0, 42 m, T 0, 16 m. 53 Im Garten des Museums Gaziantep aufgestellt, Mus. Inv. 671. H 1, 23 m, B 0, 61 m, T 0, 30–0, 35 m.
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einem stark verkleinerten Rind stehend. Die Proportionen des Körpers sind auffällig verzerrt. Füße und Beine sind sehr klein gebildet, darüber folgt ein mächtiger Oberkörper und ein großer Kopf. Details der Bekleidung lassen sich nicht mehr erkennen. Die rechte Hand ist hinter dem Körper erhoben und trägt ein Blitzbündel. Die Darstellung des linken Arms ist verloren. Der Kopf ist bärtig, Nase und Augen zeichnen sich noch deutlich ab. Ein langer Zopf fällt hinter dem Körper herab. Auf dem Kopf trägt er eine Tiara. Am linken Stelenrand des Reliefs ist ein senkrechter, sich nach unten verdickender Stab dargestellt, den man als Keule deuten kann.54 Nicht zu deuten ist der Gegenstand im Scheitel des Reliefs oberhalb des Gottes.55 Abschließend sei noch die bereits erwähnte Stele mit einem Gott auf dem Stier, die von Humann und Puchstein in Maraș gefunden wurde, deren genauer Fundort aber unklar ist, erwähnt (Abb. 18).56 Somit gehört die Stele von Ceylanlı zu einer Gruppe von bislang 16 Stelen, die trotz formaler und typologischer Verwandtschaft zu eisenzeitlichen Denkmälern aus stilistischen Gründen wie auch aufgrund ikonographischer Details der hellenistisch-römischen Epoche zuzuordnen sind.57 In den jeweiligen Publikationen sind mitunter konkrete Datierungsvorschläge gemacht worden. Wie im Falle der Stele von Ceylanlı fehlen jedoch sichere Kriterien, die eine Feindatierung ermöglichen. Die in der Forschung geäußerten Vorschläge beruhen häufig auf einem Entwicklungsmodell, das davon ausgeht, dass Darstellungen mit altertümlichen ikonographischen Elementen älter sind also solche, deren Bildsprache deutlich griechischrömisch geprägt ist.58 Da dieses Modell aber nicht zutrifft, lässt sich grundsätzlich nicht beurteilen, ob die Denkmäler im 1. Jh. v. Chr. oder im 3. Jh. n. Chr. geschaffen wurden. Wie bereits erwähnt, legt jedoch das Einsetzen der eng verwandten lokalen sepulkralen Basaltstelen in der Kyrrhestike im 2. Jh. n. Chr. nach einem langen Hiat in der Produktion lokaler Steinplastik nahe, dass auch die kultbezogenen Stelen in dieser Zeit hergestellt wurden. Sicher ist das aber nicht. Hinsichtlich der Verbreitung der Stelen mit Wettergottdarstellungen kann man zusammenfassend sagen, dass sämtliche Fundorte in der Landschaft Kyrrhestike, im äußersten Süden der Kommagene oder in der westlich angrenzenden Ebene des Amuq/Kara Su liegen.59 Von der Levanteküste, aus Zentral- oder Südsyrien sind 54 Die Keule lässt sich aus der altorientalischen Tradition herleiten. Der hethitische Wettergott trug die Keule als Symbol, vgl. Börker-Klähn 1989, 249 f. Die geschulterte Keule erscheint als Waffe des Wettergottes z. B. auf den Orthostatenreliefs im Wettergotttempel von Aleppo und ist dort auch als Hieroglyphe Symbol des Wettergottes, vgl. Kohlmeyer 2000, 31 f., Taf. 16–17. 55 Die Stelenspitze ist gebrochen, was eine Beurteilung sehr erschwert. 56 Humann/Puchstein 1890, 399 Abb. 58; CCID 23 f., Nr. 17 Taf. 5. Das als verschollen geltende Stück befindet sich in der Ausstellung des Museums Kahramanmaraș. 57 Nicht abschließend zu klären ist die Datierung von CCID 23, Kat. Nr. 16. Das Stück ist bereits von Bittel/Schneider 1941, 295 als vorhellenistisch bezeichnet worden und jüngst auch von Bunnens in die Eisenzeit datiert worden, Bunnens 2006, 134, Kat. Nr. 62, Abb. 119. 58 So konstatiert Hellenkemper 1978, 486, dass die Darstellung des Gottes vom Zeytin Tepe besonders viele archaische Züge trage, weshalb eine frühe Datierung angezeigt sei. 59 Ein neues Relief mit Wettgottdarstellung, das eindeutig Iupiter Dolichenus gewidmet ist, kommt aus Perrhe im kommagenischen Kernland, vgl. Blömer/Facella 2008. Obwohl es von einem Soldaten, der aus Doliche stammt, geweiht wurde, ist es nicht im Zusammenhang mit
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bislang offenbar keine Reliefs mit Darstellung des Gottes auf dem Stier aus römischer Zeit bekannt. Weiter westlich, in Kleinasien sind solche Denkmäler in lokalem Kontext m. W. ebenfalls absent.60 Lediglich aus Kilikien ist ein entsprechendes Felsrelief publiziert.61 Dieses auffällige Verbreitungsmuster mit der Konzentration auf der Kyrrhestike ändert sich auch dann nicht, wenn man die geringe Zahl von Darstellungen des Gottes auf dem Stier aus anderen Gattungen mit in die Betrachtung einbezieht.62 Auffällig ist zudem, dass alle Denkmäler, deren Herkunft gesichert ist, aus dem ländlichen Raum abseits der Städte stammen, einer Region also, über deren Entwicklung in hellenistisch-römischer Zeit bislang kaum etwas bekannt ist.63 Die genauen Fundumstände bzw. vergesellschaftete Funde sind jeweils leider nicht überliefert. Lediglich von dem Stelenpaar aus Khaltan wird berichtet, dass es im Kontext einer als Heiligtumsanlage gedeuteten Architektur, über die aber weiter nichts bekannt ist, gefunden wurde.64 Die exklusive Beschränkung der Ikonographie auf einen begrenzten Teil des nordsyrischen Binnenlandes und die Lage der Fundorte außerhalb städtischer Zentren zeigt, dass die Stelen uns einen unmittelbaren Einblick in die Glaubenswelt der lokalen Bevölkerung erlauben. Für deren religiöse Identität in römischer Zeit fehlen Zeugnisse ansonsten fast vollständig. Umso wichtiger ist daher die Frage, welcher Gott auf den Denkmälern jeweils wiedergegeben ist. In der Forschung ist er einhellig als Iupiter Dolichenus aufgefasst worden, die weibliche Göttin als dessen parhedros Iuno Dolichena. Dabei stützte man sich auf den Vergleich der Stelen mit den zahlreichen und häufig durch Inschriften sicher zu identifizierenden Bildnissen dieses Gottes aus den Westprovinzen des römischen Reiches.65 Auf diesen steht der langbärtige Gott nach rechts auf einem Stier und hält in den erhobenen Händen Blitzbündel und Doppelaxt. Zu Recht werden auch unbenannte Reliefs westlicher Provenienz, die diesem Darstellungsschema folgen, mit Iupiter Dolichenus verknüpft. Außerhalb des Nahen Ostens war in römischer Zeit das Bildschema des smiting god auf dem Stier exklusiv mit dem Gott von Doliche verbunden. Die gleiche Exklusivität ist dann jedoch seit dem ersten Auftauchen von Stelen mit einer
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den lokalen Wettergottstelen, sondern mit den westlichen Zeugnissen der Verehrung des Iupiter Dolichenus zu sehen. Ein Altar für Iupiter Dolichenus mit dem Bild des Gottes auf dem Stier aus Dorylaion, vgl. Frei 2004, ist als Weihung eines Römers in lateinischer Sprache kein Zeugnis lokaler Religion. Durugönül 1989, 51 f., Kat. Nr. 43; 137–143, Abb. 47; Durugönül 1999, 119–121, Abb. 26, 3. Anders als die Stelen stammen die sonstigen Bildnisse zum Großteil aus dem Kunsthandel und haben keine präzise Fundortangabe. – Eine rundplastische Statuette mit dem Gott auf dem Stier aus Nordsyrien, CCID 24, Kat. Nr. 18, Taf. 6. – Zwei bronzene Standartenaufsätze mit der kryptischen Herkunftsangabe „Region um Doliche“, CCID 7–13, Kat. Nr. 5–6, Taf. 2–3. – Ein Ringstein, angekauft in Gaziantep, CCID 16 f., Kat. Nr. 10, Abb. 2. Ein Siegelstein in altorientalischer Tradition, der auf einer Seite einen smitig god, allerdings nicht auf dem Stier stehend, zeigt, ist in Umzeichnung publiziert bei Garstang 1908, 12, Taf. 15. – Aus Hama, also bereits aus dem zentralen Syrien, stammt ein Ringstein mit einer Darstellung eines Gottes auf dem Stier, vgl. Henig 1983, 109–111. Millar 1987; Millar 1993, 242–249, bes. 248. Will 1951, 135–137. Dazu auch Gatier 1998, 164. Die aktuellste Zusammenstellung der Denkmäler ist immer noch das CCID von 1987, obwohl sich die Zahl der Denkmäler seit dem Erscheinen deutlich vermehrt hat.
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vergleichbaren Darstellung in Nordsyrien-Südostanatolien auch für diese postuliert worden. So heißt es im Kommentar zu einer in römischer Zeit wiedergefundenen und dann neu geweihten (provinzial-)assyrischen Stele aus der Umgebung von Kahramanmaraş, auf der ein Wettergott dargestellt ist: „Die ikonographische Ähnlichkeit [des dargestellten Wettergottes mit Iupiter Dolichenus] machte es zu seiner Zeit schlechterdings unmöglich, in dem aufgefundenen Relief einen anderen Gott zu erkennen als den Zeus von Doliche“.66 Nun ist nicht zu bezweifeln, dass die aus dem Westen des römischen Reiches bekannte Darstellungsweise des Iupiter Dolichenus ihren Ursprung in Doliche hat. Das belegen zum einen die schon lange bekannten Siegel der Stadt, die den Gott entsprechend abbilden.67 Zum anderen ist vor kurzem im Zuge der Ausgrabungen im Heiligtum von Doliche auf dem Dülük Baba Tepesi erstmals eine entsprechende Stele entdeckt werden.68 Es stellt sich aber die Frage, ob es legitim ist, aufgrund dessen auch die außerhalb von Doliche in Nordsyrien gefundenen Denkmäler als Darstellungen des Gottes von Doliche aufzufassen. Die Fülle der Zeugnisse aus dem Westen lässt nämlich häufig vergessen, dass auch für die römische Epoche nichts auf eine besondere Prominenz des Iupiter Dolichenus in Syrien außerhalb Doliches hindeutet. Während an diesem Ort nicht zuletzt aufgrund der dort stattfindenden Grabungen der Kult des Gottes gut bezeugt ist, fehlen aus dem gesamten übrigen Syrien archäologische, literarische, epigraphische oder numismatische Belege für seine Verehrung. Eine Ausnahme stellen lediglich Denkmäler aus dem Kontext römischer Heeresreligion dar, die aber nicht als Zeugnisse einheimischer Religion gewertet werden können.69 So findet sich auch auf keiner der hier zusammengestellten Stelen ein Hinweis auf Doliche. Für die Einordung der Stelen mit Wettergottdarstellung in den Kontext des Dolichenus-Kultes war also letztlich allein die Annahme, dass wie im Westen 66 Jacobs/Messerschmidt 1992, 105–114, hier zitiert 112. Beinahe identisch ist der Kommentar zur Stele vom Keklik Tepe im CCID 15, Kat. Nr. 9: „Iupiter Dolichenus ist in der Inschrift nicht genannt, aber es besteht durch die Darstellung auf der Vorderseite kein Zweifel, daß es sich […] nur um diesen handeln kann“. 67 Ronzevalle 1940, 69 ff.; Seyrig 1940, 85 ff.; Schwartz 1962, 7 ff.; Maaskant-Kleibrink 1971, 27 f., Nr. 4–5, Abb. 8–9; Klose 1984, 73 f., Nr. 21–23, Taf. 9; Spier 1992, 169, Nr. 466 f.; Weiß 1992, 175–181, Nr. 4–15; Konuk/Arslan 2000, 253, Nr. 219; Weiß 2000, 100–103; Ergeç, 2002, 124–126; Heedemann 2008. 68 Zu dieser Stele ausführlich unten S. 31–35. 69 So spiegeln die zahlreichen Belege für Iupiter Dolichenus in Dura Europos die Verbreitung seines Kultes im römischen Heer, vgl. Stoll 2001, 353–360. Allgemein zum Aufeinandertreffen verschiedener religiöser Systeme in Dura Europos Dirven 1999; Sommer 2005. Sie sind keineswegs Ausdruck lokaler Religion in Syrien. Der Kult ist hier in seiner im Westen transformierten Gestalt sozusagen re-importiert. Das gleiche gälte auch für eine lateinische Inschrift aus Jebel Khalid, wenn man sie mit Gatier auf Iupiter Dolichenus bezieht, vgl. Clarke/Hillard, 1992–93 und dazu Gatier 1998, 167 f. Darüber hinaus ist ein einzelnes Zeugnis für die Verehrung des Zeus Dolichaios aus Caesarea bekannt, vgl. CCID 33, Kat. Nr. 30. Wahrscheinlich aus Nordsyrien, dann aber möglicherweise aus Doliche selbst, stammt zudem der bei Cafissi 1998, 209 f. publizierte Altar für Zeus Dolichaios. – Trotz des engen Bezuges des Stifters zu Doliche gehört auch ein vor kurzem in Perrhe entdecktes Relief in den Zusammenhang römischer Heeresreligion, vgl. Blömer/Facella 2008.
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auch in Nordsyrien nur der Dolichener Gott mit Blitzbündel und Axt auf dem Stier steht, ausschlaggebend. Zieht man nun aber den Befund von Ceylanlı heran, wo recht sicher zu erschließen ist, dass ein Relief mit einer entsprechenden Gottesdarstellung nicht Iupiter Dolichenus darstellt, dann wird deutlich, dass eine pauschalisierende Einordnung aller Denkmäler römischer Zeit mit der Darstellung des smiting god auf dem Stier in den Kult des Gottes von Doliche nicht zulässig ist. Gegen eine Identifizierung der Götter auf den Stelen mit Iupiter Dolichenus sprechen aber auch die wenigen Inschriften, die mit den Stelen und anderen Denkmälern verbunden sind. Ein Zeugnis von hoher Aussagekraft ist ein bronzener Standartenaufsatz aus dem Kunsthandel, der laut Händlerangabe aus der Gegend von Doliche stammt.70 Zentrales Motiv, gerahmt von Büsten des Saturn, des Sol und der Luna, ist eine Dexiosisszene. Zwei Götter, auf Stieren stehend, reichen sich die Hand. Beide sind weitgehend identisch bekleidet. Sie tragen Hosen, darüber eine langärmelige Tunika, die mit Überfall gegürtet ist. Bei dem Gott rechts ist eine doppelte Gürtung erkennen. Der linke hält ein Blitzbündel. Durch eine Inschrift ist das Bronzedreieck dem theos epekoos von Soumana geweiht.71 Einer der beiden abgebildeten Götter ist also der Gott von Soumana, einer ansonsten unbekannten Ortschaft. Nicht erwähnt hingegen ist der Gott von Doliche. Nun mag einer der beiden Figuren in der Tat den Gott von Doliche darstellen: entscheidend aber ist, dass der Gott von Soumana sich in der Darstellungsweise von diesem dann nicht unterscheidet.72 Hier zeigt sich somit deutlich, dass von einer exklusiven Verbindung des ikonographischen Konzepts mit Iupiter Dolichenus nicht die Rede sein kann. In die gleiche Richtung weist die Stele aus Maštala.73 Sie ist durch eine Inschrift einem Gott mit dem merkwürdigen Namen Op Eresem geweiht. Dieser Name ist auch aus anderem Zusammenhang bekannt, er erscheint auf einer Inschrift aus Heliopolis/Baalbeck74. Was genau sich hinter dem Namen verbirgt bleibt freilich unklar. Es ist sogar überlegt worden, ob es sich nicht um ein Zahlensymbol handelt, das auf isopsephischem Weg als Hinweis auf den Namen Hadad aufzulösen ist.75 Unabhängig von der genauen Bedeutung des Namens ist zu konstatieren, dass der auf dieser Stele dargestellte Gott auf dem Stier einen Namen trägt, der keine Bezüge nach Doliche aufweist. Es lässt sich somit festhalten, dass die Darstellung eines Gottes mit Blitzbündel und Doppelaxt auf einem Stier in Nordsyrien nicht a priori mit dem Gott von Doliche verbunden werden kann. Im Gegenteil scheint das altehrwürdige ikonographische Muster offen und unspezifisch gewesen zu sein und konnte ganz verschiedene lokale Ausprägungen von Wettergottgestalten repräsentieren. Dies entspricht 70 Kellner 1978 42; CCID 7–11, Kat. Nr. 5, Taf. 2. 71 Speidel 1980, 65 f. sieht Manas als den Namen eines der Götter. Mit guten Argumenten für die Deutung von Soumana als Ortsnamen CCID 11. 72 Dass der Gott rechts kein Blitzbündel trägt, hat wohl technische Gründe. Seine Arm- und Handhaltung zeigt aber an, dass er etwas gehalten hat, das möglicherweise appliziert war. 73 CCID 30 f. Kat. 28 Taf. 10; Gatier 1998, 164. 74 Mouterde 1939, 391–397, Abb. 2–3. 75 Zu dieser Diskussion CCID S. 31 mit Verweis auf die ältere Literatur.
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dem Bild von der Verehrung des Wettergottes in der Bronze- und Eisenzeit, wo zwar ein Gott wie der Wettergott von Aleppo weit überregionale Bedeutung hatte, daneben aber zahlreiche weitere lokale Wettergottgestalten existierten, die eine gemeinsame Ikonographie teilten.76 Dass sich dies auch in römischer Zeit nicht geändert hatte, zeigt sich nun nicht zuletzt darin, dass die hier behandelten Stelen zwar einem einheitlichen Grundmuster folgen, dabei aber eine Variationsbreite aufweisen, wie sie bei den westlichen Denkmälern des Iupiter Dolichenus keine Parallelen hat. Gleichwohl sind die teils eklatanten Abweichungen in Gestus und Habitus in der älteren Forschung kaum problematisiert worden. Sieht man in den Denkmälern aber Zeugnisse einer vielgestaltigen, kleinräumlichen Glaubenswelt, sind diese Details für die Einordung der einzelnen Denkmäler von großer Bedeutung. Zudem ist die präzise Analyse aller ikonographischen Elemente wichtig für die Frage nach der Genese und Entwicklung der Gottheiten. Wenn auch eine solche an dieser Stelle nicht vorgenommen werden kann, soll doch exemplarisch auf einige zentrale Aspekte der Ikonographie der Stelen eingegangen werden. ZUR IKONOGRAPHIE DER NORDSYRISCHEN WETTERGOTTSTELEN AUS RÖMISCHER ZEIT Abweichungen in der Darstellung lassen sich insbesondere hinsichtlich der Trachtelemente beobachten. Auf den meisten Stelen ist der Gott mit einem gegürteten knielangen und kurzärmligen Gewand bekleidet, das in seiner Anlage einer Tunika gleicht.77 Die kursorische Wiedergabe wie der zum Teil schlechte Erhaltungszustand stehen einer präzisen Bestimmung desselben aber häufig im Weg. Es zeigt jeweils keine Binnengliederung, ist aber zum Teil doppelt gegürtet. Auf der Stele von Zafer (Abb. 10) verläuft senkrecht eine Art Knopfleiste vom Hals bis zum Gürtel, was an „parthische“ Tracht erinnert. Eine Besonderheit stellt die Stele aus Hammam dar, die den Gott in einem geschlitzten Gewand zeigt (Abb. 13).78 Das linke Bein tritt hervor, wie es von altorientalischen Darstellungen bekannt ist.79 Hosen tragen die Götter auf den Reliefs grundsätzlich nicht.80 Dies ist lediglich für die Götter auf zwei bronzenen Standartenaufsätzen bezeugt, die möglicherweise aus der Gegend von Doliche stammen.81 Die meisten Darstellungen zeigen die Götter in einem militärischen Kostüm. Trotz der geringen handwerklichen Qualität sind Pteryges und Panzer zu erken76 Klengel 1965; Schwemer 2001; Bunnens 2004; Gonella/Khayyata/Kohlmeyer 2005; Bunnens 2006. 77 Gonca Dağ (Abb. 8); Keklik Tepe (Abb. 11); Kurdini Tepe (Abb. 4); Zafer (Abb. 10); Çatal Ziyaret (Abb. 14); Gaziantep Inv. 671 (Abb. 17). 78 Jarry 1982, 87 f.; Marcillet-Jaubert 1986, 169; CCID 31 f., Kat. Nr. 29, Taf. 10; Gatier 1998, 162 f., Abb. 2–3. 79 Bunnens 2004, 67; Balcıoğlu/Mayer 2006, Taf. 12. 80 Dies ist zwar für die Reliefs aus Zafer (Abb. 10) und Karamanmara≥ (Abb. 18) behauptet worden, lässt sich aber am Original jeweils nicht nachvollziehen. 81 CCID 5–13, Kat. Nr. 5–6, Taf. 2–3.
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nen.82 Diese Art der Rüstung entstammt eindeutig der griechisch-römischen Tradition. Die militärische Tracht ist allerdings kein spezifischer Zug der nordsyrischen Reliefs mit Wettergottheiten. Im gesamten hellenistisch-römischen Orient ist das Phänomen geläufig, dass männliche Götter gerüstet gezeigt werden.83 Hierin zeigt sich ihr wehrhafter Charakter, der zudem, unabhängig von der Art der Gewandung, auch durch das Tragen von Waffen ausgedrückt wird. Dieser Charakter war dem Wettergott aber bereits seit jeher inhärent. Seit der Bronze- und Eisenzeit ist er stets als gewaltbereiter Gott und als Gott des Heeres bezeichnet worden, entsprechend seiner zerstörerischen Wirkmacht.84 Indem dies durch griechisch-römische Trachtelemente ausgedrückt wird, vollzieht sich lediglich ein Wandel in der Bildebene, es wird keine neue Bedeutungsebene etabliert. Wir fassen nur einen Schritt in einer fortdauernden Metamorphose des äußeren Erscheinungsbildes des Gottes, der sich in kontemporäre Machtdiskurse einschreibt.85 Seit der Bronzezeit ist eine Adaption von Trachtelementen der jeweils herrschenden Eliten nachzuvollziehen. Die Übernahme der Panzertracht stellt lediglich eine Episode in der Geschichte dieser Transformation dar.86 Gleichzeitig ist zu betonen, dass diese Übernahme nicht zwingend war und gerade auf den nordsyrischen Stelen nicht konsistent vollzogen wurde. Die sonstige Bewaffnung der Gottheiten auf den römerzeitlichen Reliefs entspricht grundsätzlich derjenigen, die bereits bei eisenzeitlichen Wettergottdarstellungen zu finden ist.87 Sie sind jeweils mit einem Schwert gerüstet. Charakteristisch sind aber vor allem die Axt/Doppelaxt in der erhobenen Rechten und vor allem das Blitzbündel in der vorgestreckten Linken.88 Die Darstellung des Blitzes ist dabei häufig griechisch-römischen Mustern angepasst.89 Die bislang geschilderten Elemente der Tracht und Bewaffnung sind auch für Iupiter Dolichenus üblich. Ganz anderen Charakter hat aber die Ausrüstung des 82 Zeytin Tepe (Abb. 5); Khaltan (Abb. 7); Kurcuoğlu (Abb. 6); Maštala (Abb. 9). 83 Will 1955; Seyrig 1970, 77–112. 84 Green 2003, 24–36; Bunnens 2006, 23 f. Auf einer der Stelen von Tell Ahmar wird explizit der Wettergott des Heeres dargestellt (Tell Ahmar 6), vgl. Bunnens 2004; Bunnens 2006, 77 und die Übersetzung druch Hawkins ebd., 13–17. 85 Bunnens 2006, 42 f. Wie sich solche Prozesse auch schon in der Eisenzeit vollzogen, zeigt die Wettergottstele aus Gözlü Höyük aus dem 8. Jh. v. Chr., vgl. Temizsoy 1989, Abb. 54. Der Gott trägt auf dem Kopf eine hohe konische Kopfbedeckung besetzt mit Uräusschlange und Hörnern. Darin ist eine Anlehnung an phönikische Ikonographie zu erkennen. Es zeigt sich, wie modische und an Machtdiskurse geknüpfte Trachtelemente in die Götterikonographie Einzug halten, ohne dass sich darin eine Transformierung der Religion äußern muss. 86 In eine andere Richtung interpretiert Kantorowicz 1961, 368–393, der in der Uniform einen Reflex auf den Stellenwert des Militärischen in der Gesellschaft sieht. Ähnlich auch noch Seyrig 1971, 67–70. 87 Dazu allgemein Bunnens 2006, 65–69. 88 Abweichend zeigt das Relief Museum Gaziantep Inv. 671 (Abb. 17) das Blitzbündel in der erhobenen Rechten. 89 Allgemein Jacobsthal 1906. Vgl. zum Blitz in der vorderasiatischen Bildkunst auch Vanel 1965 passim; Bunnens 2006, 43 u. 67–69. Bei manchen Darstellungen ist aber auch eine direkte Abkunft von eisenzeitlichen Darstellungen des Blitzbündels als doppelter, nach oben und unten geführter Dreistrahl zu denken, wie er in neuassyrischer Zeit von Wettergöttern getragen werden konnte, vgl. Vanel 1965, 152–156.
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Gottes auf der Stele aus Çatal Ziyaret (Abb. 14).90 Hier hält der Gott einen langen Stab und kein Blitzbündel in der Linken. Der Stab ist dabei auf dem Kopf des Stieres aufgesetzt.91 Nur hier wird zudem die Tunika mit einer Chlamys kombiniert. Abweichend ist auch die Bewaffnung auf dem Relief von Hammam, wo neben Axt und Blitzbündel auf dem Rücken des Gottes deutlich Bogen und Köcher zu erkennen sind (Abb. 13). Das Tragen von Bogen und Köcher ist in der Ikonographie des Iupiter Dolichenus ohne Parallele, hat jedoch eine hervorragende Parallele in der neuen Wettergottstele aus Turlu, die den Wettergott auf dem Stier ebenfalls mit Bogen und Köcher zeigt.92 Unterschiede zeigen sich bei den Reliefs auch in der obligatorischen Kopfbedeckung. Auf manchen Denkmälern ist der Gott offenbar mit einer Tiara dargestellt.93 Die Tiara lässt sich schon im 2. Jt. v. Chr. als herrschaftliche Kopfbedeckung nachweisen, wobei ihre Form stark variieren kann.94 Bei den medischen und persischen Königen ist sie in der Form der Tiara recta königliche Insignie.95 Aus der Tiara recta entwickelt sich auch die armenische und kommagenische königliche Tiara, die sich von anderen Tiaraformen deutlich unterscheidet.96 Die Tiara erscheint bei den Reliefs in der Art, wie sie von persischen Satrapen getragen wird, hoch, aber mit nach vorne fallender Spitze, also wohl aus einem sehr weichen Material hergestellt.97 Da allerdings die Laschen an den Seiten nicht mehr zu erkennen sind, ähneln sie vorderhand „phrygischen“ Mützen und sind in der Forschung häufig auch als solche angesprochen worden. Diese haben ihre Heimat allerdings im anatolischen Raum. Sie werden dann insbesondere in römischer Zeit zu einem typischen Merkmal von männlichen Gottheiten, die ihre Heimat in Kleinasien oder im Nahen Osten haben. Dass die römische Interpretation des Wettergotttypus den Iupiter Dolichenus häufig mit einer „phrygischen“ Mütze zeigt, ist daher wahrscheinlich als topisch zu verstehen.98 Sie verortet den Gott für den westlichen Rezipienten im Kreis östlicher Religionen.99 Hinsichtlich der Tiara ist festzuhalten, dass mit ihr ein Element in die Ikonographie des Gottes Einzug gefunden hat, das nicht in Syrien verwurzelt und entsprechend auch auf den vorhellenistischen Darstellungen von Wettergöttern nicht zu finden ist. Man kann wohl ausschließen, dass die Tiara in römischer Zeit neu einge90 Ähnlich zu ergänzen ist wahrscheinlich auch das Fragment aus Asmaçık (Abb. 12). 91 Möglicherweise handelt es sich hier um die missverstandene Wiedergabe der Zügel, die eisenzeitliche Wettergottdarstellungen mitunter aufweisen, etwa die Jekke-Stele, vgl. Dunand 1940. 92 Balcıoğlu/Mayer 2006. 93 Die Reliefs Zeytin Tepe (Abb. 5); Gonca Dağı (Abb. 8); Khaltan (Abb. 6); Kurcuoğlu (Abb. 6); Kurdini Tepe (Abb. 4); Gaziantep (Abb. 17). 94 Calmeyer 1976, 45 ff., bes. 52 ff. 95 Gall 1972, 261–283; Gall 1974, 145–161; Goldmann 1993, 51–69; zusammenfassend zu Name und Gestalt der persischen Tiara Tuplin 2007. 96 Young 1964; Gall 1990, 320–323, Taf. 45. 97 Calmeyer 1977, 177 f. 98 Zur Darstellung von Orientalen in Rom z.B. Schneider 2007, 50–86. 99 Aus dem Westen strahlt dieses Motiv dann aber wieder zurück nach Syrien und erscheint auf Denkmälern des Iupiter Dolichenus, die ganz in einer römischen Tradition stehen, vgl. dazu CCID 24, Kat. Nr. 18, Taf. 6 und insbesondere Blömer/Facella 2008.
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führt worden ist, da sie zu dieser Zeit innerhalb der Grenzen des Imperiums als Herrschaftssymbol nicht mehr attraktiv war und nur noch im parthischen Einflussbereich als Herrschaftszeichen weiter fortlebte.100 Sie muss also zu einem früheren Zeitpunkt übernommen worden sein. Denkbar sind zwei Erklärungen. Die Tiara könnte zum einen während der Zeit der persischen Herrschaft adaptiert worden sein, zum anderen im 1. Jh. v. Chr., als die Tiara von den iranisch geprägten armenischen und kommagenischen Königen getragen wurde, die eine Zeit lang in der Region mächtig waren.101 Die häufigste Form der Kopfbedeckung auf den nordsyrischen Stelen ist jedoch eine hohe und steil aufragende, sich nach oben mitunter leicht verjüngende Mütze. Sie ist jeweils in mindestens drei senkrechte Felder gegliedert. Diese Gliederung kann auf die Spitze beschränkt bleiben oder sich über die gesamte Tiara erstrecken. Die Reliefs vom Zeytin Tepe (Abb. 5), aus Kurcuoğlu (Abb. 7) und Gaziantep (Abb. 17) zeigen zudem ein Band, das um den unteren Teil der Kopfbedeckung verläuft. Auf der Stele vom Zeytin Tepe ist es über der Stirn deutlich breiter als im Nacken. Auf den ersten beiden ist zu erkennen, wie es am Hinterkopf verknotet ist und wie bei einem Diadem die Bindenenden in den Nacken fallen.102 In der Forschung ist diese Kappe häufig ebenfalls als Tiara angesprochen worden. In der Tat ähnelt sie vorderhand der Tiara, wie sie in Armenien und Kommagene getragen wurde und prominent in den Denkmälern des kommagenischen Königs Antiochos I. überliefert ist.103 Jedoch zeigt sich auch hier die altorientalische Tradition der Stelen. Sie lassen sich von den Poloi oder Federpoloi ableiten, die von Göttern des frühen 1. Jt. v. Chr. getragen wurden, manchmal ähneln sie auch der Kappe assyrischer Könige. Besonders deutlich offenbart die Kopfbedeckung der Stele aus Zafer diese Abkunft (Abb. 10). Die steil aufragende Kappe endet klar erkennbar in einer Reihe von Federn. Die Zafer-Stele ist auch in anderer Hinsicht eigentümlich, da der Gott kein Blitzbündel, sondern eine vegetabile Insignie trägt. Zudem sind wie auf einer Stele aus Guzana/Tell Halaf beide Arme in die Höhe gestreckt.104
100 Zur Form der parthischen und später sasanidischen Tiara Calmeyer 1976, 45–51. 101 Das Fragment einer Kultinschrift aus dem Heiligtum von Doliche belegt die Präsenz des Herrscherkultes an diesem Ort, der damit theoretisch ein Platz des Austauschs zwischen der Ikonographie des Königs und des Wettergottes gewesen sein könnte, vgl. Wagner 1982, 161 f.; Schütte-Maischatz 2003, 103–113; zum Herrscherkult des Antiochos allgemein Facella 2006, 250–297. Die südliche Kommagene mit Doliche ist allerdings gemeinsam mit Zeugma bereits nach der Schlacht von Actium der Provinz Syria angeschlossen worden, vgl. Wagner 1976, 40–70, so dass nicht von einem nachhaltigen königlich-kommagenischem Einfluss ausgegangen werden kann. 102 Diademe können auch im persischen Ornat sowohl vom persischen Großkönig als auch von persischen Satrapen gemeinsam mit der Tiara getragen werden, vgl. Pfrommer 1998, 56–59. Zum Diadem ansonsten Calmeyer 1976; Calmeyer 1987, 13 f.; Goldmann 1993, 52. 103 Zur Tiara im späthellenistischen Kommagene und in benachbarten Königreichen Young 1964; Gall 1990; Facella 1999. 104 Oppenheim 1955, 37, Nr. A 3, 1, Taf. 10 a. Zu vegetabilen Insignien des Wettergottes vgl. S¸ahin 1999.
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Bei den Reliefs vom Zeytin Tepe (Abb. 5) und aus Khaltan (Abb. 7) sind zudem Hörnerpaare an diese Kappe angesetzt. In diesem Detail manifestiert sich in besonderer Weise die Nähe der römerzeitlichen Darstellungen zur eisenzeitlichen Bilderwelt. Hörnerkronen sind in der altorientalischen Ikonographie eine übliche Kopfbedeckung von Göttern. Sie können dabei ganz unterschiedliche Formen annehmen.105 Generell verschwindet die Hörnerkrone allerdings mit dem Ende der neubabylonischen Epoche. Ihre Spur verliert sich, bis sie auf den hier besprochenen Denkmälern wieder auflebt. Auch die überaus seltenen sonstigen Belege römischer Zeit stammen aus dem nordsyrischen Binnenland. Auf manchen Bronzeprägungen von Hierapolis, die den Hadad der Stadt zeigen, sind winzige Hörnerpaare am Ansatz seines Polos zu erkennen.106 Daneben ist insbesondere ein enigmatisches Relief aus Myranaz mit hoher Krone mit drei Hörnerpaaren zu erwähnen.107 Im südlichen Syrien zeigen lediglich Münzen aus Dion den lokalen Zeus mit einem Kalathos, der möglicherweise mit einem Hörnerpaar verbunden ist.108 Eine weitere Ausprägung der Kopfbedeckung, die sich aber ebenfalls vom Federpolos ableiten lässt und bislang in zwei Fällen, den Reliefs von Hammam (Abb. 13) und Bouzlidje (Abb. 15), eindeutig überliefert ist, stellt der Kalathos dar. Da beide Orte wohl zur Chora von Hierapolis gehörten, kann man hier eine Bezugnahme auf die Darstellungen des Hadad von Hierapolis sehen109. Der thronend gezeigte Hadad von Hierapolis trägt stets den Polos, was neben Gemmen vor allem Münzen belegen.110 Das Relief von Bouzlidje zeichnet sich dabei noch durch weitere Besonderheiten aus. Hinter dem Kalathos ist ein Adler mit ausgebreiteten Schwingen dargestellt. Dies ist in der Ikonographie der nordsyrischen Wettergottheiten aus römischer Zeit einzigartig, hat aber gewisse Parallelen in Hatra.111 In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass der Adler, der als Begleittier des Zeus in der interpretatio graeca höchster Götter im Orient sehr geläufig ist, auf den Stelen ansonsten nicht auftaucht. Er ist zwar auf westlichen Denkmälern des Iupiter Dolichenus häufig präsent, fehlt aber auf den nordsyrischen Wettergottstelen in Analogie zur altorientalischen Ikonographie, die den Adler nicht als Begleiter des Wettergottes kennt.112
105 Zu Hörnerkronen Böhmer, Rainer M., Hörnerkrone, RLA IV (1972/1975), 431–434. 106 Zu dieser Emission Seyrig 1972. Zu betonen ist, dass der Hadad von Hierapolis darüber hinaus weder in der sonstigen Münzprägung noch auf plastischen Darstellungen mit Hörnerkrone dargestellt wird. Unsicher ist allerdings die Deutung des Kopfschmucks bei einer Serie sehr seltener Münzen aus dem 4. Jh. v. Chr., die Hadad in Vorderansicht zeigen, vgl. Seyrig 1971b, Taf. 1, 1. Greenfield 2001, 299 sieht hier Hörner. 107 Publiziert bei Seyrig 1971c. 108 Fleischer 1973, 381; Lichtenberger 2003, 53. 109 Einen guten Überblick zu Hierapolis und seinem Kult gibt Lightfoot 2003 mit der älteren Literatur. Zu den Darstellungen des Götterpaares ansonsten vor allem Seyrig 1949; Seyrig 1960; Seyrig 1972. 110 Seyrig 1949; Seyrig 1960. 111 Turcan 1978, 1281–1292, Taf. 253–258. 112 Eine Ausnahme stellt hier wiederum das westlich beeinflusste Relief aus Perrhe dar, vgl. Facella/Blömer 2008.
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Hinsichtlich des Reliefs aus Bouzlidje sei noch bemerkt, dass die Wiedergabe des Bartes und Haares unmittelbar an neuassyrische Frisuren angelehnt ist.113 Es ist eindeutig, dass dem Bildhauer entsprechende Vorlagen zur Verfügung standen. In die gleiche Richtung weist ein eigentümliches Merkmal der Darstellung des Wettergottes auf einer Reihe von Stelen. Das Haupthaar ist zu einem langen, am Ende eingerollten Zopf zusammengebunden.114 Hier ist ein typisches Element der bronzeund eisenzeitlichen Götterdarstellungen sichtbar.115 Auch in diesem Detail, das in der Ikonographie anderer syrischer Kulte der römischen Zeit nicht verankert ist, zeigt sich, dass die altorientalischen Traditionen bei den nordsyrischen Wettergottgestalten besonders langlebig sind. Wie im Falle der Hörnerkrone gilt, dass dieses Motiv ohne eine Vertrautheit mit eisenzeitlichen Bildnissen nicht zu erklären ist. Neben den Divergenzen bei den Trachtelementen ist auch das Motiv des Stehens auf dem Stier nicht einheitlich wiedergegeben. Meist steht der Gott auf einem einzelnen Stier nach rechts. Doch zeigt die Stele vom Zeytin Tepe (Abb. 5) den Gott auf zwei Stieren stehend. Dagegen fehlt der Stier auf der Stele von Khaltan (Abb. 7) völlig. Eine Variante zeigt zudem die Stele von Zafer, bei der die Beine des Stiers eingeknickt sind und er zusammengesunken zu sein scheint (Abb. 10). Einzigartig ist eine Schlange, die sich zwischen den Beinen des Stieres auf der Stele aus Maštala windet (Abb. 9). LOKALE WETTERGOTTHEITEN Der kursorische Überblick hat gezeigt, dass die Stelen in wichtigen Details Abweichungen aufweisen. Gemeinsam ist ihnen das Motiv des smiting god. Zudem ist der Gott stets bekleidet, bärtig, trägt eine Kopfbedeckung und ist bewaffnet. Darüber hinaus und in den Details aber ist das Repertoire der Darstellungsmöglichkeiten breit gefächert. Diese Vielfalt untermauert die Feststellung, dass die Stelen mit Wettergottgestalten nicht a priori mit dem Gott von Doliche in Verbindung zu bringen sind. Sie sind vielmehr Monumente lokaler nordsyrischer Kulte, die mit dem Kult von Doliche eine gemeinsame Tradition teilen. Sehr deutlich lassen alle Stelen erkennen, dass die gemeinsamen Wurzeln in der Eisenzeit liegen. In vielen Details offenbart sich eine Nähe zu den Darstellungen von eisenzeitlichen Wettergöttern, die nur auf eine unmittelbare Kenntnis derselben zurückgeführt werden kann. Es sind aber nicht nur ikonographische Parallelen, die auf ein Fortleben der alten Religion hindeuten. Betrachtet man die Verteilung der Fundorte von eisenzeitlichen und römerzeitlichen Zeugnissen für Wettergötter in Nordsyrien, zeigen sich viele Übereinstimmungen. In dieser Landschaft, die spätestens mit dem Ende des neuassyrischen Reiches vorwiegend ländlich geprägt war, konnten die lokalen religiösen Bezugssysteme offenbar weitgehend un-
113 Vgl. z. B. die Darstellung des Wettergottes von Kargamiş bei Orthmann 1971, Taf. 72 d. 114 Vgl. die Stelen Zeytin Tepe (Abb. 5); Khaltan (Abb. 7); Kurcuoğlu (Abb. 6); Kurdini Tepe (Abb. 4); Gaziantep Inv. 671 (Abb. 17). 115 Akurgal 1949, 17–19; Bunnens 2006, 42.
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berührt von äußeren Einflüssen fortbestehen.116 Gleichwohl sind die Bilder nicht statisch geblieben, sondern konnten neue Elemente wie das griechisch-römische Militärkostüm aufnehmen. Für die Deutung des Bildes des Wettergottes auf dem Stier ergibt sich, dass ihm trotz seiner Wirkkraft etwas Beliebiges anhaftet. Das Bild verdichtet sich jeweils erst innerhalb eines bestimmten Diskurses zu einer klar definierten Gottheit. Die Grundlage für diese Verdichtung bot die Verknüpfung mit einem bestimmten Ort, seiner Bevölkerung und deren individueller Überlieferung. Die Ortsgebundenheit als sinnstiftendes Element manifestiert sich in der häufigen Bezeichnung von syrischen Göttern als theoi patrooi, vielfach aber vor allem im Namen der Gottheit.117 Erst in dem Epitheton, das häufig direkt auf seinen Herkunftsort rekurriert, offenbart sich der Gott.118 Man kann also konstatieren, dass der Ikonographie des Wettergottes im nordsyrischen Raum in römischer Zeit keine Signifikanten inhärent sind, die aus sich selbst heraus eine konkrete Benennung erlauben. Damit entfällt auch die Möglichkeit einer Zuschreibung dieser Denkmäler an Iupiter Dolichenus. Eine Zuordnung kann nur aufgrund eines aussagekräftigen Kontextes oder einer Inschrift, die den Namen des Gottes nennt, erfolgen. Daraus resultiert, dass – von den Siegeln aus Doliche abgesehen – kein einziges der nordsyrischen Denkmäler mit Wettergottdarstellung, die in die Korpora des Dolichenuskultes aufgenommen worden sind, zweifelsfrei mit diesem in Verbindung gebracht werden kann. Ergebnis der Überlegung soll aber nicht sein, lediglich nachzuweisen, dass die als Iupiter Dolichenus-Darstellungen angesprochenen Denkmäler keine sind bzw. nicht zwangsläufig sind. Es ergeben sich auch Konsequenzen für das Bild von den religiösen Verhältnissen in Nordsyrien in römischer Zeit. Die zahlreichen regionalen Wettergottdenkmäler bezeugen im Gegensatz zu einer überregional wirksamen Religion des Gottes von Doliche eine sehr kleinräumliche und stark lokal bezogene Glaubenswelt.119 Dies gilt freilich zunächst nur auf der Ebene der indigenen Bevölkerung, aus deren kulturellem Milieu, abseits der städtischen Zentren, die hier besprochenen Denkmäler stammen. Diese lokal geprägte Glaubenswelt läuft dem in der Forschung immer wieder zusammenfassend konstruierten Konzept „orientalischer“ Religionen zuwider.120 Die Verehrung des Wettergottes in Nordsyrien lässt sich nicht in einer synkretistischen Religion des Iupiter Dolichenus zusammenfassen. 116 Die Kontinuität von Kulten und Kultorten von der Eisenzeit bis in römische Zeit ist sehr umstritten und wird häufig negiert. In der Tat lässt sich bislang nur in ganz wenigen Fällen archäologisch eine Kultkontinuität feststellen, so etwa in Syrien im lokalen Wettergottheiligtum von Qadboun, vgl. Bounni 1997. 117 Millar 1993, 256 f. Zu eben diesem Phänomen in der Dekapolis Lichtenberger 2003, 279 ff.; Sommer 2005, 126 f.; Kaizer 2006. 118 Kaizer 2006; Kaizer 2008, 23 f. Gleiches gilt schließlich auch schon für die eisenzeitlichen Darstellungen der Wettergottheiten, vgl. Orthmann 1971, 239: „Kennzeichnende Unterschiede zwischen den einzelnen in den Inschriften genannten lokalen Wettergottheiten sind nicht zu beobachten.“ Vgl. auch Berlejung 2007. 119 Kaizer 2006, 26–47 bes. 41–46. 120 Kaizer 2006, 27–30; Belayche/Rebillard 2007; Auffarth 2007; Kaizer 2008, 16–21.
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DER GOTT VON DOLICHE Nachdem versucht wurde zu zeigen, dass die verschiedenen aus Nordsyrien bekannten Reliefs mit Wettergottgestalten aus römischer Zeit kaum mit dem Kult von Doliche in Verbindung gebracht werden können, sondern Ausdruck einer kleinteiligen lokal orientierten Glaubenswelt im ländlichen Nordsyrien sind, soll abschließend das Bild des Gottes von Doliche selbst in den Blick genommen werden. Im Vergleich zu der großen Aufmerksamkeit, die dem Kult des Iupiter Dolichenus im Westen des Reiches gewidmet wurde, blieb das Interesse der Forschung an Doliche gering, obwohl bereits Cumont die Lage des Heiligtums hatte feststellen können.121 Es liegt außerhalb von Doliche auf einem 1200 m hohen Gipfel, dem Dülük Baba Tepesi. Dort werden seit 2001 von der Forschungsstelle Asia Minor, Münster, Ausgrabungen durchgeführt.122 Trotz einer tiefgreifenden Zerstörung vor allem der römerzeitlichen Phasen des Heiligtums durch eine lange und intensive nachantike Nutzung des Ortes ist es inzwischen möglich, dessen Aufbau in den Grundzügen nachzuvollziehen.123 Vor allem aber zeigt eine überraschende Vielzahl von Funden, dass Kultbetrieb an diesem Ort bereits spätestens im 6./5. Jh. v. Chr. stattgefunden hat.124 Auch Architektur dieser frühen Phase des Heiligtums lässt sich inzwischen fassen. Es zeichnet sich damit ab, dass der Aufschwung des Dolichener Kultes nicht erst in späthellenistisch-römischer Zeit, sondern bereits in der Zeit persischer Herrschaft stattgefunden hat. Für die Frage nach Kultkontinuität zwischen der Eisenzeit und römischer Herrschaft ist dies ein Ergebnis von großer Tragweite. Vor diesem Hintergrund ist der Fund einer Stele aus Basalt, die während der Grabungskampagne 2007 im Heiligtum auf dem Dülük Baba Tepesi geborgen werden konnte, von besonderer Bedeutung (Abb. 19).125 Sie lag in einer Füllschicht aus nachantiker Zeit. Über den originalen Aufstellungskontext im Heiligtum können daher keine Aussagen mehr gemacht werden. Die Größe der Stele ist 1,30 m x 0,70 m. Das Bildfeld teilt sich in zwei Zonen. In der schmalen unteren Zone stehen zwei Männer um einen Altar. Sie tragen Tuniken, bei dem linken sind die clavi deutlich herausgearbeitet. Durch ihre konischen Kappen und den Zweig, den der Mann links hält, sind sie eindeutig als Priester gekennzeichnet und werden im Vollzug einer Opferhandlung gezeigt.126 Über der Opferszene hängen Trauben.
121 Cumont 1917, 173–202; Cumont 1920, 189; den einzigen bedeutenden Fortschritt markieren danach die Forschungen von Wagner in den 70er Jahren, die in Wagner 1982 zusammengefasst sind. 122 Zu den Ergebnissen der Grabung Blömer/Winter 2005; Blömer/Winter 2006; Winter 2008. 123 Zur Architektur des Heiligtums Oenbrink 2008; zu Inschriften aus dem Heiligtum sowohl in griechischer als auch in lateinischer Sprache, die Weihungen an den Gott darstellen, Facella/ Winter 2008. 124 Schachner 2008. 125 Erste Ausführungen zu den Resultaten der Grabungen 2009 bei Blömer/Winter 2009. Eine ausführliche Abhandlung zu der Stele ist in Vorbereitung. 126 Zur Darstellung von Priestern lokaler Religionen in Nordsyrien vgl. Stucky 1976; Krumeich 1998; Stucky 2005.
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Im darüber liegenden Hauptfeld sieht man den Gott selbst mit seiner parhedros. Er steht auf dem Stier. Bekleidet ist er mit einem knielangen geschlitzten Schurz mit Fransenborte. Er wird von einem breiten, mehrfach horizontal gegliederten Gürtel gehalten, an dem ein Schwert befestigt ist, das senkrecht hinter dem Körper verläuft. Der Gott trägt einen langen spitzen Bart, der weit auf die Brust herabfällt. Den Kopf bedeckt eine konische Kappe, die mit drei Hörnerpaaren geschmückt ist. Das lange Haupthaar fällt zum Zopf geflochten in den Rücken hinab und rollt sich am Ende ein. In der angewinkelten Linken hält der Gott ein doppelt dreistrahliges Blitzbündel. Im Bereich des erhobenen rechten Arms ist das Relief beschädigt, weshalb der Gegenstand in der Rechten des Gottes weitgehend verloren ist. In Analogie zu parallelen Darstellungen kann man jedoch eine Axt oder Doppelaxt ergänzen. Ihm gegenüber steht auf einem Hirsch seine weibliche Begleiterin. Sie ist mit einem knöchellangen Gewand bekleidet, das um die Taille mit einem sehr breiten, aus vier Reifen gebildeten Gürtel gehalten ist.127 Eine Stoffbahn fällt über die linke Schulter herab. Teile des Hinterkopfes sind verloren. Von der Kopfbedeckung ist nurmehr ein kleiner Ausschnitt oberhalb der Stirn erhalten, der sich möglicherweise zu einer polosartigen Kappe ergänzen lässt. In ihrer rechten Hand hält sie einen Handspiegel mit kreisrunder Scheibe in die Höhe gestreckt. Der Spiegel ist als Attribut von Göttinnen erst seit der Eisenzeit üblich. In Nordsyrien ist es zunächst vor allem Kubaba, die mit dem Spiegel dargestellt wird.128 Die Gründe für die Präsenz des Spiegels sind vordergründig die Funktion als Statussymbol und Marker von Weiblichkeit, der insbesondere dem männlichen Partner gegenüber das Feminine repräsentieren soll.129 Im kultischen, aber auch im Sepulkralkontext, wo er als Grabbeigabe schon in der Eisenzeit belegt ist, kann der Spiegel darüber hinaus auch als magisches Zeichen verstanden werden, das konnotiert ist mit Wissen und Erkennen, auch mit Sich-Selbst-Erkennen.130 Schließlich ist der Spiegel Symbol der Regeneration und semantisch eng mit der Unterwelt verknüpft. Der Gegenstand in der linken Hand ist trotz der kursorischen Wiedergabe und der Versinterung in diesem Bereich als Granatapfel anzusprechen. Er setzt unmittelbar an der geschlossenen Hand an und ist kreisrund. Nur schwach zeichnet sich das Krönchen, der verkümmerte Blütenstand, ab.131 Von den Denkmälern der Göttin aus dem Westen des Reiches ist dieses Attribut nicht bezeugt. Allerdings taucht es auf Darstellungen der parhedroi auf den Stelen aus Khaltan und vom Zeytin Tepe
127 Ganz gleichartig gebildete Gürtel sind auf syro-hethitischen Grabstelen zu finden, vgl. Bonatz 2000, Kat. C 19 – C 22; C 26; C 51; C 53; C 59; C 60; C 62; C 63; C 65; C 68. 128 Hawkins, John D., Kubaba, RlA 6 (1980/1983), 257–261; Hawkins 1981 zur textlichen Evidenz für Kubaba in der Region. Allgemein zu Kubaba/Kybele vgl. Roller 1999. 129 Roller 1999, 48; Lightfoot 2003, 30–32. 130 Bonatz 2000, 84 f. geht ausführlich auf die Bedeutung und Funktion der Spiegel in der Eisenzeit ein, ausgehend von ihrem Vorhandensein auf den syro-hethitischen Grabstelen. 131 Zum Granatapfel und seiner Ikonographie vgl. Börker-Klähn, Jutta, Granatapfel, RlA 3 (1957/71) 616–630; Engemann, Josef, Granatapfel, RAC 12 (1983), 690 f.
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auf.132 Der Granatapfel ist als Götterattribut im Nordsyrien der Eisenzeit ebenfalls vor allem für Kubaba bezeugt.133 Die Stele aus Doliche zeigt als einzige Darstellung von Wettergottgestalten aus dem römischen Nordsyrien den Gott und die Göttin gemeinsam in einem Relief. Die Nähe zu vorhellenistischen Darstellungen weiblicher Hauptgottheiten ist bemerkenswert.134 Vergleichbar ist auch das Bild der Atargatis auf manchen Münzen von Hierapolis aus dem 4. Jh. v. Chr.135 Die Rolle des weiblichen parhedros in Doliche wie auch im Westen des römischen Reiches darf nicht unterschätzt werden, ist jedoch noch nicht konsistent untersucht worden.136 Unklar ist, welchen Namen die Göttin in Doliche trug. Bekannt ist lediglich die lateinische Bezeichnung Iuno Regina. Zwischen den Göttern befindet sich ein nicht leicht zu deutender Gegenstand. Analog zu westlichen Darstellungen des Götterpaares könnte man zunächst an einen Feueraltar denken.137 Allerdings wäre die Flamme auf dem Altar dann um ein mehrfaches größer als der Altar selbst. Viel besser lassen sich das Symbol und seine Bedeutung aus der altorientalischen Ikonographie ableiten. Es ist als ein stilisierter Lebensbaum zu verstehen, wie er im Kontext zahlreicher Gottheiten und auch als Einzelmotiv in der religiösen Bildsprache des Orients weit verbreitet ist. Er drückt damit den Leben spendenden Aspekt beider Götter aus.138 In dem bekannten Repertoire der westlichen Zeugnisse für Iupiter Dolichenus finden sich nur wenige Vergleiche, diese dann aber vor allem auf den dreieckigen Standartenbekrönungen.139 Vegetabile Objekte als Zeichen der Fruchtbarkeit sind im Zusammenhang mit dem Kult des Iupiter Dolichenus ansonsten in den Händen von Berggottgestalten zu sehen, die den Gott zuweilen begleiten und auch in anderen Kulten Nordsyriens auftauchen.140
132 CCID 27 f., Kat. Nr. 23; Kat. CCID 30, Kat. Nr. 27. Allerdings gehen die Verfasser von Mohnkapseln aus. Eine solche Deutung wäre allerdings singulär und hätte keine Anknüpfungspunkte in der lokalen Tradition. 133 Muthmann 1982, 32–34, Abb. 22. 134 Vgl. Orthmann 1971, 276 f. Besonders nahe steht eine Stele aus Birecik(?), vgl. Orthmann 1971, Taf. 5 c. 135 Ronzevalle 1940; Seyrig 1971b; zusammenfassend Duyrat 2003, 241 f. 136 Interessant ist, dass sich im Bild der Göttin verschiedene Traditionen vermischen, wie sie in der Ikonographie weiblicher Göttinnen in der Eisenzeit nicht vorkommen. Vor allem das Stehen auf dem Hirsch hat keine Parallele, vgl. dazu auch Przeworski 1940, 62–76. 137 Vgl. CCID 133–136, Kat. Nr. 202, Taf. 39; 191–194, Kat. Nr. 295, Taf. 58; 325 f., Kat. Nr. 518; 162 f., Kat. Nr. 587, Taf. 128. Dort jeweils ein Altar mit Flammen zwischen Iupiter Dolichenus und Iuno Dolichena. 138 Giovino 2007. 139 CCID 68 f., Kat. 80, Taf. 22; 302 f., Kat. 475, Taf. 106. 140 Im Kontext des Iupiter Dolichenus im Westen tauchen sie vor allem auf den Standartenbekrönungen auf, vgl. z. B. CCID 179 f., Kat. Nr. 281, Taf. 52; 302 f., Kat. Nr. 475, Taf. 106; Kat. Nr. 512, Taf. 108; sie werden in den Inschriften mitunter als Castores Dolicheni bezeichnet, vgl. Will 1947/1948, 23–36; Engster 2007. In Nordsyrien ist diese Berggottgestalt vor allem noch in Hierapolis zu fassen, vgl. Seyrig 1949. Zusammenfassend sind diese Göttergestalten bislang nicht untersucht worden.
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Noch weitere Bildelemente der neuen Stele weisen auf den lebenspendenden Aspekt des Götterpaares hin. In der Opferszene im unteren Register wie über dem Götterpaar im Hauptfeld sind Trauben zu sehen, die an einem Zweig herabhängen. Wegen der Beschädigung des oberen Stelenabschlusses ist leider nicht mehr deutlich nachzuvollziehen, ob dort die beiden Trauben Teil einer größeren Weinrebe sind, die das Bildfeld nach oben abschloss. Die Verbindung von Trauben und Wettergott findet sich bereits im 2. Jt. v. Chr.141 Verschiedene Reliefs weisen ikonographische Parallelen auf, so vor allem das bekannte Felsrelief von Ivriz in Kappadokien an den Nordhängen des Taurus aus dem Reich Tuwana in der Region Tabal, das in das späte 8. Jh. v. Chr. datiert.142 Dargestellt ist hier Tarhunzas, also eine Wettergottgestalt, die in diesem Relief aber ganz als Gott der Fruchtbarkeit präsentiert wird. Zwei weitere Wettergottstelen aus Tabal zeigen den Gott ebenfalls gemeinsam mit Weintrauben, die sich zudem jeweils noch im Verbund mit Weinranken befinden.143 Auch der Baal/Zeus von Tarsos, ebenfalls ein Gott in späthethitischer Tradition, weist sich durch Trauben als Spender von Fruchtbarkeit aus.144 Weintrauben als Symbol für Fruchtbarkeit, in der Form des Weinstocks aber auch als Symbol für die politische und göttliche Ordnung, spielen in der altorientalischen Literatur und Bildsprache eine große Rolle.145 In Nordsyrien war Wein schließlich auch ganz konkret ein wichtiges ökonomisches Gut, bereits im 18. Jh. v. Chr. ist Kargamiș als Exporteur von Wein nach Mesopotamien belegt.146 Schließlich spielt die Weintraube als Symbol auf den syro-hethitischen Grabdenkmälern eine Rolle, wo sie zeichenhaft die Fülle des vergangenen Lebens darstellte.147 Auf einer der Kultstandartenaufsätze von Kömlöd ist eine identische Konstellation wie auf dem Dolichener Relief zu sehen.148 Zwischen dem Götterpaar hängt eine Traube herab, flankiert von Binden.149 Auch hier zeigt sich, dass die Darstellungen auf Standartenaufsätzen der heimatlichen Ikonographie des Dolichener Kultes am nächsten kommen.
141 Bunnens 2006, 41 u. 58 f. 142 Zu dem Relief Orthmann 1971, 242; Barnett 1983, 59–65 mit der älteren Literatur; Cremer 1988, 179–187; Şahin 1999, 165–176. Zu Tuwana Mellink 1991, 625 f. 143 Eine Stele aus Niğde, abgebildet bei Şahin 1999, 174 Abb. 8; eine Stele aus Keșlik, vgl. V. Sezer, Anatolica 18, 1974, 133–138. 144 Pohl 2004, 63–73. Zum vorhellenistischen Gott Casabonne 2002, 21–31. Ein Problem, das an dieser Stelle nur angedeutet werden kann, ist das Verhältnis von Baal Tars und Sandan. Handelt es sich um zwei eigenständige Gottheiten oder um eine einzige? Dalley 1999, 73–80 argumentiert, dass unter Sennacharib ein neues Kultbild assyrischer Prägung in Tarsus errichtet wurde, ein älteres, das später in eine griechische Bildsprache übersetzt wurde, blieb jedoch parallel bestehen. 145 Elsen-Novák/Novák 2005, 197–206. 146 Heltzer 1990, 119–135. 147 Bonatz 2000, 88–90 zur Bedeutung der Traube. 148 CCID 133–136, Kat. Nr. 202. 149 Im CCID S. 134 heißt es „…Kranz, vermutlich aus – sehr ungeschickt dargestellten – Blumen, von dem zwei Bänder herabhängen“. Eine Deutung als Kranz ist allerdings kaum möglich. Eher wäre noch an eine Rosette zu denken, vor dem Hintergrund des Dolichener Reliefs scheint aber die Traubenlösung deutlich plausibler.
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Dass zahlreiche Elemente dieser Götterdarstellung der altorientalischen Ikonographie entstammen, entspricht grundsätzlich dem Darstellungsmodus der oben besprochenen Denkmäler aus Nordsyrien. Auch die meisten Bilder des Iupiter Dolichenus aus dem Westen des römischen Reiches spiegeln diese Ikonographie. Nirgendwo jedoch ist sie so konsistent zu beobachten wie auf der Stele aus Doliche. Kein Element der Darstellung des Gottes ist der hellenistisch-römischen Bildsprache entnommen. Gleiches gilt für die parhedros. Dass es sich überhaupt um ein Erzeugnis römischer Zeit handelt, manifestiert sich erst in der Art der Wiedergabe der Tiere, die ihren Kopf zum Betrachter wenden. Zudem scheint der Stier eine Binde um den Leib zu tragen, wie es bei Opferstieren der Fall ist. Ganz der römerzeitlichen Ikonographie verpflichtet ist schließlich die Opferszene im unteren Bildfeld, was vor allem in der Form des Altars und in der Kleidung der Priester deutlich wird. Eine präzisere Datierung der Stele ist allerdings schwierig, da der lokale Stil der Bildhauerarbeit wenige Anhaltspunkte für eine zeitliche Einordnung liefert. So wird man als zeitlichen Rahmen zunächst lediglich die frühe Phase der römischen Herrschaft und die Zerstörung Doliches durch die Perser annehmen können. Was bedeutet der Fund dieser Stele nun aber für die Frage nach dem Kult des Gottes von Doliche? Mehr als alle aus dem Westen des römischen Reiches überlieferten Bilder gibt sie Aufschluss darüber, in welcher Gestalt der Gott in Doliche verehrt wurde. Man kann davon ausgehen, dass diese Darstellung, da sie im Heiligtum selbst aufgestellt war und dem Kosmos der lokalen Verehrung der Gottheit entstammt, ein im Heiligtum verehrtes Urbild reflektiert. Die enge Übereinstimmung mit Bildwerken der eisenzeitlichen Kunst und der archäologische Nachweis, dass bereits in vorhellenistischer Zeit Kultbetrieb auf dem Dülük Baba Tepesi stattgefunden hat, legen nahe, dass dieses bereits in der späten Eisenzeit im Heiligtum aufgestellt wurde und dort bis in die römische Zeit verblieb. ABKÜRZUNGEN CCID IGLS
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Dr. Michael Blömer, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Forschungsstelle Asia Minor im Seminar für Alte Geschichte, Georgskommende 25, D-48143 Münster; e-mail: [email protected]
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Abb. 1: Blick auf das römerzeitliche Heiligtum bei Ceylanlı (Foto: Verfasser)
Abb. 2: Stele mit Wettergottheit (Perdizet/Fossey 1897, Taf. 4)
Abb. 3: Stele mit weiblicher Gottheit (Perdizet/Fossey 1897, 89, Abb. 4)
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Abb. 4: Stele vom Kurdini Tepe bei Alacakilise, Museum Gaziantep (Foto: Verfasser)
Abb. 5: Stele vom Zeytin Tepe, Başpinar, Museum Antakya (CCID, Kat. Nr. 22, Taf. VII)
Abb. 6: Stele aus Kurcuoğlu, Museum Antakya (Foto: Verfasser)
Abb. 7: Stele aus Khaltan, Museum Aleppo (CCID, Kat. Nr. 26, Taf. 9)
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Abb. 8: Stele aus Gonca Dağ, Museum Gaziantep (Foto: Verfasser)
Abb. 10: Stele aus Zafer, Museum Adana (Foto: Verfasser)
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Abb. 9: Stele aus Maštala (CCID, Kat. Nr. 28,Taf. X)
Abb. 11: Stele vom Keklik Tepe, Museum Ankara (Rohde 1940, Abb. 1)
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Abb. 12: Stelenfragment aus Asmacık (CCID, Kat. Nr. 16, Taf. V)
Abb. 13: Stele aus Hammam, Museum Aleppo (CCID, Kat. Nr. 29a, Taf. X)
Abb. 14: Stele aus Çatal Ziyaret, Museum Aleppo (Gatier 1998, 162, Abb. 1)
Abb. 15: Stelenfragment aus Bouzlidje (Gatier 1998, 164, Abb. 4)
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Abb. 16: Stelenfragment, Museum Gaziantep (Foto: Verfasser)
Abb. 17: Stele, Museum Gaziantep (Foto: Verfasser)
Abb. 18: Stele, Museum Maraș (Humann/Puchstein 1890, Abb. 58)
Abb. 19: Stele mit dem Götterpaar von Doliche, Dülük Baba Tepesi (Foto: Verfasser)
RELIGIÖSE VORSTELLUNGEN IN NINIVE UND ASSUR WÄHREND DER HELLENISTISCHEN UND PARTHISCHEN ÄRA Peter W. Haider In der vorliegenden Studie soll untersucht werden, wie weit in der hellenistischen und parthischen Ära im Bereich der alten assyrischen Metropolen Ninive und Assur trotz ihrer weitgehenden Zerstörungen im Jahre 612 v. Chr. lokale Glaubensvorstellungen weiterlebten bzw. neu belebt wurden, und in welchem Ausmaß ein Transfer stattgefunden und eine Adaptierung hellenistischer und/oder iranisch-parthischer Gottheiten Einzug gehalten hatten. Darüber hinaus gilt es zu prüfen, ob sich zwischen diesen beiden Städten ein Unterschied im Gesamtbild der damaligen religiösen Vorstellungen und Riten fassen lässt. NINIVE/NINOS Nach der Zerstörung im Jahre 612 v. Chr. war Ninive, die altehrwürdige Stadt der Göttin Ischtar am oberen Tigris, die Sanherib um 704/702 v. Chr. zur Residenz des neuassyrischen Imperiums hatte ausbauen lassen, weitgehend verödet zurückgeblieben. Doch zumindest auf der Anhöhe des Kuyundjik, dem kulturellen und machtpolitischen Zentrum der ehemaligen Metropole, fanden offensichtlich schon bald wieder Aufräumungs- und Restaurierungsarbeiten statt.1 Wie längst bekannt und zuletzt von Reade herausgestellt2 bildete diese Anhöhe schließlich die „Akropolis“ der wieder belebten hellenistischen und dann der partherzeitlichen Stadt „Ninos“ (Abb. 1–2).3 1
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Thompson/Hutchinson 1929, 106 f. u. 140–142; Thompson/Mallowan 1933, 111; Weidner 1939, 641 f.; Oates 1968, 61; Downey 1988, 49; Dalley 1993, 1137 f.; Reade 1998, 67 f., Fig. 2; Russell 1997, 122; Reade 1998/2001, 428 f.; Curtis 2003, 160 übersah bei seinem Referat leider die Grabungsergebnisse von Madhloum 1967 u. 1968 – So kann die von Xenophon (Anab. III 4, 10–12) zum Jahre 401 v. Chr. geschilderte Anlage der Stadt „Mespila“, die aus einer „verlassenen“, also nicht mehr in Funktion stehenden „Ringmauer“, deren Umfang er allerdings viel zu groß einschätzte, und aus einer wohl bewohnt zu denkenden „Stadt“ (auf dem Hügel von Kuyundjik) bestand, durchaus mit Ninive/Ninos identifiziert werden. Zuletzt diskutierten die Frage der Lokalisierung und Identifizierung Lendle 1995, 174–177, und am eingehendsten Tuplin 2003, 370–373 u. 387–389. Zuletzt einschlägig abgehandelt bei Reade 1998, 65–83; in einer sehr knappen Version Reade 1998/2001, 428 f. Dort waren Keramik und Terrakotten seit dem 3. Jh. v. Chr. ans Licht gekommen (Reade 1998, 68 f.), aber auch in der Wohnsiedlung nördlich und südlich des Kuyundjik fand sich derartiges Material (Belege bei Mahdloum 1968, 50 f. und Reade 1998, 68 f.; 72; 74; 76).
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In dem schon in seleukidischer Zeit restaurierten und adaptierten Ezida, dem Tempel des Nabu (Abb. 2), brachte im Jahre 32/31 v. Chr. ein gewisser Apollophanes, Sohn eines Asklepiades, zu Ehren der „erhörenden Götter“ für einen Apollonios, der damals das höchste städtische Amt des „Strategos und Epistates der Polis“ bekleidete, die betreffende Weihinschrift an einer der Steinsäulen dieses Tempels an.4 Schrift, Sprache, Inhalt der Weihinschrift und die genannten Personennamen belegen, dass zumindest einzelne Personen innerhalb der geistig und politisch führenden Bevölkerungsschicht im damals zum adiabenischen Königreich gehörenden Ninive/Ninos des späten 1. Jh. v. Chr. immer noch Träger der hellenistischen Kultur und auch der betreffenden Glaubensvorstellungen waren. Dabei erhebt sich einerseits die Frage, welche konkreten Gottheiten damals zu den „erhörenden“ gezählt wurden, und in wessen Besitz das wieder in Funktion gesetzte Ezida zu jener Zeit gewesen sein dürfte. Andererseits gilt es zu überlegen, ob es ein reiner Zufall ist, dass zwei der genannten Personen theophore Personennamen mit der Nennung des griechischen Apollon tragen? Dies abzuklären, dafür bedarf es der Zusammenschau all jener Hinweise, die wir zur Charakterisierung sowohl des ehemaligen Besitzers des Ezida, des Gottes Nabu, als auch des hellenistischen Bildes von Apollon besitzen. Zu den im seleukidischen, römischen und parthischen Mesopotamien als „erhörende Gottheiten“ gepriesenen höheren Mächten zählten tatsächlich Apollon, seine Schwester Artemis, Zeus und Hera sowie Aphrodite und gelegentlich auch Asklepios.5 Für das ninivitische Ezida, das dortige Nabu-Heiligtum, darf analog zu den anderweitig im hellenisierten Zwischenstromland bezeugten Gleichsetzungen des Nabu mit Apollon am naheliegendsten auch noch an Artemis gedacht werden, die an der Seite ihren Bruders im gleichen Gotteshaus eine Verehrungsstätte besessen hatte, denn diese Göttin erscheint laut Bauinschrift Antiochos’ I. Soter vom 28. März 268 v. Chr. am Ezida von Borsippa an der Seite des Apollon-Nabu, des „Weisesten der Götter“, mit der babylonischen Göttin Nisaba und damit auch mit der assyrischen Taschmetu gleichgesetzt.6 Dass der delphische Gott mit dem alteingesessenen Nabu identifiziert wurde, ist nicht nur eine bekannte Tatsache, sie erfährt darüber hinaus noch eine speziell auf Ninos bezogene Konkretisierung. Denn der Zufall wollte es, dass just auf dem Kuyundjik eine Keilschrifttafel (K. 2540) ans Licht kam, die erst 1993 publiziert7, einen Hymnus an Nabu enthält, in dem dieser Gott, von dem behauptet wird, dass 4
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Diese Inschrift ersetzt aber eine ältere griechische, die auf dieser Säule angebracht war: Thompson – Hutchinson 1929, 140–142; SEG 7, 1937, 37; Le Rider 1967, 15; SEG 48, 1998, 1838 (A 1); Reade 1998, 69, Fig. 3. Thompson/Hutchinson 1929, 142. Quellenzeugnis bei Weissbach 1911, 2–9; Pomponio 1978, 106. Zur Gattin des Nabu siehe besonders Mtsushima 1978, 131–175. – Zum hellenistischen Bild der Artemis: Quellenzeugnisse bei Preller/Robert 1894, 296 ff.; Wilamowitz-Moellendorff 1931, 177–182, und 1932, 147–153; Hoenn 1946, 1 ff., bes. 97 ff.; vgl. auch Schneider 1969, 790 f. – Zu Nisaba siehe Michalowski, Piotr, Nisaba, RlA 9 (1998–2001), 579; Pomponio, Francesco, Nabû, RlA 9 (1998–2001), 16–24. Mayer 1993, 177–179.
Religiöse Vorstellungen in Ninive und Assur
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„er das Schicksal festlegt“, lobend gepriesen wird: „Barmherzig bist du, Nabu, … wann immer man dich ruft, hörst bereitwillig.“8 Zudem hieß es vom hellenistischen Apollon, dem Sohn des Zeus und dem Anführer der Musen, der den suchenden Menschen Inspiration und philosophische Weisheit schenkt, aber den Frevlern den Tod und Verderben bringt9, in einem Hymnus, er sei „dem Plan seines Vaters gehorsam und erkannte den unsterblichen Willen des Zeus“10. Angesichts der Tatsache, dass man in Nabu seinerseits den „Herrn der Weisheit“ und einen „Sohn des Marduk“, den man mühelos mit „Zeus Belos“ gleichsetzte11, sah, drängte sich eine Identifizierung dieses mesopotamischen Gottes mit Apollon geradezu auf. Zudem legten Marduk und Nabu in den mesopotamischen Glaubensvorstellungen beim Neujahrsfest und seiner rituellen Inszenierung das zukünftige Schicksal des Landes und seiner Menschen für das kommende Jahr fest12, worin eine weitere Parallele zum schicksalhaften Handeln des Apollon im Einklang mit dem Willen seines himmlischen Vaters gegeben war. Letztlich spricht noch ein weiterer Aspekt dafür, dass in dem alten Ezida von Ninive seit der hellenistischen Ära Apollon verehrt worden war. Denn diese Stadt verdankte ihre Polisstruktur vorwiegend makedonischen Siedlern unter den Seleukiden.13 Dieses Herrscherhaus verehrte als seinen mythischen Ahnherrn und Beschützer just diesen delphischen Gott.14 Daher erfreute sich Apollon auch im offiziellen Kult des Seleukidenreiches einer besonderen Verehrung.15 Folglich ist ein solcher wohl auch in der hellenistischen Polis von Ninos zu erwarten. Wenn also davon ausgegangen werden darf, dass auf der Akropolis von Ninos seit der seleukidischen Ära im alten Heiligtum des Nabu eine Kultstätte für Apollon-Nabu eingerichtet worden war, so erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass hellenisierte Familienangehörige der Elite dieser Stadt als spezielle Verehrer dieses Gottes auch ihre Kinder nach Apollon benannten. Doch auch noch andere griechische Gottheiten hatten unter der hellenisierten Bevölkerung dieser Stadt ihre Verehrer gefunden. So waren Teile des ehemaligen Südwestpalastes auf dem Kuyunjik, den Sanherib erbaut hatte (Abb. 2), spätestens 8 Mayer 1993, 177 f. (Vs. 3’ u. 15’–16’). 9 Nilsson 1967, 542–544; Birge 1995, 13–19; Bierl 1995, 81–96; Miller 1995, 99–112. 10 So im 2. Apollonhymnus in Delphi aus dem Jahre 128 v. Chr., der vielleicht auf den Lyriker Likymnos von Chios (um 400 v. Chr.) zurückgeht (Fouilles de Delphes III 2, Paris 1909–1913, Nr. 138, 17 f.). Zum Apollonbild siehe Preller – Robert 1894, 230 ff.; Wilamowitz-Moellendorff 1932, 168 ff.; Pfeiff 1943, 132 ff.; vgl. auch Schneider 1969, 785 ff. Eine Skizze des philosophisch geprägten Apollonbildes bietet auch Schadewaldt 1975, 19 ff. u. 25 ff. 11 Pomponio 1978, 21; Mayer 1993, 177–180; Millard 1995, 1143–1145. 12 Quellenbelege bei Pomponio 1978, 117–132, zusammengestellt und ausgewertet. 13 Die Gründung der griechischen Polis von Ninive ist mit großer Wahrscheinlichkeit unter Seleukos I. zu datieren, da die Anlage von makedonischen und griechischen Kolonien zu den wichtigsten strategischen Konzepten dieses Herrschers zählte; siehe Jones 1971, 216 f.; Reade 1998, 68. 14 Tscherikower 1927, 60, 129, 196; Rostovtzeff 1935, 56 ff. 15 Tscherikower 1927, 129; Rostovtzeff 1935, 57 f.; Schneider 1967, 608 ff. und Schneider 1967, 789 f.
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in parthischer Zeit in ein Heiligtum mit Säulen und korinthischen Kapitellen umgewandelt worden16, so der Thronsaal17, dessen Haupteingang im späten 2./Anfang 3. Jh. n. Chr. mit einem neuen Türsturz versehen wurde. Diesen zieren geflügelte Löwengreifen, welche heraldisch einen Krater flankieren.18 Im Inneren fand sich unter anderem19 die qualitätvolle Weihegabe in Gestalt des sitzenden, sich von seiner Mühsal ausruhenden Herakles Epitrapezios, die laut ihrer Künstlerinschrift von einem Bildhauer namens Diogenes nach einem Kunstwerk des berühmten Bildhauers Lysipp geschaffen worden war (Abb. 3).20 Ihr Stifter namens Sarapiodoros, Sohn des Artemidoros, hatte dieses Kunstwerk aufgrund eines Gelübdes wohl im 1. Jh. n. Chr. geweiht.21 Von einer weiteren Votivgabe, nämlich einer in Gestalt einer Terrakottastatuette, die ebenfalls Herakles wiedergab, fand sich der mit eingelegten Augen gestaltete Kopf.22 Von einer anderen, ins 1./2. Jh. n. Chr. zu datierenden Weihegabe in Gestalt dreier Gottheiten, die vollplastisch aus Alabaster gearbeitet auf einer gemeinsamen Basis stehend wiedergegeben sind, ist nur der untere Teil mit der Inschrift „Dem günstigen (Gott)“ erhalten geblieben.23 In der Mitte dieser Figurengruppe stand eine weibliche Gottheit, vielleicht die Stadttyche von Ninos, rechts von ihr Herakles und zur Linken der Göttin eine weitere, aufgrund der spärlichen Reste der Figur nicht mehr identifizierbare Gottheit. Was nun die Vorstellung von dem Zeussohn Herakles betrifft, so hatte sich diese bekanntermaßen durch eine Neuinterpretation des alten Heraklesmythos von der Mitte des 5. bis zum 2. Jh. v. Chr. erheblich gewandelt. Vom göttlichen Himmelsvater mit einer menschlichen Mutter gezeugt war er dazu ausersehen worden, „der Welt und der Menschheit Heiland zu sein“24. An der Schwelle zum Mannesalter habe dieser Gottessohn dann seine Mutter und den Ziehvater verlassen, sei in die 16 Thompson/Hamilton 1932, Taf. LI, 5; Madhloum 1968, 50, Taf. 7 a, 14 B; Reade 1998, 76, Fig. 12. 17 Innerhalb desselben hatten die Grabungen vier Bau- bzw. Benützungsphasen zwischen dem Ende der assyrischen Zeit und der islamischen Epoche erweisen können: Madhloum 1967, 78 f., Taf. IX; 1968, 50, Taf. 7 a; 8 b; 14 a–b; Reade 1998, 67 u. 76; Dalley 1993, 138; Russell 1998, Fig. 5. 18 Smith 1875, Fig. gegenüber Seite 308; Dalley 1993, 138, Fig. 2; Reade 1998, 76, Fig. 13. 19 Von einer besonders qualitätvollen, lebensgroßen, männlichen Statue in parthischem Stil fand sich die Hälfte der Bodenplatte mit dem linken Fuß, der eine Sandale trägt. Bei dieser Statue dürfte es sich ihrer Größe und Qualität wegen entweder um ein Kultbild oder um die Weihestatue eines parthischen Königs handeln. Erstmals publiziert bei Reade 1998, 76, Fig. 14. 20 Invernizzi 1989, 623–636, Abb. auf den Seiten 635 f.; Dalley 1993, 138, Fig. 1; Reade 1998, 69 f., Fig. 4. 21 Für eine Datierung ins 2. Jh. n. Chr. sprach sich Invernizzi 1989, 624–636, mit Abb. auf Seite 636 (Inschrift) aus, doch Bartman 1992, 181 votiert allerdings auf Grund der Qualität dieser Plastik für das 1. Jh. n. Chr. SEG 48, 1998, 1838 (A 3). 22 Layard 1853, 592. 23 Reade 1998, 70 f., Fig. 5–6; SEG 48, 1998, 1838 (B 1). 24 Quellenbelege zum neuen Heraklesbild bei: Preller/Plew 1875, 157 ff. u. 176 ff.; WilamowitzMoellendorff 1889 und 1969 passim; Wilamowitz-Moellendorff 1932, 20 ff.; Gruppe 1918, 910 ff.; Carcopino 1941, 173–177; Brommer 1953, 66; Preller/Robert 1967, 428 ff. u. 605 ff.; Nilsson 1967, 186; 453 f.; 677; 816; Schneider 1969, 810 ff.; Prinz 1974, 137 ff., 146f.; Nilsson
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Einsamkeit gezogen und dort auf einem hohen Berg in Versuchung geführt worden. Vor die Wahl gestellt, welchen zukünftigen Lebensweg er einschlagen wolle, habe sich der Gottessohn eingedenk seiner vom himmlischen Vater zugedachten Aufgabe für den leid- und mühevollen Weg, die Welt von ihren Übeln, ihrer Ungerechtigkeit und ihrem Leiden zu befreien, entschieden.25 Gottvater gehorsam bis zu seiner Passion auf dem Berge Oeta beschritt Herakles, der „Unheilabwehrer“ und „große Dulder“ als Mensch mit göttlicher Natur den Weg des Leidens, „durchwanderte die ganze Welt“, „den Menschen ein Wohltäter“ und vollbrachte Wunder.26 Für die Gläubigen zählte jedoch nichts mehr als die Überwindung des Todes durch diesen Gottessohn. So jubelte seine Mutter Alkmene: „Aus der Unterwelt, Sohn, kehrst du wiederum zu mir zurück, gebrochen ist der schrecklich Tod nicht nur einmal. Besiegt hast du neuerlich des Todes Stätten!“27 Diese hellenistische Erlösergestalt war nach dem Zeugnis des Tacitus und des Klaudios Ptolemaios sowie auf Grund epigraphischer Belege in Hatra und Palmyra mit dem babylonisch-assyrischen Gott Nergal gleichgesetzt worden.28 Dafür sprach nicht allein die Tatsache, dass Nergal ein Löwenkopfszepter in seinen Händen hielt und damit an das Löwenfell des Herakles erinnerte, sondern in erster Linie verhalf ihm seine Funktion als „Herr der Unterwelt“ und seine Personifikation als „Stärke des Marduk“29, des höchsten Schöpfergottes im babylonischen Pantheon, zu seiner Identifizierung mit dem besagten griechischen Zeussohn. „Wie ein Riegel“ schützte Nergal, der „Herr des Friedens“, im Glauben der alten Mesopotamier auch das Land und seine Menschen.30 Doch scheute er sich desgleichen nicht, als Krieger diesen Frieden zu erkämpfen und zu verteidigen.31 Dass man im Zwischenstromland auch das Kommen von Seuchen wie des unvorhergesehenen Todes mit Nergal verband32, war durch seine Identifizierung mit „Herakles Soter“ zusätzlich mit der Hoffnung auf eine Erlösung aus dem Hades durch den „Herrn der Unterwelt“ verbunden worden. Im benachbarten Hatra und in Palmyra tritt uns der Erlöser Herakles auch als „Gad“, das personifizierte „glückliche Geschick“ entgegen.33 In dieser Erschei-
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1974, 544; Ritter 1995, 53–55; 99 f.; 104–120; 170; 220–230. - Die sorgfältigste Analyse zur neuen Herakles-Theologie als Erlösergottheit bietet Pfister 1937, 42—60, bes. 46 f. Quellenzeugnisse bei Pfister 1937, 48–51; siehe auch Schneider 1958, 661 ff. Quellenstellen bei Pfister 1937, 49–51; Schneider 1958, 666 ff. Sen. Herc. O., 1947–1949; vgl. dazu Pfister 1937, 51 f. Altar aus Sa’adiya an Herakles-Nergal: Aggoula 1985, A 5; Beyer 1998, 116 (S 1); Gawlikowski 2000, 155–160. – Zum Ortsnamen „des Nergal“ als „Herakleous bōmoi“ (bei Ptolemaios, Geogr. 5, 18, 1 u. 6, 3, 4) und als „Ad Herculem“ auf der Tabula Peutingeriana X, 4. Vgl. dazu auch Kaizer 2000, 219–231, der insgesamt eine eingehende Argumentation zur Identifizierung des Herakles mit Nergal in der älteren Literatur bietet. Dazu jetzt auch Driven 1999, 147–155. Belege bei Weiher 1971, 4; 14 f.; 66–70; 73; vgl. auch Lambert 1973, 355–363; Lambert 1990, 40–52; Livingstone 1995, 1171. Belege bei Weiher 1971, 68–70 u. 73. Belege bei Weiher 1971, 66–70. Siehe Weiher 1971, 14 f.; Lambert 1973, 355 ff. Dies herausgestellt zu haben, ist das Verdienst von Kaizer 1997, 147–166; Kaizer 1998, 33–62; Kaizer 2000, 230 f.; in sehr knapper Form Kaizer 2002, 97 f.; vgl. auch Driven 1999, 99–127.
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nungsform und Funktion begegnet er uns somit wohl auch in der eben genannten Gruppendarstellung aus dem Heiligtum in Ninive/Ninos an der Seite der Schicksalsgöttin Tyche. Kehren wir noch einmal zum Stifter der Statue des sich von seiner Mühsal ausruhenden Herakles zurück. Denn sein für den mesopotamischen Raum ganz ungewöhnlicher Personenname „Sarapiodoros“, „Geschenk des (Gottes) Sarapis“, darf wohl als Hinweis auf die Verehrung dieses ägyptisch-ptolemäischen Schöpfer- und Allgottes seitens der Eltern dieses Namenträgers gewertet werden. Schwerlich würde man annehmen wollen, dass diese Familie aus Ninos selbst stammte. Umso erstaunlicher ist daher die Tatsache, dass aus Ninive ein durch Raubgräber geborgenes Goldblech vorliegt, welches als Amulett getragen worden war. In Treibarbeit zeigt es den auf einer Kline liegenden Schöpfer- und Allgott Sarapis, zu seiner Linken die thronende Isis, die „heilige und ewige Retterin des Menschengeschlechts“. Sie ist allzeit mildtätig zu den Sterblichen, stillt das göttliche Kind Harpokrates, und erhebt sich zur Rechten des Schöpfer- und Himmelsgottes in Gestalt der Uräusschlange (Abb. 4).34 Isis Thermouthis stellt dabei eine Personifizierung der Mutter- und Himmelsgöttin Isis in der Funktion der „Agathe Tyche“ dar.35 Wenn das goldene Amulett-Täfelchen, das sich in das 2. oder in das frühe 3. Jh. n. Chr. datieren lässt36, auch nicht in Ninos selbst hergestellt, sondern aus dem Westen importiert worden sein dürfte, so war es von einem Anhänger dieser ptolemäischen Göttertrias in unserer mesopotamischen Stadt getragen, dann geweiht oder schließlich mit ins Grab gegeben worden. Beide Dokumente zusammen, der theophore Personenname eines Stifters und das besagte Amulett sind handfeste Indizien dafür, dass es unter der sozialen Elite im partherzeitlichen Ninos zumindest vereinzelte Anhänger der Isis-Sarapis-Religion gegeben hat. Aber nicht genug damit. Innerhalb der hellenistisch-partherzeitlichen Wohnstadt von Ninos kam ein Heiligtum ans Licht, das von seiner Sakralarchitektur ganz dem traditionellen mesopotamischen Breitraum-Typ eines Gotteshauses verpflichtet ist, das aber das Kultbild des griechischen Götterboten und Seelenführers Hermes aus der 2. Hälfte des 2. Jh. n. Chr. enthielt.37 Als Jüngling in einen kurzen Mantel gehüllt besitzt er Flügel an seinen Fußknöcheln und am Haupt, das zudem mit einem Diadem geschmückt ist. Der lokalen rituellen Praxis entspricht jedoch sein Gestus, die Hände unter dem Gewand ver34 Kraus 1963, 101 f., Taf. XVIII a; Müller 1963, 31 f., Abb. 27; Le Rider 1967, 11; Kraus 1979, 571 f., Abb. 3; Invernizzi 1989, 629 f., Abb. auf S. 636 unten; Reade 1998, 70; SEG 48, 1998, 1838 (A 3). – Zur Theologie um die „heilige“ Familie Sarapis – Isis – Harpokrates siehe zuletzt mit Belegmaterial Schneider 1969, 840–845; Vidman 1970, 27 ff.; 48 ff.; 66 ff.; 125 ff.; Hornbostel 1973 passim; Junge 1979, 93–110; Vidman 1981, 120 ff., Totti 1985, 1 ff. u. 19 f.; Merkelbach 1995, 71–149. 35 Zum hellenistisch-römischen Bild dieser Erscheinungsform der Isis siehe Broekhuis 1971, 105–108; Dunand 1973, 89–93 u. 133 f., Taf. 26–28. 36 Invernizzi 1989, 630 f. 37 Mustafa 1954, 280–283, Taf. 1–3; Oates 1968, 61; Scott/MacGinnis 1990, 69–71; Reade 1998, 68; Reade 2000, 429. – Zur Datierung dieser Statue in die Zeit zwischen 150 und 190 n. Chr. siehe die Analyse bei Mathiesen 1992, 35; 51; 187 f. (Nr. 152), Abb. 38. – Zu Hermes und seinen Funktionen siehe Nilsson 1967, 505–510; Nilsson 1974, 355.
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borgen zu halten.38 Deshalb trägt Hermes hier auch nicht das Kerykeion, seinen goldenen Schlangenstab, bei sich (Abb. 5). Da uns bis heute kein Beleg für einen entsprechenden einheimischen Gott bekannt geworden ist, den man mit Hermes identifizierte, müssen wir davon ausgehen, dass dieser griechische Gott und die mit ihm verbundenen Glaubensvorstellungen von (zumindest größeren Teilen) der einheimischen Bevölkerung in Ninos angenommen, aber zudem den eigenen rituellen Gebräuchen angepasst wurden. So zeigt sich der Götterbote und Seelenführer hier auffälligerweise mit dem hellenistischen Königsdiadem, wodurch offensichtlich seine hohe Stellung innerhalb des lokalen Pantheons zum Ausdruck kommt. Gleichzeitig vollzieht Hermes den aus Tabuvorstellungen resultierenden Gestus des Verhüllens der Hände. Ebenfalls in der Wohnstadt war bei – leider bis heute noch immer nicht publizierten – irakischen Grabungen ein Gebäude mit 12 zellenartigen Räumlichkeiten ans Licht getreten, in dem sich ein wiederverwendeter neuassyrischer Sibitti-Altar Salmanassars III. (858–824) fand.39 Dieser Altar war schließlich mit einer griechischen Weihinschrift versehen worden, die ein „Archon der Polis“ von Ninos namens „Apollonios, Sohn des Demetrios“, „für die Stadt“ gestiftet hatte.40 Welchem Gott, oder welchen zwölf(?) Gottheiten dieser Altar geweiht war, verrät die Inschrift nicht. Unbekannt blieb bisher auch, welche sonstigen Funde aus diesem Heiligtum geborgen wurden. Möglicherweise stammte dieser Apollonios aus der gleichen Familie wie der in der Weihinschrift des Apollophanes geehrte höchste Beamte dieser Stadt gleichen Namens. Falls die beiden Personen sogar identisch gewesen sein sollten, dann wäre hier die Karriere eines gewissen Apollonios vom Stadtbeamten zum ‚Bürgermeister’ in der Polis Ninos während der zweiten Hälfte des 1. Jh. v. Chr. belegt. Auch wenn der Umfang des bisher aus dem hellenistischen und parthischen Ninos vorliegenden Quellenmaterials, vor allem was die epigraphischen Zeugnisse anbelangt, bescheiden ist, fällt auf, dass es nur griechische Weihinschriften sind41, welche die Gläubigen hinterließen, und dass es hellenistische Gottheiten waren, die im lokalen Pantheon vorherrschten. Die traditionellen einheimischen Gottesvorstellungen traten dabei nur in sofern ans Licht, indem sie wie im Fall des ApollonNabu und eventuell auch der Artemis-Nisaba-Taschmentu sowie des Herakles-Nergal bzw. Herakles-Gad in synkretistischer Weise mit den importierten griechischen Göttergestalten und ihren jeweiligen damit verknüpften Glaubensinhalten identifiziert wurden. Nicht zu übersehen ist dabei der Umstand, dass die mit den betref38 Zu diesem Ritus siehe Colledge 1976, Taf. 20 u. 26; Drijvers 1976, 11, Taf. V; Gawlikowski 1987, 238 u. 314 (Nr. 37); Mathiesen 1992, 187 f. 39 Postgate 1970, 133–136; Scott/MacGinnis 1990, 71. 40 Postgate 1970, 136; Reade 1998, 69; SEG 48, 1998, 1838 (A 2). 41 Als profane Inschriften liegen in Pahlavi ein Instrumentengriff aus Bein mit eingeritzter Besitzerinschrift aus dem Nabu-Tempel (2./1. Jh. v. Chr.) und ein Schulterblattfragment mit einer Tintenaufschrift aus dem Südwest-Palast vor, siehe Smith 1875, 427; Thompson/Hutchinson 1929, Taf. 57, Nr. 343; Reade 1998, 76 f., Fig. 15–17. Fragmente von 2–3 Tontäfelchen mit einer unbekannten Schrift stammen aus dem Südwestpalast (Smith 1875, 426 f.; Reade 1998, 79 f., Fig. 20.
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fenden Gottheiten Apollon, Herakles und Hermes sowie mit der Trias Sarapis – Isis – Harpokrates verbundenen hellenistischen Vorstellungen ganz auf eine jenseitige Erlösung ausgerichtet waren. Die Frage ist nun, ob sich in der Glaubenswelt jener Zeiten ein entsprechendes Bild auch in der benachbarten Stadt Assur abzeichnet oder nicht. ASSUR Nach dem Fall und der Zerstörung der altehrwürdigen Metropole Assur im Jahre 612 v. Chr. erfolgte während der neubabylonischen Ära in einzelnen Teilen der Stadt ein partieller Wiederaufbau.42 Während der Achämenidenzeit und unter den Seleukiden war allem Anschein nach keine Bautätigkeit erfolgt. Erst nachdem die Parther Mesopotamien erobert hatten, erfüllte die alte Metropole neues Leben. Drei Bauphasen können während der parthischen Ära unterschieden werden.43 Die erste Phase, welche den umfassendsten Wiederaufbau mit sich brachte und gleichzeitig den prunkvollsten, dürfte ihr Ende anlässlich des militärischen Vorstoßes unter Kaiser Trajan im Jahre 116 gefunden haben. Der zweiten, schon ärmlicheren Phase setzte die Eroberung der Stadt durch Septimius Severus im Jahre 198 ein Ende. Die darauf folgende dritte Bauphase kennzeichnete eine z. T. deutliche Reduzierung des Siedlungsumfanges. Im folgenden werden wir unseren Blick nur auf den Bereich des alten Kultzentrums an der höchsten Stelle des Stadtgebietes, der sogenannten Akropolis, richten, weil nur dort zwischen der alten Zikkurat für Enlil-Assur und dem Ostende des Assur-Tempelbezirkes die Neubabylonier und die Parther ihre offiziellen Heiligtümer innerhalb der wiederbelebten Stadt erbaut hatten (Abb. 6).
42 Andrae/Lenzen 1933, 2 f. u. 71 f., Taf. 2; Haller/Andrae 1955, 81; Andrae 1977, 237–240 u. 251 f., Abb. 61–62; Curtis 2003, 161 f. mit einer Diskussion zu den angeblich in die nachassyrische Zeit zu datierenden Textfunden. – Barrett 1963, 25 sowie Lendle 1995, 122 und Tuplin 2003, 370 u. 372 f. identifizierten das von Xenophon (Anab. II 4, 28) am rechten Tigrisufer liegende „Kainai“, das im Jahre 401 v. Chr. „eine große und wohlhabende Stadt“ war, mit Tigrit und nicht mit Assur, wie Andrae/Lenzen 1933, 2 und Andrae 1977, 248 zu zeigen versuchten. Für eine solche Entscheidung müssten einerseits großflächigere Grabungen im Stadtgebiet von Assur wie in Tigrit andererseits durchgeführt werden, um zu prüfen, wie weit die dortigen Areale damals besiedelt waren. 43 Andrae/Lenzen 1933, 2 f.; 58; 60. Die Negierung dieser Stratigraphie seitens Schlumberger 1970, 113 u. 114–115 ist unbegründet.
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TEMPEL ‚N‘ UND TEMPEL ‚A‘ Die Neubabylonier errichteten in der Südwestecke des alten Temenos des Assurheiligtums, das sie in Ruinen liegen ließen, zwei kleinere, ganz dem babylonischen Bautyp entsprechende Tempelbauten (Abb. 7).44 Der kleinste und nur aus einem einzigen Breitraum bestehende Tempel ‚N‘ besitzt in der Mitte seiner Rückwand eine Kultnische mit einem vorgelagerten Podium für die Kultstatue.45 Dieses kleine Heiligtum scheint in der parthischen Ära nicht mehr existent gewesen zu sein.46 Über die Gottheit, die hier einst ihre Verehrung gefunden hatte, wissen wir wegen fehlender Funde allerdings nichts. Das zweite, weitaus größere von den neubabylonischen Eroberern erbaute Gotteshaus, Tempel ‚A‘, bestand aus zwei hintereinander liegenden gleich großen Breiträumen: der Zella und der Vorzella.47 Beide in der Zentralachse liegende Türöffnungen wiesen getreppte Nischen auf. In der Mitte der Zellarückwand öffnete sich eine Kultnische, vor der sich auch hier das Podium für das Kultbild erhob.48 Auf dem Tempelvorplatz stand ein kleiner Ziegelaltar. Ihn hatte man exakt in der Zentralachse des Gotteshauses errichtet.49 Da in der parthischen Ära das Bildnis des Herakles in der Zella dieses Tempels stand, könnte ihr Besitzer bereits in der neubabylonischen Ära eine männliche Gottheit gewesen sein.50 Möglicherweise darf dabei an Nergal gedacht werden, den man später mit Herakles identifizierte, wie bereits oben dargelegt wurde. Die Erneuerung des Tempels ‚A‘ in der parthischen Ära51 zeigt den hellenistischen Einfluss fürs erste in Gestalt der jetzt verwendeten Architekturdekoration. Halbsäulen und Pilaster mit ionisierenden Kapitellen sowie parthische Stuckaturen ornamentalen Charakters, deren Motive ebenfalls der griechischen Kunst entliehen sind, schmückten das renovierte Gotteshaus.52 Doch auch die Ikonographie der Götterbilder selbst lässt erkennen, dass im Rahmen des zweifelsfrei intensiven Kulturkontaktes auch Glaubensinhalte aus der hellenistischen Welt in die der parthischen Oberschicht transferiert und von dieser 44 Andrae 1904, 38–52, Abb. 4–7; Haller/Andrae 1955, 81, Taf. 4–5; Andrae 1977, 218, Abb. 216; Downey 1988, 149 f., Fig. 66. 45 Andrae 1904, 38 u. 43 f., Abb. 4 u. 7; Haller/Andrae 1955, 81; Andrae 1977, 238 f., Abb. 216. 46 Andrae 1904, 47; Haller/Andrae 1955, 81, Taf. 4–5; Andrae 1977, 238 f. 47 Andrae 1904, 38–43, Abb. 3–4 u. 6; Andrae/Lenzen 1933, 71, Taf. 24; Haller/Andrae 1955, 81, Taf. 4–5; Andrae 1977, 258, Abb. 216–217; Heinrich 1982, 217 f.; Downey 1988, 149, Fig. 66. 48 Andrae 1904, 39, Abb. 4; Haller/Andrae 1955, 81, Abb. 4, Taf. 4–5; Andrae 1977, 238, Abb. 216–217; Heinrich 1982, 318; Downey 1988, 149 f., Fig. 66. 49 Andrae 1904, 39, Abb. 3–4; Haller/Andrae 1955, 81, Taf. 4–5; Andrae 1977, 238, Abb. 216– 217. 50 Andrae 1977, 238 nahm an, dass der Gott Assur hier verehrt worden sei, bis dann ein neuer Tempel für diesen Gott und seine Gemahlin über den Ruinen des alten Assur-Tempels der assyrischen Ära errichtet wurde. 51 Andrae 1904, 45 u. 47; Andrae/Lenzen 1933, 58; 60; 71 f., Taf. 24 a, c; 30 b; Andrae 1977, 252; Downey 1988, 150, Fig. 67. 52 Andrae/Lenzen 1933, 72, Taf. 34.
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adaptiert wurden. Denn innerhalb der Zella dieses Gotteshauses fand sich die schon oben erwähnte Stele, die im Hochrelief den nackten Herakles zeigt, der sich mit seiner Rechten auf die Keule stützt und das Löwenfell über den linken Arm geworfen trägt.53 Da das Inschriftenmaterial aus dem partherzeitlichen Assur insgesamt nie „Gad“, aber sehr wohl „Nergal“54 nennt, darf bezüglich dieses Bildnisses auch an die Gleichsetzung mit Nergal gedacht werden.55 In der Zella kamen auch noch Fragmente einer nahezu lebensgroßen Männerstatue in rein parthischem Stil ans Licht, die ein gewisser Nabudajan im 2. Jh. gestiftet hatte.56 Die Größe dieses Bildnisses spricht eher dafür, in ihr die Wiedergabe eines Gottes denn eine solche des Stifters zu sehen. So könnte dieses Standbild durchaus den Gott Nergal in parthischem Gewand zeigen. Anlässlich der Erneuerung des Tempels A war auch die Errichtung eines Zingels erfolgt, der den heiligen Bezirk eingrenzte (Abb. 6). Er besaß sowohl nach Osten ins Areal des ebenfalls damals neu erbauten Assor-Tempels, wie nach Süden, zur Wohnstadt hin, eine Toranlage.57 Vor und in der Kammer des Südtores (Tor Nr. 1) hatten Angehörige der Oberschicht große Weihestelen mit dem Bildnis ihrer selbst aufstellen lassen. Unter diesen findet sich als ältestes Stiftungsdatum das Jahr 12/13 n. Chr. genannt.58 Aber leider nennen die aramäischen Weihinschriften keinen göttlichen Adressaten, der uns bei der Identifizierung des bzw. der in Tempel A verehrten Gottheit(en) weiterhelfen könnte.
53 Andrae 1904, 49; Andrae/Lenzen 1933, 72, Taf. 24 u. 59 e (Ass. 801); Haller/Andrae 1955, 81; Andrae 1977, 252, Abb. 229; Mathiesen 1992, 193 f. (Nr. 165), Fig. 46. Downey 1969, 11 u. 95 datierte dieses Relief ins 1. Jh. n. Chr., während Mathiesen 1989, 124 und 1992, 57 u. 194 dieses auf Grund ikonographischer Details und stilistischer Gesichtspunkte an den Anfang des 3. Jh. n. Chr. verwies. 54 Unter den 74 Inschriften: Beyer 1998, 12 (A 10), 13 (A 14, 4). 55 Andrae/Lenzen 1933, 72, Taf. 59 e identifizierten den Gott mit Herakles-Melqart, aber Aggoula 1985, 9 sprach sich bereits mit guten Gründen für die Gleichsetzung mit Herakles-Nergal aus. 56 Andrae/Lenzen 1933, 106 f., Taf. 58 e (Ass. 750; 758; 764; 974; 976); Mathiesen 1992, 193, Fig. 44 (Nr. 161). Zur Inschrift und der Schwierigkeit, ihre Datierungsangabe zu lesen, siehe Aggoula 1985, 25 (Nr. 1); Mathiesen 1992, 27 u. 193 (Nr. 161), Fig. 44 a–b spricht sich für eine Lesung und Datierung auf 137/138 oder 147/148 n. Chr. aus; Beyer 1998, 11 (A 1) lässt unter den Lesungsmöglichkeiten den Rahmen vom Februar/Mai 129–188 n. Chr. offen. 57 Andrae/Lenzen 1933, Taf. 24; Downey 1988, 150, Fig. 65 u. 67. 58 Stelen Ass. 1071; 1072; 1759; 18716: Andrae 1904, 49–52, Abb. 8; Andrae/Lenzen 1933, 105– 107, Taf. 58 f–g; 59 a–c; Andrae 1977, 254, Abb. 230–232; Mathiesen 1992, 23; 27; 190 f. (Nr. 158–160). Die Lesung der Jahresangabe nach der seleukidischen Ära 2[+x]24 auf der Stele 1072 als 224 (= 88/87 v. Chr.), 324 (= 12/13 n. Chr.) oder 424 (= 112/113 n. Chr.) ist ein Problem, siehe Aggoula 1985, 26–28 (Nr. 4) und Mathiesen 1992, 191 (Nr. 159). Allerdings lässt sich die Stele auf Grund ikonographischer und stilistischer Details nicht später als an den Beginn des 1. Jh. n. Chr. datieren, wie Mathiesen 1992, 23–33 eingehend darlegte, folglich scheiden alle jüngeren Zeitansätze aus. Unverständlicherweise liest Beyer 1998, 11 (A 4) die Zahl trotzdem als [4]24 statt [3]24.
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ASSOR-TEMPEL Glücklicherweise ist dies für den Assor-Tempel der Fall. Dieser war in Gestalt von zwei seitlich aneinander grenzenden Liwanen im 1. Jh. v. Chr. über den einplanierten Ruinen des neuassyrischen Assur-Tempels umgeben von einer eigenen Temenosmauer erbaut worden.59 Der nordöstliche Liwan lag erhöht und war über eine Freitreppe erreichbar. Nach der Zerstörung des Heiligtums im Jahre 116 n. Chr. erweiterte man die Anlage im Rahmen des Wiederaufbaues um einen im Nordosten anschließenden dritten Liwan (Abb. 8).60 In diesem liefen Bänke an den Wänden entlang, auf denen die Gläubigen Platz nahmen und Jahrzehnte hindurch ihre eigenen Namen sowie die der von ihnen angerufenen Gottheiten in die stuckierte Oberfläche der Fußbodenplatten wie der Sitzbänke ritzten.61 So erfahren wir, dass um ein vielfaches häufiger Gott Assor und seine Gemahlin Serū62 angerufen wurden als andere Götter wie z. B. Nanaja, Nabu und Nergal.63 Die meisten Personen tragen einen theophoren Namen, der von babylonisch-assyrischen Göttern abgeleitet ist.64 Einige dieser Inschriften bieten Datierungen, die zwischen dem 511. und 539. Jahr der seleukidischen Ära, d. h. zwischen 199/200 und 227/228 n. Chr., liegen.65 Doch darüber hinaus nennen etliche Texte eine konkrete Datierung zwischen dem 7. und 12. Tag im Monat Nisan66, dem ersten Monat des Jahres, woraus schon Jensen und ihm folgend auch Susan Downey zurecht folgerten, dass damals (wieder) das traditionelle Neujahrsfest gefeiert wurde.67 Umso weniger braucht es zu erstaunen, wenn damals das „bīt akitu“, das große nördlich außerhalb der Stadt Assur von Sanherib erbaute Neujahrsfesthaus, ohne Veränderungen im Grundriss wiederaufgebaut wurde.68 Nur die Innendekoration in Form kannelierter Halbsäulen gräko-römischen Typs verrät den zeitgenössischen Kultureinfluss.69 59 Andrae/Lenzen 1933, 73–88, Abb. 41–42, Taf. 28 u. 29a; Andrae 1977, 250–252, Abb. 228; Downey 1988, 156, Fig. 65 u. 72. 60 Andrae/Lenzen 1933, 73–86, Taf. 29b, 37–39, Abb. 41–42; Andrae 1977, 250–251, Abb. 228; Downey 1988, 156, Fig. 73. 61 Andrae/Lenzen 1933, 75 ff.; Andrae/Jensen 1920, 3 f.; Downey 1988, 156. 62 Beyer 1998, 12 (A 6 b, 3); 13 (A 11 b, 4 f.; A 12, 3; A 14, 5); 15 (A 17 a, 4; A 18, 3 f.); 17 f. (A 23 c, 3; A 24; A 25 b, 3; c, 2; d, 2; g, 4); 18 (A 26 a, 3); 19 (A 27 d, 2; f; i, 3); 21 f. (A 28 b, 3; c, 3; h); 22 f. (A 29 b, 2; c; j, 3); 24 (A 32 d; h, 2); 25 (A 34 a, 3; e). 63 Andrae/Jensen 1920; Beyer 1998, 13 (A 14, 4). 64 Andrae/Jensen 1920, 34–42; Beyer 1998, 12–25. 65 Andrae/Jensen 1920, 14 u. 22 f.; Beyer 1998, 12 (A 6 b); 15 (A 17 a. b); 16–24 (A 20; A 23 a. c; A 25 b-g; A 26 a. b; A 27 a-k; A 28 a-I; A 29a-i). 66 Andrae/Jensen 1920, 12–17 u. 44 f.; Beyer 1998, 15 (A 17 a–b); 16 (A 20); 17 (A 23 c); 19 (A 27 b; e); 22 (A 28 h); 22–24 (A 29, b; h; i; k). 67 Andrae/Jensen 1920, 43–45. Deshalb sind die von Heinrich 1982, 276 zur Funktion des erneuerten Gebäudes geäußerten Zweifel, dass dieses nämlich wiederum als Festhaus während der parthischen Epoche gedient habe, nicht einsichtig; siehe auch Downey 1988, 158 f. 68 Andrae/Lenzen 1933, 89 f., Abb. 43, Taf. 42; Haller/Andrae 1955, 79 f., Taf. 69 a; Andrae 1977, 219–224; 249; 254, Abb. 199–200; Downey 1988, 156 u. 158, Fig. 74. 69 Andrae/Lenzen 1933, 90, Taf. 42 b; Haller/Andrae 1955, 79 f., Taf. 69 a.
