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German Pages 235 Year 1979
LOGIK UND WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFT
Logik und Wirtschaftswissenschaft
Herausgegeben
von
Prof. Dr. Reinhard Kamitz Freie Universität Berlin
DUNCKER &
HUMBLOT / BERLIN
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1979 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1979 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed In Germany ISBN 3 428 04480 0
Inhalt
I. Einleitung des Herausgebers Von Reinhard Kamitz, Berlin ...
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2. Was kann die Anwendung der formalen Logik auf eine Wissenschaft zum Fortschritt der Erkenntnis beitragen? Von Reinhard Kamitz, Berlin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 21
3. Logik vs. Mathematik in den Wirtschaftswissenschaften. Von Lothar Czayka, Frankfurt am Main . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 4. Die Logik preistheoretischer Ansätze Von Hans G. Knapp, Graz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
5. Logik und Semantik sozialwissenschaftlicherTheorien (Das Zweikomponentenmodell sozialwissenschaftlicher Theorien) Von Werner Leinfellner, Lincoln/Nebraska . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
6. Mehrwertige Logiken, unscharfe Mengen, unscharfe Logiken und ihre Anwendung Von Heinz J. Skala, Paderborn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 7. Einige Bemerkungen zur mengen theoretischen Basis der mathematischen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Von Heinz J. Skala, Paderborn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..... 223
Einleitung des Herausgebers Von dem Logiker A. Menne stammt der Ausspruch 1 , daß nach dem Wort ,Liebe' das Wort ,Logik' sicherlich das am meisten mißbrauchte Wort der deutschen Sprache sei, zumindest unter denen mit dem Anfangsbuchstaben ,L'. Dieser Mißbrauch ist zum großen Teil durch Philosophen mitverschuldet worden, die in ihrer Neigung, bei Begriffsbestimmungen auf die griechische oder lateinische Wurzel des zu klärenden Terminus zurückzugreifen, gerne überall dort von Logik sprechen, wo ihnen die Anwendung der vieldeutigen griechischen Wörter ,'A(yyos' und ,'Aayu I: jedem n-stelligen Prädikat in SE eine n-stellige Relation auf U zugeordnet wird, also jedem 2-stelligen Prädikat in SE eine zweistellige Relation auf U (d.h. eine Teilmenge des Cartesischen Produkts U x U), jedem 3-stelligen Prädikat in Seine dreistellige Relation auf U (d.h. eine Teilmenge des Cartesischen Produkts (U x U) x U), usw. Dabei darf in ein und derselben Interpretation in SE zwar verschiedenen deskriptiven Wörtern in SE, falls sie derselben Wortkategorie in SE angehören (also z.B. verschiedenen Individuenkonstanten in SE) dasselbe, jedoch keinem deskriptiven Wort in SE Verschiedenes zugeordnet werden (dies liegt ja bereits im Begriff der Funktion). In den nachstehenden zwei Beispielen für Interpretationen in SE werden, vereinfachend, nur Zuordnungen an Individuenkonstanten in SE sowie an 1oder 2-stellige Prädikate in SE betrachtet. So mag beispielsweise eine (arithmetische) Interpretation in SE aus der Menge aller positiven ganzen Zahlen (= Universum der Interpretation) und aus einer Zuordnung bestehen, die u.a. so aussieht: einer bestimmten Individuenkonstante in SE wird die Zahl 4 zugeordnet, einer anderen die Zahl 101, allen übrigen die Zahl 13, einem bestimmten I-stelligen Prädikat in SE die Menge aller Primzahlen, einem anderen die Menge aller geraden Primzahlen, die größer sind als 2 (also die leere Menge), wiederum einem anderen I-stelligen Prädikat in SE das Universum der Interpretation, allen 2-stelligen Prädikaten in SE die Menge all der und nur der geordneten Paare (x, y ), so daß x und y positive ganze Zahlen sind und x = 2 y, usw. In
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einer anderen (nicht-arithmetischen) Interpretation inSE, deren Universum die Menge aller Unternehmungen ist, die 1976 zu irgendeinem Zeitpunkt einen Sitz in der BRD hatten, mag die Zuordnung so aussehen: einer bestimmten Individuenkonstante in SE wird die Siemens AG zugeordnet, einer anderen die deutsche Unilever GmbH, usw., einem bestimmten I-stelligen Prädikat in SE die Menge aller Unternehmungen, die 1976 zu irgend einem Zeitpunkt einen Sitz in der BRD hatten und bei denen es sich um Aktiengesellschaften handelt, allen übrigen I-stelligen Prädikaten in SE die Menge aller Unternehmungen, die 1976 zu irgendeinern Zeitpunkt einen Sitz in der BRD hatten und die der Mineralölindustrie angehören, einem bestimmten 2-stelligen Prädikat in SE die Menge all der und nur der geordneten Paare (x, y ), so daß gilt: x und y gehören zum Universum der Interpretation und x beschäftigte zu jedem Zeitpunkt des Jahres 1976 mehr Arbeitnehmer als y, einem anderen 2-stelligen Prädikat in SE die Allrelation U x U, d.h. die Menge all der und nur der geordneten Paare, deren Glieder Elemente von U sind, etc. Jedes Wort in SE, dem durch eine Interpretation in SE etwas zugeordnet wird, erhält eben dadurch im Rahmen