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DER „PERIPTEROS“ An das Temenos-Areal des Assor-Heiligtums mit dem Tempel ‚A‘ schließt nach Westen zu ein zweiter ummauerter partherzeitlicher Bezirk an, der einen weiteren Tempel, den sogenannten Peripteros, den „Freitreppenbau“ und die Zikkurat einschließt (Abb. 6).70 Der „Peripteros“, dem ein gepflasterter Hof vorgelagert ist, weist in seiner Längserstreckung eine Abfolge von drei gleich großen Breiträumen auf und ist auf drei Seiten, nämlich an der Rückseite und an den Längsseiten, von einer Peristasis umgeben.71 Deren Säulen bekrönen ionisierende Kapitelle.72 Da in diesem Bau insgesamt fünf Altäre ans Licht kamen, braucht an der Identifizierung dieses Gebäudes als Tempelanlage nicht gezweifelt zu werden.73 Inschriften wurden in dieser Anlage allerdings keine gefunden. Dieses Gotteshaus bestand somit aus einem Liwan-ähnlichen Vorraum (Abb. 9), aus dem man in die Vorzella und weiter in das Allerheiligste gelangte. Der „Peripteros“ stellt also ein Musterbeispiel für eine Verschmelzung von babylonischen, parthischen und griechischen Architekturformen dar.74 Bedauerlich bleibt, dass sich der oder die Inhaber/Inhaberin dieses Heiligtums nicht mehr fassen lässt. DER „FREITREPPENBAU“ Unmittelbar vor der Ostfront der alten Zikkurat für Enlil-Assur war in parthischer Ära der sogenannte „Freitreppenbau“ errichtet worden (Abb. 6).75 Der Komplex besteht aus drei seitlich aneinander grenzenden Liwanen, die aber keine Verbindung untereinander aufweisen. Außerdem erhebt sich der mittlere Liwan deutlich über die ihn flankierenden und war nur über eine achtstufige Freitreppe erreichbar (Abb. 9).76 Die Fassade des Baues wies in ihren höher liegenden Partien eine architektonische Gliederung aus Halbsäulen sowie Architrave mit abwechselnden Reihen an kleineren Pilastern und Halbsäulen sowie einem Fries aus Weinranken und Trauben auf.77 Wie im Assor-Tempel besaß der zentrale Liwan gemauerte Sitz-
70 Andrae 1904, 39; Andrae/Lenzen 1933, 58–67. Abb. 34; 36–37, Taf. 2; 25–26; Andrae 1977, 254–258, Abb. 234–235; 237; Downey 1988, 151 f., Fig. 65; 68–69. 71 Andrae/Lenzen 1933, 64–66, Abb. 36–37, Taf. 26; 32–33; Andrae 1977, 258, Abb. 234 u. 237; Downey 1988, 151 f., Fig. 68. 72 Andrae/Lenzen 1933, 64, Abb. 36–37, Taf. 34; Haller/Andrae 1955, 126; Andrae 1977, 258, Abb. 237; Downey 1988, 151, Fig. 69. 73 Andrae 1904, 63; Andrae/Lenzen 1933, 70 f., Taf. 36; Andrae 1977, 257 u. 258 f., Abb. 234 u. 238. 74 Andrae/Lenzen 1933, 67, Abb. 37, Taf. 26; Downey 1988, Fig. 68–69. 75 Andrae 1904, 60–62, Abb. 6; 8–9; 14; Andrae/Lenzen 1933, 67–70, Abb. 37, Taf. 2; 27 a; 35; Andrae 1977, 258, Abb. 234 u. 236; Downey 1988, 152–156, Fig. 65 u. 69–70. 76 Andrae/Lenzen 1933, 67, Abb. 37; Abb. 27 a u. 35; Andrae 1977, 258, Abb. 234 u. 236; Downey 1988, 152–156, Fig. 69–70. 77 Andrae /Lenzen 1933, 68–70, Abb. 38–40, Abb. 27 b u. 34; Andrae 1977, 258; Downey 1988, 153, Fig. 71.
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bänke, die an seinen Mauern entlang liefen78 und wohl ebenfalls der Versammlung auserwählter Gläubiger, also Priestern und Angehörigen der lokalen Elite dienten. Leider hinterließen diese hier keine eingeritzten Inschriften, weder auf den gepflasterten Bodenplatten noch auf dem Stucküberzug der Bänke. Immerhin fanden sich noch drei Altäre, die einst auf der Freitreppe zum zentralen Liwan postiert waren, und die somit den sakralen Charakter dieser Architektur bezeugen.79 Der „Freitreppenbau“ wird also kaum ein Tribunal oder ein Bouleuterion gewesen sein, wie die Ausgräber Andrae und Haller dachten80, sondern eine Tempelanlage, die wiederum eine Verschmelzung von parthischer Bauform mit gräko-römischer Dekorformen zeigt. Allerdings erscheint es auf Grund seiner Gestalt und Gliederung sehr unwahrscheinlich, dass dieser Tempel dem iranischen Feuerkult gedient haben soll, wie Ghirshman annahm81, sondern mit Downey erscheint mir diese Anlage so eng mit der Zikkurat verbunden, dass sie eigentlich nur als deren sogenannter ‚Tieftempel‘ angesprochen werden kann (Abb. 9).82 Diese Annahme steht und fällt natürlich mit der Frage, ob in parthischer Zeit die Zikkurat von Assur überhaupt noch kultische Funktionen erfüllte. Glücklicherweise besitzen wir aber einen direkten Beleg für die Tatsache, dass sogar noch im Jahre 184/185 n. Chr. ein Hochtempel für den Gott Bel auf der Zikkurat von Assur existierte und in Funktion stand. Es handelt sich dabei um den beschrifteten Deckel eines Thymiaterions aus Assur selbst, das allem Anschein nach zum kultischen Inventar im „Tempel auf der Kulthöhe des Gottes Bel“ gehört hatte. 83 Zusätzlich wird Bel auch in anderen Weihinschriften in dieser Stadt neben Gott Assur angerufen.84 Dies zeigt, dass beide Gottheiten nicht miteinander identifiziert wurden. Folglich dürfen wir davon ausgehen, dass in parthischer Zeit nicht nur der Kult für den Gott Assor und seine Gemahlin Sarū im Areal des alten Assur-Tempels und im wieder aufgebauten Festhaus nördlich der Stadt neu auflebte, sondern auch ein solcher für den babylonischen Marduk-Bel einerseits im Hochtempel auf der Zikkurat und andererseits im „Freitreppenbau“ als seinem ‚Tieftempel‘ vor der Ostflanke des Stufenturmes etabliert worden war.
78 Andrae/Lenzen 1933, 68 u. 70, Taf. 27 a u. 35 b–c; Haller/Andrae 1955, Taf. 21, 6; Andrae 1977, 258; Downey 1988, 152, Fig. 70. 79 Andrae/Lenzen 1933, 70, Taf. 27; 35; 36; Andrae 1977, Fig. 236. 80 Andrae/Lenzen 1933, 67; Haller/Andrae 1955, 4, Taf. 21, 6; Andrae 1977, 254–258. 81 Ghirshman 1976, 217 f. Seine Korrektur der Orientierung in Andrae/Lenzen 1933, 67 und auf Taf. 24 c ist unbegründet und sachlich falsch. 82 Downey 1988, 15 f. 83 Andrae 1977, Abb. 240; Beyer 1998, 12 (A 7). Doch die Jahreszahl ist nicht eindeutig zu entziffern. Sie könnte statt [4]96 (= 184/185 n. Chr.) aber auch als [3]96 (= 84/85 n. Chr.) gelesen werden. - Mit dieser Inschrift ist die von Andrae/Lenzen 1933, 6 f. und Andrae 1977, 250 u. 255 f. vertretene Auffassung, dass die Zikkurat damals nur noch als Zitadelle und vielleicht als Sitz des Satrapen gedient habe, überholt. Eine entsprechende bis in die Partherzeit andauernde kultische Funktion der Zikkurat lässt sich auch in Uruk (Downey 1988, 15–20 u. 33–35), Nippur (Fick 2001, 73–76, Fig. 7) und Borsippa (Allinger-Csollich 1991, 383–499; Allinger-Csollich 1996, 19–59 u. 216–220; Allinger-Csollich 1998, 95–330) erweisen. 84 Andrae/Jensen 1920, 9, 21 (Nr. 30, 39), 31 (Nr. 39); Beyer 1998, 14 (A 15 b, 2).
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Da nun aber auch das Götterpaar Nabu und Nanaja in den aramäischen Inschriften auf der Akropolis von Assur angerufen werden85, ist auch für diese beiden Gottheiten ein eigenes Heiligtum zu erwarten. Auf Grund der Tatsache, dass Nanaja nicht nur als „Tochter des Bel, des Herrn der Götter“86 gedacht war, sondern die Existenz ihres Tempels in Assur auch inschriftlich belegt ist87, liegt es nahe anzunehmen, dass ihr Gotteshaus nahe dem ihres Vaters und damit auch innerhalb des Temenos seiner Kultstätte lag. So böte sich dafür der „Peripteros“ an, in dem möglicherweise aber auch Nabu seine Heimstätte besessen hatte, da dieser Gott als „Sohn des Marduk“-Bel galt. Somit ist deutlich geworden: Die partherzeitliche Sakralarchitektur in Assur verband einerseits babylonisch-assyrische Formen wie den Breitraumtempel und die Zikkurat mit dem parthisch-iranischen Liwan und reicherte diese Mischarchitektur zudem mit Elementen aus der hellenistisch-römischen Kunst wie Säulen, Pilastern, ionisierenden Kapitellen und diversen flächenfüllenden Dekorformen an. Eine Verschmelzung auf der Ebene der Glaubensvorstellungen ließ sich in Assur hingegen nur im Falle des Herakles-Nergal greifen. Alle anderen Gottheiten entstammen dem traditionellen Götterhimmel Mesopotamiens und erschienen, soweit ikonographisch greifbar, in parthischem Gewand. Dieser letzt genannte Aspekt springt uns in Assur besonders eindrücklich ins Auge. Denn auf einem großen Pithos aus der parthischen Wohnstadt finden sich auf Aramäisch beschriftete Bilder von Gottheiten und deren Verehrern eingeritzt, die ausschließlich in parthischem Stil ausgeführt sind (Abb. 10).88 Diese Zeichnungen sind vielleicht das Werk eines hier genannten „‘Ēnī‘al ‘assor […] des Gottes“89, der sie zum Zweck anfertigte, damit „Das Bildnis des Sohnes unserer Herren, des Gottes der [(Stadt?) …(?)], … beschützen möge Bāziyā für immer“90. Dieser ist selbst als Parther ganz rechts, die gesamte Bildszene flankierend, mit der Beischrift „Das [Bild] des Bāziyā“ abgebildet, wie er zwischen zwei Pflanzen stehend auf einem Thymiaterion ein Brandopfer darbringt.91 Am linken Rand der Bildszene opfert ein anderer Parther auf einem Thymiaterion vor einem thronenden Gott in einer Robe, die mit Mondsicheln und Sternen dekoriert ist. Auf dem Haupt trägt diese Gottheit eine große Rosette, die wohl kaum etwas anderes als ein Abbild der Sonne darstellen wird.92 Dieser thronende, mit den Gestirnen des Firmaments geschmückte Himmelsgott wird hier als „Bēl, Herr der
85 Beyer 1998, 12 f. (A 10 u. 14), 14 (A 15 a, 3; b, 1). – Zu Nanaja siehe Stol, 1994/1995, 1152– 1155; Stol, Marten, Nanaja, RlA 9 (1998–2001), 148 f. 86 Beyer 1998, 14 (A 15 a, 3). 87 Siehe unten Anm. 94. 88 Andrae/Lenzen 1933, 109–111, Abb. 46 (Ass. 15843); Andrae 1977, 259 f., Abb. 239. 89 Beyer 1998, 14 (A 15 f) ergänzt hier die Inschrift willkürlich um die Angabe „[Die Zeichnung des … des Sohnes]“, zumal diese Person (im Gegensatz zu allen anderen beschrifteten Personen) selbst auf dem Bild nicht dargestellt ist. 90 Beyer 1998, 14 (A 15 d). 91 Beyer 1998, 14 (A 15 e). 92 Andrae/Lenzen 1933, Abb. 46; Andrae 1977, Abb. 239.
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Götter“93 tituliert. Der ihm opfernde Parther ist in der Beischrift als „Bild des Ardūq, des Sohnes des ‘Ēnay, des Sohnes des R‘ūtasso[r], des Sohn des ‘Bennā, des Verwalters (des Tempels) der Nannai, des Königs (!), des Obersten des Bar ‘elāhā [des …] des Tempels“ identifiziert.94 Rechts von Bel folgt eine deutlich kleiner dargestellte Person, die neben einem Thymiaterion steht und Palmzweige in den Händen hält. Bei ihr handelt es sich um „Das Bildn[is des] Schatzmeisters [Y]habbarmārēn, des Sohnes des Bāziyā“95. Darauf folgt die Göttin Nanaja, die auf einer Kline liegt: „Bild der Nanaja, des Königs (!), unsere Herrin, Tochter des Bēl, des Herrn der Götter“96. Die in dieser Bildszene dargestellten und benannten Parther zählten aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeiten zweifelsohne zu den Angehörigen der mittleren und oberen Gesellschaftsschicht im damaligen Assur. Interessanterweise verehren die genannten Personen nur den Götterkönig und Himmelsgott Bel sowie dessen Tochter Nanaja, aber weder Assor, dessen Gemahlin Sarū, noch Nabu oder HeraklesNergal. Möglicherweise resultiert diese Tatsache aus dem Umstand, dass die genannten Personen berufsbedingt ein enges persönliches Verhältnis just zu diesen himmlischen Mächten besaßen. Insgesamt bleibt für Assur der starke parthisch-iranische Einfluss in der Ikonographie der dargestellten Gottheiten wie ihrer Verehrer unübersehbar. Die einzige Ausnahme bildet dabei die Gestalt des Herakles-Nergal. Sie führt damit nur umso deutlicher vor Augen, wie gering der hellenistisch-römische Einfluss auf die lokalen Glaubensvorstellungen in Assur geblieben ist. ZUSAMMENFASSUNG Unsere Analyse hat eine Reihe von interessanten Einblicken in die besagte Thematik vermittelt. Obwohl Assur und Ninive geographisch eng benachbart in derselben Landschaft am oberen Tigris liegen, unterschied sich ihr jeweiliges religiöses Leben während der hellenistischen und parthischen Ära in folgender Weise stark von einander: a.) Während im südlicher gelegenen Assur sämtliche Weihinschriften bis ins 3. Jh. n. Chr. in Aramäisch abgefasst wurden, sprachen die Angehörigen der Oberschicht in der in seleukidischer Zeit gegründeten griechisch-makedonischen Polis Ninua/Ninos zur gleichen Zeit Griechisch und verfassten ihre Weihinschriften auch in dieser Sprache. b.) Die in Assur verehrten Gottheiten rekrutierten sich aus dem alten assyrischbabylonischen Himmel und erschienen wieder belebt in parthischem Gewand, wie z. B. Gott Assur mit seiner Gattin Seru, (Marduk-)Bel mit seiner Tochter Nanaja, und Nabu. In einer synkretistischen Form begegnete uns in dieser Stadt einzig und
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Beyer 1998, 14 (A 15 b). Beyer 1998, 14 (A 15 a). Beyer 1998, 14 (A 15 c). Beyer 1998, 14 (A 15 b).
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allein Herakles-Nergal, vielleicht verbunden mit der Vorstellung einer Erlösergottheit. In Ninive/Ninos umfasste das Pantheon hingegen alte einheimische Götter nur in synkretistischer Form wie im Fall des Hauptgottes Apollon-Nabu und des Herakles-Nergal sowie des Herakles-Gad. Dazu gesellten sich rein hellenistische Gottheiten wie Tyche, Sarapis und Isis mit dem göttlichen Kind Harpokrates sowie Isis Thermouthis als Agathe Tyche. Die Gestalt des Götterboten und Seelenführers Hermes war ebenfalls ohne Gleichsetzung mit einer lokalen Gottheit übernommen worden, doch lässt sich ein Einbinden dieses Zeussohnes, der hier das königliche Diadem trägt, in die lokalen Riten an seinem Kultbild erkennen. Insgesamt weisen die in Ninos erfolgten Synkretismen wie die unverändert übernommenen hellenistischen Gottheiten auf eine sich in der geistigen Elite dieser Polis etablierende Glaubenshoffnung auf eine jenseitige Erlösung hin. c.) Unter den Tempelanlagen wiesen jene in Assur die größte Vielfalt an Formen auf. Einerseits war der einfache babylonische Breitraumtypus importiert, in parthischer Zeit erneuert und weiterverwendet sowie mit griechisch-römischen Dekorelementen angereichert worden (Tempel N und A). Andererseits zeigten die meisten Gotteshäuser in dieser Stadt eine Mischform aus teilweise babylonischen („Peripteros“), überwiegend aber parthischen Elementen und Zutaten aus der hellenistisch-römischen Kunst (Assor-Tempel, „Peripteros“ und „Freitreppenbau“). Damit ist deutlich geworden, dass in der seleukidischen Polis Ninos die Übernahme hellenistischer Glaubensvorstellungen in relativ hohem Ausmaß erfolgt war und diese getragen von einer hellenisierten einheimischen Oberschicht auch noch unter parthischer Herrschaft lebendig geblieben war. Im südlicher gelegenen Assur hingegen dominierten die herkömmlichen lokalen Gottesvorstellungen weiterhin. Nur Herakles-Nergal stellt dort einen Beleg für einen beschränkt gebliebenen hellenistischen Kultureinfluss dar. Allein die Tempelarchitektur dokumentiert auch in Assur eine weitgehende Adaptierung hellenistisch-römischer Bau- und Dekorformen.
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Prof. Dr. Peter W. Haider, Leopold-Franzens-Universität, Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik, Inrain 52, A-6020 Innsbruck; e-mail: peter.haider@ uibk.ac.at
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Abb. 1: Ninos/Ninive: Fundstellen aus der hellenistisch-parthischen Zeit (Reade 1998, Abb. 2)
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Abb. 2: Ninos/Ninive: Kuyundjik, neuassyrische Bauten und Ruinen während der hellenistisch-parthischen Ära (gez. P. W. Haider)
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Abb. 3: Ninos/Ninive: Kuyundjik. Herakles Epitrapezios des Bildhauers Diogenes, geweiht von Sarapiodoros (Invernizzi 1989, 634, Abb. 1)
Abb. 4: Ninos/Ninive: Goldenes Amulett-Täfelchen mit Darstellung des Sarapis, der Isis Lactans und der Isis Termouthis (Invernizzi 1989, 636, Abb. 10)
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Abb. 5: Ninos/Ninive: Wohnstadt. Hermes (Aufnahme P. W. Haider)
Abb. 6: Assur, nordöstlicher Teil der parthischen Stadt mit 3 Kultbezirken: Temenos mit Tempel A, Assor-Heiligtum und heiliger Bezirk des Bel mit Zikkurat und „Freitreppenbau“ sowie mit dem „Peripteros“ (Downey 1988, Abb. 65)
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Abb. 7: Assur, nordöstlicher Teil der parthischen Stadt: Neubabylonische Tempel A und N (Andrae 1904, Abb. 4)
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Abb. 8: Assur, nordöstlicher Teil der parthischen Stadt: Assor-Tempel, 2. Bauphase, Rekonstruktionsvorschlag (Andrae/Lenzen 1933, Abb. 42)
Abb. 9: Assur, nordöstlicher Teil der parthischen Stadt: Temenos des Bel mit „Freitreppenbau“, Zikkurat und „Peripteros“, Rekonstruktionsvorschlag (Andrae/Lenzen 1933, Abb. 37)
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Abb. 10: Assur; parthische Wohnstadt: Pithos mit Zeichnung von Kultszenen (Andrae/Lenzen 1933, Abb. 46)
ORIENTALISCHES SELBSTBEWUSSTSEIN IM 13. SIBYLLINISCHEN ORAKEL Udo Hartmann Bei der Suche nach einer regionalen Identität im römischen Nahen Osten in der Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. stehen dem Historiker kaum aussagekräftige Quellen zur Verfügung. Sieht man von den Inschriften aus dem römischen Orient ab, gibt es so gut wie keine Selbstaussagen von orientalischen Römern aus der Soldatenkaiserzeit, der turbulenten Epoche zwischen dem Herrschaftsantritt des Maximinus Thrax und des Diocletian (235–284 n. Chr.). Eine bemerkenswerte Ausnahme stellen hier die griechischen Verse des 13. Sibyllinischen Orakels dar;1 in diesem einzigartigen Text reflektiert in der Mitte der 260er Jahre ein orientalischer Provinziale über die Wirren seiner Zeit, die durch eine nachhaltige Krise des Römischen Reiches, durch Einfälle feindlicher Völker, Usurpationen und Bürgerkriege sowie durch tiefgreifende Transformationsprozesse in fast allen Bereichen von Staat, Gesellschaft und Kultur gekennzeichnet war.2 In diesem Beitrag möchte ich den Text des Orakels nach Formen eines orientalischen Selbstbewusstseins in der Mitte des 3. Jahrhunderts befragen: wie lässt sich die regionale Identität des Autors fassen, in welchem Verhältnis stehen hier die regionale Identität als Syrer einerseits und die Identität als Römer andererseits, wie verschränken sich diese Ebenen? Unter „Identität“ möchte ich hier das Selbstverständnis des Dichters fassen, der als Orientale und römischer Bürger auf eine be1
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Zugrunde gelegt wird hier die Ausgabe von Geffcken 1902b, 203–210. Eine griechisch-englische Ausgabe des 13. Sibyllinischen Orakels mit umfangreicher Einleitung und hervorragendem Kommentar bietet Potter 1990; griechisch-deutsch bei Friedlieb 1852, 200–209; griechisch-französisch mit Kommentar bei Alexandre 1841/56, Bd. I 2, 60 ff.; englisch mit Einleitung und Anmerkungen bei Collins 1983, 453–458; deutsch mit zumeist überholten Anmerkungen bei Clemens 1851, 53–65. Der Text von Orac. Sib. 13 findet sich weder bei Merkel 1998 noch bei Gauger 1998 (Tusculum-Ausgabe von Orac. Sib. 1–11). Zu den jüdisch-christlichen Sibyllinischen Orakeln allgemein vgl. bes. Geffcken 1902a; Rzach 1923, 2117 ff.; Collins 1983 u. 1987; Potter 1990, 95 ff.; Strobel 1993, 49 ff.; 139 ff.; 211 ff.; Gauger 1998, 333 ff. Zum 13. Sibyllinischen Orakel vgl. bes. Potter 1990; Strobel 1993, 211 ff.; vgl. ferner von Gutschmid 1893, 265 ff.; Geffcken 1902a, 59 ff.; Rzach 1923, 2158 ff.; Olmstead 1942, 249 ff.; Kurfess 1955; Baldus 1971, 252 ff.; Schwartz 1976; Swain 1992 (zu Macrianus in Orac. Sib. 13); Hartmann 2001, 28 f. u. 194 ff. (zu Odaenathus in Orac. Sib. 13); 2006a, 114 ff. (zu Mareades und Iotapianus); 2008a, 38 f. Sommer (2004, 15) charakterisiert Orac. Sib. 13 treffend als ein „erstrangiges Dokument auch für die Mentalitätsgeschichte der Epoche“. Für Hinweise und Korrekturen gilt Toni Glas (Berlin) ein herzlicher Dank. Einen hervorragenden Überblick zur Soldatenkaiserzeit bieten Christol 1997, 79 ff. und Johne 2008; vgl. auch Potter 1990, 18 ff. u. 2004, 215 ff.; Sommer 2004; Drinkwater 2005; neuere Forschungen zu einzelnen Aspekten in Johne/Gerhardt/Hartmann 2006; Hekster/de Kleijn/ Slootjes 2007.
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stimmte Art und Weise die Ereignisse im Reich und in seiner Region betrachtet und bewertet. Seine spezifische Sichtweise und Interpretation der Wirren in der Mitte des 3. Jahrhunderts gestatten die Umschreibung seines Selbstverständnisses: Er konstatiert sein Erschrecken über bestimmte Verwerfungen im Osten, die für ihn besonders relevant waren, und grenzt sich als Orientale gegenüber anderen ab; für seine Sicht auf die Zeitgeschichte sind nicht allein die schnell wechselnden Kaiser im fernen Rom, sondern auch vier Persönlichkeiten aus dem römischen Orient von Bedeutung: zwei orientalische Schurken werden von ihm mit Hass und Abscheu charakterisiert, mit zwei Herrschergestalten verbindet er dagegen seine Erwartungen auf eine bessere, sichere und vor allem friedlichere Zukunft. Doch diese einzigartige Quelle, die Antworten auf die Frage nach einer regionalen Identität geben soll, steckt selbst voller Probleme: Auf den Punkt gebracht ist beim 13. Sibyllinischen Orakel nahezu alles umstritten; wir wissen nicht, wer der Autor war, wo er lebte, welcher Religion er angehörte, mit welcher Intention er schrieb. Um was für einen Text handelt es sich dabei? In den 173 wenig qualitätsvollen griechischen Versen wird in der Form einer Prophezeiung über kommendes Leid und erwartete Rettung das Geschehen im Römischen Reich von Kaiser Gordian III. (238–244) bis in die 260er Jahre beschrieben, wobei der Anfang des Textes verderbt ist; vermutlich schilderte der Autor bereits Ereignisse der Regierung des Maximinus Thrax (235–238).3 Die Dichtung ist innerhalb einer Gruppe von vier Orakeln aus der Kaiserzeit und der Spätantike überliefert, die zur Handschriftengruppe W gehören (Orac. Sib. 11–14),4 und steht damit in der Tradition der jüdisch-christlichen Sibyllistik. Diese Pseudo-Orakel wurden seit dem 1. vorchristlichen Jahrhundert vor allem von Juden in der Diaspora und später auch von Christen verfasst bzw. überarbeitet, die die hohe Autorität der Sibyllen in der hellenistisch-römischen Umwelt nutzten, um ihre religiösen Auffassungen zu propagieren. Die Verfasser dichteten vermeintlich uralte Prophezeiungen über historische Ereignisse und verliehen so den Weissagungen Glaubwürdigkeit.5 Auch im 13. Sibyllinischen Orakel werden so bereits geschehene Begebenheiten im Futur geschildert; es handelt sich aber nicht um eine Form der Geschichts3
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Rzach (1923, 2158) nennt die Schrift „Abriß einer kurzen Epoche römischer Kaisergeschichte in der Form der Weissagung“. Zur Lücke zwischen Vers 6 und 7 vgl. Strobel 1993, 213 (Verse zu Maximinus Thrax); vgl. auch Potter 1990, 142 ff. u. 184 ff. Zu dieser Handschriftengruppe aus dem 14.–16. Jahrhundert vgl. Geffcken 1902b, xxi; Rzach 1923, 2120 f.; Collins 1983, 321; Potter 1990, 100 f.; 154 ff.; 161 ff.; vgl. auch Collins 1987, 452 ff. (zu Orac. Sib. 12–14). Die Sammlung, in der auch die Orac. Sib. 11–14 enthalten sind, wurde wohl nach der arabischen Eroberung Ägyptens im 7. Jahrhundert zusammengestellt. Die Datierung der Bücher 11–14 ist im Einzelnen aber umstritten, vgl. dazu Kurfess 1955 (ein alexandrinischer Jude verfasste unter Augustus bzw. Tiberius Buch 11, ein anderer kurz nach dem Tod des Severus Alexander Buch 12); Gauger 1998, 458 f. Im Gegensatz zu den älteren Orakeln finden sich aus Orac. Sib. 11–14 im antiken Schrifttum keine Zitate, vgl. Rzach 1923, 2152. In Orac. Sib. 11–13 fehlen zudem längere eschatologische Passagen. Zur Problematik der jüdisch-christlichen Sibyllinischen Orakel vgl. bes. Rzach 1923, 2117 ff.; Collins 1983, 320 ff.; 1987; 1998; Potter 1990, 95 ff.; Gauger 1998, 333 ff., bes. 423 ff.; vgl. auch Geffcken 1902a.
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darstellung, sondern eher um Erbauungsliteratur:6 Der Verfasser verbindet dabei in Rätselbilder gefasste Erinnerungen an zeitgenössische Ereignisse mit traditionellen Topoi der jüdisch-christlichen Sibyllistik von apokalyptischen Katastrophen, Wirren, Leid und Schrecken, von Endzeitgestalten, von Vergeltung für begangenes Unrecht und von kommenden Rettergestalten zu einem schwer entwirrbaren Knäuel.7 Er entsprach dabei den Vorgaben der literarischen Gattung und den Erwartungen seines Publikums und formte das Geschehen im Reich nach seinen Intentionen um. Immer wiederkehrend sind die Prophezeiungen von Krieg, Schlachten und Männermorden, von Hunger und Pest, von Erdbeben und gewaltigen Blitzen sowie von Tempelplünderungen.8 Der Autor schildert die Ereignisse oft in nur schwer entschlüsselbaren Anspielungen. Seinem Text legte er allerdings eine Abfolge von Kaiserregierungen zugrunde, die zumindest eine chronologische Einordnung der Berichte ermöglicht; die Anspielungen auf die Kaiser sind zudem leicht zu deuten: So sagt die Sibylle einen weiteren kriegserfahrenen Herrn von Rom mit den Worten vorher:9 Und nach ihm wird beherrschen das mächtige und üppig blühende Rom ein anderer Herr, der großmütig und kriegserfahren ist, er wird aus Dakien herankommen, die Zahl dreihundert habend, und er wird aus dem vierten Geschlecht sein und viele zerstören.
Mit diesen gematrischen Zahlen ist Kaiser Traianus Decius (249–251) gemeint, dessen Name mit den griechischen Zahlzeichen für dreihundert (t’) und vier (d’) beginnt. Nicht ganz korrekt ist allerdings die Herkunftsangabe: Decius wurde in Pannonia inferior geboren.10 Nicht hinter jeder Anspielung verbergen sich aller6
Gegen eine Interpretation des 13. Sibyllinischen Orakels als zeitgeschichtliche Historiographie wendet sich Strobel 1993, 212. Potter bemüht sich dagegen um eine eindeutige historische Deutung aller Anspielungen im Orakel, das er als chronologisch exakte Geschichtsdarstellung und genaues Bild der Zeitgeschichte versteht (vgl. Potter 1990, 124 f.; vgl. auch die Interpretationen ebd. 142 ff.); ähnlich bereits Olmstead 1942. 7 Zu den traditionellen Elementen, Bildern und Symbolen in den jüdisch-christlichen Sibyllinischen Orakeln vgl. die Zusammenstellung bei Gauger 1998, 423 ff.; vgl. auch Strobel 1993, 349 ff. Zu nennen wären hier etwa Elemente der Eschatologie mit der Errettung der Frommen und apokalyptischen Katastrophen (so Blitze, Hagel, Flut, Wirbelstürme, Feuer, Erdbeben, Sonnenfinsternisse, Verödung der Erde oder Weltengericht), Verfluchungen von Völkern und Städten, Vergeltung und Vernichtung der Feinde, Untergangszahlen, Erscheinen von Endzeitfiguren bzw. vom Antichristen (so „Gog und Magog“ oder der „wiederkehrende Nero“), Vorzeichen, Erscheinen von Heilsbringern wie dem König aus dem Osten, gematrische Zahlen, anspielende Namen, die Lehre von den Weltreichen und der Abfolge der Weltalter sowie der Hass auf Rom. 8 Vgl. etwa Orac. Sib. 13, 9–11; 35–38; 103–108. 9 Orac. Sib. 13, 81–84: tÕn mšta d’ aât’ ¥rxei krater©j `Rèmhj ™riq»lou / ¥lloj ¥nax meg£qumoj ™pist£menoj polem…zein, / Dakîn ™xanadÚj, trihkos…wn ¢riqmo‹o·/ œssetai ™k tetr£doj geneÁj (so W; Alexandre und Geffcken: kera…hj), polloÝj d’ ¢polšssei. Vgl. Alexandre 1841/56, Bd. I.2, 67; Potter 1990, 258 ff. u. 2004, 241. 10 Decius stammte aus dem Dorf Budalia bei Sirmium in Pannonia inferior (Eutr. 9, 4; Aur. Vict. Caes. 29, 1; Epit. de Caes. 29, 1), vgl. Birley 1998, 59 f.; Loriot 1998, 44 f.; Huttner 2008, 201; vgl. auch Strobel 1993, 230 (dakische Abstammung aus dem Beinamen Traianus geschlossen).
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dings eindeutig identifizierbare historische Ereignisse; zuweilen verbindet der Dichter historische Personen mit topischen Gestalten der Sibyllistik wie der Endzeitfigur des „wiederkehrenden Nero“, einer Prophezeiung über die Flucht und die Rückkehr Neros über den Euphrat, der dann zusammen mit den orientalischen Barbaren Rom verheeren wird. Er verwendet auch formelhafte, stereotype Wendungen über Leid und Schrecken, so dass eine historische Interpretation der gezeichneten Bilder zuweilen nicht möglich ist.11 Schließlich bietet der Autor – auch wenn er als Zeitzeuge viele Ereignisse selbst erlebt haben dürfte – nicht immer verlässliche Angaben, manche Informationen beruhen eher auf oralen, im Volk tradierten Erzählungen oder vagen Gerüchten. Wie das vorangehende 12. Sibyllinische Orakel für die Zeit von Augustus bis Severus Alexander (222–235) vermittelt das 13. Orakel somit ein volkstümliches Geschichtsbild der Ereignisse der Reichsgeschichte.12 Nähern wir uns nun dem Dichter des Orakels: Relativ unproblematisch ist seine chronologische Einordnung. Am Ende des Orakels steht die Heilsgestalt des palmyÄhnliche gematrische Zahlen, die die Namen der Kaiser verschlüsseln, finden sich für Philippus Arabs und seinen Sohn Philippus iunior (13, 24–25: eins, a’, zwanzig, k’, und fünfhundert, f’, also AÙtokr£twr Ka‹sar F…lippoj) sowie für Valerian und Gallienus (13, 156–157: siebzig, o’, und drei, g’). Aemilianus führt „des Anfangs Namen“ (13, 145: ¢rc¾n oÙnom£tessi fšrwn, also eins, a’). Einzig der Name des Trebonianus Gallus fällt indirekt (13, 103: ¢ll’ ÐpÒtan g’ ¥lloj basileÝj `Rèmhj basileÚsV), vgl. Potter 1990, 283 f.; vgl. auch Baldus 1971, 240 f. (g£lloj, „Eunuch“, sein Sohn Volusianus sei daher ein „Bastard“, 13, 105). 11 Zum Nero redivivus: Orac. Sib. 4, 119–124; 137–139; 145–148; Orac. Sib. 5, 28–34; 93–110; 137–154; 214–245; 361–383 (Orac. Sib. 4 und 5 wurden um 80 n. Chr. bzw. im 2. Jahrhundert von zwei Juden verfasst, vgl. Gauger 1998, 451 ff.); Motiv des Nero redivivus auch in Orac. Sib. 8, 70–78; 88–90; 140–150; Orac. Sib. 12, 78–94. Vgl. zur Prophezeiung des Nero redivivus in den Sibyllinischen Orakeln bes. Geffcken 1899 u. 1902a, 18 ff.; Rzach 1923, 2132 (Nero in Orac. Sib. 4) u. 2136 f. (in Orac. Sib. 5); Collins 1987, 437 f.; Jakob-Sonnabend 1990, 138 ff.; Firpo 1993; Gauger 1998, 434 u. 453; vgl. auch Strobel 1993, 53 (zu Orac. Sib. 8); 141 f. (zu Orac. Sib. 12); 352 f. 12 Der Autor erwähnt etwa das Gerücht, Gallus sei von seinem „Bastardsohn“ umgebracht worden, der kurz darauf ebenfalls ermordet worden sei (13, 142–144: kaˆ tÒte d¾ nÒqoj uƒÕj ˜Í Øp’ ¢naidši tÒlmV / ™xolšsei basilÁa, paraut…ka d’ aÙtÕj Ñle‹tai / dusseb…hj ›neken; Gallus’ „Bastardsohn“ bereits in 13, 105: sÝn paidˆ nÒqJ). Gallus’ Sohn und Mitregent Veldumnianus Volusianus wurde jedoch zusammen mit seinem Vater im Sommer 253 von Soldaten ermordet (Kienast 1996, 210 f.). Der Autor zeigt so seine Unkenntnis über die kaiserliche Familie des Gallus; vgl. Collins 1983, 457; Potter 1990, 148 f. („the product of some confusion and rumour“); 228; 314 ff.; Strobel 1993, 234 (Autor vermengte vielleicht Volusianus mit dem Decius-Sohn Hostilianus); vgl. auch Geffcken 1902a, 62, Anm. 2 (Hostilianus ist der „Bastard“). Zu den oft ungenauen Kenntnissen der Autoren von Orac. Sib. 12 und 13 vgl. Strobel 1993, 139 ff. u. 253 (Geschichtswissen sei „vage und unscharf“, S. 139; „Fakten, Legenden und Irrtümer verbinden sich hier unauflöslich zu einem offenbar gewachsenen Geschichtsbild, das auf dem Hörensagen, aber nicht auf einem tieferen Wissen aufbaut. Es ist eine „Geschichtsvulgata“, …“, S. 140); vgl. auch Geffcken 1901, 195 (Orac. Sib. 12 spiegelt, „was man in der Provinz von den Kaisern durch Hörensagen wußte“); Rzach 1923, 2152 (Orac. Sib. 11–14 mit „Abrissen geschichtlicher Erzählungen in Form von Prophetien …, die wesentlich auf volksmäßiger Tradition beruhen“); Collins 1983, 443 (zu Orac. Sib. 12 als „a rare witness to the popular perception of Roman emperors in the eastern provinces“); Potter 1900, vii (Orac. Sib. 13 als „an unusual example of „popular history“, history from the perspective of the man in the street“). Zu Orac. Sib. 12 s. u.
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renischen Dynasten Septimius Odaenathus, er wird die Römer beherrschen und die Perser besiegen.13 Der Text wurde also offenbar unter der Regierung des Odaenathus im Orient, wohl noch vor dem Tod des Dynasten im Jahr 267/68, also in der Mitte der 260er zusammengestellt.14 In allen anderen Fragen streiten sich indes die Gelehrten: Handelte es sich bei ihm um einen Juden aus Alexandria (so Strobel), einen Juden aus Syrien, der in Alexandria lebte (so Rzach und Collins), einen syrischen, vielleicht christianisierten Juden (so Baldus), einen orientalischen Christen (so Geffcken) oder gar einen syrischen Heiden (so Potter)?15 Verschiedene Indizien gestatten jedoch eine Antwort auf die Verfasserfrage, auch wenn sich alle Zweifel wohl nicht ausräumen lassen: Der Dichter nimmt in zahlreichen Zitaten auf ältere jüdisch-christliche Sibyllinische Orakel Bezug, so dass er wohl diesem Kulturkreis zuzuordnen ist.16 Seine Schrift schließt zudem inhaltlich unmittelbar an das vorausgehende 12. Sibyllinische Orakel an, das die Reichsgeschichte von Augustus bis Severus Alexander reflektiert. Dieses Orakel wurde von einem alexandrinischen Juden kurz nach dem Tod des Severus Alexander verfasst.17 Eindeutige christliche Referenzen finden sich im 13. Sibyllinischen 13 Orac. Sib. 13, 164–171. Zu Odaenathus s. u. 14 Bereits Alexandre (1841/56, Bd. I.2, 74 ff. u. Bd. II.1, 449 f.) nahm an, dass der Autor unter Odaenathus schrieb; ebenso Geffcken 1902a, 62 (um 265); Rzach 1923, 2160; Olmstead 1942, 419 f.; Rostovtzeff 1943/44, 18; 34; 36; Collins 1983, 453 (um 265) u. 1987, 453; Felix 1985, 21 (um 265); Potter 1990, 141 ff. (nach 261 und vor 267 unter Odaenathus verfasst); Swain 1992, 375 ff.; Strobel 1993, 211 f. (um 265/66); Hartmann 2001, 28 f. u. 194 ff.; Sommer 2005, 168. Von einer Abfassung im Jahr 253/54 spricht dagegen Baldus 1971, 252 ff. („Priester“ und „Löwe“ als Uranius Antoninus gedeutet, s. u.); ähnlich Schwartz 1976, 414 (Orakel entstand kurz nach 253). Zum Tod des Odaenathus und seiner Datierung vgl. Hartmann 2001, 218 ff. 15 Nach Alexandre (1841/56, Bd. II.1, 449 f.) stammte der Autor aus Ägypten. Für Geffcken (1902a, 59 ff.) war er „ein orientalischer Christ“ und „politischer Anhänger Odänaths“ (S. 62; gegen eine Herkunft aus Alexandria in Anm. 2); ebenso de Blois 1998, 3402; Christ auch nach Friedlieb 1852, lxviii; Olmstead 1942, 255 u. 262. Laut Rzach (1923, 2161 f.) handelte es sich um „einen syrischen (palästinensischen) Juden …, der vielleicht nachmals in Alexandreia seßhaft wurde“; ähnlich Collins 1983, 453 (wohl in Alexandria verfaßt); vgl. auch Collins 1987, 452 f. Kurfess (1955, 272) und Strobel (1993, 212) meinen dagegen, dass der Verfasser ein alexandrinischer Jude war; nach Strobel stammte er aus „den literarisch durchschnittlich gebildeten Schichten der Diasporagemeinde in Alexandria und zugleich den dortigen propalmyrenischen Kreisen“; vgl. auch Strobel 1993, 251. Baldus (1971, 240) charakterisiert ihn als einen syrischen, vielleicht christianisierten Juden; ähnlich bereits Rostovtzeff 1943/44, 18 (christianisierter Jude aus dem Orient). Nach Schwartz (1976, 417 f.) stammte der Autor aus Antiochia. Felix (1985, 21) nimmt an, dass es sich um einen christlichen Syrer handelte. Potter (1990, 142 ff.) spricht von zwei Kompilatoren des Orakels. Sie seien Heiden aus Syrien gewesen, die der lokalen Oberschicht angehörten: der erste habe 253 in Nordsyrien geschrieben, der zweite unter Odaenathus in Syrien (s. u.); vgl. dagegen Strobel 1993, 212, Anm. 181; vgl. noch Swain 1992, 375 ff. (Autor war Syrer mit Aramäischkenntnissen); Loriot/Nony 1997, 25 (Autor vielleicht aus Emesa, um 260/67); Sommer 2005, 168 (Syrer); unsicher Merkel 1998, 1070 (Orac. Sib. 11–14 nicht religiös bestimmt). 16 Zu den Zitaten aus älteren jüdischen Orakeln vgl. die Belegstellen bei Geffcken 1902b, 203 ff. und Collins 1983, 454 ff. 17 Zum Verfasser des 12. Sibyllinischen Orakels, das inhaltlich das 11. Orakel fortsetzt, vgl. Collins 1983, 443 f. u. 1987, 452 f. (ein alexandrinischer Jude); vgl. Rzach 1923, 2155 ff. (jüdischer Provinziale aus dem Osten); Kurfess 1955, 271 (von einem alexandrinischen Juden bald
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Orakel jedoch nicht; bei der Erwähnung der Christenverfolgung des Decius dürfte es sich um eine spätere Interpolation handeln.18 Trotz des Lobes für Alexandria und Ägypten als Ernährerin Italiens und der Schilderung von Unruhen in Alexandria unter Philippus Arabs (244–249) stehen hier die Ereignisse in Syrien und in den angrenzenden Regionen im Zentrum der Darstellung;19 der Autor berichtet zahlreiche Details aus der nahöstlichen Regionalgeschichte in der Mitte des 3. Jahrhunderts, die Perser beschreibt er als ständig drohende, unmittelbare Gefahr, Heilsgestalten sind für ihn zwei syrische Regionalherrscher,20 so dass man den Verfasser als einen syrischen Diaspora-Juden charakterisieren kann, der Mitte der 260er Jahre schrieb.21 Auch die Entstehung des Textes ist in der Forschung nicht unumstritten. Das Orakel entstand aber wohl in zwei Phasen, wie Potter herausgearbeitet hat:22 die
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nach dem Tod des Severus Alexander verfasst); Strobel 1993, 139 f. (ebenso); von einem jüdischen Autor spricht auch Geffcken 1901, 183 ff. u. 1902a, 56 (bearbeitet von einem Christen); vgl. aber Schwartz 1976, 414 ff. (Orac. Sib. 12 um 250 in Antiochia verfasst). Eine englische Übersetzung mit Deutung bietet Collins 1983, 445 ff.; vgl. auch Alexandre 1841/56, Bd. I.2, 32 ff.; Geffcken 1901, 185 ff. u. 1902a, 56 ff.; Strobel 1993, 139 ff. Orac. Sib. 13, 87–88. Zur Interpolation vgl. Rzach 1923, 2161; Kurfess 1955, 271 f.; Collins 1983, 453 u. 1987, 452; vgl. dagegen Geffcken 1902a, 59; Olmstead 1942, 398 (Autor des Orakels war ein Christ); vgl. auch Potter 1990, 147 (keine Interpolation, sondern eine deciusfeindliche Äußerung des ersten Kompilators) u. 261 ff. Zur Ernährerin: Orac. Sib. 13, 43–49; Strobel 1993, 229 f.; vgl. auch Potter 1990, 144 ff.; 230 ff.; 236 ff.; Unruhen: Orac. Sib. 13, 50–53; 74–78. Zu den Unruhen in Alexandria unter Philippus Arabs und der Deutung der Orakelverse vgl. Körner 2002, 274 ff.; vgl. auch Strobel 1993, 230; Potter 1990, 240 f. u. 252 f.; von antirömischen Aktivitäten vor dem Bürgerkrieg in Alexandria, die die Kornlieferungen nach Rom störten, spricht auf Grund von Orac. Sib. 13, 43–49 wenig überzeugend Oost 1961, 3 f. Zur Regionalgeschichte Syriens und Kilikiens im Orakel: Orac. Sib. 13, 22; 32; 54–63 (57–58 zu Kilikien); 90; 95–98; 107–136 (133 zu Kilikien); 150–154 (Retter aus Emesa); 164–171 (Retter aus Palmyra); Arabia unter Philippus Arabs: Orac. Sib. 13, 64–73; Kappadokien unter Decius: Orac. Sib. 13, 91–94. Der Autor konnte zudem offenbar Aramäisch, vgl. Swain 1992, 375 ff. Zu den Persern im Orakel vgl. Anm. 40. Vgl. auch Hartmann 2001, 197 f. Vielleicht lebte er in der Provinz Syria Phoenice. Nach Potter (1990, 150 f.) schrieb der erste Kompilator von 253 (s. u.) in Nordsyrien. Der Fokus im Schluss beider Textteile (s. u.) liegt aber auf Rettergestalten aus Syria Phoenice. Potter (1990, 142 u. 147) findet im Text keine Indizien für ein Christentum oder Judentum des Autors. Der jüdische Kontext der Komposition des Textes und verschiedene Hinweise auf das Judentum des Dichters (vgl. Anm. 25) gestatten jedoch eine Zuweisung zu dieser Religionsgemeinschaft, auch wenn die jüdische Weltsicht im Denken des Autors keine große Rolle spielte (s. u.). Traditionelle Nennungen von heidnischen Göttern wie Ares (Orac. Sib. 13, 7; 78; 140) sprechen nicht gegen das Judentum des Verfassers, da diese zur paganen „Tarnung“ der Pseudo-Sibylle gehören. Vgl. Potter 1990, 141 ff. Potter unterscheidet drei Teile im Orakel: Orac. Sib. 13, 1–88 sei „a rather difficult mixture of material from divers hands“, 13, 89–154 dagegen „a reasonably coherent whole“, das von einem Autor verfasst worden sei (141). Er habe im Jahr 253 Orac. Sib. 13, 1–154 in Nordsyrien zusammengestellt (150 f.). Die Verse Orac. Sib. 13, 155–171 seien dann unter Odaenathus hinzugefügt worden, „by someone who wanted to bring a pre-existing book of prophecy up to date by including some lines on the latest person of interest“ (142); ebenso Swain 1992, 375; Gawlikowski 2007, 308 f. Von nur einem Verfasser, der unter Oda-
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Verse 1–154 mit den Beschreibungen zur Reichskrise von Gordian III. bis Aemilianus (253) kompilierte ein syrischer Autor unter Verwendung älteren Materials im Jahr 253; am Ende wird „ein sonnengesandter Priester“, also der syrische Usurpator Uranius Antoninus aus Emesa, verherrlicht.23 Die abschließenden Verse 155–173 bilden dazu lediglich einen kurzen Anhang, in dem die Ereignisse der Regierung Valerians (253–260) und seines Sohnes Gallienus (253–268) im Osten des Reiches bis zu den Siegen des Odaenathus geschildert werden; Heilsbringer ist hier der „sonnengesandte Löwe“ Odaenathus aus Palmyra.24 Da beide Dichter mit der gleichen Sichtweise das Geschehen bewerten, möchte ich vereinfachend im folgenden weiterhin von „dem Autor“ sprechen. Mit welchem Selbstverständnis blickt der Dichter auf die Ereignisse der Reichsgeschichte? Zum einen lässt sich festhalten, dass das Judentum des Verfassers und die spezielle Problematik dieser Religionsgemeinschaft im Text keine große Rolle spielt, jüdische Theologie oder eschatologische Passagen finden sich kaum;25 im Gegensatz zu älteren jüdischen Sibyllinischen Orakeln, in denen Rom verurteilt wurde,26 blickt der Autor nicht voller Hass auf Rom. Er sieht sich vielmehr selbst als Römer, als loyaler Reichsangehöriger; die Sibylle prophezeit, dass die Kaiser und später Odaenathus die `Rwma…oi beherrschen werden.27 Für den Dichter ist das
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enathus schrieb, sprechen dagegen Geffcken 1902a, 62, und Strobel 1993, 211, bes. Anm. 179, u. 244 f. Zwar lassen sich, wie Strobel betont, keine unterschiedlichen Geschichtsbilder in den beiden Orakelteilen aufzeigen, doch da beide Kompilatoren in einer vergleichbaren Krisenphase in derselben Region schrieben, braucht dies nicht zu verwundern. Deutlich werden vor allem die kompositorischen Unterschiede beider Teile: während der Kompilator von 253 die Reichsgeschichte von 238 bis 253 detailliert und in der Abfolge der einzelnen Kaiserregierungen beschreibt, konzentriert sich der zweite Kompilator ganz auf die Gestalt des „Sonnenlöwen“ (von den 17 Versen des zweiten Teils sind allein acht dem Odaenathus gewidmet); die wenigen Verse, die er dem ersten Orakelteil anfügt, schildern nicht etwa die Geschichte der Jahre 253 bis 262/63 (dem Perserzug des Odaenathus), sondern heben einzig das Scheitern Valerians und den Sieg des Odaenathus über alle Widersacher hervor. Alle anderen Ereignisse im Westen und Osten des Reiches bleiben unerwähnt. Da in beiden Orakelteilen weder der Tod des Uranius Antoninus noch der des Odaenathus prophezeit wird, dürften sie noch zu Lebzeiten der beiden Rettergestalten (253 bzw. in der Mitte der 260er Jahre) geschrieben worden sein. Orac. Sib. 13, 150–154. Zu Uranius Antoninus s. u. In der älteren Forschung wurde dieser „Priester“ zumeist mit Odaenathus gleichgesetzt, vgl. Anm. 59. Orac. Sib. 13, 164–171. Zu Odaenathus s. u. Der jüdische Autor verweist auf den einen, höchsten Gott in Orac. Sib. 13, 1–2; 5; 54; 109 (`Uy…stoio); 112 (qeokr£ntori boulÍ); 172 (¥nax, basileà kÒsmou, qeš); anders Potter 1990, 242; 290 (in Vers 109 sei eher der pagane Zeus Hypsistos gemeint); 298 f.; Ablehnung der paganen Astrologie in Orac. Sib. 13, 69–72; Rzach 1923, 2160 f.; Collins 1987, 452; Strobel 1993, 212; anders Geffcken 1902a, 59 f. (christliche Astrologie-Kritik); Potter 1990, 249 f. (kein Zeugnis für das Judentum des Autors). Zum Hass auf Rom/Babylon, das von Gott vernichtet werden wird, in den älteren jüdischen Sibyllinischen Orakeln vgl. u. a. Orac. Sib. 2, 17–19; Orac. Sib. 3, 46–59; 350–364; 464–469; Orac. Sib. 5, 143; 159–178; 386–397; Orac. Sib. 8, 9–13; 37–47; 73–106; 124–130; 142–150; vgl. Gauger 1998, 434; Strobel 1993, 353 ff. Zu Odaenathus: Orac. Sib. 13, 171 (¥rxei `Rwma…wn). Bereits der jüdische Verfasser des 12. Sibyllinischen Orakels zeigt sich als loyaler Reichsbewohner, Hass auf Rom findet sich auch
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Reich der innerweltliche Bezugsrahmen; trotz aller Wirren empfindet er Rom als stark und unzerstörbar: Er beschreibt Rom als mächtig und üppig blühend, als allgewaltig und unbesiegbar:28 der römische „Ares“ vernichtet die Germanen, trotz aller kriegerischen Umtriebe werden letztlich auch die Perser von den Römer besiegt. So wie weder die Schildkröte fliegt, noch der Adler schwimmt, so werden auch die Perser vom Sieg ferngehalten.29 Gottes Ratschluss, so die Sibylle, führt die Römer zum Sieg über die Perser:30 Aber dennoch werden sie gemäß des von Gott vollendeten Ratschlusses nicht siegen.
Von den äußeren Völkern, die das Reich bedrohen, grenzt sich der Autor eindeutig ab. Die Germanen und vor allem die Perser gelten ihm als Feinde Roms. Der Verfasser unterscheidet aber auch innerhalb des Römischen Reiches zwischen zwei Gruppen: die östlichen Reichsbewohner werden den Römern im Westteil, den „Ausoniern“, gegenübergestellt; so wüten die Karpen an der unteren Donau gegen die „Ausonier“.31 Noch deutlicher wird der orientalische Blickwinkel des Dichters aber in seinem Fokus auf die Reichsgeschichte: Zwar erwähnt er auch kurz die Ereig-
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hier nicht, vgl. Geffcken 1902a, 56 (verfasst „von einem regierungstreuen, ganz und gar nicht mehr orthodoxen, sondern recht reichsbürgerlichen … Juden“); Rzach 1923, 2155 („politisch sehr vorsichtiger und loyaler jüdischer Provinziale“); Collins 1983, 444 u. 1987, 453; Strobel 1993, 139 f. (prorömisch). Orac. Sib. 13, 81 (krater©j `Rèmhj ™riq»lou); 155 (Øpermenšwn). In Orac. Sib. 13, 46–49 nimmt der Autor die traditionelle Untergangszahl für Rom aus der älteren jüdischen Sibyllistik auf (Orac. Sib. 8, 148–152), nach der Rom so lange Bestand habe wie der gematrische Zahlwert der Buchstaben im Namen `Rèmh (100, 800, 40 und 8, also 948 Jahre): Alexandria, so die Sibylle, werde diese Zeitspanne über Rom mit Korn versorgen (und solange werden die Perser nicht siegen). Der Untergang Roms, den die ältere jüdische Sibyllistik mit dieser Zahl vorhersagte, ist hier nicht mehr impliziert; Strobel 1993, 229 f. („stereotype Wiederholung des gematrischen Orakels von Or. Sib. 8, 147–150“ ist „nun bereits überholt und sinnentleert“; nur noch Ausdruck für die Treue Alexandrias gegenüber Rom); anders Potter 1990, 134 (das Orakel sage vorher, „that Rome will survive for 948 years after the conquest of Egypt“); 145; 230 ff.; 236 ff. Zu den Germanen: Orac. Sib. 13, 35 (unter Philippus Arabs; ¢ll’ ÐpÒtan `Rwma‹oj ”Arhj GermanÕn ÑlšssV); Potter 1990, 233; Körner 2002, 137 f.; wenig überzeugend Olmstead 1942, 261 und Dodgeon/Lieu 1991, 46 u. 359, Anm. 32, die im Bild des „germanischen Ares“ eine Anspielung auf den Usurpator Pacatianus 248 an der Donau sehen. Nicht mehr zu entschlüsseln ist die Anspielung im folgenden Vers (Orac. Sib. 13, 36), in dem von Siegen gegen Germanen auf See (unter Philippus Arabs) berichtet wird (”Area nik»saj qumofqÒron çkeano‹o). Seezüge der Ostgermanen sind erst für die 250er Jahre bezeugt (Zos. 1, 31; unter Valerian), vgl. Körner 2002, 138; anders Potter 1990, 233 f. (gotische Seezüge schon unter Philippus Arabs); vgl. auch Strobel 1993, 215 (Orac. Sib. 13, 35–36 vorausweisende Notiz „auf die gesamte Auseinandersetzung mit den Germanen zu Lande und See“ im 3. Jahrhundert); Perser: Orac. Sib. 13, 41–43; Strobel 1993, 215 („vorausweisende Zusammenschau des gesamten Perserkrieges von 253–264“). Orac. Sib. 13, 112: ¢ll’ oÙ nik»sousin Ómwj (in den Handschriften: nik»sousi nÒmouj) qeokr£ntori boulÍ. Vgl. Potter 1990, 298. Zu den Germanen: Orac. Sib. 13, 35 (s. o.); Ausonier: 13, 141 (kaˆ K£rpoi pel£swsin ™p’ AÙson…oisi m£cesqai); zu den Karpen s. u.; Perser ziehen gegen die „Ausonier“ in 13, 148– 149.
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nisse im Westen, sie sind für ihn aber kaum von Relevanz. Er verzeichnet nur kurz Kriege unter Trebonianus Gallus (251–253) in Gallien und Pannonien.32 Die fremden Völker an Rhein und Donau spielen in seinem Denken keine Rolle, ihre Einfälle werden allenfalls nebenbei erwähnt;33 in den Versen über den Schlachtentod des Decius übergeht er seine gotischen Gegner sogar ganz.34 Auch die blutigen Herrscherwechsel im Westen des Reiches notiert der Verfasser nur kurz, für westliche Usurpatoren zeigt er keinerlei Interesse.35 Seine Darstellung konzentriert sich somit ganz auf das Geschehen im Osten, das er als unmittelbar betroffener Provinziale schildert;36 neben wenigen zeitgeschichtlichen Notizen zu Alexandria und Ägypten sind dies vor allem die Ereignisse im römischen Orient, in Syrien, Kilikien und Arabien.37 Zentrales Thema bilden so Leid und Schrecken der Syrer: der Dichter erwähnt Naturkatastrophen und innere Unruhen im Orient,38 vor allem beschreibt er aber die Angriffe der Perser auf Syrien. Roms Feind im Osten wird von ihm als die bedeutendste Gefahr für die Sicherheit des Reiches eingeschätzt. Unter den „Barbareneinfällen“ der Soldatenkaiserzeit beschreibt er einzig die Züge der Sāsāniden gegen Syrien ausführlich. Die Perser besiegten unter Šābuhr I. (239/40–272) im Jahr 244 die Armee Gordians III., fielen im Jahr 253 nach einem Sieg über die römische Armee bei Barbalissus in Syrien ein und eroberten Antiochia, zerstörten 256 Dura-Europus und zogen nach der Gefangennahme Valerians im Sommer 260 erneut gegen Syrien, Kilikien und Kappadokien; sie bildeten so in der Tat eine ständige Bedrohung für Syrien.39 Der Dichter charakterisiert die „pfeileschießenden“ Perser als „umtriebig“, „übermütig“ und „maßlos“, mit ihnen ziehen Inder, Armenier und zugleich Araber gegen die Römer. Der jüdische Verfasser vergleicht die Perser mit „Assyrern“, ihren König Šābuhr mit einer Schlange.40 Zentrales Schreckensbild ist für ihn der Zug 32 Orac. Sib. 13, 137; Potter 1990, 308 f.; Strobel 1993, 234. 33 Orac. Sib. 13, 35 (Siege des Philippus über die Germanen); vgl. Anm. 29; Orac. Sib. 13, 140– 141 (Einfall der S£nnoi und der Karpen unter Gallus); Potter 1990, 310 ff.; Strobel 1993, 252. 34 Orac. Sib. 13, 100–102. Vgl. Potter 1990, 148 („one of the most striking illustrations of the author’s lack of interest in and ignorance of western affairs“). 35 Zu den Herrscherwechseln im Westen im Orakel s. u. Unerwähnt bleiben etwa Sabinianus, ein Usurpator in Karthago im Jahr 240, Pacatianus, ein Usurpator an der Donau im Jahr 248, oder auch der gallische Sonderkaiser Postumus, der ab 260 regierte (Kienast 1996, 197; 201; 243 f.). 36 Zum römischen Orient in der Soldatenkaiserzeit vgl. etwa Millar 1993, 147 ff.; Sartre 2001, 959 ff. 37 Zu Ägypten im Orakel vgl. Anm. 19. 38 Der Autor nennt sonst nicht bezeugte innere Unruhen im kilikischen Aigeai (Orac. Sib. 13, 58) und eine Flutkatastrophe in Mopsuestia, einer Stadt im östlichen Kilikien am Pyramus (Orac. Sib. 13, 57); Potter 1990, 243 f. 39 Zu den römisch-sāsānidischen Konflikten in der Mitte des 3. Jahrhunderts vgl. bes. Kettenhofen 1982; vgl. auch die Überblicke bei Millar 1993, 147 ff.; Hartmann 2001, 65 ff.; 79 ff.; 129 ff. (mit Literatur); Sartre 2001, 959 ff.; Winter/Dignas 2001, 37 ff.; Potter 2004, 232 ff.; Edwell 2008, 169 ff. u. 184 ff; Goltz/Hartmann 2008, 236 f. u. 248 ff.; Huttner 2008, 184 ff.; 214 f.; 218 ff.; vgl. ferner Felix 1985; Winter 1988; Strobel 1993, 217 ff. 40 Zu den Persern im Orakel: „pfeileschießend“ (Orac. Sib. 13, 62: ÑistobÒlouj) bzw. „giftpfeileschießend“ (13, 100: „obÒloij; vgl. 13, 164; vgl. auch Anm. 64); „umtriebig“ (13, 13:
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der persischen Heere über den Euphrat: Die Perser, so sagt die Sibylle, bringen einen „vieljährigen Krieg“ über die Römer.41 In den Kriegen werden viele Syrer vernichtet werden.42 Der Dichter erwähnt so Konflikte unter Philippus Arabs,43 die ausführlichste Passage ist aber dem Einfall Šābuhrs im Jahr 253 nach Syrien gewidmet. Nach einer allgemeinen Klage über die Leiden unter Trebonianus Gallus prophezeit die Sibylle den Syrern großes Unglück:44 … Und die Syrer werden schrecklich vernichtet werden, denn der große Zorn des Höchsten wird über sie kommen.
In einem „Aufstand“ werden die „umtriebigen Perser“ die Römer vernichten. Viele werden aus dem Osten mit allem Hab und Gut zu Menschen fremder Sprache fliehen müssen, viele werden sterben.45 Schließlich schildert der Dichter die Details des Sāsānidenzugs von 253, in dem die Perser von einem „Flüchtling aus Rom“ (`Rèmhj Ð fug£j) geführt werden:46 Bald aber beklage ich dich, standhaftes Syrien, jammervoll. (120) Auch wird dich treffen ein gar schreckliches Unheil von giftpfeileschießenden Menschen, von dem du gehofft, dass nie es Dich träfe. Auch wird kommen der Flüchtling aus Rom, erhoben den mächtigen Speer,
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¢lfhst»rwn; 13, 110: aÙt…ka d¾ Persîn ™pan£stasij ¢lfhst»rwn, in den Handschriften: ¢mf…sthsin); „übermütig“ (13, 37: Øperfi£loij ¢nqrèpoij); Völker: Orac. Sib. 13, 13–14; Assyrer: Orac. Sib. 13, 16; Potter 1990, 197 ff.; Šābuhr als Schlange: Orac. Sib. 13, 160; 164; 167–168; Potter 1990, 331. Die Perser werden erwähnt in Orac. Sib. 13, 13–20 (Perserzug Gordians III.); 33; 37–43 (Perserkonflikte unter Philippus Arabs); 62; 100; 107–136 u. 148– 154 (Šābuhr-Zug von 253); 171 (Perserzug des Odaenathus). Zum Perserbild des Autors vgl. Potter 1990, 153. Orac. Sib. 13, 38 (pouluet¾j pÒlemoj). Orac. Sib. 13, 31–32; Potter 1990, 229 f. Orac. Sib. 13, 28–32; 59–63. Die genauen Geschehnisse an der römisch-persischen Grenze nach dem Friedensschluss zwischen Philippus Arabs und Šābuhr 244 bleiben ungewiss. Die Anspielungen auf kriegerische Auseinandersetzungen an der Ostgrenze im Orakel können nicht mehr sicher gedeutet werden, vgl. Körner 2002, 128 f. Potter (1990, 144; 146; 220 ff.) nimmt auf Grund dieser Verse indes an, dass der Perserkrieg unter Philippus Arabs wieder aufgenommen wurde; vgl. dagegen Strobel 1993, 214 f. (Orac. Sib. 13, 28–30 als Anspielungen auf Unruhen im Römischen Reich gedeutet; Hinweise auf den Perserkrieg nur Vorausschau); vgl. auch Geffcken 1902a, 60 f.; Olmstead 1942, 257 f. Orac. Sib. 13, 108–109: SÚroi d’ œkpagl’ ¢poloàntai· / ¼xei g¦r toÚtoij mšgaj cÒloj `Uy…stoio. Vgl. Potter 1990, 289 f. Orac. Sib. 13, 110–118; vgl. Potter 1990, 290 ff. Orac. Sib. 13, 119–130: ¥rti dὲ sš, tl»mwn Sur…h, katodÚromai o„ktrîj: / ¼xei kaˆ plhg» soi ¢p’ „obÒlwn (in den Handschriften: ¢mfiobÒlwn) ¢nqrèpwn / dein», ¼n toi oÜpot’ ™p»lpisaj ¼xous£n soi. / ¼xei kaˆ `Rèmhj Ð fug£j, mšga œgcoj ¢e…raj, / EÙfr£thn diab¦j polla‹j ¤ma muri£dessin, / Ój se kataflšxei kaˆ p£nta kakîj diaq»sei. / tl»mwn 'AntiÒceia, sὲ dὲ ptÒlin oÜpot’ ™roàsin, / ÐppÒtan ¢frosÚnVsi tea‹j ØpÕ doÚrasi p…ptVj: / p£nta dὲ sul»saj kaˆ gumnèsaj se prole…yei / ¥stegon ¢o…khton: ¥fnw dš se klaÚseq’ Ðrîn tij. / kaˆ sÝ qr…amboj œsV, `Ier£poli, kaˆ sÚ, Bšroia: / Calk…di sugklaÚsaite neotrètoij ™pˆ tšknoij. Vgl. bes. Hartmann 2006, 114 ff.; Kommentar zu den Versen bei Potter 1990, 299 ff.
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der den Euphrat überschreiten wird zugleich mit vielen Myriaden, der dich niederbrennen und alles schlecht anordnen wird. (125) Standhaftes Antiochia, dich werden sie niemals Stadt mehr nennen, wenn durch deine eigene Unbesonnenheit du unter den Speeren dahinsinkst. Allem beraubt und entblößt wird er dich verlassen, ohne Obdach, unbewohnt. Jemand, der dich plötzlich sieht, wird dich beweinen. Auch du, Hierapolis, wirst ein Triumphstück sein, und du Beroia. (130) Möget ihr weinen mit Chalkis über die jung gemordeten Kinder.
Schließlich beklagt die Sibylle das traurige Schicksal der Menschen am Mons Casius und am Bergrücken von Amanus, an den Flüssen Lycus und Marsyas in Syrien und am Pyramus in Kilikien; die Beute wird bis an die Grenzen Asiens verschleppt werden; die Städte werden geleert, die Tempel zerstört sein.47 Diese Schilderung des Perserzugs stimmt weitgehend mit den Angaben im Tatenbericht Šābuhrs an der Ka‘ba-i Zardušt in Naqš-i Rustam bei Persepolis überein, in dem ebenfalls über die Einnahme von Hierapolis, Beroea und Chalcis sowie des syrischen Antiochia berichtet wird. Die Sibylle beklagt die Eroberungen und Zerstörungen der Städte Syriens sowie die unzähligen Morde und die Deportationen der Bewohner durch die Perser.48 Verurteilt wird zudem der „Flüchtling aus Rom“, ein Überläufer, der zusammen mit den Myriaden des Perserheeres in Syrien einfiel und dem Perserkönig bei der Einnahme Antiochias half. Bei dieser Negativgestalt handelt es sich um Mareades, einen decurio aus Antiochia.49 Mareades floh nach Veruntreuung öffentlicher Gelder und seinem Ausschluss aus der Bule Anfang der 250er Jahre nach Persien an den Hof Šābuhrs und begleitete dann den König auf seinem Zug; als das Perserheer vor den Mauern Antiochias stand, halfen die antiochenischen Anhänger des Mareades bei der Einnahme der Stadt. Antiochia fiel somit durch Verrat, durch die „Unbesonnenheit“ seiner Bürger.50 47 Orac. Sib. 13, 131–136. Vgl. Baldus 1971, 243 f.; Felix 1985, 63; Potter 1990, 303 ff. 48 ŠKZ mp. 7–8 / pa. 5–6 / griech. 13 (Hierapolis, Beroea und Chalcis); pa. 6 / griech. 15 (Antiochia). Zu diesem Zug sowie den Städtelisten im Orakel und in der Šābuhr-Inschrift vgl. bes. Baldus 1971, 229 ff.; Kettenhofen 1982, 50 ff.; vgl. auch Olmstead 1942, 402 ff.; Potter 1990, 290 ff. u. 303 ff. (ins Jahr 252 datiert); 2004, 248 f.; Millar 1993, 159 ff. (ins Jahr 252 datiert); Strobel 1993, 220 ff.; Hartmann 2001, 71 ff. (hier auch zum Datierungsproblem); Sartre 2001, 967 f.; Edwell 2008, 184 ff.; Huttner 2008, 218 ff. Zu den Deportationen Šābuhrs aus dem Römischen Reich vgl. nur ŠKZ mp. 15 / pa. 11 / griech. 25–26 (Verschleppung Valerians und seiner Truppe); mp. 20–21 / pa. 15–16 / griech. 34–35; Zos. 1, 27, 2 (Deportationen aus Antiochia); Zon. 12, 23 (p. 594, 15–20 CSHB); Chronik von Se‘ert 1, 2 (PO IV.3, p. 220 f. Scher); vgl. dazu bes. Kettenhofen 1996, 298 f. (mit weiteren Quellen); Jullien/Jullien 2002, 153 ff.; Morony 2004, 162 ff.; Hartmann 2007, 74 f.; Stoll 2007, 127 ff.; vgl. ferner Winter/Dignas 2001, 257 ff. 49 Die Gestalt des „Flüchtlings aus Rom“ wird im allgemeinen als Mareades interpretiert, vgl. etwa Alexandre 1841/56, Bd. I.2, 72; Geffcken 1902a, 60; Rzach 1923, 2159; Olmstead 1942, 402; Rostovtzeff 1943/44, 35; Gagé 1952/53, 323; Baldus 1971, 240 ff.; Collins 1983, 453 u. 1987, 453; PIR² M 273; Felix 1985, 63 u. 75; Potter 1990, 297 ff.; Swain 1992, 379; Strobel 1993, 236; Brecht 1999, 251; Ohlídal 1998, 80. 50 Zu Mareades: Amm. Marc. 23, 5, 3; HA trig. tyr. 2 (hier Cyriades genannt); Anon. Cont. Dio. fr. 1 (FHG IV, p. 192 = Petr. Patr. fr. 157, Exc. de sentent. p. 264); Mal. 12, 26 (p. 228, 53–65 CFHB); Anspielung in GenR 76, 6 (Bd. 2, p. 903 Theodor-Albeck). Zu Mareades (PIR² M
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Aber nicht nur die Perser und ihr Helfershelfer Mareades bedrohen die Sicherheit der Syrer: Eine lange Passage widmet der Dichter unter Decius auch einem „Räuber aus Syrien“ (lVst¾j ™k Sur…hj), der nach seinen Untaten in Syrien und Kappadokien schließlich über den Euphrat zu den Persern flieht.51 Wenn dann ein verschlagener und schlauer Mann kommen wird, (90) ein Räuber aus Syrien erscheinend, ein unbekannter Römer, wird er sich mit List auch dem Geschlecht der kappadokischen Männer nähern, und wird städtebelagernd bedrängen, unersättlich des Krieges. Dann wird einmal deine Einnahme, Tyana und Mazaka, kommen, dienen wirst du, wirst durch diesen (bezwungen) setzen den Nacken unter das Joch. (95) Auch Syrien wird weinen, da die Menschen zu Grunde gehen, und nicht wird Selene diese heilige Stadt erretten. Wenn aber er aus Syrien schnell entfliehend über Selge den Römern über den fließenden Euphrat entrinnt, ist er nicht mehr den Römern gleich, sondern den stolzen (100) giftpfeileschießenden Persern; dann wird der Herr der Italiker fallen in der Schlachtreihe durch das glänzende Eisen getroffen.
In dieser Passage vor dem Schlachtentod des „Herrn der Italiker“ Decius werden wohl die Umtriebe des syrischen Usurpators Iotapianus unter Philippus Arabs und Decius beschrieben.52 Iotapianus rebellierte 248/49 in Syrien gegen den Statthalter 273), seiner Flucht aus Antiochia und seiner Rolle bei den Persereinfällen von 253 und 260 vgl. bes. Hartmann 2006 (mit Literatur); vgl. ferner von Stauffenberg 1931, 366 ff.; Ohlídal 1998; Huttner 2008, 219 f.; äußerst problematisch die Interpretation von Gagé 1952/53. 51 Orac. Sib. 13, 89–101: œnq’ ÐpÒtan dolÒmhtij ¢n¾r *™pˆ kl…nhj* (so in den Handschriften, kaˆ ™p…klopoj nach Fehr, vgl. Geffcken 1902b, 207) œlqV, / lVst¾j ™k Sur…hj profane…j, `Rwma‹oj ¥dhloj, / kaˆ pel£sei dol…wj ™j KappadÒkwn gšnoj ¢ndrîn / kaˆ poliork»saj *pšsetai* (so in den Handschriften, nach Rzach eher pišsei) polšmou ¢kÒrhtoj, / d¾ tÒte soi, TÚana kaˆ M£zaka, œsseq’ ¤lwsij: / latreÚseij, toÚtJ dὲ ØpÕ zugÕn aÙcšna q»seij: / kaˆ Sur…h klaÚseien ¢pollumšnwn ¢nqrèpwn / oÙdὲ Selhna…h tÒte ·Úsetai ƒerÕn ¥stu. / ¹n…k’ ¨n ™k Sur…hj fq£menoj *perifuxanasšlghn* (so in den Handschriften, nach Geffcken 1902a, 60, Anm. 1: perifeÚx’ ¢n¦ Sšlghn; nach Hartel, vgl. Geffcken 1902b, 207: perˆ fÚxin ¢selgÁ; nach Potter 1990, 277: ¢n¦ SoÚrhn) / `Rwma…ouj profugën di¦ EÙfr»tao ·o£wn, / oÙkšti `Rwma…oij ™nal…gkioj, ¢ll’ ¢gerècoij / „obÒloij Pšrsaij, tÒte ko…ranoj 'Italihtîn / kappšset’ ™n t£xei tufqeˆj a‡qwni sid»rJ. Zum Text vgl. Geffcken 1902b, 207; Potter 1990, 172 (mit weiteren Varianten). Zur Deutung der Passage vgl. bes. Hartmann 2006, 116 ff.; vgl. auch Potter 1990, 268 ff. (mit einer anderen Interpretation, s. u.). Die „Stadt der Selene“ (13, 96) ist wohl das für seinen Mondgott berühmte Carrhae. Potter 1990, 276 f., nimmt an, hier sei Hierapolis gemeint. 52 In der Forschung wird der „Räuber aus Syrien“, der zu den Persern flieht, vielfach mit dem „Flüchtling aus Rom“, der mit den Persern über den Euphrat kommt, identifiziert, vgl. etwa Alexandre 1841/56, Bd. I 2, 68; Geffcken 1902a, 60 (Mareades zog zuerst mit dem Kronprinzen Hormizd-Ardašīr gegen Kappadokien und dann mit Šābuhr gegen Syrien) u. 1902b, xxv; Rzach 1923, 2159; Olmstead 1942, 399 ff. (unter Decius 251 Zug des Hormizd-Ardašīr und des Mareades gegen Kappadokien); Collins 1983, 453 u. 456 f.; 1987, 453; PIR² M 273; Felix 1985, 60 f. (257 Zug von Hormizd-Ardašīr und Mareades gegen Kappadokien); Potter 1990, 148 f. u. 268 ff. (unter Decius 250/51 Plünderungszug der Räubergruppe des Mareades in Syrien und Kappadokien; Mareades floh danach zu den Persern) u. 2004, 248; Dodgeon/Lieu 1991, 51 f.; Swain 1992, 379; Eadie 1996, 147; Merkel 1998, 1055; die Deutung Potters über-
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und rector Orientis Iulius Priscus, den Bruder des Philippus Arabs. Im Herbst 249 wurde er ermordet, seinen Kopf überbrachte man dem neuen Kaiser Decius. Iotapianus, der auch in Kappadokien herrschte, marschierte wahrscheinlich nach seiner Machtübernahme in Syrien gegen die Truppen in Kappadokien und nahm Tyana und Caesarea-Mazaka ein.53 Die Sibylle beklagt in dieser Passage die Untaten des Rebellen, unter dessen Zug die Städte Syriens und Kappadokiens zu leiden hatten. Der Aufstand des Unruhestifters wird verurteilt. Der Dichter verbindet zudem die historische Person des Iotapianus – ähnlich wie beim „Flüchtling aus Rom“ Mareades – mit einer traditionellen Negativgestalt der jüdischen Sibyllistik, dem „wiederkehrenden Nero“, der zu den Persern flieht.54 Diesen beiden apokalyptischen Negativgestalten aus dem römischen Orient, die Mord und Zerstörung über die Syrer bringen, stehen zwei orientalische Rettergestalten gegenüber: Beide Helden, Uranius Antoninus und Odaenathus, retten den römischen Osten vor den persischen Umtrieben. Als die Perser im Sommer 253, ohne auf Widerstand zu stoßen, entlang des Orontes bis Arethusa vorgestoßen waren, rief man in Emesa Uranius Antoninus, wohl einen Priester des Elagabal-Tempels in Emesa namens Sampsigeramos, zum Kaiser aus. Emesa musste in dieser Situation seinen Schutz selbst organisieren, da die römische Verteidigung nach der verheerenden Niederlage bei Barbalissus zusammengebrochen und der Kaiser trotz nehmen Peachin 1996, 177; Birley 1998, 77; Körner 2002, 278, Anm. 4; Sommer 2004, 41; 43; 46 f. (Mareades’ Plünderungszüge unter Decius in Syrien und Kappadokien unterstützt von den Persern); Edwell 2008, 182 ff.; Zweifel bei Millar 1993, 161. Von einem Zug des decurio Mareades gegen syrische und kappadokische Städte unter Decius berichtet sonst keine Quelle. Der „Räuber aus Syrien“ arbeitet im Orakel auch nicht mit den Persern zusammen. Es kann sich dabei somit nur um den unter Philippus Arabs und Decius in Syrien und Kappadokien aktiven Usurpator Iotapianus handeln, vgl. bes. Hartmann 2006, 116 ff. (mit weiterer Literatur); vgl. auch Sprengling 1953, 86 f.; Loriot 1975, 764 f., Anm. 796; Kettenhofen 1982, 84 f.; Brecht 1999, 251; vgl. zudem Strobel 1993, 230 f. u. 235 (Verschmelzung der Negativgestalt des Mareades mit Iotapianus zum Nero redivivus). In den Kontext des Iotapianus-Aufstands setzen den „Räuber aus Syrien“ auch Rostovtzeff 1943/44, 32 f. („a repetition of the revolt ... of Jotapianus“); ähnlich Ziegler 1985, 102 f. („Fortsetzer des Aufstandes“ des Iotapianus); Ohlídal 1998, 79. Nollé in Berges/Nollé 2000, 297 ff.; 378; 497, spricht sich gegen eine Gleichsetzung des „Räubers aus Syrien“ mit Iotapianus oder Mareades aus und meint, dass diese Unruhen in Kappadokien unter Decius von dem kappadokischen Großgrundbesitzer und Pferdezüchter Palmatius (PIR² P 71) angezettelt worden seien, über den lediglich Hesychios von Milet in seiner Anfang des 6. Jahrhunderts verfassten „Weltgeschichte“ berichtet (fr. 1, FHG IV, p. 145): Der reiche Ritter aus Caesarea habe einen Volksaufstand angeführt und sei von Valerian wegen dieser Usurpation enteignet worden. Von einem „unbekannten, lokalen Machthaber“ in Kappadokien spricht Huttner (2008, 206). 53 Aur. Vict. Caes. 29, 2 (per Syriam; unter Decius); Zos. 1, 20, 2; 21, 2; Polem. Silv., Chron. min. I (MGH AA IX), p. 521, 38 (tyrannus in Cappadocia; unter Philippus). Zu Iotapianus (PIR² I 49) vgl. Bland 1993; Eadie 1996, 146 f.; Kienast 1996, 202; Hartmann 2001, 81; Körner 2002, 277 ff. 54 Vgl. bes. Hartmann 2006, 119; vgl. auch Strobel 1993, 230 u. 235 f. (s. o.). Zum Nero redivivus vgl. Anm. 11. Der Autor des Orac. Sib. 13 greift dieses Motiv auf und gestaltet den „Flüchtling aus Rom“ Mareades als Nero redivivus, indem er entsprechende Passagen aus Orac. Sib. 4 zitiert (4, 138–139 = 13, 122–123, zum „Flüchtling aus Rom“; 4, 140–141 = 13, 125–126, zum Schicksal Antiochias); vgl. Rzach 1923, 2159; Collins 1983, 453; Potter 1990, 148 f. u. 300 ff.
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des Šābuhr-Einfalls im Westen geblieben war. Uranius Antoninus, der offenbar den Augustus-Titel nur gegenüber der syrischen Bevölkerung beanspruchte, stellte sich mit seinem Bauernheer den Persern entgegen und konnte sie schlagen.55 Am Ende des ersten Teils des Orakels wird dieser regionale syrische Herrscher als endzeitliche Rettergestalt gefeiert: Auf die Schilderungen vom Persereinfall des Jahres 253 folgen einige Verse mit Beschreibungen von Leiden in den verschiedenen Reichsteilen: Gallien, Pannonien, Mysien, Bithynien und Lykien werden von Krieg überzogen, die Karpen ziehen gegen die Römer,56 Trebonianus Gallus und kurz darauf Aemilianus werden ermordet, Seuchen und Krieg vernichten die Menschen.57 In dieser Situation der Instabilität im Westen des Reiches treten erneut die Perser auf den Plan und jagen die Römer in die Flucht, eine Wiederholung des Berichts über den Sieg Šābuhrs im Jahr 253 bei Barbalissus.58 Als Helfer in dieser ausweglosen Lage sagt die Sibylle einen Syrer vorher, einen von der Sonne gesandten „Priester“ aus der Sonnenstadt:59 55 Zu Uranius Antoninus liegt neben der Anspielung im Orakel und der Münzprägung des Usurpators aus Emesa (dazu bes. Baldus 1971 u. 1996) nur noch ein Bericht bei Malalas zum Persersieg des hier „Sampsigeramos“ genannten Herrschers vor, der jedoch in den Details wenig zuverlässig ist (Mal. 12, 26 p. 228, 65 – 229, 80 CFHB): Šābuhr habe den „Aphroditepriester“ Sampsigeramos zu Verhandlungen vor Emesa empfangen, sei aber von einem Bauern mit einem Stein ermordet worden, die Perser seien daraufhin geflohen; vgl. von Stauffenberg 1931, 371 ff. Zu L. Iulius Aurelius Sulpicius Severus Uranius Antoninus (PIR² I 195) vgl. bes. Baldus 1971, 236 ff.; Kettenhofen 1982, 70 ff.; Potter 1990, 323 ff.; Strobel 1993, 236 ff.; Hartmann 2001, 74 f.; Edwell 2008, 197 f.; Huttner 2008, 220 f.; vgl. auch Olmstead 1942, 406 ff.; Millar 1993, 160 f.; Sartre 2001, 968 f. Die Münzprägung des Uranius Antoninus aus Emesa deutet darauf hin, dass er trotz seines Augustus-Titels nicht die Herrschaft im gesamten Reich beanspruchte: Während er auf den in Syrien verbreiteten Bronze- und Silbermünzen mit griechischen Legenden (von 253/54) die vollständige Kaisertitulatur mit dem Augustus-Titel führt, fehlt diese Titulatur auf den reichsweit verbreiteten Goldmünzen mit lateinischen Legenden. Uranius Antoninus trat also gegenüber den Syrern als Herrscher auf, ohne die Macht des Augustus in Rom in Frage zu stellen, vgl. Baldus 1971, 24 f.; 47 f.; 65; 126 f.; 140 ff.; 1996, 373; Strobel 1993, 238 f. (vertrat „keinen über Emesa hinausgehenden Machtanspruch“); Christol 1997, 129; Hartmann 2001, 75. Zum Sonnenkult auf den Münzen des Uranius Antoninus vgl. auch Berrens 2004, 55 ff. 56 Orac. Sib. 13, 137–141; Potter 1990, 308 ff. 57 Zu Gallus und Aemilianus: Orac. Sib. 13, 142–146; Seuchen und Krieg: Orac. Sib. 13, 147– 148; Potter 1990, 314 ff. 58 Orac. Sib. 13, 148–150. Potter (1990, 323), der den Hauptzug Šābuhrs gegen Syrien in das Jahr 252 datiert (1990, 290 ff.), nimmt auf Grund des p£li an (Vers 147), dass die Perser 253 erneut in Syrien einfielen. Zur Datierung des Zugs in das Jahr 253 vgl. Hartmann 2001, 71 ff. 59 Orac. Sib. 13, 150–154: … aÙt¦r œpeita / ¢rht¾r ¼xei Ð panÚstatoj ¹liÒpemptoj / ™k Sur…hj profaneˆj kaˆ p£nta dÒlJ diapr£xei. / kaˆ tÒte d’ ºel…ou pÒlij œssetai· ¢mfˆ d’ ¥r’ aÙtÍ / Pšrsai Foin…kwn fober¦j tl»sontai ¢peil£j. Zu diesen Versen und dem Bild des „Priesters“ vgl. bes. Baldus 1971, 240 ff.; Potter 1990, 323 ff.; Strobel 1993, 236 ff. Der „Priester“ aus der Sonnenstadt wurde in der älteren Forschung zumeist mit Odaenathus von Palmyra, dem „Sonnenlöwen“ der folgenden Verse, identifiziert, so etwa bei Alexandre 1841/56, Bd. I.2, 74 (Palmyra als Sonnenstadt); Bousset 1900, 106; Geffcken 1902a, 61 f. (Odaenathus, „der Priester und König zugleich ist, kommt aus der Helios-Stadt Palmyra“); Rzach 1923, 2159 f.; so noch Rosenstiehl 1972, 64; Collins 1983, 453 u. 458 (Palmyrener hier „Phönikier“ genannt); Merkel 1998, 1055. Bei dem „Priester“ aus der Sonnenstadt (ein Priester
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(150) … dann aber wird ein Priester kommen, der allerletzte, von der Sonne gesandt, aus Syrien erscheinend, und alles wird er mit List vollbringen. Und die Stadt der Sonne wird blühen, und sogleich werden rings um sie die Perser die schrecklichen Drohungen der Phöniker erdulden.
An dieser Stelle endete wohl die erste Fassung des Orakels. Uranius Antoninus, der seinen Sieg durch List erringen konnte, lehrte den Persern zusammen mit den Provinzialen aus Syria Phoenice das Fürchten und jagte sie davon. Seine Herrschaft leitete für den Autor der Verse eine Blüte der Region ein.60 In einem Nachtrag führte dann ein weiterer Kompilator eine zweite syrische Rettergestalt ein: den „sonnengesandten Löwen“ Odaenathus.61 Die Schlusspassage des Orakels schildert in sehr geraffter Form die Regierung des Valerian und des Gallienus;62 der Verfasser konzentriert sich hier vollständig auf den Orient, da des mit dem Sonnengott gleichgesetzten Elagabal aus Emesa) kann es sich jedoch nur um Uranius Antoninus / Sampsigeramos von Emesa handeln (Bēl, der Hauptgott Palmyras, ist kein Sonnengott; für Odaenathus ist kein Priesteramt bezeugt; für einen Kampf des Palmyreners gegen die Perser bereits im Kontext des Šābuhr-Feldzugs von 253 gibt es keine sicheren Hinweise, vgl. Hartmann 2001, 100 f.). Zu dieser Deutung des „Priesters“ vgl. Olmstead 1942, 406 ff.; Rostovtzeff 1943/44, 35 f.; Baldus 1971, 240 ff.; Schwartz 1976, 414; Kettenhofen 1982, 71; Felix 1985, 63; Potter 1990, 150 f. u. 323 ff.; Dodgeon/Lieu 1991, 54 f.; Strobel 1993, 236; Hartmann 2001, 196 f.; Sartre 2001, 968; Huttner 2008, 220. 60 Der Persersieg durch „List“ mag auf die Ermordung eines persischen Feldherrn anspielen, von dem auch Malalas (s. o.) berichtet, vgl. Baldus 1971, 239 u. 242 f.; Kettenhofen 1982, 70 ff.; Strobel 1993, 237. 61 Zur Schlusspassage des Orakels (Orac. Sib. 13, 155–171) vgl. bes. Potter 1990, 151 u. 328 ff.; Strobel 1993, 211 f. u. 244 ff. Zum Bild des „Sonnenlöwen“ Odaenathus vgl. bes. Hartmann 2001, 194 ff.; vgl. zudem Potter 1990, 143; 152 f.; 341 f.; Strobel 1993, 251 („Erlöser- und Rettergestalt“); zu Odaenathus im Orakel vgl. ferner Alexandre 1841/56, Bd. I.2, 77; Collins 1983, 453 („political propaganda in praise of Odenath“); Sommer 2004, 52 u. 100; 2005, 166 f. u. 168. Diese Gestaltung eines Retters aus dem Osten sollte aber nicht als Ausdruck von Selbständigkeitsbestrebungen im Orient verstanden werden (so aber Swain 1992, 381 f.); vgl. Hartmann 2001, 427 ff. Nicht überzeugen kann auch die Deutung Strobels (1993, 251 ff.) für den es sich beim 13. Sibyllinischen Orakel um eine politische „Tendenzschrift“ aus Kreisen alexandrinischer Juden handelt, die in Ägypten die Herrschaft des Odaenathus unterstützten und für ihn die Macht im gesamten Reich forderten. Odaenathus wird hier lediglich als Herrscher des Ostens vorgestellt. 62 Über die Deutung der Gestalten in der Schlusspassage besteht in der Forschung seit Alexandre 1841/56, Bd. I.2, 74 ff., weitgehende Einigkeit. Alexandre interpretierte den „Stier“, die „Schlange“ bzw. das „giftsprühende Biest“, den „Hirschen“, den „Bock“ und den „Löwen“ als Valerian, die Perser bzw. Šābuhr, Macrianus, Ballista und Odaenathus; ähnlich Geffcken 1902b, 61 f. (Quietus als „Hirsch“); Rzach 1923, 2160 (Quietus ist der „Hirsch“ in Vers 162); Olmstead 1942, 411 ff. (drei „Hirsche“ in Vers 162 und 167: Macrianus senior, iunior und Quietus); Rostovtzeff 1943/44, 18; 34; 36; Collins 1983, 458 (Anm. j2: der „Hirsch“ sei Macrianus senior oder Quietus); Felix 1985, 87; Potter 1990, 151 u. 328 ff.; Dodgeon/Lieu 1991, 71; Swain 1992, 375 ff. (bes. zu Macrianus); Strobel 1993, 244 f.; 247 f.; 251 ff. („Hirsch“ ist Macrianus senior); vgl. Kurfess 1955, 271 f. Die Schlusspassage bezieht sich ebenfalls auf Odaenathus: Millar 1993, 167; Christol 1997, 148; Merkel 1998, 1055. Dagegen deutet Baldus (1971, 240 ff. u. 252 ff.) den „sonnengesandten Priester“ und den „sonnengesandten Löwen“ als Uranius Antoninus und datiert das Orakel in den Zeitraum Ende 253 / Anfang 254. Baldus verweist
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er in schnellen Schritten zu seinem Retter kommen möchte. Er übergeht dabei sogar den großen Persereinfall nach Syrien, Kilikien und Kappadokien im Jahr 260. Die Sibylle prophezeit das Erscheinen von zwei neuen Herrschern der Römer, Valerian und Gallienus,63 die im Jahr 253 zusammen als Augusti die Regierung übernahmen:64 Und dann wird der hochnackige Stier mit seinen Klauen umpflügen die Erde und mit seinen zwei Hörnern den Staub aufwirbeln, (160) er wird der dunklen Schlange viel Übel zufügen, die mit ihren Schuppen die Furche zieht, und wenn dieser vernichtet sein wird, wird wieder ein anderer erscheinen, ein gutgehörnter Hirsch, hungrig vom Gebirge, danach trachtend, sich zu sättigen am giftsprühenden Biest; …
Der „hochnackige Stier“ Valerian wird zwar viel Staub aufwirbeln und der „Schlange“ Šābuhr viel Übel zufügen, er wird jedoch vernichtet werden, eine Anspielung auf die Gefangennahme des Kaisers im Sommer 260. Danach wird der „gutgehörnte Hirsch“ Macrianus erscheinen, ein General Valerians, der nach Gefangennahme des Kaisers die Verteidigung gegen die Perser organisierte und schließlich seine beiden Söhne Macrianus iunior und Quietus zu Augusti ausrief.65 Abschließend heißt es dann im Orakel:66
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dazu auf die Kürze der Darstellung zur Regierung Valerians. Der Dichter erwähne zwar den Regierungsantritt Valerians (13, 155–157), berichte aber nicht über wichtige Ereignisse aus der Zeit des Valerian und des Gallienus (so übergeht er die Christenverfolgung Valerians, den Persereinfall von 260, die Kämpfe gegen Germanen und das gallische Sonderreich). Der „Stier“ sei der römische Legat, der die Schlacht bei Barbalissus gegen die Perser 253 verlor. Die Gestalten „Hirsch“ und „Bock“ bleiben bei Baldus unbestimmt („Bilder für andere Widerstandsgruppen oder ihre Führer“, 254). Auch Schwartz (1976, 414) meint, dass das Orakel kurz nach 253 verfasst wurde. Valerians Gefangennahme sei im Orakel nicht erwähnt (vgl. aber 13, 161). Der Löwe könne daher nicht als Odaenathus gedeutet werden. Eine historische Interpretation der Gestalten der Schlusspassage nimmt Schwartz nicht vor. Orac. Sib. 13, 155–157; Potter 1990, 328 f. Orac. Sib. 13, 158–164: kaˆ tÒte d’ ØyaÚchn taàroj sk£ptwn ÑnÚcessin / ga‹an kaˆ kšrasin kon…hn disso‹sin ™ge…rwn, / ˜rpust¾n kuanÒcrwon dr£sei kak¦ poll£ / ÐlkÕn sÚronta fol…sin ™pˆ d’ aÙtÕj Ñle‹tai. / ºukšrwj d’ œlafoj met¦ tÒnd’ ¼xei p£lin ¥lloj / pein£wn kat’ Ôrh memaëj ™n gastrˆ p£sasqai / „obÒlouj qÁraj·… Vgl. Potter 1990, 329 ff. Das Wort „obÒloj übersetzt von Gutschmid 1893, 269, mit „giftschiessend“, offenbar eine Anspielung auf die persischen Bogenschützen; anders noch Friedlieb 1852, 209 (das „pfeilverwundete Thier“). Beim Bild des „gutgehörnten Hirschen“ dürfte es sich um eine Anspielung auf die aramäische Bedeutung des Namens „Macrianus“ handeln, vgl. Potter 1990, 151; Swain 1992. Zur Gefangennahme des Valerian und ihren Folgen im Osten des Reiches vgl. bes. Kettenhofen 1982, 97 ff.; Millar 1993, 165 ff.; Hartmann 2001, 129 ff.; Goltz/Hartmann 2008, 248 ff.; vgl. zudem Strobel 1993, 244 ff.; Jehne 1996. Zu Fulvius Macrianus (PIR² F 549; PLRE I 528, Nr. 2) und seinen Söhnen, den Usurpatoren T. Fulvius Iunius Macrianus (PIR² F 546; PLRE I 528, Nr. 3) und T. Fulvius Iunius Quietus (PIR² F 547; PLRE I 757 f., Nr. 1), vgl. bes. Hartmann 2001, 133 ff. (mit Literatur); vgl. ferner Potter 1990, 53 f. u. 343 ff.; Bleckmann 1992, 251 ff.; Jehne 1996, 193 ff.; Kienast 1996, 224 ff. Orac. Sib. 13, 164–171: ... tÒt’ ™leÚsetai ¹liÒpemptoj / deinÒj te foberÒj te lšwn pne…wn
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… und dann wird kommen der sonnengesandte, (165) furchtbare und schreckliche Löwe, der große Flammen ausschnaubt. Und dieser wird daraufhin mit großem und schonungslosem Wagemut vernichten den gutgehörnten und schnellen Hirsch und das riesige Biest, das giftsprühende und schreckliche, das viele Zischlaute aussendet, und den geschoßfüßigen Bock; und er wird sodann voll des Ruhmes sein, (170) unversehrt, makellos und unnahbar wird er über die Römer gebieten, die Perser werden leicht besiegt werden.
Der zweite Kompilator beschreibt in diesen Versen die Ereignisse nach dem Zusammenbruch der Ordnung im Osten im Zuge der Gefangennahme Valerians, dem sicher katastrophalsten Ereignis der Soldatenkaiserzeit. Der Konsular und palmyrenische Dynast Septimius Odaenathus übernahm in dieser Situation die römische Macht im Orient, stellte sich dem aus Syrien zurückkehrenden Perserkönig im Herbst 260 am Euphrat entgegen und konnte ihn schlagen (er „vernichtete“ also die „giftpfeileschießende Schlange“), besiegte dann im Herbst 261 vor Emesa im Auftrag des im Westen verbliebenen Kaisers Gallienus den Usurpator Quietus, den Sohn des „gutgehörnten Hirschen“ Macrianus, samt seinem Prätorianerpräfekten Ballista, dem „geschoßfüßigen Bock“. Der Verfasser des Orakels vereinfacht hier allerdings die Ereignisse der Jahre 260/61: Macrianus und seine Söhne Macrianus iunior und Quietus verschmelzen zu einer Gestalt, dem „gutgehörnten Hirschen“. Als dux Romanorum und corrector totius Orientis bekam Odaenathus von Gallienus schließlich die Verwaltung der Orientprovinzen übertragen und führte einen Rachefeldzug gegen die Perser, in dem er 262/63 die Provinz Mesopotamia wiedereroberte und bis Ktesiphon vorstieß. Nach diesem Erfolg nahm er den Königstitel an.67 flÒga poll»n. / d¾ tÒq’ Ó g’ aât’ Ñlšsei pollÍ kaˆ ¢naidši tÒlmV / eÙker£wt’ œlafÒn te qoÕn kaˆ qÁra mšgiston / „obÒlon foberÕn sur…gmata pÒll’ ¢fišnta / toxob£thn te tr£gon (Alexandre 1841/56, Bd. I.2, 76 und Geffcken 1902b, 210 setzen als Konjektur loxob£thn, „schiefgehend“; toxob£thn dagegen in den Handschriften und bei Potter 1990, 176; es handelt sich offenbar um eine Anspielung auf den Namen „Ballista“, vgl. Potter 1990, 343; vgl. auch Friedlieb 1852, 209: „den Schützen, den Bock“; Baldus 1971, 252: „die seitwärtsschreitende Ziege“), ™pˆ d’ aÙtù kàdoj Ñphde‹: / aÙtÕj d¾ ÐlÒklhroj ¢lèbhtoj kaˆ ¥plhtoj (in den Handschriften: ¥plhstoj, „unersättlich“) / ¥rxei `Rwma…wn, Pšrsai d’ œssont’ ¢lapadno…. Vgl. Potter 1990, 341 ff. Auf diese Verse folgt noch ein kurzer Epilog mit der Gottesanrufung der Sibylle (13, 172–173; ¥nax, basileà kÒsmou, qeš, 13, 172), vgl. Potter 1990, 347. 67 Zur Karriere des Odaenathus (PIR² S 472; PLRE I 638 f.) und seiner Position als Kaiserstellvertreter im Orient unter Gallienus vgl. bes. Hartmann 2001, 86 ff. u. 135 ff.; 2008b, 346 ff.; vgl. auch Millar 1993, 157 ff.; Strobel 1993, 247 ff.; Potter 1996; Sartre 2001, 973 ff.; Sommer 2005, 159 ff. Zum Perserzug des Odaenathus vgl. bes. Hartmann 2001, 162 ff. Zu Ballista (PIR² B 41; PLRE I 146), einem General Valerians, den Macrianus zum Prätorianerpräfekten für seinen Sohn Quietus erhob, vgl. Hartmann 2001, 134 f. u. 141 ff.; Goltz/Hartmann 2008, 259 ff.; vgl. auch Birley 1987. Zonaras nennt Ballista irrtümlich „Kallistos“ (in 12, 23 p. 595, 10 CSHB: K£lliston; anders in 12, 24 p. 599, 3: Ball…stan), was zuweilen für seinen eigentlichen Namen gehalten wird, vgl. etwa Kettenhofen 1982, 109; Millar 1993, 166 f.; Eadie 1996, 148. Hier liegt aber ein Überlieferungsfehler vor, vgl. Bleckmann 1992, 117; Potter 1990, 344 f.; Brecht 1999, 260. Zu den jüdischen Erwartungen in die Herrschaft des Odaenathus und
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Udo Hartmann
Für den Autor des Orakels ist Odaenathus der unbesiegbare Retter des Orients, der von Gott gesandte „König“, der die Persergefahr beseitigt sowie den Frieden und die innere Ordnung wiederhergestellt hat. Der „Sonnenlöwe“ besiegte die persische „Schlange“ und alle Usurpatoren im Osten. Die Vernichtung der „Schlange“ in Zeile 167–168 spielt dabei wohl auf den Sieg des Odaenathus über Šābuhr am Euphrat im Jahr 260 an, die zweite Notiz in Zeile 171 dagegen auf den Sieg im Perserzug von 262/63. Unter der Regierung des von Gott gesandten Erlösers herrscht Frieden und Wohlstand im römischen Orient, Odaenathus ist für den Dichter der charismatische, „unnahbare“ und mächtige Herrscher des Ostens, auf ihn richten sich die Hoffungen des orientalischen Provinzialen und Juden. Der in den 260er Jahren formal auch im Orient regierende Kaiser Gallienus taucht in seinen Reflexionen nicht mehr auf.68 Die beiden syrischen Rettergestalten sind für den Verfasser 253 bzw. in den 260er Jahren die maßgeblichen Bezugsgrößen. Die römischen Kaiser erscheinen zwar als die Herrscher des Reiches, sie sind jedoch fern, zerstritten oder im Kampf erfolglos. Gordian III. sinkt – von einem Freund verraten – in der Schlachtenreihe gegen die Perser nieder. Auch Philippus Arabs kommt durch eine List „eines älteren Königs“ (Decius) ums Leben. Der „Herr der Italiker“ Decius fällt in der Schlacht, Bürgerkriege vernichten Trebonianus Gallus und Aemilianus.69 Diese Soldatenkaiser stehen für Hunger, Pest, Blitze, Erdbeben und schrecklichen Krieg, für Aufruhr unter den Städten, für Plündern und Morden, für blutige Herrscherwechsel sowie für die Kriege gegen die „Barbaren“ und ihre Kosten.70 Sie sind im Laufe des 3. Jahrhunderts immer weniger in der Lage, gegen die Perser vorzugehen und den Wohlstand im Orient zu sichern; die römischen Heere werden 253 von Šābuhr ver-
dem später gespannten Verhältnis zwischen den Juden in Palästina und Babylonien und den palmyrenischen Dynasten vgl. bes. Hartmann 2001, 199 u. 324 ff. 68 Der von der Sonne gesandte König aus dem Osten, der den Frieden wiederherstellt, wird auch in älteren jüdischen Orakeln als Erlöser prophezeit, vgl. Orac. Sib. 3, 652: kaˆ tÒt’ ¢p’ ºel…oio qeÕj pšmyei basilÁa, / Öj p©san ga‹an paÚsei polšmoio kako‹o. Der „Sonnenlöwe“ symbolisiert den Sieger über die orientalischen Barbaren. Als Symbol für den Sieg über Parther bzw. Perser findet er sich auf Münzen des Caracalla von 216 (vgl. Goldmünze RIC IV.1 254, Nr. 283 a aus Rom) und des Uranius Antoninus von 253/54 (Nachbildung der Reversdarstellung Caracallas auf RIC IV 3, 205, Nr. 6 aus Emesa; Baldus 1971, 145), vgl. Baldus 1971, 128 ff. (Caracalla und Uranius Antoninus als Inkarnation des Alexander-Helios); zur Symbolik des Sonnenlöwen vgl. auch Baldus 1971, 158 u. 177; Potter 1990, 326 f. u. 342. 69 Zu Gordian III.: Orac. Sib. 13, 19–20; Collins 1983, 454; Potter 1990, 199 ff.; Strobel 1993, 214; Körner 2002, 78; Philippus: Orac. Sib. 13, 79–80; Strobel 1993, 230 (Decius als der „ältere König“); Körner 2002, 305 f.; vgl. auch Potter 1990, 254 ff. (Vers 80 bleibe „obscure“); Decius: Orac. Sib. 13, 100–102; Collins 1983, 456; Potter 1990, 278 ff.; Strobel 1993, 230; Gallus und Aemilianus: Orac. Sib. 13, 142–146; Olmstead 1942, 405 f.; Collins 1983, 457; Potter 1990, 314 ff. 70 Zu Hunger, Pest, Blitzen, Erdbeben und Krieg: Orac. Sib. 13, 9–12 (unter Gordian III.); 106– 107 (unter Gallus); 147–148 (unter Aemilianus); Potter 1990, 187 ff.; 289 f.; 323; Städte: Orac. Sib. 13, 107–108 (unter Gallus): kaˆ pÒlemoi deinoˆ ¢katastas…ai te pol»wn / œssont’ ™xap…nhj. Plünderung und Morden: Orac. Sib. 13, 87–88 (unter Decius); zu den Herrscherwechseln und den Kriegen s. o.
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nichtet und in die Flucht gejagt, Valerian kann der „Schlange“ schaden, wird aber schließlich selbst vernichtet.71 Auch der orientalische Kaiser Philippus Arabs und seine Dynastie werden vom Autor eher ambivalent beurteilt: Der Kriegsheld stellte zwar den Frieden wieder her, die Blüte im Orient, insbesondere in der Provinz Arabia, war aber nur von kurzer Dauer. Die Sibylle prophezeit das Erscheinen des arabischen Kaisers mit den Versen:72 Bald aber herrscht dann ein purpurliebender Kriegsheld, aus Syrien stammend, ein Schrecken des Ares, …
Für einige Zeit können er und sein Sohn den Frieden wiederherstellen, diese Befriedung der Lage an der Ostgrenze bleibt aber nur eine kurze Episode:73 … Sobald sie aber in den Kriegen herrschen und Gesetzgeber geworden sein werden, wird der Krieg eine kurze Zeit aufhören, aber nicht andauernd.
Die Sibylle beklagt sodann das „standhafte Antiochia“, da der drückende Ares die Stadt nicht verlässt und ein „assyrischer Krieg“ sie bedrängt.74 Der Dichter erwähnt auch den in Antiochia residierenden Bruder des Kaisers, Iulius Priscus, der als rector Orientis den Schutz des Ostens vor den Persern übertragen bekam,75 und rühmt die Ausschmückung der Städte in der Provinz Arabia mit Tempeln, Stadien, Plätzen und breiten Straßen durch Philippus, vor allem den Ausbau von Bostra und Philippopolis, dem Geburtsort des Kaisers. Bostra und Philippopolis werden dann aber großes Leid erfahren, alle astrologischen Kenntnisse werden ihnen nichts nützen.76 71 Zu Šābuhrs Sieg: Orac. Sib. 13, 111 (`Rwma…ouj d’ Ñlšsousi SÚroi PšrsVsi migšntej – Šābuhr zusammen mit dem Syrer Mareades, vgl. Potter 1990, 297 f.; Hartmann 2006, 116); 150 (kaˆ tÒte `Rwma…wn fug¾ œssetai); Valerian: Orac. Sib. 13, 160–161, vgl. Potter 1990, 331 ff. 72 Orac. Sib. 13, 21–22: aÙt…ka d’ aât’ ¥rxeie filopÒrfuroj a„cmht»j te / ™k Sur…hj profane…j, ”Areoj fÒboj. Unzutreffend Strobel 1993, 214 (Philippus’ Regierung „erfährt eine im Grunde positive Würdigung“); anders Potter 1990, 153. 73 Orac. Sib. 13, 25–27: … ¹n…ka d’ oátoi / ™n polšmoij ¥rxousi, qemistonÒmoi dὲ gšnwntai, / ¥mpausij polšmou baiÕn œssetai, oÙk ™pˆ dhrÒn. Vgl. Olmstead 1942, 257; Potter 1990, 220 ff. 74 Orac. Sib. 13, 59–60; Potter 1990, 245. 75 Orac. Sib. 13, 61–63. Zur Deutung der Passage als Anspielung auf Iulius Priscus vgl. Potter 1990, 244 ff.; Dodgeon/Lieu 1991, 47 u. 359, Anm. 34; vorsichtiger Körner 2002, 128. Von Geffcken (1902a, 62, Anm. 2) und Olmstead (1942, 262) wird Orac. Sib. 13, 59–63 dagegen auf Iotapianus (Anm. 53) bezogen. Zu Iulius Priscus (PIR² I 488) und seiner Stellung als Kaiserstellvertreter im Orient vgl. bes. Potter 1990, 213 ff. u. 245 f.; Millar 1993, 155 f.; Feissel/ Gascou 1995, 80 ff.; Peachin 1996, 174 ff.; Hartmann 2001, 81 u. 157 f.; Körner 2002, 54 ff.; Huttner 2008, 187 ff. 76 Zu den Ausschmückungen: Orac. Sib. 13, 64–68; Leid: Orac. Sib. 13, 68–73; Potter 1990, 247 ff.; vgl. auch Strobel 1993, 230; Körner 2002, 214 u. 227 f.; Oenbrink 2006, 261. Besondere astrologische Kenntnisse in diesen Städten sind sonst nicht bezeugt; auf einem Mosaik mit einem Aion-Motiv aus Philippopolis aus der Zeit des Philippus Arabs finden sich aber entspre-
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Die Sibylle sagt hier die kurze Blüte der beiden arabischen Städte unter Philippus Arabs vorher. Der arabische Kaiser war also im Ansatz auch eine Rettergestalt, er blieb jedoch erfolglos, der Kriegsgott verließ Syrien nicht, den Fördermaßnahmen für Arabia war kein langfristiger Erfolg vergönnt.77 Der Autor sieht sich somit einerseits als Bürger des Römischen Reiches und grenzt sich von den umwohnenden „Barbaren“ ab, er glaubt an die Sieghaftigkeit und den Bestand des Römischen Reiches. Bestimmend für seine Identität ist jedoch seine orientalische Perspektive. Die Probleme im Westen des Reiches interessieren ihn kaum; die schnellen Herrscherwechsel und die Bürgerkriege sowie der Misserfolg der Kaiser beim Schutz der Grenzen reduzieren für den Verfasser die Bedeutung dieser Herrscher im fernen Rom. Gallus erschien nicht im Osten, als Šābuhr im Jahr 253 vor Antiochia stand, Gallienus blieb nach der Gefangennahme seines Vaters in Italien. An ihre Stelle treten im Selbstverständnis des Orientalen syrische Regionalherrscher, die jedoch als Vertreter Roms gesehen werden. Die regionalen syrischen Interessenvertreter sichern die Unverletzlichkeit und Mächtigkeit Roms, schlagen die Perser, stellen Frieden und innere Ordnung wieder her. Die so restaurierte pax Romana sichert eine beständige Blüte des Orients. Der Autor blickt daher optimistisch in die Zukunft. Verurteilt werden aber illegitime Bestrebungen, aus persönlichen „räuberischen“ Interessen die Macht im Osten zu erlangen, da sie Bürgerkriege und Schrecken nach sich ziehen. Noch schärfer brandmarkt der Verfasser aber Kollaborateure, die mit den Persern gemeinsame Sache machen und so den Römern unendliches Leid bringen. Die Verse spiegeln damit zum einen die römische Identität des Syrers: für ihn ist es lebenswichtig, dass die römische Ordnung aufrecht erhalten und das Reich vor den Persern geschützt wird; zum anderen verdeutlichen die Verse aber auch das orientalische Selbstbewusstsein des Autors: Die orientalischen Eliten,78 die seit den Severern auch verstärkt in den römischen Senat aufgenommen wurden, erwarteten in dieser Krisenphase keine Hilfe mehr aus Rom, sondern nahmen unter der Regentschaft regionaler Herrscher ihre Geschicke in die eigene Hand. Mit dem Konsular und König Odaenathus verbinden sich so die posichende Symbole, vgl. Quet 1999. Die Klage über das Leid in Bostra und Philippopolis sollte nicht als Neid des orientalischen Autors auf die Bewohner der geförderten Städte in Arabia gedeutet werden, der nun schadenfroh ihren Niedergang konstatiert (so aber Körner 2002, 227; vgl. Strobel 1993, 230: Verse „vom Konkurrenzdenken gegen die so geförderten und aufsteigenden Städte Arabiens gespeist“). 77 Zu den Baumaßnahmen in Philippopolis unter Philippus Arabs vgl. Freyberger 1992; Körner 2002, 211 ff.; Oenbrink 2006 (mit Literatur). Nach der Ermordung des Philippus Arabs wurde der Ausbau der Stadt eingestellt, das Ensemble blieb unvollendet, vgl. Freyberger 1992, 295; Körner 2002, 214. Zu den Fördermaßnahmen des Philippus Arabs für Bostra vgl. bes. Körner 2002, 226 f. (mit Literatur). 78 Dass der Dichter selbst zur gebildeten provinzialen Oberschicht Syriens gehörte (so Potter 1990, 153, der ihn für einen Heiden hält), bleibt zweifelhaft: Sein Mangel an Kenntnissen zur Reichsgeschichte und seine schlechten Verse sowie nicht zuletzt sein Judentum machen dies wenig wahrscheinlich. Er dürfte wohl den städtischen Mittelschichten Syriens angehört haben; nach Strobel 1993, 212 u. 253, war er nur durchschnittlich gebildet; seine zeitgeschichtlichen Kenntnisse seien „repräsentativ für ein ‚Geschichtswissen‘ breiterer großstädtischer Bevölkerungsschichten“ (für Strobel allerdings in Alexandria, 1993, 253).
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tiven Erwartungen des Autors und der Orientalen in der Mitte der 260er Jahre nach einer neuen Blüte. Das Orakel spiegelt damit ein erstarkendes Selbstbewusstsein im römischen Orient in dieser Periode.79
ABKÜRZUNGEN CAH² CFHB CSHB EIr FHG GCS GenR MGH AA PIR² PLRE PO RE RIC ŠKZ TAVO
The Cambridge Ancient History. Second edition Corpus Fontium Historiae Byzantinae Corpus Scriptorum Historiae Byzantinae Encyclopaedia Iranica Fragmenta Historicorum Graecorum (hg. v. Carl Müller) Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte Genesis Rabba Monumenta Germaniae Historica, Auctores Antiquissimi Prosopographia Imperii Romani saec. I. II. III. Editio altera Prosopography of the Later Roman Empire Patrologia Orientalis Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft Roman Imperial Coinage Tatenbericht Šābuhrs I. an der Ka‘ba-i Zardušt Tübinger Atlas des Vorderen Orients
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Dr. Udo Hartmann, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für klassische Altertumskunde, Olshausenstraße 40, D-24118 Kiel; e-mail: uhartmann@email. uni-kiel.de
KING – CAESAR – GOD. ROMAN IMPERIAL CULT AMONG NEAR EASTERN “CLIENT” KINGS IN THE JULIO-CLAUDIAN PERIOD Andreas Kropp A paper on Roman imperial cult requires some justification. Recent years have witnessed a flood of publications on the imperial cult,1 revisiting and elaborating on its internal dynamism, social significance, religious ramifications, and its manifold manifestations in all media.2 The present paper does not claim to be an exhaustive treatment of any of these points, but rather to extend the inquiry to an area, which is usually overlooked. The discussion is usually limited to two levels of cult organisation, municipal and provincial. Rarely is its third constituent taken into account, the organisation of emperor worship outside provincial boundaries, instituted by local dynasts, whom modern scholarship designates as Roman “client” kings.3 Specifically, this is an architectural study of the four Near Eastern Augustea (temples to the emperors) of the Julio-Claudian period, which have left their imprint on the material record, three of which were built by Herod the Great of Judaea. The monuments are analysed as visual articulations of the political agendas of their builders, expressing their loyalty, gratitude and proximity to the emperor in Rome. The “Vergottung” of Augustus was carried out in the entire Roman empire. The worship of the emperor proved to be a powerful binding force and set a precedent for all principes who followed in his footsteps. New institutions were set up for the imperial cult, at the city level and also at the level of Roman provinces, with temples built for Roma and Augustus, an annual priesthood (archiereus) and annual games. The immense popularity of Augustus can be gauged from the fact that 34 cities of Asia are attested to have instituted such games, more than for any other emperor,4 of which the most important ones were the four-yearly agon of Rhomaia 1
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Already the name is contentious. It has been suggested to replace the term with neutral expressions such as emperor “worship”, Gradel 2002. The cult did work on various levels and had disparate manifestations, but in my view there is a sufficient homogeneity of practice to justify a definite article in the singular. Herz 2005 provides a critical overview of recent literature. See also Millar 1984; Zanker 1987, 294–319; Hidalgo de la Vega 1998; Beard/North/Price 1998 I, 348–363; Clauss 1999; Friesen 2001, 5–131; Gradel 2002. Asia Minor has received particular attention, see Price 1984; Friesen 1993; Herz 2003; Burrell 2004. A useful misnomer, whose validity is vigorously defended by Rich 1989. On Roman client kingship, see Braund 1984; Marshall 1968; Cimma 1976; Jacques 1991; Kotula 2005; Coşkun 2005; Lehmann 2005; Near Eastern client kings in particular, Kahrstedt 1926; Buchheim 1960; Schalit 1969, 146–67; Schürer I 1973, 316 f.; Sullivan 1989; Paltiel 1991; Sartre 2001, 498– 527; Butcher 2003, 87–98; Kaizer/Facella (forthcoming). Price 1984, 53–77; we also know of 14 temples for municipal cults erected throughout Asia
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Sebasta at Pergamon. In the well-known case of Asia and Bithynia, Octavian gave permission for the first provincial cult to be set up at Ephesus and Nicaea in 30/29 BC,5 and seems to have taken personal interest in its practical arrangements, such as the hymns to be sung to him by a choir.6 Games, honours and pledges of loyalty were often extended to the imperial family, especially in the eastern provinces.7 In the Roman province of Syria (figs. 1–2), which in this respect still awaits a comprehensive study, the imperial cult was organised on a communal basis.8 The koinon of Syria with its main seat at Antioch was subdivided into three (later four) sub-districts, which did not all correspond to the political districts9 and were confusingly called provinces or eparchies. An inscription from Apamea mentions a certain Dexandros, the first high priest of the cult with its seat at Antioch.10 There are two more inscriptions to attest the provincial cult of Syria in the reign of Augustus, one from Arados11 and one from Gerasa dated to AD 9/10.12 On a municipal level, the imperial cult is better attested. Gerasa, one of the few Near Eastern poleis with a substantial epigraphic record, has yielded seven epigraphic documents,13 one under Tiberius,14 one under Nero,15 another one still in the first century,16 two under Trajan,17 one under Hadrian18 and one of the third century.19 Palmyra boasted a Kaisareion, in which M. Aurelius, Lucius Verus and Aurelian were honoured.20 Statues of Tiberius, Drusus and Germanicus as synnaioi
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during the lifetime of Augustus, Hänlein-Schäfer 1985, 16 f. Dio 51, 20, 6–9. The passage also makes clear that arrangements were different for “Hellenes” and for Roman citizens; the latter were ordered to install a cult to Dea Roma and Divus Julius. Such a singular distinction, if ever put into practice, was soon abandoned in Asia, and other provincial cults were set up for all cives Romani et peregrini, Herz 2003, 134–138 and 147 f. Detailed prosopography of all the known archiereis tēs Asias of the imperial cult in Campanile 1994; Campanile 2006. Millar 1984, 54. Millar 1984, 55; Herz 2003, 143, no. 47. Sartre 2003; Rey-Coquais 1978, 53 f.; Gebhardt 2001, 305–10; Butcher 2003, 370 f.; Butcher 2004, 13; Lichtenberger 2003, 320 f. This is the case of Coele Syria, an entity, which disappeared from the political map in the second century AD at the latest, but continued to function as a unit of a communal imperial cult centred on Damascus, cf. Rey-Coquais 1978, 53 f.; Sartre 2003, 174–181; Kropp 2006, 135 contra Lichtenberger 2003, 17. Rey-Coquais 1973, 41–46, no. 2; AE 1976, 678; BE 1976, 718. IGLS 7, 4012. Seigne 1997, 139; Gatier 2002, 277–281. This makes Gerasa one of the earliest cities with inscriptions referring to the imperial cult in the whole empire, Lichtenberger 2003, 321; cf. Hänlein-Schäfer 1985, 16–19. Listed in Lichtenberger 2003, 237 f.; Sartre 2003, 184 f. Welles 1938, 373 f., no. 2. Welles 1938, 397, no. 49. Lazzarini 1989, 48, no. 8. Welles 1938, 379 f., no. 10; 442–46 no. 192, the latter one on games in honour of Trajan. Welles 1938, 399 f., no. 53; Butcher 2003, 371. Welles 1938, 440 f., no. 188. PAT 2769; Parlasca 1985, 348, no. 31; Kaizer 2002, 44 f.; Delplace 2005. It is a dedication of an equestrian statue under Marcus Aurelius and Lucius Verus.
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theoi were set up in the temple of Bel.21 A priest of the divine Claudius is attested in Tyre.22 From Samaria Sebaste comes the torso of a high-quality over-lifesized imperial statue, which Fittschen dates to the Augustan period.23 Petra has recently yielded traces of sanctuaries of at least two emperors, Trajan (“Small Temple”)24 and Marcus Aurelius (temenos of the Qasr al-Bint).25 In Palestine, a slightly over life-size bronze statue of Hadrian, now in the Israel Museum of Jerusalem, indicates that the emperor was worshipped in the sacellum of the camp of a vexillatio of the legio VI Ferrata 11 km south of Scythopolis.26 The reign of Philip the Arab sparked a cult for his “dynasty”, including his father and his brother, which took roots in his natal town Philippopolis and probably also in Philadelphia/‘Ammān.27 Cults to Roma and Augustus are attested in Bostra28, Sidon29 and Abila of Lysanias30. This rapid overview, which excludes countless dedications starting “for the health of the emperor …” is in fact an almost comprehensive list of inscriptions on the imperial cult in the Near East. As with all epigraphic evidence, this region falls far behind Asia Minor.31 It is astonishing how few officials of the imperial cult, who must have been recruited from the highest strata of the cities of the Near East, have recorded their titles and curricula. The lack of architectural evidence for Augustea, except the four examples to be discussed here, and the apparent absence of the title neokoros for cities with a temple to the emperor,32 may be explained by the cult’s being housed in the temples of other deities, especially the main sanctuaries of each respective city.33 The close link between the cult of Zeus Olympios and that of the emperor at Gerasa has long been noticed.34 Likewise, the cult of Artemis of Gerasa seems to be linked to the empresses, since one inscription attests a Deana Augusta35 and the coinage shows an occasional iconographical “Angleichung” of Artemis with empresses.36 Further 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32
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Dedicated by the imperial legate Minucius Rufus, Drijvers 1977, 838; Kaizer 2002, 37. Rey-Coquais 2006, no. 377. Fittschen 2002. Being dressed in muscle cuirass, this does not seem to be a cult statue. Karz Reid 2005. Kropp 2004. Lichtenberger 2003, 161. From Scythopolis itself comes a headless twice life-size cuirassed marble statue of an unknown emperor, ibid. Lichtenberger 2003, 271. The theatre of ‘Ammān has also yielded a marble cuirassed statue of Hadrian, Weber 2002, 509 f., D 8. IGLS 13, 9143. Rey-Coquais 1978, 48. Hajjar I 1977, 179, no. 165; Rey-Coquais 1978, 47 f.; Millar 1993, 311. Butcher 2003, 288 f. One exception appears to be Neapolis in Palestine, which on civic coins under Philip the Arab calls itself NEAPOLI NEOCORO COL, BMC Palestine, 66–67 nos. 130–34. For the title neokoros in Asia Minor, cf. Friesen 1993; Burrell 2004; Herz 2005, 638 f. A phenomenon described for Asia Minor in Price 1984, 146–69. The priest of Tiberius, Welles 1938, 373 f., no. 2, donates money for the construction of the temple of Zeus Olympios, while the priest of Trajan, Welles 1938, 379 f., no. 10, dedicates a statue to Zeus Olympios. Welles 1938, 390 f., no. 30. Lichtenberger 2003, 196.
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“Angleichungen” of Heracles-Melqart with Elagabal in Gadara, Heracles with Titus and Domitian in Philadelphia-‘Ammān, and the supreme divine couple of Hippos with various imperial couples, may correspondingly indicate the worship of these emperors in these cities.37 1. HEROD’S THREE AUGUSTEA The relative poverty of evidence for the imperial cult in the early principate throws the pioneering efforts of Herod into high relief.38 In the Roman world at large, Herod was one of the first to establish a cult to Augustus.39 The Judaean king continuously displayed his loyalty by naming particular buildings after members of the imperial household (Sebastos, Agrippeion, Tibereion, Drouseion etc.). “Yet did he not preserve their memory by particular buildings only, with their names given them, but his generosity went as far as entire cities”.40 In addition, in Sebaste, Caesarea and Paneas, he also established cults of his benefactors (figs. 2–3). These were the only non-Jewish cults to receive Herod’s support, a fact, which indicates that this violation of his Jewish beliefs was as a concession for political motives.41 This fact is all the more striking, since the Jews of all people had an adequate excuse for refraining from imperial worship: the requirements of Jewish monotheistic faith were recognised and respected by Caesar and Augustus.42 The initiative for imperial worship was therefore not only spontaneous, but also a particularly bold and significant step “well beyond the call of duty”.43 That Herod’s motivation was also gratitude can be seen from the fact that these three cities were all gifts of Octavian/ Augustus, which he received upon presenting himself as a defeated client of Mark Antony after Actium.44 Establishing this cult, which was a special prerogative of professed Rome-enthusiasts like Herod and Juba II of Mauretania, required an imperial permission45 and was therefore also proof of personal friendship with the emperor. In Jerusalem a full-fledged cult of the emperor, with a proper temple and clergy, was of course unthinkable. Here Herod had to content himself with instituting athletic contests in honour of the emperor.46 Meanwhile the Temple priests con37 Lichtenberger 2003, 321. Another striking example is the uncanny resemblance of Melqart with Trajan, and later Elagabal, on the provincial tetradrachms of Syria, Prieur/Prieur 2000, nos. 113–118; 211–224; BMC Phoenicia, pl. XXXVI, 2–6; XXXVII, 4. 38 On the life and deeds of Herod, the most important work is still Schalit 1969; see also Otto 1913; Momigliano 1934; Jones 1938; Schürer 1973, I 287–329; Richardson 1996; Kokkinos 1998; Sartre 2001, 507–515 and 530–536; Günther 2005; Wilker 2005; Bloch 2006; Wilker 2007. 39 Cf. Hänlein-Schäfer 1985, 16–19; Bernett 2007 appeared just at the time of writing and could therefore not be integrated into this study. 40 Ios. Bell. Iud. 1, 403. 41 Japp 2000, 26 f. 42 Ios. Ant. Iud. 16, 162–6; 14, 213; Geiger 1997, 79 f.; Sartre 2001, 554 f. 43 Geiger 1997, 79. 44 Ios. Bell. Iud. 1, 386–393; Ant. Iud. 15, 187–193. 45 Otto 1913, col. 67. 46 Ios. Ant. Iud. 15, 268.
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tinued an old tradition of making sacrifices to (or on behalf of) gentile rulers. According to Philo, Augustus himself ordered for all time daily sacrifices of two lambs and a steer at the expense of the emperor.47 1.1 Samaria-Sebaste – Herod’s Palatine With the settlement of Alexander’s Macedonian settlers, Samaria (50 km north of Jerusalem), the former residence of king Omri and capital of the kingdom of Israel in the Iron Age, became a city of predominantly Greek culture with pagan cults (figs. 4–5).48 This Hellenised population fell victim to the violent expansionism of the Hasmonaeans. The sons of John Hyrcanus conquered and destroyed Samaria in 107 BC. It was probably left in ruins until Pompey restored it to its citizens in 63 BC49 and Gabinius undertook the reconstruction in 57 BC.50 The growth and flourishing of this strong, mid-sized town strategically placed at the crossroads of a number of important arteries only came with Herod. Already during his struggle for the Judaean diadem (41 to 37 BC), this nominally autonomous Greek polis had been one of the few cities to support Herod with unflinching loyalty. It was his main base of operations in the decisive siege of Jerusalem51 and later the place where he married Mariamne, the Hasmonaean princess.52 It was finally given to Herod by Octavian as a token of friendship in the immediate aftermath of the battle of Actium.53 In 27/25 BC54 Herod undertook the re-foundation of the city as Sebaste. “For when he had built a most beautiful wall around Samaria, twenty stades (in circumference), and had brought 6,000 inhabitants into it, and had allotted to it a most fertile piece of land, and in the midst of this city had erected a very large temple (naos) to Caesar, and had laid round about it a precinct (temenos) of three half-stades (in circumference), he called the city Sebaste, from Sebastos or Augustus, and granted the city an excellent constitution”.55 “This he did because of his ambition (philotimia) to erect it as a new city”.56 In such descriptions, almost certainly based on the detailed official account written by Nicolaus of Damascus, the Hellenistic royal tradition of city-founding and public beneficence comes to the fore. The monumentalisation of Sebaste is described with a terminology borrowed from Hellenis47 Philo Leg. ad Gaium 157, 317; Ios. Bell. Iud. 2, 197; the sacrifice was offered regularly until the outbreak of the Jewish War in AD 66, Ios. Bell. Iud. 2, 409 f.; cf. Schürer I 1973, 379 f. and 486; Schürer II 1979, 311 f. 48 Schürer II 1979, 160–164 and Barag 1993, 3 f. with abundant literary sources; pagan cults, Millar 1987, 114 f. 49 Ios. Bell. Iud. 1, 156; Ant. Iud. 14, 75. 50 Ios. Bell. Iud. 1, 166; Ant. Iud. 14, 88. 51 Ios. Bell. Iud. 1, 300 and 315; Ant. Iud. 14, 408 and 431. 52 Ios. Bell. Iud. 1, 303 and 344; Ant. Iud. 14, 467. 53 Ios. Bell. Iud. 1, 396; Ant. Iud. 15, 217. 54 No agreement on the date has been reached, cf. Schürer I 1973, 290 f., n. 9. 55 Ios. Bell. Iud. 1, 403; cf. Ant. Iud. 15, 293 and 297 f.; Strabo 16, 2, 34 (760). 56 Ios. Ant. Iud. 15, 296.
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tic courts: “He made it splendid in order to leave for posterity a monument of the humanity (mnemeîa philanthrōpias) that arose from his love of beauty”.57 Sebaste remained a staunch supporter of Herod. It is here that in 7 BC Herod carried out a delicate political matter, the execution of two alleged conspirators, Alexander and Aristobulos, his own sons by Mariamne.58 As the last descendants of the Hasmonaean line, the two young men were dangerous for Herod for the great sympathy they enjoyed among the Jewish population, which was secretly hoping for their swift succession. Sebaste was obviously the one place where Herod did not need to fear uprisings. The loyalty of its citizens was still evident after the death of Herod. Roman troops managed to quell the ensuing civil unrest thanks to an elite corps of the royal army, a unit of 3,000 Sebastenoi.59 The excavators of Samaria (1908–10) found parts of the city walls mentioned by Josephus. They identified the Augusteum with the remains of the predecessor of the large sanctuary on the summit of the city’s hill (ca. 440 m above sea level), based on the masonry technique,60 which also resembles that of the presumed Herodian basilica in the lower city.61 However the only remains left in situ are the podium foundations. The Augusteum at Sebaste (figs. 6–7)62 was hence situated in the city centre, as were imperial sanctuaries in Pisidian Antioch63 and Cyrene.64 Its dominant position on a hilltop and an additional high platform made it a landmark to be seen from afar. The temenos was a quadriporticus of 62 m by 51–53 m (trapezoidal), which required an enormous amount of filling and up to 15 m high retaining walls at the front (north) to create level ground. The entire complex had one access through a stairway of 7.5 m width from the east,65 while its principal access was probably to the north, at the centre of the northern portico, though it has not been revealed by excavations. As Netzer’s reconstruction shows (fig. 7), a free-standing monumental stairway leading to the northern entrance of the temenos would have needed tall vaulted substructures to bridge the difference in levels.66 The cella was not part of this square, but pushed back behind the southern portico so that its frontal monu57 Ios. Ant. Iud. 15, 298. Wacholder 1989, 156 shows that in the original fragment GLAJJ 95 of Nicolaus, Herod’s philanthrōpia is even more emphasised. Further analysis in Lichtenberger 1999, 91 f. 58 Ios. Bell. Iud. 1, 551; Ant. Iud. 16, 394. 59 Ios. Bell. Iud. 2, 52; 58; 63; 74; Ant. Iud. 17, 266; 275 f.; 283; 294. The Sebastenoi were later integrated as auxiliaries into the Roman army, Schürer 1973, I 363–365. 60 Avigad 1993, 1307 observes “ashlars … with typical Herodian margins”. On Herod’s trademark drafted masonry, see Jacobson 2000. 61 Reisner/Fisher/Lyon 1924, 48. 62 Reisner/Fisher/Lyon 1924, 47–49 and 167–190; Hänlein-Schäfer 1985, A 47; Kuhnen 1990, 178–180; Avigad 1993, 1307; Barag 1993; Lichtenberger 1999, 84–88; Japp 2000, 146–149; Netzer 2006, 85–92. Roller 1998, 209–212 is riddled with factual errors, e. g. declaring Sebaste’s Augusteum “the world’s first temple to Augustus” (211). 63 Hänlein-Schäfer 1985, A 43. The identification of the temple is not entirely certain. 64 Hänlein-Schäfer 1985, A 52. 65 Barag 1993, 12. 66 Netzer 1987, figs. 4–5; Netzer 2006, fig. 21.
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mental stairway (20 m deep, 22 m wide, bridging the podium height of 4.40 m) started on one axis with the back wall of the portico.67 This arrangement finds its predecessors in Hellenistic temple complexes such as the temple of Zeus at Priene.68 With a ground plan of 24 m by 34 m, Sebaste’s Augusteum is the third largest of the 15 examples whose measurements are known.69 It was an octastyle prostyle of Corinthian order with a tight or pyknostyle arrangement.70 Pyknostyle temple colonnades have intercolumniations measuring 1.5 times the column diameter (or less), as Vitruvius explains;71 the first preserved example is the Temple of Venus Genetrix on the Forum of Caesar.72 Such a density of columns became a trademark of Augustan temples, such as the Temple of Mars Ultor,73 which must have been the models for Herod’s architects. One reconstruction sees the cella as tripartite, with the nave spanning 12.45 m in width and the aisles only 2 m each. But such narrow aisles for such a large structure seem doubtful. Netzer rightly proposes a peripteros with an undivided naos of 24 m by 12.45 m.74 Temple and precinct were part of a larger complex forming the Herodian acropolis of Sebaste enclosed within a polygonal fortification ring with several rectangular towers of various sizes. To the north the walls coincide with the limits of the portico and look out over the steep slope of the hill. To the south the so-called “apsidal building” is integrated into the fortification (fig. 6).75 This is a transversal building of 25 m by 34.5 m with three naves, of which the central one (13 m by 11 m) terminates in an apse with lateral rooms. To the west of the temple lies the “atrium house” (fig. 8) at ca. 1 m below the level of the temenos and roughly aligned with the temple and the “apsidal building”.76 With a surface of 790 m2 it has roughly the same size (28.5 m by 24 m) as the villas of well-off Romans, such as the House of the Vettii in Pompeii. Of the western half, where the entrance is presumed, almost no traces are left. At the centre of the structure is a Doric peristyle of 13.5 m by 12.7 m (interior 6.6 m by 5.5 m) with heart-shaped stuccoed columns at the corners, which gave access to all the surrounding rooms. One of the few excavated 67 However, the stairway in its present state is probably a Severan restoration, Avigad 1993, 1307. 68 Hänlein-Schäfer 1985, 46; Hoepfner/Schwandner 1994, 203 f. 69 Hänlein-Schäfer 1985, 61; the two largest ones are at Ancyra and Lepcis Magna. The Sebastean Augusteum was rebuilt, apparently in the Severan period, exactly according to its original plan, Avigad 1993, 1307. 70 Fischer 1990, 14 f.; Barag 1993, 7. 71 Vitr. 3, 3, 2. Cf. Gros 1996, 141. 72 Gros 1996, 212 f. Among the innovative features of this influential Temple were – 1) pseudoperipteros – 2) pyknostyle – 3) apsidal cult niche – 4) slender columns 10 times as high as they were wide, Gros 1996, 141; Ganzert 2000, 87. 73 Ulrich 1993, 66–71; Gros 1995; Gros 1996, 141 f. Foerster 1995, 109–13 also finds close parallels between the Corinthian capitals of Herod and those of Augustan Italy. Cf. Gros 1996, 145–149. 74 Netzer 2006, 87. 75 Reisner/Fisher/Lyon 1924, 180. 76 Reisner/Fisher/Lyon 1924, 180–185.
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rooms revealed plain white mosaics with black frames, similar to the ones in the northern palace of Masada77 and Herod’s first palace at Jericho.78 It also yielded large amounts of fresco fragments in white, red, purple and green, which originally seem to have formed a first-style decoration.79 At the northeastern corner of the “atrium house” was a simple bath without hypocausts, water pipes or drainage, consisting of a plastered tub.80 Obviously a luxurious private dwelling, it shows some resemblance with Hellenistic and Roman peristyle houses in Pergamon (fig. 10)81 and in the theatre quarter of Delos.82 Along the northern wall of the house a stairway led up to the temenos. The excavators plausibly concluded that all the elements of this complex formed a single architectural unit; the “atrium house” was probably one of Herod’s many palaces, while the “apsidal building” may have served representative purposes such as banquets.83 Taken together, the complex formed a “fortified royal castle”.84 The terraced organisation of the temple architecture can be attributed to both Hellenistic and Roman roots.85 The Roman model is particularly likely: the public architecture of Sebaste, such as the forum on the northeastern slope of the acropolis hill (128 m by 72.5 m), is of conspicuously Italic making, with a triple roofed portico and a three-aisled basilica (68 m by 32.6 m) opening to the west side of the forum with one doorway on its long side.86 This urban feature must have looked strikingly “modern” to contemporary viewers. The clearest pro-Roman choice however is the spatial organisation of the acropolis itself. This combination of main sanctuary and royal palace calls to mind, on the one hand, the complex at Pergamon (fig. 9), which is likewise surrounded by its own fortification,87 and even more cogently the House of Augustus on the Palatine (28 BC),88 where the paint was still fresh when Herod built his palace in Sebaste. 77 78 79 80 81
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Netzer 1991, 80 and 143–45. Pritchard 1958, pl. 10. Reisner/Fisher/Lyon 1924, 185. Hoss 2005, cat. no. 128. Pergamon has so far yielded the remains of at least 21 peristyle houses, Radt 1999, 95–110; Wulf 1999, for instance the luxurious House of Attalos Paterklianos, Wulf 1999, 168 f. (the name is only attested for ca. AD 200). Lichtenberger 1999, 84; Hoepfner/Schwandner 1994, 295–97, see for instance the House of the Comedians, Hoepfner/Schwandner 1994, fig. 288; Lauter 1986, 225, fig. 75; Raeder 1988, 341, figs. 6–7. Barag 1993, 8 f. contra Watzinger 1935, 49 f.; Busink 1980, 1042; Hirschfeld 1995, 90 f. tends to favour the much less convincing interpretation as priest’s house and shrine to the imperial cult. Barag 1993, 15. Hesberg 1996, 12 f.; Japp 2000, 56. Reisner/Fisher/Lyon 1924, 211–219; Avigad 1993, 1308; Lichtenberger 1999, 89 f. Much of the visible remains are again Severan, but seem to follow the earlier, probably Herodian, phase quite closely. Hoepfner 1996b, esp. 19; Hoepfner 1996a, 35–38; Radt 1999, 63–78; Wulf 1999, 172–74; Nielsen 1999, 102–11. Carettoni 1983; Zanker 1983; Zanker 1988; Iacopi 1995; Nielsen 1999, 174–178, cat. no. 25; Gros 2001, 233–241; Kropp (in press). Hoepfner 1996a, 38; Gros 2001, 237 and Pfrommer
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The House of Augustus (fig. 11) adjoined the newly built Temple of Apollo89 and likewise gave direct access to its temenos. As in Sebaste, the complex was probably approached by a steep frontal stairway climbing up the slope.90 The house was judged favourably by contemporaries91 for being relatively modest in size and decoration, in keeping with the emperor’s continentia and frugalitas, compared to the urban palaces of other Roman aristocrats. Yet, the Palatine had long been the prime location for Rome’s men of power, and Augustus enhanced the prestige of his house further by connecting it directly to the adjoining Temple of Apollo.92 The cult of Apollo was made to flourish at the expense of old Capitoline cults; several functions and ceremonies were transferred to the emperor’s favourite god. Meanwhile, the proximity of his house can be seen as an appropriation. The worship and celebration of Apollo would at the same time honour his greatest benefactor. Inside the house, the elaborate wall decoration made direct references to the cult of Apollo through a complex symbolic language.93 Apollo hence became virtually Augustus’ household god. Both in Rome and Sebaste, the integration of the houses into sanctuary complexes blurred the distinction between one and the other. The houses were “at the same time private and public”94 and the rulers made themselves public figures alongside the gods. Another parallel is closer at hand. In Petra (fig. 12), the study and exploration of the monumental city centre has revealed that the principal monuments are largely contemporary and can be attributed to one massive building programme at the end of the first century BC, under king Obodas III (30 to 9 BC) and/or Aretas IV (9 BC to AD 40). As in Sebaste, the central complex offers a tripartite constellation of main temple (Qaṣr al-Bint),95 royal residence (“baths”)96 and reception hall (“Great Temple”).97 The details of layout, design and decoration, which confirm the analogy to Herodian Judaea, are examined elsewhere.98
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2004 suggest that Augustus in fact emulated the Pergamene example. Sources on the House of Augustus: Sen. Clem. 1, 9; Verg. Aen. 8, 720 ff.; Ovid Fast. 4, 949–56; Met. 15, 864–65; Ios. Bell. Iud. 2, 25; 2, 81; Ant. Iud. 17, 301; Suet. Aug. 29, 3, 33; Dio 53, 1, 3; 53, 19, 3; 54, 27, 3; 55, 33, 5. Gros 1996, 143 f.; Hekster/Rich 2006; Zink 2008. Gros 2001, 234. Suet. Aug. 72, 2. However, Iacopi / Tedone 2005/2006, 363–367 have raised doubts about the functionality of the ramp to the east of the peristyle of the House of Augustus. Sauron 1994 passim. Dio 55, 12, 4. Zayadine/Larché/Dentzer-Feydy 2003; Larché/Zayadine 2003; McKenzie 1990, 135–138; Netzer 2003, 68–72; Kanellopoulos 2004, 223 f. Zayadine 1987; Netzer 2003, 124 f. Joukowsky 1998; Joukowsky 2001; Joukowsky 2002; Joukowsky 2003. Final campaign was summer 2006. Plausible and largely accepted interpretation as a royal reception hall, see Schluntz 1999; Seigne 2000; Egan 2002. Kropp (in press).
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1.2 Caesarea Like Samaria, the coastal town of Strato’s Tower, which Herod refounded as Caesarea (figs. 13–14) and rebuilt from scratch within merely 10 years, was a gift from Augustus in 30 BC. The city had a surface area of 160 ha and was equipped with the largest harbour of the Eastern Mediterranean after Alexandria.99 The Augusteum of Caesarea is known through the enthusiastic praise by Josephus: “Over against the mouth of the harbour, on a mound, there was a temple for Caesar, which was outstanding both in beauty and size; and therein was a colossal statue of Caesar, huge as that of Zeus Olympios, which it was made to resemble. The other colossal statue of Roma was equal to that of Hera at Argos”.100 The temple was “visible a great way off to those sailing into the harbour”.101 All that remains in situ are the ruins of a large platform (figs. 15–16), measuring 105 m in north-south and 90 m in east-west direction originally a staggering 12 m high (partly on an existing hill).102 But the excavations have yielded at least 50 fragments of architectural decoration, mostly reused in the fourth-century octagonal church, which occupied the exact spot of the former cella. They allow for a reconstruction of a temple of regular Corinthian order with Attic bases.103 From base to entablature the colonnade would have measured 21 m. Based on the stylobate foundations within the platform remains, the size of the cella can be reconstructed as 46.4 by 28.6 m, hence considerably larger than the Sebasteion at Sebaste. The temple must have been hexastyle, with nine columns on the long sides and a narrow pronaos two columns deep. But it remains unclear whether it stood on a podium and whether it was peripteral or not.104 Considering the Augustan parallels, a pseudoperipteros is more likely. One lateral access to the platform, a stairway of 6 m width on its southern side, has also been uncovered.105 Almost no evidence for the two seated cult statues mentioned by Josephus has survived, except one colossal naked foot (fig. 17). Matching the Augustan spirit of Classicism,106 Herod’s adoption of such highly esteemed Classical models is considered a “geradezu plakative Aufnahme der zeitgenössischen klassizistischen 99 Roller 1998, 133 f.; Lichtenberger 1999, 116–130; Japp 2000, 101–109; Netzer 2006, 94–118. 100 Ios. Bell. Iud. 1.414; cf. Ant. Iud. 15.339. Cf. Zanker 1987, 250. Philo Leg. ad Gaium 299–305 also reports on a letter written by Agrippa I to Caligula about inscribed golden shields honouring Tiberius, which Pontius Pilate had affixed to the palace of Herod at Jerusalem. After popular protest Tiberius himself ordered them to be removed and dedicated in the temple of Augustus (Sebasteion) at Caesarea; cf. Schürer 1973, I 386; Sartre 2001, 568. 101 Ios. Ant. Iud. 15, 339. 102 See excavators’ reports of seven seasons of fieldwork 1989–97, Holum 1999; Stanley 1999. See also Kuhnen 1990, 181; Roller 1998, 138 f. (calls it “Capitolium” for no good reason); Lichtenberger 1999, 119–21; Japp 2000, 106; Netzer 2006, 103–6. The existing hill does not have to be a natural feature and may well mark the location of a Phoenician predecessor, Netzer 2006, 285. 103 Holum 1999, 19. 104 Holum 1999, 26. 105 Stanley 1999, 37–39. 106 La Rocca 2004.
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Kunsttheorie, die den Werken des Phidias und des Polyklet die höchste Wertschätzung entgegenbrachte”.107 The account of Josephus is also one of the earliest attestations of an emperor in the guise of Jupiter.108 One look at the plan of Caesarea (fig. 13) shows that the Augusteum and the theatre109 are the only structures to fall out of the axial grid of the city, which is otherwise rigorously applied. The sanctuary was obviously deliberately “tilted” clockwise by 30° to the northwest, in order to make the cella face exactly the inner harbour.110 1.3 Panias In 20 BC Herod the Great received Auranitis (Djebel Ḥaurān), Batanaea (Bashan) and Gaulanitis (Golan/Djolan) from Augustus after the death of the Ituraean tetrarch Zenodorus.111 Panias (Banias), which was later refounded as Caesarea Paneas (fig. 18) or Philippi by Herod’s son Philip and made the capital of his inherited territories, was the principal town of Gaulanitis.112 At some point between 20 BC and his death in 4 BC (the exact date cannot be determined) Herod decided to endow Panias with a temple to Augustus,113 as Josephus relates.114 This sanctuary is often identified with the westernmost of the four structures on the platform immediately in front of the celebrated grotto of Pan (figs. 19–20), which in antiquity was thought to contain the sources of the river Jordan.115 The remains show two parallel walls at a distance of 10.5 m to each other running straight towards the mouth of the grotto. The west wall of opus quadratum (a distinctly Herodian technique) is 18 m long and 2 m thick and was originally riveted in marble. On the inside it had alternating round and rectangular niches for statues. Curiously, the structure had no back wall – the grotto itself is thought to be the adyton. Three large geison blocks were found, which may have framed the passage. The excavator suggests as analogy the temple façade, which Augustus was said to have built in front of the Lupercal Cave of Romulus.116 The structure in front of the Pan grotto may hence be the Augusteum,117 which appears on two issues of Philip’s coinage, minted in AD 1 and AD 33 (figs. 21–22),
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Lichtenberger 1999, 120, with Zanker 1979 and, more sceptically, Günther 2007b, 80–82. Cf. Zanker 1987, 234 f. Gleason 1996. On the harbour see now Hohlfelder 2003. Ios. Ant. Iud. 15, 344–9 and 359–63; 16, 271; Bell. Iud. 1, 398–400. On Paneas, see Ma‘oz 1993; Wilson 2004; on the cult of Pan, Rey-Coquais 1994, 47–50. Ma‘oz 1993; Lichtenberger 1999, 150–53; Japp 2000, 144–46; Netzer 2006, 218–22. Ios. Bell. Iud. 1, 404; Ant. Iud. 15, 363–64. Ma‘oz 1994–99, 91; Wilson 2004, 11–16. Hänlein-Schäfer 1985, A 46 does not discuss the site. 116 Dion. Hal. ant. 1, 79–80. 117 But Netzer 2006, 219–222 disagrees and regards the nearby remains of opus reticulatum as part of the Augusteum complex.
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as a tetrastyle Ionic temple approached by three steps.118 The tetrarch’s decision to depict the Augusteum is significant, since it is the only sanctuary to appear on Herodian coins, in fact one of the few explicit references to any pagan cult on Herodian coinage.119 But the identification of the remains with the Augusteum mentioned by Josephus is tentative. A second possibility, one that would give more prominence to the temple, is a site in the city centre 250 m southwest of the cave entrance occupied by a large fourth-century church.120 The excavator of the church, which opened straight to the cardo maximus, found remains of a large building of the Herodian period underneath, which he tentatively identified as a nymphaeum. The apse in the east of the church may be the original apse of its predecessor.121 Josephus does not speak of this temple being built in Panias, but only “in the region of the Paneum”. A third candidate has recently emerged at Omrit, a few km southeast of Panias and in the territory of the old city, where a temple was discovered only in 1998 and is being excavated since 1999 (figs. 24–25).122 Its first phase, dated by coins and pottery to the last quarter of the first century BC, represents a tetrastyle structure (25 m by 16 m) on a high podium and would match the common appearance of Augustea. Also the topographical situation at Omrit, on a hilltop visible from afar, fits better with the situation at Caesarea and Sebaste, whereas the Panias temple is tucked away at the edge of the platform. However until the identification rests on more certain grounds, the only certain visual evidence for the Augusteum of Panias remains the coin imagery of Herod Philip. A surprising fact that emerges from the shorthand version on this small medium is that this Augusteum, unlike Herod’s two others, was apparently built in Greek style with Ionic columns, comparable to the temple of Zeus at Priene or the naiskos of the Didymaion.123 One series of Philip124 also depicts an enigmatic round object with two concentric circles in the central intercolumniation. By the iconographic conventions of ancient coins, it must depict a cult object inside the cella. A very plausible identification is as clipeus virtutis, the shield handed to Augustus by the Senate and recording his four cardinal virtues.125 118 Meshorer 2001, nos. 96 and 109, dated to year 5 and 37, i. e. AD 1 and 33; again depicted by Agrippa I in AD 38, Meshorer 2001, no. 115. The coin inscriptions do not name the temple explicitly, only providing “Philippou tetrarchou” and “kaisar sebas” viz. “Tiberios sebastos kaisar” plus a date reckoned after Philip’s regnal years, but the ascription is very likely considering that Philip called the refounded city Caesarea. 119 Philip was also the first Herodian to mint coins with his portrait. The depiction of Nike and Tyche (of Caesarea?) on the coinage of Agrippa II can hardly count as referring to an actual cult. The only other clear reference is found on one issue of Agrippa II, again in Paneas, depicting Pan playing the syrinx in the year 27, i. e. AD 88, Meshorer 2001, no. 168. 120 Wilson 2004, 15; Ma‘oz 1993, 141. 121 Wilson 2004, 96, Abb. 33–34. 122 Overman/Olive/Nelson 2003; Wilson 2004, 16. 123 Hänlein-Schäfer 1985, 59. 124 Meshorer 2001, no. 100. Undated, but ca. AD 14, with jugate busts of Augustus and Livia on the obverse. 125 O. Stoll, personal communication 19 April 2007. On shields dedicated in the Augusteum of Caesarea, see above n. 98
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1.4 Temples and urban fabric Through the careful planning of Herod’s architects, the sanctuaries for the imperial cult at Caesarea and Sebaste were given an immense prominence in the urban layout. The dominant position of imperial sanctuaries has been identified as the only shared feature of all temples to the imperial cult throughout the empire, both on a provincial and municipal level.126 Caesarea’s temple overlooking the harbour is comparable to the examples of Eresos on Lesbos and Alexandria. The close resemblance with the Augusteum of Alexandria, built in 30 BC127 in a central position by the circular portus magnus and, as Philo stresses,128 raised to a higher level through a platform,129 is hardly coincidental and suggests that Herod consciously sought to emulate the example of the Egyptian capital. Roman imperial cult temples erected by Herod must be seen in conjunction with the vast construction programme that he initiated: “Neither for the Maccabaean nor for the Hasmonaean period are there buildings which can be compared with the temples, theatres or agorai of the Greek cities in the Aegean region”.130 While this was also the situation at contemporary Petra, Heliopolis (fig. 27) and many other local centres, Herod’s temple architecture in particular shows peculiarities in its relationship to the urban fabric. At Jerusalem (fig. 26), the gigantic platform of the temple area was enlarged, raised high and removed from the city and accessible only through hidden vaults.131 The same is true for Sebaste and Caesarea; in all three projects, the temples were physically separated from the cities with the help of natural mounds enhanced by lofty artificial substructures. The models for Herod can be found in the Hellenistic Aegean (Kos, Lindos and especially Pergamon) and in Italy in the first century BC. In the Temple of Fortuna Primigenia at Praeneste132 and the Pompeian complex to Venus Victrix, the temple appears as the culminating point of the elaborate architectural arrangement.133 An126 Hänlein-Schäfer 1985, 24–37. Provincial sanctuaries such as the well-known sanctuary of the Tres Galliae at Lyon are not only dominant, but also physically separated from the city, for instance on a hilltop overlooking the city centre. This separation is also due to the juridical status of the sanctuaries, as exclaves outside the jurisdiction of the cities and under the provincial government, Hänlein-Schäfer 1985, 90, n. 14. 127 Thirteen literary and epigraphic sources conveniently quoted in Hänlein-Schäfer 1985, 203– 205. 128 Philo Leg. ad Gaium 22, 150 f. 129 Hänlein-Schäfer 1985, 33. 130 von Hesberg 1996, 9; cf. Netzer 2006, 271 f. 131 On the Temple, see Ios. Bell. Iud. 1, 401–402; 5.184–247; Ant. Iud. 15, 380–425; Middot (Measures) tractate of the Mishnah. The Herodian Temple: Busink II 1980, 1017–1251; Schalit 1969, 372–97; Maier 1989, 37–52; Kuhnen 1990, 172–176; Geva 1993, 736–744; Patrich 2000; Roller 1998, 176–178; Freyberger 1998, 118–120; Lichtenberger 1999, 131–142; Japp 2000, 126–130; ead. 2003, 295–297; Netzer 2006, 137 f. 132 Gros 1996, 138 f. points out the Pergamene character of the complex. 133 Gros 1996, 99 f. and 280–82. Also, Zanker 1987, 112 and Gros 1996, 144; Gros 2001, 477 recognises “verticality”, the striving for awe-inspiring height, as a key feature of Augustan architecture, expressed for instance in the tall and slender peristyle of the Temple of Mars Ultor on the Forum Augustum.
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other unusually Roman feature in Samaria is the more important role played by the stairway as an independent element as wide as the cella and as deep as the portico. Elevation and axiality are typical features of Roman temple building – but the relationship between courtyard and cella is different. Roman temples had already deviated from the common Greek (and Hellenistic) model by pushing the cella back towards the back wall of the temenos and make it overlook the entire space from a high podium. As in many other aspects, the Temple of Venus Genetrix on the Forum of Caesar (Forum Iulium) set a precedent for the spatial arrangement of a long series of imperial sanctuaries, among them the imperial fora (fig. 28).134 In Sebaste, however, the cella is pushed even further back, as it were, beyond the temenos. Cella and temenos form two separate units. Such an arrangement is found in the great Near Eastern sanctuaries constructed in the early imperial period,135 such as Heliopolis (fig. 27),136 the temple of Zeus in Gerasa,137 as well as Khirbet eḏḎarīḥ.138 The chronology of many of these sanctuaries is difficult to establish, but it seems likely that Herod was the first architectural innovator.139 The reshaping of entire cities is another Herodian “innovation”. That the new cities were by and large royal projects suited to royal needs is underlined by the conspicuous lack of fora or agorai in Herodian cities, or, where they do exist, as in Samaria, by the lack of monumentalisation. The same constellation is already found in Pergamon (fig. 9), where the agora in the lower city is “réduit au rôle accessoire de constituer l’entrée monumentale de l’acropole”.140 Such civic spaces, which in poleis of old were usually surrounded by the seats of the local political institutions, the assemblies and city councils, were not considered necessary by Herod who in any case preferred to keep close supervision on political matters, even down to the local level.141 Faqra – imperial cult on local initiative There is one solitary example of a sanctuary to a Roman Emperor in the Near East, which lies outside the Herodian realm: Qalaat Faqra on Mt. Lebanon (figs. 29– 30).142 The mountain site of Faqra lies 20 km to the northeast of Beirut next to the popular ski resort of Faraya, at an altitude of 1.600 m on the western slopes of Mt. Lebanon. The ancient remains are on a circular plateau, which is bordered by steep cliff faces to the south and east and allows under good weather conditions to see the 134 Gros 1996, 212 f. Cf. n. 70. 135 Hesberg 1996. 136 Still fundamental: Wiegand 1921–25. Cf. Ragette 1980; Freyberger 1998, 62–70; Butcher 2003, 363–370. 137 Seigne 1986; Kuhnen 1990, 187. 138 Villeneuve/Muheisen 2003, 91. 139 E. g. Hesberg 1996, 16, Japp 2000, 59. 140 R. Martin quoted in Étienne 2003, 359. 141 The “excellent constitution”, which Herod gave to Samaria (Ios. Bell. Iud. 1, 403), was probably one condition set by Augustus for his gift. 142 Collart 1973; Rey-Coquais 1999.
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bay of Beirut to the southwest. The ruins are on the western edge of the plateau, overlooking the steep valley of Faqra. To the southwest lies a well-preserved hexastyle Roman temple of Zeus Beelgalasos entrenched in the surrounding rocks, which is dated to the late first or early second century AD.143 This otherwise unattested deity has only recently been identified thanks to a set of newly found dedications on site.144 Several fragments of the architravs of the temple with partial Greek inscriptions have been found, among them a dedication by Marcus Julius Petronaius, veteran and bouleutes (city councillor).145 A smaller sanctuary further to the south, incorporated as an annex into a Christian basilica, has provided the following inscription: “To the health of lord Marcus Julius Agrippa and lady queen Berenice, the goddess Atargatis Arabōn (of the Arabs) has consecrated (this monument) through (the work of) Gaius Mansuetus, archiereus (high priest) and epimeletes (curator)”.146 In this plausible reconstitution, the text is an example of “dédicaces faites par les dieux”.147 The wishes of health to Agrippa II and his sister Berenice demonstrate Agrippa’s rule over this site of Mt. Lebanon (fig. 29). Its eventful history is further explored below. The dominating spot of the plateau to the northwest is taken by a tower-like structure built out of massive ashlar blocks (figs. 31–38).148 Adjoining the tower are two built altars, of which the larger one is a cube of large blocks, undecorated except a crown of merlons on top of an Egyptian cavetto. The smaller one, heavily restored, is a “monument à colonnettes” consisting of a tight series of small columns around a central core, often found in the precincts of temples on the Phoenician coast, for instance at Sfire near Tripoli and at Beit Mery above Beirut.149 The “monuments à colonnettes” have been interpreted as miniature shrines serving for a continuation of ancient baetyl worship. The largest known specimen, in nearby Mashnaqa, is the main monument on site and has an enclosure of its own.150 Others contained niches for cult images. Sporadic examples come from further afield, such as the “altar” on the courtyard of the temple of Nabu at Palmyra, which is richly ornamented with a relief depicting a series of divinities.151
143 Krencker/Zschietzschmann 1938, 40–49, pl. 20–21 and 24–26; cf. Ward Perkins 1981, ill. 209 for a similar reconstruction drawing. Butcher 2003, fig. 161; Rey-Coquais 1999, 632–634. 144 Rey-Coquais 1999, 632–634. 145 His veteran status points to the Roman colony of Beirut, though Rey-Coquais 1999, 641 notes that, if outside Beirut’s territory, one would expect a dedicant to indicate his hometown. 146 Rey-Coquais 1999, 638–640. 147 Thus the title of the well-known study by Milik 1972. 148 Krencker/Zschietzschmann 1938, 51–55, pl. 22–23; Collart 1973; Rey-Coquais 1999. 149 Will 1990; Butcher 2003, 290 f. and 355 f. fig. 164–165. Freyberger 1996 gives them the biblical name ḥamanā, but Gawlikowski 1999 points out that the only certain example of a ḥamanā in situ is the massive, rectangular, undecorated shrine of (the first phase of) the Temple of Allat in Palmyra. 150 Freyberger 1996, 144–146, pl. 32a–c, 35a; Gawlikowski 1999, 496; Ward Perkins 1981, 321. 151 Gawlikowski 1999, 494; Kaizer 2002, 91; Bounni 2004, 26–28 pl. C–CIII, figs. 87–95. Small alabaster models have been found in Hatra, which contain busts or figures of divinities, Colledge 1977, jacket photo, 87; Will 1990, 198, pl. 4; Butcher 2003, 356.
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The tower has a square ground plan of 16 by 16 m (figs. 33–34). The main entrance of 2.40 m by 1.30 m is ca. 2.5 m above ground and is reached by a flight of steps on the east side. A small lateral entrance on ground level is on the south side. To the right of the main entrance, a Greek inscription carved on the corner stone reads “In the year 355, under Tholom son of Rabbomos the epimeletes (i. e. curator, magistrate in charge of one particular department), (this monument was) built at the expense of the great god (megistou theou)” (fig. 36).152 One may assume that the god who “paid” for the tower is Zeus Beelgalasos of the neighbouring temple. Reckoned after the Seleucid era, it dates to AD 43/44,153 in the reign of Claudius. The lintel of the door carries a three-line inscription, of which the last line is badly damaged (fig. 37). AÙtokr£tori Tiber…wi Klaud…wi Ka…sari Sebastîi kaˆ q[eîi pat[rówi Be]elgalaswi ™pˆ GaČou Ka[ss…ou Logg…nou?]154 To the emperor Tiberius Claudius Caesar Augustus and to the ancestral god Beelgalasos Under Gaius Ca(ssius Longinus?)
The tower is a dedication to Claudius and at the same time to Beelgalasos. The restitution of Cassius Longinus is plausible, since Claudius in fact appointed a man of that name governor of Syria in AD 44 and kept him until AD 49.155 Together with the first inscription, one can now pinpoint the dedication to the first 9 months of AD 44. The dedication lists the emperor first, as the more important god, followed by the ancestral god.156 The tower is neither a tomb157 nor an altar,158 but a monument to imperial cult.159 The ground level consists of an undecorated cube of ashlar masonry terminated with an offset of protruding blocks. The second storey, of which almost nothing is left in situ, had a façade with two columns framed by two towers with engaged pilasters. In this “loggia” (fig. 38), an elongated base for two statues to be displayed between the columns was found in situ. The columns and the pilasters bore pecu152 153 154 155 156
Rey-Coquais 1999, 634 f. 23 Sept 43 to 22 Sept 44. Rey-Coquais 1999, 635–638. Schürer 1973, I 264. In analogy to a dedication to Domitian and Artemis Pergaia by a priestess of Demeter in Perge in Pamphilia Robert 1980, 252. 157 This identification is wrongly attributed to Krencker and Zschietzschmann 1938 and has since been reiterated (e. g. by Will in his fundamental article 1949, 275–77), whereas on p. 54 f. they state “das Monument erinnert im Aufbau mit der Kammer im Kern an Mausoleen und doch ist mit der Wahrscheinlichkeit zu rechnen, daß es kein Grabturm, sondern ein Kultmal sehr eigentümlicher Art war, denn der Bau ist … dem Kaiser Claudius geweiht worden” (my italics). They hence anticipated Rey-Coquais’ conclusions by 60 years. 158 Collart 1973. 159 Rey-Coquais 1999, 636 notes several instances of towers being dedicated to Hellenistic kings and Roman emperors.
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liarly archaic “Phoenician” capitals (also known as “proto-Aeolic”) of a type well known also from Cyprus and Palestine from pre-Hellenistic times:160 They consist of a triangle pointing upward, with three coils departing on either side to form the volutes. They were surmounted by a Doric frieze, apparently without reliefs in the metopes. It was crowned by an “echt orientalisches Glied”,161 a semicircular torus with a cavetto on top.162 The roofing of the tower is a problem still unsolved. There is no evidence for an often-proposed pyramidal roof (fig. 38).163 Instead, some fragments of a merlon decoration suggest a flat roof with a merlon parapet, like the larger one of the two altars just in front of the tower. Access to the gallery on the first floor was through the interior staircase, which wound up all around a central room with massive walls, which, to judge by the solid lock mechanism, probably served as a treasury. The inscriptions of Faqra are a crucial testimony of political history. Faqra obviously belonged to Agrippa II, but to which of his possessions? In AD 53 Agrippa received (in return for Chalcis) Trachonitis, Batanaea, Auranitis, Abila and the “tetrarchy of Varus, the son of Soaemus”.164 Only the latter fits the bill, the tetrarchy being specified as “a tetrarchy in Mt. Lebanon”.165 This was probably the tetrarchy of Arca (Caesarea ad Libanum, Tell ‘Arqa) near Tripoli, a former Ituraean chiefdom and an offshoot of the main Ituraean dynasty centred on the Beqa‘ valley. 166 The fact that Faqra was originally under Ituraean control explains the presence of a deity with the epithet Arabōn. This is a unique occurrence.167 The goddess is usually considered typically Syrian (also the name is Aramaic) and known simply as Dea Syria.168 The introduction of an “Arab” element may be due to the Ituraeans. Their lands in general, and that of Soaemus in particular, are in fact called “the area of the Ituraean Arabs”,169 and their coin images, minted at Chalcis sub Libano from 73 to 25 BC, demonstrate their adherence to Arab cults:170 The armed and cuirassed Dioscuri (fig. 39)171 most probably correspond to the Arab twin gods worshipped under many different names in the countryside of Palmyra. Athena, who is also prominent on Ituraean coin obverses (fig. 40), is the visual image of the goddess
160 Krencker/Zschietzschmann 1938, 54. 161 Krencker/Zschietzschmann 1938, 54 162 In fact, it is a very widespread motif in Egypt and the Near East. For instance, most of the 600 tomb façades of Petra employ the cavetto describing an exact quarter-circle. 163 Krencker/Zschietzschmann 1938, figs. 73 and 79 reconstruct it with a purely hypothetical pyramidal roof. This assumption is accepted by most, including Collart 1973 and, with caution, Rey-Coquais 1999, 637. 164 Ios. Ant. Iud. 20, 138; Bell. Iud. 2, 247 and 481. Cf. Rey-Coquais 1999, 647 f. 165 Ios. Vita 52. 166 Schürer I 1973, 569 f.; Aliquot 1999–2003, 237–241; Butcher 2003, 93. 167 Rey-Coquais 1999, 639. 168 Lightfoot 2003. 169 Soa…mῳ t¾n tîn ’Itura…wn tîn ’Ar£bwn...™car…sato, Dio 52, 12, 2. 170 In detail on Iturean cults: Kropp (in press). 171 See the classic article Seyrig 1970; cf. also Augé/Linant de Bellefonds 1986; Linant de Bellefonds 1990.
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Allat, the quintessential Arabian goddess.172 The cult of Allat, often with explicit identification Allat = Athena is found across the Near East in communities thought to have an Arab substratum, such as Palmyra,173 the Ḥaurān,174 among the Nabataeans175 and the “Safaitic” tribesmen, whose native tongue was a North Arabian dialect.176 Even the prophet Mohammad admitted the presence of Allāt, al-‘Uzza and Manāt alongside Allāh in a little-known early passage of the Qur’an, which was later suppressed: “They are the Sublime Goddesses and their intercession is muchappreciated”.177 One might suggest, with due caution, that the goddess, which received the name Atargatis Arabōn was in fact Allat. The strange syncretism at Faqra might point to a compromise between two separate (ethnic) groups on a local level, which was symbolised in a composite deity. The tower of Faqra was built before the reign of Agrippa II, in the interval of Roman rule between Varus and Agrippa II. Strictly speaking, it is not in the territory of the client king at the time. Nor is any direct Roman intervention visible in the establishment of the imperial cult at Faqra – but it is significant that the cult was established in AD 44, just when the territory changed hands and was annexed by Rome. The construction of the sanctuary was an immediate reaction to changed circumstances. The inhabitants of Faqra spontaneously and anonymously (no dedicant is mentioned in either of the two inscriptions on the tower)178 decided to honour their new masters and show their loyalty. It is possible that the eponymous magistrate mentioned in the dedication, Tholom the son of Rabbomos, whose Aramaic name means “master of the sanctuary”, was in some way responsible for it and took a leading role in bringing his community closer to the rulers of the world.179 Its function as an architectural manifestation of loyalty makes the monument’s visual appearance all the more striking. Stylistically, it does not reveal its function as a shrine of imperial cult. On the contrary, it shows hardly any Roman or Hellenistic elements, but is oriented further back in time towards the pre-Hellenistic Near East. Merlon crowns on sacred architecture are found virtually everywhere in the Near East (with the notable exception of the Ḥaurān!) from the Bronze Age to the
172 Already Hdt. 3, 8, 3; cf. Starcky 1981a and 1981b. 173 Colossal Athena as cult statue in the temple of Allat, Gawlikowski 1977, 267–269; Parlasca 1989, 548 f.; from the same sanctuary and the Palmyrene countryside, several reliefs depict Athena in full armour designated as Allāt, Dussaud 1955, 101–103. 174 Sourdel 1952, 69; Bolelli 1991, 80. 175 Healey 2001, 108–14 and in detail Krone 1992. In Petra, the figure of Allāt became blurred with her junior, al-‘Uzza, Gawlikowski 1990, 2666 f.; Healey 2001, 114–119. 176 Dussaud 1955, 141–143; Krone 1992, 102–111; Healey 2001, 112. 177 Dussaud 1955, 159. In other accounts, the three goddesses are even “the daughters of Allāh”, Healey 2001, 130 f.! 178 But, as my photograph fig. 36 shows, there are clear traces of another inscription above the corner stone (hitherto unnoticed), which may well have specified the dedicant. 179 Rey-Coquais 1999, 646 f. This was the pattern in Italy (with 18 known examples the only area with relevant numbers of attested dedicants), where the local aristocracies (decuriones) were often responsible for setting up the imperial cults in their respective communities, HänleinSchäfer 1985, 90–93, esp. n. 26; Gradel 2002, 101 f.
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present. They are an essential “symbole du sacré”.180 Well-known examples are the ziggurat of Ur, Persepolis and the temple at Dmayr.181 A strikingly close parallel to the tower of Faqra is the shrine (ma‘bed) at ‘Amrīt (fig. 41) on the coast of Arados, which also has a merlon crown.182 Although that example is placed in the middle of a pool of water, the formal elements are exactly analogous: High podium, loggia/aedicula for the cult image, Egyptian cavetto, crown of merlons. Also the constellation is the same, in both cases the cult statue was placed in a way to overlook the altar in front of it. In Faqra, the platform of the altar lay in one visual plane with the gallery of the tower, so that rituals could be performed here in full view of the emperor(s). The tower of Faqra is a unique monument to the imperial cult, one that is surprisingly retrospective, without formal or stylistic concessions to Graeco-Roman customs. Under new rulers, the locals of Mt. Lebanon expanded their horizons, but remained deeply rooted in their traditions. They must have considered their inscribed dedication and the institution of a cult a sufficient proof of their loyalty, which did not require the import of foreign architectural models. Becoming a member of the Roman empire did not require giving up existing identities. It added an identity that could be combined with local traditions and beliefs without internal contradictions. At the other end of the spectrum, Herod the Great displayed no local roots at all, but adopted Roman models wholesale: high podia, broad and steep frontal stairways and tall, pedimented temples with Corinthian columns all speak the language of empire. The complex on the acropolis of Sebaste broadcast a double message typical of Herod when addressing his non-Jewish subjects. The worship of Augustus as the focus of the building complex pronounced the incontestable second rank that Herod took behind his overlord, his loyalty to Augustus as guarantor of Herod’s rule and his determination to be an integral part of the Roman empire.183 However, physically hovering above the city in an impregnable position and as a neighbour of the god (with a view as far as the Mediterranean Sea), the palace manifested Herod’s unfettered power within his realm.
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Bounni 1999, 512. Further examples in Bounni 1999; Butcher 2003, 290. Dunand and Saliby 1985; Bounni 1999, 511. One can only speculate how much of Herod’s building were also directed at his Roman superiors. There is no certain knowledge about how well-informed (or interested) Augustus and Agrippa were about Herod’s projects, apart from Agrippa’s visit in 15 BC, Ios. Ant. Iud. 16, 13–16. A priori one should assume that Herod was mainly playing to a local audience.
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Dr. Andreas Kropp, University of Nottingham, School of Humanities, Department of Classics, University Park NG7 2RD, Nottingham (UK); e-mail: andreas.kropp@ nottingham.ac.uk
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Fig. 1: The Roman Near East.
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Fig. 2: The Near East in c. 30 BC
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Fig. 3: The kingdom of Herod of Judaea
Fig. 4: Samaria Sebaste, aerial view of the acropolis (from Holum/Hohlfelder/Bull/Raban 1988, pl. 21)
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Fig. 5: Samaria Sebaste, plan of the Roman city (from Crowfoot/Kenyon/Sukenik 1942, pl. I)
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Fig. 6: Samaria Sebaste, plan of the Herodian temple complex (from Crowfoot/Kenyon/Sukenik 1942, pl. IX)
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Fig. 7: Samaria Sebaste, isometric view and reconstructed plan of the temple complex (from Netzer 2006, fig. 21)
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Fig. 8: Samaria Sebaste, plan of the ‘atrium house’ (from Reisner/Fisher/Lyon 1924, fig. 97)
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Fig. 9: Pergamon, plan of the city (from Radt 1999, frontispiece)
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Fig. 10: Pergamon, plan of houses I and Z (from Radt 1999, fig. 42)
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Fig. 11: Rome, plan of the House of Augustus and the Temple of Apollo on the Palatine (from Carettoni 1988, fig. 154)
Fig. 12: Petra, plan of the city centre (from C. Kannellopoulos in Near Eastern Archaeology 65.4 [2002], 252–253)
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Fig. 13: Caesarea, plan of the city (from Lichtenberger 1999, fig. 42)
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Fig. 14: Caesarea, aerial view of the Herodian port, with remains of the Augusteum platform at the left margin (from Liberati/Bourbon 2005, fig. 261)
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Fig. 15: Caesarea, plan of the remains of the Augusteum (from Holum/Raban/Patrich [eds.] 1999, fig. 4)
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Fig. 16: Caesarea, substructures of the Augusteum
Fig. 17: Caesarea, colossal right foot, probably from the cult statue of the Augusteum
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Fig 18: Panias, plan of the ancient city (from Wilson 2004, fig. 1)
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Fig. 19: Panias, plan of the grotto platform with four sanctuaries (after Ma‘oz 1994–1999, fig. 2)
Fig. 20: Panias, view of the grotto of Pan
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Fig. 21: Coin of Herod Philip minted at Panias, depicting the Augusteum with a round cult object (clipeus virtutis?) (from Meshorer 2001, pl. 50)
Fig. 22: Coin of Herod Philip minted at Panias, depicting the Augusteum on the reverse; “year 34” = AD 30 (from www.coinarchives.com)
Fig. 23: Omrit, reconstructed plan of Herodian temple discovered in 1998 (http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/Archaeology/Horbat.html)
Fig. 24: Omrit, substructures of Herodian temple (www.flickr.com)
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Fig. 25: Omrit; Corinthian capital of Herodian temple (www.flickr.com)
Fig. 26: Jerusalem, reconstruction of Herod’s Temple (from Connolly 1999, 34–35)
King – Caesar – God
Fig. 27: Heliopolis Baalbek, reconstruction of the temple complex (from Ragette 1980, front enpaper)
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Fig. 28: Rome, Forum Romanum, Forum of Caesar and Forum Augustum (from Favro 2005, fig. 37)
King – Caesar – God
Fig. 29: Map of the possessions of Agrippa II in the later first century AD
Fig. 30: Faqra, view of the plateau from the south
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Fig. 31: Faqra, the great altar
Fig. 32: Faqra, ‘monument à colonnettes’. Tower in the background
King – Caesar – God
Fig. 33: Faqra, plan of the tower (From Krencker/Zschietzschmann 1938, pl. 23)
Fig. 34: Faqra, section of the tower (From Krencker/Zschietzschmann 1938, pl. 23)
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Andreas Kropp Fig. 35: Faqra, tower
Fig. 36: Faqra, inscription to the right of the tower entrance
Fig. 37: Faqra, inscription on the lintel of the tower
King – Caesar – God
Fig. 38: Faqra, moulding, capital and erroneous reconstruction of the tower with pyramidal roof (after Krencker/Zschietzschmann 1938, figs. 73; 76; 77)
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Fig. 39: Coin of the Ituraean tetrarch Ptolemy Mennaios, with Zeus on obverse and armed Dioscuri on reverse, 73 BC (from www.coinarchives.com)
Fig. 40: Coin of the Ituraean tetrarch Ptolemy Mennaios, with Athena obverse and armed Dioscuri on reverse (from www.coinarchives.com)
Fig. 41: ‘Amrīt, m‘abed (shrine), fifth century BC
TYROS UND BERYTOS. ZWEI FALLBEISPIELE STÄDTISCHER IDENTITÄTEN IN PHÖNIKIEN Achim Lichtenberger Die Städte Phönikiens liegen an der Mittelmeerküste zwischen Arados im Norden und Dor im Süden.1 In hellenistisch-römischer Zeit begegnen sie uns als Zentren urbaner Kultur im Vorderen Orient. Literarische, epigraphische, numismatische und archäologische Quellen belegen eine Siedlungskontinuität einiger der Städte bis in die Bronzezeit. Ziel der folgenden Betrachtungen ist die exemplarische Untersuchung städtischer Identitäten im hellenistischen und römerzeitlichen Phönikien. Definieren wir in diesem Zusammenhang „Identität“ als eine Form von Gruppen-Selbstverständnis, das sich an gemeinsamen Zeichen und Traditionen in Abgrenzung zu „anderen“ festmacht,2 so stellt sich die Frage, welche lokale Form der Selbstvergewisserung in einem Umfeld kulturellen Pluralismusʼ mit griechischen, römischen und unterschiedlichen vorderorientalischen Einflüssen gewählt wurde. Doch zunächst zu den Städten: Im 1. Jahrtausend v. Chr. haben die phönikischen Städte erfolgreich im ganzen Mittelmeerraum Handel und Kolonisation betrieben. Die Phöniker besaßen eine eigenständige von den Nachbarn, insbesondere Ägyptern und Assyrern beeinflusste Kultur und sie vermittelten Teile davon, wie zum Beispiel die Schrift, nach Westen. Im Gegenzug nahmen sie griechische Kultur bereits früh auf und waren Teil der griechischen Welt.3 Die Phöniker bildeten nie eine gemeinsame politische Einheit, sondern waren in Städten organisiert, im frühen 1. Jahrtausend in einzelnen Stadtkönigtümern. In der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. scheinen sich dann in den Städten verstärkt Bürgerverbände, die den griechischen Poleis vergleichbar sind, herausgebildet zu haben. Bis in der ersten Hälfte des 3. Jh. v. Chr. verdrängten die Bürgerverbände die Stadtkönige. Mit Ausnahme von Akko-Ptolemais und Berytos, dessen Umbenennung in Laodikeia in Kanaan aber Episode blieb, kennen wir keine einzige hellenistische Neugründung.4 Seit 64 v. Chr. unterstanden die Städte römischer Herrschaft.
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Zur Geschichte und Kultur der Phöniker vgl. (in Auswahl) Moscati 1966; Moscati (Hg.) 1988; Sommer 2000; Markoe 2003; Sommer 2005. Die angeführten Autoren behandeln überwiegend nur die vorhellenistische Zeit. Eine übergreifende Behandlung der Städte in hellenistisch-römischer Zeit fehlt; grundlegend ist weiterhin die Arbeit von Millar 1983. Vgl. aber auch Grainger 1991; Millar 1993, 264 ff.; Ball 2000, 170 ff.; Sartre 2001, passim; Cohen 2006, 199 ff. S. dazu die Beiträge in dem Sammelband von Eßbach (Hg.) 2000. Vgl. dazu Boardman 1981, 41 ff.; Aubet 1987. Vgl. Millar 1983, 56 f. Zu Akko-Ptolemais vgl. Cohen 2006, 213 ff.; Thiel 2007, 31 ff., zu Berytos Moore 1992; Cohen 2006, 205 ff.
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Treten uns in der Perserzeit und bedingt auch noch im Hellenismus die Phöniker mit gemeinsamer Sprache, Schrift, Religion und materieller Kultur entgegen, so stehen wir in der Kaiserzeit vor großen Problemen, eine spezifisch phönikische Kultur und Identität nachweisen zu können. Die grundlegenden Studien von F. Millar konnten die Schwierigkeiten und Fallstricke bei der Beschäftigung mit dem kulturellen Profil der Phöniker aufzeigen; einige Punkte seien angerissen.5 Zunächst stellt sich die Frage, was es denn noch genuin „Phönikisches“ in den Städten in der römischen Kaiserzeit gibt? Anders als bei den Phönikern im Westen, den Puniern, die bis in die späte Kaiserzeit mit punischen Inschriften überliefert sind,6 scheint die phönikische Sprache im Mutterland auszusterben. Die letzten Inschriften phönikischer Sprache begegnen in der frühen Kaiserzeit, und danach gibt es nur noch einzelne Wörter und Buchstaben auf Münzen von Tyros.7 Belegen sie die Kenntnis und den Gebrauch der phönizischen Sprache oder sind sie nur eine historische Reminiszenz an die phönikische Vergangenheit? Wir wissen es nicht, doch allein die Tatsache, dass sie für die Münzen ausgesucht wurden, zeigt, dass es – unabhängig von kultureller Kontinuität – zumindest Ansätze eines phönikischen Bewusstseins gab und die phönikische Vergangenheit positiv in der Gegenwart fortgeführt wurde. Als mögliches Zeugnis für eine eigenständige und traditionelle phönikische Kultur in der römischen Kaiserzeit wird die von Eusebios überlieferte phönikische Geschichte von Philon von Byblos aus dem 2. Jh. n. Chr. diskutiert, die, da im Folgenden Bildzeugnisse im Vordergrund stehen, nur kurz erwähnt werden soll:8 In diesem griechischen Werk, das offensichtlich auf ältere Vorlagen zurückgreift, aber in der Tradition hellenistischer Historiographie steht, wird eine phönikische Kosmologie und Geschichte entworfen. Auch sie kann als ein Zeugnis dafür genommen werden, dass es ein Bewusstsein der phönikischen Vergangenheit gegeben hat. Dies wird auch deutlich an den zahlreichen Darstellungen phönikischer Mythologie in den kaiserzeitlichen städtischen Münzprägungen vor allem von Sidon und Tyros. Dort begegnen nicht nur phönikische Lokalgottheiten und Kultgegestände, sondern auch die tyrische oder sidonische Königstochter Europa, ihr Bruder Kadmos (der Gründer Thebens), die tyrische Prinzessin Dido (die Gründerin Karthagos) und ihr Bruder Pygmalion sowie weitere Phöniker.9 Es stellt sich allerdings die Frage, wie diese Bilder zu interpretieren sind. Unzweifelhaft zeugen sie von einem lokalen Selbstverständnis, und es ist auch davon auszugehen, dass die phönikische Kultur ein wichtiger Bestandteil der städtischen Identität war. Allerdings ist es auf5 6 7 8 9
Vgl. im folgenden Millar 1983; Millar 1993, 264 ff. S. jetzt auch Butcher 2003, 280; Butcher 2005, 152. Vgl. etwa Röllig 1980. S. auch Millar 1983, 57 f.; Kreikenbom 2004. Vgl. dazu zuletzt Bijovsky 2000; Gariboldi 2002, 80 f. S. dazu Baumgarten 1981; Millar 1983, 64 f. Speziell zu Philon von Byblos und Münzdarstellungen phönikischer Städte vgl. Gariboldi 2002. Vgl. dazu die Nachweise zu Sidon und Tyros im BMC Phoenicia und bei Rouvier 1902, Rouvier 1903 und Rouvier 1904. S. auch die Untersuchungen zu der Münzikonographie der Stadt Tyros von Bonnet-Tzavellas 1983, Servais-Soyez 1983, Naster 1985 und Naster 1986. Zu Pygmalion vgl. Bijovsky 2000; Gitler/Bijovsky 2002.
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fällig, dass einige Bilder wie zum Beispiel die Übergabe der Schrift durch Kadmos an Griechen gerade den Anschluss an Griechenland suchten.10 Auch anderenorts in den Städten im Osten des Imperium Romanum geht es im Städtelob der 2. Sophistik um Altehrwürdigkeit und um den griechischen Charakter einer Stadt;11 die phönikischen Städte fügen sich gewissermaßen in diesen gräkozentrischen Trend. Auf den Beitrag der Phöniker an der griechischen Kultur, die im Osten des Imperium Romanum ein zentrales Kriterium für städtisches Prestige war, wird also der Akzent gesetzt und weniger auf eine spezifisch phönikische Kultur.12 In diesem Zusammenhang ist grundsätzlich anzumerken, dass die Suche nach einer vermeintlich authentischen phönikischen Kultur nicht zielführend ist, da ihr eine statische Auffassung von Kultur zugrundeliegt. * Nachdem einleitend einige Problemfelder angerissen wurden, sollen nun exemplarisch die städtischen Münzprägungen von Tyros und Berytos betrachtet werden. Städtische Münzprägung ist eine Primärquelle städtischer Identitäten, da die Städte für die von ihnen herausgegebenen Münzen stadtspezifische Bilder wählten.13 Die Münzen sind entsprechend als offizielle Zeugnisse zu verstehen. Die Prägungen wurden von den lokalen Eliten konzipiert, weshalb ihre Münzbilder etwas über deren Selbstbild verraten. Bei der exemplarischen Behandlung wurden Berytos und Tyros gewählt, die beide einige Besonderheiten aufweisen, man könnte auch sagen, dass sie die unterschiedlichsten phönikischen Städte überhaupt sind. Im Bürgerkrieg zwischen Septimius Severus und Pescennius Niger kam es zu einem offenen Ausbruch von Feindseligkeiten der beiden Städte gegeneinander; Herodian erklärt dies mit der latenten Rivalität zwischen Tyros und Berytos.14 Berytos ist die einzige augusteische colonia im Vorderen Orient und „a substantial island of romanisation“15, wobei sie bereits eine vorrömische Vergangenheit aufweist. Tyros dagegen, das bereits Alexander dem Großen trotzte, bewahrte auch in römischer Zeit eine gewisse Autonomie und wurde erst unter Septimius Severus römische colonia.16 Tyros hieß auf phönikisch Sor („Fels“), Berytos ist wohl von Beerot („Brunnen“) abgeleitet.17 10 BMC Phoenicia 293, Nr. 488; Rouvier 1904, 89 ff., Nr. 2446 u. 2468. 11 Aus der reichhaltigen Literatur zu diesem Themenkomplex sei stellvertretend verwiesen auf Scheer 1993 und Schmitz 1997. 12 Vgl. auch Gaggero 1997, 188. 13 Vgl. dazu etwa die in den beiden Sammelbänden Nollé/Overbeck/Weiss 1997 und Howgego/ Heuchert/Burnett 2005 zusammengestellten Beiträge. 14 Herodian. 3, 3, 3. 15 Millar 2006, 165. Zu Berytos s. allgemein Mouterde 1966; Jidejian 1973; Hall 2004. Speziell zu dem römischen Charakter von Berytos vgl. auch Belayche 2003, 160 ff.; Millar 2006, 168 ff. Vgl. aber auch Kaizer 2005. 16 Zu Tyros s. allgemein Chéhab 1962; Seyrig 1963; Jidejian 1969; Gubel/Lipinski/Servais-Soyez 1983; Gaggero 1997. 17 Zum Toponym von Tyros vgl. Bonnet 1988, 28 f. mit Anm. 9, zu Berytos vgl. Mouterde 1966, 9 f.
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DIE PERSERZEITLICHEN PRÄGUNGEN Für Berytos sind bislang keine so frühen Prägungen bezeugt. Tyros hat ab der Mitte des 5. Jh. Silbermünzen ausgegeben. Auf den frühesten Prägungen sind auf der Vorderseite ein Delphin und eine Purpurschnecke, auf der Rückseite in einem incusum eine ägyptisierende Eule und ägyptische Hoheitsinsignien (Krummstab und Dreschflegel) abgebildet.18 (Abb. 1) Der Delphin verweist auf die Meerlage der Stadt und die Purpurschnecke, die bis zum Ende der städtischen Münzprägung Wappen der Stadt bleibt, auf die Herstellung von Purpur. Aus späteren Quellen wissen wir, dass Tyros die Erfindung der Purpurherstellung für sich beanspruchte.19 Ebenfalls aus der Perserzeit stammen Silbergepräge, auf deren Vorderseite eine bärtige Gottheit mit Bogen auf einem geflügelten Hippokampen reitend dargestellt ist.20 (Abb. 2) Der Bärtige wird als Stadtgott Melqart gedeutet, der bereits von Herodot mit dem griechischen Herakles gleichgesetzt wurde.21 DIE HELLENISTISCHEN BIS FRÜHKAISERZEITLICHEN PRÄGUNGEN In Tyros wurden die Prägungen der Perserzeit bis zum Jahr 126/25 v. Chr. fortgeführt. 126/25 v. Chr. setzte nach der Ermordung des Seleukiden Demetrios II. in Tyros eine neue Stadtära ein, die von nun an auf den Münzen zusammen mit dem Titel hiera kai asylos angegeben wird.22 Auf den städtischen Tetradrachmen und Didrachmen sind die Münzlegenden nun Griechisch, nur noch einzelne Buchstaben werden in phönikischer Schrift geschrieben. Auf der Vorderseite erscheint jetzt der bartlose jugendliche Herakles-Melqart und auf der Rückseite ein Adler.23 (Abb. 3) Ungefähr zeitgleich werden auch Bronzen ausgegeben, die auf der Vorderseite einen Tychekopf (Abb. 4) oder den Kopf des Herakles-Melqart (Abb. 5) zeigen, auf der Rückseite einen Palmenbaum, die Keule, ein Schiff mit einer weiblichen Gottheit oder ohne eine solche.24 Auf diesen Bronzen ist das Ethinkon SOR auf Phönikisch, während die von dem seleukidischen König gewährten Ehrentitel hiera kai asylos sowie die neue Stadtära auf griechisch angegeben werden.
18 BMC Phoenicia 227 ff., Nr. 1–18; Rouvier 1903, 169 f., Nr. 1775–1784. Vgl. dazu Betlyon 1980, 39 ff. (mit Behandlung weiterer vorhellenistischer Münzprägungen in Phönikien); Bonnet 1988, 85. 19 S. dazu Bonnet-Tzavellas 1983, 118 ff.; Naster 1985; Bonnet 1988, 74 ff. 20 BMC Phoenicia 230 ff., Nr. 19–22 u. 25–42; Rouvier 1903, 271 ff., Nr. 1787–1797. 21 Hdt. 2, 44. Vgl. dazu Bonnet 1988, 27 ff., bes. 47 ff. 22 Vgl. dazu Rigsby 1996, 481 ff. 23 BMC Phoenicia 233 ff., Nr. 44–245; Rouvier 1903, 296 ff., Nr. 1946–2121; RPC I, 658, Nr. 4707–4719; RPC II, 294, Nr. 2057–2066. 24 BMC Phoenicia 253 ff., Nr. 246–355; Rouvier 1903, 313 ff., Nr. 2122–2245; RPC I, 658, Nr. 4720–4739A; RPC II, 294f., Nr. 2067–2087. S. aber auch den neuen Typus Münzen und Medaillen Deutschland 20, 10./11.10.2006, Nr. 877.
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Die autonome Silberprägung von Tyros, die mindestens bis in das Jahr 65/66 n. Chr. läuft,25 ist ganz außergewöhnlich (Abb. 6). Nur wenige Städte im Osten des Imperium Romanum prägten in der Kaiserzeit Silber.26 Das tyrische Silber war in der Region weit über die Stadt hinaus anerkannt. In Jerusalem beispielsweise wurde die Tempelsteuer mit diesen Tetradrachmen (Schekeln) bezahlt.27 Bedenkt man, dass das Silber überregionale Bedeutung besaß, die Bronzeprägung aber vor allem für den lokalen Umlauf bestimmt war, so ergibt sich ein aufschlussreicher Unterschied bei den Münzlegenden. Das Silber war mit griechischen beschrieben, die Bronzen jedoch nahmen eine Zweiteilung vor: griechische Ehrentitel waren auf Griechisch, das Ethnikon aber auf Phönikisch angegeben. Es soll hier eine Interpretation hinsichtlich der städtischen Identität nicht überstrapaziert werden, doch ist es auffällig, dass die Stadt bei dem Geld, das primär für ein lokales städtisches Publikum ausgegeben wurde, eine andere Selbstbezeichnung wählte, als bei dem Geld, welches für ein überregionales bestimmt war. Auf der lokalen Ebene hatte der phönikische Name offensichtlich eine identitätsstiftende Funktion. Wenden wir uns nun der Münzprägung von Berytos in hellenistischer bis frühkaiserzeitlicher Zeit zu. Berytos beginnt im 2. Jh. v. Chr. mit der Münzprägung; die frühen Münzen weisen keine Daten auf, weshalb sie nur ungefähr datiert werden können. Die ersten Bronzen zeigen auf der Vorderseite einen Tychekopf und auf den Rückseiten entweder einen stehenden Lokalgott mit Dreizack, der in einem von Hippokampen gezogenen Wagen steht,28 (Abb. 7) oder eine stehende Göttin, die vielleicht eine lokale Astarte war.29 Einige Exemplare zeigen auch einen Delphin flankiert von Dioskurenkappen.30 Die Beischriften sind zumeist phönikisch und weisen die Stadt als Laodikeia in Kanaan aus oder sie bestehen aus den griechischen Anfangsbuchstaben LA oder BH. Das erste Herrscherbild in der Münzprägung von Berytos ist das von Kleopatra VII., die 38/37 v. Chr. Teile der Küste von Mark Anton zugesprochen bekam und jetzt auf dem Avers erscheint.31 (Abb. 8) Von nun an sind die Münzlegenden ausschließlich griechisch. Nach der Schlacht von Actium kehrt Berytos wieder zu Tyche oder dem Kopf einer männlichen Gottheit (Abb. 9) auf dem Avers zurück.32 In Berytos ändert sich 15/14 v. Chr. mit der Gründung der augusteischen colonia die Münzprägung grundlegend. Von nun an sind die Münzlegenden ausschließlich lateinisch und es werden als Zeichen von romanitas die üblichen Bilder einer römischen colonia wie eine Pflügerszene (sulcus primigenius) (Abb. 10), Feldzei25 Vgl. zum Ende der tyrischen Silberprägung RPC I, 655f. S. auch Weiser/Cotton 2002. 26 In Syrien prägte neben Tyros nur noch Antiochia städtisches Silber. Zu städtischen Silberprägungen der römischen Kaiserzeit vgl. RPC I, 6 ff. Speziell zu Syrien vgl. auch Butcher 2004, 49 ff. 27 S. dazu zuletzt und mit weiterführender Literatur Ziegler 2004, 133f. 28 BMC Phoenicia 51 ff., Nr. 1–5; 8–10; 17–22; Rouvier 1900, 269 ff., Nr. 457–461 u. 465–467. 29 BMC Phoenicia 52 Nr. 6f.; Rouvier 1900, 270f. Nr. 462–464. 30 BMC Phoenicia 53f., Nr. 11–13 u. 16; Rouvier 1900, 272f., Nr. 468–471. 31 BMC Phoenicia 53f., Nr. 14f.; Rouvier 1900, 265f., Nr. 437–440. S. auch zu diesen Prägungen RPC I, 648 u. 650, Nr. 4529f.; Burnett 2002, 121. 32 BMC Phoenicia 54 f., Nr. 16–26; Rouvier 1900, 273 f., Nr. 472–474; RPC I, 650, Nr. 4531– 4533.
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chen (Abb. 11) oder Marsyas abgebildet,33 obgleich auch Motive aus der Zeit vor der Gründung weitergeführt wurden wie etwa der Delphin mit Dreizack.34 Einige der Münzen sind pseudoautonom, das heißt ohne Bild eines Kaisers auf den Vorderseiten35, doch die meisten weisen solche Porträts auf. Münzen sind belegt unter Augustus, Tiberius und Claudius. Hinzuweisen ist auch auf Prägungen mit denen die römischen Statthalter Syriens, Varus (Abb. 11) und Silanus, geehrt wurden.36 Bemerkenswert an der Münzprägung von Berytos ist, beginnend mit Kleopatra über die Statthalter und die Kaiser, das große Interesse an Herrschern. DIE VORSEVERISCHEN PRÄGUNGEN DES 1./2. JH. N. CHR. In Tyros wird bis unter Septimius Severus weiter konsequent kein Herrscherporträt auf der städtischen Münzprägung angegeben, was – im Vergleich zu anderen Städten im Osten des imperium Romanum – ungewöhnlich ist.37 Die Bronzen mit dem jugendlichen Melqart oder dem Tychekopf auf der Vorderseite und einer Keule, Palme oder einer Galeere auf der Rückseite, die in hellenistischer Zeit eingeführt wurden, laufen bis in das späte 2. Jh. n. Chr. mit kleinen Variationen durch (Abb. 12). Das Ethnikon wird fast immer auf Phönikisch geschrieben, städtische Ehrentitel (spätestens seit 93/94 n. Chr. metropolis)38 auf Griechisch, und ein Keulen-Monogramm TYR verweist auf Tyros. Der griechische Name wird auf der städtischen Bronzeprägung erstmals im Jahr 112/13 n. Chr. angegeben (Abb. 13), jedoch weiterhin unter zusätzlicher Nennung des phönikischen Toponyms.39 Im 2. Jh. n. Chr. werden dann auch große Bronzen ausgegeben, auf deren Vorderseite der Melqartkopf abgebildet ist, auf der Rückseite der Kaiserkulttempel des Koinons Phönikien, der mit aktischen Spielen verbunden war.40 (Abb. 14) Dies ist das erste Münzbild von Tyros, das direkten Bezug auf Rom oder den Kaiser nimmt. In Berytos werden zeitgleich ausschließlich Münzen mit Kaiserbildern auf der Vorderseite geprägt (Vespasian, Titus, Divus Nerva, Trajan, Hadrian, Antoninus Pius, Mark Aurel und Lucius Verus sowie Commodus).41 Die Rückseiten führen die Feldzeichen- und Pflügertypen fort. Seit Trajan werden zudem noch der tetrastyle 33 BMC Phoenicia 56 ff., Nr. 27–38; 51–65; 67–78; Rouvier 1900, 277 ff.; RPC I, 650 f., Nr. 4535; 4540 f.; 4544–4547. Zu der Münzikonographie römischer coloniae vgl. Papageorgiadou-Bani 2004, 35 ff. sowie Klimowsky 1982/1983. 34 BMC Phoenicia 58, Nr. 47 f.; Rouvier 1900, 277, Nr. 486; RPC I, 650, Nr. 4533 u. 4536 f. S. zu diesen Prägungen jetzt auch Sawaya 2002. 35 Vgl. zu den „pseudoautonomen“ Münzen Johnston 1985. Speziell zu Phönikien s. auch Burnett 2002, 120. 36 BMC Phoenicia 59, Nr. 55 f.; 61 Nr. 67; Rouvier 1900, 278 ff., Nr. 493–496 u. 504; RPC I, 650 f., Nr. 4535 u. 4540–4542. 37 S. dazu Burnett 2002, 120 f. 38 BMC Phoenicia 259, Nr. 288; Rouvier 1903, 323, Nr. 2221. 39 BMC Phoenicia 267, Nr. 356; Rouvier 1903, 325, Nr. 2239. 40 BMC Phoenicia 268, Nr. 361–366; Rouvier 1903, 326, Nr. 2246. Vgl. dazu BMC Phoenicia CXXXVI; Bonnet 1988, 86. 41 BMC Phoenicia 63 ff., Nr. 79–118; Rouvier 1900, 283 ff., Nr. 511–549.
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Tychetempel der Stadt sowie ein stehender Poseidon auf Bronzen abgebildet.42 (Abb. 15 f.) Auf das nun eingeführte Rückseitenbild mit Poseidon ist besonders hinzuweisen. Es hat den Anschein, als sei hier der ältere Gott mit Dreizack auf dem Hippokampenwagen (Abb. 7 f.) als griechischer Poseidon interpretiert worden. Dies wird auch davon unterstützt, dass in Delos mehrere hellenistische Inschriften des 2./1. Jh. v. Chr. eine Gruppe von Händlern aus Berytos, die sich Poseidoniasten nennen, erwähnen.43 Offensichtlich haben sich in Delos mehrere Händler aus Berytos unter dem Schutz der Hauptgottheit ihrer Heimatstadt zusammengeschlossen. Ähnlich vereinigten sich – ebenfalls auf Delos im 2. Jh. v. Chr. – Händler von Tyros unter dem Namen des Herakles und verehrten ihren heimatlichen Herakles-Melqart.44 Es ist daher im Fall von Berytos davon auszugehen, dass die interpretatio Graeca des Gottes auf dem Hippokampenwagen als Poseidon bereits hellenistisch ist (oder zumindest in einer westlichen Kontaktzone wie Delos so erfolgte). Bemerkenswert an der Münzprägung von Berytos ist auch eine Serie unter Trajan, auf welcher der Divus Augustus (Abb. 16) und der Divus Nerva (Abb. 17) auf die Vorderseiten gesetzt wurden.45 Diese Münzen sind ungewöhnlich. Zwar wurde in Berytos bereits unter Tiberius der Divus Augustus geprägt,46 und dies dürfte auf den Koloniegründer verweisen, doch verblüfft der Divus Nerva. Aus städtischen Bronzeprägungen kennen wir keinen weiteren eindeutigen Beleg für Divus Nerva.47 Schmeichelt die Stadt vielleicht Trajan und seinem Adoptivvater oder ist die ganze Serie ein Reflex auf die trajanischen Restitutionsmünzen aus der Münzstätte Rom?48 Denkbar wäre beides, und beides wäre als Zeichen für Romnähe anzusehen. DIE PRÄGUNGEN UNTER SEPTIMIUS SEVERUS UND CARACALLA Unter Septimius Severus gab es in der Folge des mit einem Schwerpunkt in Syrien ausgetragenen Bürgerkriegs und der unterschiedlichen Parteinahme der Städte für Severus oder Pescennius Niger für eine ganze Reihe an Städten Privilegien oder
42 BMC Phoenicia 61 ff., Nr. 66; 83; 89–91; 104–108; 115–117; Rouvier 1900, 280 ff., Nr. 502; 517; 530 f. (Poseidon); BMC Phoenicia 65 ff., Nr. 92; 102 f.; 113 f.; Rouvier 1900, 285 ff., Nr. 521 f. u. 528 (Tychaion). 43 Vgl. Bruneau 1970, 622 ff. 44 Bruneau 1970, 622. 45 BMC Phoenicia 60 f., Nr. 62–66; Rouvier 1900, 280 f., Nr. 500–502 (Divus Augustus); BMC Phoenicia 63 f., Nr. 81–83; Rouvier 1900, 284, Nr. 515–517 (Divus Nerva). 46 BMC Phoenicia 60, Nr. 58–60 u. 61(?). 47 Kaisareia in Kappadokien prägte auf Rückseiten von (silbernen) Didrachmen den Divus Nerva (vgl. Sydenham 1933, 58, Nr. 155 f.). Aus dem thrakischen Abdera kennen wir unter Trajan ausgegebene Bronzen, die auf der Rückseite ein unbenanntes männliches Porträt zeigen, für das ebenfalls der Divus Nerva vorgeschlagen wurde, doch fehlt eine eindeutige Kennzeichnung (vgl. Münzer/Strack 1912, 118, Nr. 250). 48 Komnick 2001, 110 ff.
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Entzug derselben.49 Dies manifestierte sich auch in Koloniegründungen in der Region. Da Berytos sich gegen Severus gestellt hatte, wurde auf seinem Territorium eine weitere colonia, Heliopolis-Baalbek, gegründet, die das Stadtgebiet erheblich beschnitt. Tyros hatte auf der Seite des Severus gestanden und wurde nun ebenfalls colonia, was in dieser Zeit vor allem eine Statusverbesserung des Gemeinwesens bedeutete und anders als bei den frühkaiserzeitlichen Koloniegründungen kaum auswärtige Neusiedler herbeiführte.50 Dennoch ändert sich mit der Koloniegründung auch in Tyros die städtische Münzprägung vollständig:51 Nun verschwindet der jugendliche Melqart auf dem Avers, und stattdessen werden Porträts von Mitgliedern des Kaiserhauses angegeben und alle Münzlegenden lateinisch. Die Münzrückseiten in Tyros zeigen nun auch andere Themen: Zum einen begegnen die aus Berytos bekannten Feldzeichen (Abb. 18) und Pflügerszenen, die auf die Koloniegründung anspielen.52 Außerdem finden wir die Tyche von Tyros (Abb. 19) und Marsyas (Abb. 20).53 Weiterhin gibt es den Hinweis auf den provinziellen Kaiserkult mit aktischen Spielen, erweitert um Preiskronen.54 (Abb. 21) In Tyros haben wir nun also die typischen Bilder einer colonia. Zur selben Zeit werden in Berytos die gängigen Themen der vorangegangenen Münzprägung weitergeführt, wobei auch jetzt die Stadt ein Vorbild in Sachen Romtreue ist. Selbst die Decennalia Caracallas werden in einer Serie gefeiert.55 (Abb. 22) Im gesamten imperium Romanum ist Berytos neben Alexandria die einzige Stadt, die Decennalia eines Kaisers in seiner städtischen Bronzeprägung erwähnt.56 Auf einigen Prägungen unter Caracalla kommt es in Berytos zu einer neuen Entwicklung: Einerseits wird der Typus des stehenden Poseidon fortgeführt,57 andererseits finden wir nun einen Rückgriff auf die Darstellungen mit dem Gott auf dem Hippokampenwagen58 (Abb. 23), der zuletzt vor der Gründung der colonia unter Augustus geprägt worden war (also mehr als 200 Jahre zuvor).59 Dies ist eine erstaunliche Motivwahl – insbesondere in der Parallelisierung mit der Darstellung Poseidons. Wird hier etwa ein und derselbe Gott für verschiedene innerstädtische 49 Millar 1993, 123 f. Vgl. dazu zuletzt auch Thiel 2005. 50 S. dazu Millar 2006, 191 ff. bes. 195 ff. Vgl. auch zu der Koloniegründung in Tyros Belayche 2003, 174 f. 51 Vgl. auch Bonnet 1988, 87 ff. 52 BMC Phoenicia 269 ff., Nr. 367 f.; 371; 377 f.; 380; 383; 394 f.; Rouvier 1904, 66, Nr. 2300 u. 2303 f. 53 BMC Phoenicia 269 ff., Nr. 369; 372 f.; 385–393; 396–405; 416; 419; 423 f.; 431, 433; 436; 438; 474 f.; Rouvier 1904, 65 ff., Nr. 2298; 2301; 2310–2312. 54 BMC Phoenicia 271 ff., Nr. 379; 414 f.; 418. 55 BMC Phoenicia 70 f., Nr. 122–131; Rouvier 1900, 295, Nr. 560. 56 Solche direkt auf den Kaiser und seine Regierung bezogenen Themen finden sich immer wieder in städtischen Prägungen im Osten (vgl. dazu etwa Harl 1987, Tf. 13 ff. u. passim). Decennalia werden aber nur äußerst selten genannt, so neben Berytos nur noch in der Münzprägung von Alexandria für Commodus, Septimius Severus, Severus Alexander, Gallienus, Diokletian und Maximian (Nachweise bei Leschhorn/Franke 2002, 85 u. 340). 57 BMC Phoenicia 71 ff., Nr. 130 f.; 136–138; 141 f.; Rouvier 1900, 295, Nr. 562. 58 BMC Phoenicia 75, Nr. 156–159; Rouvier 1900, 295 f., Nr. 563. 59 BMC Phoenicia 55, Nr. 26; Rouvier 1900, 273, Nr. 472.
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Zielgruppen unterschiedlich dargestellt? Wenn ja, an welchen Bildern hat man sich für das alte Schema in der Zwischenzeit orientiert? Überliefert das Bild mit dem Hippokampenwagen die tatsächlichen Kultverhältnisse in Berytos und der griechische Poseidon ist nur eine lediglich auf der Ebene des Münzbildes vollzogene interpretatio Graeca? Oder wird hier nur ein vermeintlich alter Gott dargestellt, um städtische Altehrwürdigkeit zu suggerieren? Einerlei, für welche Interpretation man sich entscheidet, können wir hier offensichtlich eine Rückbesinnung auf phönikische Lokaltraditionen beobachten. DIE PRÄGUNGEN NACH CARACALLA Tyros und Berytos prägten bis unter Gallienus Bronzen. Tyros gab in dichter Folge weiter Münzen aus, welche überwiegend die bekannten Themen aufnahmen. Unter Macrinus und Elagabal kommt es zu einer deutlichen Erweiterung des ikonographischen Repertoires der Rückseiten mit Bildern, die bislang noch nicht oder nur zum Teil verstanden sind: Neu ist ein nackter Mann mit Chlamys über dem Arm, der vier Hirsche vor sich führt (Abb. 24). Er wird auf späteren Prägungen in phönikischer Schrift als Pygmalion (der Bruder von Dido) bezeichnet und bezieht sich vielleicht auf einen lokalen Jagdheros (Abb. 25).60 Unter Elagabal erstmals belegt ist eine beischriftlich als Dido bezeichnete Frau, die bei der Überwachung der Konstruktion eines Bauwerks gezeigt wird (Abb. 26).61 Vielleicht ist hier die mythologische Gründung von Karthago durch die tyrische Königstochter Dido dargestellt. Zu demselben Themenkomplex könnte auch eine Prägung gehören, auf der eine Frau Anweisungen auf einer fahrenden Galeere gibt (Abb. 27); sie wäre dann als Dido auf der Flucht aus Tyros, die der Gründung von Karthago vorausging, zu benennen.62 Sollte bei diesen Prägungen tatsächlich auf eine punische Gründung durch Tyros angespielt werden, so ist in diesem Kontext auf zwei Inschriften aus Tyros hinzuweisen, welche aus severischer Zeit stammen und eine Statuenweihung der Stadt Lepcis Magna nennen, die ihrer Mutterstadt Tyros zu Ehren eine Statue der Stadt Tyros in Tyros aufgestellt hat.63 Dies zeigt, dass in severischer Zeit offensichtlich eine besondere Beziehung zwischen Puniern und Phönikern bzw. zwischen Tyros und seinen Gründungen inszeniert wurde.64 Rey-Coquais konnte wahrscheinlich machen, dass in zeitgleichen Inschriften auch weitere Städte Tyros solche Statuen weihten, und Strabo berichtet davon, dass die Gründungen im Westen Tyros beson60 BMC Phoenicia 277 ff., Nr. 408 u. 428; Rouvier 1904, 73 ff., Nr. 2344; 2388; 2434; 2548. S. dazu Bijovsky 2000 und Gitler/Bijovsky 2002. 61 BMC Phoenicia 277 ff., Nr. 409; 440 f.; 447; 470; Rouvier 1904, 78 ff., Nr. 2375 f.; 2406; 2430; 2454; 2458; 2501; 2533 f. 62 BMC Phoenicia 277, Nr. 410; Rouvier 1904, 78 ff., Nr. 2377 f.; 2400; 2408; 2431; 2502; 2535. Zu Dido, der Flucht aus Tyros und der Gründung von Karthago vgl. Meltzer 1884 ff. u. 1012 f. 63 Rey-Coquais 1987; Gaggero 1997, 188 f.; Rey-Coquais 2006, 49 f., Nr. 48 f. 64 Vgl. auch die Inschrift in Lepcis Magna, die von Tyros gesetzt wurde: Reynolds/Ward Perkins 1952, 126, Nr. 437. S. auch Millar 1983, 58; Günther 2000; Millar 2006, 196.