der betreffenden Interpretation eine bestimmte Bedeutung, da es nun - relativ zu jener Interpretation - als Bezeichnung (oder Name) der ihm zugeordneten Entität gelten darf. So mag etwa eine Individuenkonstante in SE bei einer Interpretation in SE die Zahl 4 bedeuten, bei einer anderen mag sie ein Name der Siemens AG sein, bei wiederum einer anderen Interpretation in SE mag sie die Stadt Wien bezeichnen (wenn das Universum dieser Interpretation z.B. die Menge aller europäischen Hauptstädte ist) usw. Ähnlich mag ein I-stelliges Prädikat in SE bei einer Interpretation in SE die Menge aller Primzahlen bezeichnen, bei einer anderen eine ganz bestimmte Menge von Unternehmungen, bei einer dritten die Menge aller Personen, die am Weihnachtstag des Jahres 800 n.Chr. zum Kaiser gekrönt wurden, und dgl. In der Definition des Terminus ,Interpretation in SE' wird mit Hilfe von syntaktischen und mengentheoretischen, aber ohne Verwendung von pragmatischen Begriffen klargestellt, welche Arten von Bedeutungen den Elementen der diversen Kategorien von deskriptiven Wörtern in SE zugeordnet werden dürfen; dieser Terminus ist daher weder ein syntaktischer noch ein pragmatischer, sondern ein semantischer Begriff. Als mögliche Wahrheitswerte in SE sind nur Wahrheit und Falschheit zugelassen; neutrale Wahrheitswerte in SE gibt es nicht. Klassische Prädikatenlogische Systeme (gleichgültig, ob einsortig oder mehrsortig, ob 1. oder höhere Stufe, ob mit oder ohne Identität, Funktoren, Kennzeichnungen und Prädikatvariablen) sind ausnahmslos zweiwertige semantische Systeme. Im nächsten Schritt wird flir jede Aussage A in SE und für jede Interpretation [ in SE definiert, was ,A hat in SE bei [ den Wert Wahrheit' bzw. die kürzere Formulierung ,A ist SE-wahr bei [' bedeuten soll; sodann wird ,A hat in SE bei [ den Wert Falschheit' bzw. die kürzere Formulierung ,A ist SE-falsch beil' mit ,A ist nicht SE-wahr bei I' gleichgesetzt. Bei jeder Interpretation in SE
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nimmt somit jede Aussage in SE genau einen der beiden in SE zulässigen Wahrheitswerte an. Es ist für das Verständnis des Weiteren nicht erforderlich, die relativ komplizierte Definition von ,A ist SE-wahr bei I' hier im Detail darzustellen; ich will aber sieben Anmerkungen zu dieser Definition machen: (1) Es handelt sich bei ihr um eine rekursive Definition. Dies besagt ein Doppeltes: (a) Ist A eine atomare Aussage in SE, so wird per definitionem die SEWahrheit von A bei einer Interpretation I in SE direkt auf das bezogen, was durch I dem in A vorkommenden n-stelligen Prädikat und den in A vorkommenden n Individuenkonstanten zugeordnet wird. So kann beispielsweise für jede atomare Aussage A in SE, die aus einem I-stelligen Prädikat und genau einer Individuenkonstante besteht, und für jede Interpretation I in SE die Festsetzung getroffen werden, daß A bei I .genau dann SE -wahr ist, wenn der Gegenstand, den I der in A vorkommenden Individuenkonstante zuordnet, ein Element der Menge ist, die durch I dem inA vorkommenden I-stelligen Prädikat zugeordnet wird. (b) Ist A eine nicht-atomare Aussage in SE (die also an mindestens einer Stelle ein formatives Wort in SE enthält), so macht die Definition die SE-Wahrheit von A bei einer Interpretation I in SE ausschließlich davon abhängig, ob bestimmte Aussagen von geringerem Rang als A - der Rang einer Aussage in SE ist die Anzahl der Stellen, an denen in ihr ein formatives Wort in SE vorkommt - bei I (oder bei Interpretationen in SE, die mit! in ganz bestimmter Weise übereinstimmen) SEwahr sind oder nicht. So könnte z.B. für alle Aussagen A und A 1 in SE sowie für alle Interpretationen I in SE festgesetzt werden: (i) NA ist SE-wahr bei I genau dann, wenn A nicht SE-wahr bei I ist. (ii) KAA 1 ist SE-wahr bei I genau dann, wenn sowohlA als auchA l bei I SE-wahr sind. Auf eine in der Beschreibung von SE ebenfalls erforderliche Festsetzung bezüglich der SE-Wahrheit von Quantifikationen in SE bei irgendwelchen Interpretationen in SE wollen wir hier einfach einfachheitshalber nicht zu sprechen kommen. (2) Die rekursive Definition von ,A ist SE-wahr bei l' führt den Begriff der SEWahrheit einer nicht-atomaren Aussage in SE bei einer Interpretation in SE zurück auf den Begriff der SE-Wahrheit einer atomaren Aussage in SE bei einer Interpretation in SE. Da nun der letztere Begriff mit Hilfe syntaktischer und semantischer (einschließlich mengentheoretischer), aber ohne Verwendung pragmatischer Begriffe definiert ist, so handelt es sich bei ihm und ergo auch bei dem Begriff der SE-Wahrheit irgendeiner Aussage in SE bei einer Interpretation in SE um einen semantischen Begriff. Daraus ergibt sich, daß auch der Begriff der SE-Falschheit (irgend)einer Aussage in SE bei einer Interpretation in SE ein semantischer Begriff ist (denn ,A ist SE-
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falsch bei I' soll ja, wie schon erwähnt wurde, nichts anderes bedeuten als ,es ist nicht der Fall, daß A bei I SE-wahr ist' bzw. ,A ist nicht SE-wahr bei 1'). (3) Wir nennen eine Aussage in SE logisch wahr in SE (oder allgemeingültig in SE) genau dann, wenn sie bei jeder Interpretation in SE SE-wahr ist. Setzt man voraus, daß beim Aufbau von SE u.a. auch die beiden in (1) (b) angeftihrten Regeln (i) und (ii) Verwendung finden, dann gilt beispielsweise für jede Aussage A in SE, daß NKA NA logisch wahr in SE ist; denn angenommen es gäbe eine Interpretation in SE, bei der NKA NA nicht SE-wahr wäre; dann müßte bei dieser Interpretation wegen (i) KA NA SE-wahr sein und daraus folgt wegen (ii), daß bei dieser Interpretation sowohl A als auch NA SE-wahr sein müßte; wenn aber NA bei der betreffenden Interpretation SE-wahr ist, so ist wegen (i) A bei dieser Interpretation nicht SE-wahr, was jedoch einem eben gewonnenen Resultat widerspricht. Durch die Definition von ,A ist SE-wahr bei I' wird für atomare Aussagen der Begriff der SE-Wahrheit bei einer Interpretation in S so festgesetzt, daß keine atomare Aussage in SE logisch wahr in SE ist. (4) In vielen Fällen ist nicht allein aufgrund der Kennzeichnung einer Interpretation in SE und aufgrund der Definition von ,A ist SE-wahr bei I'feststellbar, ob eine gegebene Aussage in SE bei der gekennzeichneten Interpretation nun tatsächlich SE-wahr ist oder nicht. Die Definition von ,A ist SEwahr bei I' gibt fur jede Aussage A in SE und für jede Interpretation in SE eine Bedingung an, die notwendig und hinreichend für die SE-Wahrheit von A bei I ist; aber die Frage, ob denn diese Bedingung auch wirklich erfüllt ist oder nicht, läßt sich meist nur mit Hilfe von mathematischen oder empirischen Untersuchungen entscheiden. Denken wir z.B. an eine Aussage in SE, die aus einem einstelligen Prädikat in SE und aus einer Individuenkonstante in SE besteht, und an eine Interpretation in SE, die der Individuenkonstante die deutsche Shell AG und dem einstelligen Prädikat die Menge aller Unternehmungen zuordnet, die 1976 in der BRD mehr als 5000 Arbeitnehmer beschäftigten. Nehmen wir ferner an, daß die Beschreibung von SE jene Regel enthält, welche für Aussagen dieses simplen Typs vorhin unter (l)(a) angeführt wurde. Dann ist die formale Aussage, an die wir denken, bei der gegebenen Interpretation genau dann SE-wahr, wenn die deutsche Shell AG ein Element der Menge aller Unternehmungen ist, die 1976 in der BRD mehr als 5000 Arbeitnehmer beschäftigten. Ob nun aber die deutsche Shell AG tatsächlich ein Element dieser Menge ist, kann nur auf empirischem Wege ermittelt werden. Die Definition von ,A ist SE-wahr bei I' bietet also kein generelles SE-Wahrheitskriterium für Aussagen in SE bei Interpretationen in SE (wie ja überhaupt die Definitionen sehr vieler wissenschaftlicher Begriffe kein Entscheidungskriterium dafür enthalten, ob ein bestimmter Gegenstand bzw. eine bestimmte Situation oder ein bestimmter Vorgang unter den betreffenden Begriff fällt oder nicht).
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(5) Von jeder guten übersetzung irgendwelcher Aussagen einer natürlichen Sprache in Aussagen einer anderen (natürlichen oder formalen) Sprache muß man verlangen, daß sie Wahres in Wahres und Falsches in Falsches übersetzt. Sicherlich wird man nicht jede übersetzung, die dieser Forderung genügt, als gut bezeichnen dürfen, aber keine Übersetzung wird akzeptabel sein, die diese Forderung nicht erfüllt. Handelt es sich nun um eine Übersetzung aus einer natürlichen in eine tonnate Sprache, so setzt diese an gute übersetzungen zu stellende Minimalforderung voraus, daß für die betreffende formale Sprache überhaupt ein Wahrheitsbegriff definiert ist. Nun erfolgt aber die Definition eines Wahrheitsbegriffs für eine formale Sprache stets relativ auf ein semantisches System und auf Interpretationen in diesem System. Daher muß natürlich auch jede Übersetzung aus einer natürlichen Sprache in eine formale Sprache auf ein semanisches System bzw. auf eine bestimmte Klasse von semantischen Systemen und auf eine Interpretation oder auf eine Klasse von Interpretationen in diesem System (bzw. in diesen Systemen) relativiert werden. Die ausdrückliche Erwähnung dieser beiden Bezugspunkte darf bei derartigen Übersetzungen nur dann entfallen, wenn der Kontext diesbezügliche Mißverständnisse ausschließt. Es dient der Vereinfachung späterer Formulierungen, wenn wir hier den übersetzungsbegriff so verallgemeinern, daß man - relativ zu einem semantischen System und zu einer Interpretation in diesem Systemnicht nur Aussagen als gute Übersetzungen von Aussagen, sondern auch Aussagemengen als gute Übersetzungen von Aussagemengen bezeichnen kann. Wir erklären daher für jedes semantische System S, für jede Interpretation I in S sowie für alle Mengen MI von Aussagen in S und für alle Mengen M von Aussagen einer natürlichen Sprache: (M)
M I ist relativ zu S und zu I eine gute Übersetzung von M genau
dann, wenn gilt: (a) zu jedem ElementA vonM gibt es mindestens ein Element A I von MI, so daß A I relativ zu S und zu I eine gute Übersetzung von A ist, und (b) zu jedem ElementA I vonM I gibt es mindestens ein Element A von M, so daß A I relativ zu S und zu I eine gute Übersetzung von A ist.