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dere Ehrungen entgegenbrachten.65 Möglicherweise findet dies auch Niederschlag in der späteren städtischen Münzprägung: Unter Philippus Arabs und Trebonianus Gallus prägte Tyros Münzen, deren Rückseiten im oberen Abschnitt das tyrische Tychaion mit Stadtgöttin zeigten und im unteren Abschnitt eine Vierergruppe von Tychai, wobei drei Tychai einen Arm huldigend erhoben haben und eine vierte opfert (Abb. 28).66 Es ist vorstellbar, dass hier die Personifikation der metropolis Tyros von Personifikationen ihrer Gründungen wie Lepcis Magna geehrt wurde. Möglicherweise bezieht sich dieses Bild aber auch auf den provinziellen Kaiserkult.67 Ein weiteres neues Thema ist ein auf einer Galeere fahrender Mann, der zurückblickt und zugleich die rechte Hand ausstreckt (Abb. 29).68 Wir wissen nicht, um wen es sich hier handelt, doch könnte die ausgreifende Geste ähnlich wie die Bilder von Dido auf einen wie auch immer gearteten Gründungsmythos oder Kulturtransfer verweisen. Entsprechend wird die Figur als Kadmos gedeutet, der sich auf die Suche nach seiner Schwester Europa begibt. Auch in Sidon, das wie Tyros beanspruchte, die Heimat des Kadmos und der Europa zu sein, wurde ein vergleichbares Bild geprägt.69 Neben solchen Lokalmythen werden seit Elagabal in der Münzprägung auch verstärkt Kultobjekte abgebildet, deren Ausprägung offensichtlich aus dem spezifisch vorderorientalischen Gepräge der städtischen Kulte zu erklären ist. So finden wir nun einen eiförmigen Betyl, der von einer Schlange umwunden wird, daneben Palme und Murex.70 (Abb. 30) Ein weiterer neuer Münztyp, der erstmals unter Philippus Arabs belegt ist, zeigt einen Prozessionsschrein (Abb. 31).71 Unter Gordian III., Philippus Arabs, Trebonianus Gallus, Valerian und Gallienus wird das Bildprogramm der Stadt erneut erheblich erweitert, und es begegnen zahlreiche Bilder, die auf lokale phönikische Traditionen Bezug nehmen. So finden sich mehrere Darstellungen mit weiteren offensichtlich mythologischen Personen: z. B. eine Gestalt mit einem Palladion (Abb. 32),72 ein Mann mit Schilf und zwei Körben (Abb. 33),73 Kadmos und Harmonia,74 Kadmos, der das Alphabet an Griechen übergibt75, Kadmos-Hermes-Thot (Abb. 34),76 Kadmos bei der Gründung des 65 Strab. 16, 2, 22. Vgl. auch Rey-Coquais 1987; Rey-Coquais 2006, 50 ff., Nr. 50 f. 66 BMC Phoenicia 282, Nr. 433; Rouvier 1904, 88 ff., Nr. 2440 u. 2461; van der Vliet 1950, 439 f., Nr. 13. Vergleichbare Darstellungen finden wir auf Bronzen aus Laodikeia (BMC Galatia 262, Nr. 110, Philippus Arabs) und Damaskus (SNG München 1024, Philippus Arabs). 67 Vgl. dazu die Vergleichsbeispiele in der vorangehenden Anmerkung. Zu dem Titel metropolis und dem Kaiserkult vgl. Butcher 2003, 220 f. 68 BMC Phoenicia 277 ff., Nr. 411; 446; 469; Rouvier 1904, 79 ff., Nr. 2382; 2449; 2506. 69 BMC Phoenicia 156 ff., Nr. 92–96; 143–148; 163–167; 204–206; 208–217; 224 f., 229–235; 293; 295; 311 f. Zu der phönikischen Herkunft des Kadmos vgl. zuletzt Kühr 2006, 91 ff. 70 BMC Phoenicia 278, Nr. 413; Rouvier 1904, 81 ff., Nr. 2390; 2402; 2410; 2435; 2476; 2555 f. 71 BMC Phoenicia 283 ff., Nr. 435; 437; 471 f.; 478 f. 72 BMC Phoenicia 289, Nr. 467; Rouvier 1904, 87 ff., Nr. 2433; 2485; 2508; 2542 f. 73 BMC Phoenicia 294, Nr. 491. 74 BMC Phoenicia 283, Nr. 434. 75 BMC Phoenicia 293, Nr. 488; Rouvier 1904, 89 ff., Nr. 2446 u. 2468. 76 BMC Phoenicia 286 ff., Nr. 448; 458; 494. Die bärtige Gestalt mit Schriftrolle, Ibis und Kerykeion wurde bislang immer als Hermes-Thot gedeutet, dürfte sich aber ebenso auf Kadmos beziehen, der mit Hermes gleichgesetzt wurde (vgl. Nonn. Dionys. 4, 85 ff.), und Thot, dem
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boiotischen Theben,77 die ambrosischen Felsen (Abb. 35),78 Europa mit dem Stier,79 Kadmos und Phönix,80 ein Mann und eine Frau (Io, Europa?) mit Rind (Abb. 36)81 sowie einen Helden – vielleicht Kadmos – im Kampf mit einer Schlange (Abb. 37).82 Es ist offensichtlich, dass Tyros – je römischer es seit der Koloniegründung wurde – mit dieser Fülle an Prägungen, die mit der eigenen Geschichte verbunden waren, auf den phönikischen Charakter oder Ursprung der Stadt verweisen wollte. Einige Typen sind in der Überlieferung nur durch singuläre Stücke vertreten,83 was darauf hindeutet, dass sie nur in kleinen Stückzahlen ausgegeben wurden und es zu häufigen Motivwechseln kam. Während ansonsten bei städtischen Prägungen Typen häufig aus Gründen der Wiedererkennbarkeit und damit monetären Konstanz wenigen Wechseln unterworfen waren (man denke in Tyros nur an die monotonen Heraklesprägungen zwischen 126/25 v. Chr. und severischer Zeit), dürfte die nun anzutreffende Vielfalt Programm gewesen sein und auf die mannigfaltige und reiche phönikische Vergangenheit verweisen. Wenden wir uns nun Berytos in der Zeit nach Caracalla zu: Hier scheint sich eine ähnliche Entwicklung wie in Tyros zu vollziehen: Einerseits kommt es zu einer Fortführung bereits etablierter Münzmotive wie Poseidon, Tyche und Legionsadler, andererseits ist eine erhebliche Erweiterung des Motivrepertoires vor allem unter Elagabal zu beobachten. Bereits unter Macrinus findet sich auf Münzrückseiten auf dem Giebel des Tychaions eine Gruppe von Poseidon und der eponymen Quellnymphe Beroe (Abb. 38).84 Diese Gruppe begegnet dann ab Elagabal auch als Einzelmotiv in der städtischen Münzprägung (Abb. 39).85 Es ist davon auszugehen, dass das Motiv die Darstellung einer gräzisierten Herleitung des Stadtnamens ist, wobei offensichtlich die Stadtgeschichte mittels Poseidon in den griechischen Mythos eingehängt werden sollte. Das erste literarische Zeugnis für diesen Mythos, das auch den Namen der Nymphe überliefert, bietet Nonnos im 5. Jh. n. Chr.,86 weshalb es sich wohl um eine späte Aitiologie handelt, die aber nicht so jung wie Nonnos ist, sondern spätes-
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ägyptischen Gott des Schreibens, vergleichbar war. Ägyptische Gottheiten finden sich immer wieder in den städtischen Münzprägungen der südlichen Levante. Vgl. dazu etwa Bricault 2006. BMC Phoenicia 293, Nr. 487; Rouvier 1904, 93 ff., Nr. 2469; 2500; 2532. BMC Phoenicia 281 ff., Nr. 429 f. u. 442. Vgl. dazu auch Naster 1986; Bonnet 1988, 100 ff. BMC Phoenicia 290, Nr. 468 (s. dazu auch Naster 1986, 369 f.). Vgl. auch Mouterde 1942/43. BMC Phoenicia Tf. XLIII 4. Vgl. dazu auch Bonnet-Tzavellas 1983. Rouvier 1904, 94 ff., Nr. 2472 u. 2544; Gorny & Mosch 134, 11.10.2004, Nr. 2211. BMC Phoenicia 280 ff., Nr. 425 f.; 486; 496; Rouvier 1904, 77 ff. Nr. 2372; 2428 f.; 2530 f.; 2564. Vgl. etwa neben den im BMC Phoenicia, Rouvier 1903 und Rouvier 1904 angeführten Stücken Mouterde 1942/43 und van der Vliet 1950, 438 ff., Nr. 11–17. BMC Phoenicia 77 ff., Nr. 165 f.; 169 f.; 175–182; 228–240; Rouvier 1900, 297 ff., Nr. 566; 570; 573 f.; 597–602. BMC Phoenicia 80 ff., Nr. 183–191; Rouvier 1900, 301, Nr. 578 f. Nonn. Dionys. 41 ff. Vgl. auch zu Lokaltraditionen, die bei Nonnos überliefert werden, Chuvin 1994.
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tens unter Macrinus von der Stadt als so bedeutend angesehen wurde, dass sie auf den Münzen propagiert wurde. Unter Elagabal begegnet auch als neues Münzmotiv Aeneas (Abb. 40).87 Der Stammvater Roms, der in griechischen Städteprägungen nur sehr selten zu finden ist, muss in Berytos als Teil des prorömischen Bildprogramms verstanden werden und bot zugleich eine Verschränkung mit der Phönikerin Dido, die Aeneas in Karthago traf.88 Ein ungewöhnliches Bild der acht Kabiren89 (Abb. 41) dürfte mit der besonderen Bedeutung der Kabiren für die Seefahrt zusammenhängen oder aber über Kadmos eine Verbindung zu dem bekannten Kabirenheiligtum bei Theben herstellen. Denkbar ist aber auch ein Hinweis auf den phönikischen Gott Eschmun, der in der phönikischen Mythologie als der jüngste der Kabiren galt.90 Denn Eschmun ist auch ein Thema unter Elagabal: Nun wird eine jugendliche Gestalt zwischen zwei Schlangen gezeigt (Abb. 42).91 Dabei handelt es sich wohl um den jugendlichen Asklepios, der wiederum eine interpretatio Graeca des phönikischen Gottes Eschmun war.92 Nach Elagabal ist er nicht mehr zu finden, stattdessen haben wir ab Gordian III. auf einmal Dionysosbilder (Abb. 43).93 Dionysos war wie Asklepios ebenfalls eine interpretatio Graeca des phönikischen Eschmun.94 Sollten unter Gordian die Dionysosbilder auf denselben Gott wie das Bild des jugendlichen Asklepios zu beziehen sein – was keineswegs sicher ist, es könnten auch zwei verschiedene Götter sein –, so hätten wir hier vielleicht eine Art doppelte interpretatio Graeca.95 D. h. zwei verschiedene griechisch-römische Gottheiten wurden auf der Ebene des Münzbildes eingesetzt, um den komplexen Charakter eines jugendlichen Lokalgottes mit Heil- und Fruchtbarkeitsaspekten zu verdeutlichen. Die nicht vollzogene eindeutige Festlegung auf einen Gott ist dann ein Hinweis darauf, dass der Gott nur wenig griechisch-römisch akkulturiert war und seinen älteren Charakter bewahrt hatte. Die Darstellung als griechischer Gott in der Münzprägung ist entsprechend so zu interpretieren, dass die Eliten bestrebt waren, ihre Stadt als griechisch-römische darzustellen. Ähnlich könnte es sich auch mit dem Gott auf dem Hippokampenwagen und Poseidon in Berytos verhalten. Wie sehr Berytos unter Elagabal zwischen römischer colonia und der Suche nach einer phönikischen Identität oszillierte, kann vielleicht ein weiteres neues Münzbild unter Elagabal verdeutlichen: Dargestellt ist eine Architektur, vielleicht ein Tor, in dessen Durchgang eine Statue des Marsyas als Hinweis auf den coloniaStatus aufgestellt ist (Abb. 44).96 Oberhalb des Tordurchgangs ist die Dea Syria auf 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96
BMC Phoenicia 84, Nr. 213–215; Rouvier 1900, 303 f., Nr. 586. Zu Dido und Aeneas s. Meltzer 1884 ff., 1013 f. BMC Phoenicia 83, Nr. 207–209; Rouvier 1900, 303, Nr. 585. Vgl. dazu Baumgarten 1981, 227 ff. BMC Phoenicia 84 f., Nr. 216–219; Rouvier 1900, 303, Nr. 583 f. Zu Eschmun vgl. die Untersuchung von Xella 1993. BMC Phoenicia 88 f., Nr. 241–249; Rouvier 1900, 307 f., Nr. 603–606. Vgl. Stucky 1993, 59. Vgl. zu diesem Phänomen Lichtenberger 2003, 325. BMC Phoenicia 81 ff., Nr. 192–206; Rouvier 1900, 299, Nr. 572. Zu Marysas als Symbol für römische coloniae vgl. Klimowsky 1982/1983; Millar 2006, 173.
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einem Löwen reitend angegeben. Ist die Dea Syria hier ein traditionell vorderorientalisches Identifikationsbild? Wohl nur bedingt. Denn das Bild der Dea Syria auf dem Löwen ist keineswegs ein „orientalisches“, sondern ganz im Gegenteil ein westliches Bild, das in der Tradition griechischer Kybelebilder, für die dieses Schema seit der Spätklassik bekannt war,97 auf die große syrische Göttin übertragen wurde.98 Für große syrische Göttinnen wurden innerhalb des Vorderen Orients ansonsten eigentlich andere Darstellungsschemata verwendet.99 Offensichtlich wurde mit der Löwenreiterin eine besondere Form der interpretatio Graeca gewählt, bei der eine lokale Göttin nicht etwa konkret als griechische Aphrodite, Artemis oder Hera interpretiert wurde, sondern gewissermaßen abstrakt als griechisches Bild einer „orientalischen“ Göttin. Dabei ist es völlig unklar, ob eine Kontinuitätslinie zu einer älteren Göttin in Berytos – vielleicht der „Astarte“ des 2. Jh. v. Chr. – überhaupt gezogen werden darf. Es bleibt aber, dass Berytos mit einem westlichen Bildschema eine vorderorientalische Tradition reklamierte. * Fassen wir die Beobachtungen zusammen: Die Betrachtung zweier phönikischer Städte, Tyros und Berytos, mit ihren höchst unterschiedlichen historischen Voraussetzungen hat gezeigt, dass es auf keinen Fall möglich ist, zu generalisierenden Aussagen über städtische Identitäten in Phönikien zu kommen. Dies kann immer nur für die einzelne Stadt aufgezeigt werden.100 Erstaunlich ist beispielsweise der Unterschied in der Behandlung der übergeordneten Autoritäten. Anders als Tyros, das eine Form von Pseudoautonomie bis in severische Zeit massiv betonte, scheint Berytos von Anfang an einer Integration aufgeschlossener gewesen zu sein (oder konnte sich ihr nicht entziehen). Tyros und Berytos sind in dieser Hinsicht Städte, die – selbst auf das ganze imperium Romanum bezogen – zwei extreme Positionen einnehmen. Trotz stadtspezifischer Eigenheiten können aber doch vergleichbare Strukturen aufgezeigt werden: So ist vor allem in severischer Zeit, beginnend mit Caracalla und fortgeführt unter Elagabal in beiden Städten eine Besinnung auf die Stadtgeschichte zu beobachten: Tyros stellt selbstbewusst seine phönikischen Lokaltraditionen heraus, wobei sie offensichtlich vor allem in gleicher Augenhöhe mit der griechischen Geschichte und dem griechischen Mythos interessant waren. Berytos dagegen führte die Tradition weiter, sich besonders romfreundlich zu geben, und der Akzent der mythologischen Stadtgeschichte wurde mit Poseidon und Beroe sehr viel stärker an Griechenland angelehnt. Poseidon ist ein griechischer Gott. Tyros dagegen zeigte phönikische Helden. 97 Vgl. Simon 1997, 758 mit Verweis auf Plin. n. h. 35, 108 f. 98 Drijvers 1986, 357. 99 Vgl. etwa die Ikonographie solcher Göttinnen bei Fleischer 1973, 263 ff.; Drijvers 1986, 355 ff. 100 S. etwa auch die grundsätzlichen Ausführungen von Kaizer 2006 zur Methodik des Vergleichs religiöser Phänomene innerhalb des Vorderen Orients.
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In Tyros war das Jahr 126/125 v. Chr. ein wichtiger Einschnitt, als sich unter den Seleukiden die Münzbilder grundlegend änderten. Auf einmal tritt das Bild des jugendlichen Herakles-Melqart auf. Dieses ist ein griechisches Heraklesbild. Auch Tyche ist eine griechische Göttin. Jene griechischen Bilder neben phönikischen Münzlegenden erinnern strukturell an die perserzeitlichen, auf denen ägyptische Ikonographie eklektisch integriert wurde. Ab 126/125 v. Chr. haben wir in Tyros also ein Nebeneinander griechischer Bilder und Titel mit phönikischen Beischriften, wobei das Gesamtbild durchaus griechisch ist. Erst mit der severischen Koloniegründung kommen in Tyros (ähnlich wie in Berytos) die historisierenden „phönikischen Bilder“. Es ist daher wohl anzunehmen, dass die Koloniegründung keineswegs nur eine Statusangelegenheit war, sondern einen echten kulturellen Einschnitt bedeutete, der zu einer Rückbesinnung führte. Diese Rückbesinnung kann wohl nicht monokausal auf ein antiquarisches Interesse an der Stadtgeschichte zurückgeführt werden, sondern muss auch als Auseinandersetzung mit Romanisierung begriffen werden. Da allerdings das Phänomen in der alten colonia Berytos auch erst jetzt einsetzt, muss wohl zugleich mit einem entsprechenden Gesamtklima seit der Dynastie der Severer gerechnet werden, das einer selbstbewussten Betonung phönikischer Lokaltraditionen Vorschub leistete.101 Dass die nun inszenierte phönikische Kultur aber nicht ein spätkaiserzeitliches Konstrukt und Fassade war, darauf deuten das Auftreten des Gottes auf dem Hippokampenwagen in Berytos unter Caracalla und vielleicht auch die doppelte interpretatio Graeca des Eschmun an demselben Ort. Auch die unterschiedlichen Münzlegenden der Zielgruppen der tyrischen Stadtprägung (überregionale Silberprägung griechisch – lokale Bronzeprägung phönikisch) zeigen, dass auch wenn wir keine phönikischen Inschriften mehr kennen, durchaus mit einem Fortleben der Sprache und Kultur zu rechnen ist. Damit verbunden dürfte selbstverständlich auch eine phönikische Identität sein, die jedoch von griechischer und römischer Kultur beeinflusst war bzw. sich gerade in Auseinandersetzung mit ihr formulierte. LITERATUR Aubet, Maria E., The Phoenicians and the West. Politics, Colonies and Trade, Cambridge 1987 Ball, Warwick, Rome in the East. The Transformation of an Empire, London u. a. 2000 Baramki, Dimitri. C., The Coin Collection of the American University of Beirut Museum. Palestine and Phoenicia, Beirut 1974 Baumgarten, Albert I., The Phoenician History of Philo of Byblos. A Commentary (EPRO 89), Leiden 1981 Belayche, Nicole, Les formes de religion dans quelques colonies du Proche-Orient, ARG 5 (2003) 157–179 Betlyon, John W., The Coinage and Mints of Phoenicia. The Pre-Alexandrine Period, Chico 1980 Bijovsky, Gabriela, More about Pygmalion from Tyre, NAC 39 (2000) 319–332 Boardman, John, Kolonien und Handel der Griechen. Vom späten 9. bis zum 6. Jahrhundert v. Chr., München 1981 101 Vgl. zu diesem Phänomen, das anderenorts im Vorderen Orient beobachtet und vielleicht als „Reorientalisierung“ bezeichnet werden kann, Lichtenberger 2003, 353 f.
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PD Dr. Achim Lichtenberger, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Institut für Klassische Archäologie und Frühchristliche Archäologie / Archäologisches Museum, Domplatz 20–22, D-48143 Münster; e-mail: [email protected]
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Abb. 1: Tyros, Silberprägung, 5. Jh. v. Chr., Vs.: Delphin n. r. über Murex, Rs.: Eule mit Krummstab und Dreschflegel in incusum (Peus 368, 25.4.2001, Nr. 301)
Abb. 2: Tyros, Silberprägung, 334/33 v. Chr., Vs.: Melqart auf Hippokamp n. r., Rs.: Eule mit Krummstab und Dreschflegel (Künker 111, 18.3.2005, Nr. 6325)
Abb. 3: Tyros, Tetradrachme, 105/04 v. Chr., Vs.: Kopf des Herakles-Melqart n. r., Rs.: Adler (Künker 83, 17.6.2003, Nr. 428)
Abb. 4: Tyros, Bronze, 107/06 v. Chr., Vs.: Kopf der Tyche n. r., Rs.: Palme (Baramki 1974, 236, Nr. 93)
Abb. 5: Tyros, Bronze, 88/87 v. Chr., Vs.: Kopf des Herakles-Melqart n. r., Rs.: Keule (Münzen und Medaillen Deutschland 20, 10./11.10.2006, Nr. 877)
Abb. 6: Tyros, Tetradrachme, 46/47 n. Chr., Vs.: Kopf des Herakles-Melqart n. r., Rs.: Adler (Künker 124, 16.–17.3.2007, Nr. 8052)
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Abb. 7: Berytos, Bronze, 2. Jh. v. Chr., Vs.: Kopf der Tyche n. r., Rs.: Lokalgott in Hippokampenwagen (Münzen und Medaillen Deutschland 20, 10./11.2006, Nr. 782)
Abb. 8: Berytos, Bronze, 32/31 v. Chr., Vs.: Kopf der Kleopatra VII. n. r., Rs.: Lokalgott in Hippokampenwagen (Triton X, 9.1.2007, Nr. 425)
Abb. 9: Berytos, Bronze, 28/27 v. Chr., Vs.: Kopf eines Lokalgotts n. r., Rs.: Nike (Münzen und Medaillen Deutschland 20, 10./11.10.2006, Nr. ex 784)
Abb. 10: Berytos, Bronze, 27 v.–14 n. Chr., Vs.: Kopf des Augustus n. r., Rs.: Pflüger (sulcus primigenius) (Münzen und Medaillen Deutschland 20, 10./11.10.2006, Nr. 786)
Abb. 11: Berytos, Bronze, 6/4 v. Chr., Vs.: Kopf des Augustus n. r., Rs.: Zwei Legionsadler (Künker 124, 16.–17.3.2007, Nr. 8734)
Abb. 12: Tyros, Bronze, 132/33 n. Chr., Vs.: Kopf des Herakles-Melqart n. r., Rs.: Keulenmonogramm (Künker 124, 16.–17.3.2007, Nr. 8054)
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Abb. 13: Tyros, Bronze, 113/14 n. Chr., Vs.: Kopf des Herakles-Melqart n. r., Rs.: Keulenmonogramm (SNG Copenhagen 340)
Abb. 14: Tyros, Bronze, 2. Jh. n. Chr., Vs.: Kopf des Herakles-Melqart n. r., Rs.: Kaiserkulttempel (Münzen und Medaillen 32, 20.10.1966, Nr. 492)
Abb. 15: Berytos, Bronze, 217/18 n. Chr., Vs.: Kopf des Macrinus n. r., Rs.: Poseidontempel (Peus 369, 31.10.2001, Nr. 1236)
Abb. 16: Berytos, Bronze, 98–117 n. Chr., Vs.: Kopf des Divus Augustus n. l., Rs.: Poseidon n. l. (Classical Numismatic Group 72, 14.6.2006, Nr. 1256)
Abb. 17: Berytos, Bronze, 98–117 n. Chr., Vs.: Kopf des Divus Nerva n. r., Rs.: Pflüger (sulcus primigenius) (Classical Numismatic Group 69, 8.6.2005, Nr. 1235)
Abb. 18: Tyros, Bronze, 253–268 n. Chr., Vs.: Kopf der Salonina n. r., Rs.: Adler und Vexillum (Gorny & Mosch 134, 11./12.10.2004, Nr. 2210)
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Abb. 19: Tyros, Bronze, 218–222 n. Chr., Vs.: Panzerbüste des Elagabal n. r., Rs.: Tyche in Figurenrahmen (Gorny & Mosch 134, 11./12.10.2004, Nr. 2208)
Abb. 20: Tyros, Bronze, 222/23 n. Chr., Vs.: Panzerbüste des Severus Alexander n. r., Rs.: Marsyas n. r. vor Palme (Münzen und Medaillen Deutschland 20, 10./11.10.2006, Nr. 907) Abb. 21: Tyros, Bronze, 238–244 n. Chr., Vs.: Büste des Gordian III. n. r., Rs.: Tisch mit zwei Preiskronen (Münzen und Medaillen Deutschland 20, 10./11.10.2006, Nr. 909)
Abb. 22: Berytos, Bronze, 207/08 n. Chr., Vs.: Büste der Iulia Domna n. r., Rs.: Zwei Legionsadler in Lorbeerkranz und Beischrift anläßlich der Decennalia Caracallas (Münzen und Medaillen Deutschland 20, 10./11.10.2006, Nr. 799) Abb. 23: Berytos, Bronze, 197–217 n. Chr., Vs.: Büste des Caracalla n. r., Rs.: Gott im Hippokampenwagen (Münzen und Medaillen Deutschland 20, 10./11.10.2006, Nr. 802)
Abb. 24: Tyros, Bronze, 218–222 n. Chr., Vs.: Büste des Elagabal n. r., Rs.: Pygmalion mit vier Hirschen (Münzen und Medaillen Deutschland 20, 10.10./11.2006, Nr. 899)
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Abb. 25: Tyros, Bronze, 244–249 n. Chr., Vs.: Büste des Philippus Arabs n. r., Rs.: Pygmalion mit vier Hirschen (Münzen und Medaillen Deutschland 20, 10.10./11.2006, Nr. 911)
Abb. 26: Tyros, Bronze, 253–260 n. Chr., Vs.: Büste des Valerian n. r., Rs.: Dido überwacht den Bau Karthagos (Sternberg, 25.&26.11.1976, Nr. 733)
Abb. 27: Tyros, Bronze, 218–222 n. Chr., Vs.: Büste des Elagabal n. r., Rs.: Dido(?) auf Galeere (Baramki 1974, 255, Nr. 246)
Abb. 28: Tyros, Bronze, 244–249 n. Chr., Vs.: Büste des Philippus Arabs n. r., Rs.: Tychaion mit Tyche und vier weiteren Tychai (Münzen und Medaillen Deutschland 20, 10./11.10.2006, Nr. 910)
Abb. 29: Tyros, Bronze, 253–268 n. Chr., Vs.: Panzerbüste des Gallienus n. r., Rs.: Kadmos (?) n. r. zurückblickend (Gorny & Mosch 134, 11./12.10.2004, Nr. 2209)
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Abb. 30: Tyros, Bronze, 218–222 n. Chr., Vs.: Büste des Elagabal n. r., Rs.: Eiförmiger Betyl von Schlange umwunden (Münzen und Medaillen Deutschland 20, 10./11.10.2006, Nr. ex 908)
Abb. 31: Tyros, Bronze, 253–268 n. Chr., Vs.: Panzerbüste des Gallienus n. r., Rs.: Kultschrein mit Tragegerüsten (Münzen und Medaillen Deutschland 20, 10./11.10.2006, Nr. 921)
Abb. 32: Tyros, Bronze, 253–260 n. Chr., Vs.: Panzerbüste des Valerian n. r., Rs.: Mann mit Palladion n. l. (SNG Copenhagen 381)
Abb. 33: Tyros, Bronze, 251–253 n. Chr., Vs.: Büste des Trebonianus Gallus n. r., Rs.: Mann mit Schilfbündeln und Körben (Münzen und Medaillen Deutschland 20, 10./11.10.2006, Nr. 914)
Abb. 34: Tyros, Bronze, 251–253 n. Chr., Vs.: Panzerbüste des Trebonianus Gallus n. r., Rs.: Kadmos-Hermes-Thot n. l. (Münzen und Medaillen Deutschland 20, 10./11.10.2006, Nr. 913)
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Abb. 35: Tyros, Bronze, 238–244 n. Chr., Vs.: Panzerbüste des Gordian III. n. r., Rs.: Ambrosische Felsen und Ölbaum (Münzen und Medaillen 32, 20.10.1966, Nr. 495)
Abb. 36: Tyros, Bronze, 253–260 n. Chr., Vs.: Panzerbüste des Valerian n. r., Rs.: Mann und Frau mit Rind (Gorny & Mosch 134, 11./12.10.2004, Nr. 2211)
Abb. 37: Tyros, Bronze, 254–268 n. Chr., Vs.: Büste der Salonina n. r., Rs.: Kadmos im Schlangenkampf (Sternberg, 26./26.11.1976, Nr. 735)
Abb. 38: Berytos, Bronze, 217/218 n. Chr., Vs.: Panzerbüste des Diadumenianus n. r., Rs.: Tychaion (Lanz 117, 24.11.2003, Nr. 987)
Abb. 39: Berytos, Bronze, 218–222 n. Chr., Vs.: Panzerbüste des Elagabal n. r., Rs.: Poseidon und Beroe (Künker 124, 16.–17.3.2007, Nr. 9330)
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Abb. 40: Berytos, Bronze, 218–222 n. Chr., Vs.: Büste des Elagabal n. r., Rs.: Aeneas mit Anchises und Ascanius (Baramki 1974, 143, Nr. 113)
Abb. 41: Berytos, Bronze, 218–222 n. Chr., Vs.: Büste des Elagabal n. r., Rs.: Acht Kabiren (Baramki 1974, 143, Nr. 112)
Abb. 42: Berytos, Bronze, 218–222 n. Chr., Vs.: Büste des Elagabal n. r., Rs.: Eschmun zwischen zwei Schlangen (Münzen und Medaillen Deutschland 20, 10./11.10.2006, Nr. 811)
Abb. 43: Berytos, Bronze, 238–244 n. Chr., Vs.: Panzerbüste des Gordian III. n. r., Rs.: Dionysos n. l. stehend (Classical Numismatic Group 60, 22.5.2002, Nr. 1267)
Abb. 44: Berytos, Bronze, 218–222 n. Chr., Vs.: Büste des Elagabal n. r., Rs.: Tordurchgang mit Marsyas und Dea Syria (Künker 124, 16.–17.3.2007, Nr. 9331)
LIBANIOS’ VORSTELLUNGEN VOM NAHEN OSTEN Fergus Millar Wer sich mit der Geschichte des Nahen Ostens in der hellenistisch-römischen Zeit beschäftigen möchte, sollte meiner Meinung nach vor allem den berühmten Aufsatz von Rostovtzeff, „La Syrie romaine“ in der Revue Historique von 1935 lesen, beziehungsweise sich erneut damit befassen: Erstens, weil man Rostovtzeff, der ohne Frage der grösste Althistoriker des zwanzigsten Jahrhunderts war, immer wieder lesen sollte. Sein bedeutsamster Gedanke ist wieder ganz aktuell: dass man nämlich als Althistoriker nicht nur lesen, sondern auch sehen muss: dass man reisen muss, um nicht nur die verschiedenen Regionen und Landschaften, Städte und Dörfer der griechisch-römischen Welt vor Ort zu sehen, und nicht nur die Kunstwerke, sondern um auch die gewöhnlichen Objekte, die in den zahlreichen lokalen Museen ausgestellt sind, wertzuschätzen. Die bedeutendste Richtung der zeitgenössischen Altertumswissenschaft, nämlich die Betonung des Visuellen, oder Sichtbaren, hat ihren eigentlichen Ausgangspunkt in den Werken Rostovtzeffs. Wer auf dem Gebiet des Nahen Ostens forscht, hat allerdings noch triftigere Gründe, diesen Aufsatz Rostovtzeffs zu lesen. Im Jahre 1935 war Rostovtzeff schon sieben Jahre lang mit den Ausgrabungen in Dura-Europos beschäftigt. 1928 hatte er eine Reise durch den Nahen Osten gemacht, auf der sein 1932 erschienenes Buch Caravan Cities basiert. Für uns jedoch ist heute der wichtigste Aspekt seines Aufsatzes die Betonung der grundlegenden Verschiedenheit des Verlaufs der sozialen und kulturellen Geschichte in den jeweiligen Regionen des römischen Nahen Ostens. Nichtsdestoweniger war selbst Rostovtzeff nicht in der Lage, sich mit allen zentralen Problemen der Geschichte des Nahen Ostens auseinanderzusetzen. Insbesondere hatte er sehr wenig zu sagen zum Problem eines möglichen Erbes des vorhellenistischen Ostens in der Römerzeit. Ist beispielsweise das kaiserzeitliche Damaskus als eine rein griechische Stadt zu verstehen? Oder gab es, vor allem im Fall des Kultes des Zeus Damaskenos, eine bedeutende Kontinuität? War Damaskus gewissermaßen von jeher eine essentiell „orientalische“ Stadt? In seinem Aufsatz erklärt Rostovtzeff, dass er auf die Probleme der Religionsgeschichte nicht eingehen will. Ein prägnantes Fallbeispiel für das Problem der Kontinuität, d. h. eines möglichen Erbes des Alten Orients, liegt insbesondere in Palmyra vor. Wir begegnen hier einer Stadt, von der man absolut nicht behaupten kann, dass sie eine rein griechische oder griechisch-römische Stadt gewesen ist. Die Zweisprachigkeit der Inschriften, die Kunst, die Architektur, die soziale Struktur – in all dem manifestiert sich eine einzigartige Gesellschaft. Wir sind hier allerdings mit zwei größeren Problemen konfrontiert. Erstens, das Palmyra, dem wir heute begegnen können, ist
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lediglich die Stadt der Römerzeit. In Anbetracht dieser Situation bleibt zu fragen, wo und wie wir das Erbe des Alten Orients ausmachen können? Zweitens, mit welcher Terminologie kann diese Stadt adäquat charakterisiert und beschrieben werden? War Palmyra orientalisch? semitisch? syrisch? aramäisch? Oder, nach Dussaud, sogar arabisch?1 Leider hat Rostovtzeff diesbezüglich keine klare Begrifflichkeit finden können: „ils ont découvert dans les arts une langue commune intelligible aux Grecs de Syrie et aux Hellènes sémitisés comme aux Sémites héllénisés“ (S.8). In meinem Roman Near East bin ich bewusst in Rostovtzeffs Fussstapfen getreten und habe versucht, vor allem die jeweilige besondere Geschichte der einzelnen Regionen des Nahen Ostens herauszuarbeiten. Hierfür ist eine streng empirische Methode unabdingbar. Es ist dieselbe Methode, die wir alle im Verlauf dieses Kolloquiums angewandt haben. Wie unsere drei verehrten Veranstalter schon vorweg dargelegt haben, wollen wir hier der „Tendenz, Einzelerscheinungen zu verallgemeinern und Bezüge zwischen räumlich wie zeitlich weit entfernten Phänomenen herzustellen“, entgegenwirken. Das Ergebnis ist die Präsentation einer Reihe äußerst interessanter Einzeluntersuchungen, die eine Vielzahl von Aspekten des römischen Ostens beleuchten. Wenn wir nun zu meinem Hauptthema kommen – Libanios’ Vorstellungen vom Nahen Osten, wie sie in seinen Werken zutage treten – sind wir mit einem Dilemma konfrontiert. Um es kurz zu sagen: Wenn wir die zahlreichen Reden und Briefe des Libanios lesen, finden wir bei ihm absolut keine Sensibilität und kein Bewusstsein von regionalen Verschiedenheiten in der Kultur des Nahen Ostens, aber auch, wie ich glaube, kein Bewusstsein vom „Nahen Osten“ im Sinne einer einzigartigen Region in der griechisch-römischen Welt. Was Libanios wahrnahm, als er über die Region schrieb, die wir als „den Nahen Osten“ betrachten, war nichts anderes als eine griechische Welt mit griechischen Städten, in denen die griechische Kultur blühte. Wir können jedoch die Vorstellungen des Libanios vom „Nahen Osten“ nicht einfach übergehen. Libanios, der 314 in Antiochia geboren wurde und einer angesehenen Familie entstammte, lebte, abgesehen von zwischenzeitlichen Aufenthalten in Athen, Konstantinopel und Nikomedia, bis zu seinem Tod im Jahre 393 nahezu ununterbrochen in seiner Heimatstadt. Für den enormen Wandel, der sich im vierten Jahrhundert in der politischen Struktur und den religiösen Grundfesten des römischen Imperiums vollzog, ist er für uns selbstverständlich ein Zeuge ersten Ranges. Keine neuere Studie und Deutung der spätrömischen Welt kommt an Libanios’ Vorstellungen vorbei. Zudem war Libanios absolut kein weltfremder Intellektueller. Als städtischer Lehrer der Rhetorik, als Redner und Verfasser von Briefen spielte er eine zentrale Rolle im politischen Leben nicht nur seiner Heimatstadt, sondern der ganzen Region. Wir müssen uns die Tatsache vor Augen halten, dass wir es bei ihm mit einem Corpus von 1544 Briefen und 64 Reden zu tun haben.2 Alle wurden auf Griechisch geschrieben. Libanios konnte seine bedeutende politi1 2
Dussaud 1955. Ich möchte Christina Kuhn (Oxford), die den (sogenannten) deutschen Text dieses Vortrags korrigiert hat, herzlich danken. Siehe selbstverständlich die ausgezeichnete Ausgabe von Libanios’ Werken von R. Foerster, I-XII, 1903–1923.
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sche Rolle ohne ein einziges Wort Latein spielen; auf das Syrische nimmt er nur ein einziges Mal Bezug – und dann auch noch, wie wir weiter unten sehen werden, lediglich ganz beiläufig. Libanios ist aber nicht nur in zahlreichen Reden und Briefen auf die Welt des griechisch-sprechenden Teils des römischen Imperiums eingegangen; wir begegnen ihr auch in seinen drei Hauptwerken. Erstens, seine Rede XI, der Antiochikos, eine geschichtliche Darstellung und Beschreibung seiner Heimatstadt;3 zweitens die an Kaiser Theodosius gerichtete Rede XXX Für die Tempel. Es gibt vielleicht in der gesamten griechischen Literatur kein Werk, das uns so lebendig die Bedeutung der heidnischen Kulte beschreibt. Wie wir weiter unten sehen werden, ist Libanios jegliche Vorstellung eines Synkretismus, einer Mischung von griechischen und lokalen – oder „semitischen“ – Elementen im Heidentum seiner Region absolut fremd. Wir können aber nicht sagen, dass für ihn die Götter seiner Stadt oder diejenigen der Dörfer keinerlei Bedeutung hatten. Als Heide, der enge persönliche Beziehungen zu Kaiser Julian „Apostata“ hatte, besaß Libanios ein ausgeprägtes Bewusstsein von dem radikalen Wandel, der sich in seiner Zeit vollzog. Man braucht nur den letzten Brief des Kaisers zu lesen, den er dem Libanios persönlich schrieb, in dem er über seinen Perserfeldzug berichtet sowie, in deprimiertem Ton, über die kühle Reaktion der Bevölkerung auf die erhoffte Restauration des Heidentums.4 Vor allem aber dürfen wir die Tatsache nicht ausser Acht lassen, dass Libanios auch ein bedeutender Historiker war. Seine sogenannte „Rede“ XVIII, der Epitaphios für Julian, ist faktisch als eine sehr detaillierte Zeitgeschichte bzw. politische Biographie zu verstehen – in der Tat der früheste uns bekannte Bericht über die Regierung Kaiser Julians. Libanios muss demnach als Quelle für die Geschichte des Nahen Ostens im vierten Jahrhundert ernst genommen werden. Er selbst war eine sehr prominente Persönlichkeit, die enge Beziehungen zu den Kaisern und einflussreichen Hofbeamten seiner Zeit hatte. Seine Reden und Briefe, die zusammen mehr als 5000 Seiten in der Teubner-Ausgabe füllen, behandeln bedeutende Aspekte des Lebens der führenden Gesellschaftsschicht des griechischen Ostens, etwa die oft schwierige Lage der boulai der provinzialen Städte, die Gerichtsbarkeit der Statthalter und des Comes Orientis, den Unterricht in der griechischen Rhetorik und anderes. Es ist insofern für uns als Historiker des Nahen Ostens durchaus legitim zu fragen, welche Vorstellung vom Nahen Osten in seinen Werken zum Ausdruck kommt. Man könnte zwar erwarten, dass uns Libanios als prominenter Teilnehmer am politischen Leben seiner Heimatstadt und auch der ganzen Region ein klares Bild seiner Vorstellung von dieser Region vermitteln würde, und das umsomehr, als im vierten Jahrhundert der Nahe Osten zum ersten Mal eine offizielle römische Identität erhält: als „Oriens“ beziehungsweise auf griechisch 'Anatol». Leider kommt dieser Begriff aber nirgendwo in den Werken des Libanios vor. Paradoxerweise ist es nicht Libanios, sondern sein jüngerer Zeitgenosse und Landsmann Johannes Chrysostomos, der diesen Begriff ausdrücklich verwendet. Als er von der Gesandt3 4
Für den Antiochikos siehe jetzt die Einführung und englische Übersetzung von Norman 2000. Iul., epist. 27 Hertlein/98 Bidez-Cumont/58 Wright (Loeb III).
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schaft des Bischofs Flavianos von Antiochia vor Theodosius spricht, sagt er: „Seine Worte würden jetzt nicht nur im Namen seiner Stadt, sondern von der ganzen Anatole (gesprochen werden), weil unsere Stadt der Kopf und die Mutter der Städte ist, die im Osten liegen“.5 Nichtsdestoweniger haben Libanios’ Reden und Briefe es tatsächlich mit allen Provinzen der Anatole zu tun: Syrien, Kilikien, die neue Provinz Euphratensis oder Euphratesia, Mesopotamien, Phönikien, Palästina, Arabien. Aber nimmt er bedeutende Verschiedenheiten in der Kultur oder der Sprache oder der politischen Struktur dieser Provinzen wahr? Absolut nicht. Für Libanios waren alle diese Provinzen Gebiete, die aus griechischen Städten bestanden. Im Leben einer jeden dieser Provinzen war die wichtigste Frage immer die der boulai. Unter welchen Umständen konnte man Mitglied der boule seiner Heimatstadt werden? Und: wenn jemand bouleutes oder politeuomenos in seiner Stadt wurde, war der Provinzstatthalter oder Comes Orientis bereit, seine Stellung anzuerkennen? In den Reden und Briefen des Libanios werden die Probleme der Städte und der boulai immer wieder angesprochen. Ich möchte nur einige Beispiele herausgreifen, die in der Rede XXVIII zu finden sind. Diese Rede ist an Theodosius um 385 gerichtet, und will das Unrecht und die Untaten des Comes Orientis Icarius bloßlegen. Als dieser durch die Provinzen reiste, hatte er Stadträte (politeumenoi) in Arados in Phoenikien, in Bostra in der Provinz Arabien, in Arethousa und Beroea in Syrien misshandelt. Das Bouleuterion jedoch ist das Fundament einer polis schlechthin – wie Libanios dem Kaiser gegenüber nachdrücklich betont. Wenn dieses beseitigt wird, ist alles verloren. Als Rhetor und Lehrer genoss Libanios größten regionalen und überregionalen Ruf. Für sein Selbstverständnis war der große Zulauf von Schülern von erheblicher Bedeutung. Auch hier sehen wir, dass die Provinzen des Nahen Ostens eine Rolle spielen, und zwar eine Rolle, die sich offenbar in keiner Weise von der der anderen griechischen Provinzen unterschied. So zählt Libanios beispielsweise in der Rede LXII, Gegen die Kritiker seines Erziehungssystems, die verschiedenen Provinzen auf, aus denen seine Schüler kommen: aus Galatien, Armenien, Kilikien, Syrien, von jenseits des Euphrats, aus Phönikien, Palästina, Arabien, Isaurien, Pisidien, Phrygien – und zeitweise auch aus Kappadokien.6 Es war für Libanios selbstverständlich unnötig zu betonen, dass alle diese jungen Männer nach Antiochia gekommen sind, um sich als Rhetoren auf Griechisch vorzubereiten. In dieser seiner Aufzählung spricht Libanios aber genau genommen nicht von verschiedenen Regionen, sondern von verschiedenen Völkern: Kilikier, Syrer, Kappadoker, Phöniker. Kann man aber daraus schließen, dass hier endlich einmal ein klares Bewusstsein von den spezifischen Verschiedenheiten in der Kultur des „Oriens“ signalisiert wird? Auch hier wieder einmal, kurz und knapp gesagt: absolut nicht. Bei Libanios ist die Bedeutung solcher scheinbar „ethnischer“ Begriffe ganz klar: sie bezeichnen die Bewohner der verschiedenen römischen Provinzen. Seinem eigenen Selbstverständnis nach, war Libanios selbst ein „Syrer“ (Or. I 16; Or. XVIII 242). Entsprechend bezeichnet das Wort „Arabios“ einen Bewohner 5 6
Ioh. Chrys., Hom. III 1 (Migne, PG XLIX, Kol. 47). Siehe Norman 2000, 87–109, und jetzt auch Cribiore 2007.
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der römischen Provinz Arabien. Ein solcher „Arabios“, wie zum Beispiel Libanios’ Freund Gaudentios, konnte auch Rhetor werden (Epp. 543; 747). Ein „Arabios“ also war kein „Araber“ im modernen Sinn, das heisst kein Nomade in der Wüste. Für jene Gruppen gab es in der Tat einen echten „ethnischen“ Namen, nämlich Sarakhno…, oder auf Latein „Saraceni“. In Kaiser Julians letztem Brief an Libanios findet sich der Hinweis, dass er Gesandte zu den „Sarazenen“ geschickt habe.7 Die „Arabioi“, die in der römischen Provinz Arabia wohnten, waren eine ganz andere soziale Gruppe. Aus der Sicht des Libanios gehörten auch diese „Arabioi“ der Welt der griechischen Kultur an, wo die bedeutendsten sozialen Strukturen die griechischen poleis waren. Die Verschiedenheiten oder die lokalen oder regionalen Besonderheiten in der Kultur und der sozialen Struktur des Nahen Ostens, die wir untersuchen wollen, sind, wie es scheint, in den Augen des Libanios absolut unauffällig und belanglos. Müssen wir daraus schließen, dass Libanios als zeitgenössischer Zeuge der Welt des Nahen Ostens für unverlässlich, irreführend oder gar unbrauchbar zu gelten hat? Das zu postulieren könnte auf den ersten Blick berechtigt sein. Bekanntlich bekundeten die Griechen ein durchwegs geringes Interesse an fremden Kulturen.8 Für uns, zum Beispiel, ist die Eigenart der lokalen Kultur und der charakteristischen Kunst von Palmyra, wie auch die aramäische Sprache und die semitische Schrift der Stadt, von besonderem Interesse und besonders beachtenswert. In der ganzen griechischen Literatur der Kaiserzeit fällt meines Wissens jedoch kein einziges Wort über die Kultur Palmyras. Wir dürfen aber nicht zu vorschnell zu dem Schluss kommen, dass Libanios gegenüber den lokalen Kulturen des Nahen Ostens gleichsam blind war. Wir müssen in diesem Zusammenhang zunächst einen Blick auf die gesamte Sozial- und Kulturgeschichte des Nahen Ostens in der griechisch-römischen Zeit werfen. Wenden wir uns hierzu wieder unserem Fallbeispiel Palmyra zu. In der hellenistischen Zeit gab es, soweit bislang bekannt, keine eigentliche Stadt Palmyra. Die charakteristische Kultur, Architektur, Kunst und Schrift Palmyras müssen alle als Entwicklungen der späthellenistischen Zeit und vor allem der Kaiserzeit gesehen werden.9 Nach der Rückeroberung Palmyras durch Kaiser Aurelian ist diese lokale Kultur, wie es scheint, sehr rasch und für immer untergegangen. Die Stadt Palmyra selbst aber ist nicht verschwunden, und dank der jüngsten Untersuchungen und Ausgrabungen können wir uns über das Palmyra der Spätantike bis zu einem gewissen Grade ein konkreteres Bild machen: eine kleine griechische Grenzstadt mit einer römischen Garnison, mit mindestens einer Kirche und einem Bischof, der am Konzil von Nikaia teilnahm. Aus den Ergebnissen der Archäologie und Epigraphik zu schließen, gab es keine lokale Kultur mehr. Das „Palmyra“, das wir alle kennen, ist schon vergangen. Im vierten Jahrhundert sind Inschriften in palmyrenischer Sprache nicht mehr zu finden.10 7 8 9 10
Siehe Anm. 4 oben. Siehe vor allem Momigliano 1975. Siehe zum Beispiel Millar 1993, 319–336. Siehe Kowalski 1997.
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Palmyra ist vielleicht das prägnanteste Beispiel für die umfassenden Veränderungen, die in den einzelnen Städten oder Regionen des Nahen Ostens stattfanden. Nichtdestoweniger ist Palmyra keineswegs ein isolierter Fall. Im großen und ganzen können wir in Bezug auf die Periode bis zur sehr späten hellenistischen Zeit nur sehr wenig über die Kultur- und Sozialgeschichte dieser Region sagen. Dann aber, in der späthellenistischen und frührömischen Zeit, erleben wir eine wahre Blüte lokaler Kulturen, in Nabataea, im Hauran, in Emesa, in Palmyra, in Hierapolis, in Kommagene, und jenseits der Grenze in Dura und Osrhoene. Deswegen habe ich vor kurzem bewusst von der Kaiserzeit gesprochen, weil es während der ersten zwei bis drei Jahrhunderte ist, dass wir diese verschiedenen nicht-griechischen Kulturen aufblühen sehen. Während genau dieser Periode, und noch im Laufe des vierten Jahrhunderts, können wir aber auch die allmähliche Zunahme und Verbreitung der strukturellen Hellenisierung beobachten in Form einer Umwandlung von Städten und Dörfern in griechische Städte. So waren die beiden Hauptstädte des Nabatäerreichs, Petra und Bostra, schon im zweiten Jahrhundert griechische poleis geworden, und noch im sechsten Jahrhundert wurden in Petra Rechtsdokumente auf Griechisch abgefasst.11 Im Falle Petras, zum Beispiel, schreibt Libanios eine Empfehlung für einen gewissen Dynamius, als dieser von Athen in seine Heimatstadt zurückkehrte (kosmoànti t¾n Pštran, wie Libanios behauptet, Ep. 321). Im Westen des früheren Nabatäerreichs, das heisst im Negev, entstanden jetzt neue griechische Kleinstädte, zum Beispiel Elousa. Libanios empfiehlt (selbstverständlich auf Griechisch) dem Statthalter von Palaestina Tertia zwei Brüder aus Elousa, die beide Rhetoren waren. Es gab auch Schwierigkeiten mit dem Amt des Eirenophylax in Elousa, und auch hierüber berichtet Libanios dem Statthalter (Ep. 101; 532). In Judaea, jetzt Syria Palaestina, und im vierten und fünften Jahrhundert Palaestina Prima und Secunda, können wir dank der Untersuchungen von Jones und AviYonah die Entwicklung eines Netzwerks von kleinen griechischen Städten verfolgen, deren Territorien fast das ganze Land einnahmen.12 An der Küste gab es bekanntlich eine Reihe früherer phoenikischer Städte, die schon seit langem rein griechisch geworden waren. In Zentral- und Nordsyrien waren die wichtigen Städte Gründungen der frühhellenistischen Zeit: Laodikeia, Apamea, Seleukeia und Antiochia. Im Osten und Nordosten lag nicht nur Palmyra, sondern auch Hierapolis, das im vierten Jahrhundert die Metropole der neuen Provinz Euphratesia wurde, und Samosata, die frühere Hauptstadt des Königreichs Kommagene. Soweit wir wissen, war die Sprache des öffentlichen Lebens in allen diesen Städten ausnahmslos Griechisch. Die andere höchst bedeutsame Entwicklung in dieser Periode war selbstverständlich die Christianisierung und die Ausbreitung von Bistümern. Man muss betonen, dass auch im Bereich der christlichen Kirche die offizielle Sprache ausnahmslos das Griechische war. Im fünften Jahrhundert, 11
Für die Umwandlung von Petra und Bostra im zweiten Jahrhundert siehe Millar 1993, 414– 428, für Petra in der Spätantike siehe Fiema 2002. Für die Dokumente Cotton/Cockle/Millar 1995; Frösén/Arjava/Lehtinen 2002. 12 Siehe Jones 1931; Avi-Yonah 1966.
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dem Zeitalter der grossen Oekumenischen Konzilien, sprach nicht nur jeder Bischof dieser Provinzen, der an einem Konzil teilnahm, Griechisch, sondern er schrieb auch eigenhändig in griechischer Sprache.13 Wenn wir diese beiden Entwicklungen – die Urbanisierung und die Ausbreitung der christlichen Kirche – in unserer Untersuchung angemessen mitberücksichtigen, dann sehen wir, dass Libanios’ Vorstellung des Nahen Ostens in keiner Weise realitätsfremd ist. Wenn wir als erfahrene Empiriker der Evidenz des vorhandenen Forschungsmaterials vertrauen wollen, dann müssen wir, wie mir scheint, erkennen und konzedieren, dass, zumindest auf einer bestimmten sozialen Ebene, das öffentliche Leben der Städte als auch das intellektuelle Leben von Heiden und Christen, sowie das öffentliche Leben der christlichen Kirche im Nahen Osten, jetzt faktisch hellenisiert war. Die rein „griechische“ Welt im Nahen Osten, wie Libanios sie wahrnahm und in der er eine führende Rolle spielte, war also durchaus nicht ein subjektives, phantastisches Konstrukt. In den Städten des Nahen Ostens, und vor allem in Antiochia, war es durchaus möglich, nur griechisch zu sprechen, eine griechische Schule zu besuchen und eine Rolle im öffentlichen Leben zu spielen, ohne ein Wort einer anderen Sprache – sei es Latein, sei es Syrisch – zu kennen. Allem Anschein nach hatte Libanios so gut wie keinerlei Interesse an der lateinischen Literatur oder den geschichtlichen Traditionen Roms. Was die syrische Literatur oder die syrische Kultur betrifft, hatte er, so weit wir wissen, keine Ahnung von der Möglichkeit ihrer Existenz. Auf die Frage nach der Präsenz der syrischen Sprache in Libanios’ Alltagswelt werde ich noch zu sprechen kommen. Die Frage nach der möglichen Funktion und Relevanz einer lokalen Sprache ist selbstverständlich wichtig in jeder Diskussion der Kultur des Nahen Ostens. Der andere Diskussionsschwerpunkt ist natürlich die Religion, was hier in diesen Tagen deutlich geworden ist. Wenn wir nun die religiöse Haltung des Libanios untersuchen wollen, stoßen wir wiederum auf große Schwierigkeiten. Auf den ersten Blick scheint alles zunächst vollkommen klar. Libanios war Heide, der eine tiefe Verehrung für die Götter seiner Heimatstadt pflegte und engagiert Kaiser Julians Kampagne für die Restauration der heidnischen Kulte unterstüzte. Sein großartiger Epitaphios für Julian kann auch als eine Klage über das Scheitern jener Kampagne verstanden werden. Ferner, wie oben bereits angemerkt, ist seine Rede XXX, Für die Tempel, ein eindrucksvolles Dokument über die Bedeutung der heidnischen Kulte in den Städten und auf dem Lande. Entsprechend hat Wolf Liebeschuetz vor kurzem die Bedeutung der Religion in Libanios’ Autobiographie aufgezeigt.14 Wenn nun alles doch so klar bezüglich der religiösen Haltung des Libanios ist, wo liegt dann das Problem? Zunächst darin, dass Libanios, wenn er von den Göttern spricht, sich eines absolut konventionellen Wortschatzes bedient. Die Götternamen, denen wir in seinen Werken begegnen, gehören alle ausnahmslos dem etablierten griechischen Pantheon an: Athena, Aphrodite, Ares, Demeter, Dionysos und andere. Es werden keine semitischen Götternamen erwähnt, und es gibt auch kein 13 Zu diesem Thema s. Millar 2006, 97–116; 235–259. 14 Vgl. Liebeschuetz 2006, 268 f.
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Beispiel eines griechischen Götternamens mit einem lokalen Beinamen. Soweit ich sehe, hätte alles, was Libanios über die heidnischen Kulte schreibt, an jedem beliebigen Ort der griechischen Welt gesagt worden sein können. Genau dasselbe ist in der sehr merkwürdigen Monodie des Libanios über den Brand des Apollontempels in Antiochia zu sehen. Von dieser Rede haben wir nur einige Exzerpte, die uns in der Homilie des Johannes Chrysostomos über den Märtyrerbischof Babylas überliefert sind.15 Ich möchte nur ein kurzes Zitat bringen. Libanios spricht hier von unbekannten Brandstiftern: „O gottlose Kühnheit! O verderbte Seele! O mutige Hand! Er ist ein anderer Tityus oder Idas, der Bruder des Lynkeus. Kein Riese wie der erste, noch ein Bogenschütze wie der andere, aber nur dies allein, gegen die Götter zu wüten. Als die Söhne des Aloeus eine Verschwörung gegen die Götter planten, hast Du, Apollon, sie durch den Tod verhindert. Jener aber, der aus der Ferne Feuer gebracht hat, ist auf keinen Pfeil, der in sein Herz geflogen ist, gestossen“. Für einen hochgebildeten Antiochener wie Libanios – und offensichtlich auch für seine Zuhörer – war es also vor allem die griechische Mythologie, die ein Deutungsraster der Gegenwart bot. Für einen Christ gab es dafür die Bibel in Griechisch. Gab es aber auch eine nicht-griechische heidnische Mythologie, die im Nahen Osten heimisch war und mit der die (sozusagen) „syrischen“ Zeitgenossen des Libanios vertraut waren? Das ist natürlich denkbar, doch erfahren wir über eine solche Mythologie meines Wissens kein einziges Wort. Die Kulte und die Mythologie, auf die Libanios rekurriert, sind also rein griechisch. Ist es uns aber möglich, eine umfassendere Kenntnis und ein tieferes Verständnis der heidnischen Kulte Syriens im vierten Jahrhundert zu erlangen und damit Libanios’ Aussagen in einem weiteren Kontext zu verstehen? Leider müssen wir zugeben, dass wir noch nicht in der Lage sind, die lokalen Kulte dieser Region im vierten Jahrhundert angemessen zu verstehen. Verehrte man noch Elagabal in Emesa, die syrische Göttin in Hierapolis, Zeus Belios in Apamea, oder Baal in Palmyra? Wir wissen es nicht. Das Problem liegt vor allem darin begründet, dass für dieses Jahrhundert der sogenannte „epigraphic habit“ meistens fehlt. Vielleicht aber bin ich hier zu pessimistisch, und es ist sicher lohnenswert, Wesen und Erscheinungsformen des spätantiken Heidentums im Nahen Ostens weiter zu untersuchen. Ich möchte nun noch kurz auf die Frage der Sprachpraxis in Syrien zu sprechen kommen. Zweifelsohne war in Antiochia das Griechische die Sprache der Kultur und des öffentlichen Lebens. Weder im Leben der polis noch in dem der christlichen Kirche (was etwa die immense Zahl der Homilien des Johannes Chrysostomos deutlich macht) war es nötig, eine andere Sprache zu gebrauchen. Was nun die Alltagssprache der Bevölkerung betrifft, so scheint nichtdestoweniger in der modernen Wissenschaft ein allgemeiner Konsens darüber zu bestehen, dass diese das Aramäische oder Syrische war, zumindest ausserhalb der Städte.
15 Ioh. Chrys., Liber in Sanctum Babylam, contra Julianum et contra Gentiles 105 (Migne, PG L, Kol. 533 ff.). S. Schatkin 1990.
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In diesem Fall wäre das äußerst aufschlussreich für das ganze Umfeld der griechischen Kultur des Libanios und seiner Zeitgenossen. Griechisch wäre demnach eine „kolonialistische“ Sprache geblieben, dass heisst ein „importiertes“ Element in einer Welt, die faktisch schon immer „orientalisch“ war. Als Empiriker müssen wir aber differenzieren zwischen den verschiedenen Regionen des Nahen Ostens und zwischen den verschiedenen Epochen. Mit Blick auf Antiochia und sein Gebiet muss nun eine bedeutende Tatsache besonders herausgestellt werden. Für die Zeit bis kurz vor Ausgang des vierten Jahrhunderts gibt es kein einziges Dokument – das heisst keine Inschrift –, das auf Syrisch geschrieben ist. Die Epigraphik der berühmten (sogenannten) „Toten Städte“ – im Grunde Dörfer – in der Spätantike ist außerordentlich reich.16 Bis zum Ende des vierten Jahrhunderts ist jede uns bekannte Inschrift griechisch – die einzige Ausnahme ist ein griechischer Name, „Eusebios“, der in einer Inschrift des Jahres 383 ins Syrische transskribiert ist.17 Erst im fünften Jahrhundert, und dann verstärkt im sechsten, beginnt die syrische Sprache eine bedeutende Rolle in der Epigraphik der Provinz Syrien zu spielen. Der gleiche Sachverhalt lässt sich übrigens bei der Produktion von syrischen Handschriften beobachten.18 Natürlich war Libanios mit der Rolle des Syrischen als einer gesprochenen Sprache vertraut. Nur einmal aber, und dann ganz beiläufig, merkt er an, dass Kleinhändler auf dem Markt ihre Waren und Dienste auf Syrisch anbieten. Aber der Gedanke, dass das Syrische eine Kultursprache mit einer Literatur sein könnte, ist ihm offenbar vollkommen fremd. Müssen wir demnach in Libanios einen „typischen“ Griechen sehen, der für die nichtgriechische Kultur und Sprache seines Heimatlandes vollkommen gefühllos und blind war? Ein solcher Gedanke wäre meines Erachtens nicht ganz berechtigt. Wie wir bereits gesehen haben, setzen sich erst im fünften und sechsten Jahrhundert in der römischen Provinz Syrien syrische Inschriften allgemein durch. Selbst im fünften Jahrhundert sind syrische Handschriften, die in Syrien geschrieben wurden, relativ selten – anders in der Provinz Osrhoene. Kurzum, zu Libanios’ Lebenszeit war das Syrische als Kultursprache oder Sprache des öffentlichen Lebens nur in Osrhoene und Mesopotamien verbreitet. Als Beispiel sei verwiesen auf Libanios’ berühmten Zeitgenossen, den Kirchenlehrer Ephraim mit Beinamen „der Syrer“, der um 306 in Nisibis geboren wurde und später nach Edessa ausgewandert ist, wo er 373 starb. Erst im fünften Jahrhundert begegnen wir zum ersten Mal christlichen Schriftstellern, die in Syrien auf Syrisch schreiben.19 Vor diesem Hintergrund muss man gegenüber Libanios gleichsam nachsichtig sein: In Syrien war das Syrische zu seiner Lebenszeit noch nicht Kultursprache. Seinen christlichen Zeitgenossen aber war die Existenz einer syrischen Literatur bereits bekannt. In Syrien lag eine wahre „gemischte“, das heisst griechisch-syrische, Literatur und Kultur noch in der Zukunft – und dann nur im Kontext der christlichen Kirche.
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S. von allem jetzt Trombley 2004. IGLS II, 555 (Babisqa). S. Millar 2007b und Millar 2009. S. jetzt den meisterhaften Überblick bei di Berardino 2006, 407–490: „Syriac Literature“.
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Ich möchte zum Schluss nochmals zwei Punkte besonders hervorheben. Zum einen: Wenn wir die Kultur des Nahen Ostens angemessen verstehen und würdigen wollen, müssen wir stets darauf achten, zwischen den verschiedenen Epochen und den verschiedenen Regionen zu unterscheiden. Zum anderen: Libanios kann uns etwas sehr Wichtiges lehren. Siebenhundert Jahre nach Alexanders Eroberung ist der Nahe Osten noch tief in der griechischen Kultur verwurzelt – ja vielleicht noch tiefer als während der ersten drei Jahrhunderte der Kaiserzeit. Libanios’ Lebenszeit war vielleicht die einzige Periode, in der der Nahe Osten, oder zumindest die Provinz Syrien, eine wahrhaft griechische Welt war.20 ABKÜRZUNGEN IGLS Migne, PG
Inscriptions Grecques et Latines de la Syrie Patrologia Graeca
LITERATUR Avi-Yonah, Michael, The Holy Land from the Persian to the Arab Conquest (536 BC to AD 640): a Historical Geography, Grand Rapids 1966 Cotton, Hannah M. / Cockle, Walter E. H. / Millar, Fergus G. B., The Papyrology of the Roman Near East, JRS 21 (1995), 78–85 Cribiore, Raffaella, The School of Libanius in Late Antique Antioch, Princeton 2007 Di Berardino, Angelo (Hg.), Patrology. The Eastern Fathers from the Council of Chalcedon (451) to John of Damascus (†750), Cambridge 2006 Dussaud, René, La pénétration des Arabes en Syrie avant l’Islam, Paris 1955 Fiema, Zbigniew T., Late-antique Petra and its Hinterland: Recent Research and New Interpretations, in: Humphrey, John H. (Hg.), The Roman and Byzantine Near East 3 (JRA Suppl. 49), Portsmouth, RI 2002, 191–252 Frösén, Jaakko / Arjava, Antti / Lehtinen, Marjo (Hgg.), Petra Papyri, Bd. 1, Amman 2002 Jones, Arnold H. M., The Urbanisation of Palestine, JRS 21 (1931), 78–85 Kowalski, Sławomir P., Later Roman Palmyra in Literature and Epigraphy, Studia Palmyrénskie 10 (1997), 39–62 Liebeschuetz, Wolfgang, Libanius and Late Antique Autobiography, Topoi, Suppl. 7 (2006), 263– 276 Millar, Fergus G. B., The Roman Near East, 31 BC – AD 337, Cambridge, Mass. u. a. 1993 Millar, Fergus G. B., A Greek Roman Empire: Power and Belief under Theodosius II (408–452), Berkeley 2006 Millar, Fergus G. B., Libanius and the Near East, SCI 26 (2007), 155–180 [= Millar 2007a] Millar, Fergus G. B., Theodoret of Cyrrhus: a Syrian in Greek Dress?, in: ter Haar Romeny, Bas / Amirav, Hagit (Hgg.), From Rome to Constantinople: Studies in Honour of Averil Cameron, Leuven u. a. 2007, 105–125 [= Millar 2007b] Millar, Fergus G. B., The Syriac Acts of the Second Council of Ephesus, in: Price, Richard M. / Whitby, Mary (Hgg.), The Council of Chalcedon in Context, Liverpool, 2009, 45–69 Momigliano, Arnaldo D., Alien Wisdom: the Limits of Hellenization, Cambridge 1975
20 Für eine detailliertere und dokumentiertere Betrachtung des Hauptthemas dieses Vortrags s. Millar 2007a.
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Norman, Albert F., Antioch as a Centre of Hellenic Culture as Observed by Libanius. Translated Texts for Historians 34, Liverpool 2000 Rostovtzeff, Mikhail I., Caravan Cities, Oxford 1932 Rostovtzeff, Mikhail I., La Syrie romaine, Revue Historique 175 (1935), 1–40 Schatkin, Margaret A., Jean Chrysostome, Discours sur Babylas (Sources Chrétiennes 362), Paris 1990 Trombley, Frank R., Christian Demography in the territorium of Antioch (4th–5th c.): Observations on the Epigraphy, in: Sandwell, Isabella / Huskinson, Janet (Hgg.), Culture and Society in Later Roman Antioch, Oxford 2004, 59–85
Prof. Fergus Millar, University of Oxford, Oriental Institute, Pusey Lane, OX1 2LE, Oxford (UK); e-mail: [email protected]
„ … NACH RÖMISCHER ART AUS ZIEGELSTEINEN …“ DAS GRABMONUMENT DES GAIUS IULIUS SAMSIGERAMOS IM SPANNUNGSFELD ZWISCHEN FREMDEINFLÜSSEN UND LOKALER IDENTITÄT Werner Oenbrink I. EINLEITUNG In der jüngeren historisch-archäologischen Forschung lässt sich seit einiger Zeit ein zunehmendes Interesses am Selbstverständnis und an der Selbstdarstellung lokaler Bevölkerungsgruppen bzw. am Verhältnis einheimischer Traditionen zu reichsrömischen Einflüssen in den sogenannten Randgebieten des Römischen Reiches verzeichnen.1 Hierbei spielt innerhalb der verschiedenen Quellengattungen aufgrund seiner vielschichtigen Aussagemöglichkeiten vor allem der Themenkomplex „Grab“ in seinen Einzelkomponenten Bestattungsart, Grabform und Beigaben sowie Totenritual für die Beschäftigung mit dem umfassenden Problemkreis Identität antiker Populationen eine besondere Rolle. Insbesondere in den monumentalen Grabmonumenten des Nahen Ostens in hellenistisch-römischer Zeit wird der reziproke Einfluss der unterschiedlichen Kulturkreise fassbar. Spiegeln sie doch nicht nur Religiosität und Jenseitsvorstellungen, sondern nehmen als Medium des persönlichen Selbstzeugnisses überdies direkten Bezug auf den sozialen Status. Die oberirdische Gestaltung eines Grabes, sei es als Inschrift, in Form eines Bildes oder einer aufwendigen Grabarchitektur, ermöglichte den Verstorbenen bzw. den Hinterbliebenen quasi vor aller Augen, ihre Leistungen und ihre Stellung innerhalb der Gesellschaft zu repräsentieren. Damit veranschaulichen die Grabarchitekturen einerseits eine gewisse kulturelle Eigenständigkeit lokaler, indigener Elemente, andererseits aber auch eine intensive Assimilierung griechisch-römischer Kultur. II. EIN ZERSTÖRTES GRABMONUMENT NAHE HOMS/EMESA Um Platz für die umfassende petro-chemische Industrialisierung in der aufstrebenden mittelsyrischen Metropole Homs zu schaffen, wurden im Jahre 1911 die letzten aufrechtstehenden Überreste der einstigen monumentalen Grabarchitektur des hellenistisch-kaiserzeitlichen Emesa durch eine Ladung Dynamit beseitigt.2 1 2
Vgl. etwa nur: Freyberger/Henning/Hesberg 2003, passim; Schmidt-Colinet 2004, passim; Noelke/Naumann-Steckner/Schneider 2003, passim; Konrad 2004, 133 ff. Zur Zerstörung des Grabmals mit Dynamit vgl.: Seyrig 1952a, 66 u. 1952b, 204; Collart 1973,
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Trotz der vollständigen Zerstörung lässt sich anhand einer flüchtigen Bauaufnahme durch Carl Watzinger und Heinrich Kohl im Jahre 1907 die aufgehende Architektur in ihren Grundzügen rekonstruieren. Unveröffentlichte Tagebucheinträge, Skizzenblätter,3 einige Photographien des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts4 (Abb. 1–3) sowie vereinzelte Berichte und Stiche früher Orientreisender,5 die 3
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145, Taf. XII,1; vgl. auch Berchem/Fatio 1914, 164, Anm. 4. Die Bauaufnahme des Grabmals von Homs durch Carl Watzinger (1877–1948) und Heinrich Kohl (1877–1914) erfolgte im Rahmen der Expedition nach Palmyra im Auftrag der Deutschen Orient-Gesellschaft, vgl. hierzu Watzinger 1923, 18. – Unpublizierte Skizzen, Maßaufnahmen, Tagebuchnotizen und Kurzbeschreibungen befinden sich im Nachlass Heinrich Kohl, Archiv Deutsches Archäologisches Institut Berlin (Kasten 1 – Varia: Reisebriefe aus Syrien und Palästina [1907] 47f.; Kasten 2 – Tagebücher, Negative. Photos, Varia: Photographien und Skizzenbuch [Orient: Amman, Palästina, Syrien – vor 1914]). Eine 1905 durch Gertrude L. Bell (1868–1926) angefertigte Aufnahme ([1] Newcastle upon Tyne, Gertrude L. Bell Archive Neg.-Nr. B129: unpubliziert) vermittelt einen Eindruck von der topographischen Einbindung des im Hintergrund erkennbaren Grabbaus. Die übrigen photographischen Aufnahmen dokumentieren die bereits stark demolierten Überreste kurz vor dem Abbruch, können aber Informationen hinsichtlich des opus caementicium-Kerns, der opus reticulatum-Verkleidung und der generellen architektonischen Gestaltung liefern: drei während der Princeton-Expediton 1899–1900 aufgenommene Photographien ([2] Ansicht der Nordfassade, Princeton-University: Butler 1904, 49, Abb. – [3] Ansicht von Osten, Princeton-University Neg.-Nr. HH-41: MacAdam 1986, 333, Nr. 368. – [4] Ansicht von Südosten, PrincetonUniversity Neg.-Nr. HH 40: MacAdam 1986, 333, Nr. 369) sowie die während der einzigen wissenschaftlichen Untersuchung durch Carl Watzinger (1877–1948) und Heinrich Kohl (1877–1914) 1907 aufgenommenen Lichtbilder ([5] Ansicht von Süden: Watzinger 1923, 24, Abb. 4; Schwarz-Schütte 1986, Taf. 59b. – [6] Ansicht von Osten: Watzinger 1923, 24, Abb. 5; Schwarz-Schütte 1986, Taf. 59b. – [7] Ansicht von Norden: Watzinger 1923, 24, Abb. 6; Schwarz-Schütte 1986, Taf. 59b. – [8] – [9] Ansichten von Nordwesten, Archiv DAI Berlin – Nachlass Heinrich Kohl, Kasten 2: unpubliziert (hier Abb. 3). – [10] Ansicht von Norden, Archiv DAI Berlin – Nachlass Daniel Krencker, Kasten 6, Couvert – Blaue Nr. 99: unpubliziert) sowie zwei weitere, bislang unpublizierte Photos, die Max Frhr. von Oppenheim (1860–1946) kurz vor der Zerstörung während eines Aufenthaltes 1911 anfertigen ließ ([11] Ansicht von Südosten: Köln, Bankhaus Sal. Oppenheim, Archiv Album 29/15.1, S. 54a: unpubliziert [hier Abb. 2]. – [12] Ansicht von Norden, Köln, Bankhaus Sal. Oppenheim, Archiv Album 29/15.1, S. 54b: unpubliziert [hier Abb. 1]), als noch die „Nordmauer mit zwei Stockwerken und dem Beginn des oberen Abschlusses“ sowie von den übrigen Mauern nur noch Reste des opus caementicium-Kerns aufrechtstanden. Bereits der englische Alpen- und Orientforscher Richard Pococke (1704–1765), der HomsEmesa auf seiner Rundreise durch Syrien zwischen 1737 und 1742 besuchte und 1754 eine kurze Beschreibung, einen Grundriss und eine Ansichtsrekonstruktion publizierte, hatte die besondere Bedeutung dieses „nach Römischer Art von Ziegelsteinen“ erbauten und mit einer Verkleidung aus opus reticulatum versehenen monumentalen Grabbaus (Pococke 1754, 206 ff. u. 207, Taf. XXIIo) erkannt. – Die umfassendste Vorstellung seines architektonischen Aufbaus und seiner dekorativen Gestaltung vermitteln allerdings die 1799 publizierten Stiche von Louis François Cassas (1756–1827), die nicht nur eine immer wieder in neueren Untersuchungen zur Grabarchitektur abgelichtete Panorama-Ansicht des Monumentes (Watzinger 1923, 22 f., Abb. 1; Collart 1973, 145 f., Taf. XII, 1; Gogräfe/Obermeier 1995, 46, Abb. VI; Schmidt-Colinet 1996, Abb. 240), sondern darüber hinaus neben Grundrissen des Unter- und Obergeschosses, einem Nordsüdschnitt, Detailzeichnungen von unterschiedlichen Profilen und Dekoren auch zwei unterschiedliche Rekonstruktionen vorlegen (Cassas 1799, Taf. 21–23bis. – Zu Cassas und seinen Stichen vgl. allgemein: Westfehling 1994, passim; Schmidt-Colinet 1996, 343 ff.,
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das einst aufwendig gestaltete Denkmal noch in einem besseren Erhaltungszustand beschrieben und gezeichnet hatten (Abb. 4–8), treten ergänzend hinzu. Die ursprünglich monumentale Grabarchitektur lag einst südwestlich der antiken Stadtanlage.6 Im Gegensatz zu den im Vorderen Orient weit verbreiteten Werksteinbauten handelte es sich um einen opus caementicium-Bau, der eine architektonische Fassadengliederung aus Kalkstein und zweifarbiger reticulatum-Verkleidung besaß. Dabei umschlossen die ca. 2 m starken opus caementicium-Wände des zweigeschossigen Grabbaus im Erd- und Obergeschoss unterschiedliche Innenräume. Aufbau und Gestaltung seiner äußeren Fassadenarchitektur, die anhand der bis 1911 partiell erhaltenen Nordseite beschrieben werden kann (Abb. 1–3), dürften auf allen vier Seiten grundsätzlich identisch gewesen sein. Der architektonische Gesamtaufbau ruhte auf einer aus gleichmäßigen Ziegelschichten gebildeten, nahezu quadratischen Sockelzone von ca. 12,50 m Seitenlänge.7 Deren zerstörte äußere Schale erlaubt jedoch keinerlei Rückschluss auf die einstige Gestaltung, etwa in Form des von Cassas wiedergegebenen fünffach gestuften Unterbaus.8 Das breite Untergeschoss wirkt in seinen Proportionen leicht gedrungen. Seine komplexe Fassadengestaltung weist eine ungewöhnliche, farbig differenzierte Zierarchitektur auf: Zunächst gliedern fünf vorgeblendete Eck- und Wandpilaster aus hellem Kalkstein die Fläche in vier gleichmäßige Wandfelder. Die Dekorformen der Pilaster sind schlicht gehalten: die glatten, auf einer Basis aufsetztenden Schäfte schlossen mit einem
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bes. 372 f., Nr. 78, Abb. 238 ff.). – Teilweise Bestätigung finden die Cassas’schen Zeichnungen in zwei bislang unpublizierten Skizzenblättern von William John Bankes (1786–1856) (Abb. 7–8); allgemein zu Bankes vgl.: Bowsher 1997, 227 ff.; Lewis/Sartre-Fauriat/Sartre 1996, 57 ff.; Sartre-Fauriat 1992, 133 ff.; Barbet/Gatier/Lewis 1997, 141 ff.; Dentzer-Feydy 1997, 161 ff.; 1998, 201 ff.; 1999, 527 ff.; Oenbrink 2000, 189 ff., Taf. 48 ff.; Sartre-Fauriat 2004, passim. – Weitere frühe Reisebeschreibungen: Walpole 1820, 321; Laborde 1837, Taf. V,17; Belon du Mans 1854, 155. – Kurze Erwähnungen in neueren Publikationen: Butler 1904, 49, Abb.; Schulz 1906, 227; Weigand 1914, 63; Hoepfner 1983, 67. Baedeker 1897, 393 („In der Nähe w. finden sich Überreste eines turmartigen antiken Grabmals.“). – Die genaue Lokalisierung des heute vollständig verschwundenen Grabmals ist nicht mehr möglich. Waddington 1870, 589 gibt als generelle topographische Lage zum Ort Homs an: „... grand tombeau qui se trouve au sud-ouest de la ville.“ Auch nach Watzinger 1923, 18 standen die Überreste „wenige Minuten südwestlich der Stadt Homs, auf dem Wege zum Bahnhof .... Auf der einen Seite führt die grosse Straße nach Tripolis, auf der anderen die in die Homser Gärten vorbei, beide mit starkem Verkehr“. Vgl. auch Tagebucheinträge und Notizen, Nachlass Heinrich Kohl, Archiv DAI Berlin, Kasten 1: Bericht: Reisebriefe aus Syrien und Palästina (1907) 47 f.; Kasten 2: Skizzenbuch, dort allerdings: „Das Monument liegt zwischen dem Bahnhof und der Stadt, im Osten der Stadt, an der Straße nach Tripolis“; Nachlass Gertrude L. Bell, Newcastle-upon-Tyne, Gertrude-Bell-Archive: Tagebuch-Eintrag 10.03.1905: „There is however outside the Tripoli gate a big brick ruin which I take to be Roman? Bath?“. Seyrig 1952b, 204 gibt eine auf den Aussagen von „plusieurs habitants de Homs“ beruhende, ungefähre Lokalisation: Danach stand die Bauruine auf der Nordseite jener Straße, die die Stadt Richtung Tripoli verlässt, ca. 100 m vor deren Übergang über die Bahnlinie nach Aleppo. Watzinger 1923, 18 f. geht von einem quadratischen Grundriss aus, wohingegen Müfid 1932, 101 einen rechteckigen Grundriss erkennt. Cassas 1799, Taf. 22–23bis. – Vgl. hierzu Watzinger 1923, 19.
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profilierten Kapitell aus Wulst, Kehle und flachem Abakus ab.9 Technisch aufwendiger war dagegen der Dekor der vier durch zwei schmale Zierstreifen aus Basalt horizontal untergliederten Wandfelder. Sie waren mit einem netzartigen RetikulatMauerwerk aus diagonal verlaufenden, sich kreuzenden Reihen regelmäßiger Tesseren aus weißem Kalkstein und dazwischen jeweils einer Tessera aus lokal anstehendem schwarzem Basalt verziert. Anstelle einer aus Architrav und Krönungsglied gebildeten niedrigen Gebälkzone wird die Pilastergliederung von einem vorspringenden, attika-artig hohen Bauabschnitt abgeschlossen. Hier diente das durch vortretende Kalksteingesimse gerahmte, schwarz-weiße Netzreticulat als Hintergrundsfolie für zusätzliche Schmuckformen aus hellem Kalkstein: auf dem unteren vorspringenden Kranzsgesims setzte eine fortlaufende Reihe von kleinen, die einzelnen Wandfelder bekrönenden Ziergiebeln auf, deren unreliefierte Profilierung aus einer flachen Profilleiste und einem Kyma recta römische Standardschmuckformen aufweist.10 Die meisten frühen Zeichnungen und Photographien legen nahe (Abb. 1–8), dass eine hängende, bändergeschmückte Eichenlaubgirlande mit bewegten Schleifenenden aus Kalkstein lediglich den zentralen, von den beiden mittleren Giebeln eingefassten Bereich oberhalb des mittleren Wandpilasters betonte.11 Im Inneren des Erdgeschosses lag ein tonnenüberwölbter quadratischer Raum von ca. 8 m Seitenlänge, der sein Licht durch drei schräg nach innen laufende Schlitzfenster in den drei mittleren Pilastern der Nordwand und möglicherweise auch der Südwand erhielt. Nach Cassas rahmten Eckpilaster die geraden Wände des Innenraums, die durch ein umlaufendes Bekrönungsglied zum Tonnengewölbe abgesetzt waren.12 Ob mit den bereits bei Pococke erwähnten Resten einer Stuckdekoration13 und den von Watzinger noch 1907 beobachteten Verputzresten die bei Cassas wiedergegebene Kassettierung des Tonnengewölbes gemeint ist, muss allerdings unklar bleiben. Ebenfalls unsicher ist die bei letzterem eingezeichnete Wandstruk9
Bei der Untersuchung durch Watzinger und Kohl 1907 waren von der Architekturgliederung des Untergeschosses lediglich noch die Kapitellreste des dritten und vierten Pilasters der Nordseite in situ erhalten, eventuelle Basen und die Schäfte fehlten dagegen bereits völlig. 10 Die Profilierung der Giebelsteine der kleinen Ziergiebel, deren Beschreibung bei Watzinger 1923, 20 allgemein eine einfache Sima erwähnt, geht aus den Skizzenblättern H. Kohls (s. o. Anm. 3) hervor, denen auch die ungefähren Maße zu entnehmen sind: H (gesamt): 0,105 m; H (Kymation) 0,07 m; H (Profilplatte u. -leiste) 0,035 m. 11 In seiner Ansicht und in beiden Rekonstruktionszeichnungen gibt Cassas 1799, Taf. 21–23bis zwischen allen Giebeln der Gebälkzone des Untergeschosses perpetuierend über die gesamte Fassadenbreite und um die Ecken herumführend hängende, jeweils von Bukranien gehaltene Girlanden aus Kalkstein. Dagegen belegen allerdings der detaillierte Stich de Labordeʼs (1807– 1869), der einen deutlich stärker demolierten Grabbau wiedergibt (Laborde 1837, 23 f., Taf. V, 17. – Wieder abgebildet bei: Freyberger 1998, 15; 93; 108, Taf. 70 b), die Skizze von Bankes (unpubliziert, hier Abb. 7), die photographischen Aufnahmen (s. o. Anm. 4) sowie unveröffentlichte Skizzenblätter Kohls (s. o. Anm. 3) lediglich im mittleren Dreieck über der mittleren Lisene eine Girlande, die nach der Beschreibung von Watzinger 1923, 20 u. 23 eine Eichenlaubgirlande mit Schleifenenden darstellte. – Dennoch wird auch in jüngeren Arbeiten weiterhin von mehreren Girlanden mit Bukranien geschrieben: Will 1949, 274. 12 Cassas 1799, Taf. 23. 13 Pococke 1754, 207: „An dem Tafelwerke des unteren gewölbten Zimmers sind verschiedene Ueberbleibsel von seiner erhobenen Stuckaturarbeit.“
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turierung mittels Rundbogennischen mit Aschenurnen,14 obwohl zwei in einer unpublizierten Skizze von Bankes (Abb. 8) angedeuteten Nischen diese Annahme möglicherweise stützen könnten.15 Der Grabzugang lag nach den Angaben Pococke’s im mittleren Abschnitt der Ostseite (Abb. 5). Die dort verzeichneten vorspringenden Zungenmauern lassen einen architektonisch gefassten Torbau erwarten, für dessen Gestalt im Einzelnen wir allerdings keinen Anhalt mehr haben,16 für den Watzinger dennoch eine prostyle Vorhalle erwog.17 Im weiteren architektonischen Aufbau der Außenfassade folgt nach einem offenbar mit einem Schrägprofil oder einer gestuften Basis vermittelten, tiefen Rücksprung ein weniger hohes Obergeschoss. Dessen Architekturgliederung entsprach weitgehend der des Untergeschosses: fünf schwach vortretende Kalksteinpilaster schlichter Form, die die Wand wiederum in vier Felder teilten, die ebenfalls durch Basaltgurte nochmals horizontal gegliedert und mit demselben Netzwerk aus Kalkstein- und Basaltwürfeln dekoriert waren. Darüber lag jetzt allerdings eine schmale Kalksteinschicht als Gebälk- und Frieszone sowie eine weit vorkragende Basaltschicht, die gleichsam als unprofiliertes, bossenartiges Geison gelten kann. Ein ebenfalls quadratischer Kuppelsaal bildete den Innenraum des Obergeschosses,18 dessen Wände – nach Aussage der übereinstimmenden Wiedergabe bei Cassas und Bankes (Abb. 8) – jederseits durch zwei übereinander liegende Reihen mit jeweils drei bogenförmig abschließenden Bogennischen symmetrisch gegliedert waren.19 Der Ansatz der Kuppel, der nach einem Rest schräg gestellter Ziegel in der Nordostecke durch eine Art Hängezwickel vermittelt worden zu sein scheint, setzte in Höhe der Sockelzone oberhalb des Gebälkes ein. Unklar bleibt die Zugänglichkeit des Obergeschosses, möglicherweise muss von einer Treppe innerhalb der starken opus-caementicium-Mauern ähnlich denjenigen in den Grabtürmen von Palmyra ausgegangen werden.20
14 So bereits Watzinger 1923, 23. 15 An den Nischen halten offensichtlich fest: Will 1949, 274; Toynbee 1971, 172. 16 Pococke 1754, 206 ff. u. 207, Taf. XXII. – Die recht unbeholfenen und ungenauen Zeichnungen Pococke’s sind die einzigen Wiedergaben der Zugangssituation auf der Ostseite des Grabbaus. Der in seiner Gesamtgestaltung unzutreffende Grundriss zeigt zwei weit vorspringende Zungenmauern, die auf der Ansicht der Ostseite sicherlich willkürlich mit einem bogenförmigen Abschluss rekonstruiert sind. 17 Watzinger 1923, 18. 18 Entgegen der Grundrisswiedergabe des Obergeschosses durch Cassas 1799, Taf. 23 oben (vgl. auch Schmidt-Colinet 1996, 372 f., Nr. 78, Abb. 238) als runder Kuppelsaal, belegt eine Skizze mit einer Schnittzeichnung von Bankes (s. u. Anm. 21) sowie die anhand der erhaltenen Befunde 1907 angefertigte Beschreibung durch Watzinger 1923, 23 f. einen viereckig-quadratischen Grundriss. 19 1907 konnte zwar am erhaltenen Baubefund nicht mehr geklärt werden, ob auch im unteren Abschnitt eine entsprechende Strukturierung mit Rundbogennischen vorhanden war, eine solche wird aber durch die übereinstimmende Wiedergabe der Zeichnung von Cassas und der Skizze von Bankes (hier Abb. 7–8) wahrscheinlich. Die geschichtete Ziegelverblendung des Mauerkerns im Inneren war 1907 noch teilweise erhalten, wohingegen die eigentliche Wandverkleidung mit Stuck oder Steinplatten bereits völlig fehlte. 20 So bereits Watzinger 1923, 22.
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Soweit lässt sich die monumentale Grabarchitektur und ihr Dekor anhand der verschiedenen Stiche und Skizzen sowie anhand des photographisch dokumentierten Befundes sicher rekonstruieren (Abb. 9–11). Eine zeichnerische Rekonstruktion des weiteren Aufbaus basiert dagegen allein auf der Überlieferung durch die frühen Reisenden. Trotz deutlicher Unterschiede im Detail vermitteln sie jedoch markante Übereinstimmungen in den architektonischen Grundformen. Demnach folgte mit einem nochmaligen tiefen Rücksprung vom Obergeschoss abgesetzt eine niedrige, von kräftigen Eckverstärkungen und einfachem Gesims eingefasste sowie ebenfalls mit dem schwarz-weißen Netzwerk geschmückte Sockelzone (Abb. 4 u. 7).21 Darauf aufsetzend bildete eine steil aufragende, wiederum mit zweifarbigem opus reticulatum verzierte Pyramide mit glatten Außenwänden den oberen Abschluss des Grabmonuments mit einer rekonstruierten Gesamthöhe von ca. 21 m.22 Für einen kegelförmigen Hohlraum im Inneren der Pyramide, wenn auch nicht in der von Cassas angenommenen Größe,23 sprechen insbesondere die auf der Bankes’schen Skizze erkennbaren Spaltfenster und Innenwandgrenzen (Abb. 8). Ihre Kanteneinfassung war durch Kalksteinbänder verstärkt und ihre Spitze bestand aus einem, weniger steil aufstrebenden Kalksteinpyramidion. Die Frage nach der Datierung und dem Grabinhaber dieses ungewöhnlichen Monuments kann anhand der einst auf der Ost- und der Nordseite am Bau angebrachten Inschriften zumindest partiell beantwortet werden.24 Führte eine zunächst nur flüchtige und partielle Lesung derselben noch zu fantasievollen Erklärungen etwa als Grabbau für den Augustusenkel Gaius Caesar25 oder aber als Kenotaph für Gaius Iulius Caesar,26 so vermag die einzig erhaltene quadratische, einfach profilierte Kalksteintafel aus dem zweiten Wandfeld des Obergeschosses der Nordfassade die Sachlage eindeutig zu klären.27 Die neunzeilige griechische Grabinschrift 21 Von Watzinger 1923, 23 f. als Pluteum bezeichnet. – In der flüchtigen, skizzenhaften Zeichnung von Pococke 1754, Taf. XXIIo wird dieser Bauabschnitt zusätzlich durch einen mittig angeordneten, niedrigen Pilaster gegliedert. Auch bei Cassas 1799, Taf. 23bis findet sich in einer äußerst fantasievoll rekonstruierten Ansicht eine mehrfache Gliederung mit niedrigen Pilastern, oberhalb derer dann sogar Statuen aufgestellt erscheinen. Eine andere Rekonstruktion des Franzosen scheint dagegen den Bauabschnitt allein mit dem Netzmauerwerk wiederzugeben (Cassas 1799, Taf. 21 u. 22). Der Stich de Laborde 1837, Taf. V, 17, die Skizze von Bankes (hier Abb. 7) sowie die Photographien des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts (hier Abb. 1–3) sowie die unveröffentlichten Skizzenblätter Kohls (DAI Berlin Archiv: Kasten 2, Skizzenbuch Heinrich Kohl – Orient: Amman, Palästina, Syrien [vor 1914]) lassen dagegen aufgrund des nur fragmentarischen Erhaltungszustandes keine entsprechende Gestaltung erkennen, sondern belegen ausschließlich die Eckverstärkungen und das zweifarbige opus reticulatum. 22 Collart 1973, 145 f. 23 Watzinger 1923, 24 lehnt – in Unkenntnis der unpublizierten Bankes’schen Skizzen – einen kegelförmigen Hohlraum in der Pyramide ab. 24 Pococke 1754, 207 f. berichtet von einer Inschrift auf der mit dem Grabzugang versehenen Ostseite, von der er zumindest den Namen GAIOS zu entziffern vermochte, und von einer weiteren Inschrift an der Nordfassade, die für ihn allerdings unleserlich blieb. 25 Pococke 1754, 207 f.; Cassas 1799, Taf. 21–23bis („coenotaphe de Gaius Caesar“). 26 Burton/Drake 1872, 282; so kommentarlos übernommen von: Dodge 1990, 112. 27 Damaskus, Nationalmuseum. Kalksteintafel, H 0,54 m; B 0,48 m; D (der Tafel) 0,04 m. – Die
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nennt einen gewissen Gaius Iulius Samsigeramus, aus der römischen Tribus Fabia, auch Seilas genannt, einen Sohn des Gaius Iulius Alexionus, der dies noch zu Lebzeiten für sich und seine Familie machte, im Jahre 390. Obwohl die Inschrift für den Grabherrn und für seinen Vater keinerlei Hinweis auf irgendwelche Positionen oder auf eine eventuelle dynastische Verbindung zum hellenistischen Herrscher- und Hohepriestergeschlecht von Emesa beinhaltet,28 wird in dem hier genannten Gaius Iulius Samsigeramus aufgrund der Namensgleichheit mit früheren Herrschern allgemein ein Mitglied des regierenden Fürstenhauses, aber kein Regent gesehen.29 Die Inschrift liefert zudem mit der Jahresangabe 390 der seleukidischen Ära das Jahr 78/79 n. Chr. als terminus ante quem für die Errichtung des Grabmonuments.30 ursprüngliche Position der Kalksteintafel am Grabbau, die Cassas als eine quadratische, einfach profilierte Tafel mit weitgehend unleserlicher Inschrift und Nennung des GAIUS CAESAR in lateinischen Buchstaben wiedergibt (Cassas 1799, Taf. 23), überliefern die Stiche von Cassas 1799, Taf. 21–22 und de Laborde 1837, Taf. V, 17 sowie eine 1816/1818 entstandene unveröffentlichte Skizze von Bankes (hier Abb. 8) übereinstimmend im zweiten Wandfeld des Obergeschosses der Nordfassade östlich des mittleren Wandpilasters. Demnach befand sich die Inschriftentafel offensichtlich noch bis in die 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts im Bauverband in situ, wohingegen sie in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts offenbar bereits vom Bau gelöst war. So veröffentlichten A. Böckh, CIG III 237 f., Nr. 4511 und Waddington 1870, 589 f., Nr. 2567 (nach einer 1863 von Skender Effendi und Constantin Macridi aufgenommenen Kopie) die Inschrift bereits unabhängig vom Bauzusammenhang und nach unvollständigen Abschriften. Vgl. zur Inschrift auch: Kubitschek 1889, 258; Dittenberger 1905, 300 f., Nr. 604; Lidzbarski 1902, 220. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts – als die Photographien der Nordfassade an betreffender Stelle nur noch einen markanten Ausbruch dokumentieren – befand sich die Inschriftentafel im Hause eines gewissen Hadschi Mahmud el-Dschuhani in der Strasse Bâb Hud in Homs, vgl. hierzu Kalinka 1900, 26, Nr. 13, Abb. (nach Abklatsch); Watzinger 1923, 38, Anm. 3; IGLS V, 113 f., Nr. 2212, und wird heute im Nationalmuseum von Damaskus verwahrt (vgl. hierzu: Collart 1973, 145; IGLS V, 113, Nr. 2212). – Cassas ergänzt in seiner fantasievollen Rekonstruktion auf Taf. 23bis hypothetisch eine zweite entsprechende Inschriftentafel (?) symmetrisch angeordnet westlich desselben Pilasters. 28 Zur Dynastie von Emesa vgl. zusammenfassend: Chad 1972, passim; Sullivan 1977, 198 ff.; 917 f.; Birley 1971, 117 ff. u. 274 ff.; Strobel 1989, 39 ff., bes. 76 f.; Sullivan 1990, 62 ff. u. 198 ff. 29 Kubitschek 1889, 258 (principum Emisenorum); Stähelin, Felix, Sampsigeramos 3, RE II 1 (1920) 2227; Abou Assaf, Ali, Homs, Oxford Encyclopedia of Archaeology in the Near East 3 (1997), 89 f. Vgl. auch Sullivan 1977, 218 f., bes. 219 („…, and it seems best to regard both as members of the ruling house but neither as king.“); Millar 1993, 84 u. 303. 30 Der archäologische Befund könnte sogar für eine frühere Datierung sprechen. So sind im hellenisierten Osten Gewölbekonstruktionen über quadratischen Räumen an frühkaiserzeitlichen Bauten mehrfach nachweisbar. Kleine quadratische Säle mit Werksteinkuppeln finden sich etwa bereits in frühkaiserzeitlichen Grabtürmen in Palmyra (Watzinger/Wulzinger 1932, 55; 60, Nr. 63; 98, Abb. 59; 79; Watzinger 1935, 37); vgl. auch die Kuppel des frühkaiserzeitlichen Torbogens von Laodikeia/Lattakia (Kader 1996, 81, Anm. 454, vgl. hierzu auch: Freyberger 1998, 15). – Auch findet der aus Basalt und Kalkstein differenziert gearbeitete Wanddekor in Motiven wie den ineinander verschlungenen Mäanderbändern sowie den Schachbrett- und Rautenmustern frühkaiserzeitlicher Mosaikböden in Palästina und Syrien Entsprechungen (Vgl. etwa den herodianischen Palast von Masada: Parlasca 1967, 549, Abb. 1 a–b). – Eine frühkaiserzeitliche Datierung des Grabbaus schlug deshalb Freyberger 1998, 15, Anm. 177 vor. Danach würde sich die überlieferte Inschrift möglicherweise auf spätere Einbauten und Erwei-
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III. DAS GRABMONUMENT DES SAMSIGERAMOS IN SEINEM REGIONALEN UMFELD Die so wiedergewonnene Grabarchitektur (Abb. 9–11) wird in ihrem äußeren Erscheinungsbild sowie durch ihre Innenraumgestaltung weitgehend durch griechisch-römische Bauformen bestimmt. Aufgrund ihrer Mehrgeschossigkeit und bautypologischen Charakteristika kann sie allgemein zur vielgestaltigen Gruppe turmartig erhöhter Grabmonumente der Mausoleumsgrundform gerechnet werden,31 deren architektonischer Aufbau trotz vielfältiger Gestaltungsmöglichkeiten dieselben charakteristischen Grundelemente aufweist und deren Verbreitungsgebiet sich weitgehend auf das westliche Nord- und Mittelsyrien begrenzt. Allerdings trennt die typisch römisch-italische Konstruktion der caementicium-Bauweise und ihrer Verkleidungselemente das Grabmal von Emesa bereits in bautechnischer Hinsicht deutlich von den ausschließlich in Werksteintechnik errichteten Grabbauten dieser Gruppe.32 Die allgemein als opus reticulatum beschriebene Verkleidung des Gussmauerkerns des Samsigeramos-Grabes gibt sich allerdings durch ihre Verbindung mit Pilastergliederung, Eckbetonungen und horizontalen Zierstreifen als opus mixtum zu erkennen,33 wobei die in regelmäßigen Abständen eingeschobenen Zierstreifen aus Basalt den ursprünglichen Ziegellagen entsprechen. Opus reticulatum und opus mixtum repräsentieren eine Bauweise, die in Rom und Zentralitalien bereits seit spätrepublikanisch-frühaugusteischer Zeit um die Mitte des 1. Jh. v. Chr. entwickelt worden war und hauptsächlich bei Mauern aus Gussmauerwerk Anwendung fand.34 Beim opus reticulatum wurden deren Außenseiten mit kleinen, eigens zu diesem Zweck zurechtgemeißelten Steinen verkleidet. Somit unterstreicht auch die Verwendung der selten auftretenden Variante des farblich gegliederten, weißschwarzen Netzmauerwerks, das mit den hell-dunklen Farbeffekten die Fernwirkung des exponiert liegenden Monumentes zusätzlich betont, nochmals die Singu-
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terungen beziehen, wodurch dem Grabbau auch eine Nutzung über einen längeren Zeitraum zuzuweisen wäre. In diesem Zusammenhang wäre die von Pococke 1754, 207 f. für die Ostseite, d. h. für die durch den Grabzugang besonders ausgezeichnete Hauptseite, überlieferte Grabinschrift besonders interessant. In der bisherigen Forschungsliteratur wurde der Grabbau des Samsigeramos allgemein zu den turmartigen Grabbauten eingeordnet, deren Verbreitung sich über verschiedene Regionen ganz Syriens abzeichnet und für die in der Forschung bisher recht verschiedene Termini – Turmgrabmäler, Grabtürme, „mausolées tours“, Pyramidalmausoleen, u. a. m. – gewählt wurden (vgl. etwa nur Müfid 1932, 99 ff.; Will 1949, 258 ff.; Hermann 1964, 123 ff.; Wagner 1980, 248 f.). Bautypologisch zutreffender ist allerdings eine von Gabelmann in den 70er Jahren in Bezug auf das Mausoleum von Halikarnassos in Karien geprägte Typenbezeichnung (vgl. hierzu: Gabelmann 1977, 101 ff.; Gabelmann 1979, 7 ff.) und Einordnung in eine größere Gruppe turmartig erhöhter Grabarchitekturen der Mausoleumsgrundform (Gogräfe 1995, 165 ff., bes. 187 ff.; Henning 2001, 28 ff.). In der Region um Homs konnten jüngst nahe des antiken Raphaneae mit den Kernmauerresten südlich von Ayn Bini die Reste eines weiteren Grabbaus in opus caementicium-Bauweise aufgenommen werden; vgl. Gschwind 2006, 285 f., Abb. 15–17. So bereits Spanu 1996, 931 f. Lugli 1957, 487 ff.; Torelli 1980, 139 ff.
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larität des Baus innerhalb der Sepulkralarchitektur Syriens.35 Nur gelegentlich scheinen im Nahen Osten vereinzelte Repräsentations- und Funktionsbauten sowie Grabarchitekturen durch das auf einem caementicium-Kern aufgebrachte Netzmauerwerk verfeinert worden zu sein.36 Diese Verwendung des opus reticulatum und des opus mixtum bei öffentlichen Bauvorhaben – wie etwa der herodianischen Palastanlage von Jericho,37 dem Aquäduktbau von Antiocheia am Orontes38 sowie der flavischen Stadtmauer von Samosata39 – und privaten Sepulkralanlagen in Antiocheia am Orontes40 und in Jerusalem41 bezeichnet mit der direkten Übernahme der ortsfremden Technik einen dezidiert römischen Einfluss auf Einzelbauten der nahöstlichen Repräsentationsarchitektur.42 Planung und Ausführung dieser besonderen Bautechniken gerade in Bereichen ausgeprägter eigener Bautradition werden in der Forschung generell auf die Präsenz in Rom und Mittelitalien geschulter Werkstätten zurückgeführt.43 Die ornamental und farbig belebten, aufwendig in einer regelmäßigen Abfolge von Kalkstein- und Basalttesserae dekorierten Mauerflächen des Mausoleum in Emesa bleiben ohne Verputz, also sichtbar, wie dies auch für ein entsprechendes, allerdings aus Ziegeln gefügtes regelmäßiges Mauerwerk aus Pompeji, Rom und Ostia seit dem Ende des 1. und bis zum Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. gut bekannt ist. Doch signalisiert die besondere Gestaltung des Samsigeramos-Grabes von Homs-Emesa eine Adaption des opus mixtum mit zweifarbigem Netzmauerwerk an den einheimischen Werksteinbau, der sich in der architektonischen Fassadengliederung mit vorgeblendeten Pilastern, Eckverstärkungen und Dekorelementen aus lokal anstehendem Kalk- und Basaltgestein zeigt.44 Ähnlich ist auch die aufwendige Grabraumgestaltung, die sich mit ihren durch zahlreiche Rundbogennischen gegliederten Innenwänden an italischen Columbarien zu orientieren scheint,45 auf römischen Einfluss zurückzuführen, bleibt allerdings in ihrer 35 Weigand 1914, 63. 36 Allgemein vgl.: Urman 1985, 134 f., Anm. 66, Abb. 51; Kuhnen 1990, 247, Anm. 400. 37 Watzinger 1935, 53 ff.; Kelso/Baramki 1955, passim; Netzer 1975, 89 ff.; Netzer 1977, 1 ff.; Deichmann 1979, 473 ff., Taf. 157, 1; Netzer 1990, 37 ff.; Spanu 1996, 926 f., Nr. 1; Dodge 1990, 112, Abb. 7, 6; Netzer 1999, 40 ff. 38 Wilber 1938, 49 ff.; Spanu 1996, 928, Nr. 3. 39 Tırpan 1987, 188 ff.; Tırpan 1989, 519 ff.; Spanu 1996, 928 f., Nr. 4–5, Taf. I a-b. 40 Lassus 1934, 85 ff.; Spanu 1996, 930 f., Nr. 7. 41 Netzer/Ben Arieh 1983, 163 ff.; Spanu 1996, 927, Nr. 2; Netzer 1999, 40, Anm. 57; Japp 2000, 133, Taf. 42, 1; Bonato-Baccari 2002, 67 ff. 42 Schlumberger 1969, 212; vgl. auch: Deichmann 1979, 473 ff., bes. 475f. – Allgemein zum Eindringen römischer Bautechniken in den kleinasiatischen und nahöstlichen Raum: Ward-Perkins 1958, 52 ff. u. 1978, 881 ff.; Deichmann 1979, 473 ff.; Racob 1983, 359 ff.; Waelkens 1987, 94 ff.; Dodge 1990, 108 ff.; Spanu 1996, 923 ff. 43 Kelso-Baramki 1955, 5 ff.; Deichmann 1979, 475 f.; Racob 1983, 366 u. 371; Spanu 1996, 937 ff.; Netzer 1999, 40; Lewin 2004, 114. 44 Vgl. zum Phänomen der Adaption der Retikulat-Technik in lokaler Bautradition den Saalbau in Bulla Regia. Dort wurde opus reticulatum als Ausfachung des einheimischen Ständerbaus des opus africanum verwendet, vgl. Beschaouch/Hanoune/Thébert 1977, 18 ff., Abb. 8–11; Racob 1982, 111, Anm. 18, Taf. 21, 1–2. 45 Gewölbe in opus caementicium sind in Syrien die Ausnahme, vgl. Rasch 1985, 117 ff., bes. 125 f.
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zweigeschossigen Kombination mit den turmartig erhöhten Grabarchitekturen der Mausoleumsgrundform singulär. Auch die schmückenden Dekorelemente, wie etwa die fortlaufende Reihe kleiner Ziergiebel46 und die Eichenlaubgirlande, finden ihre Vorbilder im Formenrepertoire griechisch-römischer Sakral- und Sepulkraldenkmäler, doch äußert sich in ihrer unkanonischen, eklektizistischen Kombination und Positionierung in der attikaartig überhöhten Gebälkzone, die nicht als oberer Bauabschluss sondern wie ein Fremdkörper im tektonischen Gefüge als Geschosstrennung eingeschoben ist, eine auffällige Unsicherheit im Umgang mit den ortsfremden Bau- und Schmuckformen. Somit kennzeichnet das Grabmonument des Samsigeramos trotz eines sich in der Bauweise, der architektonischen Gestaltung und im Baudekor spiegelnden, von griechisch-römischen Formen dominierten Erscheinungsbildes das Festhalten an lokal-indigenen Gestaltungsweisen. Dieses traditionelle Verharren äußerst sich in erster Linie in der Verwendung einzelner indigen-lokal konnotierter Bauglieder, wie etwa dem pyramidalen Dachabschluss, liegt aber darüber hinaus offensichtlich in der generellen Denkmalstruktur und dem lokalen Verständnis dieser Grabmalsform selbst begründet. Vergleichbare formale und grundsätzliche Charakteristika sowie Verwendungsmuster lassen sich an ähnlichen Monumenten in Nord- und Mittelsyrien aufzeigen und ermöglichen eine bessere Verortung des Grabbaus von Emesa.47 So überliefert das vorwiegend ins 1. Jh. v. Chr. datierte Grabmonument von Qamu‘at al-Hirmel (Abb. 12) in der nördlichen Beqa’ ein ähnliches, auf den ersten Blick ebenfalls weitgehend durch eine griechisch-römische Tektonik und Vertikalabfolge unterschiedlich gewichteter Etagen strukturiertes mehrstöckiges Denkmal.48 Oberhalb eines kleinen Stufenunterbaus aus Basalt folgt ein kubusförmiges Untergeschoss, dessen Eckpilaster mit profilierten Kapitellen und attischen Basen diesmal nicht nur auf einer zusätzlichen Eutyntherie-Schicht stehen, sondern ebenfalls eine Gebälkzone aus fascettiertem Architrav und profiliertem Krönungsglied trägt. Derselbe Aufbau bestimmt auch das folgende Obergeschoss, dessen geschlossene Wandstruktur allerdings durch die Abfolge flacher Eck- und lisenenartiger Wandpilaster stärker strukturiert ist. Keine der vier Seiten – weder im Unternoch im Obergeschoss – ist besonders herausgehoben, ein Eingang blieb aufgrund des massiven Baukörpers obsolet. Gleichermaßen schmücken alle vier Außenwände des Untergeschosses in der oberen Wandzone großflächige Reliefbilder mit ungewöhnlichen Jagdszenen, die als verselbständigte Bildzeichen das Prestige des Baus 46 Schulz 1906, 227. 47 Der stets wieder unternommene Vergleich des turmartigen Bauwerkes von Qala‘t Faqra mit den „Pyramidenmausoleen“ (Crema 1959, 255, Abb. 286; Hermann 1964, 124, Abb. 11; Collart 1973, 137 ff., bes. 152 f., Taf. XII, 1–3; Wagner 1980, 248 f., bes. 249; Fedak 1990, 149 f.; Hesberg 1992, 114) beruht allerdings auf einer irrtümlichen Rekonstruktion des Bauwerks mit Pyramidenabschluß (Krencker/Zschietzschmann 1938, 54, Abb. 79). Die noch am Bau befindlichen Inschriften belegen allerdings eindeutig eine Nutzung als Kaiserkultanlage (vgl. hierzu: Wagner 1980, 249; vgl. auch den Beitrag von A. Kropp in diesem Band). 48 Krencker/Zschietzschmann 1938, 161, Abb. 231–233; Perdrizet 1938, 47 ff.; Will 1949, 273 f., Taf. 13, 1; Hermann 1964, 123 f., Abb. 11; Gawlikowski 1970, 27, Abb. 9; Freyberger 1998, 18, Anm. 219; 108, Anm. 1466, Taf. 71 a–c; 72 d; Freyberger/Ragette 1999, 56 f., Abb. 54; Yon 1999, 114 f., Abb.