(Man beachte, daß (M) nicht nur auf klassische, einsortige prädikatenlogische Systeme 1. Stufe ohne Identität, Funktoren und Kennzeichnungen Bezug nimmt.) (6) Durch die Definition von ,A ist SE-wahr bei I' erhalten die formativen Wörter in SE einen Sinn Gedes der vier Wörter einen anderen), der nicht wie die Bedeutung der deskriptiven Wörter in SE von Interpretation zu Interpretation variieren kann, sondern für alle Interpretationen in SE fest vorgegeben ist. Denken wir z.B. an die semantische Regel (i) in Anmerkung (I)(b); durch diese Festsetzung erhält N einen für alle Interpretationen in SE konstanten Sinn, der dem des deutschen Ausdrucks ,Es trifft nicht zu,
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daß' voll und ganz entspricht. Nennen wir jene Aussage der deutschen Sprache, die aus einer deutschen Aussage A durch Voranstellen von ,Es trifft nicht zu, daß' entsteht - wobei sich dieser vorangestellte Ausdruck inhaltlich auf die gesamte Aussage A beziehen möge - die Negation von A; dann gilt für alle deutschen Aussagen A : die Negation von A ist genau dann wahr, wenn A falsch (d.h. nicht wahr) ist. Legt man somit das semantische System SE zugrunde und verwendet man in der Beschreibung von SE die Regel (i), so kann man die Negation einer deutschen Aussage A recht passer,d in eine mit N beginnende Aussage in SE übersetzen - vorausgesetzt, daß es gelingt, eine Interpretation I in SE und eine Aussage Al in SE zu finden, so daß gilt: Al ist relativ zu SE und zu I eine gute übersetzung von A. In diesem Falle wäre NA 1 relativ zu SE und I eine gute übersetzung der Negation von A. Wie man leicht erkennt, erhält K durch die semantische Regel (ii) in (l)(b) eine (ebenfalls für alle Interpretationen in SE-konstante) Bedeutung, die der des deutschen Wörtchens ,und' - wo dieses der Verknüpfung von Aussagen der deutschen Sprache dient - weitgehend entspricht: auch eine Und-Verbindung zweier deutscher Aussagen gilt meist S6 dann und nur dann als wahr, wenn beide durch ,und' verknüpften Teilaussagen wahr sind. Läßt man also für SE die Regel (ii) gelten, so kann man viele Und-Aussagen recht passend in mit K beginnende Aussagen in SE übersetzen - vorausgesetzt natürlich, daß man für die durch ,und' verknüpften deutschen Aussagen relativ zu SE und zu einer Interpretation in SE gute Übersetzungen findet. Wenn es in SE zwei Quantoren gibt, so erhält durch die Definition von ,A ist SE-wahr bei I' der Generalisator eine Bedeutung, die der des deutschen Ausdrucks ,fur alle ... gilt:' und der Partikularisator eine Bedeutung, die der des deutschen Ausdrucks ,es gibt mindestens ein ... , so daß gilt:' entspricht; falls es nur einen Quantor in SE gibt, so kann der Konstrukteur von SE frei entscheiden, ob er ihn als Generalisator in der Bedeutung von ,für alle ... gilt:' oder als Partikularisator in der Bedeutung von ,es gibt mindestens ein ... , so daß gilt:' in das semantische System einführen will. (7) Es ist allerdings nicht erforderlich, daß durch die Definition von ,A ist SEwahr bei I' allen formativen Wörtern in SE solche Bedeutung verliehen werden, welche diese Wärter sozusagen zu formalen Spiegelbildern bestimmter umgangssprachlicher Wärter oder Ausdrücke machen. Andererseits wird durch Überlegungen betreffend die Übersetzbarkeit von Aussagen einer natürlichen Sprache in Aussagen in SE schnell deutlich, daß der Logiker bei der Definition von ,A ist SE-wahr bei I' außer den genannten einschränS6 Aber nicht immer: z.B. ist rur die Wahrheit der Aussage ,er begann zu trinken und wurde aus seiner verantwortungsvollen Stellung entlassen' nicht nur die Wahrheit beider Teilaussagen, sondern auch eine ganz bestimmte zeitliche Anordnung beider Ereignisse (Trinken-Entlassung) erforderlich; deswegen besagt diese Aussage auch etwas ganz anderes als die Aussage ,er wurde aus seiner verantwortungsvollen Stellung entlassen und begann zu trinken'.
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kenden Bedingungen (man denke etwa an das Koinzidenztheorem) noch weitere Anforderungen erflillen muß und somit seine semantischen Festsetzungen nur innerhalb eines gewissen, nicht allzu weit gesteckten Rahmens beliebig treffen kann. Erörtern wir diese Frage der Einfachheit halber nur im Hinblick auf die übersetzungen von Negationen deutscher Aussagen und lassen wir andere wichtige Typen von Aussagen der deutschen Sprache (wie z.B. Und-Aussagen) hier unberücksichtigt. Dabei wollen wir davon ausgehen, daß der Logiker schon eine bestimmte Theorie oder eine bestimmte Art von Argumenten vor Augen hat, zu deren Analyse die Konstruktion von SE dienen soll; wir wollen ferner annehmen, daß Negationen in dieser Theorie bzw. in Argumenten der betreffenden Art eine wesentliche Rolle spielen (beide Voraussetzungen sind unproblematisch, da sie fast immer erfüllt sind). Nun kann der Logiker bei der Konstruktion von SE natürlich, wenn er will, die Definition von ,A ist SE-wahr bei /' so aufbauen, daß N nicht dasselbe wie ,es trifft nicht zu, daß' bedeutet, sondern einen ganz anderen Sinn erhält. Dann müßte aber darauf geachtet werden, daß die Definition von ,A ist SE-wahr bei /' wenigstens "indirekte" übersetzungen von Negationen in Aussagen in SE ermöglicht. Was hier mit ,indirekte Übersetzung' gemeint ist, soll anhand eines einfachen Beispiels erläutert werden. Angenommen, der Logiker würde beim Aufbau von SE beschließen, dem Wort K eine Bedeutung zu verleihen, die der des deutschen ,weder ... , noch ... ' entspricht; er würde also nicht die früher angeflihrte Regel (ii) wählen, sondern statt dessen festsetzen, daß flir alle Aussagen A und A J in S und für alle Interpretationen I in SE gelten möge: K AA J ist bei I genau dann SE -wahr, wenn A bei I nicht SE-wahr ist und wenn A J bei I nicht SE-wahr ist (analog gilt ja auch die Verknüpfung zweier deutscher Aussagen durch ,weder ... , noch ... ' genau dann als walu, wenn jede der beiden durch ,weder ... , noch ... ' verknüpften Teilaussagen falsch ist). Eine übersetzung der Negation (XXII)
Es trifft nicht zu, daß der progressive Leistungslohn bei Qualitätsarbeiten eine starke Leistungsminderung bewirkt.
könnte dann auf indirektem (und - solange wir nicht über präzise übersetzungsregeln verfügen - auf intuitivem) Wege folgendermaßen vorgenommen werden: zunächst ersetzt man (XXII) durch eine bedeutungsgleiche Weder-noch-Aussage, nämlich durch die ungewöhnliche und stilistisch nicht sonderlich elegante Aussage (XXIII)
Weder bewirkt der progressive Leistungslohn bei Qualitätsarbeiten eine starke Leistungsminderung, noch bewirkt der progressive Leistungslohn bei Qualitätsarbeiten eine starke Leistungsminderung.
So dann benennt man eine Interpretation I in SE und eine Aussage A in SE, wobei A relativ zu SE und zu I eine gute übersetzung der Aussage ,Der pro-
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gressive Leistungslohn bewirkt bei Qualitätsarbeiten eine starke Leistungsminderung' darstellt; KAA darf dann relativ zu SE und I als gute Übersetzung von (XXIII) und somit als gleichsam indirekte Übersetzung von (XXII) angesehen werden. Auch hier zeigt sich also, daß die mit der Konstruktion von SE verfolgte Zielsetzung Willkür in der Wahl der syntaktischen und semantischen Konstruktionsregeln für SE weitgehend ausschließt. Mit Hilfe des Begriffs einer Interpretation in SE und des Begriffs der SEWahrheit (bzw. SE-Falschheit) einer Aussage in SE bei einer Interpretation in SE können in der Semantik von LSE einige aus der Sicht des Logikers sehr bedeutsame Begriffe definiert werden. Der in logischer Hinsicht fundamentalste dieser semantischen Begriffe ist ohne Zweifel der Begriff des logischen Folgens. In 1.2 und 1.3.1 war von Schwierigkeiten die Rede, die sich ergeben, wenn man versucht, den gewöhnlichen, vagen Begriff des logischen Folgens ohne Bezug auf ein semantisches System zu präzisieren. Im Rahmen der Beschreibung von SE kann jedoch ein exakter (auf Aussagen und Aussagemengen von LS E bezogener) Begriff des logischen Folgens definitorisch eingeführt werden. In Übereinstimmung mit unseren intuitiven Vorstellungen über logisches Folgen und im Hinblick auf das, was wir über den 2-stelligen Junktor K in SE gesagt haben - fur ihn möge die früher erwähnte Wahrheitsregel (ii) gelten - erscheint es vernünftig, wenn man an eine inhaltlich adäquate, auf SE relativierte Definition des logischen Folgens zusätzlich zu den drei schon genannten Minimalbedingungen noch mindestens zwei weitere Anforderungen stellt, und zwar: (d) Für alle Aussagen A und A I in SE gilt: Aus {KAA d folgt in SE logisch sowohl A als auch AI; (e) Für alle Aussagen A und AI in SE gilt: Aus {A,Ad folgt in SE logisch KAA I . Die nachstehende Definition erfmIt sämtliche fünf Adäquatheitsbedingungen (a)-(e): (N)
Für alle Aussagen A in SE und für alle Mengen M von Aussagen in SE gilt: A folgt in SE logisch aus M dann und nur dann, wenn es keine Interpretation I in SE gibt, so daß gilt: (a) Jedes Element von M ist SE-wahr bei I, und (b) A ist SE-falsch bei I.
Diese Definition kann sprachlich vereinfacht werden, wenn wir zuvor den wichtigen semantischen Begriff des Modells einer Aussagenmenge (der natürlich stets auf ein bestimmtes semantisches System oder auf eine bestimmte Klasse von semantischen Systemen zu relativieren ist) erklären. Wir definieren mit Bezug auf SE: (0)
Für alle I und für alle M gilt: I ist ein SE-Modell von M genau dann, wenn M eine Menge von Aussagen in SE ist und wenn I eine Interpretation in SE ist, bei der alle Elemente von M SE-wahr sind.
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Der in (N) ausgedrückte Gedanke läßt sich nun kürzer so formulieren: (P) Für alle Aussagen A in SE und flir alle Mengen M von Aussagen in SE gilt: A folgt in SE logisch aus M dann und nur dann, wenn A bei jedem SEModell vonM SE-wahr ist. Verdeutlichen wir uns den Sinn von (N) bzw. (P) anhand eines besonders einfachen Beispiels und setzen wir dazu voraus, daß die Beschreibung von SE u.a. die auf N und K bezogenen Wahrheitsregeln (i) und (ii) enthält. Unter dieser Voraussetzung kann - gestützt auf (N) bzw. (P) - für alle Aussagen A ,A 1 und A z in SE leicht und exakt nachgewiesen werden, daß in SE z.B. die Aussage KAA z logisch aus 1KANA 1, NKNAzNA I} folgt. Denn angenommen, I sei irgendeinSE-Modell von 1KANA 1, NKNAzNA d, d.h. angenommen (1) KANA 1 ist SE-wahr beil, und (2) NKNAzNA I ist SE-wahr beil. Aus (1) können wir aufgrund von (ii) schließen, daß (3) A ist SE-wahr bei I, und daß (4) NA 1 ist SE-wahr bei I. Aus (2) entnehmen wir gemäß (i), daß (5) KN A zN A 1 ist nicht SE -wahr beil. Aus (5) ergibt sich wegen (ii), daß (6) mindestens eine der beiden Aussagen NA z und NA 1 bei I nicht SE-wahr ist. Ferner erhalten wir aus (4) und (6), daß (7) NA z bei I nicht SE-wahr ist. Aus (7) erschließen wir gemäß (i), daß (8) A z bei I SE-wahr ist. Die Resultate (3) und (8) führen uns aufgrund