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und damit die Ehrung des Grabinhabers aufwerten.49 Dieser könnte in einer Grabinschrift genannt gewesen sein, die offensichtlich einst auf der dem Anti-Libanon zugewandten Ostseite mittig oberhalb der Reliefszene eingelassen war.50 Obwohl sich die äußere Fassadenarchitektur durch eine kanonische Umsetzung einer westlichen Formgebung auszeichnet, charakterisiert die Aufnahme lokaler Elemente das monumentale Grabmonument. Die Verwendung einer steil, ohne Abstufungen ansteigenden Pyramide mit glatten Seitenflächen als abschließendes Bauglied auf einer niedrigen, zurückspringenden Sockelzone mit einfachem wulstartigen Kopfprofil gründet in einer regionalen Bautradition. Verschiedene Architekturen, die auf eine lange, bis in die archaische Zeit zurückreichende Baugeschichte zurückblicken,51 können im Nahen Osten als Wegemarken einer Vermittlung der Pyramide als deckendes Bauelement in den ostgriechischen Raum angesehen werden.52 Dabei hat die Pyramide in ihrer prävalenten Eigenschaft als „tektonisches Zeichen“ eher denn als Bauglied oder Gebäude offenbar immer wieder dazu aufgefordert, sie durch Zwischenschaltung eines oder mehrerer Bauglieder in die Höhe zu heben. Entsprechende Bauformen hatten sich offenbar während des 2. Jh. v. Chr. im sepulkralen Kontext etabliert und waren gerade in der hellenistisch-frühkaiserzeitlichen Grabarchitektur des syrisch-phönizischen Raumes als abstraktes Grabzeichen weit verbreitet.53 Mehr noch als diese formalen Aspekte verweist allerdings die massive Bauweise des Grabmonuments von Qamou‘at al-Hirmel ohne Innenraum auf eine andere lokal-nahöstliche Traditionskette. Nicht als raumumschließendes Gebäude sondern als kubisches Mal findet er seine engsten Parallelen im syro-phönizischen Raum.54 In variationsreicherer formaler Gestaltung und in kleinerem Format überliefern mehrere phönizische Grabdenkmäler im Nekropolen49 Perdrizet 1938, 52 ff., Taf. XII–XIII. Dargestellt sind verschiedene „Jagdszenen“, die sich allerdings jeweils auf Jagdutensilien, Jagdhunde und Beutetiere (Bär, Gazelle, Wildschwein, Hirsch) beschränken, den Jagenden (= Grabherrn) aber nicht abbilden. –Als Aufwertung der Architektur und Ehrung des Grabinhabers verstanden: Freyberger 1998, 18, Anm. 219; Yon 1999, 115. 50 Perdrizet 1897, 614 f., bes. 615 („... titulus de marbre ou de métal était encastré à bonne hauteur dans la face qui regarde l’Anti-Liban; cette inscription a disparu.“); Pognon 1907, 16, Anm. 1 („Un assyriologue allemand m’a affirmé quʼil avait vu, sur le monument dʼHermel, les traces dʼune inscription hétéenne“); Krencker-Zschietzschmann 1938, 162; Perdrizet 1938, 52, Taf. XII 1. 51 Allgemein zum sog. Grab von Pharaos Tochter in Kafr Silwân (Jerusalem) vgl.: Avigad 1954, 18 ff.; Ussishkin 1993, 43 ff.; 238 ff.; 289 f., Abb. 27–40; zusammenfassend jetzt: Triebel 2004, 63 ff., Taf. II; VI, 1. 52 Zur Pyramide als Grabbekrönung in der hellenistisch-kaiserzeitlichen Grabarchitektur: Hesberg 1992, 113 ff.; jüngst zusammenfassend: Triebel 2004, passim. – Allgemein zur Tradition der Pyramidenform vgl.: Rühlmann 1962, 1033 ff.; Hermann 1964, 117 ff.; Neuerburg 1969, 106 ff. 53 So waren nach Flav. Jos. Ant. 13, 211. 20, 95 die Gräber der Makkabäer und später im 1. Jh. n. Chr. das Grab der Helena von Adiabene von Pyramiden gekennzeichnet (hierzu jetzt zusammenfassend: Triebel 2004, 79 ff., Taf. X–XI). – Vgl. insbesondere, Jason-Grab und die Gräber im Kidrontal (Jerusalem): Avigad 1954, passim; jüngst Triebel 2004, 75 ff., Taf. VI–XI. 54 Will 1949, 274 vermutet ein Grab unter dem Baukörper des Monumentes; Triebel 2004, 111, Anm. 11 („… es gibt aber in unmittelbarer Nähe Senkgräber.“). – Perdrizet 1938, 47 ff. versteht den Bau eher als „Kenotaph“.
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gebiet von Amrit ebenfalls einen mehrfach horizontal gegliederten Aufbau (Abb. 13–14).55 Auch sind die jeweils mehrere Meter hohen, traditionell als „Meghazil“ (Spindel) bezeichneten Monumente in massiver, nahezu monolithischer Bauweise errichtet. Neben einem runden, auf einem Würfelblock stehenden Grabmal mit einer fünfseitigen Pyramide56 (Abb. 13) und einem weiteren, auf rundem, mit Löwenprotomen geschmücktem Sockel ruhenden Rundbau, dessen Bekrönung von einer Halbkugel gebildet wird,57 war ein drittes, quadratisches Grabmonument einst mit einer glatten Pyramide abgeschlossen (Abb. 14).58 Die geäußerten Datierungsvorschläge sind außerordentlich kontrovers, doch scheinen die historische Situation und die archäologischen Materialien ein Datierung ins 5. Jh. v. Chr. nahezulegen.59 Trotz unterschiedlicher formaler Bildung dienen die im Grundkonzept kleineren Grabmälern mit pyramidalen Aufsätzen im phönikisch-punischen Grabkult vergleichbaren Denkmäler als monumentalisierte Markierungen bzw. Grabstelen unterirdischer Grabanlagen.60 Für die späthellenistische Zeit vermittelte das heute zerstörte, allgemein ins 1. Jh. v. – 1. Jh. n. Chr. datierte Grabmal der Hamra(th) in as-Suwayda (Abb. 15–16) auch für Südsyrien ein solches Verständnis.61 Deren massiver, auf indigen-arabische Grabformen – wie die kubischen Steingrabmäler in der nabatäischen Sepulkralarchitektur Petras und in südarabischen Nekropolen62 – zurückgreifende würfelförmige Kubus mit abschließender Stufenpyramide geht trotz der Aufnahme griechisch-römischen Architekturdekors in Form einer Fassadengliederung mit dorischen Halbsäulen, dorischem Gebälk aus Architrav und Metopen-Triglyphen55 Zu den Grabbauten von Amrit vgl.: Matz 1928, 266 ff., bes. 281 f., Abb. 11–12; Dunand/Saliby/ Khirichian 1954/55, 189 ff.; Gawlikowski 1970, 11 ff.; zusammenfassend jetzt: Krings 1995, 130 f.; 411 ff.; 471 ff.; Triebel 2004, 69 ff. 56 Greßmann 1927, 73, Taf. C, Abb. 237; Binst 1999, 72, Abb.; Triebel 2004, 69, Taf. IV, 1.4–6. 57 Greßmann 1927, 73, Taf. C, Abb. 237; Binst 1999, 73, Abb.; Triebel 2004, 69, Taf. IV, 1–3. 58 Renan 1864, 74, Taf. 17; Greßmann 1927, 73, Taf. C, Abb. 238. 59 Wie umstritten die Datierung der Bauten von Amrit ist, zeigen die zahlreichen Datierungsvorschläge, die vom 7. Jh. v. Chr. bis in die römische Zeit reichen, vgl. hierzu Gawlikowski 1970, 16. Eine Frühdatierung bereits „kurz vor Beginn, wenn nicht gar erst am Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr.“ schlug vor kurzem Eric Gubel in: Binst 1999, 70 vor. Mittlerweile scheint sich der zeitliche Rahmen auf das 5. und 4. Jh. v. Chr. durchzusetzen: Renan 1864, 98 ff.; Gawlikowski 1970, 17; Bondí 1988, 25; Yon 1995, 130; Freyberger 1998, 108, Anm. 1466; Triebel 2004, 69. 60 Gawlikowski 1970, 17; Triebel 2004, 70, Taf. V 2–3. 61 Laborde 1837, 119, Taf. 59; de Vogüé 1865, 29 f., Taf. 1; Butler 1904, 322; 324 ff.; 333, Abb.; Brünnow/Domaszewski 1909, 97 ff., bes. 98 ff., Abb. 992–995; Mascle 1944, 37 ff.; DentzerFeydy 1986, 263 ff., Taf. I a; Fedak 1990, 148 ff., Abb. 221a-b; Sartre-Fauriat 2001, I 196 ff., Nr. Suweida No1, Abb. 270–272; Oenbrink 2002, 406 ff. u. 488, Kat.-Nr. SU1, Beil. 75, Taf. 97–98; vgl. auch Fedak 2006, 15 u. 228, Abb. 422. 62 Zur entsprechenden Grabform in Petra vgl. Lindner 1970, 125 u. 139, Abb. 1 u. 14; Hellenkemper-Salies 1981, 105, Abb.1; Browning 1982, 106 u. 111, Abb. 48 u. 54; Netzer 2003, 41 f. – Zu den südarabischen Nekropolen und Grabbauten von Mleiha, vgl. Mouton 1988, 44 ff.; Boucharlat 1989, 109 ff.; Mouton 1997, 81 ff., bes. 86 ff., Abb. 5–10; Boucharlat/Mouton 1998, 15 ff. Kritisch hierzu Triebel 2004, 137, Anm. 14. – Zum zentralarabischen Qaryat al-Fau, vgl. Al-Ansary 1982, bes. 17; 48; 57; Al-Ansary 1988, 82 ff., bes. 109; Mouton 1997, 81 ff., bes. 89 f., Abb. 11–12. – Zusammenfassend jetzt: Mouton 2006, 79 ff.
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Fries auf ein indigenes Verständnis des Grabdenkmals zurück. Vor allem die schmückenden Waffenreliefs, die in der hellenistisch-römischen Kunst als Träger inhaltlicher Aussagen über den Verstorbenen fungieren,63 hier allerdings als Attribute eines Kriegers problemlos für die Frau Hamra(th) verwendet wurden, folgen wohl weniger einer bewussten Gestaltung als vielmehr einer zeitypischen „Mode“ der Aufnahme ortsfremder Dekorformen.64 Der indigene Denkmalcharakter wird insbesondere durch die Bezeichnung des Grabbaus in der griechischen Grabinschrift als Stele deutlich, die in der annähernd textgleichen aramäischen Inschrift mit dem Begriff Nefesh gleichgesetzt wird. Bedeutsam dabei ist, dass der griechische Begriff Stele den ursprünglich arabischen Gebrauch von Nefesh für ein vom eigentlichen Grab unterschiedenes Monument widerspiegelt und die Architektur von ihrem Erbauer Odainat demnach als monumentalisierte Stele verstanden wurde.65 Dieses Verständnis findet zudem in der massiven Bauform ohne Zugang zu einem eigenen Grabraum zusätzliche Unterstützung. Auch bleibt eine Verbindung mit einem außerhalb des Monumentes gelegenen Grab trotz geringer Indizien reine Spekulation.66 Eben diese Auffassung des Grabmonumentes als monumentalisierte Stele oder Nefesh – und nicht etwa als ein Bau, der nach römischer Vorstellung als idyllische Heimstatt des Toten, als locus amoenus, gedacht war – bestimmt offensichtlich noch die unter starkem Hinzuziehen ortsfremder, griechisch-römischer Dekorformen und Bautechniken errichteten Grabbauten der Mausoleumsgrundform in Mittelsyrien. Ein entsprechendes Verständnis bestimmt aber offenbar auch den Baugedanken weiterer Sepulkralarchitekturen in Nordsyrien, deren Fronten meist geschlossen und deren Innenräume nicht oder nur schwer zugänglich waren. Darüber hinaus dokumentieren sie eine nochmalige Steigerung in der Auseinandersetzung mit regionalen Fremdeinflüssen. So können einzelne in den nordwestlichen und nordöstlichen Randgebieten Syriens gelegene Grabbauten, die in ihrem architektonischen Aufbau zwar grundsätzlich den durch griechisch-römische Tektonik und pyramidalem Dachabschluss typisierten Grabbauten der Mausoleumsgrundform folgen, die charakteristische Vertikalabfolge unterschiedlich gewichteter Etagen allerdings jeweils auf markante Weise durchbrechen, gleichsam als Mittler zwischen 63 Allgemein zu griechisch-römischen Waffenreliefs: Hesberg 1994, 100 ff.; Kader 1996, 57 ff.; Polito 1998, passim. – Speziell zu den Waffenreliefs am Grabmal des Hamra(th): Thüroff 1989, 52 ff., Abb. 5; Kader 1996, 63; Polito 1998, 89 f., Nr. 5, 26, Abb. 26. 64 Kühn 2005, 201 ff., bes. 202. 65 Kühn 2005, 202. – Zu weiteren Nefesh-Inschriften aus dem Hauran vgl. nun zusammenfassend: Kühn 2005, 196 ff. 66 Mascle 1944, 39 erwähnt ein Grab mit einem geplünderten Sarkophag in einigen Metern Entfernung und zieht dies als mögliche Grabkammer der Hamra(th) in Erwägung. Auch die Annahme Gawlikowski 1970, 23: „La sépulture se trouvait vraisemblablement sous le monument“ bleibt ohne jeden Beweis, skeptisch hierzu: Sartre-Fauriat 2001, II 64; Triebel 2004, 137 f. – Die Annahme einer Beisetzung in oder auf der zu rekonstruierenden Pyramide, wie sie Robinson 1837, 159; Negev 1977, 314 ff., bes. 614; jüngst Triebel 2004, 137 f. vertreten, ist eher unwahrscheinlich. – Völlig irrig Negev 1971, 116 f. („The structure is hollow, and had an inner peristyle [...] the burials in it could have taken place in sarcophagi or ossuaries [...]“). – Kühn 2005, 201 ff., bes. 203 lässt die Frage offen.
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den Grabbauten der Mausoleumsgrundform und den vor allem im syrischen Osten verbreiteten Turmgräbern angesprochen werden. Als in mancher architektonischen Hinsicht einzigartig erweist sich dabei der bereits aufgrund seiner geographischen Außenseiterrolle exzeptionelle Grabbau von Olba-Diocaesareia in Kilikien (Abb. 17).67 So besteht diese ins 1. Jh. v. Chr. datierte Sepulkralarchitektur aus einem turmartig erhöhten Geschoss, dessen aufwendige Fassadengestaltung durch toskanische Eckpilaster und dorisches Gebälk gegliedert wird. Über dem vorkragenden Geison folgt als Dachabschluss eine aufgemauerte glatte Pyramide. Eine zierlich kleine, unscheinbare Maueröffnung erlaubt Zugang zu einem tonnengewölbten, lediglich die halbe Geschosshöhe einnehmenden Grabraum. Der dem kilikischen Monument zugrunde liegende Entwurf lässt sich zwar mit einer größeren Anzahl von Memorialbauten verbinden, die vom Beginn des 2. bis zur Mitte des 1. Jh. v. Chr. im gesamten östlichen Mittelmeerraum entstanden und denen auch die syrischen Grabbauten der Mausoleumsgrundform anzuschließen sind,68 doch gerade der gelängte, turmartig erhöhte Baukörper, der die Innenraumabfolge im äußeren Aufbau nicht erkennen lässt, folgt offenbar einem anderen architektonischen Grundmodel. Diesem verdanken offensichtlich auch die in der Landschaft Osrhoene östlich des Euphrat errichteten Grabbauten von Sirrin ihre ungewöhnliche architektonische Gestaltung.69 Lediglich die nördliche Sepulkralarchitektur ist erhalten (Abb. 18), während der südliche Grabbau heute zerstört ist. Beide ebenfalls einstmals mit einer Pyramide abgeschlossenen Grabarchitekturen überliefern die noch erkennbare gliedernde Vertikalabfolge der mittelsyrischen Bauten der Mausoleumsgrundform, doch während die Grabkammer im Obergeschoss von einem reich durch ionische Halb- bzw. Dreiviertelsäulen gegliederten geschlossenen Baldachinaufbau umrahmt wird, verbirgt sich die untere Kammer innerhalb eines turmartig überhöhten Sockelgeschoss. Gegenüber dem Untergeschoss des Südbaus, das einst ähnlich dem Grabmonument von Olba-Diocaesarea eine stärker griechisch-römischen Formen folgende Gliederung mit flachen Eckpilastern aufwies, ist das Sockelgeschoss des nördlichen Grabbaus aufgrund seiner schlichten, nahezu undekorierten Form unzweideutig in Bezug zu der im syrischen Osten verbreiteten orientalischen Turmgrabmaltradition zu setzen,70 zeigen die ostsyrischen Turmgrabmäler doch eine ebenfalls gleichmäßige Gestaltung der zumeist ungegliederten Außenfassade bei in der Regel beliebiger Wahl der Etagenzahl im Inneren.71 Bedeutsamer noch erscheint der Umstand, dass der nördliche, in der aramäischen Grabinschrift als Nefesh be67 Keil/Wilhelm 1931, 59 ff., Abb. 89, Taf. 31; Will 1949, 270, Abb. 7; Fedak 1990, 88 u. 334, Abb. 111; Berns 1999, 111 ff. 68 Berns 1999, 111 ff., bes. 121 f. möchte den von griechischer Tektonik geprägten Aufbau des Grabturms in Olba-Diocaesareia von den syrischen Turmgrabmälern trennen. 69 Zu den Grabbauten von Sirrin (Osrhoene) vgl.: Oppenheim 1901, 78 ff., bes. 82 f.; Pirenne 1963, 110 u. 112, Abb. 4b; Einwag 1993, Taf. 6a; Gogräfe 1995, 165 ff., Abb., Taf. 21 ff.; Triebel 2004, 117 f., Taf. XXXI. 70 Fundament eines weiteren „Pyramidengrabs“ (?) in der Osrhoene: Einwag 1993, 42, Taf. 5b-c. 6b. 71 Vgl. nur Gawlikowski 1970, passim; Henning 2001, passim.
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zeichnete Bau von Sirrin den bislang einzigen Beleg für diesen einheimisch-arabischen Terminus in dieser Region und in seiner Verwendung für eine Grabarchitektur der Mausoleumsgrundform überliefert.72 Die verschiedenen Beispiele aus dem Hauran und der Osrhoene (Abb. 15–16 u. 18) verdeutlichen somit, dass der regional weitverbreitete Terminus Nefesh nicht an eine spezifische Architekturform gebunden war,73 sondern allenfalls an eine oberirdische Konstruktion, die unterschiedlich aufwendig gestaltet sein konnte: von der einfachen Stele bis hin zur monumentalen Sepulkralarchitektur, die ihrerseits sowohl durch eine zunehmende Aufnahme fremder Gestaltungsweisen als auch durch ein verstärktes Festhalten an lokalen und regionalen Traditionen geprägt waren. Die sich in diesen verschiedenen regionalen Grabbautraditionen abzeichnenden Grundmodule sind Ausdruck regionaler Identitäten. IV. „LOKALE ELITEN“ ALS WEGBEREITER Bei der baugeschichtlichen Bewertung des aus heterogenen Elementen zusammengesetzten, originellen Grabbaus von Emesa/Homs (Abb. 1–11) und weiterer Sepulkralarchitekturen Nord- und Mittelsyriens lassen sich somit für die architektonische Gestaltung verschiedene Traditionsstränge feststellen, die trotz übereinstimmender Architekturmodule jeweils unterschiedliche, regional begründbare Ausprägungen erfahren haben. Die jeweils spezifische formale Gestaltung der Grabbauten setzen aber dezidierte Vorstellungen der jeweiligen Auftraggeber über die Entwürfe ihrer Monumente voraus. Sie sind somit also Ausdruck einer regionalen Identität. Weithin sichtbar, vereinzelt und durch einen ungewöhnlichen formalen Aufwand ausgezeichnet, konnten die Monumente die Herausgehobenheit ihrer Bauherrn bekunden. Zurecht sind die verschiedenen Grabbauten „lokalen Eliten“ zugewiesen worden,74 die bei genauerer Betrachtung dieses Personenkreises offensichtlich mehrheitlich der jeweils regionalen politischen Führungsschicht angehören, die in einem freundschaftlichen oder sogar offiziellen Klientelverhältnis mit Rom standen. Mit dem Grabmal des Samsigeramos fassen wir die lokale Dynastie von Emesa,75 auch das massive Grabmonument von Qamu‘at al-Hirmel (Abb. 12) wird seit langem überzeugend einem ituräischen Prinzen vom Fürstentum Chalkis zugewiesen,76 der 72 Zur Grabinschrift des Ma‘nu vgl.: Drijvers/Healey 1999, 193 ff.; Triebel 2004, 117; Kühn 2005, 186 ff. – Das Auftreten der Bezeichnung Nefesh in der Osrhoene wird auf einen stärkeren arabischen Einfluss durch umfangreiche Zuwanderung erklärt, vgl.: Gogräfe 1995, 170; Kühn 2005, 186; vorsichtiger: Triebel 2004, 117 ff., bes. 118. 73 In Palmyra sind sog. Nefesh-Inschriften mit verschiedenen Turmgrabmälern verbunden, vgl. hierzu: Henning 2001, 145 ff., bes. 147 ff.; Triebel 2004, 207; Kühn 2005, 180. 74 Gogräfe 1995, 167 ff., bes. 198 ff.; Konrad 2004, 133 ff., bes. 138. 75 s. o. Anm. 28. 76 Gawlikowski 1970, 27 („Il est possible qu‘il ait été construit pour un dynaste de Chalcis du Liban, en même temps grand prêtre de Baalbek.“); jüngst Yon 1999, 115; Freyberger/Ragette 1999, 58; Triebel 2004, 111. – Zur Dynastie von Chalkis vgl. Beer, Georg, Ituraea, RE IX (1914) 2377 ff.; Bieberstein, Klaus, Ituraea, DNP 5 (1998), 1183 f.; Ball 2001, 35.
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gleichzeitig das Hohepriesteramt von Baalbek innehatte. Dort fanden sich im 19. Jahrhundert am Hang des Sheikh Abdallah Bruchstücke eines reich gegliederten Epistyls: auf einen dreifach faszettierten, mit Krönungsglied aus Perlstab und Kymation abgeschlossen Architrav folgt ein Pfeifenstabfries mit voluminösen Einzelgliedern.77 Aufgrund der Größe der einzelnen Bauglieder und der Qualität des Baudekors dürften sie von einer dem Grabbau von Qamu‘at al-Hirmel ähnlichen, aufwendig gestalteten Sepulkralarchitektur stammen.78 Die beiden oberen Faszien des Architravs trugen die Reste eines griechischen Epitaphs, das für Zenodoros, den Sohn des Tetrarchen Lysanias von Abilene, verfasst wurde.79 Auch für den Grabbau von Olba-Diocaesareia (Abb. 17) dürfte der Auftraggeber zurecht im Kreis der olbischen Priesterdynastie der Teukriden gesucht werden.80 Wohl ebenfalls zurecht wird schließlich der in der aramäischen Grabinschrift des Nordbaus von Sirrin (Abb. 18) genannte Ma‘nu als Priester des Nahai zur lokalen Führungsschicht gerechnet.81
V. TRADITIONELLES VERHARREN UND FREMDEINFLÜSSE IM LOKALEN TOTENKULT Diese von einer deutlichen Fremdbeeinflussung und traditionellen Gebundenheit geprägte Identität der städtischen Eliten und lokalen Führungsschicht lässt sich in der Emesene augenscheinlich auch in anderen Bereichen des Totenkultes selbst fassen. So spiegeln Beigabenfunde aus dem nahe des einstigen Mausoleums gelegenen Gräberfeld in Djurt Abu Sabun gleichermaßen ein Festhalten an regionalen Beigabensitten wie ein Eindringen neuer ortsfremder Ausstattungsgegenstände in den Grabkontext.82 Mit dem Aufsehen erregenden Fund eines römischen Paradehelmes 77 Diese heute verschollenen vier Epistylblöcke waren 1824 von Brocchi auf dem Abhang des Sheikh Abdallah gefunden worden und von Saulcy 1853, 613, Taf. 53 in der den Sheikh Abdallah hinaufsteigenden arabischen Festungsmauer verbaut vorgefunden worden. Vgl.: Renan 1868, 318; Seyrig 1970, 251 ff., Abb.; Freyberger/Ragette 1999, 56. 78 Bei Seyrig 1970, 251 ff. Abb. finden sich keine Angaben zur ursprünglichen Gestalt des zugehörigen Grabbaus. Wiegand 1921, 39 bleibt mit seiner Angabe, dass die Blöcke „auf einen größeren sepulkralen Aufbau“ verweisen, sehr allgemein. Dagegen vermuten Freyberger/Ragette 1999, 56 ein Grabmonument der Mausoleumsgrundform. 79 CIG 4523; Waddington 1870, Nr. 1880; IGLS VI, 2851. Überwiegend wird die Auffassung vertreten, dass die in der Inschrift genannten Zenodoros und sein Vater Lysanias mit den letzten Tetrarchen des Fürstentums von Chalkis zu identifizieren seien, vgl. etwa: Wiegand 1921, 39; IGLS VI 2851; Freyberger/Ragette 1999, 56. Zweifel hieran finden sich bereits bei Schürer 1901, 715; und schon Seyrig 1970, 251 ff. konnte Zenodoros und seinen Vater Lysanias überzeugend dem Fürstentum von Abilene zuweisen. 80 Berns 1999, 112 ff., bes. 116. 81 Gogräfe 1995, 167 ff., bes. 197. 82 Die ausgedehnten Nekropolen des antiken Emesa sind weitestgehend zerstört, nur wenige Einzeldenkmale konnten durch archäologische Untersuchungen dokumentiert werden; vgl. etwa: Seyrig 1952b, 204 ff.; Seyrig 1953, 12 ff. – Zu weiteren Fundkontexten aus den Gräberfeldern des antiken Emesa: Bounni/Saliby 1961, 23 ff., Taf. 6–7; Bounni 1970, 42 ff.; 48 f., Abb.; AlMaqdissi 1993, 461 ff., Abb. 31 ff. – Vgl. auch: Abdulkarim 1997 [n. v.].
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mit versilberter Gesichtsmaske des mittleren 1. Jh. n. Chr.83 (Abb. 19) trat ebenfalls eine zeitgleiche goldene Gesichtsmaske84 (Abb. 20) zutage. Diese gehört zu einer umfassenden, im nahöstlichen Gebiet beheimateten Fundgruppe, welche nach jüngsten Forschungen ihren Ursprung im syrisch-phönizischen Bereich hat.85 Die qualitätvolle Luxusausführung des Helmes in kostbarem Material sowie der Fundkontext mit reicher Grabausstattung veranlassten bereits frühzeitig dazu, im Grabherrn einen Angehörigen des emesenischen Fürstenhauses zu sehen.86 Wenn auch diese Annahme nicht gesichert werden kann, so bleibt dennoch eine Zuweisung an ein Mitglied der gesellschaftlich-politischen Führungselite, die sich einerseits ortsfremder Statussymbole aufgeschlossen zeigt, andererseits aber noch an lokalen Beigabentraditionen festhielt, wahrscheinlich. Ein ähnliches Phänomen belegt eine größere Anzahl mittelsyrischer Grabstelen aus Basalt (Abb. 21–22), die aufgrund ihres lokalen Steinmaterials, ihrer charakteristischen Formgebung und Reliefverzierung sowie ihrer engmaschigen Fundverteilung noch im 2. Jh. n. Chr. eine regional begrenzte Denkmälergruppe bildet.87 Deren schmale, hochrechteckige Stelenform, die zuweilen mit einer Rahmung versehen sein kann und am oberen Ende gerundet oder spitzzulaufend abschließt, fußt offenbar in einer älteren phönizischen Tradition.88 Ihre schlanken Reliefbilder zeigen frontale Darstellungen überwiegend einzelner Verstorbener,89 nur selten verweisen etwa kleinere Nebenfiguren auf einen
83 Damaskus, Nationalmuseum Inv. 7084 (Homs): Abdul-Hak/Abdul-Hak 1951, 167 ff., bes. 169, Nr. 38, Taf. 59; Seyrig 1952a, 66 ff.; Seyrig 1952b, 210 ff., Taf. 21 ff.; Seyrig 1952c, 101 ff., Taf. 1 ff.; Abdul-Hak 1960, 23 f., Taf. 31 f.; Ush/Joundi/Zouhdi 1969, 137 f., Abb. 52; Klumbach/Baatz 1970, 78 f., Abb. 12; Robinson 1975, 121 f., Taf. 349 ff.; Kohlert 1976, 509 ff., bes. 511, Abb. 77; Zouhdi 1976, 137 f., Taf. 52; Garbsch 1978, 63, Nr. O 4; Waurick 1988, 344 f., Abb. 9, 1–2; Stierlin 1987, 107 f., Abb. 86; Fortin 1999, 113, Nr. 62, Abb.; Skupinska-Lovset 1999, 47 f. – Der Helm gehört zum Typus Weiler/Koblenz-Bubenheim, zur Verbreitung vgl.: Hanel/Peltz /Willer 2000, 243 ff., bes. 264 u. 274, Nr. 25. 84 Damaskus, Nationalmuseum Inv. 7206 (Homs, Tell Abu Sabun, Grab 1): Seyrig 1952b, 208 ff., Taf. 26,1 f.; Fortin 1999, 201, Nr. 177, Abb. 85 Zu Goldmasken im nahöstlichen Kontext allgemein: Curtis 1976, 47 ff.; Curtis 1995, 226 ff.; jüngst zusammenfassend: Fick 2001, passim [n. v.]. 86 Seyrig 1952a, 66 ff., bes. 69 („… very probably to the royal house of Sampsigeramus“); Ush/ Joundi/Zouhdi 1969 138 („… peutêtre à un prince de la dynastie de Samsigermai“); Garbsch 1978, 63 („Grab der Königsfamilie der Sampsigerami“); Waurick 1988, 344 f. („Dynastengrab“). 87 Eine zusammenfassende Bearbeitung und Publikation dieser Grabreliefgruppe, zu der Stelen in den Museen von Aleppo, Damaskus, Hama, Homs und Istanbul zählen, steht noch aus. Vgl. aber: Mouterde 1925, 216 ff.; Skupinska-Lovset 1999, 174 ff. 88 Vgl. etwa Parlasca 1981, 18 f.; Skupinska-Lovset, 1999, 176. – Ähnliche Formen – möglicherweise aus Mittelsyrien übernommen (Skupinska-Lovset 1999, 176) – finden sich im südsyrischen Hauran: Abdul-Hak/Abdul-Hak 1951, 60, Nr. 9, Taf. 23, 2; 29, 2; Zouhdi 1976, 112, Abb. 44; Sartre-Fauriat 2001, I 280 f., Nr. 43, Abb. 373; Weber 2006, 39 f., Nr. 18, Taf. 14a. 89 Stelen für Frauen: 1) Damaskus, Nationalmuseum Inv. 3098: Skupinska-Lovset 2003, 587 ff., bes. 592; 595, Abb. 8.–2) Damaskus, Nationalmuseum Inv. 5346: Skupinksa-Lovset 1999, 223, Taf. 25 c.-3) Istanbul, Archäologisches Museum Inv. 1948: Parlasca 1981, Taf. 22, 2. – Stelen für Männer: 1) Damaskus, Nationalmuseum Inv. 5123: Mouterde 1925, 216 f., Taf. XXVI, 1.– 2) Hama, Museum Inv. 1440: unpubliziert.
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familiären Hintergrund.90 In aller Regel sind dabei die weiblichen Verstorbenen durch auffällige Gemeinsamkeiten in ihrer Haltung und Gestik, ihrer Kleidung und aufwendigen Frisur sowie in ihrem Schmuck und ihren Attributen gekennzeichnet. Übereinstimmend sind sie in Tunica und fibelgeschmücktem Obergewand gekleidet, auch tragen sie die gleiche Art der Kopfbedeckung aus Diadem, Turban und voluminösem Schleierkopftuch. Ebenfalls gleich sind die als Attribute in der linken Hand gehaltenen Spinnrocken (Wirtel) und Spindel. Bei aller Uniformität zeigen die Grabreliefs allerdings auch markante Variationen etwa in der Haltung des rechten Armes, dessen Hand sowohl an den Halsausschnitt der Tunica gelegt als auch mit einer Mantelschlaufe oder weiteren Attributen vor den Oberkörper geführt sein kann. Darüber hinaus kann verschieden reicher Brustschmuck den sozialen Stellenwert unterstreichen. Während es sich bei der Art der Diademe91 und des Turbans mit Schleierkopftuch92 offenbar um typisch orientalische bzw. lokal-nahöstliche Trachtbestandteile zu handeln scheint,93 lassen sich Tunica und Mantel ebenso wie die Attribute hausfraulicher Tätigkeit verheirateter Frauen – Spindel und Spinnrocken – und die Mantelschlaufe auf hellenistische Grabreliefs des griechischen Ostens zurückführen.94 Stärker noch sind Gewandung und Darstellungsschema der männlichen Verstorbenen der griechisch-hellenistischen und römischen Formgebung der Grabdenkmäler aus den Städten der Küstenregionen verpflichtet95 (Abb. 22). Die Männer tragen in aller Regel Chiton und Himation. Auch ihre in traditioneller Gestik in den Mantelstoff greifende angewinkelte Rechte sowie die als Attribut in der gesenkten Linken gehaltene Papyrusrolle oder Schedula findet sich analog in zahlreichen hellenistischen und römischen Grabreliefs.96 Daneben spiegeln Reliefstelen mit Darstellungen bewaffneter Männer in militärischem Ornat offenkundig einen stärkeren Einfluss römischer Soldatengrabsteine.97 Entsprechend der Sepulkralkunst anderer syrischer Regionen kennzeichnen somit auch die Grabreliefs aus Emesa und der Emesene feste Darstellungskonventionen mit bestimmtem, standardisiertem Chiffren- und Formenrepertoire. Übereinstimmend sind die Gesichtszüge undifferenziert und repetitiv wiedergegeben, auch 90 Damaskus, Nationalmuseum Inv. 3097: Skupinska-Lovset 1999, 178 u. 183, Taf. 25b. 91 Vgl. zu den Diademformen in Palmyra: Mackay 1949, 165. – Allgemein zum Schmuck im antiken Syrien vgl. Chehade 1972, passim. 92 Vgl. hierzu Parlasca 1985, 348. 93 Parlasca 1981, 10. 94 Hierzu vgl. etwa: Pfuhl/Möbius 1977, 153, Taf. 78, 478. – Auch kaiserzeitliche Grabreliefs (Pfuhl/Möbius 1979, 282, Taf. 171, 1137 u. 1138; Parlasca 1981, 10, Taf. 7, 4 u. 10, 1) zeigen Frauen mit Spinnrocken und Spindel in der linken Hand. Zur Interpretation dieser Attribute als Zeichen des Familienstandes vgl. Parlasca 1976, 34; Parlasca 1982, 195, Kat.-Nr. 174, Schenke 2003, 109 ff., bes. 110 f. 95 Vgl. etwa nur: Parlasca 1981, 10 u. 17, Taf. 20, 1–2. – Bei palmyrenischen Grabreliefs von Parlasca 1982, 200, Kat.-Nr. 180 als Hinweis auf den Beruf eines Kaufmanns bzw. eines Verwaltungsbeamten verstanden. Vgl. hierzu Schenke 2003, 109 ff., bes. 112. 96 Damaskus, Nationalmuseum Inv. 5123: Mouterde 1925, 216 f., Taf. XXVI 1. – Zu Analogien auf hellenistischen und römischen Grabreliefs s. o. Anm. 94. 97 Basaltstele aus Mariamin: Dussaud 1897, 314, Abb. 4. – Basaltstele aus Burj-el-Qaé: Perdrizet/ Fossey 1897, 72, Nr. 16, Abb. 2. – Damaskus, Nationalmuseum Inv. 7862: Skupinska-Lovset 1999, 182, Taf. 25 d. – Hama, Museum o. Inv.: unpubliziert.
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gleichen sich die Bilder der Verstorbenen in Anzahl und Form der dargestellten Details. Die Individualität der Dargestellten tritt vielmehr hinter die gesellschaftliche Einbindung der einzelnen Individuen in das Sozialgefüge zurück: Frauen wurden über ihre Funktion im Privatbereich, Männer über die im öffentlichen und/oder militärischen Bereich definiert. Eine solche Vereinheitlichung der Reliefbilder beruht wohl kaum auf Zufälligkeit oder gar Desinteresse an der Bildgestaltung, sondern erweist sich vielmehr als intentionelle Nutzung zur Markierung eines festen sozialen Wertesystems bzw. einer individuellen und kulturellen Identität, die sich im Festhalten an lokalen Traditionen einerseits bei gleichzeitiger Aufnahme von Fremdeinflüssen andererseits äußert. Dies spiegelt auch die Beschriftung der Stelen: die Namen sind überwiegend semitischen Ursprungs, die Grabinschriften in der Regel in Griechisch verfasst.98 VI. SCHLUSS Die Auswahl und die formale Gestaltung der Grabmäler in Nord- und Mittelsyrien – auch jenes des Samsigeramos von Emesa – waren augenscheinlich durch die jeweils unterschiedlich starke Affinität der lokalen Eliten zu Rom bedingt. Die baugeschichtliche Herleitung bestimmter Einzelelemente und das zugrundliegende Verständnis zeugen allerdings von einer gleichzeitigen Verwurzelung im regionalen Umfeld. Die aus verschiedenen Grabbautraditionen entlehnten Grundmodule wirken in unterschiedlicher gradueller Prägnanz in einer langen Traditionskette kaiserzeitlicher Sepulkralarchitekturen, wie jenem hexagonalen Grabbau mit baldachinartigem, pyramidal abgeschlossenen Obergeschoss in Cyrrhus,99 bis zu den spätantiken eingeschossigen, begehbaren Grabbauten mit dominierendem, steil aufragendem Pyramidaldach bzw. den offenen baldachinartigen Monumenten mit pyramidalem Dach im nordsyrischen Kalksteinmassiv fort.100 ABKÜRZUNGEN CIG IGLS
Corpus Inscriptionum Graecarum, Berlin, 1825–1877 Inscriptions grecques et latines de la Syrie, Paris 1929–
98 Skupinska-Lovset 2003, 587 ff., bes. 592 u. 595, Abb. 8 (hier Abb. 21). 99 Zum Grabbau von Cyrrhus vgl.: Cumont 1917, 212, Abb. 80; Sourdel-Thonime 1952, 134 ff.; Tchalenko 1953, 257, Taf. 86,10; Frézouls 1954–55, 127 ff., Taf. 8; Lyttleton 1974, 241, Abb. 136; Frézouls 1977, 164 ff., bes. 196, Taf. VII, Abb. 15–16; Wagner 1985, 32, Abb. 53. 100 Kaukanaya (384 n. Chr.): Butler 1904, 109, Abb.; Strube 1996, 21, Abb. 35. – Djuwaniyeh (398 n. Chr.): Butler 1904, 109, Abb. – Rbé‘ah (4. Jh. n. Chr.): Butler 1904, 111, Abb. – Taltita (4. Jh. n. Chr.): Butler 1904, 111 f., Abb. – Dana-Süd (5. Jh. n. Chr.): Butler 1904, 245, Abb.; Strube 1996, 21, Abb. 36; Triebel 2004, 112, Taf. XXIX, 2. – el-Barah (6. Jh. n. Chr.): Butler 1904, 243 f., Abb.; Strube 1996, 88, Abb. 151; Triebel 2004, 112, Taf. XXIX, 4. – Ba‘ude (6. Jh. n. Chr.): Pena 1996, 208, Abb.; Triebel 2004, 112, Taf. XXIX,3. – Has: Butler 1904, 160 ff., Abb. 64 ff. – Allgemein vgl.: Strube 1996, 17 ff., bes. 19; Griesheimer 1997, 165 ff., bes. 189.
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PD Dr. Werner Oenbrink, Archäologisches Institut der Universität Köln, AlbertusMagnus-Platz, D-50923 Köln; e-mail: [email protected]
Das Grabmonument des Gaius Iulius Samsigeramos
Abb. 1: Homs/Emesa, Grabmonument des Samsigeramos, Ansicht der Nordfassade, Photographie Max Frhr. von Oppenheim (1860–1946) (Köln, Bankhaus Sal. Oppenheim, Foto–Archiv Neg.-Nr. 29/15.1 S. 54b)
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Abb. 2: Homs/Emesa, Grabmonument des Samsigeramos, Ansicht von Südosten, Photographie Max Frhr. von Oppenheim (1860–1946) (Köln, Bankhaus Sal. Oppenheim, Foto-Archiv Neg.-Nr. 29/15.1 S. 54a)
Abb. 3: Homs/Emesa, Grabmonument des Samsigeramos, Ansicht von Nordwesten, Photographie Nachlass Heinrich Kohl (1877–1914) (Berlin, Deutsches Archäologisches Institut, Archiv: Nachlass H. Kohl Kasten 2)
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Abb. 4: Homs/Emesa, Grabmonument des Samsigeramos, Ansicht nach Louis François Cassas (1756–1827) (Schmidt-Colinet 1996, 493, Abb. 240)
Abb. 5: Homs/Emesa, Grabmonument des Samsigeramos, Ansicht und Grundriss nach Richard Pococke (1704–1765) (Pococke 1754, Taf. XXIIo)
Abb. 6: Homs/Emesa, Grabmonument des Samsigeramos, Ansicht der Nordfassade nach Léon de Laborde (1807–1869) (Laborde 1837, Taf. V 17)
Das Grabmonument des Gaius Iulius Samsigeramos
Abb. 7: Homs/Emesa, Grabmonument des Samsigeramos, Ansicht der Nordfassade, Skizze von William John Bankes (1786–1856) (Dorchester, Dorset County Office Archive Inv-Nr. IX C 1)
Abb. 9: Homs/Emesa, Grabmonument des Samsigeramos, Aufriss-Rekonstruktion nach Louis François Cassas (1756–1827) (Schmidt-Colinet 1996, 493, Abb. 239)
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Abb. 8: Homs/Emesa, Grabmonument des Samsigeramos, Schnittzeichnung, Skizze von William John Bankes (1786– 1856) (Dorchester, Dorset County Office Archive Inv-Nr. IX C 1 retro)
Abb. 10: Homs/Emesa, Grabmonument des Samsigeramos, Aufriss-Rekonstruktion nach Louis François Cassas (1756–1827) (Cassas 1799, Taf. 22)
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Abb. 11: Homs/Emesa, Grabmonument des Samsigeramos, Aufriss-Rekonstruktion (von W. Oenbrink / A. Smadi 2007)
Abb. 12: Qamu‘at al-Hirmel, Grabmonument, Ansicht (Foto W. Oenbrink 1999)
Abb. 13: Amrit, phönizisches Grabmonument (Foto W. Oenbrink 1993)
Abb. 14: Amrit, phönizisches Grabmonument (Foto W. Oenbrink 1996)
Das Grabmonument des Gaius Iulius Samsigeramos
Abb. 15: as-Suwayda, Grabmal der Hamra(th), Ansicht der Westseite, Zustand 1899/1900 (Photo R. E. Brünnow / A. von Domaszewski, Princeton University No. 915)
Abb. 16: as-Suwayda, Grabmal der Hamra(th), Aufriss-Rekonstruktion (Brünnow/Domaszewski 1909, 99, Abb. 995)
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Abb. 17: Olba Diocaesareia, Grabmonument, Ansicht (Foto C. Berns)
Abb. 18: Sirrin, nördlicher Grabbau, Ansicht der Westseite (Gogräfe 1995, Taf. 21 b)
Abb. 19: Römischer Paradehelm, Homs/ Emesa, Nekropole Djurt Abu Sabun (Fortin 1999, 113, Nr. 62, Abb.)
Abb. 20: Goldmaske, Homs/Emesa, Nekropole Djurt Abu Sabun (Fortin 1999, 201, Nr. 177, Abb.)
Das Grabmonument des Gaius Iulius Samsigeramos
Abb. 21: Grabstele aus Homs/Emesa, Damaskus, Nationalmuseum Inv. 3098 (Skupinska-Lovset 2003, 595, Abb. 8)
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Abb. 22: Grabstele aus Homs/Emesa, Damaskus, Nationalmuseum Inv. 5123 (Mouterde 1925, Taf. XXVI 1)
NOCHMAL ZUR IKONOGRAPHIE ZWEIER PALMYRENISCHER SARKOPHAGE Andreas Schmidt-Colinet Zwei in Palmyra vor wenigen Jahren entdeckte Sarkophage (A und B)1 verdienen wegen ihres ikonographischen Programms besondere Beachtung. Für beide Sarkophage ist deren ursprünglicher Aufstellungskontext leider nicht mehr zu rekonstruieren. Nach typologischen, ikonographischen und stilistischen Kriterien können beide Stücke in das zweite Viertel des 3. Jahrhunderts n. Chr. datiert werden. Eine ausführliche Publikation ist während der Drucklegung dieses Beitrags erschienen.2 Auf Einzelnachweise und Anmerkungen wird deshalb im Folgenden weitgehend verzichtet. Sarkophag A (Abb. 1–8) zeigt den für palmyrenische Sarkophage kanonischen Typus: den Sarkophagkasten in Form einer Kline und den Deckel mit einer Bankettszene. An der Front des Kastens (Abb. 2.4) sind sieben stehende männliche Gestalten bei einer Opferhandlung dargestellt. Von rechts und links schreiten jeweils drei Figuren auf eine Mittelfigur zu. Diese sechs „Opferdiener“ sind glatt rasiert und weisen die charakteristische sog. „Rollocken“- oder „Pagenfrisur“ auf. Sie tragen knielange gegürtete Ärmeltuniken und bringen Opfergaben bzw. Opfergerät dar, wie es für römische Opferriten geläufig ist. Ganz links erscheint der victimarius mit geschultertem Beil, der den Stier – wiederum ganz nach römischem Darstellungsmuster – am Horn zum Opfer führt. Im Zentrum der Darstellung steht der Opfernde neben dem Altar. Der hohe Rang dieses Mannes geht aus dem Diadem auf seinem Haupt hervor sowie aus Ehrenkranz und Priesterhaube, die hinter ihm auf dem Reliefgrund zur Schau gestellt sind. Damit gibt er sich als Hoher Priester der palmyrenischen Gesellschaft zu erkennen. Im Unterschied zu den „Pagen“ hat er die Haare kurz geschnitten und trägt einen Vollbart. Außer geschnürten Schuhen trägt er eine Tunika, deren breiter clavus auf seiner rechten Schulter zu erkennen ist und darüber eine Toga. Damit ist er als freier römischer Bürger, als civis romanus, als Inhaber des Römischen Bürgerrechts gekennzeichnet. Also ein hoher palmyrenischer Würdenträger und Priester, zugleich römischer Bürger, der nach römischem Ritus ein Opfer darbringt. Die Opferszene wird an den beiden Schmalseiten des Kastens von zwei Darstellungen gerahmt: Auf der linken Schmalseite (Abb. 5) ist die gelagerte Herrin 1 2
Sarkophag A: Palmyra, Museum Inv. Nr. 2677B/8983. – Sarkophag B: Palmyra, Museum Inv. Nr. 2723B/9160. Schmidt-Colinet 2007. Zu Sarkophag A vgl. bisher: Schmidt-Colinet 1995, 36 ff. Abb. 48–51 u. 66; Parlasca 1998, 313, Taf. 126, 1; Veyne 2001, 34; Kaizer 2002, 179–181, Taf. 4; SchmidtColinet 2003, 669–672, bes. 672, Abb. 1–2; Yon 2002, 132 f. u. 165, Abb. 35; Schmidt-Colinet 2004, 193 f., Abb. 7–10; Wielgosz 2004, 941–949, Abb. 12 a–f; Schmidt-Colinet 2005, 42–47 Abb. 60–66 u. 81. – Zu Sarkophag B vgl. bisher: Kaizer 2002, 180 f., Taf. 5–6.
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Andreas Schmidt-Colinet
dargestellt, neben ihr die Dienerin, die der Herrin eine Halskette demonstrativ entgegenhält. Auf der rechten Schmalseite des Kastens (Abb. 6) ist eine nach links schreitende Frau in langem Chiton dargestellt. Sie hält in ihrer Rechten eine Lanze, mit der Linken führt sie ein Kamel. Nach ikonographischen Parallelen handelt es sich am ehesten um die Göttin Astarte, die als Schützerin der Karawanen das Kamel des Grabherrn heranführt. Der Deckel des Sarkophags (Abb. 1) zeigt – in Überlebensgröße – einen von vier Personen umgebenen Mann in reich dekorierter parthischer Tracht, der nach lokaler Sitte auf einer Matratze gelagert ist. Der Mann trägt zusätzlich einen Gürtel aus Schmuckplatten, Dolch und Schwert. Das gesattelte Pferd, das ihm von links herangeführt wird, ist Ausdruck seines hohen militärischen Ranges. In der ungewöhnlichen Darstellung von Gelagertem einerseits und seinem Pferd andererseits auf derselben Matratze (!) sind zwei Darstellungstopoi miteinander verbunden: einerseits eine Bankettszene, andererseits eine Repräsentationsszene mit der Heranführung des gesattelten Pferdes. Die Matratze wird rechts von einem Fulcrum gehalten, dessen Front mit Reliefs rein westlicher mythologischer Thematik geschmückt ist (Abb. 3), nämlich mit Darstellungen von Dionysos und Ariadne. Die rechte Seitenansicht des Fulcrums gibt einen zweigeschossigen Architekturprospekt wieder (Abb. 7–8), der oben links wiederum von einem rein westlichen Motiv begrenzt ist: Viktoria auf dem Globus. In dem Architekturprospekt wechseln Nischen mit eckiger und runder Giebelbekrönung, in denen weibliche und männliche Figuren stehen, die Opfergeräte halten. „Parther“ Frau Frau „Parther“ l l l l l ----------------------------------------l---------------Ross Karawanenführer
l
l
Dienerin Herrin
l
l
l
l
3 Opferdiener mit Stier
l Togatus
l
l 3 Opferdiener
l
AediculaArchitektur mit Opfernden und Statuen; Victoria, Dionysos/Ariadne
l
l
Göttin
Kamel
Textabb. 1: Figurenschema an Sarkophag A
Insgesamt zeigt die Ikonographie des Sarkophages eine eklektische Mischung griechisch-römischer und einheimisch-orientalischer Elemente, mit denen verschiedene Funktionen bzw. Lebensbereiche („Identitäten“) des Grabherrn zur Darstellung gebracht werden (Textabb. 1): Auf der linken Schmalseite des Sarkophagkastens wird der unmittelbare soziale Kontext, der Familien- bzw. Stammesverband betont. Durch die Darstellung auf der rechten Schmalseite des Kastens stellt sich der Grabherr unter die Obhut der obersten Karawanenschützerin und bekundet damit Loyalität gegenüber der einheimischen Götterwelt. In der Opferszene an der Front erscheint er als civis romanus, zugleich ausgestattet mit allen Rangabzeichen eines hohen Priesters und Notablen von Palmyra. Über der Opferszene erscheint, gewissermaßen in der „Hauptdarstellung“, wieder der Grabinhaber, nun als einheimischer Karawanenherr von höchstem sozialen, wirtschaftlichen, militärischen und poli-
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tischen Rang. Die ihn umgebenden Familienmitglieder implizieren eine dynastische Konnotation. Zugleich beinhalten die Reliefs auf dem Fulcrum rein griechischrömische Sepulkral- und Triumphalsymbolik. Erst Kasten und Deckel gemeinsam „gelesen“ lassen die Ambivalenz bzw. Multivalenz im Selbstverständnis und im Repräsentationswillen des Grabinhabers bzw. Stifters erkennen. Er ist stolz darauf, römischer Bürger zu sein3, versteht sich aber zugleich demonstrativ in der eigenen lokalen Tradition. Die Übernahme des römischen „Bürgerimages“ wird also nicht als Alternative zur Betonung der eigenen Traditionen und Wurzeln verstanden; im Gegenteil: das eine ergänzt, steigert das andere, wird Bestandteil des anderen. Romanisierung gibt sich hier nicht als linearer Prozess einer konstant zunehmenden „Verrömerung“ zu erkennen, sondern als komplexer mentalitätsgeschichtlicher Mechanismus. Das Bildprogramm des Sarkophags zeigt also einerseits den Einfluß römischer Bild- und damit Wertvorstellungen. Andererseits werden einheimisch-orientalische Traditionen verstärkt betont. Wir sprechen von „Romanisierung“, aber die Betroffenen fühlten sich natürlich immer als sie selbst („ils se sentaient toujours eux-mêmes“). D. h., das Fremde wird als Eigenes assimiliert, die Assimilierung des „Fremden“ bedeutet letztlich, die eigene Identität „auf den neuesten Stand zu bringen“, zu modernisieren. In Abwandlung von Beobachtungen, die Egon Flaig in anderem Zusammenhang gemacht hat, kann man festhalten: „Äußerlichkeiten (wie Gestalt, Haar, gepflegter Bart, Frau, Kinder etc.) (...) waren genau codierte Symptome“, die zeigen, daß jemand „gesellschaftsfähig ist, was seinen familialen und sozialen Status angeht.“ (...) So „konnte man weiterhin (lokale) soziale Überlegenheit demonstrieren, gleichzeitig aber eine kulturelle Zugehörigkeit zum Römertum.“ (...) Damit begreift sich der Bürger nicht mehr nur „als polisgebunden, sondern als Mitglied einer weiträumigen, überpolitischen Kultur-“ bzw. Wertegemeinschaft. (...) Und die leitenden Werte dieser Wertegemeinschaft sind „sozialer Erfolg, Reichtum, Einfluß und vor allem die so ersehnte öffentliche Anerkennung. – Werte, die desto unangefochtener regierten, je fester sich die römischen Sozialisationsmodelle über das gesamte Imperium Romanum hinweg verbreiteten.“ 4 Sarkophag B (Abb. 9–14) ist bisher ein Unikum in der Palmyrenischen Sarkophagplastik, denn er ist auf allen vier Seiten mit Reliefs geschmückt. Typologisch, ikonographisch und stilistisch steht er Sarkophag A so nahe, dass er nicht nur zur selben Zeit, sondern wohl auch von derselben Werkstatt ausgearbeitet wurde. Die eine Langseite (a) zeigt eine – wenn auch schlechter erhaltene – Wiederholung des Reliefs an der Front des Sarkophages A (Abb. 9). Man könnte von einer Kopie oder sogar Replik im Lippoldschen Sinne sprechen. Nur in wenigen Details unterscheiden sich die beiden Darstellungen. Die gegenüberliegende Langseite (c) zeigt eine Variation des Themas (Abb. 10–12): Zwischen den Klinenbeinen sind nun sechs wiederum frontal zum Betrachter gewandte Figuren in einer Opferszene dargestellt. Im Zentrum stehen nun zwei 3
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Ob, wie Paul Veyne vermutet hat, in der Opferszene zugleich die Abhängigkeit der Klientel des Grabherren, also das „Gefolge der Pächter“ dargestellt ist, das dem dominus den Jahrestribut entrichtet, sei dahingestellt. Vgl. hierzu und zum Folgenden Veyne 2001, 34. Zitate nach Flaig 2002, 122–136, hier 126 u. 129 f.
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Andreas Schmidt-Colinet
Männer im Opfergestus neben einem Altar. Abgesehen von der Musterung ihrer clavi sind sie ikonographisch identisch und wieder mit Sandalen, Tunica und Toga bekleidet. Auf dem Haupt tragen sie Kränze. Hinter ihnen erscheint auf dem Reliefgrund ein pfeilerartiges Podest mit zwei bekränzten Priesterhauben bzw. Modii auf kunstvoll drapierten Tüchern. Neben den Opfernden stehen zwei Frauen mit verhülltem Haupt. In Standmotiv und Kleidung schließen sie sich an westliche Figurentypen, die sog. Große und Kleine Herkulanerin an. Ikonographisch sind sie kaum unterschieden, nur ihre Schrittstellung ist spiegelbildlich zueinander; auch trägt die rechte Frau in ihrer rechten einen nach schräg rechts unten weisenden Gegenstand, ähnlich einem Golfschläger, möglicherweise ein überdimensionierter Schlüssel, wie er sonst häufig als Attribut bei Frauen auf Palmyrenischen LoculusReliefs erscheint. Auch trägt die rechte Frau im Gegensatz zur linken reiche „Schläfenketten“ in Haar und Turban. Ob sie damit als die Ältere oder als die sozial Höherstehende gekennzeichnet ist, kann vermutet werden, muss aber offen bleiben. Diese Vierergruppe wird von zwei Opferdienern gerahmt, die ikonographisch denen entsprechen, die auf der gegenüberliegenden Langseite die Mittelfigur rahmen. Die eine Schmalseite des Sarkophages (b) zeigt zwei stehende einander zugewandte Frauengestalten (Abb. 13). Die linke, die den Kopf zurück wendet, präsentiert ein Schmuckkästchen mit Kettenschmuck. Die ihr gegenüber stehende „Herrin“ trägt in ihrer Rechten einen Spiegel, in der Linken eine mappa. Auf der gegenüberliegenden Schmalseite (d) erscheinen zwei stehende Männer in parthischer Tracht (Abb. 14), mit verschränkten Armen in der typischen sog. parthischen Grandenpose. Am Gürtel tragen sie Dolch und Langschwert. l
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2 „Parther“
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2 Frauen
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Opferdiener Frau Togatus
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3 Opferdiener mit Stier
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Togatus Frau Opferdiener
l Togatus
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l 3 Opferdiener
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2 Frauen
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2 „Parther“
Textabb. 2: Figurenschema an Sarkophag B
Anders als an Sarkophag A lässt sich für Sarkophag B kaum ein kohärentes ikonographisches Programm erkennen (Textabb. 2): Auf der einen Langseite (a) ist ein Togatus beim Opfer dargestellt, auf der anderen (c) sind es deren zwei. Sind mit den beiden Frauen auf Langseite c dieselben Personen gemeint wie auf der Schmalseite b? Und sind mit den beiden Togati auf Langseite c dieselben Männer gemeint wie die beiden ‚Parther‘ auf der Schmalseite d? Für die Vermutung, dass die vier Seiten des Kastens möglicherweise nicht gleichzeitig ausgearbeitet worden sind, dass also eine ‚Planänderung‘ oder Zweitverwendung stattgefunden haben könnte, liefert der Sarkophag weder technische noch ikonographische noch stilistische Argumente. Die Allansichtigkeit des Sarkophages reizt zu zwei weiteren Überlegungen: Zu einem derartigen Sarkophag muss es auch einen entsprechenden, also allansichtigen Deckel gegeben haben. Ein solcher ist in der Tat als Spolie im sog. Aviation-
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Grab erhalten.5 Er würde von den Maßen her sowie stilistisch zu Sarkophag B passen. Dennoch muss eine Zugehörigkeit rein hypothetisch bleiben. Und schließlich: Der allansichtige Sarkophag (und sein Deckel) kann nicht vor einer Wand oder in einer Nische gestanden haben, wie dies sonst für palmyrenische Sarkophage üblich ist. Vielmehr kommt für die Aufstellung nur das Zentrum im Peristyl eines sog. Haus- oder Tempelgrabes in Frage6, also eines Grabtypus, der in Palmyra erst nach dem Besuch Hadrians bzw. in antoninischer Zeit auftaucht und der zweifellos von griechisch-römischer Peristylarchitektur beeinflußt ist. D. h., nicht nur der Sarkophag zeigt in seiner Ikonographie jene Ambivalenz einheimischer und römischer Formen und Inhalte, sondern auch die Architektur, die ihn umgeben haben muss. LITERATUR Flaig, Egon, Bildung als Feindin der Philosophie. Wie Habitusformen in der hohen Kaiserzeit kollidieren, in: Goltz, Andreas / Luther, Andreas / Schlange-Schöningen, Heinrich (Hgg.), Gelehrte in der Antike: Alexander Demandt zum 65. Geburtstag, Wien u. a. 2002, 131–136 Kaizer, Ted, The Religious Life of Palmyra. A Study of the Social Patterns of Worship in the Roman Period (Oriens et Occidens 4), Stuttgart 2002 Parlasca, Klaus, Palmyrenische Sarkophage mit Totenmahlreliefs, in: Koch, Guntram (Hg.), Akten des Symposiums „125 Jahre Sarkophag-Corpus“ Marburg 1995 (Sarkophag-Studien 1), Mainz 1998, 311–317 Schmidt-Colinet, Andreas (Hg.), Palmyra. Kulturbegegnung im Grenzbereich, Mainz 1995/1997 Schmidt-Colinet, Andreas, Religion und Kult als Ausdruck von Gesellschaft: Fallstudie Palmyra, JRA 16 (2003), 669–672 Schmidt-Colinet, Andreas, Palmyrenische Grabkunst als Ausdruck lokaler Identität(en): Fallbeispiele, in: Schmidt-Colinet, Andreas. (Hg.), Lokale Identitäten in Randgebieten des Römischen Reiches. Symposium Wiener Neustadt 2003, Wien 2004, 189–198 Schmidt-Colinet, Andreas (Hg.), Palmyra. Kulturbegegnung im Grenzbereich, 3. Aufl., Mainz 2005 Schmidt-Colinet, Andreas / Khaled al-As’ad, Zwei Neufunde Palmyrenischer Sarkophage, in: Koch, Guntram (Hg.), Akten des Symposiums des Sarkophag-Corpus, Marburg 2001 (SarkophagStudien 3), Mainz 2007, 271–287 Veyne, Paul, Préface, in: Degeorge, Gérard, Palmyre, métropole caravanière, 2. Aufl., Paris 2001 Wielgosz, Dagmara, Osservazioni sul sarcofago palmireno, in: Fano-Santi, Manuela (Hg.), Studi di Archeologia in Onore di Gustavo Traversari, Roma 2004, 929–962 Yon, Jean-Baptiste, Les notables de Palmyre (BAH 163), Beyrouth 2002
Prof. Dr. Andreas Schmidt-Colinet, Universität Wien, Institut für Klassische Archäologie, Franz-Klein-Gasse 1, A-1190 Wien; e-mail: andreas.schmidt-colinet@ univie.ac.at
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Schmidt-Colinet 2007, 278 Anm. 30. Schmidt-Colinet 2007, Anm. 31; zu den Tempelgräbern zusammenfassend auch Schmidt-Colinet 2005, 47–51, Abb. 67–72.
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Abb. 1: Palmyra, Museum Inv. Nr. 2677B/8983 (Foto: Andreas Schmidt-Colinet)
Abb. 2: wie Abb. 1 (Foto: Andreas Schmidt-Colinet)
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Abb. 3: wie Abb. 1, Detail des Deckels (Foto: Andreas Schmidt-Colinet)
Abb. 4: wie Abb. 2, Detail des Kastens (Foto: Andreas Schmidt-Colinet)
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Abb. 5: wie Abb. 1, linke Schmalseite des Kastens (Foto: Andreas Schmidt-Colinet)
Abb. 6: wie Abb. 1, rechte Schmalseite des Kastens (Foto: Andreas Schmidt-Colinet)
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Abb. 7: wie Abb. 1, rechte Schmalseite des Deckels (Foto: Andreas Schmidt-Colinet)
Abb. 8: wie Abb. 7, Detail (Foto: Andreas Schmidt-Colinet)
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Abb. 9: Palmyra, Museum Inv. Nr. 2723B/9160, Langseite a (Foto: Andreas Schmidt-Colinet)
Abb. 10: wie Abb. 9, Langseite c (Foto: Andreas Schmidt-Colinet)
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Abb. 11: wie Abb. 10, Detail (Foto: Andreas Schmidt-Colinet)
Abb. 12: wie Abb. 11 (Foto: Andreas Schmidt-Colinet)
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Abb. 13: wie Abb. 9, Schmalseite b (Foto: Andreas Schmidt-Colinet)
Abb. 14: wie Abb. 9, Schmalseite d (Foto: Andreas Schmidt-Colinet)
IMPERIALE MACHT UND LOKALE IDENTITÄT: UNIVERSALHISTORISCHE VARIATIONEN ZU EINEM REGIONALHISTORISCHEN THEMA Michael Sommer Im Januar 414 wurden die Bewohner der südgallischen Stadt Narbonne Zeugen eines denkwürdigen Ereignisses. Athaulf, der Schwager und Nachfolger des RomEroberers Alarich, heiratete in einer glanzvollen Zeremonie Galla Placidia, die Tochter des Westkaisers Honorius. Der christliche Historiker Orosius beschließt sein Werk mit einer eindrucksvollen Schilderung der Feierlichkeiten. Ausführlich lässt er den gotischen Herrscher zu Wort kommen: Er habe, so der Athaulf des Orosius, einst „den Namen Roms vergessen machen wollen“ (oblitterato Romano nomine), habe die Gothia an die Stelle der Romania setzen und selbst den Platz einnehmen wollen, den einst Caesar Augustus innehatte. Dann aber sei ihm, Athaulf, bewusst geworden, dass die Goten noch immer Barbaren seien und eine res publica ohne Gesetze keine res publica sei. Deshalb richte sich nun sein ganzes Sinnen und Trachten darauf, „mit den Kräften der Goten den römischen Namen makellos wiederherzustellen, ihn noch zu erhöhen und späteren Generationen als Restaurator Roms zu gelten, wenn er schon dessen Nachahmer (immutator) nicht sein könne.“1 Szenenwechsel, 250 Jahre zuvor, Schauplatz: Mauretania Tingitana. Im Wüstensand wird eine Inschrift aufgestellt, die in der Forschung als Tabula Basanitana bekannt wurde: „Abschrift des Briefes unserer Imperatoren Antoninus und Verus Augusti an Coiedius Maximus: Die Bittschrift des Iulianus aus dem Stamme der Zegrensen, die als Anlage deinem Briefe beigefügt war, haben wir gelesen. Üblicherweise wird das römische Bürgerrecht nur dann durch kaiserlichen Gnadenerlass jenen Stammesangehörigen gegeben, wenn die Verleihung durch sehr hohe Verdienste angeregt wird, aber da Iulianus nach Deiner Versicherung zu den Vornehmsten seiner Stammesangehörigen gehört und unserer Sache mit bereitwilligem Diensteifer sehr ergeben ist und da nach unserer Ansicht nicht viele Familien bei den Zegrensen sich gleicher Verdienste rühmen können, wie sehr wir auch wün1
Oros. VII, 43, 5–6: se inprimis ardenter inhiasse, ut oblitterato Romano nomine Romanum omne solum Gothorum imperium et faceret et uocaret essetque, ut uulgariter loquar, Gothia quod Romania fuisset et fieret nunc Athaulfus quod quondam Caesar Augustus, at ubi multa experientia probauisset neque Gothos ullo modo parere legibus posse propter effrenatam barbariem neque reipublicae interdici leges oportere, sine quibus respublica non est respublica, elegisse saltim, ut gloriam sibi de restituendo in integrum augendoque Romano nomine Gothorum uiribus quaereret habereturque apud posteros Romanae restitutionis auctor, postquam esse non potuerat immutator. Zur Diskussion des Texts Martin 1992a, Martin 1992b, Wolfram 1990, 190.
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schen, dass möglichst viele durch die ehrenvolle Auszeichnung, die wir jenem Hause erwiesen haben, angestachelt werden, zögern wir dennoch nicht, ihm, seiner Frau Ziddina, ebenso seinen Kindern Iulianus, Maximus, Maximinus und Diogenianus das römische Bürgerrecht zu geben, unbeschadet der Beibehaltung seines Volksrechts.“2 Die beiden Dokumente sind scheinbar zufällig ausgewählte Fundstücke einer Blütenlese in den Hinterlassenschaften eines Weltreichs, das sich vom Firth of Forth bis zu den Katarakten des Nil erstreckte und das zumindest seinen Bewohnern in Zeit wie Raum als imperium sine fine vorkommen musste. Zwischen ihnen liegen etliche tausend Kilometer und ein historischer Gezeitenwechsel, den wir mit dem Anbruch der Spätantike verbinden. Beide Texte verbindet allerdings ein gemeinsames Thema, das Gegenstand der folgenden Ausführungen sein soll und das sich, quer durch die Weltgeschichte und überall, als Problem allen Großreichen stellte: Wie geht ein Imperium mit seiner Peripherie um und wie nimmt umgekehrt die Peripherie das Imperium wahr? Die Frage ist offensichtlich im Rahmen einer Tagung, die sich der Untersuchung „lokaler Identität“ im römischen Nahen Osten verschrieben hat, einer spezifischen imperialen Peripherie mithin, von unmittelbarer Relevanz. Die Texte dokumentieren, dass im römischen Nordafrika der antoninischen Zeit und im Westreich der Spätantike, allen Umbrüchen und Zäsuren zum Trotz, auf das Problem der Integration ähnliche Antworten gefunden wurden. Menschen wie dem Goten Athaulf und dem Berber Iulianus, die gleichsam nur mit einem Bein auf Reichsboden stehen, um mit dem anderen tief in ihrem Herkommen, tribalen Gefolgschaftsprinzipien und verwandtschaftlichen oder fiktiv-verwandtschaftlichen Solidaritäten verwurzelt zu sein, gilt das Imperium als die Sphäre der Zivilisation schlechthin, in die sie Einlass begehren und in der sie ihren Platz zu finden trachten. Umgekehrt reicht das Imperium, wie das kaiserliche Sendschreiben, wie aber auch die positive Bewertung der Hochzeit durch den Chronisten Orosius dokumentieren, den noch am Rande bzw. beinahe außerhalb stehenden Eliten beide Hände, um sie ins Boot zu holen und potentielle Gegner dem Reich in Solidarität zu verbinden. Bei diesem Bemühen gilt es offensichtlich, Schwierigkeiten zu überwinden und Klüfte zu überbrücken. Explizit bezieht sich Orosius auf die „zügellose Barbarei“ der Goten, die zwischen ihnen und der Herrschaft im Reich steht. Die Tabula Basanitana aus Mauretanien beklagt immerhin, dass Iulianus und seine Familie nur eine kleine Minderheit ihres Stammes repräsentieren, die sich römischen Gebräuchen und römischer Herrschaft gegenüber aufgeschlossen zeigt. Das Zentrum-Periphe2
AE 1971, 534 (Übersetzung Freis 1984, 186f.): Exemplum epistulae Imperatorum nostrorum An[toni] | ni et Veri Augustorum ad Coiiedium Maximum : | Li {i} bellum Iuliani Zegrensis litteris tuis iunctum legimus, et | quamquam ciuitas Romana non nisi maximis meritis pro|uocata in genti a principali gentilibus istis dari solita sit, | tamen cum eum adfirmes et de primoribus esse popularium | suorum, et nostris rebus prom(p)to obsequio fidissimum, nec | multas familias arbitraremur aput Zegrenses paria pos|si de officiis suis praedicare quamquam plurimos cupiamus ho|nore a nobis in istam domum conlato ad aemulationem Iuli|ani excitari, non cunctamur et ipsi Ziddinae uxori, item | liberis Iuliano, Maximo, Maximino, Diogeniano, ciuitatem | Romanam salvo iure gentis dare. |
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rie-Verhältnis war also wenigstens partiell von Alterität geprägt, der Wahrnehmung von Differenz und Fremdheit. Eine ähnliche Kluft dürfen wir auch für das römische Vorderasien voraussetzen, zumal dort, wo es um die Integration tribaler Gesellschaften ging, wie es zumindest im östlichen Teil der hier interessierenden Region der Fall war. Um zu verstehen, wie ein spezifisches imperiales Herrschaftsmodell, Rom, auf Prozesse der Identitätsbildung in einer spezifischen imperialen Peripherie, dem Vorderen Orient, einwirkte, werde ich paradigmatisch zwei Sektoren der Interaktion zwischen Zentrum und Peripherie herausgreifen und systematisch untersuchen, die unmittelbar identitätsrelevant waren: namentlich die Bereiche Recht und Mythos. Zuvor möchte ich aber zwei mir wesentliche allgemeingültige Überlegungen vorausschicken, um die regionalhistorischen Beobachtungen gleichsam universalhistorisch zu verankern: These 1: Das Imperium Romanum ist eine spezifische Variante des einen universellen Typus „imperiale Herrschaft“ Eine Definition dessen, was ein Imperium ist, will ich hier erst gar nicht wagen. Ich begnüge mich deshalb mit einigen Strukturmerkmalen, die ich aus der einschlägigen geschichts- und politikwissenschaftlichen Forschung zusammengetragen habe und die mir Ansatzpunkte für einen Vergleich zu bieten scheinen3: 1. Imperien haben eine klar zu identifizierende Zentrum-Peripherie-Struktur: Macht nimmt vom Zentrum gegen den Rand, idealiter in konzentrischen Kreisen, ab. Die Interaktion zwischen dem Zentrum und jeder einzelnen Peripherie ist dichter als die der Peripherien untereinander: Imperien sind asymmetrisch und hierarchisch. 2. Die herrschende Gruppe, das „Reichsvolk“, ist ethnisch, kulturell und sprachlich distinkt: Imperien sind per definitionem multiethnisch, multikulturell, meist multireligiös und multilingual. 3. Auf imperialer Ebene strahlt vom Zentrum ein Konglomerat aus Erinnerungen, Formen, Symbolen und Weltdeutungsmustern aus, das ich, in Anlehnung an den Soziologen Shmuel Eisenstadt, als „große Tradition“ beschreiben möchte. Die eine imperiale „große Tradition“, die dem imperialen Selbstverständnis nach identisch ist mit „Zivilisation“ schlechthin, verdrängt die vielen lokalen „kleinen Traditionen“ nicht, sondern beide durchdringen und transformieren sich gegenseitig. 4. Imperien entstehen in der Regel durch gewaltsame Eroberung, die Artikulation imperialer Macht kann sich aber, durch Überschreiten „augusteischer Schwellen“, wandeln: von der Macht der nackten Gewalt und des Drohens und Belohnens zur Macht, die auf Autorität und Akzeptanz gründet.4 3 4
Geiss 1991; Geiss 1994; Geiss 1996; Münkler 2005; Osterhammel 1992. Das imperiale Arsenal an Machtquellen umfaßt außer der auf nackte Gewalt gründenden „Aktionsmacht“ bald auch „instrumentelle Macht“ – die Macht des Drohens und Belohnens – und, als subtilste Form der Überlegenheit, auf Akzeptanz und Autorität fußende „strukturelle Macht“
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5. Nationalstaaten haben Grenzen, Imperien haben frontiers: Entsprechend dem Zentrum-Peripherie-Modell laufen Imperien an ihrem Rand in variable Siedlungs- und Eroberungsgrenzen aus. Sie sind außerdem wenigstens dem Anspruch nach nicht an ein Territorium gebunden, sondern universal. Zentrum-Peripherie-Gefälle und Asymmetrie imperialer Herrschaft schlagen sich im Nebeneinander von direkter und indirekter Herrschaft und diversen Abstufungen innerer Autonomie nieder: Das British Empire hatte Britisch-Indien und die Fürstenstaaten, die Sowjetunion Republiken mit unterschiedlichem Autonomiestatus und eine Corona von Vasallenstaaten, das Partherreich seine Satrapien, regna und Territorien, Rom Italien mit der Hauptstadt, die Provinzen mit autonomen civitates und die Klientelstaaten der reges amici. Die frontier als äußerer Rand der imperialen Peripherie ist eine Zone der Uneindeutigkeit, in der sich heterogene politische und kulturelle Einflüsse überkreuzen und verschiedene Ebenen miteinander interagieren und konkurrieren. Sie läuft analog der amerikanischen frontier des 19. Jahrhunderts meist in Naturräume aus, die sich unmittelbarer Zivilisierung entziehen und den genuinen Menschentypus des Pioniers hervorbringen: Wald, Dschungel, Wüste, Steppe, Tundra, Wildnis, Hochgebirge.5 Wo in der frontier die Grenze zwischen Siedelland und Barbaricum verläuft, ist eine Frage des Naturraums, aber auch der Politik: Imperiale Zyklen bestimmen weithin darüber, wo Land unter den Pflug kommt.6 Zumindest der Osten des römischen Vorderasiens mit Arabia, Palmyrene, Osrhoene, Kommagene, aber auch Kappadokien, ist klassische frontier. Imperien entstehen durch Eroberung, aber die Macht der nackten Gewalt sowie des Drohens und Belohnens trägt als Integrationsmittel nur begrenzte Zeit. Erfolgreiche Imperien drehen die zentrifugale Tendenz, der ihre Peripherien folgen, langfristig um und überschreiten die „augusteische Schwelle“. Die Integrationsmechanismen, mit denen Imperien operieren, sind höchst vielfältig: materielle und zivilisatorische Angebote, Technologietransfer, Schutz, Legitimität, symbolisches Kapital, schließlich Weltdeutungsmuster, vor allem Religion im weitesten Sinn, in der Antike Mythos. Ich wage zu behaupten: Kein Imperium der Geschichte hatte so viel zu bieten wie Rom – erdrückende zivilisatorische Überlegenheit, gepaart mit dem flexibel zu handhabenden Bürgerrecht (ein symbolisches Kapital, das den altorientalischen Imperien fehlte und dessen Ausweitung in neuzeitlichen Imperien unüberwindliche Rassen- und Klassenschranken entgegenstanden), schließlich eine „große Tradition“, die sich aus der Kontinuität zum klassischen Hellas speiste und einen nahezu unbegrenzt variierbaren Schatz an Formen und Inhalten im Repertoire hatte. Roms Voraussetzungen für die dauerhafte Integration seiner disparaten Peripherie waren damit unvergleichlich günstig.
5 6
(Popitz 1999). Die augusteische Schwelle ist erreicht, wenn strukturelle Macht zur primären Grundlage von Herrschaftsausübung wird (Doyle 1988; Münkler 2005, 113–117). Exemplarisch beleuchtet von Turner 1986. Zur Mechanik imperialer Zyklen Münkler 2005; Sommer 2005a, 145–148; Sommer 2005b, 51.
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These 2: „Identität“ ist nicht per se vorhanden, sondern ein gesellschaftliches Konstrukt, dessen elementare Voraussetzung Differenz ist Identität ist eine Sache des „imaginaire“, sie lebt in der Vorstellungswelt der Menschen, nicht in Steinen, Töpfen, Bildern, Tüchern und Buchstaben. Deshalb ist sie dort, wo epichorische Texte nicht oder nicht zureichend verfügbar sind, aus archäologischen Befunden nicht so ohne weiteres herauszulesen. Pots are pots, not people, ist eine Binsenwahrheit der Bodenforschung, die indes häufiger geäußert als beherzigt wird.7 Sie besitzt für den Nahen Osten der römischen Kaiserzeit und seine Bewohner unmittelbar einleuchtende Relevanz: Kaum ein textliches Selbstzeugnis erleuchtet das Dunkel ihrer identitären Befindlichkeiten. Einen Ausweg aus dem Dilemma weisen Erkenntnisse der Anthropologie und historischen Sozialwissenschaften über die Genese kollektiver kultureller Identitäten.8 Das Problem der Identität erscheint auf der Tagesordnung, wo immer Menschen mit dem Anderen konfrontiert werden. Erst dort wird der Unterschied zwischen kollektivem Ego und kollektivem Alter überhaupt wahrnehmbar, wird die Notwendigkeit der Grenzziehung um die eigene Gruppe bewusst. In einer Zone kultureller Fragmentierung und entsprechend forcierten Kulturkontakts, dort, wo Akteure bereits in eine andere Welt eintauchen, wenn sie nur über die Straße gehen, werden verschüttete Strukturen bewusst. Grenzgängertum, Synkretismen und Hybridformen, multiple Identitäten und schließlich das reflektierte Spielen mit eklektisch entlehnten Formen unterschiedlicher Herkunft sind typische Manifestationen eines solchen Brennpunkts, wie ihn die römischen Orientprovinzen fraglos repräsentierten. Die Allgegenwart kultureller Differenz macht sie zu dem antiken Laboratorium par excellence für die historische Rekonstruktion kultureller Identitäten. 1. RECHT Gesatztes Recht normiert menschliches Leben und Handeln und reflektiert zugleich außerrechtliche Normen. In der imperialen Sphäre strahlen Rechtsgedanken vom Zentrum an die Peripherie aus, wo es aber unter den Auspizien lokaler Autonomie mit epichorischem Recht koexistiert und unter Umständen rivalisiert. Die Koexistenz von Reichsrecht und den verschiedenen Formen lokaler Stadt- und Stammesrechte gehört gewiss nicht zu den überforschten Bereichen der römischen Rechtsgeschichte. Aufklärung wird nicht zuletzt dadurch erschwert, dass sie ein Spiel mit vielen Unbekannten ist: Namentlich harrt das Problem der Lösung, inwieweit das lokale Eigentums- und Transaktionsrecht, das sich in den ägyptischen Urkunden spiegelt, auch in anderen Reichsteilen Anwendung fand. Eine weitere Unbekannte ist der Geltungsbereich von Urteilen mit Präzedenzkraft im kasuistischen römischen 7 8
Zusammenfassend die ernüchternde Bilanz von Jones 1997. Berger/Luckmann 1966. Als theoretische, gerade auch von Berger und Luckmann inspirierte, Auseinandersetzungen mit dem Problem die Beiträge in Eßbach 2000. Von grundsätzlicher Bedeutung sind die Darlegungen zu Erinnerung, kultureller Identität und Ethnogenese in Assmann 1995; Assmann 1997, 130–160.
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Rechtssystem. Generell dürfte wohl gelten, dass Rom sein Recht den peregrinen Reichsbewohnern keineswegs aufnötigte, sondern das Nebeneinander divergenter Rechtskulturen und -traditionen respektierte. Umgekehrt hatte aber römisches Recht einen eminenten Vorbildcharakter, dem insbesondere neu gegründete Städte nacheiferten, wie es etwa aus dem flavischen Spanien bekannt ist.9 Einen so seltenen wie willkommenen Einblick in die pragmatische Dimension des Rechts im römischen Vorderasien gibt das sogenannte Babatha-Archiv, jenes Konvolut von Vertragsdokumenten und Eigentumstiteln, das die Jüdin Babatha vor dem Hintergrund des in der Levante tobenden Bar-Kochba-Aufstands in der Höhle der Briefe am Toten Meer deponierte. Babatha und die übrigen in den Texten genannten Individuen waren Bewohner des Dorfes Mahoza im Bezirk Zoara, in der 106 annektierten Provinz Arabia, wo sie über Grundbesitz verfügten.10 Ungeachtet ihres Jüdischseins haben wir mit diesen Menschen typische Vertreter der peregrinen provinzialen Bevölkerung vor uns, die sich im Spannungsfeld zwischen lokalen und römischen Rechtstraditionen bewegen. In einem von Hannah Cotton detailliert untersuchten Fall ging es Babatha um die Erlangung der Vormundschaft für ihren Sohn aus erster Ehe, Josua, welche die boule der Stadt Petra per Beschluss zwei Personen übertragen hatte (darunter einem Nicht-Juden), in einem Akt, der inhaltlich und formal der tutoris datio römischen Rechts entsprach.11 Babatha, die durch diesen Beschluss von der Vormundschaft ausgeschlossen war, obwohl ihr Sohn weiter bei ihr lebte, erhielt von den Vormündern jährlich 24 denarii für den Unterhalt des Minderjährigen, den sie als unzureichend erachtete. Sie versuchte, mit rechtlichen Mitteln eine Erhöhung des Unterhalts zu erwirken, und sie konnte sich für ihr Anliegen auf einen römischen Rechtssatz berufen: „Auch Frauen dürfen den Vorwurf der Unzuverlässigkeit [gegen bestellte Vormünder] erheben, aber nur dann, wenn sie aus Pflichtgefühl gegenüber der Familie handeln, wie etwa eine Mutter.“12 Babatha verklagte die Vormünder vor dem Statthalter – offensichtlich erfolglos, denn an Unterhalt erhielt sie nach wie vor nur 24 denarii. Die Wirksamkeit römischer Rechtsnormen wird, gerade einmal 20 Jahre nach der Bildung der Provinz Arabia, gemeinhin als schlagender Beweis für die rapide
9
Cotton 1993; Johnston 1999; Kaser/Hackl 1996, 167–168. Relativ gut bekannt sind die flavischen Stadtrechtscorpora aus spanischen Munizipien, die sich bis ins Detail eng an römisches Recht anlehnen. Die lex Irnitana, das in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts wiederentdeckte, auf Bronzetafeln festgehaltene Stadtrecht von Irni, einem flavischen Municipium in Baetica, reserviert zudem dem römischen Prokonsul weitgehende richterliche Entscheidungsbefugnisse in Angelegenheiten der örtlichen Bevölkerung. Ferner versehen die örtlichen Magistrate ihre Geschäfte in Übereinstimmung mit den Inter- und Edikten, stipulationes und sponsiones, satis dationes und formulae des Statthalters (Burton 1996; Galsterer 1988; Lamberti 1993). 10 Edition der Texte in Lewis/Yadin/Greenfield 1989 (griechische Texte) und Yadin/Greenfield/ Yardeni/Levine 2002 (nabatäische und jüdisch-aramäische Texte). Grundlegend auch Cotton 1993; Cotton 2002; Cotton 2003; Cotton/Greenfield 1995. Generell zur Administration der provincia Arabia Gebhardt 2002; Millar 1993, 96–99. 11 Zum folgenden Cotton 1993. 12 Dig. XXVI 10, 1, 7.
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„Romanisierung“ der Region und ihrer Bevölkerung gewertet.13 Warum sonst sollte sich der Stadtrat von Petra eines offensichtlich römischen Rechtsinstruments bedienen, um für Josua einen Gutachter zu bestellen? Warum sonst sollte Babatha sich ausgerechnet auf einen römischen Rechtsgrundsatz berufen, obwohl gerade das römische Recht die Möglichkeit von Frauen, Vormundschaft auszuüben, drastisch beschränkte? Und was sonst sollte schließlich die frappierende Vertrautheit örtlicher Juristen mit juristischen Verfahrensregeln der römischen Herren erklären? Das alles ist gewiss bemerkenswert, aber nicht unbedingt schon ein Indiz für „Romanisierung“ in Tiefe und Fläche. Für die Akteure hatte das römische Recht mit seiner stupenden Fähigkeit zur Abstraktion und auch die Möglichkeit, beim römischen Statthalter einen Richterspruch einzuholen oder sogar gegen vorinstanzliche Urteile zu appellieren, einen immensen unmittelbaren Nutzen, der es jedem lokalen Recht gegenüber, auch dem griechisch-indigenen „Papyrus-Recht“, wie wir es aus Ägypten kennen, an Praktikabilität weit überlegen erscheinen ließ. Wenn der Stadtrat von Petra also auf ein römisches Rechtsinstrument zurückgriff, um für Babathas’ Sohn Vormünder zu bestellen, dann vermutlich deshalb, weil von dort am ehesten die Klärung einer ausgesprochen komplizierten Situation zu erwarten war, in der es verschiedene konfligierende Interessen zufriedenzustellen galt. Und wenn Babatha unter Berufung auf eine römische Rechtsnorm beim römischen Statthalter der Provinz vorstellig wurde und auf Erhöhung der Unterhaltszahlungen klagte, dann tat sie dies, weil von anderer Seite kaum die Durchsetzung ihrer Ansprüche zu erwarten stand. Dass sich die Akteure sicher und vermutlich sachgerecht von professionellen Juristen beraten im römischen Rechtskosmos bewegten, ist also nicht so sehr eindrucksvolles Zeugnis ihrer „Romanisierung“, als vielmehr Ausdruck ihres gesunden Pragmatismus. Außerdem ist die Anwendung bestimmter Rechtssätze nicht unbedingt gleichbedeutend mit der Assimilation an spezifische soziale Normen. Von dem Bemühen, Rechtsurkunden nach einer anderen als der epichorisch-aramäischen Rechtstradition aufzusetzen, künden etliche der vor relativ kurzer Zeit gefundenen Vertragsdokumente vom mittleren Euphrat.14 So bedient sich ein in zwei Abschriften erhaltener griechischer Papyrus aus dem Jahr 250/51 n. Chr.,15 der im osrhoenischen Markopolis unweit Edessa verfasst wurde, einer eng an die lateinische stipulatio angelehnten Formel, um dem Verkauf einer Sklavin Rechtskraft zu verleihen. Der Romanismus mag hier durchaus einen kulturellen Hintergrund haben: Im Gegensatz zu den Bewohnern der alten Residenzstadt Edessa sahen sich die Markopoliten als Gewinner einer Annexion des Königreichs durch Rom und mögen sich daher mit besonderem Eifer römischen Rechtstraditionen zugewandt haben.16 13 14 15 16
Wolff 1980, 785; Cotton 1993, 97. Feissel/Gascou 1995; Feissel/Gascou 2000; Feissel/Gascou/Teixidor 1997. P. Euphr. 6/7. Die Erklärung enthält sogar die Formulierung, die Richtigkeit der Angaben sei „in gutem Glauben“ garantiert worden, eine Wendung, die frappierend an die lateinische bona-fide-Klausel erinnert, die freilich in der stipulatio nichts zu suchen hat. Zu den formalen Aspekten der Vertragsurkunde und den juristischen Implikationen Jolowicz 1952, 153 und jetzt Migliardi Zingale 1999, 221. Zu den historisch-politischen Hintergründen Sommer 2005b, 265f.
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Dasselbe gilt aber wohl kaum für jene Aurelia Barabous, die 236 n. Chr. in Beth Phouraia, im Umland von Dura-Europos, einen Vertrag unbestimmten Inhalts schloss und sich dabei auf das ius liberorum berief.17 Natürlich war die Dame römische Bürgerin, aber das tat unter Maximinus kaum noch etwas zur Sache. Ausschlaggebend dürfte gewesen sein, dass ihr das „Recht dreier Kinder“, das im römischen Recht eine Frau geschäftsfähig machte, einen entscheidenden Vorteil gegenüber am mittleren Euphrat traditionell verwurzelten griechischen Rechtsvorstellungen verschaffte. Wiederum machten also Einheimische höchst utilitaristisch vom römischen Recht Gebrauch.18 Wie römisches Recht herangezogen werden konnte, um angestammte soziale und ökonomische Institutionen in ein neues juristisches Gewand zu kleiden, deutet ein weiteres, diesmal syrischsprachiges, Dokument vom mittleren Euphrat an.19 Es handelt sich um die Übertragung einer Verbindlichkeit von einem Gläubiger auf den anderen, just zu dem Zeitpunkt, als die Tilgung des ursprünglich anscheinend zinslosen, vielleicht auf Basis der antichresis gewährten Darlehens fällig wurde. Der Schuldner, ein Mann aus Markopolis bei Edessa, ist nun, mitsamt Verzugszinsen, dem neuen Gläubiger gegenüber zahlungspflichtig. Obwohl die genauen Hintergründe unklar sind, keimt doch der Verdacht auf, daß mit der Form des Darlehens nur ein neuer, mit römischem Recht kompatibler juristischer Rahmen für eine in Vorderasien tief eingewurzelte Form personaler Abhängigkeit gewählt wurde.20 2. MYTHOS Jede Kultur schafft sich ihre Mythen. Mythen sind „fundierende Geschichten“ (Jan Assmann), bieten Weltdeutung und erklären dem Einzelnen, wo sein Platz im großen Ganzen einer kaum begreifbaren Welt ist. Mythen stiften Sinn und reduzieren Komplexität. Mythen erheben keinen Anspruch auf „Wahrheit“ im wissenschaftlichen Sinn, aber sie sind, im Gegensatz zu wissenschaftlichen Weltbildern, absolut, holistisch, universal. Im Mythos verdichtet sich, ununterscheidbar, fiktive und faktische erinnerte Vergangenheit. Mythos ist, bis in die Gegenwart, ein wesentliches Konstituens von imagined communities: vom Stamm über die Nation bis hin zu großen, supra-ethnischen Zivilisations-, Werte- und Kulturgemeinschaften. Außerdem legitimiert Mythos bestehende Ordnungen, unterstreicht gleich Urkunden die Altehrwürdigkeit und damit unantastbare Heiligkeit bestehender Institutionen, Normen, Territorial- und Besitzverhältnisse.21 17 18 19 20 21
P. Euphr. 15. Sommer 2005b, 318. Drijvers/Healey 1999, P1. S. a. Sommer 2005b, 411f. Sommer 2005b, 266f. Mythos als fundierende Geschichte erklärt Assmann 1997, 75–78, am Beispiel des israelischen „Nationalheiligtums“ Masada. Zum Verhältnis zwischen Mythos, Religion und Ritual Rives 2007, 28–32; Burkert 1994, 2–8. Als Fallstudien zum Funktionieren von Mythos in altorientalischen Gesellschaften Assmann/Burkert/Stolz 1982. Zur legitimierenden Funktion von Charter Myths Malinowski 1971, 38. Als Einführung in klassische Mythentheorien Strenski 1987.
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Das überlieferte Corpus antiker Mythen ist deshalb von unschätzbarem Wert, wenn es uns um die Rekonstruktion historischer Selbst- und Fremdbilder geht – und damit auch um das Verhältnis zwischen imperialer Macht und lokaler Identität im römischen Vorderasien. Natürlich kannte das Römische Reich nicht den einen, universal gültigen imperialen Mythos, der sinn- und identitätsstiftend für alle Reichsbewohner gleichermaßen war (schließlich war es keine Nation). Aber gerade die Vielfalt der Mythen reflektiert das Bemühen der Menschen, sich aus dem Rohstoff Raum eine Heimat zu schaffen und einzurichten. Das analytische Problem für die Orientprovinzen besteht darin, daß es, anders als in der Ägäis, keinen Pausanias gab, der die Mythen und Legenden vor dem Vergessenwerden bewahrte. Die paganen oral traditions der syrischen und mesopotamischen Städte sind mit der klassischen oikoumene untergegangen, unwiederbringlich. Zweifel sind angebracht, ob die bruchstückhaften Reflexe des Mythos, die durch die materielle Kultur auf uns gekommen sind, Kompensation schaffen können. Eine Inschrift, die Nergal mit Herakles identifiziert, oder ein Götterbild, das von dem Bemühen um ikonographische Angleichung kündet, kann kein Ersatz sein für eine vollwertige Narrativik, wie sie nur literarische Texte zu bieten haben. Immerhin verfügen wir über Bildwerke aus dem römischen Vorderasien, die hinreichend komplex sind, um wenigstens Einblicke in die mythische Vorstellungswelt der Menschen zwischen Mittelmeer und Tigris zu geben. So vermitteln die Wandbilder der Synagoge von Dura-Europos zwischen der biblischen Tradition und den Befindlichkeiten einer Diaspora-Gemeinde, die ihre Existenz reflektiert sah in Geschichten wie der von Mordechai und Esther, in der es um das Problem der Identitätswahrung ging, genauer: die Gratwanderung zwischen Integration und Abgrenzung in potentiell feindlicher Umgebung; oder in Episoden, die um den Bund Gottes mit seinem Volk und das Davidische Reich kreisen und somit nach der Doppelkatastrophe des Jüdischen Kriegs und der Bar-Kochba-Revolte das von allen im Herzen getragene Eretz-Israel versinnbildlichen.22 Der Subtext der biblischen Vorlagen funktioniert hier im Prinzip ganz ähnlich wie die orale und literarische Narrativik des antik-paganen Mythos: als fundierende Geschichte eines Kollektivs, dessen Identität sich zudem maßgeblich in der Diaspora geformt hatte. Wie die Selbstvergewisserung über den Mythos analog in einem polytheistischen Kontext funktionieren konnte, helfen die mehrere hundert Mosaikfußböden begreifen, die in Antiocheia, Daphne und dem nahen Hafen Seleukeia Pieria freigelegt wurden.23 Die Mosaike gewähren Einblick in die Sphäre des privaten Lebens reicher Antiochener. Als „Fenster im Boden“ geben sie zugleich den Blick frei auf Dinge, die den Menschen, deren Wohnkomfort sie dienten, wichtig waren und die Zum Konzept von Nationen als imagined communities die epochale Studie von Anderson 1983. 22 Elsner 2001; Gutmann 1983; Gutmann 1988; Kraeling 1956; Sommer 2004a; Sommer 2005b; Sommer 2006b, Mordechai und Esther: Szene WC2. Bundesschluß und Davidisches Reich: Samuel und die Salbung Davids (WC3), die Auffindung des Moses durch die Tochter Pharaos (WC4), Visionen Ezekiels von der Zerstörung und Wiedergeburt Israels (NC1), Weihung der Bundeslade (WB2), Tempel Salomos (WB3). 23 Balty 1995; Campbell 1988; Hales 2003; Huskinson 2004; Levi 1947; Sommer 2006a, 105f.
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sie als elementar für ihre Selbstdarstellung erachteten. Die frühesten dieser Bilder datieren ins 2. Jh. n. Chr., und ihre Produktion hielt bis in die Mitte des 6. Jh. n. Chr. an, mit einem Schwerpunkt in nachkonstantinischer Zeit im 4. Jh. n. Chr. Die Mosaike auch noch der Spätantike haben ihren festen Platz im griechischen Mythos. Immer wieder kehren dionysische Motive als Zier von Speisezimmern, dem repräsentativsten und gewissermaßen öffentlichsten Teil eines herrschaftlichen Hauses. Eine Darstellung zeigt die Gänge eines Mahls und Ganymed, den Mundschenk der Götter. Die realen Teilnehmer eines Antiochener Gastmahls speisten so gewissermaßen mit den olympischen Göttern unter einem Dach. Andere Gastmahl-Sujets waren profaner, aber in ihrem Bezug zu panhellenischer paideia kaum weniger direkt: Das Mosaik im „Haus des Menander“ zeigt den Komödiendichter selbst in Begleitung der Hetäre Glykera und einer Personifikation der Komödie, eine Szene aus dem Speisezimmer im „Haus der Iphigenie“ zitiert Iphigenie in Aulis. Daneben finden sich vor allem Motive, die einen spezifischen Bezug zu Antiocheia und seinem näheren Umfeld haben. So zeigt das Daphne-Mosaik, ebenfalls im „Haus des Menander“, wie die Nymphe, von Apollon bedrängt, flieht und sich in einen Lorbeerbaum verwandelt. Das Mosaik hat unverkennbar einen Doppelbezug: Es verbindet den Mythos mit dem gediegenen Vorort Antiocheias, der fünf Kilometer vor der Stadt inmitten von Quellen und Lorbeerhainen lag. Das Mosaik verrät Kennerschaft und meldet stellvertretend für den Hausherrn den Anspruch auf Zugehörigkeit zur durch den Mythos abgesteckten griechischen Kulturgemeinschaft an. Ähnliches evoziert die Darstellung von Pyramos und Thisbe im „Haus der Portiken“: Pyramos und Thisbe erscheinen als kilikische Flussgottheiten und stellen so einen unmittelbaren Bezug zum kleinasiatischen Hinterland der syrischen Metropole dar. Antiocheia, das Libanios immer wieder mit dem Epitheton Iopolis versah, war, so die Botschaft, von den Gestalten des Mythos beseelt und somit fest ins Sinnuniversum der griechischen oikoumene eingeflochten. Man fragt sich, warum die Antiochener Eliten ihre griechische paideia, auf die sie sichtlich stolz waren, mit Motiven zur Schau stellten, die wir als abgegriffen und stereotyp, jedenfalls nicht als sonderlich originell empfinden. Womöglich aber liegt hier gerade eine der Qualitäten des Mythos: dass er einen schier unerschöpflichen Fundus an Gemeinplätzen zu bieten hatte, die sich praktisch überall lokalen Erfordernissen gefügig machen und nahezu universell applizieren ließen. Hier trifft er sich kongenial mit dem, was Tonio Hölscher so einleuchtend als Proprium „römischer“ „Kunst“ herausdestilliert hat: dass sie, durch die eklektische Aneignung von Stilen und Formen und deren ständige Wiederholung und Neuverknüpfung im imperialen Maßstab, den Rang einer visuellen lingua franca beanspruchen konnte – unter Verzicht auf Originalität und Überraschungen, aber mit dem Mehrwehrt leichter Verständlichkeit und unkomplizierter Anwendbarkeit.24 Dass es Menschen gab, für die dieser Kanon keinerlei Belang hatte und die deshalb nicht zur oikoumene gehörten, nahmen die Auftraggeber der Antiochener Mosaike sehr wohl wahr. Der wohl römischste aller von den Mosaiken angeschnittenen Themenkreise ist der reichsweit gültige Kalender, der den Empfangssaal im 24 Hölscher 2004, 126f.
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„Haus des Kalenders“ schmückt, mit der Amtseinführung im Januar-Segment. Buchstäblich am Rand – und damit außerhalb der durch den Kalender abgegrenzten Ordnung – steht eine dunkelhäutige Figur mit überdimensionalem Geschlechtsteil. Der Fischer, nur mit einem knappen Lendenschurz und einem Hut bekleidet, ist die Personifikation des Anderen schlechthin, das den Antiochener Eliten ständig gegenwärtig sein musste: in Städten der näheren Umgebung wie Emesa25, dessen fremdartigen Kult Herodian so farbig beschreibt, und vermutlich in Antiocheia selbst, dessen Bevölkerung sicher heterogen zusammengewürfelt und kaum durchgängig griechisch akkulturiert war.26 FAZIT Das Imperium Romanum war horizontal und vertikal so zerklüftet wie alle Imperien, im Prinzip von A wie Akkad bis Z wie Zulu. Die Orientprovinzen als klassische, in sich schon wieder multi-linguale und multi-kulturelle frontier-Region illustrieren seine Vielfalt exemplarisch. Kulturelle Homogenität, wie sie Begriffe wie „Romanisierung“ oder „Hellenisierung“ suggerieren, lag außerhalb der Reichweite, aber auch außerhalb des politischen Wollens des imperialen Zentrums. Allerdings hielt das Zentrum für die Peripherie eine breite Palette von Angeboten bereit, die ihr Integration – und gerade nicht Assimilation – leicht machten. Römisches Recht und Bürgerrecht, die Mythenwelt der griechisch-römischen oikoumene und die Formensprache „römischer“ „Kunst“ (beides wohlgemerkt in Anführungszeichen) sind nur einige Facetten, zu nennen wären etwa auch technologische Errungenschaften, städtische Autonomie, sozialer Aufstieg über Militär und Verwaltung, ökonomische Integration – allesamt Faktoren, die das Leben unter römischer Herrschaft nicht nur erträglich, sondern immer mehr Menschen auch erstrebenswert scheinen ließen. Die Annahme der Angebote ließ die Menschen in gewissem Sinn zu Römern, in gewissem Sinn auch zu Griechen werden, zwang sie aber nicht dazu, fortan keine Germanen, Palmyrener, Antiochener oder Juden mehr zu sein. Sowenig Begriffe wie „Romanisierung“ und „Hellenisierung“ dazu taugen, die Wechselbeziehung zwischen imperialer Peripherie und imperialem Zentrum zu beschreiben, so wenig tragen Denkfiguren wie „Mischkultur“, „Widerstand“ und „Firnis“ zum Verständnis bei. Auch sie gehen stillschweigend vom homogenen Nationalstaat als der Norm aus und erklären die Multikulturalität eines Weltreichs zur Abweichung von der Norm. Wir sollten uns bewusst machen, dass Kulturkontakt im imperialen Maßstab sich kaum auf einfache Begriffe bringen lässt. Nicht immer sind Ursache und Wirkung sauber zu trennen: Das Bewusstsein, Teil einer weiten, durch den Mythos abgesteckten Kulturgemeinschaft zu sein, fand nicht nur in der Selbstdarstellung reicher Antiochener Hausbesitzer seinen Niederschlag, es wirkte auch unmittelbar identitätsbildend. Die Anwendung römischen Rechts durch jü25 Frey 1989; Kettenhofen 1979; Sommer 2004b. 26 Zur Bevölkerungsgeschichte von Antiocheia Downey 1961; Downey 1963; Trombley 2004; Vorderstrasse 2004.
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dische Bewohner der Provinz Arabia war Ausdruck ihres gesunden Pragmatismus, eröffnete ihnen aber auch Handlungsmöglichkeiten, die wiederum nicht ohne Einfluss auf ihr Selbstverständnis geblieben sein dürften. Die Adoption einer kanonischen, gleichsam „imperialen“ Bildersprache und ihre Adaption für eigene Zwecke stand den Antiochener Griechen und den Juden von Dura-Europos gleichermaßen offen. „Lokale Identität“ im imperialen Rahmen heißt, sich in einem großen Haus ein eigenes Zimmer einzurichten. Die Einrichtungsgegenstände stammen überwiegend aus demselben Baumarkt oder – wie immer man will – vom selben Raumausstatter. Jeder Zimmerbewohner kombiniert sie aber unter Aufbietung seiner gesamten Kreativität nach eigenem Geschmack und eigenen Bedürfnissen zu Ensembles, die allesamt neu und einzigartig sind. Zwischen den modernen Möbeln findet sich, manchmal kaum sichtbar, manchmal auch schrill mit der restlichen Ausstattung kontrastierend, auch dieses oder jenes Erbstück aus Opas altem Häuschen. LITERATUR Anderson, Benedict, Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism, London 1983 Assmann, Jan, Collective Memory and Cultural Identity, New German Critique 1995, 125–133. Assmann, Jan, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. München 1997 Assmann, Jan / Burkert, Walter / Stolz, Fritz, Funktionen und Leistungen des Mythos. Drei altorientalische Beispiele, Göttingen 1982. Balty, Janine, Mosaïques antiques du Proche-Orient. Chronologie, iconographie, interprétation, Paris 1995 Berger, Peter L. / Luckmann, Thomas, The Social Construction of Reality. New York 1966 Burkert, Walter, Greek Religion, Cambridge, Mass. 1994 Burton, Graham P. The Lex Irnitana, ch. 84, the Promise of Vadimonium and the Jurisdiction of Proconsuls, CQ 46 (1996), 217–221. Campbell, Sheila, The Mosaics of Antioch, Toronto 1988 Cotton, Hannah M., The Guardianship of Jesus Son of Babatha, JRS 83 (1993), 94–108. Cotton, Hannah M., Jewish Jurisdiction under Roman Rule. Prolegomena, in: Labahn, Michael / Zangenberg, Jürgen (Hgg.), Zwischen den Reichen. Neues Testament und römische Herrschaft. Vorträge auf der Ersten Konferenz der European Association for Biblical Studies, Tübingen 2002 Cotton, Hannah M., Survival, Adaptation and Extinction. Nabataean and Jewish Aramaic versus Greek in the Legal Documents from the Cave of Letters in Nahal Hever, in: Schumacher, Leonhard / Stoll, Oliver (Hgg.), Sprache und Kultur in der kaiserzeitlichen Provinz Arabia, St. Katharinen 2003, 1–11 Cotton, Hannah M. / Greenfield, Jonas C., Babatha’s Patria. Mahoza, Mahoz ‘Eglatain and Zo’ar, ZPE 107 (1995), 126–134. Downey, Glanville, A History of Antioch in Syria. From Seleucus to the Arab Conquest, Princeton (N. J.) 1961 Downey, Glanville, Ancient Antioch, Princeton, N. J. 1963 Doyle, Michael W., Empires, Ithaca 1988 Drijvers, Hendrik / Willem, Jan / Healey, John F., The Old Syriac Inscriptions of Edessa and Osrhoene. Texts, Translations and Commentary, Leiden 1999
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PD Dr. M. Sommer, University of Liverpool, School of Archaeology, Classics and Egyptology, 14 Abercromby Square, L69 7WZ Liverpool (UK); e-mail: michael. [email protected]
KENTAUR UND TYCHE – SYMBOLE STÄDTISCHER IDENTITÄT? RESAINA, SINGARA UND IHRE LEGIONSGARNISONEN IM SPIEGEL STÄDTISCHER MÜNZPRÄGUNGEN* Oliver Stoll I. EINLEITUNG. ALLGEMEINE TOPOGRAPHIE UND GESCHICHTE 1. Resaina Der Chabur ist bekanntlich der größte Nebenfluß des Euphrat (und der einzige dauernd wasserführende Zufluss), seine Hauptquelle befindet sich unweit der im äußersten Nordosten des syrischen Territoriums gelegenen Stadt Ras al-Ain (= „Quellkopf“), dicht an der türkischen Grenze.1 Das ausreichend mit Wasser versorgte fächerförmige Quellgebiet, dessen umliegende, fruchtbare Landschaft auch mit genügend Niederschlag versorgt wird, um Regenfeldbau zu ermöglichen, ist nachweislich traditioneller Siedlungsraum. Tell Halaf, etwa, der namengebende Fundort der neolithischen Halaf-Kultur, die sich in der ersten Hälfte des 6. Jt. v. Chr. im heutigen Nordirak und Syrien, mit Einflüssen bis an die Mittelmeerküste und in die Hochebenen des zentralen Zagros, vom oberen Euphrat nahe Karkemisch bis ins Hamrin-Becken an der irakisch-iranischen Grenze, ausbreitete, liegt unmittelbar neben dem Ruinenhügel des römischen Resaina oder auch Rhesaena (Facharia, Tell Fakhariya)2 und der 1878 von Tscherkessen auf altarabischen Ruinen des 7. bis 13. Jh. n. Chr. neu gegründeten Kleinstadt Ras al-Ain, die für das umliegende Gebiet eine zentrale Funktion einnimmt. Fruchtbare, fast lößähnliche, sehr kalkreiche und hervorragend für Getreidebau geeignete Lehmböden (noch heute werden dort Gerste und Weizen zum Export angebaut) machten zusammen mit geschickter Be*
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Die Papyri aus Dura Europos werden zitiert nach (Kat.nr. des Papyrus, wo notwendig weiter mit Seitenzahl des Kommentars): Bradford Welles/Fink/Gilliam 1959. Dem Andenken von Karel O. Castelin gewidmet (1903–1981), der doch überlebt hat. Abschluß des Manuskripts im April 2007. Zu den geographischen und klimatischen Grundlagen Nordostsyriens vgl. allgemein Wirth 1971, 103 f.; 421 ff.; 427 f.; 429 ff.; speziell zum Chabur-Tal s. auch Gerster/Wartke 2003, 178 ff. Zur historischen Topographie vgl. Dussaud 1927, v. a. 481 ff. (Chaburtal). Der arabische Name Ras al-Ain bedeutet dasselbe wie das syrische Ris ‘aina. Schon im Assyrischen gibt es ein gleichlautendes Appellativum mit der Bedeutung: „Anfang der Quelle, Quellort“ – s. Weissbach 1914, 619. Zum Wasserreichtum des Ortes, der praktisch überall erwähnt wird, vgl. auch Sarre/Herzfeld 1911, 175 und McEwan 1958, XV. Allgemein vgl. McEwan 1958.
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wässerung diese Region schon früh zu einem zusammenhängenden landwirtschaftlichen Anbaugebiet. Auf dem 1899 entdeckten Tell Halaf befand sich im frühen 1. Jt. v. Chr. auch ein aramäischer Fürstensitz, der in assyrischen Quellen Guzana genannt wird. Als Max Freiherr von Oppenheim (1860–1946) dann hier seine berühmten Ausgrabungen (v. a. 1911–1913) begann, die zu den kurz erwähnten Entdeckungen führten, war ihm die grundsätzliche Bedeutung des benachbarten „scherbenreichen Hügels“ Tell Fakhariya, denn nichts anderes bedeutet dieser Name, durchaus bewußt. Zwar wurden, obwohl sich von Oppenheim vorgenommen hatte, solche Untersuchungen folgen zu lassen, dort keine planmäßigen Ausgrabungen vorgenommen, aber der Orientpionier vermutete bereits zu Recht, daß „… in der römischen Zeit hier das Militärlager von Resaina gestanden hat …“, Knotenpunkt einer großen Anzahl alter Strassen und der an ihr liegenden Militärstationen.3 In römischer und byzantinischer Zeit war das Flußtal des Chabur dicht besiedelt und als Teil des Limes, im Sinne einer an naturgeographische Vorgaben angepassten „Überwachungszone“,4 mit Kastellen und Kontrollposten an gut ausgebauten Straßen, militärisch stark gesichert. Schließlich war die „Grenzregion Euphratlimes“ Schauplatz heftiger römisch-parthischer bzw. römisch-sasanidischer Auseinandersetzungen, die sich jahrhundertlang, bis zum Siegeszug des Islam, mit wechselndem Erfolg hinzogen5 und in ihrer Rezeption leicht etwas einseitig zu einem grundsätzlichen Konflikt West/Ost, zu einem Kampf der Kulturen stilisiert werden konnten. Im Frühjahr 243 n. Chr. erfocht Gordian III. einen nur bei Ammian belegten Sieg über den Sasanidenkönig Shapur I. bei Resaina (Amm. 23, 5, 17: „… apud Resainan …“),6 das zu diesem Zeitpunkt – ebenso wie Singara – vielleicht schon seit 236 n. Chr.,7 spätestens aber seit 241/42 n. Chr. in persischer Hand gewesen sein könnte(?). Resaina, das von Kaiser Septimius Severus zur Kolonie erhoben worden war, scheint in der Spätantike an Bedeutung verloren zu haben, denn so-
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Freiherr von Oppenheim 1931, 13; 37; 41; 69; vgl. auch ebd. 36 ff. allgemein zur Geschichte des Chabur-Quellgebietes. In der Abbasidenzeit war Ras el Ain eine wichtige Karawanenstation zwischen Bagdad und Rakka – s. ebd. 69 und auch Castelin 1946, 83 f. (Münzstätte der Abbasiden, Sommeresidenz). Zur geplanten Kampagne „großen Stils“ in Tell Fakhariya, die freilich früheren Epochen gelten sollte und die Reste des griechisch-römischen Resaina wenigstens teilweise abgetragen hätte s. ebd. 223 f. S. a. Castelin 1946, 7. Aufschlußreich zur Definition von „Limes“ anhand der antiken Quellen Isaac 1998d, 345–387: Die Bedeutung im Sinne von „border district“ gehört erst in die Spätantike, vgl. etwa Fest. 14 und Zos. 34, 1–2 (Isaac 1998d, 360 ff., auch zur Definition in der Suda). Zum Vgl. s. auch die Disposition der römischen Armee in der Arabia: Isaac 1992, 122 f. und die Bemerkungen zur Armee des 4. Jh. n. Chr. ebd. 161 ff. Dazu vgl. auch Millar 1993b, 127 ff. zum Nahen Osten als „military structure“, ebd. etwa 138 f. Allgemein s. auch Wagner 1985, 4 f. Vgl. die Charakterisierung bei Oates 1968, 67. Zum „Grenzkonzept“ des Raumes, dessen konkrete Ausgestaltung eben auch wirtschaftsgeographischen Faktoren und Gegebenheiten wie dem Grad der Urbanisation unterliegt, vgl. den anregenden Beitrag von Hodgson 1989, 177– 189; zur Frage einer „Rationalität“ in dieser Hinsicht vgl. aber auch Isaac 1998b, 231–234. Zu diesem Feldzug vgl. insbesondere Kettenhofen 1983, 154; zur Schlacht um Resaina Kettenhofen 1982, 19 ff. u. 29 ff. S. a. Millar 1993b, 153 und Winter/Dignas 2001, 96 f. Vgl. jetzt auch RPC VII, 26 ff. Kettenhofen 1982, 31.
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wohl Malalas, der gar von einem „Dorf“/kèmh redet,8 wie auch die Chronik von Edessa vermerken für den Beginn der 380er Jahre n. Chr. eine „Neugründung“ des Kaisers Theodosius vor Ort, die den Namen Theodosioupolis trug und an letztgenannter Stelle zur Osrhoene gezählt wurde.9 Die Angaben der Notitia Dignitatum sind in dieser Hinsicht etwas verwirrend. Die Notitia Dignitatum, das Staatshandbuch des späten 4. und in der vorliegenden Fassung aus dem ersten Drittel des 5. Jh. n. Chr.10 – zumindest die uns hier interessierende Notitia Dignitatum orientis gilt dabei als in sich kohärentes Dokument –, verzeichnet als eine Art Nachschlagewerk bekanntlich die Organisation der hohen zivilen und militärischen Dienststellungen und ihre Zuständigkeitsbereiche unter Berücksichtigung ihrer Hierarchie und unter Nennung der jeweils untergebenen Amtsträger und Truppen nach einem in der Regel geographischen Prinzip, wobei Einheiten und Standorte explizit genannt werden.11 Not. dig. or. XXXVI 20 nennt unter dem Stichwort „Mesopotamien“ und Resain-Theodosiopoli Equites promoti Illyriciani. Allerdings findet sich bei der Osrhoene (Not. dig. or. XXXV 11, 23, 30) eine Garnison namens „Rasin“, nämlich Equites sagitarii indigenae primi Osrhoeni, außerdem eine Ala prima Parthorum für „Resaia“: Rasin – Risina – Resaia – Resain/Resaina? Welche Stadt ist wann gemeint – wenn sie überhaupt existiert hat –, gibt es Verschreibungen oder gab es drei Städte so ähnlichen Namens auf so engem Raum, gab es deshalb Verwechslungen bei Geographen, Historikern, Verwaltungsbeamten; welche Zuordnung gilt für welche Stadt, Mesopotamien oder Osrhoene?12 Da es sich um verschiedene Formen ein und desselben Namens von eher allgemeiner Bedeutung („Quellort“ / „Anfang der Quelle“) handelt, könnte es sich um geographische Homonyme handeln.13 Also doch verschiedene Städte? Es bleibt aber Unsicherheit und vor allem das Problem der unterschiedlichen Zuordnung ähnlich klingender, nicht eindeutig zu identifizierender Toponyme in der Notitia. Insbesondere das Problem der Zuordnung von Resaina, Mesopotamien oder Osrhoene, werden wir später noch einmal kurz zu streifen haben.14
8 Pollard 2000, 73 u. 290. 9 Vgl. Weissbach 1914, 619 mit den entsprechenden Quellenbelegen. 10 Zur Datierung und Charakterisierung vgl. die weiterführende Lit. bei Scharf 2001, 185 Anm. 3 und dann auch dessen Behandlung der Quelle in Scharf 2005, 1–7; 309 ff. et passim. Eine gut lesbare Zusammenfassung zu Inhalt, Datierung und Problematik der Quelle bietet Zuckerman 2001, 27–30; vgl. auch die Bemerkungen bei Wheeler 2007, 255 f. zum Bereich des Römischen Nahen Ostens. 11 Textausgabe: Seeck 1962, 81. 12 Der Verwirrung erlegen ist etwa Gregory 1995, II 90; hier werden die Informationen teilweise einfach zusammengezogen. Zur Problematik ausführlich vgl. Dillemann 1962, 105 ff. u. 232. 13 Weissbach 1914, 619. 14 Vgl. auch zutreffend Gascou 1999, 65 f., der die hier bestehende Verwirrung auf den Punkt bringt: „La limite entre l’Osrhoène et la Mésopotamie byzantines est mal connue, en raison, en particulier de corruptions dans les passages pertinents de la Notitia Dignitatum“ und der dann weiter anmerkt, daß Ra’s al-’Ayn/Resaina oder auch Theodosiopolis wohl eben genau in diesem unklaren Grenzbereich liegt.
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2. Singara Südlich des in seiner Kammzone bereits im Irak liegenden 1460 m hohen Gebirgszuges Djebel Sindjar bzw. Jabal Sinjar,15 der in die nordirakische Ackerebene hineinragt (d. i. der östlichste Ausläufer des „fruchtbaren Halbmondes“), geht das Land in die weithin trockene Wüstensteppe der Djezire oder Jezira („Insel“) zwischen Euphrat und Tigris über. Hier ist bei geringen Niederschlagsmengen, im Bereich der Trockengrenze des Regenfeldbaus, Ackerbau nur bei zusätzlicher Bewässerung möglich, während das Euphrattal selbst und das Chabur-Gebiet als fruchtbare Stromoasen und durch künstliche Bewässerung abgesichert, intensiven Anbau und ausreichende Existenzgrundlagen für Siedlungen aller Art ermöglichten. Die mit Siedlungshügeln verschiedenster Epochen übersäte Altsiedellandschaft der nordirakischen Ackerebene ist dagegen, wegen des Gebirgsstaus mit verhältnismäßig ergiebigen Niederschlägen versehen, auch heute noch mit ausgedehnten Weizenfeldern bedeckt. Am Rand der „Kalklandschaft“ des Djebel, wo beim Austritt von Tälern in die Ebene Karstquellhorizonte angeschnitten sind und vom Gebirge kommende Bäche münden,16 reihen sich auch heute noch die größeren Siedlungen: Etwas östlich der Mitte des südlichen Gebirgsrandes liegt an einem besonders wasserbegünstigten Fleck, reich an Süßwasserquellen, der Zentralort Balad oder Beled Sinjar oder Sindjar, die „Nachfolgesiedlung“ des antiken Singara (Beled = arab. „Stadt“), die in arabischer Zeit wegen ihres erlesenen Obstes, vor allem wegen ihrer unvergleichlichen Datteln berühmt war.17 Ammian (20, 6, 9) konstatiert, man habe die Festung Singara „in alter Zeit“ – die Severer sind gemeint – an günstigem Ort angelegt, um gegnerische Bewegungen rechtzeitig erkennen zu können. Wie Resaina, so liegt auch Singara an einem der „major channels“, der von geographischen und klimatischen Faktoren bestimmten, natürlichen Kommunikationslinien Mesopotamiens, die von Aleppo nach Baghdad reichen und stets auch in beträchtlichem Maße dem überregionalen Handel und den Bewegungen des Militärs dienten.18 Diese, Syrien und den Tigris verbindende Verkehrsader verläuft über Nisibis, an ihrer westlichen Flanke liegt die Osrhoene, deren Kontrolle ohnehin schon allein im Hinblick auf mögliche strategische Konzepte zur Niederzwingung des parthischen oder sasanidischen Feindes notwendig war – die gesamte nordmesopotamische Ebene hat darin ihre strategische Bedeutung: „… a forward base from which Armenia could be controlled and Ctesiphon threatened“19. Neben den Straßenbauten im Gelände, Meilensteinen und Bauinschriften gibt auch die Tabula Peutingeriana, die mittelalterliche Kopie einer wohl zuletzt im 4. Jh. n. Chr. bearbeiteten „kartenähnlichen Darstellung der römischen Welt“ Auskunft über das Stra15 S. a. Wirth 1971, 53 u. 439; weiter Wirth 1962, v. a. 127 ff. zu den vielfältigen Landschaften (bzw. Agrar- und Kulturlandschaften) des Irak, die sich, als künstliche Ausschnitte von Großlandschaften, selbstverständlich über die Staatsgrenzen hinweg fortsetzen, ebd. 175 ff. zum „Jabal Sinjar“. Vgl. auch Sarre/Herzfeld 1911, 199 ff. und Dillemann 1962, 35. 16 Siehe auch Sarre/Herzfeld 1911, 199 u. 202. 17 Weissbach 1927, 233. Zu Balad Sindjar vgl. Sarre/Herzfeld 1911, 202 ff. 18 Oates 1968, 5 f. Vgl. auch die übersichtlichen Tafelblätter XIV und XV bei Dussaud 1927. 19 Oates 1968, 69.
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ßennetz und die immer wieder von Armeen und Handelskarawanen benutzten Verkehrswege.20 Das gleich noch ausführlicher zu erwähnende Hatra lag an dem zentralen Verkehrsweg, der das obere Mesopotamien mit Ktesiphon und der Charakene verband. Eine nördliche Hauptroute verlief von der syrischen Hauptstadt Antiochia am Mittelmeer ihren Ausgang nehmend über Kyrrhos und Zeugma, wo der Euphrat überschritten wurde, durch die Osrhoene und Obermesopotamien, über Edessa, Resaina und Nisibis nach Singara und Zagurae/Ain Sinu – und dann eben weiter nach Hatra.21 Eine südliche Route nahm über Antiochia, Apameia, Emesa und Palmyra Richtung auf den Euphrat, der bei Kirkesion, stromaufwärts von Dura Europos, überschritten wurde. Die Route verlief dann entlang des Chabur weiter nach Norden, wo sie auf Nisibis oder, nach Südosten abzweigend, auf Singara und Zagurae/Ain Sinu zulief. Nicht umsonst also wählte etwa die mittlere der drei Heeresabteilungen des Severus Alexander mit dem Kaiser selbst bei dessen Partherkrieg (231–233 n. Chr.) diese Vormarschlinie über Nordmesopotamien, wobei „großflächig“ vorgenommene, vorbereitende Baumaßnahmen, von Pannonien nach Palästina, also Straßenbauten bzw. Reparaturarbeiten und die entsprechenden Inschriften auf Meilensteinen auch insgesamt über die Anmarsch-, Aufmarschwege bzw. Nachschubadern Auskunft geben:22 Über Palmyra und Dura Europos zielte der Angriffskeil des Kaisers nach Überquerung des Euphrat in Richtung auf die, eine militärische Schlüsselstellung zwischen den Großmächten einnehmende, bereits erwähnte Karawanenstadt Hatra, und auch hier lassen sich regionale Straßenbaumaßnahmen vom Chabur aufwärts bis nach Singara mit den Ereignissen in Verbindung bringen,23 von Singara aus zielte die Trasse dann über das ca. 120 km südlich gelegene Hatra in Richtung Tigris; Hatra, strategisch gesehen eine Schlüsselstellung zur Verteidigung Obermesopotamiens oder zur Aggression in Richtung Ktesiphon, geriet vielleicht bereits zu diesem Zeitpunkt kurz „unter römische Kontrolle“24 – zumindest aber während der Herrschaft des Gordian (wohl 238–240 n. Chr.) lag hier sicher an einem unidentifizierten Ort innerhalb der Stadt eine Garnison (cohors IX Maurorum [mill.] Gordiana und sicher auch eine vexillatio der I Parthica unbe20 Zur Tabula: vgl. Miller 1962 – die hier interessierenden Verbindungen vom Euphrat bis zum Tigris finden sich Segment XI, Abschn. 3–5; zu den hier angeführten Routen vgl. auch die Bemerkungen bei Oates 1968, 78 f. und zum Wert der Quelle für Nordmesopotamien vgl. auch Oates/Oates 1959, 207 oder exemplarisch Dussaud 1927, 491 ff. für die Rekonstruktion der historischen Topographie des Chaburtales und auch ausführlich Dillemann 1962, 133 ff. Siehe auch Ross 2001, 17 f. 21 Vgl. hier auch, insbes. zu Edessa und seiner Einbindung in diese Verbindung, Ross 2001, 15 ff. S. a. Castelin 1946, 7 f. 22 Dazu vgl. etwa Kissel 1995, 65–67. 23 Zu den Straßenbaumaßnahmen vgl. etwa auch Oates1955, 42 (Meilenstein aus dem Jahr 233 n. Chr., gefunden 5 km südwestl. von Singara) und 1968, 74 f. sowie Drijvers 1978, 827 mit Anm. 84, dort weitere Literatur. 24 So Oates 1968, 74. Allgemein vgl. auch Winter/Dignas 2001, 184 ff. Zu einer fragmentierten lateinischen Inschrift aus der Zeit des Severus Alexander (Konsulndatierung: 235 n. Chr.) vgl. den bereits zitierten Beitrag von Oates 1955, 39, Nr. 79 u. 42 (Altar) = Vattioni 1981, 109, Nr. 1. Vgl. auch Sartre 2001a, 962 ff. Zu Hatra ganz allgemein vgl. Sommer 2003 und auch Isaac 1992, 152 ff.
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kannter Stärke), die von einem Tribun der I Parthica aus Singara namens Quintus Petronius Quintianus (wohl als praepositus,25 angegeben ist aber gleichwohl noch einmal „tribunus“ – das hat m. E. seinen guten Grund in der Tatsache, daß er eben auch eine Legionsvexillation befehligte) kommandiert wurde.26 25 Isaac 1992, 154, Anm. 271 möchte das Tribunat in der Legion und das Kommando über die Kohorte als zwei getrennte Abschnitte der Laufbahn des Offiziers ansehen. Hier kann ich in diesem Fall nicht zustimmen. Interessanterweise belegt eine der ganz wenigen anderen Inschriften für diese Legion in Bostra einen Legionskommandeur als praepositus einer (milliaren) Ala: Das entsprechende Denkmal aus der Zeit des Philippus Arabs ist der Person des Kommandeurs von einem praefectus alae gewidmet (= IGLS XIII 9090); zur Inschrift vgl. auch Speidel 1984c, 240 f. u. 246 f. Wenn man davon ausgehen will, daß der Kommandeur kaum in Personalunion auch noch praepositus der Ala gewesen sein kann (so aber Ritterling 1925, 1436), könnte die Beziehung zwischen ihm und dem Alenkommandant, der sicher sein Protegé war, auf eine Zeit zurückgehen, in der der Legionskommandeur vielleicht eben auch als tribunus der Legion praepositus der Ala gewesen ist; der später dann beförderte Hilfstruppenoffizier wäre ihm zugeordnet gewesen. Die in der Inschrift genannte Einheit war die ala nova firma (milliaria) catafractaria Philippiana. In der Inschrift wird Iulianus nicht nur als praepositus optimus, sondern auch als dux devotissimus bezeichnet. Später, unter Trebonianus Gallus, ist der Kommandeur der Legion, Iulius Iulianus, dann in Dura Europos als dux ripae belegt: vgl. die Belege bei Stoll 2001e, 463, Nr. 68–69. Zur Person des Iulianus vgl. auch Devijver 1976/1987, I, 462 s. v. I 70. Allerdings legt nicht nur die von Gnoli 2000, 99 ff. neu interpretierte Inschrift CIL VI 1638 = ILS 1331 nahe, doch noch einmal über eine „Personalunion“ der Kommanden nachzudenken. Der dort genannte Claudius Marcellus listet nach Gnoli ebd. in seiner Laufbahn vor der Nennung des Amtes als procurator provinciae Osrhoenae folgendes Kommando auf: a divo Gordiano praeposito vexillationis Indigenarum legionis I Parthicae. Demnach wäre auch hier der ritterliche Kommandeur der Legion, wohl 241/42 n. Chr., mit dem zusätzlichen „Sonderkommando“ über eine kombinierte Einheit aus legionarer Linieninfanterie und Kavallerie (berittene osrhoenische Bogenschützen) betraut worden. Die taktischen Vorteile dieser kombinierten Einheiten liegen auf der Hand, und die Suche nach neuen Lösungen und Experimente mit beweglichen „Patchworkregimentern“ dürften der historischen Situation geschuldet sein. Eine ausführlichere Untersuchung wäre sicher lohnenswert. Zur Inschrift des Iulius Iulianus und der entsprechenden Interpretation des hochrangigen Kommandos (praepositus praetenturae) s. auch Gnoli 2000, 116 ff. Zu dux und praepositus s. den klassischen Beitrag von Smith 1979, 263–278. 26 Die römischen Truppen in Hatra sind allein durch zwei Weihinschriften/Götterbilder belegt: Oates 1955, 40 f., Nr. 80–81 = Vattioni 1981, 109, Nr. 2; 109 f., Nr. 3 (vgl. Stoll 2001e, 312 f.; 330; 466 f., Nr. 82–83); s. a. Drijvers 1978, 825–827; Fitz 1983, 162, Nr. 638–641 und Millar 1993b, 129 sowie Wheeler 2007, 251; Wolff 2000a, 247 f. Zu Hatra als „vorgeschobenem Posten“ mit einer gemischten Besatzung läßt sich die isolierte Garnison Nisibis mit ihren Legionsvexillationen bis zur Einrichtung der Provinz Mesopotamien vergleichen – zu Nisibis s. Kennedy 1987, 58. Vgl. auch Luther 2004, 335. Zu Quintianus vgl. Devijver 1976/1987, II, 639 s. v. P 28 und III, 1679 s. v. P 28. (Devijver scheint allerdings davon auszugehen, daß die beiden Kommanden getrennt gesehen werden müssen, also aufeinander folgten). Zu der Kohorte vgl. auch Spaul 2000, 470. Die Kohorte besaß sicher auch eine Reiterkomponente (zu den Kavalleriequalitäten der Mauri und zwei „Mauren-Kohorten“ des 3. Jh. n. Chr. mit Reiterei [allerdings in Pannonia Inferior] vgl. die Hinweise bei Speidel 1984a, 109 u. 123 ff., bes. auch 123, Anm. 30 [Dass die Kavalleriekomponente der Truppen an der Grenze zu den Parthern und Sasaniden höher gewesen sein könnte als in anderen Provinzen, dazu vgl. die Bemerkungen bei Konrad 2003, 240; s. a. Pollard 2000, 27]. Vgl. Oates 1968, 77 mit dem Hinweis auf die bei Amm. 18, 6, 9 erwähnten castra Maurorum im Tigristal, vielleicht bei Tell Abu Dhahir oder bei Tell Hugan oder Tell al Hawa. Anders: Ball 1989, 7–18 identifiziert recht überzeugend die-
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3. Städtische Münzen und die Geschichte Nordmesopotamiens Der Sasanide Ardashir hatte, seit dem Jahr 230 n. Chr. immer wieder Mesopotamien mit Krieg und Raub überziehend, nach längerer Belagerung die Stadt Hatra schließlich 240 n. Chr. durch Verrat eingenommen.27 Bereits in den Jahren 235 und 236 n. Chr., also unter Maximinus Thrax, scheinen zudem neben anderen Festungen im römischen Mesopotamien auch Nisibis und Carrhae in seinen „Besitz“ übergegangen zu sein.28 Das in dieser Situation und vielleicht nach noch weiteren sasanidischen Offensiven, etwa 241/242 und 243 n. Chr. – jedenfalls bislang – schon unter Maximinus Thrax zu konstatierende Ausbleiben einer Münzprägung der lokalen mesopotamischen Münzstätten bis in die Herrschaft des Gordian III. hinein wird gelegentlich als Indiz dafür genommen, daß die Sasaniden das Gebiet auch unter ihrer Kontrolle behielten.29 Explizit ist diese These auch schon für Resaina und Singara in Anspruch genommen worden: Das Fehlen einer Prägetätigkeit unter Maximinus Thrax in diesen beiden Städten, auch in Carrhae und Nisibis, „could be an indication of conquest“30 (weder unter Gordian III. noch unter Philippus Arabs ist eine Prägetätigkeit in Resaina belegt, aber Gordian-Prägungen gibt es in Singara und Nisibis und in Nisibis auch solche des Arabs)31. Shapur I. strebte bei diesen Offensiven und auch bei jenen späteren Vorstössen zwischen 252 und 260 n. Chr. als strategisches Ziel sicher nach der Besetzung römischer Gebiete in Mesopotamien (und Armenien), während seine Vorstösse nach Syrien und Kleinasien etwas vorsichtiger beurteilt werden müssen – sie stellen eher Kriegszüge zur Plünderung, Brandschatzung und Deportation dar, ohne wirklich eine dauerhafte Besetzung der Gebiete westlich des Euphrat zu intendieren.32 Selbstverständlich aber könnte das Fehlen einer entsprechenden städtischen Prägungstätigkeit aber auch einfach bedeuten, daß infolge Zerstörungen und Verschleppungen der städtischen Eliten entscheidende „Träger“ und Ressourcen für eine Prägetätigkeit kurzfristig fehlten. Die Prägeverläufe in den städtischen Münzen sind aber ohnehin – was nicht nur überlieferungsbedingt ist, sondern eben auch den „Gesetzmäßigkeiten“ dieser Münzgattung unterliegt –, nicht regelmäßig und durchgängig wie in der Reichsprägung, sie
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sen Ort, Seh Qubba, 90 km nw. von Mosul und nur 2 Kilometer nördlich von Tell Abu Dhahir, mit den castra Maurorum. Die Garnison kontrollierte an diesem strategisch wichtigen Punkt eine der Hauptfurten am Tigris nördlich Mosul. Zu diesem Ort vgl. auch Campbell 1989, 53– 65. Zu den castra Maurorum vgl. auch Wheeler 2007, 251. Dazu vgl. die Bemerkungen bei Sartre 2001a, 964 und Sommer 2003, 19; vgl. Sommer 2005, 72. Vgl. vor allem auch Kettenhofen 1982, 20 f. mit Anm. 10 und Eadie 1996, 143. Zur eindrucksvollen sasanidischen circumvallatio der Stadt vgl. zuletzt Davies 2002, 281–286. Winter/Dignas 2001, 39 mit Anm. 71. Vgl. auch Ross 2001, 71 u. 79. So etwa Oates 1968, 75, der aber zugleich auch mögliche Einwände in Erwägung zieht, s. a. ebd. 99 und Kennedy/Riley 1990, 127; vgl. auch Sartre 2001a, 965 und Eadie 1996, 143. Kettenhofen 1983, 154 f. und 1982, 29 f. u. 31 f.; Ziegler 1985, 99; s. a. Hartmann 2001, 69 f. Anm. 19. Vgl. Castelin 1946, 11: „Maximinus … struck no coins in Mesopotamia at all“ und ebd. 43 f. Castelin 1946, 11 u. 43 f. So m. E. völlig zu Recht etwa Hartmann 2001, 69 u. 140. Vgl. auch Kettenhofen 1994, 99 ff., v. a. 101 ff.; s. a. Kettenhofen 1984, 177–190.
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waren sogar in der Tendenz eher sporadisch und es konnten, abhängig auch von der historischen Situation, Jahrzehnte zwischen den Prägungen liegen.33 Carrhae, Resaina, Nisibis und auch Singara gerieten jedenfalls erst wieder durch den Perserkrieg Gordians III. im Frühjahr 243 n. Chr. unter vorläufige „feste römische Kontrolle“.34 Wie schwierig die Verhältnisse der Interpretation sind, mag ein kurzer Seitenblick auf Dura Europos zeigen: 239 n. Chr. von den Persereinfällen erschüttert, was wir unter anderem durch die Grabinschrift35 des Tribunen Iulius Terentius, des Kommandanten der 20. Palmyrenerkohorte, erfahren, zeigen die Dokumente aus der Regierungszeit des Gordian, die aus dem neuen „Euphratarchiv“ stammen, dennoch für die Jahre zwischen 239 und 244 n. Chr. keinerlei Unterbrechung oder ernsthafte Störung der römischen Herrschaft36 – „the middle Euphrates … was Roman until the mid-250s“.37 Während jedenfalls die städtischen Prägungen von Carrhae und Singara auch bereits unter diesem Kaiser wieder zum Erliegen kommen, lassen die Zeugnisse für Nisibis noch eine Prägetätigkeit unter Philippus Arabs beobachten – und Resaina und auch Edessa prägen noch unter Trajanus Decius, also bis 251 n. Chr., entsprechende städtische Serien,38 auf die wir in einem der folgenden Abschnitte des Beitrages noch einmal zurückkommen werden. 4. Münzen, Garnisonen, Regionalgeschichte Man muß sich klar machen, daß die Bedeutung der städtischen Münzen als Quellengattung gerade für die römische Grenzpolitik in Nordmesopotamien überragend ist. Was nämlich zum Quellenbestand des Gebietes David und Joan Oates bereits 1959, etwas resigniert, für den Nordirak konstatierten, gilt im wesentlichen noch heute: Archäologische Forschungen in Städten und an Straßen fehlen bzw. sind schwierig, „westliche Importe“ im Fundgut fehlen, lateinische Inschriften sind selten (fünf), noch seltener bzw. nicht vorhanden sind griechische Inschriften, die in der ansonsten im Römischen Nahen Osten üblichen „Verkehrssprache“ Auskunft über das Leben, die Institutionen und Kulte der römischen Städte der Provinz geben. Die Historiker der Antike aber beschränken ihr Interesse recht ausschließlich auf Mesopotamien als Schaubühne der weltgeschichtlich bedeutsamen Auseinandersetzung Roms mit dem Feind im Osten. Ob dagegen auch ihr Schluß, daß „the process of Romanisation, if it ever was attempted, has left no mark“39 richtig ist,
33 Vgl. auch Howgego 2000, 31. Vgl. ebd. 31 u. 32 f. auch die Bemerkungen zu den Münzstätten (auch zur Problematik des Begriffes ‚Münzstätte‘ und der damit verbundenen Vorstellungen) und der Münzherstellung. 34 Eadie 1996, 144, Ross 2001, 71. 35 Nachweise etwa bei Millar 1993b, 132 Anm. 23; 150, vgl. auch Pollard 2000, 55; Anm. 109. 36 Eadie 1996, 143; Millar 1993b, 153. 37 Millar 1993b, 150. 38 Oates 1968, 75. Vgl. auch die Bemerkungen bei Castelin 1946, 11. 39 Oates/Oates 1959, 207.
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darf – ungeachtet der ohnehin problematischen Begrifflichkeit und des unterliegenden Konzeptes40 – bezweifelt werden. Trotz der beschriebenen, strategisch günstigen Lage an den erwähnten überregionalen Handelwegen, finden weder Resaina noch Singara in einem jüngst erschienenen Buch zum Osthandel Berücksichtigung.41 Dennoch sind selbstverständlich die Lage an überregionalen Handelswegen, die Beteiligung großer sozialer Segmente an Reichtum und Wohlstand aus Handel, Handwerk und Agrarproduktion in keiner Weise etwa auch für religiöse Fragestellungen irrelevant. Wenn ausreichend Quellenmaterial aller Art vorhanden ist, wie im Fall der an „der“ Seidenstrasse liegenden „blessed city“ Edessa in der Osrhoene,42 dann erlauben entsprechende religionshistorische und sozialgeschichtliche Forschungen und Studien spannende Einblicke in Facetten des Lebens in den antiken Städten Nordmesopotamiens bzw. des Römischen Nahen Ostens allgemein, besonders etwa in religiöse Austauschprozesse, Weiterentwicklungen, Formationen oder Abgrenzungen. Denn keine religiöse Gruppe existierte in einer antiken Stadt „in splendid isolation“, an einem Ort, „… in which a good deal of life was lived in public“,43 wo also die tägliche Erfahrung differierender Kulte und sozialer Verhaltensweisen, von denen man dennoch gemeinsam erwartete, daß sie in der Öffentlichkeit gewissen traditionellen Standards entsprachen, zur Normalität gehörte. Je größer der erreichte wirtschaftliche Wohlstand oder soziale Status, je höher damit etwa auch Anspruch und Prestige eines erstrebten und erreichten städtischen Amtes, desto größer die Neigung zur Selbstrepräsentation, eben auch besonders im Bereich der Religionen und Kulte, als Stifter von Kirchen, Tempeln, Götterbildern oder Altären mit den entsprechenden Inschriften, außerdem waren die großen Handelswege und Militärstraßen und der Strom der sich auf ihnen bewegenden mobilen Bevölkerungsgruppen Katalysatoren religiöser Diffusion.44 Die Tatsache, daß die Angehörigen unterschiedlichster religiöser und sozialer Gruppen „lived densely packed on a small area within the city walls“45 bedingte, daß es gerade hier, in der antiken Städten, zumal auch in den strategisch günstig im Netz der militärischen und zivilen Kommunikations- und Infrastruktur gelegenen Garnisonsstädten des Nahen Ostens, brennpunktartig, pulsierend, kulminierend, zu religiösem Kontakt, Nebeneinander, Konflikt und Wandel kam.
40 Zuletzt zusammenfassend Alföldy 2005, 25–56. 41 Young 2001, 187 ff. wenige Seiten zum Handel und Handelsrouten in Syrien und Nordmesopotamien. Vgl. aber die kurzen Bemerkungen bei Sommer 2005, 91; 227; 387 f. Zum grundsätzlichen Zusammenhang zwischen road-system/towns/military installations s. den unvergleichlichen Isaac 1992, 11–113, zu Itineraren und „Marschrouten“ in Mesopotamien immer noch eindrucksvoll: Schachermeyr 1931, 1116 ff., v. a. 1123 ff. zur Chaburregion und zur Tigrisroute. 42 „Blessed City“: Segal 1970; zur Religionsgeschichte s. vor allem Drijvers 1980 und 1994a. 43 Drijvers 1994b, 89. 44 Als Beispiel sei hier verwiesen auf Drijvers 1994c, 124. 45 Drijvers 1994b, 89.
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II. LEGIONSLAGER IM OSTEN, „PARTHISCHE LEGIONEN“ UND NORDMESOPOTAMIEN 1. Militia per oppida expleta – die Stationierungssituation der Truppen im Nahen Osten Schlecht ist der Forschungsstand, was die Legionslager des Nahen Ostens angeht:46 Im Vergleich mit dem Kenntnisstand entsprechender Anlagen in Europa und Afrika sind „eastern fortresses … largely unknown“. Die charakteristische Garnisonierungsituation spielt hier ganz sicher mit eine Rolle: Die Truppen des Römischen Heeres im Osten des Reiches waren während der Kaiserzeit im Bereich oder in unmittelbarer Nähe bereits bestehender Städte garnisoniert,47 gegebenfalls läßt sich deshalb das „eigentliche Militärlager“ nicht leicht identifizieren, waren die Soldaten doch gar, was die Kasernierung im engeren Sinne angeht, über die Stadt verteilt („easy billeting and supplies“ waren ein ausgesprochener Vorteil dieses Systems!),48 fast „absorbiert“ und nur zentrale Gebäude des Militärs an einem Punkt konzentriert. Ein bekanntes Beispiel dafür ist eine Garnisonsstadt wie Dura Europos49 oder wohl auch das „kleine Abbild“ von Dura, nämlich das leider immer noch nicht adäquat publizierte Kifrin („Bechufrein“ in den Dura Papyri) am mittleren Euphrat, in der Gegend von Ana und wie das nahe Bijan an einem wichtigen Streckenabschnitt der Handelsrouten zwischen dem römischen Syrien und Persien gelegen. Es handelt sich hierbei um eine severische, neue und nur bis Gordian III. bestehende Festungsstadt mit Zitadelle, einer dort befindlichen „Kommandantur“ und einem „zentralen militärischen Verwaltungsgebäude“ („principia“ genannt) im Stadtgebiet.50 Deutlich wird das Problem auch für das spätantike Palmyra, wo in den zwischen 293 und 302/303 n. Chr. erbauten castra Diocletiana im Norden der Stadt – unter Einschluß des Allat-Tempels – zwar eine grandiose Anlage der principia, aber nur wenig Raum für Mannschaftsquartiere für die Soldaten der legio I Illyricorum zu erken46 Einen neueren Forschungsüberblick über die Legionsfestungen im Osten des Imperium bietet jetzt Parker 2000, 121–138, Zitat auf S. 121; Kennedy 1996b, 12 f. Vgl. auch Kennedy/Riley 1990, 122 ff. Recht oberflächlich ist notwendigerweise die Behandlung des Gebietes in der für ein großes Publikum zusammengetragenen Publikation von Klee 2006, v. a. 101–111. 47 „Armies in Cities“: vgl. Isaac 1992, 269 ff.; Pollard 2000, 35 ff. oder auch Hodgson 1989, 179. Ein falsches Bild zeichnet in diesem Punkt Klee 2006, 108. 48 So die Einschätzung bei Kennedy/Riley 1990, 111. Zur dadurch bedingten „Nähe“ zwischen Militär und Zivilbevölkerung vgl. Pollard 1996, 212–214, zur zwangsweise Requirierung von Wohnfläche s. ebd. 215. 49 Vgl. die Kartierung bei Konrad 2003, 256, Abb.7; s. insbes. auch Pollard 2000, 54 ff. u. 104 ff. 50 Zu Kifrin vgl. Invernizzi 1986a, 357–381 und 1986b, 53–84; und Valtz 1987, 81–89. S. a. Butcher 2003, 56 f. (dort zu einem strategischen Zusammenhang mit Hatra) und Isaac 1992, 147 u. 150 sowie Pollard 2000, 269–272. Wenigstens gelegentlich ist explizit die Anwesenheit von Soldatenfamilien selbst in den entferntesten Posten belegbar: vgl. die Zeugnisse bei Maxfield 2002, 157 f. Den Fall einer Soldatenfamilie in Bechufrein, das einen Außenposten der Garnison von Dura Europos darstellte, belegt Dura Pap. 46: s. a. Stoll 2001e, 105; zu diesem Zeugnis vgl. auch Invernizzi 1986b, 59 f. zu weiteren Belegen für den Außenposten der Palmyrenerkohorte in Kifrin und seine „Bemannung“ (teilweise berittene Vexillationen in Zenturienstärke?) nach dem Zeugnis der Dura Papyri (v. a. Dura Pap. 100–101).
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nen sind.51 „Militärviertel“ lassen sich, wie angedeutet, also nicht immer so leicht und recht eindeutig erkennen, zumal dann nicht, wenn ihre Baulichkeiten eben auf bereits vorhandene Baustrukturen, etwa Tempel, wie in Dura, zurückgreifen müssen, die eben nicht einem bekannten „Standardelement“ militärischer Konstruktions- oder Bauttypen entsprechen. Noch etwas günstiger stehen die Dinge, wenn Stadt und Garnison, wie in Bostra gut zu erkennen, in unmittelbarer, physischer Nähe, verbunden sind, „nebeneinander“ stehen: Das seit traianischer Zeit vor Ort bestehende Lager der III Cyrenaica war – vielleicht seit Mitte des 3. Jh. n. Chr. – im Norden der Stadt an den städtischen Mauerring angeschlossen,52 so daß die Mauern von Stadt und Lager dazu beitrugen, Bostra zur „civitas murorum firmitate cautissima“ des Ammian werden zu lassen (Amm. 14, 8, 13); das Lager behielt aber dennoch auch dann seine eigene charakteristische Rechteckstruktur und Größe von mehr als 16 ha. Die Nord-Süd-Achse des Legionslagers, die via principalis, erscheint im Fall Bostras im Luftbild fast als organische Fortsetzung des cardo maximus der Zivilstadt, dennoch ist auch die „Abgrenzung des Militärbereiches“ durch die entsprechenden Mauerzüge des eigentlichen Lagers und die vorhandene turmflankierte porta decumana deutlich gekennzeichnet. Ähnlich mag das Verhältnis und die Verbindung zwischen Stadt und Legionslager auch in Jerusalem gewesen sein, dem Standlager der X Fretensis.53 „Militia per oppida expleta“,54 der in den Städten verbrachte Militärdienst, ist auch in der römischen Literatur Teil eines Topos geworden, der dort allerdings den Truppen des Vorderen Orients und vor allem Syriens, gerade wegen der Unterbringung in Städten, den Makel einer Verweichlichung, einer Untauglichkeit, eines von jeder römischen Disziplin abweichenden Verhaltens zuweist. In der Historia Augusta ist in diesem Zusammenhang mehrmals einfach despektierlich von „gräzisierten Soldaten“ („graecanici milites“) die Rede.55 Die vielen Bestandteile und Nuancen dieses Topos von der Laxheit östlicher Armeen und Soldaten, der als Teil einer viel umfassenderen „Kulturdebatte“ um den korrumpierenden Einfluß des Ostens auf Rom und römische Werte und Sitten zu sehen ist, hat vor allem E. Wheeler56 ausführlich behandelt und als literarische Fiktion entlarvt. Die Disziplinlosigkeit 51 Zum Lager vgl. etwa Gawlikowski 1987, 249–252 oder 1984. Ferner Parker 2000, 127; s. a. Millar 1993b, 182 f.; Hartmann 2001, 380. 52 Vgl. das Luftbild bei Kennedy/Riley 1990, 124 f. Den aktuellesten Grundplan der Stadt, auf der sich der Bezug Garnison/ Stadt gut erkennen läßt, findet man bei Dussart 1998, 232, Abb. 23. Zur „physischen Nähe“ Stadt/Garnison vgl. auch Isaac 1992, 123–125 und Kennedy 2000, 206. Man vergleiche hier auch die mutmaßliche Situation im Verhältnis zwischen Garnison und hellenistisch-römischer Stadt in Damaskus: Burns 2003, 47–69, v. a. 51–54; zu Damaskus vgl. auch die Angaben bei Gebhardt 2002, 251 ff.; v. a. 254 f. 53 S. etwa Sartre 2001a, 672 mit Abb. S. 673, der auch das severische Resaina als Beispiel anführt und auf Isaac 1992, 324 u: 360 verweist. Der entsprechende archäologische Befund in Resaina fehlt allerdings bislang. Zu Jerusalem vgl. Isaac 1998c, 88 mit Anm. 6; 89 f. 54 Tac. ann. 13, 35, 1. 55 SHA Avid. 5, 5–12; vgl. auch SHA Alex. 53–54. 56 Wheeler 1996, 229–276. Vgl. auch Speidel 1984a, 305 u. 307; s. a. Wheeler 2007, 257. Zur angeblichen „Inferiorität“ orientalischer Soldaten vgl. auch die Bemerkungen bei Kennedy 1989, 235–246.
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und der Hang zu Rebellion, der den syrischen Truppen in diesem Zusammenhang ebenfalls zugeschrieben worden ist, hat sich zu einem eigenen Topos von der politischen Instabilität des Vorderen Orients entwickelt, der in der Beurteilung und Bewertung der politischen Entwicklungen des letzten Viertels des zweiten Jahrhunderts und des dritten Jahrhunderts, der „Krise des Römischen Reiches“, eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat.57 Da der Prozeß der Urbanisierung im Vorderen Orient sehr weit fortgeschritten und entwickelt war und insbesondere die hellenistischen Städtegründungen, Militärsiedlungen und städtischen Garnisonen bereits die strategisch wichtigen Punkte und Schlüsselpositionen an den Land- und Flußkommunikationsadern sowie Fernhandelsrouten besetzt hielten,58 dazu entsprechend das Umland der Städte wohl in weitgehendem Ausmaß landwirtschaftlich erschlossen war und damit auch eine problemlosere Versorgung der Truppen gewährleistet werden konnte, ist eine topographische Kongruenz griechisch/hellenistischer und römischer Anlagen grundsätzlich nicht sehr verwunderlich.59 Selbstverständlich geht aber an vielen Punkten die Kontinuität noch weiter zurück: Die hellenistischen „Neugründungen“ lehnen sich dann ihrerseits an bereits bestehende einheimische Siedlungen an, sind Teil einer, durchaus auch symbolisch zu verstehenden, Vereinnahmung „speergewonnenen Landes“ durch den König, dessen Tun in dieser Hinsicht einen legitimatorischen und – nicht nur vordergründig – herrschaftssichernden Charakter trägt.60 Die seleukidischen Poleis waren ethnisch, sprachlich und kulturell heterogene Gebilde, in denen die den Großteil der städtischen Oberschicht bildenden Siedler „griechisch-makedonischen Ursprunges“, Tradition und Stolz auf diese Herkunft erstaunlich lange bewahrten, wie man wieder einmal mehr besonders gut am Beispiel von Dura Europos erkennen kann.61 Vegetius bemerkt bezeichnenderweise in seiner Vorbemerkung zum Lagerbau, daß „man in Kriegszeiten (sic!) nicht immer erwarten könne, eine ummauerte civitas als Unterkunft oder Standlager zu fin-
57 Vgl. dazu aber auch den Aufsatz von Eadie 1996, 135–151. Zu Meutereien unter den Severern vgl. insbesondere Sünskes Thompson 1990, 45 ff. 58 Wichtig immer noch: Tscherikower 1927, 51 ff. zu Syrien/Palästina und Mesopotamien. Speziell zum seleukidischen Syrien vgl. die Untersuchung von Grainger (1990, 67 ff. u. 170 ff.) auch zum „Fortleben“ der hellenistischen Städtegründungen. Allgemein zur Geschichte und Rolle der hellenistisch-römischen Städte in Syrien und dem Nahen Osten vgl. auch Butcher 2003, 98 ff. u. 106 ff. zur Urbanisierung als Herrschaftsinstrument; vgl. auch Pollard 2000, 37 f. und Isaac 1992, 333 ff. sowie Wheeler 2007, 236. 59 Vgl. auch die Bemerkungen bei Gregory 1995, I 58 f. und Pollard 2000, 35 ff. Zu einzelnene Stadtanlagen im hier interessierenden Raum vgl. etwa auch Grainger 1997, etwa 682 f. u. 754 [Antiocheia in Mygdonia/ Nisibis]; 713 [Edessa/Antiocheia an der Kallirhoe, gen. „das halbbarbarische Antiocheia“ – Ioh. Mal. 17, 418]; 735 [Karrhai]; 740 [Ktesiphon]; 743 [Laodikeia bei Arbela, Mesopotamien]; 756 [Nikephorion, Mesopotamia]. 60 Diese Nuance, Städte als Mittel der Kontrolle über erobertes Land, wird meist etwas überbetont: vgl. als Beispiel den bereits zitierten Grainger 1990, 67. 61 Vgl. etwa Scholten 2005, 18–36, hier v. a. 23 ff. und vor allem auch Millar 1993b, 469 f. Zur hellenistischen Stadt (mehr aus archäologischer Sicht) vgl. insbesondere Leriche 2003, 171– 191, hier v. a. 173 f.; zur Gesellschaft und dann auch Downey 2000, 155–172.
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den“,62 ganz so, als ob gerade diese Möglichkeit im Frieden der naheliegende Normalfall gewesen wäre. Die Tatsache der besonderen Stationierungssituation des römischen Militärs im Vorderen Orient bedingt enge Kontakte zwischen Garnison und Stadt, im Bereich der Wirtschaft, der Religion und des sozialen Lebens, in Ehe und Familie, sowie auf dem Gebiet der Sprache: Diese engen Beziehungen lassen sich in epigraphischen und papyrologischen sowie numismatischen Quellen gut belegen63 – und auch sie finden in der antiken Literatur Behandlung. Tacitus spricht von „dem gewohnten Zusammenleben der Provinzialen mit den Soldaten, die sich untereinander durch freundschaftliche und verwandtschaftliche Beziehungen verbunden fühlten“.64 2. Resaina, Singara und die Parthischen Legionen in der Osrhoene und Mesopotamien Die Entstehung der Legionsstandorte Resaina und Singara ist im Zusammenhang mit den offensiv, vor allem in Mesopotamien, östlich des Euphrat, geführten Partherfeldzügen des Septimius Severus zu sehen (195 bzw. 197/198 n. Chr.): Mit der Osrhoene unter ihrem ersten procurator Caius Iulius Pacatianus (195 n. Chr.)65 und mit Mesopotamien (198 n. Chr.) unter dem Präfekten Tiberius Claudius Subatianus Aquila (praefectus Mesopotamiae primus),66 den Grundpfeilern für die Reorgani62 Veg. mil. 3, 8: Non enim belli tempore ad stativa vel mansionem civitas murata semper occurrit …. 63 Hierzu ausführlich Stoll 2001e, passim. 64 Tac. hist. 2, 80, 3. 65 Zur Quellenlage und zur Forschungsdiskussion vgl. Wagner 1983, 106 f. Zum Datum vgl. jetzt aber den sicheren epigraphischen Beleg bei Wagner 1983, 113 f. = AE 1984, 919. S. a. Sartre 2001a, 617 und Millar 1993b, 125 und Ross 2001, passim. Zu Iulius Pacatianus, dem hier genannten procurator Augusti, vgl. ILS 1353 und weiter Pflaum 1960, 605 ff., Nr. 229; außerdem Devijver 1976/87, I 470 f. s. v. I 91. Pacatianus ist 215 n. Chr., in Caracallas Partherkrieg, als praefectus vexillationum per orientem belegt; nach diesem offenbar erfolgreich absolvierten Kommando der Vexillationskorps finden wir ihn als Statthalter der Mesopotamia (216/17 n. Chr.) – CIL VI 1642. Vgl. auch Birley 2000, 115 u. 117 und Thomasson 1984/90, I 340, Nr. 9. 66 Vgl. Kennedy 1979, 255–262; Millar 1993b, 125 f. und zur Person s. weiter die Belege bei Devijver 1976/1987, IV Suppl. I, 1513 f. s. v. C 187 sowie Thomasson 1984/90, I 339, Nr. 2 und Magioncalda 1982, 168 ff. Vgl. Haensch 1997, 262 zu der schwierig zu interpretierenden Passage (im Exzerpt des Xiph.) bei Cass. Dio 75, 3, 2 zu einem „Ritter in Nisibis“ (Verwaltung? procurator? Militärkommando?), die jedenfalls m. E. recht eindeutig noch im Zusammenhang mit dem ersten Partherkrieg steht. Birley 2000, 117 u. 132 glaubt, daß das Gebiet bis Nisibis und dem Tigris nach dem ersten Krieg in der Tat zur Osrhoene gehörte (vgl. auch Ross 2001, 23). Der in der Dio-Passage anonym gebliebene Ritter könnte – so Birley 2000, 117 u. 132 – Valerius Valerianus gewesen sein, dessen auch von Speidel interpretierte Inschrift aus Caesarea Maritima (vgl. AE 1985, 829) ihn jedenfalls mit der Vollendung einer felicissima expeditio Mesopotamena, dem ersten Partherkrieg des Severus nämlich, in Verbindung bringt (Speidel 1992c, 218–223). Vgl. auch Sturm 1936, 737 Nisibis: noch 195 n. Chr. Kolonieerhebung und Hauptstadt der Mesopotamia. Später ist der Mann zugleich Präfekt von Mesopotamien und der Osrhoene gewesen (AE 1969/1970, 109), worauf wir im Haupttext weiter unten noch zurückkommen. Zu den praefecti Mesopotamiens vgl. weiter auch Ensslin 1954, 1328 f.
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sation der römischen Ostgrenze, waren dann damit am Ende des 2. Jh. östlich von Syrien zwei weitere Provinzen entstanden, die ein ritterlicher Amtsträger verwaltete – allerdings sind aus den Provinzen an der Grenze zu den Parthern und Sasaniden Belege für Statthalter und Stab oder auch den Statthaltersitz bislang unbekannt oder wenig aussagekräftig.67 Eine aufschlußreiche literarische Überlieferung fehlt ebenfalls. Wenn man die Nachricht des Cassius Dio ernst nimmt, daß die beiden, (jedenfalls vor dem zweiten Krieg) neu ausgehobenen Legionen I Parthica und III Parthica68 auch beide in Mesopotamien69 standen (Cass. Dio 55, 24, 4: tÒ te prî67 Haensch 1997, 261 f. 68 Zum Zeitpunkt der Aushebung vgl. Ritterling 1925, 1308 f.; 1435; 1539 (wohl 197 n. Chr.); s. auch Oates 1968, 73 und Smith 1972, 486 Anm. 28 (196 n. Chr.); Kennedy 1987, 57–66, v. a. 59 sowie Sartre 2001a, 619 (195/96 n. Chr.), jetzt ebenso Strobel 2007, 272 (195/196 n. Chr.). 69 Ist „Mesopotamien“ hier wirklich technisch/administrativ gemeint oder ist das der in der geographisch/historischen Literatur seit hellenistischer Zeit weitverbreitete Sammelbegriff für das Land zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris, der ganz ursprünglich sogar einmal nur den westlichsten Teil der Jezira bis zum Chaburdreieck meinte, sich sogar strenggenommen nur auf den Euphratbogen stromauf der Chaburmündung bezog? Zum Begriff bzw. zur Geschichte des geographischen Namens vgl. Finkelstein 1962, 73–92, s. aber auch Schachermeyr 1931, 1106– 1108. Zur historischen Geographie und dem unpräzisen Gebrauch geographischer und/oder administrativer Namen sowie zu unklaren Grenzziehungen vgl. auch Dillemann 1962, 105 ff. zur Osrhoene (ebd. 106, Fig. XI etwa liegt Resaina/Theodosioupolis und die Chaburregion in der Osrhoene, vgl. aber ebd. 107 f. zur Schwierigkeit der Zuordnung von Resaina; ebd. 198 ff. auch zur „Geographie“ der römischen Provinz Mesopotamien. Dasselbe gilt für die Karte bei Wagner 1985, 13 mit den severischen Provinzgrenzen, vgl. auch die TAVO-Karte BV 13 zur Ostgrenze des Römischen Reiches [1.–5. Jh.] von Wagner 1992, mit den diokletianischen Grenzen: Rhesaina zählt hier zur Osrhoene. Daß diese Grenzverläufe aber nicht zwingend identisch sein müssen, dazu s. Ross 2001, 22. Dieselbe Problematik besteht auch für andere Regionen des römischen Nahen Ostens, vgl. etwa Belayche 2001, 18). Zum Dilemma um den Begriff und seine Bedeutung – als geographischer oder administrativer Terminus – vgl. auch die treffenden Bemerkungen bei Luther 2006, 204. Liegt Resaina nun also in der Provinz Mesopotamien oder in der Osrhoene? Gudea 2002, 21 scheint davon auszugehen, daß direkt bei Unterwerfung der Osrhoene der Legat der neu eingerichteten legio I Parthica auch die Prokuratur der Provinz erhalten habe (sic). Dabei verwechselt er aber wohl nicht nur eindeutig die Standorte der I et III Parthicae. Vgl. dagegen Sartre 2001a, 617 zum procurator der Osrhoene, einer niederrangigen Provinz, „dépourvue de légion“ und ebd. auch zu den beiden Legionen in der Mesopotamia mit einem höherrangigen Präfekt, ebenso Butcher 2003, 85. Farnum 2005, 11; 18; 82 f. vermerkt als „Variante“, aber ohne Belege, daß die III Parthica immer in der Osrhoene stationiert gewesen sei, wobei er von 198 bis 219 n. Chr. als Stationierungsort Viranșehir/ Constantina (sic, Belege?!), angibt, dann von 219 bis 300 n. Chr. „Rhesena Osrhoene“ (sic; zu Constantia/Constantina vgl. Pollard 2000, 291 – die Notitia erwähnt als Teil der Garnison die legio I Parthica). Bei Sommer 2005, 71 sind alle drei (!) parthischen Legionen in Obermesopotamien, der Mesopotamia, stationiert, zur Grenze zwischen den Provinzen vermerkt er zutreffend (S. 241 Anm. 60), daß die Abgrenzung nicht ganz klar sei. Als Beispiel für das irgendwie offenbar tatsächliche Dilemma der administrativen Zuordnung Resainas darf hier auch darauf hingewiesen werden, daß Plin. nat. 6, 117, 129 das Gebiet zwischen Euphrat und Tigris als von den „osroenischen Arabern“ gehalten ansieht. Vgl. auch Ross 2001, 23. Der „Zusammenhalt“ zwischen Osrhoene und Mesopotamia ist mindestens damals ohnehin als eng begriffen worden; Plin. nat. 5, 86 spricht etwa eindeutig von einer Verbindung Edessas mit der Präfektur von Mesopotamien, und auch das ebenda für Mesopotamien aufgezählte Anthemusia liegt eher am westlichen Rand der severischen Osrhoene (zu diesen Passagen vgl. auch Go-
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ton kaˆ tÕ tr…ton t¦ ™n Mesopotam…v) – einer Region, die nach wie vor als „one of the least-known and least understood areas of the ancient world“70 gelten kann – und als Teil eines „Bollwerkes für Syrien“ fungieren sollten (Cass. Dio 75, 3, 3: prÒbolon ... tÁj Sur…aj),71 dann wird der Rang dieses Statthalters besonders deutlich, denn er hätte dann eine Position innegehabt, die traditionell einem Konsular zugekommen wäre. Und in der Tat galten die Präfekten Mesopotamiens als viri eminentissimi/™xocètatoi, was ihre Stellung als eine der ansehnlichsten in der Ritterlaufbahn bezeichnet, denn diese Rangtitulatur war eigentlich sonst den Prätoriagräfe 1995, 170 f.). Die Auffassung von Birley 2000, 117 u. 132, daß das, was später östlich von Edessa und dem ehemaligen Abgaridenreich zum Gebiet der Mesopotamia wurde, ursprünglich, nach dem ersten Partherkrieg, zur Osrhoene gehörte, haben wir schon referiert (s. o.), vgl. ähnlich auch Kennedy 1979, 261 f.: Nisibis als Statthaltersitz für einen procurator oder praefectus der Provinz Osrhoene nach dem ersten Partherkrieg (unter Bezug u. a. auf die bereits erwähnte Passage Cass. Dio 75, 3, 2). Einige Fälle von Statthaltern, die offenbar die beiden Provinzen zum gleichen Zeitpunkt verwaltet haben, werden weiter unten im Haupttext behandelt werden. Ritterling 1925, 1539 scheint in einer Passage die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß die III Parthica in severischer Zeit in der Osrhoene stationiert war. Das Zeugnis der fragmentierten Bronzetafel aus Vienne (CIL XII 1856/ILS 1353), die Pacatianus als praefectus einer legio Parthica (sic, ohne Nummer) erwähnt, ist aber in dieser Hinsicht nicht eindeutig und wird kontrovers gedeutet (s. etwa schon Ritterling 1925, 1308 f. und Hasebroek 1921, 75 f. u. 78 – nach Hasebroek hätte der erste procurator des alten Abgaridengebietes zugleich das Kommando der genannten Legion innegehabt, die in der Osrhoene stationiert war [so auch Kennedy 1987, 61 f. – hier aber: legio I Parthica nach dem ersten Partherkrieg in der Osrhoene, später dann, nach Einrichtung der Mesopotamia erfolgte der Transfer in den Zuständigkeitsbereich des dortigen Statthalters]). Eine Legion ohne Ziffer wäre aber eigenartig – es sei denn man würde annehmen wollen, es verhalte sich wie bei legio Arabica (SHA Sept. Sev. 12, 6) für die legio III Cyrenaica und es wäre damit eine Art „Spitznamen“ gemeint, unter der sich eine ganz andere Legion als eine der severischen „Partherserie I–III“ verbergen könnte. Das anzunehmen, besteht aber auch wegen der Gattung der Inschrift (Ehreninschrift) keine Veranlassung. Falls aber auf der Inschrift die Legionsziffer gestanden hat oder hätte stehen sollen, wäre die alte, bereits von Mommsen angeregte Diskussion neu aufzunehmen, ob die drei severischen Legionen tatsächlich alle zum selben Zeitpunkt ins Leben gerufen worden sind. Wahrscheinlich war zwar m. E. die I oder III Parthica gemeint, aber es ist in der Inschrift weder von einer „Personalunion“ der Posten von Legionskommandeur und Statthalter, noch von einer geographischen Spezifizierung, was die Stationierung der gemeinten Legion angeht, die geringste Rede. Daß hier die legio I Parthica gemeint war, glauben Kennedy 1987, 59 u. 61 f. und Wolff 2000a, 248. 70 So Millar 1990, 38. 71 An der betreffenden Stelle in der Epitome wird bemerkenswert kritisch angefügt, daß der Ereignisverlauf gezeigt habe, daß die severischen Eroberungen zu einem nicht versiegenden Anlaß für Kriege geworden seien und großen Aufwand bedeutet hätten. Bei wenig Nutzen seien hier riesige Kosten zu verzeichnen gewesen. Schließlich kommt in der Bewertung noch hinzu, daß man hier doch „Stellvertreterkriege“ geführt habe, die Schlachten fremder Leute habe man geschlagen, die derjenigen, die die eigentlichen Nachbarn der Parther und der Perser gewesen seien (Cass. Dio 75, 3, 3)! Vgl. dazu mit positiverer Bewertung Butcher 2003, 48 f. u. 408 und abwägend zum Konzept „Mesopotamien als Schutzschild für Syrien“ auch Isaac 1992, 14; 16; 26; 31 ff.; 250 f., der insgesamt das römische Engagement in Nordmesopotamien – abgesehen von dessen Funktion als Aufmarschgebiet für Offensiven Roms – doch als strategische Verbesserung der Defensive für Syrien und seine Städte begreift. In diesem Sinne auch Millar 1993b, 148 und Wheeler 2007, 250.
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nerpräfekten zu eigen. Der zuvor genannte erste Präfekt Mesopotamiens, Subatianus Aquila, war im Anschluß an diese Statthalterschaft dann direkt praefectus Aegypti.72 Die „parthischen Legionen“ wurden „nach dem Muster Ägyptens“ nicht von senatorischen Legionslegaten, sondern von ritterlichen praefecti befehligt,73 Teil der „severischen Militärreformen“,74 die die Kaiser nach ihm konsequent weiter verfolgten. Der Kaiser hatte sich durch diese Maßnahmen und die Schaffung einer echten Militärprovinz eine direkte Machtbasis an einem für die Grenzverteidigung sensiblen Punkt verschafft.75 Die die Sicherung der kaiserlichen Kontrolle über die Provinzen durch loyale Amtsträger aus dem Ritterstand fördernde, gezielte Personalpolitik macht überdeutlich, welche Bedeutung diese Grenzzone innerhalb der kaiserlichen Militärstrategie einnahm. Der oben als erster procurator (centenarius) der Osrhoene erwähnte Pacatianus hat danach den Posten eines solchen Legionskommandeurs (ducenarius) in der I Parthica bekleidet (CIL XII 1856 = ILS 1353) und wurde über verschiedene Zwischenstationen ca. 216 n. Chr. schließlich auch praefectus Mesopotamiae.76 Beide Provinzen standen ohnehin in enger Verbindung: Einige der leider recht spärlich überlieferten Statthalter waren zugleich trecenare praefecti über beide Provinzen (praefectus Mesopotamiae et Hosroenae [sic]), so etwa L. Valerius Valerianus, am ehesten noch unter Elagabal oder in der frühen Zeit der Regierung des Severus Alexander (Anfang bis Mitte der 220er Jahre? oder „vor 222 n. Chr.“?)77, oder Valerius Calpurnianus78 (praefectus Meso72 S. etwa ILS 1331, 8847, dazu Ensslin 1954, 1329; zu Subatianus Aquila und seiner Laufbahn s. Devijver 1976/1987, IV Suppl. I, 1513 f. s. v. C 187; vgl. auch Kennedy 1979, 257; zur etwas ungewöhnlichen Laufbahn des Iulius Priscus, des Bruders des Kaisers Philippus Arabs, der nach dem Zeugnis der Euphratpapyri (z. B. P. Euphr. 1 vom 28.8.245 n. Chr.: Feissel/Gascou 1989, 545 ff.) ebenfalls Präfekt von Mesopotamien gewesen ist (zuvor und danach [?] aber die Prätorianerpräfektur bekleidete) vgl. Körner 2002, 55–59, dort auch zum „gebündelten“ Sonderkommando des Priscus im Osten des Reiches (rector Orientis), dazu s. a. Hartmann 2001, 157 f., Anm. 111. Zum Zeugnis der Papyri vom mittleren Euphrat und ihrer Auslegung vgl. vor allem aber auch Gnoli 2000, 67 ff., zu Iulius Priscus s. dann bes. 92 ff. 73 Ritterling 1925, 1436; Hasebroek 1921, 78 u. 115. S. jetzt insbesondere Strobel 2007, 272, dort auch Hinweise auf entsprechende epigraphischen Belege zur II Parthica. Der Kommandeur wird etwa in ILS 1356 dort „Vizelegat“ genannt, praefectus legionis agens vice legati. 74 Zur ritterlichen Laufbahn in der Armee und zu den praefecti als Teil der „severischen Reformen“ sowie zu den parthischen Legionen vgl. etwa weiter auch Smith 1972, 481–499, bes. 485 f.; 494; 496; Birley 1988, 21–40, bes. 28 ff.; Devijver 1992, 316–338 und Strobel 2007, 267 ff. 75 So auch Wagner 1985, 64. 76 Ritterling 1925, 1436; zur Person siehe Pflaum 1960, 605 ff. Nr. 229; Magioncalda 1982, 183 ff. und Devijver 1976/1987, I, 470 f. s. v. I 91; vgl. CIL III 99/IGLS. XIII 9090 aus Bostra für Iulius Iulianus, praefectus legionis I Parthicae Philippianae. 77 Thomasson 1984/1990, I 339, Nr. 3 und III 42, Nr. 36.3 (Valerius Valerianus). Zur Interpretation vgl. Duncan-Jones 1969, 229–233 und 1970, 107–109 zur oben in den Anmerkungen bereits behandelten Inschrift aus Caesaraea, die die frühere Karriere des Mannes zeigt: AE 1985, 829/Speidel 1992c, 218–223. Zu dieser Inschrift s. jetzt auch Lehmann/Holum 2000, 37–41, Nr. 4 mit Taf. IV, V, dort auch insgesamt zur Karriere des Mannes, v. a. 40 f. zu AE 1969/1970, 109 mit der Erwähnung der gemeinsamen Präfektur. Zur Chronologie vgl. ausführlichst Magioncalda 1982, 188 ff., v. a. 194–201. 78 Thomasson 1984/1990, III 42, Nr. 36.3a unter Verweis auf AE 1985, 830 ebenfalls aus Caesa-
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potamiae et Osrhoenae), irgendwann in der Zeit zwischen Severus Alexander und Gordian III. (ca. 222–240 n. Chr.). Duncan-Jones hat diesen „Statthaltertyp“ und die damit verbundene, postulierte administrative Umorganisation – bislang nur in Gestalt der genannten Männer sicher belegt – mit der Kassierung des Königreiches Edessa unter Caracalla (212/213 n. Chr.) und ihr Ende mit der Rekonstituierung des Königreiches unter Gordian III. (240 n. Chr.) in Verbindung gebracht, also keine punktuelle Maßnahme darin gesehen, sondern einen etwa ca. 30 Jahre dauernden Abschnitt der Verwaltungsgeschichte der beiden Provinzen.79 Bei weiterhin fehlenden Belegen für weitere Statthalter dieser Art, die „die Zwischenzeit füllen“, sollte man vielleicht doch einmal die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß es sich um zwei punktuelle Ämterkumulationen handelt,80 die aus Sondersituationen, die diese Maßnahme notwendig machte, entstanden sind – vielleicht in der Art eines präventiven „überregionalen Sonderkommandos“ im Angesicht des niederbrechenden Partherreiches unter Severus Alexander und dann – ebenso wie die Rekonstitutierung des Königreiches von Edessa – als Begleitmaßnahme für eine Stabilisierung der römischen Front in Nordmesopotamien unter Gordian III. Die alte Ostgrenze war nun jedenfalls durch den Zugewinn der Provinzen Osrhoene und Mesopotamien in severischer Zeit bis an den Tigris vorgeschoben, die neue Grenze mit einer vergleichsweise hohen Garnisonsdichte, die auch nicht ohne Einfluß auf die Entwicklung der provinzialen Gesellschaft blieb, wurde den geographischen Gegebenheiten angepasst (Chaboras, Jebel Sinjar, Tigris):81 Der Limes verlief wahrscheinlich vom Unteren Chabur südlich des Jebel Sinjar bis an den Tigris bei dem späteren Eski Mossul. Gerade das Chabur-Gebiet war nun eine Art Durchmarschgebiet der römischen Truppen in Richtung Ktesiphon und Seleukia. Der Ausbau der Infrastruktur und militärische Sicherungsmaßnahmen in Gestalt von militärischen Anlagen und Posten setzte auch hier unmittelbar ein:82 Die Bauaktivitäten etwa an der wichtigen Militärtrasse von Zeugma nach Edessa („viam ab Euphrate usque ad fines regni Septimii Abgari“) mit direkter Stoßrichtung auf Nisibis und das nördliche Mesopotamien begannen bereits 195 n. Chr. (AE 1984, 919)83 und erstreckten sich bis 205 n. Chr. (AE 1984, 920)84 und das nordwestlich von Edessa, an der (in der Tabula Peutingeriana nicht erwähnten) Trasse zwischen
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raea (Valerius Calpurnianus). Zu dieser Inschrift vgl. auch Lehmann 1984, 45–50 und Lehmann/Holum 2000, 45 f., Nr. 10 Taf. XIII. Duncan-Jones 1969, 232; Duncan-Jones 1970, 107. Bei Lehmann/Holum 2000, 40 wird aufgrund der schlechten Überlieferungslage ebenfalls die Möglichkeit vage angedeutet, daß die Präfektur von Mesopotamien und Osrhoene nicht den gesamten Zeitraum von Caracalla bis Gordian III. bestanden haben könnte, ebd. 41 wird dann auch von einer „irregular joint prefecture“ gesprochen, die mit einer Ausnahmesituation des an solchen Situationen nicht armen 3. Jh. n. Chr. in einen möglichen Zusammenhang gebracht werden könnte. Zum strategischen Nachteil der alten Euphratgrenze und der Notwendigkeit einer Kontrolle über Nordmesopotamien prägnant Oates 1968, 68 f. Vgl. etwa Kissel 1995, 64 oder Sartre 2001a, 627 und insbes. Ross 2001, 54 ff. Zu dieser Inschrift und Pacatianus vgl. auch Ross 2001, 49 f. Zu dem hier erwähnten L. Aelius Ianuarius, procurator Augusti provinciae Osrhoenam (sic), vgl. ILS 1365, außerdem Magioncalda 1982, 191; Gnoli 2000, 82.
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den Legionslagern von Zeugma und Samosata postierte castellum von Eski Hisar,85 das nach Auskunft der leidlich gut erhaltenen Bauinschrift 197 n. Chr. von einer Vexillation der in Zeugma gelegenen legio IIII Scythica errichtet worden ist, diente sicher ebenfalls der Pazifikation der Osrhoene zwischen Edessa und Euphrat. Die Könige von Edessa hatten unmittelbar nach Einrichtung der Provinz einen kleinen Teil ihres Gebiete einschließlich der Stadt behalten können (wieder: AE 1984, 919 und 920):86 Abgar VIII., genannt „der Große“, behielt formell seinen Status, freilich als „kaltgestellter“, abhängiger Klientelkönig. 213 n. Chr. wurde dessen erst kurze Zeit regierender Nachfolger, Abgar IX. Severus, abgesetzt und in Rom gefangengesetzt und Kaiser Caracalla verleibte den Rumpfkleinstaat um Edessa wohl Mitte 212/213 n. Chr. dem Imperium ein,87 Edessa wurde am ehesten bereits jetzt, spätestens aber unter Elagabal colonia. Unter Gordian III. (bereits 239/240 n. Chr.) hat es dann – wohl aus strategischen Gründen, schließlich kontrollierte die Stadt den Westteil des nördlichen Mesopotamien und lag nahe an dem ebenfalls immer zwischen den Mächten umstrittenen Armenien, und aus der militärischen Notwendigkeit heraus88 – noch einmal kurzfristig – als eine Art „regionales Sonderkommando“,89 das der Stabilisierung dienen sollte – ein Klientelkönigtum Osrhoene gegeben: Der Kaiser Roms (Avers und/oder Revers) und König Aelius Septimius Abgar X. (Revers) erscheinen gemeinsam auf den lokalen Münzen Edessas,90 die griechische Legenden tragen, gleichwohl die Stadt, die mittlerweile nicht nur colonia, sondern auch metropolis (unter Elagabal) geworden war, nun wieder semitisch „Orhai“/’WRHY hieß (239/40 n. Chr.). Nach dem Zeugnis eines der syrischsprachigen Euphratpapyri war allerdings spätestens im September 242 n. Chr., wohl mit dem Ende der Dynastie, dieses Königreich anscheinend wieder erloschen und der provinziale Status unmittelbar wiederhergestellt,91 dies zeigen die 85 Wagner 1983, 107 ff. Bauinschrift: ebd. 112 f., Nr.2; zum Kastell vgl. Guyer 1939, 183–190. 86 Wagner 1983, 110 und vgl. die kleine Karte bei Wagner 1985, 42, Abb. 75; Millar 1993b, 125. Verkürzt: Sommer 2005, 70 ff., Anm. 92 f., ausführlicher dann v. a. ebd. 239 ff. Zur Dynastie der Abgariden im 3. Jh. n. Chr. vgl. auch Gnoli 2000, 73 ff. und insbes. Ross 2001, 46 ff. 87 S. etwa auch Millar 1993b, 144; 151 f.; 472 ff. und Ross 2001, 57 ff. 88 Gnoli 2000, 73; Ross 2001, 72 ff. u. 78 ff. Allgemein zur strategischen Bedeutung der Stadt Edessa s. a. ebd. 18 ff. Zu Edessa als „advance base“ für Militärschläge und Festung im 4. Jh. n. Chr. ebd. 21. 89 Zu diesem Aspekt s. insbes. auch Ross 2001, 79–81. Vielleicht sind in dieser Hinsicht auch die Münzbilder mit der sogenannten „Presentation-Scene“ hilfreich (Abb. bei Ross 2001, 147, Abb. 1 b und Interpretation ebd. 148 ff.), in denen der vor dem sitzenden Kaiser stehende Abgariden-König nicht nur mit einem Schwert bewaffnet ist, sondern auch mit ausgestreckter Rechter dem Princeps eine geflügelte Victoria präsentiert. 90 Ross 2001, 81 f. und bes. 145 ff. zu den charakteristischsten Münzbildern mit politischer Programmatik unter Abgar X. 91 Ross 1993, 187–206 und Ross 2001, 73 ff. Weitere Literaturhinweise finden sich bei Haensch 1997, 261 mit Anm. 178, s. vor allem Millar 1993b, 151 f. und Gnoli 2000, 67–88. S. a. Sommer 2005, 245 mit Anm. 73. Text und Kommentar vgl. Teixidor 1990, 154 ff. und Brock 1991, 259–267, v. a. 264 ff. Den Text des betreffenden syrischsprachigen Papyrus mit einer Übersetzung ins Englische findet man gut bei Drijvers/Healey 1999, 243 ff. zu P 3/P. Mesopot. B aus dem Jahre 242, in dem der entsprechende Hinweis auf die Regierung des Königs fehlt [In P 2/P. Mesopot. A (Drijvers/Healey 1999, 237 ff.) aus dem Jahr 240 stand u. a. noch zu lesen: „… in
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Euphratpapyri und die Legenden auf den Münzen der Regierungszeit des Decius, die die Stadt ab 242 n. Chr. und in den Folgejahren wieder als colonia nennen.92 3. „Legionen ohne Geschichte“? Römisches Militär in Mesopotamien – ein Versuch Auch die Legionen I Parthica und III Parthica waren in Städten garnisoniert. Doch auch hier ist der Forschungsstand zu den kaiserzeitlichen Verhältnissen eher erschreckend: „… no trace of a Principate legionary base is yet evident at either of these sites“.93 Ein etwas falsches Bild vermittelt Ball,94 der mehrfach im Zusammenhang mit den Ereignissen unter Septimius Severus und der „Limespolitik“ in Mesopotamien von den „Überresten der römischen Garnisonsstadt Singara“, Sinjar bzw. Balad Sinjar, im nördlichen Irak, redet – Struktur und Chronologie des erhaltenen Mauerbestandes der Stadt (!) oder Garnisonsstadt (?) interessieren ihn anscheinend nicht wirklich. Natürlich war Singara als Stadt auch in der Spätantike Legionsfestung – und die erhaltenen Fortifikationen mit den deutlich vorspringenden U-förmigen Intervalltürmen gehören nach dem Survey von Oates wohl im wesentlichen dem 4. Jh. n. Chr. an, als in Singara gar zwei Legionen, die I Parthica und I Flavia stationiert waren. Singara war in jener Zeit mit den ca. 17 ha umschließenden Mauerzügen eine „fortress city“,95 deren Fortifikationen mit einer Zitadelle im Osten sich den hügeligen Gegebenheiten des Geländes anpassten. Wo das Lager der severischen Legion gewesen ist, läßt sich nicht sagen.96 Auch die Festungsstadt von Resaina/Tell Fakhariya, die, ebenso wie Singara, im Zusammenhang mit dem zweiten Partherkieg des Septimius Severus colonia Septimia wurde,97 hat in dieser Hinsicht ihr Geheimnis noch nicht preisgegeben: Die sichtbaren, relativ schlecht erhaltenen Mauerüberreste der Stadtmauer und der U-förmigen Türme und Bastionen, die seit der Zeit des Barons von Oppenheim und der amerikanischen Expedition in den ersten Jahren des Zweiten Weltkrieges bislang nicht wirklich systematisch untersucht worden sind,98 scheinen dem 4. Jh. n. Chr. anzugehören und sind möglicherweise mit der Rolle des Theodosius für die Stadt in Verbindung zu bringen.99 Von den Bauten der seit severischer Zeit hier
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the second year of Aelius Septimius Abgar the king …“]; weitere Literatur bei Millar 1993b, 553 ff. Millar 1993b, 152; 153; 479 f. Parker 2000, 124. Ball 2000, 18 u. 170. Parker 2000, 126 f. Zur Datierung der Mauern vgl. Oates 1968, 106 und insgesamt zur Anlage ebd. 97–106. S. a. Kennedy/Riley 1990, 125–131; Lander 1984, 226 sowie Gregory 1995, II 104–108. S. a. Pollard 2000, 274 f. u. 285 f. Vgl. Oates 1968, 79. Gregory 1995, II 108 bezweifelt, daß man hier eine „full second century legionary base“ finden könne. Eine Garnison/Vexillation könnte möglicherweise vor allem die Zitadelle besetzt gehalten haben, so der Alternativvorschlag ebd. Hasebroek 1921, 111 u. 114. McEwan 1958, V–VI u. XV–XVII zur Geschichte der Untersuchungen. Gregory 1995, II 89–93; vgl. die „Bauaufnahmen“ bei McEwan 1958, 11 ff. Vgl. auch Pollard
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stationierten III Parthica, die nur durch die Münzprägungen gut als Garnisonstruppe belegt ist, fehlt bislang jede Spur, obgleich die amerikanischen Forscher den Platz eines rechteckigen Militärlagers und eines anschließenden, weiteren „Lagerrechteckes“ identifizieren zu können glaubten: „… two rectangular spaces … suggest a Roman camp …“. Da es sich aber nur um einen Suchschnitt im Bereich zweier tatsächlich im Gelände erkennbarer Rechteckstrukuren handelte,100 der m. W., außer vielleicht den Überresten einer gemauerten Latrine, keine signifikanten Funde und Befunde geliefert hat – nicht einmal „römische“ Keramik ist verzeichnet –, muß diese Frage leider noch unentschieden bleiben. Daß in Singara seit severischer Zeit die legio I Parthica stationiert gewesen ist, erweisen nicht nur die Münzbilder der städtischen Prägungen, auf die wir später zurückkommen werden, sondern auch eine severische griechischsprachige Sarkophaginschrift aus Aphrodisias.101 Hier wird ein Veteran der legio I Parthica Severiana Antoniniana erwähnt und beim Namen der Legion vermerkt, daß diese in Singara, in Mesopotamien, im Bereich des Tigris, stationiert sei: ¼tij legièn ™stin ™n Sing£roij tÁj Mesopotam…aj prÕj tî T…grei potamî. Der seltene Beiname der Legion verweist auf die Zeit zwischen 198 und 217 n. Chr., der Zusatz „beim Tigris“ könnte auf den „strategischen Zuständigkeitsbereich“ der Legion in der östlichen Grenzzone Mesopotamiens hindeuten – und die ganze Erläuterung zur Legion auf der Inschrift bedeutet in jedem Fall ein gewichtiges Argument dafür, daß die Legion von Anfang an, seit der severischen Schaffung der Provinz Mesopotamia, in Singara stationiert gewesen ist.102 Noch im Jahr 360 n. Chr. hatte diese Legion ihr Standlager in der Stadt, wie Amm. 20, 6, 8 deutlich zeigt. Später war die Legion dann anscheinend in Nisibis stationiert, wo sie jedenfalls die Notitia verzeichnet (Not. dign. or. 36, 29).103 Wir dürfen also von einer wenigstens 150 Jahre währenden Phase engen Zusammenlebens zwischen Garnison und städtischer Siedlung ausgehen. Dies ist ein Zeitraum, der an besser dokumentierten Orten, wie etwa Bostra, der Hauptstadt der Provinz Arabia und zugleich Garnisonsstadt der legio III Cyrenaica, durch den engen und komplexen Kontakt und Austausch zwischen Militär und Bevölkerung sowie die damit verbundenen kulturellen Prozesse immense Veränderungen hervorgebracht hat, was sich dort etwa im Bereich der Kulte der Stadt mittels epigraphischer Zeugnisse und auch mit Hilfe der Reversbilder auf den Städtischen Münzen von der Mitte des 2. Jh. n. Chr. bis in die 70er Jahre des 3. Jh. n. Chr. zeigen läßt).104 Die nicht immer eindeutig beantwortete Standortfrage für die III Parthica ist definitiv durch die Vexillum-Münzen der Prägungen von Resaina näher an eine Entscheidung gebracht worden – denn auch im Fall dieser Legion fallen epigra2000, 273 f. u. 290. 100 McEwan 1958, II 18, Taf. 87: Rechteckstrukturen in den Planquadraten CDE VI, VII. 101 Ritterling 1925, 1435 f. zu ILS 9477; dazu vgl. jetzt aber Speidel/Reynolds 1985, 31–35. 102 Speidel/Reynolds 1985, 32 u. 34. Vgl. auch Wheeler 2007, 250. Zum Beinamen vgl. auch Speidel 1983, 118–123. Zur Erwähnung des Tigris s. aber Millar 1987, 146, der nur anmerkt „he was exaggerating a little, but not much“. 103 Ritterling 1925, 1436. 104 Stoll 2003a, 74 f. u. 81 ff.
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phische Denkmäler so gut wie komplett aus: Spätestens seit Caracalla erfüllte die Stadt Resaina mit höchster Wahrscheinlichkeit diese strategische Funktion einer Legionsgarnison am Rande der Osrhoene – die unter Caracalla endgültig annektiert wurde – mit einem scharfen Blick auf die östlich anschließende Grenzregion.105 Leider also fehlen inschriftliche Denkmäler – in Singara ohnehin, aber auch sonst ist die epigraphische Überlieferung für die legio I Parthica und auch für die III Parthica nicht gerade glänzend (letztere ist sogar einmal als Legion „sans histoire“ bezeichnet worden).106 Ritterling107 vermerkt für die I Parthica nur zwei ihrer Kommandanten, einige wenige Zenturioneninschriften weisen überwiegend auf eine kleinasiatische Herkunft der Männer – und auch eine neue Sichtung des Materials hat hier keine wesentlichen Änderungen erbracht. Grabsteine der legio II Parthica aus dem syrischen Apamaea (AE 1993, 1572–1597) und andere Zeugnisse für die Herkunft der Legionäre dieses Regimentes zeigen Männer aus Italien, Pannonien und vor allem aus Thrakien, wenige aus Syrien, Ägypten und Africa. Die normalerweise in Albanum, südlich von Rom, als Eliteeingreifreserve stationierte Truppe nahm mehrmals mit einer umfangreichen Vexillation an der Seite unterschiedlicher Kaiser an deren Orientfeldzügen teil: Die Inschriften der Operationsbasis Apamaea am Orontes zeugen von ihrer Anwesenheit unter Caracalla, Macrinus, Severus Alexander und Gordian III.108 Insgesamt überwiegen für alle drei Legionen, jedenfalls in der epigraphischen Überlieferung, die zum Großteil der severischen Zeit angehört, Männer aus Thrakien, dem Donauraum und Kleinasien,109 wobei die II Parthica nicht nur wegen des reichen Fundortes Apamaea die Überlieferung dominiert. Aus zwei severischen Grabinschriften von altgedienten Zenturionen in Lambaesis (CIL VIII 2877/ ILS 2653; CIL VIII 2891) – beide hatten als vierten bzw. fünften Posten ein Zenturionat in der legio III Augusta in Lambaesis abgeleistet und dann als letzten Posten ihrer Laufbahn, nach 37 bzw. 45 Dienstjahren ein Kommando in der legio III Parthica Severiana110 erhalten –, darf man schließen, daß bei der Formation dieses Regimentes, der dritten parthischen Legion, und bei der Aus105 Oates 1968, 89 mit Anm. 1. Eigentlich hatte schon Ritterling 1925, 1539 die Münzprägungen als Argument herangezogen und entsprechend gewertet, aber seine gewichtige Meinung ist leider in diesem Punkt nicht immer eingeholt worden. 106 Wolff 2000b, 252. 107 Ritterling 1925, 1436. 108 Vgl. etwa Millar 1993b, 146 und Wheeler 2007, 250. 109 Zum schnellen Überblick vgl. Forni 1992, 118; 120 f.; 125. Explizite Herkunftsangaben aus Apamaea: AE 1993, 1574: natione Pannonius; AE 1993, 1577: natus in Dacia in Vatabos; AE 1993, 1584: civis Perusinus. Thraker/Namenmaterial: AE 1993, 1575 u. 1579 (Mucianus/Mucianos). 110 Zu den beiden Inschriften und ihrer Interpretation vgl. v. a. Birley 1988b, 209, Nr. 3; 210, Nr.4: T. Flavius Virilis (ILS 2653) wird als VIIII hastatus posterior [sic] genannt – die Kohorten VII, VIIII, II und IIII einer Legion waren wohl Ausbildungs- und Rekrutenkohorten, die in der Schlacht nach hinten genommen wurden. Virilis wird also mit seinen 45 Dienstjahren ein erfahrener und auch „spezialisierter“ Ausbilder gewesen sein. Wichtig auch: Speidel 1983, 118– 123, vor allem 120 f. zu den beiden afrikanischen Inschriften. Vgl. auch Fitz 1983, 118, Nr. 483 u. 485 und Le Bohec 1989, 174 [CIL VIII 2877], 175 [CIL VIII 2891]. Kennedy 1987, 60 Anm. 17 lehnt die hier gegebene Deutung der beiden Inschriften ab.
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bildung zu transferierender Mannschaften für die neue Legion Unteroffiziers- und Mannschaftsbestände der numidischen Legion verwendet wurden, ein Phänomen, das gerade für die III Augusta auch in hadrianischer Zeit, ähnlich, bei Auffüllung der Mannschaftsbestände der III Gallica in Syrien oder der III Cyrenaica in der Arabia, belegt ist: In jenem Fall war eine gesamte Kohorte plus fünf Mann aus jeder Zenturie abgegeben worden, also wohl gut 800 Mann!111 Die beiden „Ausbilder“ severischer Zeit haben wohl noch ihr Kommando vor Ort erhalten, die Umsiedlung nach Mespotamien jedoch nicht mehr erlebt, aber ihre Grabinschriften dokumentieren eine mögliche Mannschaftskomponente der III Parthica, die durch keine andere Quelle überliefert ist. An dieser Stelle lohnt es sich durchaus, auf eine Inschrift aus Kastell Obernburg am Odenwaldlimes zu verweisen (Ber. RGK 40, 1960, 179 Nr.151):112 Der Altar des Jahres 206 n. Chr. an I.O.M. Dolichenus erwähnt eine Vexillation der Mainzer XXII Primigenia beim Holzschlag im Odenwald – das Kommando führt der Zenturio Clodius Caerellius, (centurio) leg(ionis) I Part(hicae)! Wie hat man die Anwesenheit eines „mesopotamischen“ Zenturios in Obernburg zu erklären? Die These, daß es sich um einen centurio frumentarius handelte, dessen Anwesenheit mit Spezialaufträgen des Kaisers und den großangelegten Vorbereitungen des Britannienfeldzuges des Severus zu erklären sei,113 hat den Nachteil, daß diese spezielle Funktion auf der Inschrift schließlich nicht erwähnt ist: Warum also nicht die alternative Lösung114 – teilweise entsprechend unseren numidischen Beispielen für die III Parthica –, daß nämlich der Mann, Zenturio der Mainzer Legion, dort seine Kommandierung in die I Parthica bereits erhalten hatte, ihn aber die entsprechenden Dienstaufgaben, tatsächlich im Rahmen der Vorbereitung des Krieges, noch zwangen, vor Ort das Kommando beim Holzschlag zu führen. Die Abreise des Mainzer Zenturio nach Mesopotamien stand noch bevor, und auch hier hätten wir eine Quelle zum Personalbestand einer der parthischen Legionen in ihrer Frühzeit, nahe ihrer ersten Aufstellung, die bisher unberücksichtigt geblieben ist. Ältere Hypothesen waren davon ausgegangen, daß diese parthischen Legionen entweder in Italien115 oder aber im Orient selbst im Kern aus dem „Veteranenmaterial“ beider Seiten des Bürgerkrieges mit Pescennius Niger116 ausgehoben und dann auch weiter dort ergänzt worden seien. In der Tat ergänzten sich die Mannschaftsbestände der „etablierten Legionen“ des 2. und 3. Jh. n. Chr. nach einer dann offenbar üblichen Rekrutierungspraxis in aller Regel aus der Provinz oder der weiteren Region der Stammgarnison und im weiteren Verlauf auch zunehmend aus der un-
111 Gemeint ist eine Passage aus der berühmten Adlocutio des Hadrian (Abschnitt zur Legion selbst, Feld 2/Fragm. 9 e, Z. 4–6: „… quod ante annum tertium cohortem et quinos ex centuris in supplementum comparum tertianorum dedistis …“), vgl. zum Text Speidel 2006, 8 u. 30–33. Wenig hilfreich ist in diesem Punkt der Kommentar bei Le Bohec 1989, 375. Sehr knapp ebenfalls: Berthet/Lassère/Le Bohec/Wolff 2003, 83. 112 Zur Inschrift vgl. Speidel 1992a, 149–152, hier 149, Nr. 1. 113 So Herz 1985, 426 u. 428. 114 Die hier vorgeschlagene Alternative findet sich ähnlich auch bei Wolff 2000a, 248. 115 Mann 1963, 483 f. u. 485 f. 116 Etwa Smith 1972, 486 Anm. 28. Insgesamt zu beiden Auffassungen vgl. auch Kennedy 1987, 59 f.
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mittelbaren Grenzzone selbst (= „lokale Rekrutierung“)117, wobei auch Veteranenkolonien eine gewisse Rolle spielten.118 Jedoch haben offenbar gerade Kleinasien bzw. bestimmte kleinasiatische Provinzen wie Bithynia,119 Pisidia, Isauria120 oder Galatia,121 Cappadocia und Paphlagonia, sowie vor allem Cilicia, das aufgrund seiner Lage für Handel, Logistik und Truppenverschiebung als Verbindungsglied zwischen Syrien, Mesopotamien und Kleinasien eine besondere Rolle spielte, und eben auch das noch nähere Syrien selbst seit Beginn der Kaiserzeit und noch verstärkt im 2. und 3. Jh. n. Chr. kontinuierlich eine große Anzahl von Soldaten aus der Großregion der nahöstlichen Standorte in den römischen Legionen und Auxilien gestellt.122 Speidel konnte bei seiner klassischen Untersuchung zu kleinasiatischen Legionären bzw. Veteranen123 sogar noch einige weitere Beispiele für kleinasiatische Soldaten in den beiden Legionen anführen: z. B. Aurelius Kornous (= IGR III 479)/LyciaPamphylia (legio I Parthica) und einen Unbekannten (= IGR III 814)/Cilicia (legio I Parthica oder III Parthica). Ein weiterer Veteran der Legion I Parthica, den wir kennen, ein C. Lucius Marcellus, scheint aus dem Territorium der Dekapolisstadt Hippos gestammt zu haben:124 Die Bauinschrift seines Grabmals, die ihn als oÙt(ranÕj) [sic] legi(înoj) a/ Parqik¾j Seouhri(an¾j) bezeichnet, ist durch Angabe des 289. Jahres der pompeianischen Ära auf das Jahr 226/227 n. Chr. datiert. Genauer Fundort ist el’Al, östlich des Sees von Genezareth, wohl auf dem Territorium von Hippos, das offenbar als Rekrutierungsgebiet nicht ganz unbedeutend gewesen ist:125 Der Mann berichtet in seiner Inschrift wortreich, daß er nach einem 117 S. etwa Haensch 2001, 84–108, insbes. 87; für den Osten vgl. Pollard 2000, 114 ff. (ebd. 120 f. zu Mesopotamien) und Wheeler 2007, 257: „… local recruitment became the norm in the East as elsewhere …“. Für die legio I Parthica s. Wolff 2000a, 249. Zum entsprechenden Phänomen bei den Auxilien s. klassisch die Formulierungen bei Kraft 1951, insbes. 43 ff. u. 47 f.: Hier ist schon seit der ersten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. ein Übergang zur Rekrutierung und Ergänzung aus der Stationierungsprovinz, dem engeren oder weiteren Hinterland der Frontabschnitte, zu erkennen. Am Beginn des 2. Jh. n. Chr. scheinen sich tendenziell die Rekrutierungsbereiche noch näher an die Grenzbereiche und Truppenstandorte „heranzuschieben“ – s. Kraft 1951, 50 f. u. 139, eine „örtliche Conscription“ fast im Wortsinne. Die Begriffe „lokal“ und „regional“ sind in der Sekundärliteratur meist weit gefaßt und selten definiert. Allgemein zur „lokalen“ Rekrutierung und der sozialen Komposition (hier: der Hilfstruppen) vgl. auch die kritischen Bemerkungen bei Haynes 2001, 66 ff.: lokale Rekrutierung meint hier etwa „from the nearest available source“, bisweilen sogar „from local provinces“. 118 S. etwa Sartre 2001b, 139 f. Vgl. auch allgemein Haynes 2001, 73 ff. zur Ansiedlung bzw. zum Siedlungsverhalten der Veteranen sowie zu ihrem nicht unbedeutenden Einfluss in den städtischen oder stadtartigen Siedlungen. 119 Einen speculator der III Parthica aus Nicomedia überliefert die Weihinschrift CIL VI 36775/ ILS 484 in Rom: vgl. Fitz 1983, 117 f., Nr. 482; s. a. Wolff 2000b, 252. 120 Einen Soldaten der III Parthica Severiana aus Isauria überliefert Fitz 1983, 118, Nr. 484. Die Inschrift ist durch den Truppenbeinamen grob datiert. Vgl. auch Wolff 2000b, 251. 121 Veteran der I Parthica namens Nicetes in Ancyra: AE 1981, 784, 3. Jh. n. Chr. (Wolff 2000a, 247 mit Anm. 2.). 122 Lit. dazu bei Stoll 2001a, 226 Anm. 24. 123 Speidel 1984b, 48; 50; 53. Vgl. auch die zustimmenden Bemerkungen bei Kennedy 1987, 60. 124 Seyrig 1950, 247, Nr. 7. Zu dieser Inschrift vgl. auch Belayche 2001, 54 mit Anm. 27 u. 56 mit Anm. 45; s. a. Di Segni 1997, 281–283, Nr. 61. 125 Aus Khisfin/Chispin, das ebenfalls auf dem Territorium von Hippos, im Golan-Gebiet, liegt,
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ereignisreichen Leben in der Fremde in sein Vaterland zurückgekehrt sei und sich hier seinen als Heroon bezeichneten Grabbau errichtet habe (tÕn kÒsmon ™kdhm»saj ™n dusˆ pugma‹j ¢qleÚsaj Ãlqone„j t¾n patr…dan tÒde tÕ ¹rîion o„kodom»saj ïde ™paÚsatÒ mou ¹ yuc»). Für den möglichen Tatbestand einer bislang weniger gut belegten „regionalen Rekrutierung“ interessant ist weiter auch eine Inschrift aus der syrischen Basaltwüste der Ledja: Ezr’a/Zorava, im Südwesten der unwirklichen Landschaft gelegen, ist der Fundort einer bilinguen Sarkophaginschrift aus dem beginnenden 3. Jh. n. Chr., die Claudius Claudianus, Sohn des Theophanes, als oÙet(ranÒj) leg(ionis) I P(arthicae) ex leg(ione) III K(yrenaica) nennt.126 Ferner ist bei Behandlung der belegten Veteranen der Legion noch eine Weihung aus Beirut/Berytos zu nennen (AE 1926, 87), die vom Formular her den normalerweise für Veteranen der Legionstruppen recht verbreiteten „Entlassungsdenkmälern“ sehr ähnlich ist:127 Die hier als Stifter genannten Soldaten der legio I Parthica Severiana [[Alexandriana]], die laut Inschrift im Jahr 214 n. Chr. rekrutiert worden waren, sind allerdings zum Zeitpunkt der Weihung (nach der Titulatur zwischen 224 und 235 n. Chr.) mit Sicherheit noch aktiv: Die als Kollektiv genannten contirones bzw. milites weihten das Statuendenkmal pro salute des regierenden Kaisers Severus sind neben einer Veteraneninschrift (SEG 46, 1996, 1949; vgl. auch Lichtenberger 2003, 41 f.: Weihinschrift eines Veteranen der III Cyrenaica) auch zwei waffenführende Gräber des mittleren bis späten 3. Jh. n. Chr. bekannt geworden: Gogräfe/Chehadé 1999, 73–80 (Grab 3: Schwert mit Elfenbeinscheide, die mit einen riegelförmigen Riemenhalter und rundem Dosenortband versehen ist; Grab 14: Pelta-förmiges Ortband aus Elfenbein, riegelförmiger Schwertriemenhalter). Die Schwertbeigabe ist allerdings insgesamt im römischen Nahen Osten eher eine Seltenheit; vgl. dazu jetzt auch die Bemerkungen bei Mackensen 2000, 125 ff., insbes. 127. Sie kann selbstverständlich, muß aber nicht zwingend auf den ehemaligen Status der Bestatteten als Veteran bezogen werden. Soweit ich sehe, sind entsprechende Waffenfunde aus Grabzusammenhängen des Raumes bislang nicht systematisch gesichtet worden. Gogräfe/Chehadé 1999, 77 und Bishop/Coulston 1993, 130 verweisen auf ein peltaförmiges Ortband im Damaszener Nationalmuseum, das aus dem Haurangebiet stammt. Ob hier allerdings ein Grabfund vorliegt, muß offen bleiben. Sicher ist dies etwa bei dem umfangreichen Ensemble eines Schachtgrabes des frühen 2. Jh. n. Chr. aus Tell Oum Hauran (Raubgrabung; Damaskus, Nationalmuseum Inv. C. 7364 ff.), das unter anderem zwei reich verzierte Helme (Gesichtshelm aus Bronze mit Silber; Bronzehelm mit gepunzter Inschrift: „M. Mactorius Barbarus f(eci)t“), die Reste eines Schuppenpanzers, Pferdegeschirr, darunter auch eine dreiteilige Roßstirn, sowie je ein Lang- und ein Kurzschwert, zwei Dolche, eine Lanzenspitze und mehrere Pfeilspitzen enthielt: vgl. mit weiterer Lit. und Abb. der Helme Garbsch 1978, 61 f. mit Taf. 16. Zu den erwähnten Gräbern von Khisfin und Tell Oum Hauran vgl. nun auch etwas ausführlicher den Überblick über Inventare aus den Nekropolen bei Sartre-Fauriat 2001, I 83–89 u. 97–115, insbesondere ebd. S. 98–101 ausführlich zu Grab 1 („tombe du guerrier“; vgl. auch ebd. 108 mit einer tabellarischen Aufstellung der Funde), dem oben erwähnten Grab mit den beiden Helmen. Auch andere Inventare dieser letztgenannten Nekropole von mehr als 250 Gräbern scheinen Waffenbeigaben enthalten zu haben: vgl. etwa Sartre-Fauriat 2001, 102 zu den Gräbern 41 (Schwert mit beinernem Griff, 2 Dolche mit beinernen Scheiden) und 48 (Dolch und Umbo eines Schildes, 2. Jh. – vgl. Abb. 130 mit der Wiedergabe zweier umbones, d. h. mindestens ein weiteres Grab scheint ebenfalls eine Schildbeigabe beinhaltet zu haben). 126 IGR III 159/Waddington 2487; vgl. auch MacAdam 1986, 201, Nr. 31. Eine Abbildung und ein Kommentar zu dem Denkmal findet sich jetzt bei Sartre-Fauriat 2001, 227, Nr. 6 a. 127 Vgl. Stoll 2001e, 451, Kat. Nr. 35; s. a. Fitz 1983, 117, Nr. 481.
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Alexander und der Iulia Mamaea. Sicher besteht ein Zusammenhang mit dem Partherkrieg des Kaisers (231–233 n. Chr.), was die Datierung der Inschrift auf die letzten Regierungsjahre des Severus begrenzen dürfte. Leider ist hier – wie dafür an anderen Denkmälern der genannten Gattung durchaus bekannt – keine Liste mit entsprechenden Namen erhalten, die mit etwas Glück Angaben zur Herkunft der Männer des Rekrutenjahrganges enthalten hätte.128 Aus Tilli/Çattepe, am Tigrisufer im Grenzgebiet zwischen Armenien und der Mesopotamia stammt eine Weihung an Zeus Olympios als „Herrn der Götter“129 des späten 2. Jh. oder der ersten Hälfte des 3. Jh. n. Chr., die in der bilinguen, griechisch-aramäischen Altarinschrift einen oÙetranÒj namens Antonius Domittianus als Dedikanten und Stifter nennt. Welcher Einheit der Mann angehörte, ist zwar unbekannt, doch mag er als mögliches weiteres Beispiel für einen Soldaten gelten, der einst aus der Region in sein Regiment rekrutiert worden war130 – daß er ein ehemaliger Soldat der I Parthica gewesen ist, ist so unwahrscheinlich nicht. Bei den Mannschaften der Hilfstruppen sind einige Männer aus Mesopotamien epigraphisch belegt, etwa der decurio Barsemis aus Carrhae (ILS 2540) oder der decurio Biribam „ex provinciae Moesopotamiae“ (sic; ILS 9148), die in numeri, den sog. „nationalen Regimentern“, etwa einem Bogenschützen-numerus Osrhoenorum, oder oft in Spezialeinheiten wie Kataphraktenalen dienten.131 Eine berittene osrhoenische Bogenschützenabteilung ist im Übrigen auch für „Rasin“/Resaina (?) in der Notitia Dignitatum belegt (Not. dig. or. XXXV 23). Bei Ammian sind für das 4. Jh. n. Chr. vielfach im Zusammenhang mit Städtebelagerungen einheimische Formationen und Kämpfer als „Kampfpartner“ regulärer römischer Einheiten überliefert, vielleicht zum Teil „Milizen“, bisweilen sogar einfach Stadtbewohner, die der Verteidigung der eigenen Stadt aktiv beiwohnen: In Bezabde, Singara, Amida, Nisibis verteidigen solche lokalen Hilfstruppen und männliche Zivilbevölkerung die Festungsstädte gemeinsam mit den „regulären Legionstruppen“.132 128 Zu den Denkmälern vgl. Stoll 2002, 235–280, dort 242, Anm. 41 zur im Text behandelten Inschrift aus Berytos. 129 Healey/Lightfoot 1991, 1–7 (= SEG 41, 1991, 1420/AE 1991, 1581 und Stoll 2001e, 489 f., Kat. Nr. 149). Vgl. auch Millar 1993b, 128 u. 495 und Pollard 2000, 133 f. Der Ort wird mit dem späteren Standort der equites Pafenses, Assara, identifiziert: vgl. Not. Dign. Or. XXXVI zu den Truppen des dux Mesopotamiae, dort Z. 26: „Equites scutarii indigenae Pafenses, Assara“. 130 Healey/Lightfoot 1991, 6 f. mit weiteren Beispielen und Überlegungen dazu. 131 Vgl. etwa auch Kennedy 1979, 256 und Kennedy 1980, v. a. 303–306 zu den mesopotamischen Soldaten in den Auxilia und dann v. a. Brown 1941, 178 ff. (Osrhoene), v. a. 184 f.; ebd. 212 ff. (Parthia). 132 Amm. 18, 9, 3 (Garnison von Amida; neben der legio V Parthica auch Reiterabteilung der Einheimischen/indigenarum turma); Amm. 20, 6, 8 (Verteidiger von Singara; auch indigenae plures – Truppenteile von Einheimischen und berittenen Hilfstruppen); Amm. 20, 7, 1 (Bezabde – die starke Festung war mit drei Legionen besetzt, dazu mit zabdicenischen Bogenschützen, aus der Zabdicene, der Landschaft, in der Bezabde lag); Amm. 25, 9, 2 (Nisibis – die Einwohner wollen bei Übergabe der Stadt, die Heimatstadt lieber selbst gegen die Perser verteidigen, „wie sie es schon oft getan hätten“). Vgl. auch die Bemerkungen bei Isaac 1992, 134 zur Rolle lokaler Milizen bei der Verteidigung der ab dem späteren 3. Jh. n. Chr. in Syrien entstehenden Festungsstädte, die als „Vorläufer“ der Stadtfestungen Mesopotamiens seit dem
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Was im Hinblick auf den Forschungsstand über die Legionslager gesagt worden ist, gilt in demselben Maße auch für andere Anlagen dieser Grenzzone. Eine der wenigen Ausnahmen ist die interessante, zusammengehörige und offenbar nur kurze Zeit genutzte „Doppelanlage“ von Ain Sinu/Zagurae, 30 km östlich von Singara,133 die aus einem sogenannten „Barackenlager“ (10,6 ha; = Ain Sinu I) und einem der größten bekannten Kastelle des Nahen Ostens besteht (3,7 ha; = Ain Sinu II). Das fünfeckige Kastell mit starker Mauer und Türmen scheint nach dem Münzbefund ins frühe 3. Jh. n. Chr. zu gehören,134 das in seiner Umfassungsmauer kasemattierte, streng rechteckige Barackenlager, dessen Innenraum vollständig durch 14 Blocks an Mannschaftsbaracken eingenommen wird, ist möglicherweise zwar etwas später hinzugekommen,135 beide Anlagen, deren genauer Zweck nicht klar ist (temporäres Truppennachschublager? Baulager?), gelten aber wie erwähnt als „severisch“. „Ställe“ (?) könnten darauf hindeuten, daß hier eine starke Reiterabteilung, wohl Hilfstruppen (?), stationiert gewesen ist.136 Die Anlage, die möglicherweise bereits dem Ansturm des Ardashir in den 240er Jahren zum Opfer fiel und nach dem Schandfrieden des Philippus Arabs wohl mit dem Gebiet östlich Singara sasanidischer Herrschaft preisgegeben wurde,137 kontrollierte ursprünglich die Passage einer entweder von Nisibis nach Hatra oder dem Tigris-Übergang bei Eski Mosul, am östlichen Ende des Djebel Sinjar verlaufenden, überregionalen Straßenroute. Die militärische Disposition und die Verbindungs- und Kommunikationswege orientierten sich hier am südlichen Rand des Djebel Sindjar. Das hatte beträchtliche Vorteile, auf die Oates138 bereits hingewiesen hat: Die höhergelegene Position der Kontrollpunkte ergab hervorragende Sicht nach Süden, in die Steppenebene hinein. Die Wasserversorgung war durch die bereits erwähnten, hier austretenden Quellen gewährleistet, und das gilt auch für die Logistik insgesamt, denn die Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten aus lokalen Quellen war in der Zone des Regenfeldbaus kein wirkliches Problem – die Militärlinien und die „boundary of agriculture“ stehen in einem engen Zusammenhang.