von (ii) zu dem Ergebnis, daß (9) KAA z beil SE-wahr ist. Da I ein beliebiges SE-Modell der Menge 1KA NA 1, NKNA z NA I} ist, so dürfen wir sagen, daß KAA z bei jedem SE-Modell dieser Menge wahr ist, und dies bedeutet nach (P) nichts anderes, als daß in SE die Aussage KAA z aus der betreffenden Menge logisch folgt. Dieser Zusammenhang läßt sich übersichtlicher in einer sog. Wahrheits tafel darstellen, doch muß hier dem engen Rahmen der vorliegenden Arbeit entsprechend eine solche Darstellung unterbleiben (der interessierte Leser kann aber in fast jedem guten Lehrbuch der modernen Logik ein Kapitel über Wahrheitstafeln vorfinden 53). Aufgrund der gegebenen Erläuterungen läßt sich leicht beweisen, daß für alle Aussagen A in SE gilt: A folgt in SE logisch aus der leeren Menge von Aussagen in SE genau dann, wenn A logisch wahr in SE ist. Da nun, wie schon erwähnt wurde, keine atomare Aussage in SE logisch wahr in SE ist, so fogt in SE keine atomare Aussage in SE logisch aus der leeren Menge von Aussagen in SE. Ich schließe die Ausftihrungen über semantische Systeme mit drei Anmerkungen zu dem durch (N) oder (P) - bzw. durch das gesamte, das System SE konstruierende Regelgeflige - definierten Begriff des logischen Folgens und zu
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der Anwendbarkeit eines solchen exakten Begriffs bei der Überprüfung von Argumenten in einer natürlichen Sprache: (1) Der durch (N) oder (P) eingeftihrte exakte Begriff des logischen Folgens ist tatsächlich ein semantischer Begriff. Dies läßt sich leicht einsehen, wenn man bedenkt, daß es sich sowohl bei dem Begriff einer Interpretation in SE als auch bei dem Begriff der SE-Wahrheit bzw. SE-Falschheit (einer Aussage in SE bei einer Interpretation in SE) um einen semantischen Begriff handelt, und daß kein Begriff, der in (N) oder (P) zur Charakterisierung des logischen Folgens herangezogen wird, in irgendeiner Weise auf irgendwelche Benützer von LS E Bezug nimmt. (2) Wie man unschwer nachweisen kann, erftillt der durch (N) oder (P) definierte Begriff des logischen Folgens die früher genannten drei Minimalbedingungen. Aber (N) bzw. (P) stellt nicht die einzige Möglichkeit dar, unsere ziemlich vagen intuitiven Vorstellungen über logisches Folgen zu präzisieren. Es gibt höchst unterschiedlich aufgebaute formale Sprachen und zu jeder einzelnen von ihnen sehr verschiedene semantische Systeme, die diese Sprache als Bestandteil enthalten - dabei ist hier und im weiteren nicht mehr ausschließlich von klassischen, einsortigen prädikatenlogischen Systemen 1. Stufe ohne Identität, Funktoren, Kennzeichnungen und Prädikatvariablen die Rede. Es ist in einer Arbeit dieses Umfangs völlig ausgeschlossen, dem Leser auch nur einen ungefähren Eindruck von der Vielfalt der hier bestehenden Variationsmöglichkeiten zu vermitteln. Aufgaben, die in der Präzisierung eines mehr oder weniger unscharfen Begriffs bestehen, sind stets auf verschiedene Weise lösbar. Dies liegt sozusagen in der Natur solcher Probleme. Da es zu jedem vagen Begriff zahlreiche Gegenstände (bzw. Ereignisse, Situationen, Vorgänge, Zustände, etc.) gibt, in bezug auf die prinzipiell - also auch bei genauester Sachkenntnis - nicht mit Eindeutigkeit feststellbar ist, ob der Begriff auf sie zutrifft oder nicht 57 , so können in dieser Grauzone der Bedeutung mit annähernd gleicher Berechtigung unterschiedliche Festsetzungen über eine scharfe Abgrenzung des Begriffs vorgenommen werden (man denke z.B. an die verschiedenen heute bekmmten Präzisierungen des Begriffs der rationalen Entscheidung). Ein einziges und zudem noch sehr simples Beispiel muß hier genügen, um die Möglichkeit voneinander abweichender exakter semantischer Begriffe des logischen Folgens sichtbar zu machen. Sei SE ein klassisches, einsortiges prädikatenlogisches System 1. Stufe ohne Identität, Funktoren, Kennzeichnungen und Prädikatvariablen, also ein semantisches System der vorhin skizzierten Art, und sei SH ein semantisches System, von dem gilt: (a) die Sprache in SH ist identisch mit der Sprache in SE; (b) die Klasse der formativen Wörter von SH enthält nicht nur die Junktoren und die Quantoren in SH, sondern außerdem noch genau ein 2-stel57
Gerade dies ist ja mit ,vage' gemeint.
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(d) (e) (f)
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liges Prädikat in SH; dieses wollen wir das Iden titätssymbo I in SH nennen; atomare Aussagen in SH, die das Identitätssymbol in SH enthalten, sollen Identitätsaussagen in SH heißen; die Klasse der deskriptiven Wörter in SH enthält alle Individuenkonstanten in SH und (fur alle positiven ganzen Zahlen n) alle n-stelligen Prädikate in SH - mit Ausnahme des Identitätssymbols in SH, das ja ein formatives Wort in SH ist; Interpretationen in SH sind wie Interpretationen in SE, nur daß durch Interpretationen in SH dem Identitätssymbol in SH nichts zugeordnet wird; die möglichen Wahrheitswerte in SH sind genau dieselben wie die in SE, also Wahrheit und Falschheit; in der Definition von ,A ist SH-wahr bei I' finden wir dieselben Bestimmungen wie in der Definition von ,A ist SE-wahr bei I' (allerdings ist nun ,SE' durch ,SH' zu ersetzen), wobei jedoch die Regeln für die SEWahrheit von atomaren Aussagen in SE bei Interpretationen in SE nur für solche atomare Aussagen in SH übernommen werden, die keine Identitätsaussagen in SH sind; für Identitätsaussagen in SH wird jetzt festgesetzt, daß eine solche Aussage A bei einer Interpretation I in SH genau dann SH-wahr sei, wenn I beiden in A vorkommenden Individuenkonstanten genau dasselbe Element des Universums (von 1) zuordnet. Aufgrund dieser Festsetzung ist jede Identitätsaussage in SH, in der dieselbe Individuenkonstante zweimal auftritt, logisch wahr in SH; es gibt also atomare Aussagen in SH, die logisch wahr in SH sind (während es, wie bereits erwähnt wurde, keine atomaren Aussagen in SE gibt, die logisch wahr in SE sind); der Wortlau t der Definition von ,A folgt in SH logisch aus M' ist gleich dem Wortlaut von (N) oder (P), mit dem selbstverständlichen Unterschied, daß nun an allen Stellen ,SH' vorkommt, an denen in (N) bzw. (P) ,SE' stand. Und ebenso wie bezüglich des semantischen Systems SE gilt auch hinsichtlicht des semantischen Systems SH, daß in diesem System eine Aussage A des Systems aus der leeren Menge von Aussagen des Systems genau dann logisch folgt, wenn A in diesem System logisch wahr ist. Es gibt infolgedessen atomare Aussagen in SH, die in SH aus der leeren Menge von Aussagen in SH logisch folgen. Dagegen ist daran zu erinnern, daß es keine atomaren Aussagen in SE gibt, die in SE aus der leeren Menge von Aussagen in SE logisch folgen. Da wegen (a) die Aussagen in SE und die Aussagen in SH Aussagen von ein und derselben formalen Sprache sind, so können wir sag~n: es gibt Aussagen einer formalen Sprache, die zwar in SH, aber nicht in SE aus der leeren Menge von Aussagen der betreffenden Sprache logisch folgen. Dies zeigt, daß der durch die Regeln für SH festgelegte Begriff des logischen Folgens von dem durch die Regeln für SE definierten Begriff
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des logischen Folgens abweicht. (Man pflegt ein semantisches System von der Art SH ein klassisches, einsortiges prädikaten logisches System 1. Stufe mit Identität, aber ohne Funktoren, Kennzeichnungen und Prädikatvariablen zu nennen.) Andeutungsweise sei noch hinzugefugt, daß in allen bisher von uns betrachteten Beispielen für semantische Systeme die früher genannte dritte Minimalbedingung für einen exakten, inhaltlich adäquaten semantischen Begriff des logischen Folgens zugleich auch als hinreichende Bedingung für logisches Folgen angesehen wurde, daß aber diverse exakte und inhaltlich adäquate, jedoch kompliziertere Begriffe des logischen Folgens konstruierbar sind, ftir welche diese Minimalbedingung nicht hinreicht. Dies ist eine Konsequenz der in 1.2 erwähnten Unsicherheit darüber, ob (A) zu einer Definition des intuitiven Begriffs des logischen Folgens verschärft werden kann, indem man in (A) das ,nur dann' durch ,genau dann' ersetzt. Wir dürfen also nicht einfach sagen, diese oder jene Aussage einer formalen Sprache folge (bzw. folge nicht) logisch aus dieser oder jener Menge von Aussagen der betreffenden Sprache, sondern wir müssen alle auf eine formale Sprache L bezogenen Konstantierungen über logisches Folgen auf ein ganz bestimmtes semantisches System mit L als Sprache des Systems (bzw. auf eine ganz bestimmte Klasse solcher semantischer Systeme) relativieren. (3) Diese Relativität überträgt sich auch auf den Begriff der Gültigkeit von natürlichen (d.h. in einer natürlichen Sprache formulierten) Argumenten, sobald man zum Beweis der Gültigkeit oder Ungültigkeit eines natürlichen Arguments G auf ein semantisches System (bzw. auf eine bestimmte Klasse von semantischen Systemen) S und auf eine Interpretation (bzw. auf eine bestimmte Klasse von Interpretationen) I in S rekurriert und folgendermaßen verfährt: (a) Übersetzung: man nennt eine Menge M von Aussagen inS, die relativ zu S und zu I eine gute Übersetzung der Menge aller Prämissen von G ist (wir haben ja gemäß (M) die Möglichkeit, auch Aussagenmengen als übersetzungen von Aussagenmengen anzusehen), und man nennt eine Aussage A in S, die relativ zu S und zu I eine gute Übersetzung der Konklusion von G ist; (b) exakter Beweis: es wird mit einer rein semantischen oder/und einer rein syntaktischen Methode festgestellt, ob in S die Aussage Alogisch aus M folgt oder nicht; (c) Rückanwendung: führt die Untersuchung in (b) zu einer bejahenden Antwort, so wird daraus auf die Gültigkeit (Folgerichtigkeit) von G geschlossen, führt hingegen die Untersuchung in (b) zu einer verneinenden Antwort, so wird dies als Beweis fur die Ungültigkeit von G gewertet. Zur Vereinfachung der in Wirklichkeit relativ komplizierten Sachlage wol-
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len wir für die weiteren Überlegungen die folgende Voraussetzung treffen:
(Q)
Für alle semantischen Systeme S, für alle Interpretationen/inS, für alle Mengen M und MI von Aussagen in Sund flir alle Mengen M 2 von Aussagen einer natürlichen Sprache gilt: wenn M relativ zu Sund zu / eine gute Übersetzung von M 2 ist und wennM I relativ zu Sund zu / eine gute Übersetzung von M 2 ist, dann ist M S-äquivalent mit MI. (Als Spezial fall davon gilt für alle semantischen Systeme S, für alle Interpretationen / in S, für alle Aussagen A und A I in Sund flir alle Aussagen A 2 einer natürlichen Sprache, daß A mit AIS-äquivalent ist, falls sowohl A als auch A I relativ zu S und zu / eine gute Übersetzung von A 2 ist.)