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Ende des 3. Jh. n. Chr. angesehen werden dürfen (dazu s. a. ebd. 252 ff. u. 267 sowie 254 f. allgemein zu den strategischen Aufgaben solcher Festungsstädte). Dazu s. Kennedy/Riley 1990, 168–170 u. 213–215, v. a. aber: Oates/Oates 1959, 207–242 und Oates 1968, 80–92. Vgl. auch Dillemann 1962, 201–203 mit Fig. XXVI. Oates 1968, 88 f. vermerkt drei Prägungen aus Resaina (216 bzw. Severus Alexander), eine Prägung aus Edessa (Alexander Severus) sowie drei weitere Münzen aus severischer Zeit (211–222 n. Chr.). Oates 1968, 85 verzeichnet hier nur eine sehr kleine Münzreihe von vier Stücken aus drei Münzstätten: 2 aus Resaina (216 bzw. 218–222 n. Chr., gefunden im Lager), je eine Münze aus Nisibis und Edessa (Außenbereich des Nordtores bzw. nördl. Walles), beide aus dem Prinzipat des Severus Alexander. Die Keramik läßt sich offenbar ausschließlich „erste Hälfte 3. Jh. n. Chr.“ datieren. Zu den Fundmünzen aus Ain Sinu insgesamt (Septimius Severus bis Severus Alexander, mit einem deutlichen Schwerpunkt an Prägungen aus Resaina – alle „Vexillummünzen“ – aus der Zeit der Herrschaft des Caracalla, 216/217 n. Chr.), zur Datierung und Interpretation vgl. auch Oates/Oates 1959, 214; 216; 217 f. und v. a. 237–242. So Kennedy/Riley 1990, 215, die gar von zwei alae milliariae in einer Gesamtstärke von gut 1500 Mann ausgehen (!). S. aber auch Oates 1968, 90: 1100–2240 Mann Belegungsstärke. Zur Interpretation der Anlage vgl. Oates 1968, 89 ff. Oates 1968, 78.
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Anstelle von Resaina gilt wegen seiner strategisch überaus bedeutsamen Lage gelegentlich Nisibis als möglicher Standort der legio III Parthica.139 Selbstverständlich wird es am Sitz des Statthalters, in Nisibis,140 in einiger Anzahl Soldaten der Legion gegeben haben, die im Rahmen ihrer Tätigkeit beim Statthalterstab141 und mit Sonderaufträgen dort zu tun hatten, das bedeutet aber nicht, daß das Lager der Legion auch am Ort gewesen sein muß.142 Von den Auxiliareinheiten, die in Mesopotamien wahrscheinlich wenigstens in einer Stärke von mindestens 10000– 12000 Mann vorhanden gewesen sind, wissen wir so gut wie gar nichts.143 Militärdiplome (bei dieser Quellengattung auch aus chronologischen Gründen)144 und die sonst „üblichen“ Inschriften, also Bauinschriften, Weihinschriften, Grabinschriften, fehlen in diesem Gebiet.145 Wir kennen weder Namen noch zugehörige Regimentsstandorte, bis auf die bereits bei Behandlung Hatra genannte cohors IX Maurorum 139 Vor allem Kennedy 1987, 61 – ihm grundsätzlich zustimmend Millar 1993b, 128; s. a. Parker 2000, 124, vgl. auch Kennedy/Riley 1990, 44 und Pollard 2000, 272 f. (legio III Parthica vielleicht in der 1. Hälfte des 3. Jh. n. Chr.; ebd. 273, Anm. 90 aber auch „all or part of legio I Parthica“ in der ersten Hälfte des 3. Jh. n. Chr.; ebd. 286 dann folgendes Modell: Nisibis als Garnison der III Parthica seit severischer Zeit und dann auch (?) Basis der I Parthica um die Mitte des 3. Jh.) und ebd. 273 f. bzw. 274 f. zu Resaina und Singara. Zur Standortfrage der beiden Legionen vgl. auch Ritterling 1925, 1435 f. (I Parthica: Singara) bzw. 1539 f. (III Parthica: Resaina oder Nisibis; dagegen: Schachermeyr 1931, 1161: „in oder bei Resaina“; Hill 1916, 166: Resaina) und Sartre 2001a, 617 u. 619 (Nisibis; die Münzprägung von Resaina mit dem vexillum der Legion wird mit dem Koloniestatus der Stadt und einer Veteranenansiedlung in Verbindung gebracht, ihre Bedeutung als „einziges“ Zeugnis und Argument für eine mögliche Garnison negiert – dasselbe Argument findet sich auch bei Kennedy 1987, 61 mit Anm. 25; vgl. auch Pollard 2000, 274: Bilder bedeuten Veteranenansiedlung oder Stationierung einer Vexillation). Pollard 2000, 58 sieht alle drei Städte, Nisibis, Resaina, Singara, als mögliche Basen für die beiden Legion I und III Parthica. Vgl. auch Wheeler 2007, 250 mit Bezug auf die III Parthica: „Rhesaina and Nisibis are possibilities“. Völlig von der Quellenlage und der historischen Entwicklung überfordert (Belege fehlen ohnehin) war anscheinend Farnum 2005, 11; 15 f.; 18; 82 – hier ist die III Parthica an wechselnden Orten in der Osrhoene stationiert: „The provinces of Mesopotamia and Osrhoene were formed and garrisoned, each with one of Severus’ newly formed legions“, die I Parthica wird der Mesopotamia zugeordnet. 140 Diese Zuordnung ist nicht ganz unumstritten. Vgl. den kritischen Haensch 1997, 261 f. u. 361 mit Anm. 3, der sowohl für die Mesopotamia wie die Osrhoene keine zuverlässigen Anhaltspunkte für die Identifikation eines Residenzortes sieht. 141 Zum Statthalterstab vgl. Haensch 1997, 376 f. u. 710 ff., bes. 713 ff. zur militärischen Komponente und v. a. Rankov 1999, 15–34. 142 Dazu siehe auch Haensch 1997, 13; 69 f.; 356. Als Beispiel sei auf Niedergermanien verwiesen: s. etwa zu Köln/Bonn auch Haensch 2001, 84–108. Nicht übergangen werden darf an dieser Stelle ein griechischsprachiger „Euphrat-Papyrus“ aus dem Jahr 252 n. Chr. (P. Euphr. 9, v. a. Z. 13–16), der die Frau des primuspilus der legio I Parthica (!) als in Nisibis wohnhaft bezeichnet: Feissel/Gascou/Teixidor 1997, 39 ff. Allerdings darf man auch hier die historische Situation nicht aus dem Auge verlieren: Singara dürfte Anfang der 50er Jahre sasanidisch besetzt gewesen sein – die Legion war vielleicht kurzfristig auf Nisibis „zurückgewichen“ und geriet dann sicher dort erneut unter Belagerung Shapurs I. 143 Kennedy/Riley 1990, 44. Vgl. auch Birley 1988a, 25 f. Vgl. auch den entsprechenden, knapp ausgefallenen Abschnitt bei Pollard 2000, 24–26. 144 Kennedy 1996b, 14. 145 Vgl. auch Kennedy 1987, 57.
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mill. Gordiana, deren Standort Castra Maurorum wohl im Tigristal, nordöstlich von Singara bei Seh Qubba gelegen hat. Auf die in Pap. Dura 30 erwähnte cohors XII Palaestinorum Severiana Alexandriana, die nach dem Text der Urkunde (Okt. 232 n. Chr.) in Quatna/Katne stationiert gewesen ist,146 werden wir später noch einmal zurückkommen. Sie gehörte zu den Militäreinheiten im Bereich des Unteren Chabur – auf Militärdiplomen Syriens wird sie m. W. bislang nicht genannt – gehörte sie aber zu den mesopotamischen Auxilien? Wohl sicher nicht, Sachare und Castellum Arabionis, die von syrischen Einheiten (cohh. XX Palmyrenorum, III Augusta Thracum) mit Besatzungen versorgt wurden bzw. als Garnison dienten und noch weiter nördlich liegen als das mit Quatna/Katne identifizierte Tall Fadgami – das allerdings auf dem östlichen Chaburufer, auf der Seite von Magdala/Tall Seh Hamad liegt –, dürften wohl unstrittig zum Kommando der Militärverwaltung in Dura Europos gehört haben. Mesopotamien ist nicht gleich „Mesopotamia“ – als geographischer Begriff umfasst es im Westen mit Teilen des Euphrattales und dem deutlich „im Land zwischen den Flüssen“ gelegenen Tal des Chaboras auch Gebietsanteile der Provinz Syria Coele.147 Wie das etwa in Ägypten besonders gut belegt ist, waren die Regimenter sicher oft infolge vielfältigster Aufgaben flächendeckend und in mehr oder weniger kleinen, aus der „Muttergarnison“ gespeisten und turnusgemäß gewechselten Detachments148 in zahlreichen praesidia, also militärischen Posten oder Kleinfestungen und Wachtürmen postiert.149 Diese Dienstaufgaben dürften einen nicht unbeträchtlichen Teil des Personalbestandes der Regimenter einer Provinz gebunden haben.150 Einen gewissen Einblick und eine konkretere Vorstellung erhält man durch die erhaltenenen „Dienstpläne“ der cohors XX Palmyrenorum aus der spätestens seit severischer Zeit zur Provinz Syria Coele gehörenden Garnison Dura Europos am Mittleren Euphrat.151 Die Männer des Regimentes taten – mitunter in recht kleinen 146 Dazu vgl. vor allem Luther 2002, 4 f. 147 Auf den Punkt gebracht: Luther 2006, 204. 148 Maxfield 2000, 407 ff., hier v. a. 409 stellt die Tatsache des flächendeckenden Einsatzes von Detachments bestimmter Regimenter als ein wesentliches Charakteristikum des Militäreinsatzes in Ägypten heraus. Grundsätzlich vgl. aber auch Speidel 1992b, 275–278. Zum folgenden mit vielen weiteren Nachweisen vgl. Stoll 2003b, 346 ff. 149 Vgl. dazu auch bereits der bemerkenswerte Castelin 1946, 6. 150 P. Brooklyn 24 (Thomas/Davies 1977, 50–61) vermerkt mehr als ein Viertel einer Einheit (126 von 457 Mann) beim Dienst fernab der Stammgarnison in der ägyptischen Chora (… absunt in choram …). Bekannt ist ein entsprechendes Zeugnis aus Vindolanda: Bowman/Thomas 1991, 62–73 und Bowman/Thomas 1994, 90–98, Nr. 154: die Stärkemeldung der cohors I Tungrorum milliaria. Bei einer Mannschaftsstärke von 752 Soldaten und Offizieren sind 456 zu unterschiedlichen Pflichten abkommandiert. Zu vergleichbaren Verhältnissen in den Legionen, was die Abkommandierungen betrifft, vgl. Textpassagen der berühmten Manöverkritik des Kaisers Hadrian aus Lambaesis (legio III Augusta): s. jetzt Speidel 2006, 8 u. 31: „… quod diversa stationes vos distinent …“. 151 Vgl. Stoll 2001e, 92 f. Weitere Nachweise bei Stoll 2003b, 348 Anm. 141. Insgesamt zu den Abkommandierungen der Palmyrenerkohorte vgl. den Kommentar in Bradford Welles/Fink/ Gilliam 1959, 40 u. 44. Zur Identifizierung von Magdala mit dem östlich Deir ez-Zor, am Ostufer des Chabur, nahe einer natürlichen Furt gelegenen Tall Seh Hamad s. jetzt Novák/Oettel/ Witzel 2000, IX; XXXVIII; 1 ff.; 233 ff.; 239. Vgl. auch den reich bebilderten Vorbericht von
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Gruppen – auch Dienst in der Chaburregion, nördlich von Dura, also im unteren Tal des Flusses Chaboras: Appadana, Birtha, Barbalissus, Castellum Arabum oder Arabionis, Chafer Avira, Magdala und Becchufrayn – im „Dorf“ (= Chafer) Avira waren vier oder sieben, in Castellum Arabum/Arabionis und Birtha sieben oder acht Mann der Kohorte auf Posten, in Magdala hatte der Posten eine Stärke von 11 Mann, in Appadana152 waren zwischen 50 und 65 Mann stationiert, in Becchufrayn/ Kifrin waren es immerhin etwa 100 Mann! Was das Aussehen militärischer Anlagen und die Unterbringung eines solchen Detachments angeht, so können sowohl Dura Europos (in der bereits angesprochenen Charakteristik der Verteilung des Militärs und weniger zentraler militärischer Gebäude, wie „Baracken“, über das gesamte Stadtgebiet)153 und auch ägyptische Papyri und Befunde davor warnen, an der Vorstellung festzuhalten, daß Soldaten nur da stationiert gewesen wären, wo militärische Anlagen, wie die das Bild vom römischen Militär prägenden Kastelle im engeren Sinne, festgestellt werden können.154 Im ägyptischen Hermoupolis etwa waren Soldaten in einer mansio (mon») stationiert, die sich im städtischen Heiligtum der Tyche-Fortuna befunden hat.155 Bei fehlender Überlieferung oder fehlenden Möglichkeiten systematischer Forschung wird unser Bild von den diversifizierten Aufgabenstellungen der Regimenter der römischen Armee erheblich eingeschränkt bleiben, da eben ohne mitunter eindeutig identifizierbare militärisch genutzte Anlagen bzw. Gebäude oder ohne einen gewissen Umfang erreichende Ausrüstungsfunde aus gesicherten Zusammenhängen der Nachweis kleiner oder kleinster Gruppen von abkommandierten Soldaten, die an allen möglichen Orten ihren dienstlichen Aufgaben nachgingen, niemals gelingen wird.
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Novák/Oettel 1998, 325–337; s. a. Luther 1999, 80 ff. [s. dagegen Hartmann 2001, 269 Anm. 69 mit einer abweichenden Auffassung zur Lage von Magdala und der Sphorakene; vgl. auch Gnoli 2000, 55–57 zu P. Euphr. 5]. Das „Kastell“ in der sog. Unterstadt I, das m. W. noch nicht ergraben worden ist, scheint um die Mitte des 2. Jh. n. Chr. errichtet worden zu sein; die Münzfunde reichen bis in das frühe 3. Jh. n. Chr., wohl bis zur Aufgabe des Chabur-Limes um 240 n. Chr. (spätestens aber im Frühjahr 253, während des zweiten großen Feldzuges Shapurs I., dürfte die Gegend um den Tell eingenommen bzw. zerstört worden sein). Zu Birtha und Magdala vgl. außer Luther 1999, 80 ff. auch Hartmann 2001, 269, Anm. 69. Zur Lage Magdalas an wichtigen Ost-West-Handelsrouten durch das Chaboras-Tal vgl. auch Luther 2004, 328 f. P. Euphr. 14 Z. 5 vom 21. April 241 verzeichnet in Appadana einen ¢riqmÕj Palmurhnîn, einen numerus Palmyrenorum [Feissel/Gascou 2000, 182–188; vgl. Pap. Dura 64: Reiter und muliones der 20. Palmyrenerkohorte in Appadana werden als vexillatio Appadensis bezeichnet]. Zur Lokalisierung und zur Bedeutung des Ortes, zur Funktion eines praepositus praetenturae und procurator in Appadana vgl. auch das Zeugnis der „Euphratpapyri“: Gnoli 2000, passim, v. a. 32; 58 ff.; 89 ff. und zum praepositus praetenturae v. a. 112 ff. Vgl. auch Gascou 1999, 64 u. 67 f. Zur „Normalität“ des Phänomens vgl. auch Gregory 1996, 177. Zu Dura Europos vgl. auch Konrad 2003, 247 f. und die instruktive Karte Abb. 7 auf S. 256 mit einer Kennzeichnung und Kartierung des Nachweises römischer Militärpräsenz innerhalb und außerhalb des Lagerareals. Grundsätzlich zur Problematik des Nachweises von Militär in „desert towns“: vgl. Pollard 2000, 13. Auf den Punkt gebracht von Alston 1995, 5 u. 35: „… where there were forts there were soldiers but we cannot assume that where there were soldiers there were forts“. SB XVIII 13309 (= P. Lond. III 959 descr.).
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Daß die Anwesenheit des Militärs und die Dauerpräsenz in den Städten und vielen Dörfern auf dem Land in der Umgebung, bedingt auch durch die „Multifunktionalität“ der römischen Armee als Okkupationsarmee, zu komplexen Beziehungen zwischen Militär und Zivilbevölkerung geführt haben, haben wir schon mehrfach betont. Statistisch gesehen kommt im Römischen Nahen Osten wohl ein aktiver Soldat auf 100 Zivilisten – das klingt nicht erschreckend, aber in der Tat ist es für viele moderne Betrachter im Verhältnis ein recht hoher Grad der militärischen „Durchdringung“ der Gesellschaft, der hier zum Ausdruck kommt.156 Allerdings waren hier auch in der ersten Hälfte des 3. Jh. n. Chr., in weitem Bogen von Arabia und Syrien über Cappadocia bis zur Mesopotamienfront, 10 Legionen stationiert, gut ein Drittel des römischen Legionsmilitärs, was einfach die wachsende strategische Bedeutung des Gebietes im Rahmen der historischen Entwicklungen reflektiert! Zum Vergleich: Im römischen Ägypten betrug das Verhältnis zwischen Provinzheer und Zivilbevölkerung selbst beim Höchststand der Militärkonzentration in augusteischer Zeit ungefähr einen Soldaten auf 210 Zivilisten!157 Für das von externen Feinden wenig bedrohte, relativ sichere römische Ägypten, über das man unvergleichlich besser informiert ist, geht man davon aus, daß die Gruppe der Soldaten und Veteranen bzw. Militärfamilien während der ersten beiden Jh. n. Chr. nicht mehr als 150.000 Personen zählte, also insgesamt nur 3–5 % der gesamten Provinzbevölkerung ausmachte. Welchen Einfluss hatten aber die Veteranen an der Militärgrenze des mittleren Euphrat und Chabur während der severischen Zeit, welchen in Nordmesopotamien während der Zeit der römischen Besetzung? Erstaunlich ist die geringe Zahl der bekannten Veteranen, wenn man etwa davon ausgeht, das im Schnitt pro Jahr und Legion 120–150 ausgediente Soldaten ihre Entlassung erhielten158 – bei zwei Legionen, wie in Mesopotmien und unter der Annahme, daß die Zahl der Hilftstruppen pro Provinz in etwa der Legionsmannschaften entsprach, darf man unter Normalbedingungen vielleicht von 500–600 Veteranen der Mesopotamienarmee pro Jahr ausgehen. Das wären in dem Zeitraum von 150 Jahren, den wir hier betrachten, theoretisch rund 90.000 Männer und ihre Familien. Wo sind sie geblieben? In Ägypten, Syrien oder auch in der Arabia, etwa im Umland der Garnison von Bostra, im Haurangebiet,159 sind die Veteranen als honestiores, als respektable und vermögende Mitglieder im Rahmen der Gebietskörperschaften und stadtähnlichen Ansiedlungen im Umland der Militärstandorte gut fassbar,160 auch in der Wirtschaft sowie im Bereich der lokalen Kulte, wo sie oftmals als vermögende und engagierte Stifter
156 Vgl. Kennedy 1999, 92 f. 157 Mitthof 2000, 378. Zum erstaunlichen Zahlenverhältnis Militär und Einwohner im Imperium Romanum insgesamt (ca. 450000 zu 50–80 Millionen) sowie in den Militärprovinzen (selbst in militärisch bedeutsamen Grenzprovinzen nicht einmal 5 %) vgl. Alföldy 2000, 34 mit Anm. 4. 158 Scheidel 1995, 245 u. 246 und 2007, 417 ff., hier v. a. 432. 159 Um nur wenige wichtige Beiträge zu nennen: s. für Ägypten Mitthof 2000, 377–405; für Syrien und Arabia vgl. MacAdam 1983, 103–115; MacAdam 2002b, VIII 641–652; MacAdam 2002c, X 45–62; s. a. Grainger 1995, 179–195 und Trombley 2004, 73–101. 160 Stoll 2002, 248 mit Anm. 73.
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belegt sind.161 Ihre soziale Position, ihr „Elitenstatus“ resultierte offenbar auch in einer Art Vertrauensposition in der lokalen Zivilbevölkerung. Veteranen lassen sich in einer „Vermittlerrolle“ zwischen Soldaten, Verwaltung, Behörden und Zivilisten beobachten.162 Auch in den Dura Papyri lassen sich solche sozialen und wirtschaftlichen Verbindungen erkennen und die Rolle der ausgedienten Soldaten für die „Romanisierung“ des flachen Landes erahnen – ökonomische, gesellschaftliche Einflußnahmen, kulturelle Impulse: Wir haben hier eine Gesellschaftsschicht vor uns, die durch den Dienst für Rom geprägt war und zumindest einen Teil ihrer kulturellen Identität auch aus dieser Tatsache bezog, Veteranen spielen bei der Ausbreitung „römischer Werte“ in der Peripherie des Imperium und als Bindeglieder zwischen Militär und Zivilbevölkerung ohne Zweifel eine besondere Rolle.163 In einem griechischsprachigen Papyrus (= Pap. Dura 26), einem Kaufvertrag über Weinland aus dem Jahr 227 n. Chr., finden wir Veteranen, aktive Soldaten und Zivilpersonen vereint. Das Dokument ist ™n Sac£rh paraceimas…a spe…rhj g/ SebastÁj Qrakîn, also in Sachare,164 dem Winterlager der durch Militärdiplome für Syrien seit spätflavischer Zeit belegten cohors III Augusta Thracum (etwa CIL XVI 35; 106), zu der der Veteran und Käufer Iulius Demetrius (p£lai stratièthj) einst gehörte, ausgestellt. Die überwiegend lateinisch signierenden Zeugen des Vertrages (fünf an der Zahl) sind fast alle aktive Militärs, genauer principales der Truppe. Verkäufer ist eine einheimische Zivilperson namens Otarnaeus, Sohn des Abadabus, aus dem Dorf Sachare-da-hawarae („Weiße Staustufe“). Für den illiteraten Verkäufer hat ein anderer Veteran (oÙetranÒj) namens Aurelius Salmanes unterzeichnet und den Verkauf sowie den Erhalt des Geldes bestätigt. Aus den Grenzangaben des Grundstückes, das in Zaira-da-sacharae, genauer einem Platz, der Qarqapta („Blanke Höhe“) heißt und auf dem Gebiet des Dorfes des Verkäufers liegt, wird klar, daß der „altgediente Soldat“ vor Ort, in der Nähe seiner alten Garnison,165 bereits Land besitzt: im Westen ebenfalls einen Weingarten, und auch im Norden scheint ein Landkompartiment, das bereits dem Käufer gehört, an das etwa zwei Morgen große Landstück anzugrenzen, das er mit seinen 600 Weinstöcken für 175 Denare kauft.166 Im Osten grenzt das Land an einen Wasserkanal und den Chabur. Die Wertschätzung der Veteranen und ihre Vertrauensposition kommen auch in anderen Dokumenten zum Ausdruck, etwa in Pap. Dura 30 (Okt. 232 n. Chr.), dem Ehevertrag zwischen einem aktiven Soldaten der cohors XII Palaestino-
161 Grundsätzlich vgl. Stoll 2001e, Index s. v. Veteranen. Konkrete Beispiele für Stiftungen durch Veteranen vgl. Stoll, 2002, 277, Anm. 265. 162 Zur Mittlerrolle der Veteranen vgl. etwa Pollard 2000, 159 ff. 163 Etwas zurückhaltend vgl. Butcher 2003, 401 f. Selbst Pollard 1996, 220 bewertet dagegen die Rolle der Veteranen als kulturelle und soziale „Mediatoren“ positiv. 164 Zum Ort vgl. Luther 2002, 3 f. 165 Vgl. dazu auch Welles 1951, 271. Zu den Papyri, die sich auf die Anwesenheit von Veteranen im Khaburtal beziehen, vgl. auch Pollard 2000, 63 f. u. 161 mit Anm. 197. Vgl. auch Butcher 2003, 144. 166 Zum Weinbau in der Umgebung von Dura Europos vgl. die Bemerkungen bei Ruffing 2000, 76 f. Nach seiner Einschätzung ist die Kultivation von Wein in der Region intensiv betrieben worden.
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rum,167 die in Quatna stationiert ist, namens Aurelius Alexander und einer Einwohnerin dieses Dorfes namens Aurelia Marcellina. Auch hier ist der Vertrag im Standort der Einheit des Soldaten ausgeführt worden: ™n K£tnh paraceimas…a spe…rhj Dwdek£thj ... ea. ianwn Palaisteinî SeouhrianÁj ‚AlexandrianÁj. Der Veteran Faustinus Avianus bestätigt den Vertrag für die illiterate Frau und ihre Familie durch seine Unterschrift. In Pap. Dura 31 (204 n. Chr.) fungiert ein weiterer Veteran namens Iulius Germanus als Zeuge in einem Scheidungskontrakt. Das betreffende Ehepaar lebt im Dorf Ossa, nahe der Chaburmündung, wenig nördlich von Dura Europos (?), in dem auch der Vertrag ausgestellt worden ist. Schließlich beruft der Petitionstext der Bathsabbatha aus dem Dorf Magdala (Komé) in der Sphoracene (Pap. Euphr. I 5; 27. Mai 243 n. Chr.) an Iulius Marinus, den (˜katÒntarcoj) tî ™pˆ tÁj eÙtax…aj SfwrakhnÁj, einen Veteranen namens Barsemaios und einen aktiven Soldat der XVI Flavia Firma namens Aurelius Abilaas als Zeugen für die Rechtmäßigkeit der erhobenen Klage. Beide, Soldat und Veteran, sind ausdrücklich als ¥ndraj ¢xiocršouj, also als „ehrenwerte Männer“, bezeichnet. Ich denke, wir fassen hier den Reflex echter sozialer Wertschätzung und Nähe. Ex-Soldaten waren in der dörflichen Gemeinschaft, in der sie siedelten, von einer gewissen Prominenz, und die Dorfbewohner entlang des mittleren Euphrat hatten, wie diese papyrologischen Zeugnisse vermuten lassen, regelmäßig und alltäglich mit ihnen zu tun. Angesehen waren sie also, „Notabeln im agrarisch-dörflichen oder kleinstädtischen Milieu ihres Wohnortes“, so Sommer,168 der das Khaburtal optimistisch als gutes Beispiel für eine beginnende soziale Transformation einer ganzen Region durch die Ansiedlung von Veteranen bezeichnet und ehemaligen Soldaten in der Osrhoene eine vergleichsweise große Rolle zuweisen möchte. Hier besteht allerdings noch deutlich ein Mangel an entsprechenden Belegen. 4. Singara und Resaina, noch einmal: Städte, verschwindend im Nebel des 3. Jh. n. Chr. Ammian charakterisiert (Amm. 20, 6, 9)169 die Stadt Singara trotz ihrer turm- und zinnenbewehrten Festungswerke und Mauern, ihrer Kriegsmaschinen und Munitionsvorräte als schwer verteidigbar, denn im Ernstfall waren Entsatzmöglichkeiten weit entfernt, vor allem auf die Ferne von Nisibis wird hier hingewiesen, dazu wird aber auch vermerkt, daß die Gegend an Wassermangel leide, was eigentlich nach dem eingangs zur Lage der Stadt Gesagten etwas verwundert. Mehrere Male jedenfalls fielen Stadt und Garnison in Feindeshände (vgl. Amm. 19, 9, 9, wo noch einmal die vielen Schlachten um Nisibis und Singara erwähnt werden), wie Ammian
167 Zu diesem Regiment vgl. auch die kurzen Bemerkungen bei Isaac 1992, 106, v. a. aber Luther 2002, 4 f. 168 Sommer 2005, 106 und Anm. 25; vgl. a. 249 u. 257 (mit dem Hinweis auf eine mögliche Identifizierung weiterer römischer Veteranen in der Osrhoene durch Namenmaterial [nicht überzeugend]), 327 f. 169 Zu dieser Passage s. auch Isaac 1992, 252 und Millar 1993b, 128.
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sagt, waren diese relativ häufigen Verluste der Verteidiger zum Nachteil der römischen Sache. Das gesamte Gebiet war vor allem während der für Rom schweren Jahre der agressiven Kriegszüge Shapurs I. andauernd Schauplatz schwerer Gefechte: Die Ereignisse der Jahre 241–244 n. Chr., in denen der „König der Könige“ das römische Mesopotamien mit den Städten Nisibis, Edessa und Carrhae besetzt hatte, die Gegenoffensive Gordians III. und den Schandfrieden des Philippus Arabs (244– 249 n. Chr.) mit Shapur170 haben wir schon gestreift. Für Mesopotamien hatte der sog. Schmachfrieden doch eine Wiederherstellung der römischen Kontrolle bedeutet, denn der Friedensvertrag enthielt keine territorialen Bestimmungen, also etwa Gebietsabtretungen im „Land zwischen den Flüssen“. Im Jahr 252 n. Chr. kam es zu einem neuen Ausbruch der kriegerischen Auseinandersetzungen und im Frühjahr 253 n. Chr.171 erfolgte der zweite große Schlag des Shapur gegen die römischen Ostgebiete. Die Truppen der Neuperser verheerten Syrien und drangen bis Antiochia vor – im Zuge dieser Ereignisse wurde in dramatischem Kampf wohl 256 n. Chr. (oder besser 256/257 n. Chr.) auch die Festung Dura Europos am Euphrat zerstört,172 Singara dürfte – wie Dura auch – zwischen 250 und 260 n. Chr. besetzt worden sein.173 Die Beschädigung römischer Macht an der römischen Militärgrenze an Chabur und mittlerem Euphrat war irreparabel, die Balance der Großmächte verschoben. Im dritten Krieg des Shapur, im Frühjahr 260 n. Chr., gelang dem König der ultimative Erfolg gegen den römischen Feind: Während der massiven Schläge gegen das westliche römische Mesopotamien, bei denen auch Edessa und Carrhae belagert wurden, geriet der römische Kaiser Valerian, der seit Anfang des Jahres 254 n. Chr. im Osten weilte, nach einer vernichtenden Niederlage im Juni 260 n. Chr. in einer Schlacht bei Edessa in Gefangenschaft.174 Shapur konnte in Syrien, Kilikien und Kappadokien frei plündern und zerstören, töten und verschleppen. Das strategische Ziel der sasanidischen Offensiven zwischen 252 und 260 n. Chr. war die Annexion der Provinz Mesopotamien:175 Das Gebiet um Carrhae und 170 Zu diesem Kaiser und der Bewertung seines Handelns vgl. nun Körner 2002; ebd. 75–90 zum Tod des Vorgängers in der antiken Überlieferung, 120 ff. zum Perserfrieden. 171 Vgl. Hartmann 2001, 71 f. mit weiterer Lit. und Hartmann 2006, 106 mit Anm. 5. 172 Zum Datum vgl. etwa Macdonald 1986, 45–68 und James 1985, 111–124; ferner Millar 1993b, 162. S. a. Hartmann 2001, 80 f. mit Anm. 67; 130. Zu den chronologischen Problemen der Rekonstruktion der verschiedenen militärischen Unternehmungen der Jahre zwischen 253 (oder 252/253 n. Chr.?) und 256/257 n. Chr. vgl. die Hinweise bei Winter/Dignas 2001, 41 f., Anm. 82 und s. a. Luther 1999, 77 f. mit Anm. 2. 173 Singara: Oates 1968, 99; Hartmann 2001, 141 mit Anm. 59 (Anfang der 50er Jahre, noch vor Nisibis); Gregory 1995, II 105. Offenbar war Dura ebenfalls, vielleicht 253 n. Chr. (oder: „zwischen 252 und 254 n. Chr.“), kurzfristig in die Hände des neupersischen Feindes gefallen: Grenet 1988, 1–25; Millar 1993b, 162 und Hartmann 2001, 80, Anm. 67. 174 Verwiesen sei hier nur auf Kettenhofen 1982, 97–99; vgl. jetzt auch Luther 2006, 205 f. 175 Hartmann 2001, 70 f. u. 140. Zu einer gewissen „strategischen Fixierung“ der Sasaniden auf Nordmesopotamien vgl. auch Butcher 2003, 53 f. Zum kritisch zu betrachtenden politischen und strategischen Konzept der Einforderung des Achämenidenerbes und der römischen Gebiete bis zum Bosporus vgl. die „Literaturschau“ mit den wichtigsten Beiträgen bei Hartmann 2006, 106 Anm. 3.
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der östliche Teil dieser Provinz waren jetzt offenbar besetzt (u. a. Aur. Vict. de Caes. 33, 3; Eutr. 9, 8, 2), die Region um Nisibis war vielleicht schon seit 252 und bis 262 n. Chr. in den Händen der Perser, während das Gebiet um Edessa auch um die Mitte des 3. Jh. n. Chr. römisch kontrolliert blieb – Shapur hatte die Stadt auch 260 n. Chr. nicht einnehmen können. Konkrete Informationen und Quellen zum Schicksal der Städte und Garnisonen Resaina und Singara liegen für die zweite Hälfte des 3. Jh. nicht vor. Hartmann vermutet, Shapur habe die beiden Garnisonen spätestens 259 n. Chr. in seine Gewalt bekommen und dann, im Frühjahr 260 n. Chr. eben Carrhae und Edessa belagert, während – wie bereits erwähnt – Singara wohl schon seit Beginn der 50er Jahre persisch besetzt gewesen sein dürfte. Das genaue Datum der Einnahme Resainas – sicher zwischen 252 und 259 n. Chr. bleibt vorerst weiter unbekannt176 – und auch die Folgezeit, von der Gefangennahme des Valerian bis zur Neuordnung des Ostens durch Diocletianus gehört insgesamt zu den „dunkelsten Abschnitten der Geschichte des römischen Orients“.177 Die Position Roms erstarkte erst wieder nach dem Tod Shapurs (ca. 271 n. Chr.) und mit dem Prinzipat Aurelians und dann vor allem unter Diokletian (respektive dem Caesar Galerius), unter dem sich das militärische Schwergewicht Roms noch einmal deutlich in den Osten verschob; der römische Machtbereich wurde wieder, wie in den Tagen seit Septimius Severus, durch den Unterlauf des Chaboras, die Region um den Djebel Sindjar mit Singara und den Tigris begrenzt, doch können wir die allgemeinen Entwicklungen hier nicht weiter verfolgen. Singara jedenfalls kam vielleicht spätestens seit Carus (283 n. Chr.),178 der ohne auf nennenswerten Widerstand zu stossen in Mesopotamien offensiv wurde und bis Ktesiphon vorrückte, wieder unter römischer Kontrolle (während Resaina vielleicht schon bei der Rückeroberung von Carrhae und Nisibis 262 n. Chr. durch den dux Odaenathus, der bis 263 n. Chr. die von den Persern eroberten Teile der römischen Provinz Mesopotamien zurückgewann und die sasanidisch gehaltenen Städte des Gebietes einnahm, wieder besetzt werden konnte), aber seine Geschichte bleibt im Grunde in der zweiten Hälfte des 3. Jh. n. Chr. nebulös179 – vielleicht war das Gebiet römisch – oder wenigstens hielten sich einzelne Städte bzw. römische Stadtgarnisonen, oder es war eine Art Niemandsland, vielleicht auch mehr oder weniger durchgängig (mit zwei 176 177 178 179
Hartmann 2001, 140 f. mit Anm. 57–59, vgl. aber auch 173. So Luther 2006, 203. Dazu vgl. auch Luther 2006, 211–213. So Oates 1968, 99; s. a. Hartmann 2001, 141, Anm. 59; 168; 173; Nisibis wurde allerdings durch Odaenath zerstört – die Einwohner der Stadt hatten bereits seit der Einnahme durch Shapur in den frühen 50er Jahren mit den Sasaniden sympathisiert (Zos. 1,39,1; zu dieser Episode vgl. auch Luther 2006, 209; zur „normalen Haltung“ der Städte gegenüber den Persern vgl. die Bemerkungen bei Harl 1987, 90 f.). 268/269 n. Chr. fielen die Sasaniden erneut in Nordmesopotamien ein, konnten aber von den Soldaten der Zenobia auf das eigene Gebiet zurückgedrängt werden. Zwischen 272 n. Chr. und der Besetzung durch Carus scheint das Gebiet der Mesopotamia erneut von den Sasaniden erobert worden zu sein, es wurde im Frieden von Nisibis (298 n. Chr.) jedenfalls offiziell an die Römer zurückgegeben – vgl. auch Hartmann 2001, 173 mit Anm. 43; 268. Zum Frieden von 298 vgl. auch Winter/Dignas 2001, 50 u. 144 ff. Festus (Fest. 14) fasst das „Hin- und Her“ der Besetzung Mesopotamiens bis Diokletian in der Formel zusammen: „quater amissa, quater recepta“. Dazu auch Winter 1988, 128 ff.
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Unterbrechungen, nämlich ca. 262–274 und dann 283 n. Chr.) bis zum Frieden des Narseh mit Diocletian 298 n. Chr. persisch besetzt?180 Für das römische Gebiet zwischen Euphrat, Chaboras und Tigris mit seinen Städten, auch für Resaina und Singara, fehlen fast flächendeckend die entsprechenden Quellen, vor allem Inschriften und archäologische Zeugnisse,181 aber eben auch die Städtischen Münzen, was die Ratlosigkeit, was den Status von Nordmesopotamien in der zweiten Hälfte des 3. Jh. n. Chr. angeht, leicht erklärt. Singara geriet in jener Zeit immer mehr in die von Ammian geschilderte „strategische Abseitsposition“ und wurde später durch Shapur II. (Amm. 20, 6, 8) erneut belagert und erobert: Unter Constantius II. (337–361 n. Chr.) kam es im mesopotamischen Raum zu einer ganzen Anzahl mehr oder weniger schlecht bekannter Auseinandersetzungen. Festus 27 redet von neun Schlachten, darunter auch einer bei Singara (wohl 344? n. Chr.), bei der der Kaiser selbst anwesend war.182 Die Kämpfe konzentrierten sich auf die strategisch und ökonomisch bedeutsamen städtischen Zentren wie Nisibis – das etwa in diesen Jahren dreimal vergebens belagert wurde –, Konstantia, Amida und Singara. 359 n. Chr. gerieten viele Soldaten der mittlerweile – seit den Veränderungen an der Stationierung der Grenztruppen und der Neuformation der Legionsregimenter durch Diokletian – in Singara stationierten beiden Legionen (legio prima Flavia Constantia, legio I Parthica) in Gefangenschaft und wurden mit gefesselten Händen deportiert: „… vinctis manibus ducebantur …“.183 Im „Frieden“ (oder „Schandfrieden“: Amm. 25, 7, 13) des Iovian mit Shapur verzichtete 363 n. Chr. der römische Imperator auf die unter Diokletian gemachten Eroberungen, sicherte den Rückzug aus Armenien zu und gab das den Zugang ins westliche Mesopotamien zwischen Jebel Sinjar und Tigris überwachende, strategisch und handelspolitisch überaus bedeutsame Nisibis184 und Singara preis. Einwohner und Garnisonstruppen räumten, wie im Vertrag vereinbart, die Stadt und die abzutretenden Festungsanlagen (Amm. 25, 7, 11) – wenigstens blieb ihnen so das Schicksal von Gefangenschaft und Deportation185 erspart. Das Sasanidenreich stand nach diesem militärstrategischen und ökonomischen Zuge180 Luther 2006, 203 f. mit Anm. 3 u. 5; 206 f. 181 Darauf hat jüngst noch einmal Luther 2006, 203 hingewiesen. Ebd. zu der These einer sasanidischen Besetzung des Gebietes. 182 Winter/Dignas 2001, 106 f. mit Verweis auf Mosig-Walburg 1999, 330 ff. (sog. „Nachtschlacht“ von Singara). 183 Zu dieser Passage und der Behandlung von Kriegsgefangenen auf dem „Kriegsschauplatz Naher Osten“ vgl. jetzt Stoll 2007, 117–149, hier 127. 184 Zur besonderen ökonomischen Rolle der Stadt und zum „Feuereifer“ der Bewohner im Osthandel vgl. die Expositio totius mundi et gentium 22: „… was sie von den Persern an Gütern erhalten, verkaufen sie selbst in das ganze Land der Römer, und was sie in römischem Gebiet kaufen, handeln sie wiederum weiter an die Perser …“. Zur Quelle vgl. Drexhage 1983, 3 ff., insbes. 16 und jetzt auch v. a. Ruffing 2004, 88–130. Zu dieser Passage vgl. auch Winter/Dignas 2001, 209 ff. und Ross 2001, 15. Zur strategischen Bedeutung der Stadt, die nicht umsonst etwa von Septimius Severus in seinen beiden Partherkriegen als Operationsbasis gewählt wurde vgl. etwa Kissel 1995, 60 f. und dazu auch die bereits zitierte Passage aus der Expositio, die Nisibis auch wegen der weithin bekannten Stadtmauern rühmt, die Stadt mache „im Krieg immer die Tapferkeit der Perser zunichte“. 185 Wichtige Hinweise zu diesem Problemfeld finden sich bei Winter/Dignas 20001, 257 ff.
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winn auf einem Höhepunkt seiner Macht, während das Römische Reich durch den Verzicht auf große Teile Nordostmesopotamiens und den Verlust der beiden Städte einen gehörigen Prestigeverlust erlitten hatte.186 III. STÄDTISCHE MÜNZEN UND STADTIDENTITÄT Was Gebhardt187 zu Recht für Syrien in vorseverischer Zeit konstatierte, daß nämlich eine umfassende Untersuchung zu den Wechselwirkungen zwischen der römischen Sicherheitskonzeption und den militärischen Erfordernissen auf der einen und der Binnengeschichte des Raumes auf der anderen Seite fehle, darf zwar in der Zwischenzeit vielleicht für Syrien überholt sein, es gilt aber ganz sicher noch für die Geschichte der römischen Präsenz in Nordmesopotamien. Und hier wie da ist die spezifische Stationierungssituation der römischen Truppen in Städten, deren Wahl zum Truppenstandort ja neben politischen und militärstrategischen Erwägungen auch durch verkehrstechnische und wirtschaftliche (Logistik!) Erfordernisse und Gegebenheiten mitbestimmt wird, für eine entsprechende Untersuchung dieser Fragestellung m. E. von essentieller Bedeutung. Insbesondere die Städtischen Münzprägungen sind nach meiner Auffassung nicht zu vernachlässigende Indizien für das Zusammenspiel zwischen Kaiser, Heer und Städten und damit, ganz allgemein, aber durchaus in mehrfacher Hinsicht („Stadttitel“ in der Legende; Bildwelt der Reverse etc.), auch für innerstrukturelle Entwicklungen der Provinzen Roms. Wir müssen uns aber darüber im Klaren sein, welchen Zeitraum wir hier, im vorliegenden Fall, betrachten: Die römische Okkupation Nordmesopotamiens dauerte gerade einmal etwas weniger als 170 Jahre, wenn man ab der Einrichtung der severischen Provinzen bis zum Frieden des Iovian rechnet. Indem wir hier ausschnitthaft die Städtische Münzprägung von Resaina und Singara betrachten, fassen wir sogar noch einmal ein noch kleineres Segment von etwa 40 Jahren aus diesen Ereignissen und historischen Prozessen (s. u.). Die Prägungen stammen aus den Principaten des Caracalla, Elagabal, Severus Alexander (211–235 n. Chr.) und des Trajanus Decius (249–251 n. Chr.) für Resaina und aus der Herrschaft Gordians III. 238–244 n. Chr. für die in Singara geprägten Münzen. Die betreffenden Provinzialprägungen erlöschen ohnehin kurz nach Mitte des 3. Jh. n. Chr.188
186 Vgl. etwa Winter/Dignas 2001, 53 u. 155 ff. (zu Amm. 25, 7, 9–14). 187 Gebhardt 2002, 10. 188 Siehe etwa Millar 1990, 9 f. und Harl 1987, 94 u. 95 ff.; Howgego 2000, 117; 133; 159 f.; weitere Hinweise auf entsprechende Lit. bei Stoll 2001e, 380 f. Zum Ende der Provinzialprägungen im Westen vgl. RPC I, 18 f. Vgl. vor allem die generelle Diskussion der (ökonomischen) Gründe für die Einstellung der städtischen Münzprägung bei Ziegler 1993, 153 ff.
Kentaur und Tyche – Symbole städtischer Identität?
RESAINA III PARTHICA
SINGARA I PARTHICA
– Caracalla – Elagabal – Severus Alexander – Trajanus Decius
– Gordian III/Tranquillina
211–217, 218–222, 222–235, 249–251 n. Chr.
238–244 n. Chr.
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Bei den sogenannten Greek Imperials oder Kaiserzeitlichen Stadtprägungen handelt es sich um Bronzemünzen, die in der Verantwortung städtischer Behörden bzw. lokaler Beamter (auch als „Stifter“, etwa als „Festbeamte“ bei der Bereitstellung von entsprechenden Emissionen)189 in unregelmäßigen Abständen geschlagen wurden und, außerhalb der Reichsprägungen stehend, vor allem in Legenden und Reversbildern starke lokale Bezüge aufweisen:190 Sie dienen neben dem „Lob der eigenen Stadt“, der öffentlichen Bauten, Tempel und der eigenen Götter und Feste,191 als Reflex des städtische Lebens und traditioneller, v. a. religiöser oder politischer 189 Zu Prägerecht und Organisation der Münzprägung vgl. Ziegler 1993, 131 ff.; Nollé 1993, 487– 504; zur Frage der Zuständigkeit bei Themenwahl und Bildaussage vgl. auch Lindner 1994, 23 f. Zum Zusammenhang Magistrate/Liturgien und Münzprägung s. Harl 1978, 96 ff. Übernahme von Prägekosten und dem finanziellen Aufwand bei der Prägung (Bronzebarren, Stempelherstellung, Lohn und Unterhalt für das Prägepersonal) als „leiturgia“: s. Ziegler 1993, 70 u. 133 f. Speziell zu den Liturgien und auch zu Soldzahlungen, die die Städte z. T. „im Auftrag“ (Aufgaben der städtischen Beamten im öffentlichen Geld- und Kassenwesen) verwalteten, vgl. Drecoll 1997, 138 ff. u. 210 ff. 190 Allgemein vgl. immer noch die gute Einführung von Butcher 1988 und die Einleitung in RPC I, 1–19; ferner zwei programmatische Beiträge zum Internationalen Kolloquium zur kaiserzeitlichen Münzprägung: J. Nollé 1997, 11–26 und Weiss 1997, 27–36. Für die provinziale Münzprägung Syriens und des Nahen Ostens vgl. jetzt auch die einführenden Bemerkungen bei Butcher 2003, 212 ff. 191 Grundsätzlich zum Beitrag der städtischen Münzen zur Religions- und Kulturgeschichte bestimmter Städte und Regionen vgl. etwa Lichtenberger 2003, 1–4 und auch Belayche 2001, 38 ff. Kritischer – m. E. überzogen: Kaizer 2006b, 45 (Münzbilder seien „kollektive“ Bilder, böten damit aber auch eine „offizielle Fassade“ des religiösen Lebens. Fazit „they do not always provide a reliable picture of the local divine world“). Lokale Mythen: vgl. Price 2005, 115–124. An dieser Stelle ist zusätzlich der gegebene Zusammenhang zwischen der kaiserlichen Genehmigung zur Einrichtung von Spielen (Feste als Bühne städtischer Selbstdarstellung!), also dem Ausbau des städtischen Festwesens im griechischen Osten, und den Perserkriegen zu betonen: Die entsprechenden Privilegien wurden im Vorfeld der kriegerischen Auseinandersetzungen und im Zusammenhang mit den notwendigen Truppenverschiebungen verliehen und gelten als eine Art „Seismographen“ für kritische Situationen an der Ostgrenze des Imperium: dazu s. Ziegler 1985, 125 f. Zur Bedeutung des Festwesens (ökonomisch, politisch/ Zusammenhang mit dem Kaiserkult) und zum Reflex in der lokalen Münzprägung allg. vgl. auch Klose 2005, 125–133, ebd. 131 ff. zum 3. Jh. n. Chr. und den geschilderten Zusammen-
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Werte, sozusagen als „tool of local propaganda“ (Bild und Legende mit Ethnikon und Stadttiteln tragen zur Unverwechselbarkeit bei). Vor allem aber dienen sie auch der Demonstration politischer Loyalität gegenüber dem Kaiser und Rom und damit letztlich auch dem Machterhalt der verantwortlichen städtischen Eliten.192 Die städtischen Prägungen werden als Ausdruck kollektiver Identität der jeweiligen Städte interpretiert,193 als „offizielles Medium einer Stadt in ihrer Selbstdarstellung nach außen und gegenüber ihren Bürgern“,194 wobei die Prägung von Münzen die PolisFiktion von städtischer Unabhängigkeit195 insgesamt verstärkte. Die städtischen Eliten formulierten die politische Propaganda „dazu“ oder moderierten bzw. vermittelten imperiale Politik. Durch die Steuerung der öffentlichen Meinung und die Selbstdarstellung im Rahmen des „Systems“ wurde Loyalität propagiert und vermittelt – allein in der Regierungszeit des Septimius Severus sind über 360 „Prägestätten“196 oder „Prägeorte“ im griechischen Osten des Imperiums zu verzeichnen. Im beginnenden dritten Viertel des 3. Jh. n. Chr., kurz nach der Mitte des Jh., ist das komplette Verschwinden dieser Quellengattung zu konstatieren, entsprechende Münzen wurden anscheinend nicht mehr geprägt.197 Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Prägetätigkeit der Städte und der Prägerhythmen mit Kaiserreisen und Truppenverschiebungen in Richtung Ostfront des Römischen Reiches und auch mit den damit zusammenhängenden logistischen Funktionen der städtischen Siedlungen im Verlauf des Aufmarsches. Die Perserkriege von Septimius Severus bis Valerian und Gallienus gelten als eine Art besonderer Impetus für den Anstieg lokaler Münzprägetätigkeit.198
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hängen (vgl. z. B.: 26 Städte des „Aufmarschgebietes“ mit agonistischen Themen unter Gordian III; 48 Poleis unter Valerian und Gallienus mit entsprechenden Reversbildern!). Viele der damit zusammenhängenden Fragen hat Harl 1978 behandelt, etwa ebd. 6; 8 f.; 15 f.; 35 f.; 73 ff.; 96 ff.; 236 ff.; Harl 1987, 21 ff. Zur Bedeutung der Eliten/Magistrate für die Münzprägung der provinzialen Städte vgl. exemplarisch jetzt auch Spoerri Butcher in RPC VII, 44 ff. Viele Hinweise finden sich auch bei Weiss 2005, 57–68. Vgl. u. a. Millar 1993a, 243 f. Hierher gehört auch, daß etwa die in Kleinasien und dem römischen Nahen Osten verbreiteten städtischen Rivalitäten die Motivwahl der Münzreverse nachdrücklich beeinflußten – dazu s. Ziegler 1993, 129. Insbes. vgl. Howgego 2005, 1–17 zeigt, wie kollektive Identität auf den Münzbildern „konstruiert“ wird (Themen: z. B. Lokale Religion und Götter, Tempel/Öffentliche Bauten, Mythologien/Geschichte, Zeitrechnung/Sprachwahl; geographische Verortung/ethnische Zuordnung durch Bild und Text; politische Zuordnung, z. B. durch Wahl „römischer“ Bildthemen, wie der „Koloniegründungs-Thematik“, sulcus primigenius, Fahnen etc.). Lichtenberger 2003, 2. Vgl. auch die interessante Fallstudie von Butcher 2005, 143–156. Zur „Tradition“ s. etwa Harl 1978, 82 und Harl 1987, 21 ff. Zu den polis-Werten, um die es hier geht, als Maßstab des Handelns in den Städten des Nahen Ostens vgl. Butcher 2003, 224 ff., allgemeiner vgl. auch Sommer 2005, 81 ff. Zu Polis und Prägerecht vgl. auch Ziegler 1993, 132. Zum kulturhistorischen Hintergrund vgl. auch allgemein Woolf 1993/94, 116–143. Zur Bedeutung der Regierungszeit des Septimius Severus und des weiteren 3. Jh. n. Chr. für das Städtewesen in der Region vgl. Millar 1990, 31 ff. und Millar 1993a, 245. S. Appendix 1 zu den „Städtischen Münzen“ bei Harl 1987, 107. Zu den „Münzstätten“ in der Arabia und Mesopotamien vgl. Hill 1916, 135 ff. Millar 1993a, 244: Besteht hier ein Zusammenhang mit der Christianisierung? Unklare Gründe: Millar 1993b, 257. Harl 1978, 251 f.; Ziegler 1993, 71 f.
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1. Münzen, Militär und Geschichte des 3. Jh. n. Chr. Wie bereits Bellinger199 bei der Analyse des Münzmaterials aus Dura Europos vermutete und nach ihm vor allem Ziegler200 und Rebuffat201 mit Bezug auf die Prägungen kleinasiatischer und vor allem ostkilikischer Städte durch entsprechende Analysen des numismatischen Quellenmaterials und der zugehörigen Bildwelt schlagend nachweisen konnten, besteht ein enger Zusammenhang zwischen den Orientfeldzügen römischer Kaiser und den damit zusammenhängenden Truppenverschiebungen und dem unregelmäßigen Auftreten sowie dem Umfang der Stadtprägungen. Um die Prägetätigkeit der Städte und die zu beobachtenden Prägerhythmen zu verstehen, ist es also notwendig, deren Korrelation mit Kaiserreisen und Truppenverschiebungen in Richtung Ostfront des Römischen Reiches und auch ihren Zusammenhang mit den damit verbundenen logistischen Funktionen der städtischen Siedlungen im Verlauf des Aufmarsches zu erkennen. Allgemeiner ausgedrückt:202 Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen städtischem Münzausstoß und Truppenpräsenz und zwischen Regional- und Stadtentwicklung und römischen Sicherheitsinteressen im Rahmen der Auseinandersetzungen mit den Sasaniden. Es wäre eigenartig, wenn die feste Stationierung von Truppen in Städten des Gebietes, also die „perpetuierte Truppenpräsenz“ nicht eine vergleichbare Auswirkung gehabt hätte, die entsprechend auch in den Reversbildern ihren Niederschlag gefunden haben müßte. Diese Vermutung hat sich vielleicht mittlerweile bestätigt.203 In einem besonders günstigen Fall, in Bostra, der Hauptstadt der Arabia, dem Standort der legio III Cyrenaica, läßt sich eine entsprechende regionale Entwicklung auch am Münzbild der städtischen Reverse nachvollziehen und auch für andere Legionslager des Nahen Ostens ist dies in beschränkterem Umfange möglich: Hier findet über eine allgemeine militärische Thematik hinaus (wie das etwa in Kleinasien mit den vielen, austauschbaren Abbildungen von römischen signa der Fall ist)204 eine Ausbildung individueller Schemata statt, die eine Aussage zum Verhältnis einer Stadt und ihrer jeweiligen Garnison erlauben und die betreffenden Betrachtungen nicht nur zu einem Beitrag zur Ereignisgeschichte des 3. Jh. n. Chr. machen, sondern auch einen eigenen, wichtigen, kultur-, sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Wert besitzen. Was allgemein mit Bezug auf kaiserzeitliche Städteprägungen gefordert wird, daß nämlich die literarische, epigraphische oder archäologische Überlieferung im Zu199 Bellinger 1949, 204 ff. 200 Vgl. Ziegler 1985, 130 ff., v. a. 137 ff.; Ziegler 1993, 67 ff.; Ziegler 1996, 119–134. Zu Kilikien vgl. auch die wichtige Studie von Weiss 1983. Speziell zum Feldzug Gordians III. und seinen Auswirkungen auf die Städteprägungen vgl. jetzt Spoerri Butcher in RPC VII, 27; 60ff; 92 ff. und ebd. 57 ff. auch allgemein zu den Prägerhythmen des 3. Jh. n. Chr. insgesamt (konkret: 222–270 n. Chr.). 201 Rebuffat 1997. 202 Zur „historischen Dimension“ der Beobachtung des Münzausstoßes im Zusammenhang mit politischen Krisen und Orientfeldzügen vgl. insbes. prägnant Ziegler 1996, 119–134. S. jetzt auch Gebhardt 2002, 14–16 mit weiteren Literaturhinweisen. 203 Vgl. Stoll 2003a, passim. 204 Rebuffat 1997, passim; vgl. auch Harl 1978, 269 ff. u. 287.
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sammenhang mitberücksichtigt werden muß,205 um zu einer entsprechend fundierten Interpretation zu gelangen, die Bild und Legende der Reverse überzeugend entschlüsseln kann, läßt sich hier mit Gewinn zeigen. Ferner lassen sich aus der Zusammenschau der Prägungen von Städten und Regionen zumal für das dritte Jahrhundert n. Chr. Strukturmerkmale der Provinzgeschichte und Zusammenhänge mit der Reichsgeschichte allgemein erschließen.206 Die Bedeutung des Militärs für die Münzprägung, die Eröffnung von Münzstätten, für die Münzzirkulation und Münzdiffusion haben in den letzten Jahren verschiedene Autoren für unterschiedliche historische Situationen und Szenarien des 1. bis 3. Jh. n. Chr. durchgespielt.207 Bei dem Anteil, den die Unterhaltung und regelmäßige Bezahlung der Truppen, die Sonderzuwendungen an die Soldaten und die Versorgung der Veteranen am Staatshaushalt ausmacht, nämlich annähernd 70%,208 mag auch allgemein die Rolle des Militärs als Katalysator für die Ausbreitung römischer Münzwirtschaft und die Entwicklung der Wirtschaft von vorneherein wenig verwundern. Der entscheidende und auslösende Faktor für jede Entwicklung auf dem Gebiet der Münzgeldwirtschaft ist in den Grenzzonen des Imperiums die Präsenz einer größeren Anzahl römischer Truppen gewesen. Ein recht interessanter Aspekt, der im Verlauf der genannten Untersuchungen betont worden ist, ist die nicht unwahrscheinliche Möglichkeit, daß der Sold in weit erheblicherem Maße, als bisher angenommen, etwa in der frühen Kaiserzeit, auch in Bronzenominalen der Reichsmünze ausgezahlt werden konnte – trotz der langen Transportwege in die Nordwestprovinzen und dem immensen Metallgewicht, das zu bewegen war, um die Truppen auszubezahlen!209 Schnell gelangten diese Nominale im Grenzbereich vermittels aller möglicher Transaktionen in den weiteren Umlauf, aber wie bei gegengestempelten Münzen, bedeutete das nicht zwangsläufig eine Zirkulation über weite Strecken, sondern eher in „begrenzten Räumen“,210 der „Garnisonszone“, wie ich das nennen möchte, in der eben die Konzentration potenter Konsumenten eine evidente Steigerung und auch eine gewisse Zentrierung ökonomischer Trans205 Nollé 1997, 21 u. 26. Die Forderung der Interdisziplinarität bei der Interpretation der Stadtprägungen findet sich auch bei Weiss 1997, 28 u. 32. 206 Weiss 1997, 31. Exemplarisch und vorbildlich für das Syrien der vorseverischen Zeit vorgeführt von Gebhardt 2002, passim, insbes. 155–157. 207 van Heesch 2002; van Heesch 2004; Wigg 1999. 208 Siehe etwa Wolters 1999, 211 ff.und v. a. 223 f.; allgemein vgl. auch den hervorragenden Überblick bei Herz 2007, 306–322. 209 van Heesch 2004, 249 u. 250; v. a. aber Wigg 1999, 334 ff. u. 343. Vgl. dagegen für den Osten (was die Bronzen aus der Reichsprägung anbelangt): Ziegler 1993, 143 f.: Schweres und minderwertiges Reichs-Aes-Geld eignete sich nicht für den Transport über größere Entfernungen und spielte entsprechend weder in Kleinasien noch weiter im Römischen Osten eine nennenswerte Rolle im Münzumlauf; vgl. dazu auch Butcher 2003, 214. 210 van Heesch 2004, 249; Wigg 1999, 336 f. Münzbewegung (Kleinbronzen) über weite Strecken als „Ausnahmeerscheinung“: s. auch Howgego 2000, 117. Howgego macht allerdings die einschränkende Bemerkung, daß im Osten des Reiches gerade durch die hochmobilen Armeeangehörigen dieses numismatische Phänomen gelegentlich außer Kraft gesetzt wird. Hier „wandern“ auch die Bronzemünzen außerhalb zu enger Umlaufgebiete. Zur eher „regionalen“ bzw. lokalen Verbreitung lokaler Bronzen (50 Meilen im Umkreis der prägenden Stadt als „Normalbereich“) im Osten vgl. dagegen aber wieder Butcher 2003, 218 f. und Heuchert 2005, 31.
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aktionen bedeutete. Gesteigerte Wirtschaftsgeschäfte und tagtägliche Ausgaben von Kleinnominalen, die im Zusammenspiel zwischen Militär und Einheimischen getätigt wurden, aber, konnten vor Ort, in der militärischen Zone, schnell auch „shortage of small change“ bedeuten, was dann wiederum aber unter den unterschiedlichsten historischen Bedingungen die lokale Produktion von Kleingeld anstoßen konnte.211 Die Eröffnung neuer Münzstätten der kaiserlichen Prägungen in der 2. Hälfte des 3. Jh. n. Chr., etwa in Köln, mit deutlich militärischem Charakter, sind als Indiz dafür anzusehen, daß die Prägung in dezentralisierten Münzstätten, nahe bei den Militärzonen, in Krisenzeiten langwierige, kostspielige und gefährliche Transporte vermeiden sollte.212 Im übrigen konnten lokale Münzstätten in den Provinzen, die gelegentlich, nach Bedarf, in großen Mengen Silber prägten oder dazu in der Lage waren, wie etwa die Offizine von Antiochia, durchaus ebenfalls zur Soldauszahlung der regionalen Armeeeinheiten eingesetzt werden.213 Die vespasianischen Tetradrachmen aus Syrien etwa dienten recht sicher den entsprechenden Belangen der Titus für den Jüdischen Krieg zur Verfügung stehenden Legionen. Auch die große Tetradrachmenproduktion in verschiedenen städtischen Münzen unter Caracalla darf mit dem Bedarf seiner „Orientarmee“ in Verbindung gebracht werden214 – und in Ägypten darf man aus anderen Gründen wohl sogar davon ausgehen, daß die dort stationierten Legionen regelmäßig durch die Münze von Alexandria mit Silbergeld versorgt wurden.215 Ob das Ende der lokalen Stadtprägungen im „großsyrischen“ Nahen Osten letztlich mit den Veränderungen des Trebonianus Gallus im Bereich der Tätigkeit der Münzprägestätte von Antiochia zusammenhängt? Dieser Kaiser eröffnete unter dem Druck der durch die Perserkriege geschaffenen Verhältnisse eine „Zweigmünze“ der Reichsprägung im syrischen Antiochia.216 Die lokalen Tetradrachmen, wie sie im übrigen auch in Resaina (vexillum der III Parthica zwischen den Beinen des Adlers auf dem Revers?) und anderen Städten von strategischer Bedeutung im syrischen und mesopotamischen Raum wie Carrhae und Edessa während der Parther- und Perserkriege geprägt worden sind,217 wurden auf diese Weise durch einen massiven Ausstoß von Antoninianen des Kaisers ersetzt und die lokalen Münzstätten nun bestenfalls in die Rolle von „subsidiaries for coining Roman imperial silver“218 abgedrängt. Jedenfalls scheint nach van Heesch möglicherweise auch zwischen dem Ende der städtischen Bronzeprägungen des griechischen Ostens in mehr 211 van Heesch 2004, 250 und vgl. Wigg 1999, 331 f. schon für die augusteische Zeit am Niederrhein. Anschaulich zu dem „Gemisch“ an Münztypen und Nominalen, das in den Garnisonen umlief: van Heesch 2002, 36 f. 212 van Heesch 2002, 37 ff. und 2004, 252; 213 van Heesch 2002, 37. 214 So auch schon Bellinger 1981, 6 f. u. 10 f. 215 van Heesch 2002, 37. 216 van Heesch 2002, 35 u. 37. 217 Beispiele aus dem Fundmaterial von Dura Europos: Bellinger 1949, 14, Nr. 247 [Caracalla] und Bellinger 1981, 60 f. (Caracalla, Macrinus bzw. Diadumenianus). Zu den Tetradrachmen vgl. jetzt auch Prieur/Prieur 2000, 104 f. 218 Bellinger 1949, 209.
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als 350 Städten219 und dem vorläufigen Ende und der Unterbrechung der Bronzeprägungen der Zentrale in Rom selbst zugunsten der Silberantoniniane ein Zusammenhang zu bestehen, die dann in verschiedenen Filialprägestätten, verteilt über das Imperium, geprägt wurden.220 Neben den numismatischen Erklärungsmodellen sind selbstverständlich auch noch andere Ursachen möglich, etwa Modelle, die die sozialen Veränderungen der Zeit und den Niedergang der Eliten in den Blick nehmen.221 Natürlich ist eine Münzprägung mit „militärischen Motiven“, unabhängig davon, ob sie durch Truppenpräsenz oder „nur“ Truppendurchzug bedingt ist, Ausdruck der durch die Anwesenheit des Militärs veränderten ökonomischen, kurzfristig intensivierten oder längerfristig günstig beeinflussten Verhältnisse auf dem lokalen Markt. Hier ist einerseits an Leistungen der Städte im Zusammenhang mit der Truppenversorgung222 zu denken, aber auch an die wirtschaftliche Potenz der Soldaten als Käufer allgemein,223 wobei letztere auch ganz sicher zu einem zusätzlichen Impetus für den überregionalen Handel in die Garnisonsstädte beitrugen. Verschiedene Beiträge von Wagner224 und Wierschowski225 haben deutlich machen können, daß die günstige wirtschaftliche Entwicklung der Städte mit der Garnisonierung von Truppenverbänden zusammenhing. Die Verdienstmöglichkeiten der städtischen Gewerbe aller Art waren in diesen Fällen nicht unbeträchtlich: Nicht nur die Angebotspalette stieg mit dem Bedarf des konsumptiven Faktors Militär, sondern auch das Preisgefüge veränderte sich zugunsten der Verkäufer, wie die praefatio des diokletianischen Preisediktes deutlich macht, in der der Mißstand beklagt wird, daß in Garnisonen das Preisniveau für Güter aller Art das normale Niveau um mehr als das Achtfache übersteige!226 Das städtische Bronzegeld wird seine Funktion als „Wechselgeld“ bei allen wirtschaftlichen Transaktionen auf dem lokalen Markt und vor Ort gespielt haben.227 Die Stadtprägungen machten etwa 80% des Münzumlaufes in Dura Europos 219 Harl 1978, 6: „some five hundred mints“, inklusive des römischen Nahen Ostens im engeren Sinne; Millar 1993a, 243 u. 245: 360 Städte unter Septimius Severus. 220 van Heesch 2002, 35 u. 37. So auch Butcher 1988, 20 f. Vgl. auch Howgego 2000, 67 u. 133 und v. a. ebd. 156 ff. zu numismatischen Aspekten der sog. Krise des 3. Jh. n. Chr. 221 Zum Beispiel weist selbst Howgego 2000, 160 f. nicht zu Unrecht auf die Umgestaltungen in der städtischen Führungsschicht des 3. Jh. n. Chr. hin (Folge: u. a. letztlich Ende des „sozialen Rechtfertigungssystemes“/Euergetismus und städtischer Leistungsverpflichtungen der Elite), die man sehr wohl als Kriterium für eine Erklärung in Betracht ziehen muß; vgl. auch Butcher 2003, 218. 222 Zum Zusammenhang zwischen lokaler Münzprägung und Logistik vgl. aber die kritischen Bemerkungen bei Ziegler 1996, 119 ff. 223 Siehe vor allem Wierschowski 1984, 112 ff. und etwa auch allgemein Ando 2007, 370 ff. 224 Wagner 1977, 531. 225 Wierschowski 1984, 139 ff. Zu „Heer und Wirtschaft“ in Syrien und Mesopotamien vgl. allgemein auch Pollard 2000, 171 ff., speziell zu wirtschaftlichen Transaktionen zwischen Militär und Bevölkerung vgl. 182 ff. und 191 ff. zur Münzwirtschaft und -zirkulation, zur Verbreitung lokaler Münzen und ihrem Gebrauch durch das Militär. 226 Brandt 1992, 164 f.; Meissner 2000, 79–100, v. a. 83 ff. Zum Wirtschaftsfaktor Militär vgl. auch Pollard 1996, 223 ff. 227 Siehe etwa Ziegler 1996, 119–134, v. a. 125 und Ziegler 1993, 137 ff. u. 144 (zur „Wechselpra-
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aus.228 Ganz abgesehen davon gilt für den Nahen Osten ohnehin, daß ganz generell Bronzegeld aus Stadtroms Münze dort nicht oder doch sehr selten in den Münzumlauf kam!229 Die Rezipienten der Münzbilder sind in jedem Falle also neben der Bevölkerung der Stadt und ihres Umlandes auch die Soldaten, durch deren Hände das Geld wanderte.230 Die Präsenz der Truppen und auch eventuell des Kaisers mit seinem Stab und Troß bedeutete einen immensen Zufluß von Kapital in Form von Reichsedelmetallgeld, während das (stadtrömische) „Wechselgeld“ wegen der Transportprobleme und Kosten in Kleinasien und den Nachbargebieten des Nahen Ostens nur in sehr geringen Mengen zirkulierte.231 Der Bedarf an lokalem Kleingeld war also groß. Die Prägungen der mesopotamischen Städte an städtischen Kleinbronzen dürfen definitiv als Antwort auf einen Bedarf durch das Militärpersonal und die neu hinzugewonnene Bevölkerung gesehen werden.232 2. Stadt, Status, Identität Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Städtischen Münzprägung in der Römischen Kaiserzeit und einem gewissen Grad an städtischer Autonomie auf Seiten der „Prägeherrn“ – man darf hierin jedoch weniger ein politisches als vielmehr ein kulturelles und administratives Phänomen, das mit einer politischen Fiktion arbeitet, sehen. Bei den Prägungen spielen außerdem Stolz, Geltungsstreben und städtische Identität eine Rolle, die man nicht unterschätzen sollte – sie sind Lehrstücke eines Bürger- und städtischen Individualstolzes, zudem auch der Identifizierung mit Kaiser und Reich: Auf einer Inschrift der Jahre 275/276 n. Chr. aus Perge, die eine Reihe von Akklamationen zu Ehren der Stadt wiedergibt, unter anderem eine Akklamation mit dem Hinweis auf die städtischen Silbermünzen (!), wird diese Beziehung zwischen Münzprägung, der Ehre, die dies bedeutet, und städtischem Stolz
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xis“ als städtischer Einnahmequelle); vgl. auch die Einschätzung bei Burnett/Amandry/Ripollès in RPC I, 16 f.: „… sufficient to meet the need for small change …“ (ebd. 30 ff. aber zugleich zur Problematik der unbekannten Wertmaße/Nominalsysteme der lokalen Bronzeprägungen; vgl. Butcher 1988, 31 ff. Zu diesem Punkt s. aber auch Ziegler 1993, 25ff). Siehe jetzt aber Spoerri Butcher in RPC VII, 71 ff. Allgemein vgl. weiter Harl 1978, 48 f.; 1987, 9 f. u. 17 ff.; Harl 1997, 223–229, v. a. 227–229. Harl 1987, 17. Butcher 2003, 214. Hier vgl. man auch die Regelungen des Steuergesetzes von Palmyra (z. B. Matthews 1984, 157–180), das etwa mit Bezug auf die Steuer, die für Opfertiere zu zahlen ist, festlegt, daß diese mit Denaren „according to the Italian assarius“ bezahlt werden müssen (dhn£rion ... prÕj ¢ss£rion „talikÒn), daß aber ein Betrag unterhalb des Denarwertes „according to the small local coinage“ eingezogen werden könne [zu dieser Passage vgl. auch Kaizer 2002, 183f.] – „römisches“ Kleingeld ist also nicht vorgesehen! Vgl. etwa Harl 1978, 22. Wie bedeutsam „militärische Motivik“ und das Militär als Rezipient und Zielpublikum auch in der Reichsprägung waren, welche Bedeutung man militärischer Propaganda insgesamt beimaß, darauf hat jüngst Hekster 2006, 339–358, v. a. 349 ff. erneut hingewiesen. Ziegler 1995, 175 ff., hier s. v. a. S. 178 f., ferner s. a. Butcher 1996, 103 f. Oates 1968, 89. Vgl. auch Castelin 1946, 9 u. 11.
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grundsätzlich deutlich.233 In der östlichen Hälfte des Römischen Reiches war das Phänomen der Städtischen Münzprägungen als markantes Merkmal einer postulierten städtischen Autonomie vergleichbar der Bedeutung von öffentlichen Bauten,234 Münzprägung war ein nicht unwichtiges Kriterium dessen geworden, was in der östlichen Hälfte des römischen Reiches eine Stadt ausmachte. Und auch Mesopotamien war „städtereiches Gebiet“ – „… Mesopotamia quidem habet civitates multas et varias …“ (Expositio totius mundi et gentium 22). Die Zeit der Severer bedeutete für den Nahen Osten, für Syrien und Mesopotamien und seine Städte, eine ganze Welle von Kolonieerhebungen: Viele der „Frontstädte“235 entlang Roms ‚desert frontier‘, von der Provinz Arabia bis zum Tigris, erhalten unter Severus und seinen Nachfolgern im 3. Jh. den Rang einer colonia – „this enhancement of status may relate to their military importance and association with the legions“.236 Vielleicht handelte es sich hierbei insgesamt auch um eine strategische Entscheidung, die – sozusagen im Vorgriff auf spätantike Praxis – dazu diente, einen Kordon von „Festungsstädten“ in der Grenzzone zu schaffen. Resaina und Singara in der Mesopotamia erhielten den begehrten Status bereits noch unter Septimius Severus selbst – auf jeden Fall zwischen 197/198 und 211 n. Chr., also – besser –, „unter der Samtherrschaft von Severus und Caracalla“ (colonia Aurelia Septimia Singara – bedeutet nicht, daß der Koloniestatus bereits unter Lucius Verus237 verliehen worden wäre!). Nisibis und Carrhae, die ebenfalls unter Severus den Status erhalten hatten, konnten unter Caracalla für Carrhae und Severus Alexander für Nisibis dem Stadttitel sogar noch die Bezeichnung metropolis hinzufügen.238 In dieser Zeit bedeutet der Koloniestatus aber längst nicht mehr, daß damit eine „Gründergeneration“ großangelegter Veteranenansiedlung verbunden ist – schon gar nicht zwingend ein ius Italicum –, sondern der Titel ist ein bloßes Epitheton, eine Ehre,239 die als Instrument kaiserlicher Politik, u. a. als Belohnung für Loyalität und Wohlverhalten und oft auch in dem bereits angedeuteten Zusammen233 Howgego 2000, 47 ff.; 67; 160; zu der Inschrift aus Perge vgl. Weiss 1991, 353–392, die betreffende Akklamation ebd. 356, Z. 9 f. und der Kommentar 382 ff. Vgl. dagegen die fiktive Maecenas-Rede bei Cass. Dio 52, 30, 9, die den Städten des Reiches weder eigene Maße und Gewichte noch Münzen zubilligt. Dazu vgl. etwa Weiss 2005, 58 u. 68. 234 So auch Howgego 2000, 49 nach Millar 1993b, 256 f. 235 Zu diesem Zusammenhang von „Frontstadtcharakter“, Militärpräsenz und Rangerhöhung zur colonia vgl. für Syria und Mesopotamia die zusammenfassenden Bemerkungen bei Pollard 2000, 58 f.; 60 ff.; 64, außerdem Millar 1990, 39 f. Zur Sonderrolle Jerusalems in diesem Punkt vgl. Isaac 1998c, 99. 236 Pollard 2000, 58 f. 237 So aber Gregory 1995, II 104 f. Gleichwohl hatten die Römer seit dem 2. Jh. n. Chr. wohl tatsächlich einen lockeren Zugriff auf das östliche Nordmesopotamien (Garnison in Nisibis, vorgeschobener Posten?, vorgeschobener Posten auch in Singara? [so Wagner 1985, 63]) vgl. Sommer 2005, 240, v. a. aber Luther 2002, 1 mit Anm. 3; s. a. hier Anm. 26. 238 Vgl. etwa Sartre 2001a, 706 f.; v. a. aber Millar 1990, 31 ff. bes. 38 f. und Millar 1993, 123 f. u. 126 und Sartre 2001b, 111 ff., hier 117 f. zu den severischen coloniae; s. a. Isaac 1992, 359– 361. 239 Dazu s. v. a. treffend auch Sartre 2001b, 124 ff. u. 125 f. bes. zu den Severern: „… toutes les colonies sévériennes et ultérieures sont honoraires “. S. a. Pollard 2000, 63 und Ross 2001, 59 f.
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hang mit militärischer Aktivität in der Region und/oder der damit verbundenen persönlichen Anwesenheit des Kaisers, dazu verwandt wird, die Hierarchie der Städte und das provinziale Gefüge zu „manipulieren“ und nach politischer Notwendigkeit zu gestalten.240 Man kann hierin auch einen Eingriff Roms in die sozialen Strukturen und ohnehin komplexen „kommunalen Identitäten“ der seit langem hellenisierten Städte sehen, „where a variety of other ethnic identities, most of them extremely difficult for us to characterise without distortion, were still very important factors“.241
240 Butcher 2003, 232; Millar 1990, 31 u. 39 f. 241 Millar 1990, 7. Zum komplexen Problem der Identitäten im Römischen Nahen Osten s. weiter etwa auch Millar 1987, 143–164; vgl. auch den umfangreichen Review-Artikel zu Millar 1993 von Kennedy 1999, 77–106, v. a. 85 ff., den bemerkenswerten Beitrag von Woolf 1993/94, 116–143 und Clarke 1998, darin v. a. Millar 1998b, 158–176 und anregend – weil mit archäologischem Ansatz und einer Betonung auf kulturelle Kontinuitäten seit vorhellenistischer Zeit – Kennedy 1998, 39–69 (dazu s. u. auch Richardson 2002) sowie kritisch zur Aussagekraft der Sprachwahl und ihrer Deutung in Inschrifttexten Macdonald 1998, 169–190 und Brennan 1998, 191–203 zum römischen Militär als Instrument römischer Macht und Einflußnahme, das im Lauf der Zeit mit der Umgebung „verschmilzt“ und eine „localized version of the Roman power and Roman identity“ darstelle (ebd. 203). Auf Unterschiede in der Identität römischer Städte im Nahen Osten, die durch den Einfluss lokaler Kulte und Heiligtümer bedingt waren und trotz einiger städtebaulicher Gemeinsamkeiten und standardisierter Bautypen kommunaler Bauten im Detail auch in der archäologisch und architekturhistorisch erforschbaren Stadtstruktur und erkennbaren dynamischen Entwicklung der Städte zum Ausdruck kommen, hat Richardson 2002, 171 ff. hingewiesen. Ähnlich, aber stärker religionshistorisch, auf das dynamische Zusammenspiel „vorrömischer“ Elemente des religiösen und sozialen bzw. soziopolitischen Lebens mit den neuen Gegebenheiten einer werdenden graeco-römischen Stadt und auf sein Exemplum Palmyra fokussiert, Kaizer 2002. Dennoch: Hier wird eben auch exemplarisch deutlich, daß „Identität“ nicht statisch ist, sondern dynamisch, daß die scheinbar konstitutierenden Elemente immer wieder neu definiert und bewertet werden und sich weiterentwickeln, daß „alt“ und „neu“ in einem beständigen Einfluss aufeinander stehen und wandelbar sind und „neue Traditionen“ neben „alten Traditionen“ entwickelt werden können, die dann dennoch auch nebeneinander bestehen bleiben. Zum Modell von „continuous negotiation“ der lokalen Religionen im Nahen Osten vgl. exemplarisch auch Kaizer 2000b, 219–232, v. a. 224 ff. Der positiven Bewertung Kaizers zur Bedeutung „lokaler Studien“ für die Erforschung des Nahen Ostens kann man insgesamt nur zustimmen, vgl. etwa auch Kaizer 2003, 283 ff., v. a. 285 u. 293–295. Vgl. jetzt auch die methodisch ausgerichtete, auch programmatische Studie Kaizer 2006b. Archäologische Falluntersuchungen zu „Lokalen Identitäten in Randgebieten des Römischen Reiches“ bietet der von A. Schmidt-Colinet herausgegebene, gleichnamige Band (Schmidt-Colinet 2004a). Hier wird exemplarisch gezeigt, wie sich lokale Identitäten in der Gestaltung des öffentlichen Raumes, beim Tempel- und Grabbau, überhaupt im Sepulkralbereich, etwa auch bei Bestattungsformen, Ritualen und Beigaben und anderswo in der Kunst widerspiegeln. Auf Syrien und den römischen Nahen Osten beziehen sich etwa die Beiträge von Konrad 2004, 133 ff.; Schmidt-Colinet 2004b, 189 ff.; Sommer 2004, 199 ff.; archäologische Beiträge zu Identitäten und „Kulturkonflikten“ enthält auch der ebenfalls hier relevante Band von Freyberger/Henning/von Hesberg 2003.
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IV. STÄDTISCHE MÜNZEN SINGARAS UND RESAINAS, „TYPICAL ROMAN GARRISON TOWNS“?242 VOM STOLZ, EINE GARNISON ZU SEIN Nach der Einschätzung der wertvollen allgemeinen Einführung in den Gegenstand der Provinzialprägungen von Butcher243 sind die Reverstypen der mesopotamischen Münzen von einer bemerkenswerten Standardisierung („standardised in the extreme“): Büste der Stadtyche (Carrhae, Edessa, Nisibis, Singara) oder sitzende Tyche (Edessa, Nisibis, Singara). Hier lohnt es sich, genauer hinzuschauen, denn diese oberflächlich gefällte Bewertung ist m. E. keinesfalls gerechtfertigt. Was im Moment noch systematische Betrachtungen erschwert, ist allerdings die Tatsache, daß eine vollständige Kenntnis der Typen, Laufzeiten und Emissionen der Städte ohne vorliegende Corpora schlecht zu erlangen ist. Neue Typen schlummern zum Teil in den Magazinen der Museen, andere gelangen wenigstens bisweilen über den Münzhandel an die Öffentlichkeit. Aber praktisch jeder neu bekannt werdende Typ an Reversbild schärft und verstärkt die Tendenz, die nach der bisher möglichen Analyse hinter der Konzeption dieser Münzrückseiten steckt: Stolz auf die Stadt zeigen, Stolz auf die Garnison. 1. Vexilla, Fahnentiere und Identitäten Es besteht kaum ein Zweifel, daß es sich bei den Vexilla auf den Münzen von Singara und Resaina, die wir gleich nachfolgend noch ausführlicher beschreiben werden, um die jeweilige Legionsstandarte mit dem Schriftzug des Regimentes handelt, das auch noch weiter durch die Angabe des Wappentieres „identifiziert“ wird:244 Fahnen und Standarten, vor allem die Adlerstandarte (aquila) der Legionen, die allerdings nicht „unverwechselbar“ war, was hier, im kleinen Bild der Reverse der Städtischen Münzen, aber sicher erreicht werden sollte, spielten im
242 Castelin 1946, 5. 243 Butcher 1988, 104. 244 Die Möglichkeit einer Verwechslung mit „städtischen Vexilla“, die bisweilen auf Münzrückseiten auftauchen, ist daher in diesem Fall nicht möglich. Zu diesen „Fahnen“ fehlen m. W. bislang systematische Untersuchungen – auch Stadt- und Provinzpersonifikationen mit Vexilla in der Reliefkunst wären hier einzubeziehen. Welche Bedeutung diese Stadtvexilla haben könnten, deutet sich bei der bereits zitierten Inschrift des 3. Jh. aus Perge an, bei der eine der Akklamationen lautet: „Lebe hoch, Perge, du mit kaiserlichem Vexillum geehrte!/¹ ƒerù oÙix…llJ teteimhmšnh; vgl. auch die Münzen aus Perge und Side mit vexilla und „Stadtitulaturen“ auf den Fahnentüchern oder mit bekrönenden Stadtwappen und Stadtgottheiten: Weiss 1991, 356, Z. 7 f. Mit der Interpretation von Weiss, ebd. 379 f. stimme ich allerdings nicht überein. „Stadtfahnen“ dürfte es gegeben haben, die Münzbilder sind entsprechend zu deuten. Sie dürfen sehr wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Kaiserkult (und Festen/Agonen) gesehen werden und wahrscheinlich auch konkret mit der Anwesenheit des Kaisers in der Stadt (Kaiserreisen, Militärepeditionen) und der damit zusammenhängenden entsprechenden Authorisierung für die Verwendung des sacrum vexillum in der Bildwelt der Stadt.
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Leben der römischen Einheiten eine überaus große Rolle.245 Ein Adler erscheint auch oft auf den Münzen von Resaina. Er wird zwar oft mit dem Militär, eben der Legion in Verbindung gebracht, jedoch wollen wir seine Interpretation auf einen späteren Abschnitt verschieben. Charakteristisches Merkmal der römischen Armee war die Konditionierung auf die signa, die Feldzeichen: Die vom Kaiser verliehenen Stangenfeldzeichen und Standarten, unter denen auch die Kaiserbilder eine besondere Rolle spielten, hatten im Alltag und im Kultleben der Truppen einen wichtigen Platz. Sie waren bei allen Ritualen – dem Diensteid, den man vor ihnen ablegte, den Opfern, die man in ihrem Beisein vollzog, den Paraden, denen sie vorangingen – omnipräsent. Die ‚corporate rites‘ der Offiziellen Heeresreligion dürfen im Zusammenhang mit der Schaffung von ‚corporate identities‘ der Regimenter gesehen werden, Kampfmoral, disciplina und kultische Strukturierung des Militärlebens gehören zusammen, wie eine Quellenanalyse zur Rolle der Kommandeure hierbei deutlich zu zeigen vermag.246 Die signa waren Symbole des Regimentsgeistes und Fokus des Regimentsstolzes. Die Stangenfeldzeichen trugen am Schaft den Regimentsnamen und die Auszeichnungen, die das Regiment im Verlauf seiner Existenz durch den Kaiser erhalten hatte.247 Die standartenähnlichen vexilla, die auch als Fahne einer kompletten Einheit (Legionen und Auxilia) belegt sind, trugen den Namen der Truppe auf dem Fahnentuch248 – wie das nicht nur in der Literatur, auf Reliefs und in Wandgemälden, sondern eben auch auf den Münzen zu sehen ist. Der Geburtstag der Fahnen, Tag der kaiserlichen Verleihung (Tac. ann. 1, 42, 3), war zugleich der des Regimentes, was feierlich begangen wurde. Dies legen Weihungen ob diem natalem aquilae nahe (ILS 2293; AE 1967, 229 u. 230): Der Legionsadler (aquila) war das ‚vorzüglichste Wahrzeichen der Legion‘ (Veg. mil. 2, 6, 2). Aus dem Bereich spanischer Hilfstruppen kennen wir Weihungen ob natalem aprunculorum, ‚wegen des Geburtstages der Eber‘, oder ob natalem signorum (ILS 9127; 9129; 9130), denn auch Auxilien besaßen individuelle signa, in diesem Fall ‚Eberstandarten‘, was uns kurz zu den Wappentieren der Legionen führt: Zu den eigentlichen ‚Wappen‘ der Regimenter zählen auch die sogenannten Fahnentiere, „Tierbilder“ wie Capricorn, Pegasus, Eber, Widder, deren genaue Deutung ungeklärt ist. Sie werden an den signa oder auf eigenen Stangenfeldzeichen, die sich auf die Gesamttruppe beziehen, wiedergegeben und trugen zur Individualität der Truppen bei. Regimentsbewußtsein und Moral wurden auch auf diesem Wege systematisch gefördert: Ein regelrechter Regimentsstolz in der kaiserzeitlichen Armee ist gut belegbar.249 Der heraldische Wert der „Fahnentiere“ wird durch die Anbringung an Ausrüstungsstücken eines Regimentes deutlich, vor allem an Helmen, Panzern und Schilden, aber auch auf Bauinschriften, Ziegelstempeln, Weih- und Grabinschriften sind sie nachweisbar. Ihre Verwendung auf den ‚Legionsmünzen‘ der Reichsprägung des 3. Jh. n. Chr., unter Gallienus, Victorinus und Carausius, bei 245 246 247 248 249
Zum Folgenden vgl. mit Lit. und weiteren Hinweisen Stoll 2007b, 451 ff., hier 457 ff. Stoll 2001d, 77–105. Ankersdorfer 1973, 28–44; Stoll 2001e, 22 f. u. 257 ff. Vgl. Stoll 2001b, 110 f. Wichtig: Breeze 1993, 78–87, v. a. 81 ff. Zur Truppenmoral und dem Regimentsstolz vgl. MacMullen 1984, 440–456 und Stoll 2001b, 106–136.
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denen Tiersymbol und Namenszug einer Legion (Nummer, Namen, Ehrenbeinamen/Titel) auf der Münzrückseite vereint sind, setzt das Verständnis dieser Wappen beim Zielpublikum voraus.250 In den Garnisonsstädten des Nahen Ostens gelangten im 3. Jh. n. Chr. diese „Regimentswappen“ der Garnisonstruppen auf die Rückseiten der lokalen Stadtprägungen,251 oft in Kombination mit dem Stadtgott bzw. der Tyche und den entsprechenden Hauptheiligtümern (Zeugma: legio IIII Scythica – Capricorn; Samosata: XVI Flavia Firma – Pegasus; Aelia Capitolina: X Fretensis – Eber; Bostra: III Cyrenaica – Widder/Zeus Ammon; Damascus: VI Ferrata – Lupa Romana mit Zwillingen; Raphanaea: III Gallica – Stier), die Fahnentiere sind zum Teil auch an den Vexilla angebracht, die auf den Reversen erscheinen, etwa als Protomen oberhalb des Fahnentuches, an der Signumstange usw. Das Fahnentier der drei parthischen Legionen ist der Kentaur:252 Der Kentaur mit Keule und/oder Globus, bisweilen auch mit Palme, ist das Wappen der legio II Parthica, das sich etwa auf den Reversen der Antoniniane der Legionsserien des Gallienus (257–259 n. Chr.) und des Carausius (286/287–293 n. Chr.) wiederfindet.253 Für die legio III Parthica existiert ein Aureus des Victorinus, datiert 269/271 n. Chr., der eine bogenschießenden Kentaur als Wappen des Regimentes abbildet.254 Die Münzbilder aus Resaina werden dies weiter untermauern und den Kentaur eindeutig als Wappen des Regimentes erweisen. Dasselbe gilt auch für den bogenschießenden Kentaur der legio I
250 Stoll 2001e, 271 ff. u. 504–571. Vgl. auch Coulston 2004, 137 f., der zu Recht betont, daß Nummer, Titulatur und Emblem in Kombination zur Unverwechselbarkeit der Regimenter beitragen. 251 Liste bei Stoll 2001e, 551–564. Hierzu allgemein Stoll 2001c, 59–76 und Stoll 2001e, 380– 417. 252 Wolff 2000b, 251. Kentaur/„Schütze“ auf den Münzen aus Singara und Resaina zu Unrecht als astronomisches Symbol gedeutet: Prottung 1995, 34 f. u. 67 – oder gilt hier ein „und auch“ als eine Art astronomisch-politischer Konstruktion, die eine imaginierte Stadtgründung bzw. Stadt und Legion symbolisch noch näher zusammenrückt, nämlich in eine Art „Syngeneia“? Grundsätzlich zur Bedeutung dieses Konzeptes „zwischenstaatlicher Verwandschaft“ in der antiken Diplomatie, das seit dem Hellenismus und auch in römischer Zeit häufig in den inschriftlich überlieferten Zeugnissen des zwischenstaatlichen Verkehrs der Stadtstaaten begegnet vgl. Lücke 1999. Es ist allerdings unbestritten, daß gelegentlich astronomische Symbole auf Münzen aus Prägestätten Mesopotamiens vorkommen – vgl. etwa die Bemerkungen bei Hill 1916, 154 f., der ebenfalls bereits 1916 vorschlug, daß die Zodiakalzeichen mit dem Sternbild gleichzusetzen seien, unter dem die entsprechenden „Koloniegründungen“ stattgefunden hätten. S. Hill 1916, 165 u. 167 zu Singara und Resaina: Auch hier ist der Kentaur als Zodiakalzeichen aufgefasst. Ähnlich auch Castelin 1946, 26 ff. zum Sagittarius, ebd. 27 als „special insignia of the Legio III Parthica“, das auch mit der Gründungskonstellation der drei Parthischen Legionen zu tun habe, aber auch ebd. 28 Bezug zur Gründung der Kolonie: „… the centaur has direct reference to the founding of the colony …“. 253 Ritterling 1925, 1481 f. Nachweise bei Stoll 2001e, 514; Antoniniane des Gallienus: RIC V 1, 94, Nr. 332–338; Antoniniane des Carausius: RIC V 2, 468, Nr. 60–64 (Kentaur, bzw. weibl. Kentaur mit Palme [Nr.60]); 487, Nr. 269–271 (Kentaur). 254 Stoll 2001e, 521 mit Verweis auf Schulte 1983, 138, Anm. 32; s. a. Wolff 2000b, 251. Das im Theater zu Orange gefundene und im Cabinet des Médailles, Paris, aufbewahrte Stück ist abgebildet bei Hollard 1996, 25–27.
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Parthica – die Städtischen Münzen aus Singara belegen eindeutig seinen Wappencharakter für dieses Regiment. Die Legionen und ihre Symbole werden auf den Münzbildern neben den eigentlichen Stadtgöttern fast zu einer Art „neue Stadtpatrone“. Eine Identifikation findet hier im Bild statt, eine Identifikation von Stadt und Garnison und eine Selbstdefinition der Stadt, ihrer Bedeutung in der Region und Provinz, über ihren Charakter als Standort der Legion oder Legionsgarnison. Daß Stadtstatus und Garnison im 3. Jh. n. Chr. zusammenhängen, darauf haben wir schon hingewiesen und wir werden im weiteren Verlauf auch noch einmal darauf zurückkommen. Bisweilen darf die Verbindung der Symbole durchaus als Ausdruck von concordia, einem grundsätzlich guten oder gewünschten guten Verhältnis zwischen Garnison und Zivilbevölkerung, gesehen werden: Am sinnfälligsten kommt das in der Mitte des 3. Jh. n. Chr. auf Münzen von Bostra zum Ausdruck, auf deren Rückseiten der Gott der hier stationierten legio III Cyrenaica, Zeus Ammon-Sarapis, im Handschlag mit der Stadttyche dargestellt ist. Die Legende des Münzbildes lautet entsprechend concordia Bostrenorum.255 Die mit dem Münzbild zur Schau gestellte Loyalität der Stadt auch ihrer Garnison gegenüber,256 fordert umgekehrt auch deren Wohlverhalten ein, denn an diesem Grenzabschnitt dürfte in den Garnisonsstädten im Ernstfall gegenseitiges Helfen und gemeinsames Handeln gefragt gewesen sein.257 Daß Fahnen und Standarten zur Identität und Individualität der Regimenter beigetragen haben, darüber besteht also wohl kein ernstzunehmender Zweifel. Die Frage nach der Identität der Soldaten ist in der Vergangenheit noch nicht allzu häufig oder noch nicht wirklich richtig gestellt worden. Fakt ist, daß hier auch die Ausrüstung und Bewaffnung eine gewisse Rolle spielen, und daß es hierbei (und nicht nur in diesem Punkt) „regionale Besonderheiten“ gegeben hat. Die eine „Römische Armee“ ist ohnehin ein Kunstprodukt258 – von einem „Uniformitätsprinzip“ bewegt sich im Übrigen gerade die „Ausrüstungsforschung“ schon seit zwanzig Jahren
255 Zur Münzprägung aus Bostra und der erwähnten Münze vgl. Kindler 1983, 123, Nr. 48 mit Abb. auf Taf. IV 48 und insgesamt auch Stoll 2003b, passim. 256 Zum Aspekt der „Loyalität“ zwischen Garnison und Stadt als Hintergrund der Münzbilder mit entsprechender Symbolik vgl. Kindler 1980, 58. Indem Regimentssymbole und Fahnen bzw. Standarten abgebildet werden, erweist man auch dem Kaiser Loyalität, denn die gesteigerte Bedeutung der Fahnen im Bereich der offiziellen römischen Heeresreligion (v. a. im 3. Jh. n. Chr.) kommt durch die Affinität von Kaiserkult und Feldzeichen sowie deren vermeintlichen „Feldzeichenkult“ zustande, der einen spezifischen militärischen, zeremoniellen Ausdruck der dem Princeps gegenüber erbrachten Loyalität darstellt. Die Abbildung dieser Symbole auf den Münzrückseiten dürfen von städtischer Seite also ebenfalls als Loyalitätsversicherung zu verstehen sein, die sich selbstverständlich mittelbar auf die kaiserliche Person selbst bezog. Die Garnisonstruppe stand für Rom. Die Loyalität zur Truppe war Ausdruck der Loyalität zu Rom und dem Kaiser (bzw. dem Kaiserhaus), dessen Bild sich ohenhin auf den Aversen der entsprechenden Prägungen befand. Zu Feldzeichen und Feldzeichenkult vgl. Stoll 2001e, 211 ff. 257 Vgl. oben unsere Anm. 127 zu den Fällen, in denen die gemeinsame Verteidigung der Städte durch Garnisonen und Einheimische – quasi als Interessensgemeinschaft – belegt ist. Zur notwendigen Kooperation in Krisensituationen vgl. etwa die Bemerkungen bei Whitby 1998, 191–208, v. a. 195. 258 S. etwa James 2001, 77–111, v. a. 78 ff. und Coulston 2004, 135 f. u. 140.
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weg.259 Dies ist eine wichtige Erkenntnis und ein wichtiger Ansatz, um über die konventionelle Limesforschung und einige festgefahrene Konzepte der römischen Militärgeschichte hinauszugelangen und die Komplexität der sozialen Organisation „Armee“ (in unterschiedlichen Provinzen/Provinzgruppen, Truppenverbänden und einzelnen Regimentern, Garnisonen und Dienstorten, centuriae, contubernia etc.) und auch deren vielfältigen Beziehungen und Wechselwirkungen mit der Zivilbevölkerung in den jeweiligen Garnisonsprovinzen und in ‚local military communities‘ individueller Garnisons- und Einsatzorte besser zu verstehen. War jüngst noch der Kenntnisstand in puncto Waffen und Ausrüstung der Armeen der östlichen Grenzprovinzen, zumal Mesopotamiens,260 bei der traditionellen Konzentration der Forschung auf die Armeen Britanniens, am Rhein und der Donau, eher disparat,261 so hat die Fundvorlage des überreichen Materials aus Dura Europos262 die Perspektive in der angedeuteten Richtung erweitert: Es gibt sie, die Regionalität in der Römischen Armee, den Sondercharakter der römischen Ostarmee, auch bedingt durch die Besonderheit der Kriegführung in der römisch-sasanidischen Frontzone. Die materielle Kultur im Bereich der Waffen und Ausrüstungsteile trägt aktiv zur Schaffung und zum Ausdruck militärischer Identität bzw. sozialer Gruppenidentität bei.263 Dieses Phänomen hat seine Bedeutung auch in der Formulierung regionaler Identitäten bei bestimmten Armeegruppen oder insbesondere in der Verdeutlichung von Regimentsidentitäten, die von einer besonderen Bedeutung für den Kampfgeist und die Moral der Soldaten eines Regimentes gewesen sein dürften und entsprechend auch durch die „Heeresleitung“ gefördert wurden.264
259 Vgl. etwa Coulston 2004, 144. 260 Vgl. die kurzen, aber symptomatischen Bemerkungen bei Reade 1999, 286–288 zu einem Fund aus Niniveh/Mosul. 261 Mackensen 2000, 128 u. 130 f. 262 James 2004, v. a. 7 f. u. 242 ff. 263 Entsprechende Gedanken hat James 1999, 14–25 und James 2002, 1–58. Vgl. auch die Beiträge von Coulston 1998, 167–190, bes. 183 f. und vor allem Coulston 2004, 133–152). 264 Dazu vgl. Stoll 2001b, 106–136. Die palmyrenisch/römische „Regimentsidentität“ der 20. Palmyrenerkohorte in Dura läßt sich beispielweise an dem berühmten Tribunenfresko schlagend erweisen: Dirven 1999, 102 f.; 186 f.; 191; 194; 302 ff. und ausführlich auch Stoll 2001c, 367 ff.
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2. Tyche und Stadt im Römischen Nahen Osten Tyche dürfte im Nahen Osten die am weitesten verbreitete lokale Gottheit gewesen sein – auf Münzen ist sie allgegenwärtig.265 Tyche als Stadtgöttin in der charakteristischen Ikonographie mit Mauerkrone und Füllhorn (und/oder Steuerruder) stellt eine hellenistische Über- und Umformung der vielen dieser Stadtgöttinnen zugrundeliegenden orientalischen Vorläuferin dar, nämlich der „turmtragenden“ Göttin Atargatis266 oder auch der Astarte.267 Vergleichbar dem römische Genius konnte nach semitischem Tyche-Gad-Verständnis die Schutzgottheit einer Stadt oder eines Ortes auch männlich sein.268 Die enge Berührung von Genius und Tyche bzw. Gad zeigen epigraphische Befunde aus dem Bereich des Palmyrener-Tores von Dura Europos besonders deutlich: Ein lateinischsprachiger Altar269 aus der Regierungszeit des Kaisers Commodus galt dem Genius Dura. An demselben Aufstellungsort, nahe dem Eingang zum südlichen Turm des Palmyrener-Tores, fanden sich zwei weitere, mit Inschriften versehene Altäre. Einer davon trägt einen palmyrenischen Text, der sich auf den Gad von Dura bezieht, die Schutzgottheit der Stadt, die orientalische Entsprechung der TÚch.270 Der dritte Altar aus dem Torbereich, diesmal mit griechischer Inschrift, bezieht sich auf die TÚch DoÚraj.271 Dieselbe Gottheit, Schutzgottheit der Stadt, taucht dann erneut und sicher als „Tyche von Dura“ in einem Graffito an der nördlichen Mauerwange des Tores auf.272 Die Tyche von Dura wachte an dieser neuralgischen Stelle, dem Haupttor, über ihre Stadt, den in
265 Vgl. etwa auch Belayche 2001, 181. Zu Tyche und den Realitäten des Kultes bzw. auch zu der symbolhaften Bedeutung der Abbildung der Göttin vgl. jetzt auch für Palaestina: Belayche 2003, 111–138, v. a. 125 ff. zur Symbolik. Zu Münzbildern mit Tyche und ihrer weiten Verbreitung in der Bildwelt städtischer Münzen Palaestinas vgl. exemplarisch ebd. die schöne Karte S. 114, Fig. 1 und die zugehörige Tabelle S. 115 Fig. 2. Allgemein zu Tyche vgl. auch Dirven 1999, 103–105. Wichtig ist auch Meyer 2003, 277 ff., die am Beispiel der Tychedarstellungen, die sich auf Palmyra beziehen, fragt, ob mit diesen allgegenwärtigen Bildern (bis hin zum Stadtsiegel) auch der jeweilige Inhalt übernommen worden ist: Sind diese Bilder von „Stadtgöttinnen“ Zeugnisse für ein Bewußtsein städtischer Identität? Zumindest das Tychebild auf dem Stadtsiegel und den Münzen dürfte als Assimilation zu werten sein, die von einer weitgehenden Übernahme der Bildinhalte und einer „städtischen Identität“ Zeugnis ablegt – jedenfalls was die dafür zuständigen Handlungsträger des Gemeinwesens angeht. Eindimensionale Interpretationen dürften hier aber fehl gehen. 266 Lukian, De Dea Syria 15,32. – s. a. Belayche 2001, 182 u. 283 ff.; Atargatis als Schützerin der Stadt vgl. Drijvers 1980, 84 ff. und 1981, 244, v. a. aber Hörig 1979, 173 ff. Bildbeispiele für Atargatis mit der Mauerkrone: vgl. Meyer 2003, 279 Anm. 21. Vgl. insgesamt zur Frage der „Hellenisierung“ bzw. „Romanisierung“ des Kultes Bilde 1990, 151–187. 267 Vgl. etwa für die Münzbilder Prottung 1995, 131 ff. Zu Beziehungen zwischen den beiden Gottheiten vgl. Hörig 1979, 119 ff., v. a. 123 ff. 268 Lichtenberger 2003, 208. 269 Stoll 2001e, 456 Kat.nr. 51 (AE 1928, 86). 270 Zu dieser Gleichung s. nun auch Dirven 1999, 102 f. Zu dem Altar vgl. Stoll 2001e, 315 mit Anm. 454 (= Dura Prelim. Rep. I 45, v. a. aber 62 f.). 271 Die Lesung ist aber sehr umstritten: Forschungsdiskussion bei Downey 178 f. 272 Dura Prelim. Rep. I 41, C3.
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sie hinein gelangenden Strom von Menschen, Tieren und Waren und die Sicherheit der hier stationierten Benefiziarier und anderer Soldaten.273 Die sitzend wiedergegebene Tyche von Dura und die ebenfalls sitzende Tyche von Palmyra (beide Male durch griechische Beischriften eindeutig identifizierbar) sind auch auf dem berühmten Tribunenfresko, einem Wandgemälde im Pronaos des „Tempels der palmyrenischen Götter“ von Dura Europos (auch „Tempel des Bel“ genannt)274 wiedergegeben.275 Beide Tychen haben hier einen Nimbus, der auf eine Atargatisadaptation hindeutet. Neben der Tyche-Atargatis von Palmyra sitzt ein Löwe,276 ihr rechter Fuß ruht auf einer weiblichen Quellpersonifikation (EphqaQuelle), während mit der Tyche von Dura eine bärtige Flußgottheit, der Euphrat, dargestellt ist. Die linke Hand der Tyche von Dura ruht auf dem Kopf eines nackten, stehenden Kindes – möglicherweise eine Art genius coloniae (?). Atargatis/Tyche als Stadtgöttin von Palmyra, mit Polos und Quellgott Ephqa, ist auch auf einem berühmten Relief aus dem Nebo-Tempel von Palmyra277 in der Tradition der Eutychides-Tyche von Antiochia,278 sitzend wiedergegeben. Neben ihr steht nach Auskunft der palmyrenischen Inschrift Gad Taimi,279 eine weitere Tychegestalt mit Mauerkrone und Olivenzweig. Die Gaddé, die Tychen von Dura Europos und Palmyra, besaßen in Dura einen eigenen Tempel, der unmittelbar an der west-östlichen Hauptachse der Stadt, gegenüber der Agora und unmittelbar vor dem Tempel der Atargatis lag.280 Hier geben zwei mehrfigurige Kultreliefs aus dem Heiligtum (datiert ins Jahr 159 n. Chr.) weiteren Aufschluß: Die Tyche/der Gad von Palmyra (Gad Tadmor, so die palmyrenische Inschrift) ist als eine sitzende Tyche-Atargatis, wiederum in Adaptation des griechischen Statuentypus, mit (weiblicher) Quellgottheit Ephqa, aber zusätzlich auch mit Löwe wiedergegeben.281 In der bildlichen Fassung des zweiten Reliefs ist Gad von Dura Europos dagegen nicht etwa Tyche, sondern zwischen zwei Adlern Baalshamin bzw. Zeus Olympios,282 einer der Hauptschutzgötter der seleukidischen Dynastie! Der Gründer der Stadt, Seleukos Nikator, ist – ebenso wie der Gad von Dura inschriftlich benannt und entsprechend rechts neben dem Gott in militärischer Tracht dargestellt und bekränzt ihn mit erhobener 273 Zum Torheiligtum und seinem Kontext s. a Dirven 1999, 123. 274 Zur strittigen und uneinheitlichen Namengebung vgl. die Bemerkungen bei Dirven 1999, 293– 295. 275 Vgl. etwa die Abb. bei Drijvers 1976, Taf. XIX. Zur Deutung des Freskos vgl. ausführlich Stoll 2001e, v. a. 367 ff. und siehe jetzt auch Kaizer 2006a, 151–159. 276 Zum Löwen als Begleittier der Atargatis vgl. Hörig 1979, 108 ff. 277 Drijvers 1976, Taf. LI; Drijvers 1980, 105 f. 278 Zum Typ vgl. Prottung 1995, v. a. 43 ff. Zum Kult in Antiochia vgl. Norris 1990, 2342–2344. 279 Zu dieser Gottheit vgl. auch Teixidor 1979, 89 ff. – die Gottheit besitzt einen tribalen Bezug: Taimi ist der Name eines „Sippenahnen“. 280 Vgl. Millar 1998a, 481 f. u. 483. Zu den Gaddé vgl. Dirven 1999, 99 ff.; zum Tempel der Atargatis: vgl. auch Downey 1988, 102 ff. 281 Das Relief – und auch das anschließend behandelte, vom selben Stifter namens Hairan stammende Relief – ist epigraphisch ins Jahr 159 n. Chr. datiert, vgl. Gawlikowski 1969, 105–111; vgl. Dirven 1999, 247 f. mit Taf. IV und Meyer 2003, 280 ff. 282 Zum Relief: Dirven 1999, 245 f. mit Taf. III. Zu Zeus Olympios als Gad von Dura vgl. ebd. 111 ff.
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Rechter.283 Die unterschiedlichen Darstellungen und Benennungen des Schutzgottes von Dura zeigen also noch einmal, daß Gad nicht unbedingt eine individuelle Gottheit meint, sondern eher ein unterschiedlich interpretierbares theologisches Konzept göttlichen Schutzes oder göttlicher Vorsehung.284 Gad kann daher „das Geschlecht wechseln“ und ist, wie besonders eindrucksvoll an dem Relief aus dem Nebo-Tempel mit Atargatis-Tyche und Tyche-Gad Taimi zu sehen, ein mitunter „losgelöster“ und personifizierter spezieller Teil göttlicher Fürsorge, der sich auf den Schutz einer Stadt, aber auch bestimmter Orte bzw. Plätze und auch Personen bzw. Gruppen bezieht.285 Die Stadtgöttinnen mit Mauerkrone auf den Münzen vereinen in sich á la interpretatio Graeca ebenfalls hellenistische Ideen und Ikonographie mit einheimischen Vorstellungen.286 So kann Tyche etwa durchaus mit einem lunaren Aspekt ausgestattet sein. Sie entspricht dann – im Bild mit einer Mondsichel über der Mauerkrone dargestellt – in besonderer Weise einer gelegentlich bei der semitischen Atargatis auftretenden Funktion, nämlich der einer Mondgöttin, so etwa vor allem in Carrhae (wo sie auch auf den wichtigen Mondgott Sin287 hindeutet), aber auch in Askalon oder Sidon und auch in Edessa. Die Tyche von Petra hält einen Baetylos, die Tychen anderer Städte, wie etwa Palmyra, Hierapolis, Edessa, haben gelegentlich einen Löwen als Begleittier, dessen Bedeutung als Gefährte der Atargatis uns
283 Vgl. dazu auch Pap. Dura 25, einen Kaufvertrag aus dem Jahr 180 n. Chr., der für diese Zeit noch das Priesteramt für den Kult des Seleukos Nikator belegt: Millar 1998a, 475. Zu weiteren Belegen für die Bewahrung der hellenistischen Tradition bis zum Fall der Stadt vgl. Dirven 1999, 119 ff. und nun auch Scholten 2005, 18–36, v. a. 21; 23 ff.; 32 zum Identitätsbewußtsein der Bewohner und zum Gründerkult, ebd. 32 f. u. 34 f. auch zu den beiden Reliefs aus dem Gaddé-Tempel. Zum Relief vgl. auch Meyer 2003, 283. 284 Zu „Gad“ als stadtschützender Gottheit in Syrien vgl. auch Hörig 1979, 166 ff. 285 Nach Dirven 1999, 101, verbinden palmyrenische Inschriften die Gaddé ausschließlich mit Plätzen und Orten, bestimmten Objekten und auch einer bestimmten Gruppe von Personen. Wie Dirven 1999, 124 nach meiner Ansicht weiter richtig formuliert, muß man davon ausgehen, daß Tyche, Gad und Genius „identical notions“ gewesen sind. Zur Gad-Vorstellung vgl. insbesondere die die Komplexität der Bedeutungen verdeutlichende Materialsammlung von Kaizer 1997, 147–166 und Kaizer, 1998, 33–62. Kaizer 1997, 158 f. und Kaizer 1998, 48 ff. zu den Inschriften und Reliefs aus Dura Europos, die oben im Text besprochen wurden, s. a. Kaizer 1997, 160 ff.: Gad of the gardens, Gad of the village, Gad of the oil merchants. Kaizer 1998, 33 f. u. 58 Gad of the fullers etc.; „Gad of Taimi“ – Kaizer 1998, 54, acht Mal in Palmyra erwähnt, gehört zu den „tribal cults“, hat also etwas mit sozialen/familiären Gruppenstrukturen zu tun. Besonders interessant wegen der Möglichkeit des Vergleiches mit dem kleinen Heiligtum im Palmyrenertor von Dura: Kaizer 1998, 43 u. 51: Eine Inschrift aus dem Osttor von Hatra („Nische des Adlers“) erwähnt eine Kultstandarte des Gad des Tores („standard of the Gad of the Gate“). Kaizer 2000b, 231 erwähnt eine inschriftlich als „Gad“ bezeichnete „Herakles-Statuette“ aus dem Bereich des Nordtores von Hatra. Vgl. weiter Meyer 2003, 282 mit Anm. 52. 286 Vgl. etwa Fleischer 1983, 253 ff.; Fleischer 1986, 707 ff.; Prottung 1995, 95 u. 102 ff.; Butcher 2003, 236 ff. 287 Zum Mondgott Sin/Ba’al Harran und seiner Stadt Carrhae vgl. die Studie von Green 1992. Zu den Münzen der Stadt vgl. den Überblick bei Hill 1916, 150 ff. Allgemein zur Religion in Carrhae vgl. auch Tubach 1986, 129 ff.
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schon bekannt ist.288 Der Mondaspekt zeigt die Göttin als Herrscherin der Welt, bedarf aber auch eines männlichen „Gegenpartes“ wie Hadad oder Zeus.289 Wichtig ist also: Die Städte stellen sich mit ihren Münzbildern als „griechisch-römisch“ dar, die Bildwelt gehört in den Kontext der Selbstdarstellung, des „imaginierten Polislebens“ und der Propagierung der eigenen Identität der prägenden Stadt in Konkurrenz zu anderen städtischen Gemeinwesen der Provinz. Bildwelten dienen der Reklamation des kulturellen und politischen Status und der Betonung eigener Bedeutung. Lokale Traditionen können aber sehr wohl „unauffällig“ in das kulturelle „griechisch-römische“ Konzept integriert werden, durch Götterattribute, besondere Formen des Götterbildes, wie „heilige Steine“ oder besondere heilige Stätten und Orte auf den Münzrückseiten, die den jeweiligen lokalen Bezug noch einmal verdeutlichen. 3. Vexilla, Standarten, Militärsymbolik – Kolonien, Veteranen, Garnisonen. Was bedeutet die Bildwelt der Städtischen Münzen? Grundsätzlich wurde das Vorhandensein militärischer Symbolik in der Städtischen Münzprägung – sofern sie überhaupt beachtet worden ist290 –, vom „strategischen Standpunkt“ aus gesehen, auf dreifache Weise interpretiert: Die Fahnentiersymbole in den Reversen der auch aus anderen Quellen bekannten Legionsstandorte sind ein weiteres Indiz für die Stationierung dieser Einheiten vor Ort, und ihre Präsenz in den Münzemissionen kann auch als chronologisches Argument für die Dauer dieser Garnisonierung herangezogen werden, so etwa Wagner.291 Andere Autoren haben die Verwendung militärischer Symbole auf Münzreversen des Untersuchungsraumes auf die mehr oder weniger dauerhafte Stationierung von Vexillationen der durch die Münzbilder identifizierbaren Legionen oder der gesamten Regimenter im Bereich der betreffenden Städte zurückgeführt, wie etwa Kindler292 oder Isaac, unter anderem im Bezug auf Resaina und das vexillum der III Parthica auf den Münzen der Stadt.293 Die dritte These, daß nämlich die militärische Thematik der Münz-
288 Dirven 1999, 104 mit Beispielen und Belegen. 289 Siehe dazu Gogräfe 1997, 820 mit den entsprechenden Literaturhinweisen. 290 Eine Ausnahme ist vor allem der programmatische Aufsatz von Dąbrowa 2001, 73 ff., der zeitgleich mit zwei Beiträgen von Stoll 2001e, 380 ff. und Stoll 2001c, 59–76 erschienen ist und versuchte, die Möglichkeiten der Interpretation und der Nutzbarkeit numismatischer Quellen für militärhistorische Fragestellungen grundsätzlich deutlich zu machen (v. a. für die Bereiche Kolonisation/Veteranenansiedlung, Dislokation der Legionen/Garnisonen, Feldzüge. Groß ist auch die Bedeutung der an konkreten Beispielen (v. a. Zeugma, Samosata) exemplifizierten Schlüsse von Wagner, s. folgende Anm. 291 Wagner 1977, 530 u. 532 und Wagner 1985, 53 mit 27, Abb. 41–44. Auch aus ökonomischen Gründen (Anwesenheit des Militärs/florierende Wirtschaft/gleichbleibender Bedarf an Kleinund Wechselgeld) ist dieser These zuzustimmen: vgl. auch Stoll 2001e, 405 f. 292 Kindler 1980, 56–58. 293 Isaac 1998a, z. B. 139 u. 431 mit Anm. 38. Vgl. auch seine Zustimmung zu Mann 1983, in Isaac 1992, 42 mit Anm. 150; 360 mit Anm. 169 mit Bezug auf die Münzen von Resaina!
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rückseiten des 3. Jh. n. Chr. mit militärischer Kolonisation294 und großangelegter Veteranenansiedlung zu tun haben könnte, was etwa Kennedy auch zur Erklärung der Reverse von Resaina als Erklärungsmodell anbot,295 hat bereits vor Jahren Mann296 mit guten Gründen kritisch beleuchtet, das Ergebnis lautete „at this date the appearance of legionary standards on coins may imply only that those legions were stationed in the vicinity of the issuing authority“, gelegentlich handele es sich sogar um eine „historische Reminiszenz“, wie in Heliopolis (bzw. Berytos), oder gar um reine Fiktion, wie im Fall der Münzen aus Damascus mit Bezug auf die legio VI Ferrata, die im Grunde wohl dazu gedient hätte, die eigene Bedeutung durch den Anschein des Charakters einer „klassischen Veteranenkolonie“ zu steigern.297 Was jedoch Damascus angeht, darf man nach meiner Ansicht hier Mann allerdings nicht einfach folgen! Zunächst ist noch einmal darauf hinzuweisen, daß viele „Frontstädte“298 im Nahen Osten, von der Provinz Arabia bis zum Tigris, unter Severus und seinen Nachfolgern im 3. Jh. n. Chr. den Rang einer colonia erhalten, Städte von militärischer Bedeutung und mit militärischer Besatzung. Was die Bilder also andeuten könnten, wäre der enge Zusammenhang zwischen der Anwesenheit des Militärs in der Stadt und der Rangerhöhung bzw. dem Status.299 Die ausdrucksstarke bildliche Dokumentation der Anwesenheit einer Garnison auf den Städtischen Münzen bedeutete eine Eigenwertung der Städte, die damit ihre Rangstellung im Gefüge der Provinz, ihr Prestige und ihre Sicherheit und Loyalität sowie auch ihre Leistungen300 sinnfällig präsentierten – fast alle der Städte, deren Reverse auffällige Kombinationen von Stadtgottheiten und römischen Fahnen- und Regimentssymbolen
294 Allgemein vgl. dazu Pollard 2000, 60 ff., insbes. 63 (mit dem Angebot verschiedener Deutungen für die Münzbilder: Legionsgarnison, Vexillation, Bedeutung der Stadt als Rekrutierungsbasis, Veteranenansiedlung). 295 Kennedy 1987, 61 mit Anm. 25; vgl. auch Isaac 1992, 42 Anm. 150. 296 Mann 1983, 43 f. 297 Mann 1983, 43. Zu den Veteranenkolonien „alten Stils“ vgl. auch die Bemerkungen bei Sartre 2001b, 119 ff. Vgl. aber auch Belayche 2001, 117 zur Gründung von Aelia Capitolina: „… in Hadrian’s time, the settlement colonies were a thing of the past and replaced by honorary colonies (which did not hinder settlement) …“. Die durchgängige bedeutende Rolle von Veteranen bei der „Kolonisation“ betont dagegen überproportional 1990, 491–502, etwa 491: „… most, if not all, colonial foundations from the time of Augustus included Roman citizen veterans … thus post-Augustan colonization is essentially bound up with the settlement of ex-soldiers “! Und auch Dąbrowa 2001, 83 glaubt aufgrund der Münzbilder, daß die These vom Aufhören echter Veteranenkolonien im 3. Jh. neu überprüft werden müsse. 298 Zu diesem Zusammenhang von „Frontstadtcharakter“, Militärpräsenz und Rangerhöhung zur colonia vgl. Millar 1990, 39 f. 299 Bereits Castelin 1946, 23 hat das Vexillum auf den Münzen aus Resaina mit dem Charakter der Stadt als „Militärkolonie“ in Verbindung gebracht, aber offensichtlich eher an ein „statusanzeigendes“ Bild gedacht und es m. E. richtig zusätzlich als Hinweis auf aktive Truppen in der Stadt verstanden. 300 Zu diesem Aspekt, der Lenkung der Aufmerksamkeit auf die – dafür prestigebringenden – Leistungen, die ein Gemeinwesen für Rom erbrachte: vgl. Nollé 1995, 51 ff. u. 69 ff.
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zeigen, wurden in severischer Zeit in den Kolonierang erhoben301 – eine numismatische „Gegenprobe“, die erneut den Wert der Quelle erweist. Was weiter den wirklichen Umfang der Anlage von Veteranenkolonien im Nahen Osten angeht, so muß man wohl eher mit Mann und auch Isaac zunächst konstatieren, daß „the Roman authorities never practised large-scale settlement in the eastern provinces“.302 Nehmen wir das Beispiel Caesaraea, um deutlich zu machen, daß Schematismus hier ohnehin fehl am Platze ist: Der Titel colonia reflektiert hier die Rolle der Stadt als militärische Basis während des Jüdischen Krieges – Vespasian gründete die colonia Flavia Augusta Caesaraea im Anschluß daran –, aber es gibt keine Quellen, die bei der Gründung eine deductio von Veteranen in größerem Umfang vermuten lassen und auch auf den Rückseiten der Städtischen Münzen findet sich entsprechend ebenfalls kein Hinweis.303 Andererseits gibt es sozusagen auch den umgekehrten Fall in unmittelbarer Nähe, vor den Toren Jerusalems: Flavius Iosephus (Bell. Iud. 7, 6, 6) berichtet von der Ansiedlung von 800 Veteranen durch Vespasian in Emmaus – ohne daß die Siedlung deswegen eine colonia geworden wäre!304 Es gilt also zu bedenken, daß sog. „Veteranenkolonien“, vielleicht zunächst besser einfach „Kolonien“, als Brennpunkte römischer Identität und Loyalität gegenüber Kaiser und Staat über eine ganz allgemeine stabilisierende Wirkung auf die lokale Umgebung hinaus,305 bisweilen – ohne selbst eine allzu große Rolle bei der militärischen Konsolidierung gespielt zu haben306 (höchstens indirekt, etwa als Rekrutierungsreservoir und als Versorgungsbasis) – auch für einige Zeit, für die Dauer eines Feldzuges oder einer Unternehmung etwa, als Operationsbasis und als Versorgungsstützpunkt für aktive Militäreinheiten eine Rolle gespielt haben können307 und daß sich gerade diese Tatsache auch in den Reversbildern niedergeschlagen haben kann: Strenggenommen würde sich dann eine Regimentsfahne oder ein Regimentswappen also auch nicht zwingend auf „das“ Regiment beziehen lassen, des301 Stoll 2001e, 409. 302 Isaac 1992, 61. Jerusalem in hadrianischer Zeit als „one of the last real veteran colonies“ – vgl. Isaac 1998c, 103. 303 Vgl. vor allem Isaac 1998c, 94–98 u. 106 (dort als „honorary colony“ bezeichnet); Millar 1990, 26 und zustimmend auch Sartre 2001b, 124. Vgl. auch Belayche 2001, 108 u. 174 f. Anders, aber m. E. nicht unbedingt völlig überzeugend jetzt Cotton/Eck 2002, 375 ff., v. a. 383–385. Es geht nicht darum zu bestreiten, daß in der Kolonie auch Veteranen gesiedelt haben, es geht nur um ihre Rolle bei der Gründung. 304 Isaac 1998c, 95 mit Anm. 36. 305 Vgl. auch Belayche 2001, 108 f.: „… the creation of cities played an active role in the province’s integration into the Graeco-Roman ensemble …“. 306 Konrad 2003, 245 übertreibt bei der Einschätzung der militärischen Rolle der Veteranenkolonien bzw. der angesiedelten Veteranen, die sie als einsatzfähige taktische Einheiten ansieht! 307 Zur Rolle der Veteranenkolonien vgl. z. B. Isaac 1992, 60 f. und v. a. ausführlich 311 ff. („military function of veteran colonies“) und Isaac 1998c, 93 ff. Weiter zur Frage militärischer Funktionen der Kolonien vgl. Sartre 2001b, 122 ff. u. 139 f. (Operationsbasen, Logistik/Versorgungsbasen, Rekrutierungsreservoir) und s. a. bes. Isaac 1998c, 101 zum Zusammenhang mit dem ebenfalls militärisch bedeutsamen Straßenbau und 104 zur Rolle der Kolonien bei der Rekrutierung.
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sen Veteranen im Einzelfall die „Gründerväter“ der Kolonie stellten.308 Zur Plausibilität der These darf noch einmal auf die kleinasiatischen Städteprägungen mit Militärsymbolik verwiesen werden, die „nur“ aufgrund des Truppendurchzuges und kurzer Aufenthalte des Militärs vor Ort entstanden sind! Was also, wenn etwa genau das auch in dem oben bereits erwähnten Damascus der Fall gewesen wäre und die Münzreverse mit dem Symbol der legio VI Ferrata einen Reflex auf die Rolle der Stadt als Operationsbasis der Einheit oder zumindest als Garnison einer Vexillation des Regimentes darstellen würden? Zur Entscheidung, ob es sich um eine „temporäre Stationierung“ oder aber um ein dauerhafteres Gefüge handelt, ist jedenfalls stets ein Blick auf die gesamte Münzprägung der betreffenden Stadt und die Einbettung des Münztypes mit Fahnen- oder Wappensymbolik notwendig, das gilt selbstverständlich ebenso bei der Einordnung und Interpretation eines Münzbildes mit vexillum in ein Umfeld „kolonialer Münzbildwelten“. Und auch hier könnte dann, im 3. Jh. n. Chr., das Münzbild mit der sulcus primigenius-Szene und einem vexillum mit Legionsziffer und -namen bedeuten, daß sozusagen dieses Regiment „Taufpate“ der Kolonieerhebung gewesen ist: Der Charakter der Stadt als bedeutender strategischer Punkt in der Verteidigung, die Präsenz einer Garnison, ihre Bedeutung im Rahmen der kaiserlichen Feldzüge, bedingt die Rangerhöhung zur Kolonie. Um eine Veteranenansiedlung zu belegen, wären weitere Quellenbelege notwendig, ihren Umfang und ihre jeweilige Gesamtbedeutung zu ergründen, dürfte schwierig sein. 4. Kentauren und Tychen. Legionen und Städte in Bild und Text Städtischer Münzen aus Resaina und Singara Kommen wir nun zu den Prägungen Resainas und Singaras, zu den Kentauren als Wappen der beiden hier stationierten Legionen und den Tychen als Symbolen der Städte. Ungeachtet der Tatsache, daß wir hierbei, wie bereits angemerkt, nur einen Zeitrahmen von nicht einmal 40 Jahren überschauen können, eröffnet die Bildwelt der Reverse, die dennoch in ihrer Typenvielfalt erstaunlich abwechslungsreich ist, tiefe Einblicke in das „Zusammenleben“ von Stadt und Garnison aus der Sicht der städtischen Eliten und auch – zumindest indirekt, in der Spiegelung in der Loyalitätshaltung der Eliten – aus dem der „Staatsmacht“. Äußerst vielgestaltig ist die Präsentation des Fahnentieres oder besser des Wappens der legio III Parthica, des bogenschießenden Kentauren, der, wie bereits erwähnt, auch in der Reichsprägung mit entsprechender Legende für die Legion belegt ist, in deren Standort Resaina.309 Wir beginnen wegen der Fülle des Materials und der Belege zunächst mit dieser Stadt.
308 Vgl. aber Belayche 2001, 120 f. zu Aelia Capitolina und Resaina – genau das unterscheidet wohl die beiden coloniae! 309 Vgl. hier die Bemerkungen von Castelin 1946, 26 ff. zum sagittarius.
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Kentauren leg. III Parthica – Vexillum, darunter bogenschießender Kentaur nach rechts. Links im Feld III, rechts umgedrehtes C (?) [Caracalla] – bogenschießender Kentaur/Sagittarius nach rechts oder: – bogenschießender Kentaur/Sagittarius nach rechts, dahinter 2 Vexilla, selten mit weiblichem Kopf mit Mauerkrone im Feld [Caracalla, Elagabal] – bogenschießender Kentaur nach rechts, vor ihm Vexillum mit Aufschrift: LEG III [Severus Alexander] – nach links sitzende Tyche auf Felsen, darunter Flußgott; über dem Kopf der Tyche bogenschießender Kentaur nach rechts [Severus Alexander] – 2 stehende Tychen beim Handschlag über Altar, links Marsyas auf Pedestal, rechts Kentaur; unten Flußgott; über der Szene Adler mit Kranz im Schnabel. Legende endet mit LIIIP [Trajanus Decius] – Vexillum, Fahnenstange mit beidseitigem Griff; auf dem Fahnentuch Aufschrift LIIIP (ebenso in der Münzlegende); über dem Querholz, das mit Bändern geschmückt ist, ein sitzender Adler mit seitlich ausgebreiteten Schwingen [Trajanus Decius]
leg. I Parthica – bogenschießender Kentaur nach rechts, dahinter Vexillum mit Aufschrift (drei Buchstaben, wohl L, P, A = legio I Parthica, s. u.) [Gordian III] – Tychebüste, Kentaur Sagittarius nach rechts über deren Kopf [Gordian III, Tranquillina] – sitzende Tyche, unten Flußgott; Kentaur Sagittarius nach links oder rechts über dem Kopf der Tyche [Gordian III und Tranquillina; Tranquillina] – Vexillumstange mit Bändern und Fransentuch, darauf die Aufschrift LEG AP [Tranquillina] NACHWEISE: BMC Arabia, Mesopotamia and Persia 134 ff. Nr. 1–15; SNG Italia 12, 108, Nr. 140–144; 110 Nr. 145–151; 110, Nr. 152; SNG Dänemark 38, Nr. 254–255; Nr. 256–257; Nr. 258; Castelin 1946, Taf. III F u. G; Auktionskat. 105 (SolingenOhligs, Januar 2001) des Münz ZentrumRheinland, 36, Nr. 449
NACHWEISE: BMC Arabia, 125, Nr. 2 u. 4; 126, Nr. 9; 130, Nr. 28–32; SNG Dänemark 38, Nr. 248 mit Taf. 8; SNG Italien 12, 108, Nr. 137
Bereits unter Caracalla figuriert auf den Reversen der Stadtprägungen ein Vexillum,310 gelegentlich mit abgekürzter Erläuterung links und rechts im Feld (Legionsziffer III und Buchstabe bzw. Buchstaben, die auch spiegelverkehrt oder liegend wiedergegeben sein können: P für P(arthica), ein S für S(everiana); ein umge-
310 BMC Arabia, 125, Nr. 2–3 [Caracalla]; erste Nennung der Legion in den Rückseitenlegenden der Bronzeprägungen der Stadt: Nr. 2: Vexillum, Inschrift links III, rechts umgedrehtes C; vgl. Castelin 1946, 16 Nr. 5 u. 6; Nr. 3:Vexillum; links und rechts des Schaftes spiegelverkehrtes P und III mit darunterliegendem S = S(everiana); v. a. aber Castelin 1946, 14 ff. Speziell zu diesen „Vexillum-Münzen“ vgl. auch Leypold 1993, 63–66.
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drehtes C, gewöhnlich als S verwendet,311 könnte gut dasselbe bedeuten, also den „Gründungsbeinamen“ der Legion), zuweilen darunter ein nach rechts springender bogenschießender Kentaur, der unter Elagabal (vielleicht auch schon unter Caracalla)312 auch als alleiniges Rückseitenbild vorkommt. Legion, Vexillum und Wappentier sind einander also eindeutig zugeordnet – und das vom ersten Moment der Prägetätigkeit an. Ebenfalls unter Elagabal sind Prägungen belegt mit dem Kentaur im Vordergrund und zwei Vexilla dahinter (unter Caracalla: zwei Vexilla und ein signum in der Mitte);313 selten befindet sich im Feld ein Tychekopf314 – vielleicht ein Hinweis auf verschiedene Standorte der Legion oder aber ein Bild, das sich auf die beiden Legionen der Provinz bezieht?315 Möglicherweise waren beide gemeinsam und kurzfristig in Resaina zusammengezogen (Tychekopf), wohl am ehesten im Rahmen des Partherfeldzuges des Caracalla. Und das Bild dokumentiert vielleicht die nach der Ermordung Caracallas und dem kurzen Prinzipat des Macrinus unmittelbar anschließende, für Elagabal heikle Phase der Herrschaftssicherung nach innen und außen (Militär, Parther), in der es auf die Unterstützung einzelner Regimenter und der Militärprovinzen besonders ankam?316 Vor dem Kentaur steht unter Severus Alexander ein Vexillum mit der Aufschrift LEG(io) III, oder, ebenfalls unter Severus Alexander, der Kentaur befindet sich über dem Kopf des Bildes der sitzenden Tyche der Stadt mit Flussgott.317 Die „Union“ Legion und Stadt, vertreten durch ihre Symbole, ist gleichermaßen durch die Rückseitenlegende318 aufgenommen, die den griechischen Titel der Stadt und das lateinische Kürzel für die Legion spätestens seit Severus Alexander immer in identischer Weise zusammenstellt: SEP(tim…a) KOL(wn…a) RHSAINHSIWN L(egio) III P(arthica) bzw. L(egio) III P(arthica) S(everiana), d. h. Bild und Legende ergänzen einander in äußerst sinnreicher Weise; die „Kompositlegende“ bedeutet in gewisser Weise eine Rangsteigerung der Stadt,319 angedeutet durch die Erweiterung ihres Titels mittels der Beifügung des Legionsnamens, mindestens aber eine Art „Partnerschaft“. Castelin hat in seiner Untersuchung zur Münzgeschichte Resainas diese 311 Zu den Eigenarten der Buchstabenverwendung in der Münzprägung Resainas vgl. allgemein Castelin 1946, 15. 312 So jedenfalls die Zuordnung bei Leypold 1993, 64. 313 Castelin 1946, 17, Nr. 7 mit Taf. 1: im Feld vom ursprünglich vorhandenen Legionsnamen nur P und S erhalten – P(arthica) S(everiana). 314 Castelin 1946, 19, Nr. 15 ff. – Typ mit Tychekopf: ebd. Nr. 14. S. a. Leypold 1993, 65 f., Nr. 6–7. 315 So dachte es sich Castelin 1946, 24 u. 26. 316 Zu Militäraufständen unter Macrinus und in der frühen Phase der Herrschaft des Elagabal vgl. Sünskes 1990, 68 ff. u. 73 ff. 317 Kunsthistorisches Museum Wien/Münzkabinett Inv. Nr. 22909 – unpubliziert; 8, 4 gr. schwere Bronzemünze mit eindeutiger Legende. Derselbe Typ ohne Kentaur hat als Abschluß der Reverslegende dennoch LEG III P oder LEG III P und spiegelverkehrtes S. 318 Castelin 1946, 38. 319 Zum Vergleich s. Isaac 1992, 39 Anm. 132 mit Verweis auf ein Manuskript der Geographie des Ptolemaios, den Cod. Vaticanus 191, welches als Distiktiv LIII (sc. legio III Gallica) neben dem Namen der Stadt Raphanaea verzeichnet.
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„Verschmelzung“ ganz allgemein, und auch nicht ganz zu unrecht, mit der historischen Situation in Verbindung gebracht, allerdings erst mit derjenigen unter Gordian III. und der Zeit während und nach dem Feldzug des Gordian. Die Provinz und ihre Administration sei nun in höherem Maße „militarisiert“ gewesen, und auch die Münzprägung habe dann in der Grenzprovinz Mesopotamien mehr und mehr einen „military character“ angenommen: „This development must have led gradually to the mint’s personnel becoming identified with the army and the mint towns with the garrisons“.320 Aber, nicht nur, daß es in Resaina ganz offenbar bereits seit Caracalla eine „Militarisierung“ der Münzbilder gegeben hat (seit Severus Alexander sogar mit dem bilinguen Revers „in Wort und Bild“), so greift vor allem der zwar grundsätzlich richtige Ansatz von einer Identifikation Stadt und Garnison, jedenfalls so, wie ihn Castelin hier im Zusammenhang gebraucht hat, etwas zu weit. Denn er unterdrückt die Frage nach der Rolle der Stadt und der Eliten bei der Münzprägung, der Bild- und Themenwahl. Daß es um eine Identifikation von Stadt und Garnison geht, darüber besteht kein Zweifel. Daß die „Offenheit“ für diesen zweiten, zivilen Blickwinkel auf die Reverse aber nicht ohne Bedeutung ist und tatsächlich im Einzelnen zu abweichenden und für die Identität der Stadt aussagekräftigen Interpretationen führen kann, wird im folgenden vielleicht am besten am Beispiel des Adlers zu zeigen sein, der auf den Reversen Resainas nicht selten an prominenter Stelle auftaucht. Unter Severus Alexander figuriert eine auf einem Felsen sitzende Tyche mit Mauerkrone und Schleier, die einen Adler in der rechten Hand hält, der ihr den Kopf zuwendet; zu ihren Füßen der Flußgott Chaboras, als Rückseitenbild.321 Die Legende lautet wie eben beschrieben, in der angesprochenen bilinguen Form, nennt Stadt und Garnison. Was bedeutet der Adler auf dem Arm der Tyche? Castelin322 hat den Adler als Symbol römischer Herrschaft und der römischen Armee gedeutet. Die Verbindung mit der Tyche der Stadt deute an, daß römische Truppen in ihren Mauern stationiert seien – was ja auch durch die Legende der Reverse bestätigt werde. Ebenfalls unter Severus Alexander erscheint ein nach links sitzender Adler mit angelegten Flügeln vor einem Vexillum mit dem Legionsnamen LEG(io) III P(arthica) S(everiana)323 – ein typischer Legionsadler (in der Regel mit nach oben gestreckten Flügeln oder wenigstens mit seitlich geöffneten Flügeln) ist das nicht, auch ist nie eine der charakteristischen signa-Stangen zu erkennen. Gelegentlich taucht der Schriftzug der Legion auch mehrfach in einem „Bild“ auf, etwa auf Reversen von Prägeserien unter Trajanus Decius, die ein Vexillum mit der Aufschrift LIIIP oder LEG III P zeigen, was in der Legende in der gewohnten Weise, verbunden mit dem griechischen Titel der Stadt als SEP(tim…a) KOL(wn…a) RHSAINHSIWN L(egio) III P(arthica) aufgegriffen wird. Auf dem Vexillum mit Querstange und Bändern sitzt unter Decius oben ein Adler mit seitlich ausgebreiteten Flügeln,
320 Castelin 1946, 12. 321 BMC Arabia, 125, Nr. 5–6 [Severus Alexander] (Legende endet mit LIIIP bzw. LIIIP und spiegelverkehrtem S); dazu siehe auch Castelin 1946, 34 ff., v. a. 40 f. 322 Castelin 1946, 40 f. 323 Castelin 1946, 20, Nr. 18 mit Taf. III.
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einen Kranz im Schnabel.324 Auch hier darf man sich über das scheinbar Offensichtliche hinaus die Frage stellen, ob mit dem Adler „nur“ das Symbol der römischen Legionen gemeint ist? An dieser Stelle müssen allerdings zunächst einige Anmerkungen zur Sprache gemacht werden. Bei den „zweisprachigen“ Münzlegenden325 darf man von einem Phänomen der Bilingualität326 oder sogar von „code-switching“ („intra sentential switches“)327 reden, was ein explizites Kennzeichen einer Kontaktkultur ist – im hellenisierten Osten war die griechische Sprache oberhalb eines minimalen sozialen Niveaus weit und allgemein verbreitet.328 Auch in der römischen Armee des Nahen Ostens dürfte Latein als „Sprache der Herrschaft“ und als eine Art „Exklusivsprache“ der Armee“ eine gelehrte, aber eben doch, zumindest bei zu radikaler Auslegung, unrealistische Fiktion sein – die römische Armee war „mehrsprachig“, wie bisweilen ihre eigenen subliterarischen Dokumente auf Papyrus und Ostraka (unterhalb einer ganz formalen Ebene) und auch die epigraphischen Hinterlassenschaften zeigen, die auch in ihrem jeweiligen Zusammenhang gelesen werden wollen, der die Sprachwahl der Soldaten und Veteranen bedingt! Neben dem Grie324 Vgl. BMC Arabia, 131, Nr. 35 [Trajanus Decius]. S. a. unpubl. Kleinbronze 3, 88 gr. im Kunsthistorischen Museum Wien/Münzkabinett, Inv. Nr. 27935; s. a. Castelin 1946, 78 f. 325 Sartre 2001a, 854 verkennt die „Bilingualität“ der Münzen von Singara und Resaina – die beiden Kolonien werden unter den Städten aufgezählt, deren Münzprägung nur griechische Legenden trage (allerdings wird ebd. zu Recht auf Lehnwörter aus dem Lateinischen für den administrativen Bereich hingewiesen). 326 Auf die Problematik der „Sprachwahl“ und des Verhältnisses zwischen Latein und Griechisch im Nahen Osten kann hier nicht weiter eingegangen werden. Grundsätzlich darf aber offenbar von einer nicht unbeträchtlichen „Zwei- oder Mehrsprachigkeit“ ausgegangen werden, wobei die Verbreitung der Kenntnisse der griechischen Sprache (als Verkehrs- sowie Verwaltungsund Bildungssprache) natürlich auch durch die hellenistische Geschichte Mesopotamiens mitbedingt ist. Zu den Sprachverhältnissen während der römischen Kaiserzeit im Osten des Reiches s. etwa Schmitt 1980, 187–214 und Schmitt 1983, 554–586. Zur „Zweisprachigkeit“ und der Anwendbarkeit moderner Begrifflichkeit der Soziolinguistik auf die Antike vgl. jetzt den Sammelband von Adams/Janse/Swain 2002. Zur „Mehrsprachigkeit“ des Militärs und zum Konzept von „Latein als Militärsprache“/„Sprache der Macht“ Eck 2000, 641–660, vgl. kritisch Stoll 2001e, 46 ff. Überaus anregend und klärend sind jetzt auch die sehr ausführlichen Bemerkungen von Adams 2003, v. a. 527–641, allerdings vorwiegend zum Latein im römischen Ägypten und ebd. 599–623 auch speziell zum Sprachgebrauch im Bereich der Armee Ägyptens. Allgemein s. jetzt auch die kurzen Ausführungen bei Butcher 2003, 399 und Phang 2007, 300 f., vgl. auch Pollard 1996, 217 ff. 327 Zur Definition s. Adams 2003, 18 ff. u. 24, v. a. 297 ff. (25 ff. zur schwierigen Abgrenzung gegen „borrowing“/Lehnwörter-Gebrauch und „interference“). Ebd. 75 f.; 299 f.; 302; 393–396; 586 f. zu ganz entsprechenden „code-switches“ aus dem Bereich der Epigraphik, die ebenfalls im Zusammenhang mit der römischen Armee oder der Benennung römischer Regimenter in einem sonst griechischen Text stehen – hier gilt fast immer: „The code- and alphabet-switch symbolises the Romanness … along the Greekness …“, das Phänomen hat also in jedem Fall auch einen stark symbolischen und „identitätsanzeigenden“ Charakter („Romanness“/ „professional identity“ und „mixed identity“ ergänzen sich in diesen Fällen); s. a. Adams 2003, 380 ff. zum Vergleich. 328 Vgl. dazu nur Butcher 2003, 270 ff., v. a. 273 ff., zu Sprache, Kultur und Identität ebd. 283 ff. Zur weitverbreiteten Bilingualität (gesprochene Sprachen) im Nahen Osten vgl. auch Millar 1993, 234.
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chischen weit verbreitet dürfte als gesprochene Sprache ohne Zweifel im Nahen Osten das Aramäische in verschiedenen Dialekten (nabatäisch, palmyrenisch, syrisch etc.) gewesen sein, das seit der Perserzeit als Verkehrssprache gedient hatte – auch die Osrhoener und die „Euphratesioi“ sprachen solche lokalen Dialekte des Aramäischen.329 Es ist nicht gesagt, daß dies die Sprache der „ländlichen Unterschichten“ und des „städtischen Proletariats“ gewesen ist! Bilingualität oder Multilingualität dürfte – zumindest zu einem gewissen Grad – auch hier verbreitet gewesen sein. Die Sprachgeschichte zeigt eine komplexe Verflechtung von Griechisch, Latein und einer ganzen Palette semitischer Dialekte330 – beispielsweise wanderten lateinische Wörter wie centurio oder colonia über das Griechische in die semitischen Sprachen, die „Koexistenz“ und Wechselwirkung läßt sich gerade in der Epigraphik zeigen.331 Die Sprachwahl auf den Legenden der Münzen (z. T. auch die Bildtypen) und der Status einer Stadt stehen normalerweise in einem gewissen Zusammenhang, Kolonien und Munizipien wählen vor allem in der Phase des 1. und frühen 2. Jh. n. Chr. in der Regel durchgängig Latein, „Griechenstädte“ die griechische Sprache. Bei Statuswechsel wechselt hier die Sprache, wie etwa auch noch bei der im 3. Jh. n. Chr. stattfindenden Kolonieerhebung von Damascus, Sidon oder Petra und Bostra332 oder aber es gibt durchaus auch Mischformen333 oder Latein und Griechisch wechseln sich sogar teilweise ab, wie auf den sog. SC-Bronzen von Antiochia in Syrien334 oder das Griechische wird beibehalten, wie auf den Legenden der Münzen von Edessa und auch in Emesa, beide im 3. Jh. n. Chr.335 Zum Vergleich, aber auch als Kontrast: Das Gebiet der augusteischen Kolonie Berytus, das sich zwischen dem Libanon und der nördlichen Beqa’-Ebene hinzieht, blieb beispielsweise bis ins 3. Jh. n. Chr. hinein ein „Latin island“ der lateinischen Epigraphik.336 Vielleicht bis fast in die Mitte des 5. Jh. n. Chr. hinein war Latein an den hier ansässigen berühmten Rechtsschulen, in denen natürlich auch lateinische Rhetorik gepflegt wurde, Unterrichtssprache,337 die Münzlegenden der Stadt, auf deren Münzrücksei329 Butcher 2003, 285; Isaac 1992, 305. Zum Aramäischen vgl. auch Sommer 2005, 118 ff. 330 Sehr instruktiv für die sprachlichen Verhältnisse in Syrien und Mesopotamien, aber konzetriert auf das Verhältnis und die Wechselwirkung von Griechisch und Aramäisch ist der Beitrag von Taylor 2002, 298–331. 331 Allgemein vgl. auch Millar 1993, 232–234; 324 ff.; 450; Millar 1990, 9 f. und 1995, 403–419, v. a. 406 f. u. 408 ff. 332 Millar 1993, 316; Millar 1990, 50 f. 52. 333 S. etwa Spoerri Butcher in RPC VII, 37; Butcher 1988, 47 ff.; vgl. Harl 1978, 84. Dies gilt von Beginn der Provinzialprägungen an, vgl. etwa Burnett/Amandry/Ripollès in RPC I, 15, vgl. auch 44 f. zum Zusammenhang zwischen Status und Bildtypen (z. B. die beliebten sulcus primigenius-Szenen/„founder“-Typen römischer Städte mit Koloniestatus). Vgl. auch RPC II, 32 f. zu einigen „Kuriositäten“ der Legendensprachwahl. Zum Vergleich s. Millar 1993a, 238 f. zu Sprachwahl/Epigraphik. 334 Butcher 2003, 217: „Sprachwechsel“ zur griechischen Sprache unter Traian. 335 Millar 1993, 477; Millar 1990, 38 f.; 41; 47 f. Allgemein zur Integration der Einheimischen und der hellenisierten Oberschicht in den neuen römischen Kolonien, zur lateinischen Sprache und der griechischen Kultur vgl. die Bemerkungen bei Sartre 2001b, 141 ff. 336 Millar 1990, 10 ff. u. 32 ff.; vgl. auch Butcher 2003, 229 ff. 337 Zu Berytus als „lateinischer Sprachinsel“ im Osten des Reiches vgl. etwa Schmitt 1983, 556.
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ten auch noch im 3. Jh. n. Chr. als Retrospektive und historische Reminiszenz oft die vexilla der tatsächlichen „Gründergeneration“ aus Veteranen der Legionen V Macedonica und VIII Augusta wiedergegeben sind, waren ausschließlich in Latein verfasst!338 Doch es gibt auch einen „historischen Wandel“ (zugleich wohl auch ein geographisches Phänomen) im Hinblick auf den Gebrauch des Lateinischen. Die neuen severischen Kolonien zeigen hier kein einheitliches Bild – während manche wie gehabt Latein als Münzlegende wählen, bleiben andere bei Griechisch, wie Tyana in Kappadokien, Antiochia in Syrien und eben Resaina und Singara in Mesopotamien,339 oder aber – wie in Laodikeia – die neuen coloniae benutzen lateinische Buchstaben, um auf Griechisch zu schreiben oder, wie in Carrhae benutzt man einmal Griechisch, ein anderes Mal Latein.340 Hybridbildungen wie „metrocolonia“ sind als Kontaktphänomen ebenfalls keine Seltenheit.341 In Palmyra war nach dem Zeugnis der zwei- und mehrsprachigen Inschriften eine „mélange of languages“ ebenso charakteristisch und auffällig, wie auch in den coloniae Mesopotamiens,342 nur hier sind wir als Quelle weitestgehend auf die Münzlegenden angewiesen. Kehren wir noch einmal zur Bildwelt auf den Münzen Resainas zurück. Was hat es mit dem Adler auf sich, der uns bereits zweimal auf den Münzbildern der Stadt begegnet ist, einmal zusammen mit der Tyche, auf ihrer Hand sitzend, unter Severus Alexander343 und einmal mit dem Legionsvexillum, unter Severus Alexander, vor einem Vexillum mit Legionsnamen sitzend und unter Trajanus Decius, dort, mit ausgebreiteten Flügeln und einem Kranz im Schnabel, auf dem Querholz der Standarte sitzend? Unter Trajanus Decius sind in Mesopotamien nur noch die Münzstätten in Edessa und in Resaina tätig; die letzten römischen Prägungen in Mesopotamien entstehen hier, in Resaina sind es immerhin sechs vergleichsweise qualitätvolle und sorgfältig geprägte Serien von einem teilweise ausgeprägt „römischen Charakter“ (v. a. „Founder“, „Concordia“, Tyche mit Adler), so als sei hier noch einmal verzweifelt versucht worden, die Moral durch die Beschwörungen,
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Das Stadtterritorium läßt sich in diesem Fall aufgrund der Zeugnisse lateinischer Epigraphik „definieren“: Butcher 2003, 235 f. mit Abb. 90.1. Millar 1993, 279 ff. zu Berytos, seinen römischen Kulten und seiner romanitas allgemein – vgl. auch ebd. 527 (zu „römischen Kulten“ in den Kolonien vgl. auch allgemein Sartre 2001b, 139. Zu den Münzrückseiten von Berytos und Heliopolis vgl. Millar 1990, 33 und Stoll 2001e, 556 f. Vgl. Castelin 1946, 47: „… Of the hundreds of colonial cities there are only ten whose coins invariably give the city name and colonial title in Greek. Of these eight lie in the Hellenized East, five of them in Mesopotamia …“. Butcher 2003, 232; Millar 1990, 39. Millar 1990, 41 u. 45 (Emesa, Palmyra). Millar 1990, 42 ff. u. 56 und Millar 1993, 165. Zur Bilingualität in Palmyra vgl. auch insbes. Kaizer 2002, 27 ff. Die sitzende Tyche auf den Münzen aus Resaina läßt sich hier mit der Tyche von Samosata vergleichen (Nachweise s. etwa auch Stoll 2001e, 562), die ebenfalls einen Adler hält: vgl. die Bemerkungen bei Castelin 1946, 40f. Eine weitere Parallele ist die ikonographische „Einheit“ Tyche und Fahnentier, worauf wir noch zurückkommen werden. Die Interpretation Castelins, der Adler deute an, „that Roman troops were quartered within the walls“, sieht er durch die erwähnte bilingue Reversbeischrift, die in der Tat auf ein entsprechendes Nahverhältnis hindeutet, bestätigt: „Eagle and insignia show that the garrison was important …“.
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Bekräftigungen und Beteuerungen der Münzbilder zu stabilisieren und alle Kräfte gegen die sasanidische Bedrohung zu bündeln!344 Und in der Tat gehören die drei letztgenannten Serien nach der Chronologie von Castelin in die letzten Monate des Jahres 250 n. Chr. und den Beginn des Jahres 251 n. Chr.,345 erscheinen also sozusagen am Vorabend der entscheidenden dritten Offensive Shapurs I., deren Kommen sich wohl ohnehin bereits abgezeichnet hatte und den Menschen in den Garnisonsstädten, auf vorgeschobenem Posten des Imperium, sicher nur eine drohende Frage der Zeit gewesen war.346 Unter Trajanus Decius ist der Adler, der uns noch weiter beschäftigen soll, häufig zu sehen: Da ist zunächst der „Founder-Typ“, der „klassische Münztyp“, der immer wieder mit der Erhebung einer Stadt in den Kolonie-Rang verbunden wird und der hier, in Resaina, eben erst rund 50 Jahre nach dem Ereignis erstmals auftaucht: Übrigens fehlt auch das Vexillum. Der Versuch, eine Veteranenkolonie unter Trajanus Decius zu postulieren, erscheint daher von vorneherein unsinnig. Um was es hier geht, ist etwas ganz anderes: Das „Gründergespann“, das den sulcus primigenius zieht, ist nach rechts ziehend im Vordergrund wiedergegeben. Im Feld über dem Gespann „prangt“ ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln auf einem Palmwedel, den Kopf zum Pflüger hin gewendet und mit einem Kranz im Schnabel. Im Abschnitt befindet sich zumeist der Flußgott Chaboras, wobei es auch noch eine interessante Variante gibt, eine Serie, die im Abschnitt einen Kranz zwischen Palmwedeln zeigt.347 Sollte einer der Soldatenkaiser, wahrscheinlich eben Trajanus Decius, die Stadt durch die Institutionalisierung eines heiligen Agon aufgewertet haben?348 Wie erwähnt, ist gerade unter diesem Kaiser Qualität und Umfang der städtischen Münzprägetätigkeit auffällig! Von einem gewissen Zusammenhang zwischen dem mit dem Kaiserkult verwobenen Festwesen, städtischen Privilegien, Truppendurchzug und/oder der Anwesenheit der Kaiser im „Krisengebiet Ostfront“ des 3. Jh. n. Chr. haben wir schon gehört.349 Solche Feste bedeuteten ja auch ‚Wallfahrer-‘ und Besucherströme, einen Festmarkt in Verbindung mit der Abhaltung des Agon, also in jedem Fall auch eine Bereicherung des Wirtschaftslebens. Eigentlich ist die Symbolik auf den Münzen Resainas in diesem Punkt zu zurückhaltend – dennoch, die auch allgemein einfach mit Sieges- und Triumphsymbolik interpretierbaren Bilder mit Kranz und Palmzweig sind auch auf weiteren Prägungen unter 344 Castelin 1946, 44 f. u. 56 (zu den sechs „Bildtypen“), zum „Roman spirit“ der Serien vgl. etwa ebd. 68; 72; 76. 345 Zur Chronologie der Serien vgl. Castelin 1946, 79–82. 346 Vgl. die düsteren Bemerkungen zum Verfall der Ökonomie der Grenzstädte bei Castelin 1946, 82 f. 347 BMC Arabia 127, Nr. 10–14; Nr. 15 ist die Variante: Der Adler hat dort angelegte Flügel [alle Trajanus Decius, vgl. auch SNG Italien 12, 106, Nr. 130 f.]. Derselbe „Haupttyp“ ist auch für Herennius Etruscus belegt: SNG Italien 12, 108, Nr. 139 und zusammen mit Etruscilla: SNG Dänemark 38, Nr. 253. Vgl. auch Castelin 1946, 68 ff. 348 Wallner 1997, 117 ff. zu Decius gibt hier leider keinen weiteren Aufschluß. Vgl. hier Anm. 186 mit Hinweisen zum Zusammenhang mit den Perserkriegen, v. a. Ziegler 1985, 125 f. Allgemein vgl. auch Klose 2005, 125–133; 131 ff. zum 3. Jh. n. Chr. und den geschilderten Zusammenhängen. 349 Vgl. auch noch einmal zusammenfassend: Wallner 1997, 167.
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Trajanus Decius allgegenwärtig. Auch auf der „Homonoia-Prägung“, auf die wir weiter unten noch eigens eingehen werden, ein Bildtyp, der nicht selten gerade mit dem Festwesen in Verbindung steht!350 Vielleicht wünschte man sich diese Aufwertung (eventuell hatte sich die Stadt gegen Philippus Arabs gestellt und erwartete jetzt eine Belohnung)351, wählte deswegen ein – unter diesem Aspekt gesehen – „doppeldeutiges Bild“. Mehrdeutig ist es insgesamt auch in anderer Hinsicht: Während der „Gründer“ recht eindeutig auf den Rang als Kolonie hindeuten dürfte, ist der Adler wohl entweder/und/oder Hinweis auf die Legion (schließlich ist der Adler das Symbol einer römischen Legion) und den rangerhöhenden Umstand des Status als Garnisonsstadt sowie Symbol des daraus für die Stadt erwachsenden Schutzes oder aber möglicherweise (wie noch zu fragen sein wird) auch Symbol des oder eines einheimischen, lokalen Hauptgottes. Der Flußgott ist wohl – neben seiner lokalisierenden, „geographischen Funktion“ – Garant für Leben, Wirtschaft bzw. Agrarwirtschaft. Palmzweige und Kränze sind allgemeine Symbole erwünschten oder erreichten Triumphes oder Sieges oder aber Ausdruck einer erreichten oder erwünschten Rangerhöhung der Stadt (etwa: im Zusammenhang mit der Verleihung des „Metropolis“-Titels) durch die Institutionalisierung eines Agon. Mithin vereint das Münzbild insgesamt in einer Art Zusammenschau die „Lebensgrundlagen“ der Stadt und ihres Status, Erreichtes und vielleicht auch noch Erwünschtes. Dem Adler und auch den Palmzweigen begegnen wir auf zwei weiteren Serien unter Trajanus Decius wieder: Hier wird mit der gewohnten bilinguen Legende352 auf der Rückseite der Münzen ein Peripteraltempel in Dreiviertelansicht gezeigt – was die beiden Serien unterscheidet, ist die Tatsache, daß einmal der Tempel ohne Dach, einmal mit deutlich gekennzeichnetem Ziegeldach und Tempelgiebel mit Rosette (?), wiedergegeben ist.353 Fünf (auf Prägungen für Herennia Etruscilla auch sechs) Säulen, wohl mit korinthischen Kapitellen, sind an der Langseite gezeigt, zwei an der Front; die letzteren sind auseinandergerückt, um den Blick auf den „Tempelinhaber“ freizugeben: Der Adler mit angelegten Flügeln und einem Kranz im Schnabel. Der Flußgott im Abschnitt wird in diesen beiden Serien von zwei Palmblättern gerahmt. Eines scheint mir deutlich zu sein: Auch wenn der Adler mit Kranz diese Assoziation hervorrufen könnte – es handelt sich hier, in diesem Bild, einmal mit großer Wahrscheinlichkeit nicht um den Adler der Legion und eine Abbildung zum „Kult der Fahnen“. Solche Lagerheiligtümer hat es schlicht nicht gegeben.354 Deuten wir das Bild zunächst lieber so, wie es ganz offensichtlich auch gedeutet werden will: Es zeigt einen städtischen Tempel355 und seinen Inhaber, einen Gott in Gestalt eines Adlers. 350 Vgl. Klose 2005, 129. 351 Nur als „Modell“ vgl. die tatsächlich aus dieser Situation resultierenden Privilegien Thessalonikis: Ziegler 1988, 385–414. 352 Castelin 1946, 45 f. 353 BMC Arabia, 128, Nr. 16–20 (Tempel mit „offenem Dach“); Nr. 21 (Tempeldach geschlossen); 133, Nr. 40, 41 (Herennia Etruscilla: Sechs Säulen an der Langseite). S. Castelin 1946, 59–62. 354 Ganz anders Castelin 1946, 60. 355 Zu Tempeldarstellungen in den Reversdarstellungen Städtischer Münzen vgl. jetzt auch Chré-
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Stadt und Adler gehören zusammen (so wie Stadt und Legion und insofern der Adler auch das Symbol der Legion ist, ist das Bild wieder zweideutig und das ist sicher gewollt) – auf den Reverstyp mit sitzender Tyche, der Adler auf ihrer Hand sitzend, unter Severus Alexander haben wir schon hingewiesen.356 Jetzt, unter Trajanus Decius, erscheint ein neues Bild, das die beiden Götter oder Symbole vereint: Rechts steht die Göttin mit Mauerkrone mit Füllhorn in der Linken. Mit der Rechten opfert sie nach links gewandt auf einem Altar. Im Feld links darüber befindet sich ein Adler mit geöffneten Flügeln auf einem Palmwedel, einen Kranz im Schnabel. Im Feld links und rechts ebenfalls ein Palmwedel.357 Dazu kommt auch noch eine schlecht dokumentierte Serie mit sitzender Tyche unter Decius, ihre Rechte ist ausgestreckt, vielleicht über einem Altar (?); der Adler mit Kranz befindet sich hier über ihrem Kopf, zu ihren Füßen der Flußgott Chaboras.358 Castelin sieht auch hier den Adler als Symbol der römischen Legionen und der römischen Götter, der Adler habe die Funktion eines „… autochthonous symbols …“ eingenommen: „Rome’s legions, and no longer a local god, are responsible for the protection of the city“.359 Dieser letzte Gedanke erscheint bemerkenwert, läßt aber, wie bereits angedeutet, eine mögliche Doppel- oder Mehrdeutigkeit der Adlersymbolik außer Acht.360
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tien-Happe 2004, 131–146: Tempeldarstellungen oder Darstellungen von Heiligen Bezirken heben die Bedeutung der betreffenden Kulte für die Stadt hervor, ohne veristische Architekturdarstellungen sein zu wollen; Architektur bleibt ein bloßes Symbol, das in diesem Fall durch die Komposition den bedeutenderen Teil der Darstellung hervorhebt: nämlich die Gottheit selbst. Vgl. für Mesopotamien Tempeldarstellungen mit Baetyl und Kultstandarten aus Carrhae (BMC Arabia, 82, Nr. 4 mit Taf. XII 4 [severisch]) und perspektivische Tempeldarstellungen mit kubischem Baetyl aus Edessa – s. folgende Anm. Ein besonders instruktiver Vergleich zum „Adler im Tempel“ und „Adler auf der Hand der Tyche“ auf den Münzen Resainas, in dem Sinne, daß wir hier, in Gestalt des Adlers, ein Symbol für einen städtischen Kult vor uns haben, scheint mir zu Prägungen aus Edessa möglich: Ein perspektivisch gesehener Tempel mit einem kubischen Baetyl auf einer Basis als Kultbild (im Giebeldreieck ein Stern) erscheint dort in antoninischer Zeit (= BMC Arabia, 91 f., Nr. 2 f. mit Taf. XIII 7–8). Der Würfel-Baetyl im Tempelchen als „Piktogramm“ für die Stadt erscheint dann in der Folge unterhalb zweier Tychebüsten und unterhalb zweier einander zugewandter Kaiserbüsten unter Elagabal bzw. Elagabal und Severus Alexander (= BMC Arabia, 101, Nr. 69–71 Taf. XV 4; 103, Nr. 79, Taf. XV 8). Eine sitzende Tyche mit dem Piktogramm „Tempel mit Kubus“ in der rechten Hand – also die gleiche Bildkomposition wie in Resaina mit Tyche und Adler – erscheint unter Severus Alexander und Iulia Mamaea bzw. Mamaea (= BMC Arabia, 109 f., Nr. 115–121 Taf. XVI 1–2). Zur Darstellung des Kubus auf den Münzen Edessas vgl. auch Drijvers 1980, 29 f. u.137 f., dort auch Hinweise auf dasselbe Piktogramm auch in der Tetradrachmenprägung von Caracalla bis Alexander Severus; s. Bellinger 1981, 50 ff., Nr. 134–157. BMC Arabia, 129, Nr. 22– 26 (Tyche stehend, opfert auf Altar, links darüber Adler auf Palmzweig mit Kranz im Schnabel). BMC Arabia, 129, Nr. 27 und SNG Dänemark 38, Nr. 247, s. a. Castelin 1946, 57 f. mit Taf. VII. Castelin 1946, 58. In Anbetracht der – ja etwa in Singara üblichen – auch in Resaina belegten Symbolkombination „Kentaur über dem Kopf einer sitzenden Tyche“ (vgl. oben unsere Anm. 317 zu der unpubliz. Münze aus Wien) und in Vorausschau auf das, was oben im Text zur möglichen Identifikation des hier tatsächlich eher vieldeutigen Adlers ausgearbeitet werden wird, könnte man fast genau das Gegenteil von Castelins Dictum behaupten. Für den Moment sei aber nur noch ein-
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Wir haben zwar keine direkten Quellen zur Religion Resainas während der Römischen Kaiserzeit – außer eben den Münzbildern –, aber dennoch einige Indizien aus Nachbarstädten und Städten der Region. Ich meine hier vor allem die „semitischen Kulturen“ der „Araberstädte“ Edessa, Carrhae, Hatra und auch Palmyra, die uns Auskunft darüber geben können, was der „Adler als Tempelinhaber“ in Resaina zu bedeuten haben mag. „Semitische Kulturen“, das will in diesem Fall heißen: Städte mit semitischen, babylonischen, syrischen, arabisch-nabatäischen Göttern, semitischer bzw. aramäischer Sprache und Schrift – die auch viele griechische Lehnwörter enthält – und einer entsprechenden arabisch-aramäischen Bevölkerung; Stadtanlagen mit Tempeln und Mythen mesopotamischer Traditionen, Götterbildern in parthischer Tradition, gelegentlich an griechisch-römische Vorstellungen angeglichen und umgedeutet; Städte mit Bauten in mesopotamischer, parthischer und hellenistischer Tradition, insgesamt „semitische Städte“ als „Ausläufer eines orientalischen Hellenismus“, als Schmelztiegel verschiedener kultureller Einflüsse in Mesopotamien.361 Die genannten Städte weisen ähnlich „heterogene Charakteristika“ auf, die durch die für kulturelle und politische Grenzräume charakteristische, ethnisch-kulturelle Vermischung zustandekommt. „Araberstädte“ will hier in folgendem Sinne verstanden werden: Seit dem Ende des Seleukidenreiches setzte in Mesopotamien und vor allem nach Nordmesopotamien eine verstärkte Einwanderung von Arabern ein. Bei den Bewohnern Edessas etwa handelte es sich nach verbreiteter Vorstellung um Arabes Orrhoei, was Plinius (nat. 6, 117 u. 129)362 insgesamt auch für das Gebiet zwischen Euphrat und Tigris annimmt, es sei von den „osrhoenischen Arabern“ gehalten („Araber“ also als mehr oder minder diffuser Terminus für die Bewohner der syrisch-mesopotamischen Steppe und nicht nur als Sammelbegriff für nichtseßhafte, nomadisch lebende Gruppen der Gegend, wie etwa bei Strab. 16, 747 f.) und auch Tacitus (ann. 12, 12) nennt explizit die Einwohner Edessas Arabes. Auch die Einwohner Singaras waren nach Plinius (nat. 5, 86) Arabes. Die Könige von Hatra nannten sich gar „Könige von Araba“, wenn sie ihren Herrschaftsbereich definierten, der über die „parthischen Araber“, zwischen der Osrhoene und der Adiabene.363 In der Doctrina Addai, einer aus dem späten 4. oder vom Beginn des 5. Jh. n. Chr. stammenden legendären Beschreibung der Christianisierung von Edessa durch den Apostel Addai, sind verschiedene Hinweise auf die religiösen Kulte und Bräuche im vorchristlichen Edessa enthalten: Die wichtigsten Gottheiten Edessas waren danach Bel, Nebo, Atargatis – und „der Adler“, daneben Sonne, Mond, Planeten (und wohl auch Sterne und Zodiakalzeichen), Gottheiten von ganz unter-
mal explizit darauf hingewiesen, daß also offenbar auch Kentaur und Adler in ihrer Positionierung über dem Kopf der Tyche „gegeneinander“ ausgetauscht werden können. 361 So Drijvers 1978, 836 f.; 888; 890. 362 Vgl. auch Drijvers 1978, 866 f. S. a. Plin. nat. 5, 85 f. u. 6, 25 und Kennedy 1987, 65 (vor allem mit Bezug auf Nordmesopotamien): „In short Mesopotamia was commonly called Arabia in ancient literature …“. Dazu weiter Ross 2001, 22 ff. und auch Schachermeyr 1931, 1133 f. sowie jetzt auch Hackl 2006, 123. 363 Hauser 1998, 516.
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schiedlicher kultureller Herkunft.364 Der Apostel rügt die Einwohner Edessas also in einer Passage explizit, daß sie „wie die Araber“ (was sie ja, laut antikem Sprachgebrauch auch waren) den Adler verehrten und Addai setzt die dortigen Kulte in Beziehung zu Nachbarstädten, wobei explizit Harran/Carrhae (die Stadt des Mondgottes Sin, genannt werden im Text als Götter Carrhaes Bath Nikkal, eine lokale Ischtar/Venus und zugleich die Gefährtin des Mondgottes, daneben Ningal oder Nikkal, außerdem Sonne und Mond) und Mabbug (= Hierapolis, die Stadt der Atargatis/Dea Syria) als Orte aufgezählt werden, in denen teilweise dieselben Götter verehrt werden, „.. sie sind wie ihr“.365 Damit sind hier also deutliche und als solche empfundene Parallelen zwischen den Kulten in Edessa und denen der umgebenden mesopotamisch/syrischen Gemeinwesen angedeutet. Mit dem Adler366 ist hier wohl das Symbol des Bel und Baalschamin gemeint, der Himmel und das Himmelsgewölbe bzw. der Gott des Himmelsgewölbes, der Sterne und Planeten, oder aber „nur“ die Sonne (oder der Gott Schamasch/Nahi) selbst, die in Edessa einen eigenen Tempel im südlichen Stadtbereich hatte367 – interessanterweise zeigen auch theophore Personennamen der Stadt die Beliebtheit dieses Gottes.368 Gewisse Parallelen lassen sich in der polytheistischen Götterwelt der von mesopotamischem, syrischem, griechisch-römischem und von arabischem Einfluß durchzogenen und von Koexistenz und Interaktion geprägten Religion von Hatra finden.
364 Zur Verehrung der Planeten und der Zodiakalzeichen im 4. Jh. n. Chr. s. Ephraem Syrus, Contra Haereses bei Drijvers 1978, 893 mit Anm. 381 und 1980, 36, 175 ff. 365 Drijvers 1978, 891 f., v. a. aber 1980, 34; 40f; 153. Vgl. auch Ross 2001, 87. Vgl. die Hinweise bei Haider 1996, 228 ff. Zu Carrhae und seinen Kulten vgl. auch insbesondere Tubach 1986, 129 ff. Zur Frage der Vergleichbarkeit lokaler Kulturen in den Städten des Nahen Ostens s. auch Kaizer 2000a, 230 f. 366 Zur Deutung vgl. Drijvers 1980, 41 f. u. 176. Nebenbei sei erwähnt, daß christliche Theologen in kritischer Auseinandersetzung mit dem Sonnenkult auch Christus nicht nur als „Sonne“ (Tubach 1986, 90 ff.) sondern auch als „Adler“ bezeichneten und beschrieben (Vgl. Tubach 1986, 109 ff.) – in der altkirchlichen Literatur und Kunst ist der Adler Symbol Gottes und des auferstandenen Christus, allgemein, Sinnbild der Auferstehungshoffnung (Tubach 1986, 110). Zum Kult des Mond- und des Sonnengottes in islamischer Zeit, bis ins 13. Jh. n. Chr. (!) vgl. Tubach 1986, 143 ff. Allgemein zu Rolle des Adlers in der römischen Religionsgeschichte des Nahen Ostens s. versch. Hinweise bei Haider/Hutter/Kreuzer 1996, 146; 149; 184 (Botenfunktion zwischen Göttern und Menschen); 164 u. 181 (Begleiter des Himmelsgottes Baalschamin); 168 (Symboltier des Himmelgottes Aphlad oder der Gott selbst als Adler-Graffito aus Dura Europos, das einen Adler in Ädikula auf Altar zeigt, der von einer Victoria bekränzt wird); 196 f. (Adler und Elagabal, der auch mit Schamasch bzw. Helios identifiziert wurde, s. a. Adler und Baetyl des Elagabal von Emesa im Tempel auf städtischen Münzen von Emesa: Farbtafel XVII); 218 (Adler und Bel, Palmyra – Adler als Symbol für die kosmische Stellung des Gottes); 221 u. 238 (Adler und Baalschamin; Adler als Symbol für die kosmische Stellung des Gottes); 230 zum Adler in Edessa: dort als Begleiter des Bel/Zeus genannt und als eigenständige göttliche Macht auch mit dem Semeion verbunden (Vermittlerfunktion). 367 Drijvers 1978, 892; Tubach 1986, 114 mit Anm. 241 zum Tempel des Sonnengottes und seiner Lokalisierung in der Nähe der Stadtmauer (außerhalb des „Beit Schemesch“ genannten Stadttores). 368 Tubach 1986, 115 ff. zu Personennamen mit dem theophoren Element „Schemesch“.
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Schamasch, der arabische Sonnengott, ist der Hauptgott im hatrenischen Pantheon,369 das den Panthea anderer Städte Mesopotamiens und Syriens ähnelt,370 und der Gott der Stadt, was nicht nur literarische Quellen und die Archäologie belegen, sondern auch hatrenische Münzen, die Hatra auf der aramäischen bzw. syrischen Averslegende (Avers mit der Darstellung des bartlosen Gottes im Strahlenkranz) als „eingefriedetes Gebiet des Schamasch“ bezeichnen bzw. „Hatra des Schamasch“ nennen.371 Die Münzen zeigen auf der Rückseite einen Adler mit ausgebreiteten Flügeln in einem Lorbeerkranz und ein, in umgekehrter Schriftrichtung, mit spiegelbildlich verdrehtem C, aufgeprägtes SC. Auf einer zweiten Serie steht der Adler auf dem Revers auf einem Palmblatt372 – wie später in Resaina. In Hatra gibt es in den Weih- und Gedächtnisinschriften allerdings auch noch eine Göttertrias (Maran, Martan, Bar-Maren), deren genaue Identität nicht immer ganz klar ist – jedoch wird der „Göttervater“ dieser Trias, die sich wohl unter fremden Einflüssen im 2. Jh. n. Chr. herausgebildet hat, Maran („Unser Herr“), üblicherweise mittlerweile mit Schamasch identifiziert.373 Der sogenannte „hellenistische Tempel“ von Hatra war (= Tempel E), wie der Haupttempel im Südteil des „Heiligen Bezirkes“, Maran/ Schamasch gewidmet, zugleich war der gesamte Heilige Bezirk der sog. Bait Alaha dem Gott Schamasch geweiht.374 Jedoch ist auch „Unser Herr, der Adler“ (= Maran Neschra)375 dort in Weihinschriften genannt: Ob Maran, Schamasch und Adlergott, als Himmelgottheit, immer identisch sind, ist nicht ganz klar. Vielleicht ist der Adler nur das „heilige Tier“ des Maran/Schamasch, das seine Gegenwart symbolisiert, sein „Stellvertreter“, und eben als „unser Herr“ als besonders eng mit dem höchsten Gott der Stadt verbunden gekennzeichnet.376 Auf einer qualitätvollen Abbildung 369 Eine Fülle an Literatur bietet die gute Zusammenfassung bei Niehr 1998, 186–190. Vgl. auch Kaizer 2000a, 229–252. 370 Vgl. Tubach 1986, 57 mit Verweis auf Edessa, Harran/Carrhae und Heliopolis-Baalbek, zu Stadt und Religion Hatras im Zusammenhang s. Tubach 1986, 213 ff. 371 Drijvers 1978, 828. Zu den Münzen vgl. insbesondere Walker 1958, 167–172 und die Bemerkungen bei Hauser 1998, 506 f.; 507 zu Walkers Typ B „hatrenischer Münzen“, der in der Forschung auch schon Singara zugeschrieben wurde, vielleicht aber in Carrhae (oder doch Hatra: so Tubach 1986, 292 f. u. 304 ff.) geprägt wurde; zu den Münzen s. auch allgemein Tubach 1986, 286 ff. Auch Cass. Dio 68, 31, 2 bezeichnet Hatra als dem Sonnengott geweihte Stadt. Cass. Dio 76, 12, 1 erwähnt weiter die vielen Weihgeschenke an „Helios“ in Hatra. Mit sicherem Gespür hat auch der uns ja bereits bekannte Kommandeur der römischen Garnison zur Zeit Gordians III., Quintus Petronius Quintianus, dem Hauptgott Hatras als „Deus Sol Invictus“ eine Statuenweihung gestiftet (= AE 1958, 239; AE 1985, 935; vgl. Stoll 2001e, 466 f., Nr. 82): „… votum religioni loci posuit …“. 372 Tubach 1986, 289. 373 Vgl. die Bemerkungen und die Zusammenfasssung der Argumente bei Drijvers 1978, 829 ff. u. 831. S. a. Tubach 1986, 258 ff. und Kaizer 2000a, 233. 374 Vgl. insgesamt die klaren Hinweise bei Hauser 1998, 497 f. u. 507–509 sowie Tubach 1986, 256 f. 375 Zum Verhältnis Maran und Maran Neschra vgl. Tubach 1986, 266 ff. Ein besonders spektakuläres Beispiel für die Anrufung „unseres Herrn, des Adlers“, zusammen mit den Kultstandarten des Tempels Maschkane, ist die Inschrift H 79 aus dem kleinen Tempel XI, die aus den Jahren kurz vor Einnahme der Stadt durch die Sasaniden datiert (ca. 238 n. Chr.) – s. Sommer 2003, 36 f. 376 Tubach 1986, 268 ff.
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des Gottes Maran (2. Jh. n. Chr.) trägt der jugendliche Gott mit Hörnern (Symbole der Mondsichel) und Sonnen-Strahlenkranz an seiner Tunika zwei Broschen mit Adlern;377 auf einer zugehörigen Platte ist der Adler von Hatra mit angelegten Flügeln und die aus sechs Teilen zusammengesetzte Kultstandarte von Hatra zu sehen378 – in der Inschrift wird der Göttervogel als „Emblem unseres Herrn“ bezeichnet. Möglicherweise entwickelte sich auch Barmaren, „Sohn unseres Herrn“, der im Laufe der Zeit offenbar immer mehr mit seinem Vater Schamasch verschmolz, allmählich zu einem Kosmokrator, einem „Herrn der Götter“, der mit Strahlenkranz, Mondsichel und Hörnern dargestellt wurde: Dieser Beiname, „Maralahe“, „Herr der Götter“, ist im aramäischen Raum, in Edessa, Palmyra und Carrhae weit verbreitet.379 An dieser Stelle und in diesem Zusammenhang darf dann noch einmal an die bereits erwähnte Weihinschrift aus Tilli/Çattepe, am Tigrisufer gelegen, im Grenzgebiet zwischen Armenien und der Mesopotamia, erinnert werden: Die bilingue, griechisch-aramäische Weihung nennt Zeus Olympios im aramäischen Teil eben als „Herrn der Götter“.380 Der Dedikant war ein Veteran des späten 2. Jh. oder der 1. Hälfte des 3. Jh. n. Chr., leider nennt der Mann nicht sein ehemaliges Regiment, das gewiß in der Nähe seinen Standort hatte – vielleicht ist es die I Parthica in Singara gewesen? Der Adler jedenfalls war als heiliges Tier des Bel und des Baalschamin Symbol des Himmelsgewölbes und findet sich als solches auch in der Ikonographie der genannten palmyrenischen Götter.381 Während Drijvers postulierte, daß es im hatrenischen Pantheon neben Schamasch einen Adlergott mit eigenem Tempel382 gegeben habe – dieser soll ein Himmelsgott, ein Kosmokrator, mit engen Beziehungen zu den Königen der Stadt gewesen sein –, scheint mittlerweile eher die Auffassung vorzuherrschen, das der Adler als Symboltier des Maran bzw. Schamasch, des Sonnengottes, zu gelten hat, der Adler werde in denselben Tempeln angerufen und sei ja auch in Palmyra das heilige Tier des Bel bzw. Baalshamin.383 Mit dem in Hatra bedeutenden Gott Nergal/Hercules als kriegerischem Unterweltsgott384 fassen wir eine alte assyrisch-mesopotamische Tradition,385 die auch in dem überlebensgroßen Marmorbild des 2. Jh. n. Chr. des Gottes Assur-Bel386 aus Tempel 377 378 379 380 381 382 383
Vgl. die Abb. bei Seton-Williams 1981, 207, Abb. 166 und Tubach 1986, 298 ff. Tubach 1986, 304 f. mit Abb. 6. Vgl. Sommer 2003, 75 und v. a. Tubach 1986, 386 ff. Healey/Lightfoot 1991, 1–7 (= SEG 41, 1991, 1420; AE 1991, 1581). Drijvers 1978, 830. Drijvers 1978, 831. Vgl. etwa Tubach 1986, 268; Hauser 1998, 508 mit Anm. 106. Vgl. etwa die Adlerdarstellungen auf dem gigantischen Architrav des Baalschamin-Tempels von Palmyra: Drijvers 1976, Taf. XXXII. 384 Drijvers 1978, 833 f. 385 Drijvers 1978, 833 f. u. 835. Zu diesen Traditionen vgl. auch Kaizer 2000a, 234 f. 386 Eine wunderbare Farbabbildung findet sich bei Seton-Williams 1981, 193 Abb. 150. Zum Fundort vgl. auch Kaizer 2000a, 241 f. Zur Deutung vgl. aber auch Drijvers 1980, 66 ff., der die Statue mit Nebo/Apollo gleichsetzt, wie ihn Macrobius für den Tempel der Atargatis in Hierapolis beschreibt. Dieses statuarische Bild aus dem Eingangsbereich des Heiligtums hat wohl auch zu Füßen des Gottes eine Art „Tyche“ gezeigt; vergleichen läßt sich ein Relief, auf das ebenfalls Drijvers 1980, 66 f. mit Anm. 75 hinweist. Dazu auch Kaizer 2000a, 242.
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V zum Ausdruck kommt, der ebenfalls offenbar in einer besonderen Beziehung zur königlichen Familie steht: Der bärtige Gott ist in einem hellenistischen Panzer dargestellt, die Brustplatte ziert das Büstenporträt des Sonnengottes Schamasch – zu Füßen des Bel aber sitzt die Tyche von Hatra, flankiert von zwei Adlern! Der schon erwähnte Hercules/Nergal erscheint auch mit einem semeion, einer Kultstandarte, die in der hatrenischen Religion sehr verbreitet ist.387 Wie in Hierapolis-Bambyke und Dura Europos, wo die Standarte zusammen mit Hadad im Kult der Atargatis belegt ist, bietet gerade dieses Kultsymbol an Garnisonsorten einen Anknüpfungspunkt an die Militärwelt, was, wie in Dura Europos, durchaus auch tatsächlich zu ikonograpischen Assimilationen geführt hat – die Kultstandarten sehen auf Münzen und Reliefs dann plötzlich römischen Feldzeichen zum Verwechseln ähnlich.388 Das ist in Hatra nicht der Fall, aber überaus häufig erscheint an diesen Kultstandarten ebenfalls der Adler, der in einer Mondsichel mit nach oben weisenden Enden – Charakteristikum der aus Mesopotamien stammenden Standarten – sogar als ikonographischer Hauptbestandteil gelten darf. Zumeist zumindest in dieser Form als Bekrönung (mit geschlossenen Flügeln), dann aber auch als Begleittier auf einer Scheibenimago eines Gottes im Strahlenkranz (Maran-Schamasch), direkt unter dem Adler in der Mondsichel oder als eigene Imago mit der Darstellung des Göttervogels mit geöffneten Flügeln. Statt eines Adler-Medaillons kommen gelegentlich auch kleine Adlerfiguren am Schaft der Standarte vor.389 Diese Standarten genossen göttliche Verehrung und werden anscheinend in Inschriften auch gleichwertig mit den Göttern genannt, sie stehen mit diesen in Verbindung und werden oft auch in direkter Verbindung mit der hatrenischen Trias genannt.390 Mit der doppel- oder mehrdeutigen Darstellung des Adlers, so würde ich als Zwischenergebnis formulieren, war es offensichtlich der für die Bildwelt der Münzen Resainas zuständigen Elite möglich, den Stolz der Stadt auf den eigenen, althergebrachten göttlichen Herrn durch Abbildung seines Symboltieres und das Loyalitätsgebaren gegenüber Rom und der städtischen Garnison, durch Wiedergabe des „militärischen Symboltieres“, des Symboles von Herrschaft und Sieg bzw. Triumph par excellence, zu vereinen (man denke auch an die Palmzweige und Kränze auf 387 Zu den Kultstandarten Hatras vgl. Downey 1970, 195–225 und auch Tubach 1986, 184 ff., sowie Kaizer 2000a, 245. Als Abb. sei wieder auf eine Taf. bei Seton-Williams 1981 verwiesen, diesmal etwa ebd. 203 Abb. 161. Tubach 1986, 203 verweist auf einen bronzenen Standartenaufsatz (8. Jh. v. Chr.) aus Guzana/Tell Halaf, der „aramäischen Vorgängersiedlung“ Resainas. Natürlich kann hier kein Zusammenhang hergestellt werden, aber dennoch scheint das Indiz für entsprechende kultische Praktiken vor Ort – in Anbetracht der Jahrtausende überdauernden religiösen Traditionen in Mesopotamien – grundsätzlich wertvoll. 388 Dazu vgl. Stoll 2001e, 187 f. mit Anm. 254 u. 321 f. Zu den Kultstandarten in Hierapolis und in Dura vgl. auch die Bemerkungen bei Tubach 1986, 185–188 u. 194–196. Zu einer möglichen Beeinflussung „orientalischer“ Kultstandarten durch römische Feldzeichen (nicht immer ganz überzeugend) vgl. jetzt auch Dirven 2005, 119–136. 389 Downey 1970, 199; 204–206; 214; 210 f. zum „Schmuck“ der Adlerdarstellungen in Hatra, etwa mit Torques, Ketten mit Anhängern, Halsbändern etc.; zu den Kultstandarten in Hatra s. auch Tubach 1986, 190–193; 409 f. zu dekorativen Schmuckelementen an den Adlern als Abzeichen ihrer hohen Würde. 390 Drijvers 1978, 835.
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den Münzen!). Man darf in der Doppeldeutigkeit vielleicht den Versuch einer bildlichen Integration sehen, kulturelle und religiöse Heterogenität und mögliche Divergenzen – so vorhanden – wären auf diese Weise aus einer vorstellbaren Konfrontation zumindest in eine bildliche Konvergenz geführt worden. Ist Integration durch mehrdeutige Bildchiffren möglich? Wie weit allerdings auch tatsächlich die gegenseitige Identifikation von Stadt und Garnison reicht, zeigt eine weitere Prägung Resainas unter Trajanus Decius in besonderer Weise, die ebenfalls die zuvor ausführlich beschriebene und interpretierte bilingue Reverslegende aufweist. Dargestellt sind zwei stehende Tychen, die sich über einem Altar die rechten Hände reichen.391 Hier ist das Bildschema von „Homonoia-Prägungen“ übernommen, das wir schon bei den Prägungen aus Bostra mit dem Handschlag zwischen dem Legionssymbol Zeus-Ammon und der Tyche der Stadt mit der Beischrift CONCORDIA BOSTRENORUM kurz erwähnt haben.392 Der rechten Tyche ist auf dem betreffenden Revers der Kentaur zugeordnet, d. h. es handelt sich um die Tyche von Resaina, der linken Tyche ein Marsyas auf einer kleinen Säule.393 Unterhalb der Szene ist ein Flußgott in der charakteristischen Schwimmhaltung erkennbar, über den Tychen befindet sich im Feld wieder einmal ein Adler mit Kranz im Schnabel.394 Normalerweise werden für die Identifikation der linken Tyche Carrhae oder Edessa favorisiert: Auf Münzen aus Carrhae und Edessa unter Gordian III. zeigen die Reverse eine Tychebüste nach links und vor ihr Marsyas auf einem Säulchen oder einer säulenartigen Basis.395 Von dieser Szene gibt es auch noch eine „abgekürzte Version“:396 Zwei einander gegenübergestellte Tychebüsten, in der Mitte ein Altärchen, darüber ein Adler mit geöffneten Flügeln, einen Kranz im Schnabel. Hier lassen sich verschiedene Detailinterpretationen anschließen, die für unsere Fragestellung nach den Beziehungen von Garnisonen und Städten in Nordmesopotamien, ihrer Identität und Identifizierung, Auskunft geben. Zunächst zur Homonoia/Concordia. Auf den Darstellungen der Homonoia-Münzen – Indiz der durch andere Quellen seltener bekannten, vor allem in den städtischen Zentren des kaiserzeitlichen Kleinasien weitverbreiteten und unterschiedlich motivierten „Städtefreundschaften“, die in der Regel auch im Rahmen und aus Anlass von Festen und Agonen durch Festgesandschaften anderer Städte bekräftigt wurden397 und letztlich 391 BMC Arabia, 130 f., Nr. 28–32 (Tychen im Homonoia-Schema); Castelin 1946, 62 ff. 392 Stoll 2003a; Castelin 1946, 63 nennt diesen Bildtyp zu Recht „Concordia“-Revers und geht (S. 65) auch kurz auf die kleinasiatischen Homonoia-Münzen ein. 393 Vgl. oben die Bemerkungen zu entsprechenden Darstellungen in Edessa und Carrhae; Castelin 1946, 64 favorisiert in diesem Fall die Deutung als Edessa – ich denke er hat Recht. 394 Castelin 1946, 65 sieht in der Komposition mit dem Adler – als Symbol Roms – hier „the union of two important cities under the protection of Rome“ zum Ausdruck gebracht, freilich in diesem Grenzgebiet zugleich auch ein Pakt zum Schutz Roms. 395 Nachweise s. etwa Stoll 2001e, 384 Anm. 12. Vgl. auch Drijvers 1980, 31 f.; zu Unrecht ablehnend Prottung 1995, 38 f., s. aber ebd. 93 zu Damascus. Vgl. auch Hill 1916, 154 mit gewissen Zweifeln. 396 BMC Arabia 131, Nr. 33–34 („abgekürzte“ Opferszene mit zwei Tychen, hier nur als einander zugewandte Büsten; unten Altärchen, oben Adler) = SNG Dänemark 38, Nr. 251. 397 Vgl. etwa den 87 Beispiele auflistenden Katalog von Franke/Nollé 1997; Dazu siehe nun auch
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politisches Instrument zur Zurschaustellung der städtischen Eigenidentität und Versicherung des Prestiges und der Rangstellung innerhalb des Rivalitätenkarussells der Städte untereinander waren –, ist die Plazierung der städtischen Repräsentanten auf der rechten oder der linken Seite von einer wichtigen Bedeutung:398 Der linke Platz auf dem Reversbild ist der vornehmere und ehrenvollere; daß die prägende Stadt den linken Platz der Repräsentantin einer anderen Stadt überlässt, muß einen besonderen Grund haben,399 den wir jedenfalls nicht immer wirklich kennen. Während der Kentaur als Symbol Resainas und seiner Legion (also wieder eine „mehrdeutige“ Darstellung!) bereits hinreichend erklärt ist, bedarf es noch wenigstens einiger Worte zu Marsyas. Dieser gilt als Symbol für die Erhebung einer Provinzialstadt in den Status einer römischen Stadt. Angeblich handelt es sich um eine Reminiszenz an die Marsyas-Statue aus dem comitium-Bereich des Forum Romanum in Rom, die bei Rechtsgeschäften und Prozessen eine gewisse, schon traditionelle Rolle spielte („… solebant convenire illi, qui inter se lites atque negotia componebant … in quo solebant esse accusatores“).400 Was die schriftlichen Quellen hergeben, ist die offenbare Vorstellung, daß eine solche Statue auf dem jeweiligen Forum die libertas der betreffenden Stadt andeute.401 Was die Münzbilder angeht, so besteht offenbar ein Zusammenhang mit dem Status einer colonia. Greifbar wird der Vorgang vielleicht unter anderem auf einem Münzbild von Mallos in Kilikien, welches unter Severus Alexander den Koloniestatus erhalten hat: Auf dem Münzbild erhält die vor dem Kaiser stehende Stadttyche aus seiner Hand eine Marsyas-Statuette.402 In Berytos ist eine solche Statue, die ursprünglich im Bereich des Forums gestanden haben könnte, vielleicht sogar inschriftlich überliefert – so Millar, und auf Münzen der Stadt seit Elagabal erscheint das Bild des Marsyas möglicherweise genau in diesem architektonischen Zusammenhang.403 Die Darstellung der städtischen Tychen von Resaina und Edessa (oder Carrhae) auf der Münze aus Resaina mit den beiden zugeordneten Statuetten von Stadtsymbolen auf Säulchen oder Stange führt noch tiefer hinein in die Welt der städtischen Feste und Agone, des Kultes und kultischen Lebens. Aus den kleinasiatischen Homonoia-Prägungen kennen wir durchaus einander zugeordnete Tychen, jeweils mit Statuetten der Stadtgötter. Zum Beispiel Akmoneia mit Asklepios und Eumeneia mit Athenastatuette unter Maximus Caesar oder Aphrodisias/Ephesos mit Tyche
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die Bemerkungen und weiteren Literaturhinweise bei Spoerri Butcher in RPC VII, 39 ff. Daß solche Prägungen auch etwas mit Truppenbewegungen und der Rolle der Städte bei der Logistik der römischen Truppen auf dem Marsch zu tun haben, dazu Spoerri Butcher ebd. 42 f. Den Zusammenhang mit Festgesandschaften hat Weiss 1998, 59–70 herausgearbeitet, vgl. auch Weiss 1991, 353–392 mit einem überzeugenden konkreten Beispiel. S. a. Heuchert 2005, 48. Dazu s. Nollé/Nollé 1994, 241 ff. und s. a. Spoerri Butcher in RPC VII, 41. Wie etwa bei Amisos und Milet bzw. Nikaia in der Untersuchung von Nollé 1997, 157–164, v. a. 161. Millar 1990, 15; v. a. Torelli 1982, 99 f. u. 102. Der im Text zitierte pseudoacr. Scholion-Abschnitt bei Torelli 1982, 100. Millar 1990, 15 unter Verweis auf den Serviuskommentar (ad Aen. 4, 58 u. 3, 20). Ziegler 1985, 95; vgl. auch Butcher 2003, 232 f. Millar 1990, 15 mit Verweis auf CIL IV 160 (die Inschrift bezieht sich allerdings auf Liber Pater).
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und Aphrodite bzw. Androklos mit Artemis Ephesia unter Septimius Severus oder Mytilene und Pergamon unter Valerian I. mit Tyche von Pergamon/Artemisstatuette und Tyche von Mytilene mit Asklepiosbild oder Sardeis/Smyrna in der Zeit des Caracalla mit den Stadttychen und der Statuette der Kore von Sardeis bzw. der Artemis Ephesia.404 Gut möglich, daß mit diesen kleinen Bildern auch Prozessionsbilder gemeint gewesen sind, die bei den Stadtfesten herumgetragen oder -gefahren wurden: Prozessionen, als „Instrument“ lokalen Selbstbewußtseins einer Stadt und als Spiegelbild der politischen und sozialen Ordnung der Polis, mit Götterbildern und Kaiserbildern sind integrale Komponenten von Festen hellenistisch-römischer Prägung, typischer Bestandteil jährlich stattfindender städtischer Kultfeste405 und wohl auch der „Homonoia-Feste“. Gelegentlich erscheinen auf der Münzrückseite lokaler Prägungen entsprechende Darstellungen, wie etwa Prozessionswagen mit Göttern/Götterstatuen, die dann, im Bild, von Pferden, Hirschen, Panthern, Elefanten oder auch menschlichen Wesen gezogen werden – sie „ermöglichen“ den Göttern, eben bei den Prozessionen, eine physische Manifestation, die auch in entsprechenden epigraphischen Reflexen durchaus als Epiphanie verstanden worden zu sein scheint.406 Interessant für unsere Belange sind auch lokale Münztypen der Städte Antiochia und Damascus aus der Mitte des 3. Jh. n. Chr. (Regierungszeiten des Philippus Arabs bzw. des Trebonianus Gallus), die im Fall von Antiochia unter dem Letztgenannten einen tragbaren tempelförmigen Schrein – die Traghölzer sind deutlich sichtbar – mit der sitzenden Tyche der Stadt, im Fall von Damascus unter Arabs einen Schrein mit baldachinartigem Dach, darin eine Tychebüste, der von zwei „Schreinträgerinnen“, die „Naiskoi“ mit Vögeln auf den erhobenen Händen tragen, flankiert wird, auf den Reversbildern abbilden.407 Auch im einheimischen Kult waren solche Formen der Präsentation der Götterbilder nicht unbekannt – ich meine damit weniger den Kultwagen mit Baetylos (in diesem Fall das nicht-anthropomorphe Bild der Astarte) auf der Rückseite der Münzen von Sidon,408 als vielmehr die gut belegten Beispiele für Kultprozessionen aus Palmyra (z. B. Tempel des Bel).409 Selbstverständlich war Rom selbst auch an der Homonoia der Städte untereinander interessiert, zumal wenn diesen im Zusammenhang mit der Logistik der Ost404 Zum Beispiel s. Franke/Nollé 5 mit Taf. 3; 12 mit Taf. 8; 136 f., Taf. 63; 187 f., Taf. 86. 405 Zu Prozessionen mit Kaiserbildern s. Fishwick 1991, 550 f. Zur Grundgliederung eines Herrscherfestes und zu den zugehörigen Prozessionen s. ferner vor allem Herz 1997, 239–264, v. a. 247 ff.; Herz 1995, 69 ff., zur Organisation und Gliederung eines Festzuges als „Spiegel“ der politisch-sozialen Ordnung der veranstaltenden Gemeinde. Zu städtischen Prozessionen mit Götter- und Kaiserbildern vgl. auch die numismatischen Hinweise bei Harl 1987, 46 und Butcher 2003, 348. Allgemein s. a. die Literatur bei Scholten 2005, 30 Anm. 74. 406 Harl 1987, 46; 161, Anm.70f; Taf. 35, 6–9 mit Beispielen. 407 Vgl. Butcher 2003, 216 f. mit Abb. 81, 2 u. 81, 3. Münze aus Antiochia: BMC Galatia, 229, Nr. 656, Taf. XXVI 5 (VS mit den Büsten des Trebonian und des Volusian); 229, Nr. 653, Taf. XXVI 4 (VS nur Trebonian-Büste); Münze aus Damascus: BMC Galatia, 287, Nr. 26 mit Taf. XXXV 3. 408 Butcher 2003, 339 Abb. 155, 2. 409 Kultprozessionen in Palmyra: s. Kaizer 2002, 200–203; auch Dirven 1999, 91 ff. Zur Frage nach Palmyra als einer „Cité Grecque“ vgl. die Bemerkungen bei Sommer 2005, 170 ff.
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heere eine strategische Bedeutung zukam.410 Welche zentrale Rolle Resaina und Singara, Edessa und auch Carrhae hier einnahmen, haben wir zu Beginn bereits behandelt, etwa die Lage Resainas an den überregionalen Trassen aus Richtung Zeugma oder Samosata über Carrhae und dann über Nisibis und Singara nach Hatra und an den Tigris: Reibungsverluste in logistischen Abläufen und den Vorbereitungen entsprechender militärischer Aktivitäten an der gefährdeten Ostfront gegen die Parther und vor allem die Sasaniden lagen nicht im Interesse Roms. In diesem Fall kann der Adler mit Kranz und geöffneten Flügeln, der sich über der Szene mit den beiden Tychen befindet, vielleicht tatsächlich als Symbol für eine „union of two important cities under the protection of Rome“411 verstanden werden. Aus den Leistungen der Städte für Rom konnten jedenfalls bestimmte Ansprüche der einzelnen Stadt gegenüber dem Kaiser abgeleitet werden, die Ehre und wirtschaftlichen Aufschwung bedeuten konnten, etwa durch direkte kaiserliche Förderung und Vergünstigungen, entsprechende Baumaßnahmen oder Rangsteigerungen der Städte im Zusammenhang mit Agonistik und dem Kaiserkult. Die Bildwelt der Städteprägungen zeugt also von einer gezielten Identifizierung mit Kaiser und Reich, von der Integrationskraft römischer Herrschaft und dem prinzipiellen Interessensgleichklang bei der Bewältigung der sich verschärfenden Krise des Reiches im 3. Jh. n. Chr.412 Auf den Reversen der Greek Imperials sind über den Handschlag von Stadttychen oder Stadtgottheiten untereinander hinaus auch andere, „speziellere“ Homonoia-Szenen oder Szenen mit dextrarum iunctio bekannt: Zunächst ist auf „Concordia Augustorum“-Prägungen zu verweisen, etwa unter Lucius Verus und Marcus Aurelius – immerhin 13 Münzen in Kleinasien und Palästina prägen diese Münztypen, dann unter den Severern, vor allem mit Bezug auf das Brüderpaar Geta und Caracalla oder auf Severus und Caracalla im Rahmen ihrer Samtherrschaft.413 Interessanter sind die Homonoia- bzw. Handschlag-Szenen zwischen Kaisern und Stadtgöttern bzw. Tychen414 – sie dürfen als Symbol der Loyalität gesehen werden, die Stadtgötter werden zu Verbündeten und comites der Imperatoren. Daß solche Szenen – neben vielen anderen, deren Bildwelt ebenfalls an die Städtischen Münzen erinnert, etwa Tychedarstellungen etc. – sogar auf offiziellen Siegeln in den Archiven und auf den Schriftstücken der Städte angebracht gewesen sind, zeigen einige erhaltene Beispiele von Siegelabdrücken aus Doliche (einige tragen die Aufschrift DOLICAIWN):415 Hier steht der Gott im Muskelpanzer links (auf den Reversen nimmt den Platz meist der Kaiser ein) und schüttelt dem rechts stehenden Kaiser, in diesem Fall sind Exemplare mit Vespasian und Antoninus Pius erhalten, die Hand. Vielleicht ist jenes Archiv mit seinen Siegeln bei der Zerstörung der Stadt durch Shapur I, zwischen 253 und 256 n. Chr., „gebrannt“ worden.
410 411 412 413 414 415
Vgl. hierzu die Bemerkungen bei Nollé/Nollé 1994, 242 mit Anm. 7. Zitat aus Castelin 1946, 65. Prinzipiell vgl. auch Nollé 1986, 127–143. Harl 1978, 259 f.; 361–363 (mit den entsprechenden Nachweisen). Vgl. auch Harl 1987, 41 f. Harl 1978, 262 f.; 367–370 (mit den Belegen); vgl. auch allgemein Harl 1987, 52 ff. Vgl. etwa Weiss 1992, 171 ff., v. a. 175 ff. zu Nr. 4–6. Sehr gute farbige Abb. diverser Siegeltypen bei Weiss 2000, 100–103.
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Dasselbe Wappen wie die legio III Parthica in Resaina, den Kentaur Sagittarius, führt auch ihre Schwesterlegion legio I Parthica mit Standort in Singara,416 während der Kentaur der legio II Parthica, der wie bereits erwähnt durch die Antoniniane der Reichsprägung unter Gallienus und dann unter Carausius belegt ist, auf unterschiedliche Weise, aber meist mit Keule oder Globus, dargestellt wird. Um auf den Quellenwert der Münzrückseiten für die – in diesem Fall ohnehin allerdings relativ unumstrittene – Frage nach dem Standort der Legion und zugleich auch auf Belege für den Kentaur als Wappen hinzuweisen, möchte ich zunächst auf zwei Münztypen für Gordian III. und seine Gattin Tranquillina eingehen, die beide eher unbekannt sind: Zuerst sind da, soweit ich sehe, nur bei Castelin abgebildet, mit dem Bild des Kaisers auf dem Avers, Reverstypen mit einem bogenschießenden Kentaur nach rechts.417 Hinter dem Fabelwesen befindet sich ein Vexillum mit gefranstem Tuch. Auf dem Tuch sind schwach drei griechische Buchstaben zu lesen: L, A, P d. h. Leg…wn I Parq…ka; die Buchstaben bzw. die Ordinalzahl (a/ = prîth) sind also hinreichend zu erklären. Die zweite, bis dahin unbekannte Münze, auf die ich an dieser Stelle hinweisen möchte, stammt aus dem Münzhandel:418 Mit dem Bild der Kaiserin auf dem Avers zeigt die Münze auf der Rückseite eine Vexillumstange mit Bändern und Fransentuch. Darauf ist die Aufschrift LEG AP zu lesen, also ebenfalls wieder eine „Übersetzung“ des Regimentsnamens leg(io) I P(arthica) aus der lateinischen „Militärfachsprache“, der „Sprache der Herrschaft“! Auf den weiteren, bislang bekannten Münztypen aus Singara unter Gordian III. und Tranquillina, ist etwa auch eine sitzende Tyche mit Ährenbündel (?), Mauerkrone und Schleier auf Felsen, über einem Flußgott dargestellt, über deren Kopf das nunmehr bekannte Legionswappen, nämlich eben der Kentaur, nach links oder rechts wiedergegeben ist. Ein abgekürztes Bild, eine Tychebüste mit Kentaur Sagittarius nach rechts, über dem Kopf der Stadtgöttin, ergänzt den numismatischen Befund für Singara. Aus Samosata und Zeugma kennen wir eine alternative Lösung für die Positionierung der Fahnentiere im Zusammenhang mit der Stadttyche bzw. deren Heiligtum, nämlich unterhalb der entsprechenden Darstellung.419 Die AUR(el…a) SEP(tim…a) KOL(wn…a) SINGARA, deren Schriftzug auf den Münzrückseiten erscheint, unterlässt allerdings – anders als Resaina – eine nochmalige Erwähnung der Legion in der Reverslegende. Hier „spricht“ in erster Linie das Bild! Wenn man in Betracht zieht, daß hier, in Singara, sogar der Titel der Legion ins Griechische übersetzt auf den Reversen der Münzen erscheint, dann dürfte das für die Frage nach einer lokalen Identität nicht ganz ohne Belang sein.420 Gegenüber Resaina, das 416 Vgl. noch einmal ILS 9477 (½tij legièn ™stin ™n Sing£roij tÁj Mesopotam…aj) aus Aphrodisias und die Ergänzung und Interpretation von Speidel/Reynolds 1985, 31–35. 417 Castelin 1946, 30, Taf. III f–g. 418 Unpubliziertes Hemiassarion: Abbildung im Auktionskatalog 105 (Solingen-Ohligs, Januar 2001) des Münz Zentrums-Rheinland, 36, Nr. 449. Die Aufschrift des Vexillumtuches ist dort falsch gelesen und gedeutet: nicht LEG PA für leg(io) Pa(rthica), sondern A steht korrekt als Ordinalzahl vor dem Legionsnamen in der zweiten Zeile der Aufschrift. 419 Belege dafür s. etwa bei Stoll 2001e, 382; 393 f.; 562; 563 f. 420 Auf diesem Gebiet gibt es allerdings noch viel zu wenige Studien: Wo entsprechende Untersuchungen aufgrund der Quellenlage möglich sind, ist es ohne jeden Zweifel lohnend und ertragreich, nach der „Individualität“ einzelner Städte zu suchen, verschiedenen und durchaus gleich-
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es niemals versäumt, die Legion in lateinischen Lettern in jeder Stadttitulatur zu nennen, ist das jedenfalls eine deutlich Abstufung. Freilich liegt Singara weiter im Osten, näher am Feind,421 außerdem fassen wir nur wenige Jahre der Geschichte der Stadt über diese Münzen – zu wenig. Aber was genau das alles zu bedeuten hat, müssen künftige Forschungen erweisen, die auf entsprechende Quellencorpora zurückgreifen können – und vielleicht auch, irgendwann einmal, auf archäologische Feldforschungen in einem politisch beruhigten, friedlichen „Nordmesopotamien“. V. SCHLUSSBEMERKUNGEN. RESAINA, SINGARA UND IHRE LEGIONSGARNISONEN IM SPIEGEL STÄDTISCHER MÜNZPRÄGUNGEN Anders als in Edessa, Hatra, Palmyra oder Dura Europos, gibt es als Quellen für das politische, kulturelle und religiöse Leben der nordmesopotamischen Städte Resaina und Singara keine Inschriften, keinen klaren kaiserzeitlichen archäologischen Befund oder umfangreiche literarische Behandlungen historischer und kultureller Aspekte der Stadt- und Regionalgeschichte in der paganen oder der älteren syrischen, frühchristlichen Kultur – oder, wie in Harran/Carrhae, auch in islamischer Zeit. Gleichwohl beide Städte seit der Einrichtung der Provinz Mesopotamien und der Nachbarprovinz Osrhoene als Garnisonsstädte römischer Legionen eine bedeutsame Rolle für die umliegenden Gebiete und die Region gespielt haben werden, fehlen uns aufgrund der Quellenlage die Möglichkeiten, diese Rolle zu rekonstruieren und in ihrer genauen Bedeutung einzuordnen. Umso wichtiger ist das Zeugnis der Städtischen Münzen, die in den beiden Städten geprägt worden sind (wir fassen mit den Münzen der beiden Städte allerdings nur einen Zeitraum von 40 Jahren innerhalb der 170 Jahre andauernden Besetzungsgeschichte Nordmesopotamiens). Die Prägeverläufe helfen bei der Rekonstruktion historischer Ereignisse, erlauben Rückschluss auf wirtschaftliche, kulturelle und politisch-soziale Entwicklungen als Begleiterscheinung der Anwesenheit von Truppen und der Truppenverschiebungen im Rahmen der Ereignisse an der Ostfront des Imperiums im 3. Jh. n. Chr. Die Bildwelt der Städtischen Bronzemünzen von Resaina und Singara aus der ersten Hälfte des 3. Jh. n. Chr. nimmt Bezug zur Tatsache der Stationierung einer Garnison in der Stadt, identifiziert sich mit dem jeweiligen Regiment und seinen Symbolen, ohne die eigene Identität aufzugeben. Tyche und Kentaur – Symbole der Stadt und des Legionsregimentes, beide „Stadtpatrone“ und „Schutzgötter“ – ergänzen einander, zeitig verwendeten „Identitäten“ in ein und derselben Stadt nachzuspüren, die bedingt sind durch die Geographie und Geschichte von Stadt und Region, die kulturellen Traditionen, Wandel- und Wachstumsphasen und die damit verbundenen historischen, kuturellen und sprachlichen Prozesse. Eine in vielerlei Hinsicht exemplarische Studie (allerdings stark auf den archäologischen Befund konzentriert) ist etwa die von Kennedy 1998, 39–69. 421 Hier darf noch einmal vorsichtig an ein „Extrem“, nämlich die zeitweilige Sympathie-Haltung von Nisibis, nur gut 75 km nordwestlich Singara gelegen, gegenüber den Sasaniden erinnert werden, die dann auch in der Zerstörung durch Odaenath resultierte: Hartmann 2001, 168 zu Zos. 1, 39, 1; vgl. auch Luther 2006, 209.
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helfen die Stadtidentität neu zu definieren – so wie wohl auch der Koloniestatus und damit der Wert und das Prestige einer Stadt im Gefüge der Provinz im 3. Jh. n. Chr. entscheidend mit der Anwesenheit einer Garnison zusammenhängt. Die Bildwelt und die Legenden betonen den Rang und den Wert der eigenen Stadt, ihre politische und strategische Rolle beim „Funktionieren“ der Abwehr des sasanidischen Feindes, ihre Leistungen. Beide zusammen sind Ausdruck einer kollektiven Identität: Stolz auf die Stadt, Stolz wegen der Garnison – und auf die Garnison. Symbole wie der Adler sind dennoch doppel- und mehrdeutig, aus der „römischen“ Militär- und Triumphsymbolik heraus begreifbar und damit ein scheinbar offensichtliches, weiteres Zeichen der Loyalität der Stadt und Ausdruck der Identifikation mit Kaiser, Reich und Regiment oder aber auch auf eigene kulturelle Werte hindeutend, auf die eigene Religion und Götterwelt (Tyche und Adler, Adler im Tempel – beide Resaina). Mehrdeutige Bilder erweisen sich so von einem großen Wert: Sie können zugleich kennzeichnendes Instrument und Symbol integrativer Prozesse und loyaler Haltung sein und regionale Identität zum Ausdruck bringen, die zu einem gewissen Grad ja auch Abgrenzung, sogar „Desintegration“ bedeutet! Es gibt Abstufungen, Varianten zwischen den Wegen, die die einzelnen städtischen Gemeinwesen gehen, um die „Schicksalsgemeinschaft“ (auf jeden Fall aber „Interessensgemeinschaft“) zwischen Stadt und Garnison zu „markieren“, wie sich vielleicht am besten an den Legenden der Reverse und den Beischriften, explizit der Sprachwahl, erspüren läßt (Griechisch/Latein – Resaina; Griechisch – Singara; Schreibweise der Regimentsnamen). Diese und die „Bildredaktion“ durch die städtischen Eliten, in ihrer sorgfältigen Wahl nicht immer eindeutiger Bilder, die gelegentlich vielleicht sogar „chiffrierte Wünsche“ äußern (hier: Kränze und Palmwedel/Agone), zeigen deutlich: Kentaur und Tyche sind in Resaina und Singara in jedem Fall Symbole städtischer Identität. Die Bildwelt Städtischer Münzen im Nahen Osten gibt immer wieder ein lohnendes Zeugnis zu Aspekten römischer Geschichte, zu denen andere Quellen fehlen! ABKÜRZUNGEN AE BMC Arabia
BMC Galatia
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Prof. Dr. Oliver Stoll, Universität Passau, Philosophische Fakultät – Alte Geschichte, Innstraße 25, D-94032 Passau; e-mail: [email protected]