Selbst unter dieser Voraussetzung kann das unter (a), (b) und (c) geschilderte Verfahren zu widersprechenden Resultaten bezüglich der Folgerichtigkeit von G führen, falls der Begriff der Folgerichtigkeit eines Arguments nicht in bestimmter Weise relativiert wird. Denn erstens können relativ zu ein und demselben semantischen System, aber relativ zu verschiedenen Interpretationen in diesem System Unterschiede in der Übersetzung von G auftreten, die dann aufgrund des oben geschilderten Verfahrens auch Unterschiede in der Beurteilung der Gültigkeit von G nach sich ziehen. Und zweitens gibt es, wie schon hervorgehoben wurde, sehr verschiedene semantische Systeme und unterschiedliche exakte semantische Begriffe des logischen Folgens, so daß u.U. sogar bei identischer Übersetzung von G das Urteil über dessen Gültigkeit relativ zu dem einen semantischen System anders ausfallen muß als relativ zu dem anderen semantischen System. Wir müssen daher die Gültigkeit bzw. Ungültigkeit natürlicher Argumente - falls sie auf dem Wege (a)-(b)-(c) festgestellt werden soll - auf zwei Bezugspunkte relativieren, nämlich auf bestimmte semantische Systeme und auf bestimmte Interpretationen in diesen Systemen. Wegen (B) betrifft diese Relativierung auch den Begriff des logischen Folgens: wir dürfen nicht einfach sagen, daß die Konklusion dieses oder jenes natürlichen (z.B. umgangssprachlichen) Arguments aus der Menge seiner Prämissen logisch folgt, wenn wir uns zur exakten Feststellung dieser logischen Beziehung u.a. auf Methoden der reinen Syntax bzw. der reinen Semantik stützen wollen. Wir haben daher genau genommen drei Arten von Begriffen des logischen Folgens zu unterscheiden: (i) den intuitiven, vagen Begriff des logischen Folgens, von dem wir in unseren Überlegungen ausgegangen sind und der gemeint ist, wenn wir von einer Aussage A einer natürlichen Sprache und von einer Menge M von Aussagen dieser natürlichen Sprache sagen, daß A aus M logisch folgt; da dieser Begriff eine Beziehung nennt, die jeweils zwischen zwei Gliedern, nämlich einer Aussage und einer Aussagen6'
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menge besteht, können wir diesen Begriff auch als 2-stelligen Begriff des logischen Folgens bezeichnen; (ii)
die verschiedenen exakten, rein semantischen Begriffe des logischen Folgens, von denen im Anschluß an den intuitiven Begriff des logischen Folgens die Rede war (vgl. z.B. die beiden vorigen Anmerkungen (1) und (2»; ein solcher Begriff ist gemeint, wenn wir von einer Aussage A in einem semantischen System S und von einer Menge M von Aussagen in S sagen, daß in S die Aussage A logisch aus M folgt; da jeder dieser Begriffe eine Beziehung nennt, die jeweils zwischen drei Gliedern, nämlich einer Aussage, einer Aussagenmenge und einem semantischen System besteht, so können wir diese Begriffe auch als 3-stellige Begriffe des logischen Folgens bezeichnen; und schließlich
(iii)
verschiedene Begriffe des logischen Folgens, die Brückenbegriffe des logischen Folgens heißen mögen, weil durch sie gleichsam eine Brücke von natürlichen Sprachen zu semantischen Systemen geschlagen wird; ein solcher Begriff ist gemeint, wenn wir von einer Aussage A einer natürlichen Sprache und von einer Menge M von Aussagen dieser natürlichen Sprache, sowie von einem semantischen System S und von einer Interpretation I in S sagen, daß A relativ zu S und zu I logisch aus M folgt; da jeder dieser Begriffe eine Beziehung nennt, die jeweils zwischen vier Gliedern, nämlich einer Aussage, einer Aussagenmenge, einem semantischen System und einer Interpretation in diesem semantischen System besteht, so können wir diese Begriffe auch als 4-stellige Begriffe des logischen Folgens bezeichnen. Zur Definition eines derartigen Begriffs benötigen wir sowohl den Begriff der übersetzung einer Aussage( nm enge ) einer natürlichen Sprache in eine Aussage(nmenge) eines semantischen Systems (wobei dieser Begriff, wie wir wissen, auf das betreffende semantische System und auf eine Interpretation in diesem System relativiert ist) als auch einen rein semantischen (3-stelligen) Begriff des logischen Folgens. Wir definieren ftir alle Aussagen A einer natürlichen Sprache, fur alle Mengen M von Aussagen dieser natürlichen Sprache, ftir jedes semantische System Sund ftir jede Interpretation I in S:. (R)
Wenn es mindestens eine Menge von Aussagen· in S gibt, oie relativ zu S und zu I eine gute übersetzung von MU~Af ist, dann gilt: A folgt relativ zu S und zu I logisch aus M genau dann, wenn es mindestens eine Aussage A I in S und mindestens eine Menge MI von Aussagen in S gibt, so daß gilt: (a) A I ist relativ zu S und zu I eine gute übersetzung von A, (b) MI ist relativ zu S und zu I eine gute übersetzung vonM, und (c) A I folgt in S logisch aus M.
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Im Anschluß daran definieren wir für jedes natürliche Argument G sowie für jedes semantische System S und für jede Interpretation / inS: (S)
Wenn es mindestens eine Menge von Aussagen in S gibt, die relativ zu S und zu / eine gute Übersetzung der Menge aller Sätze von G ist, dann gilt: (1) G ist relativ zu S und zu / gültig genau dann, wenn die Konklusion von G relativ zu S und zu / aus der Menge der Prämissen von G logisch folgt. (2) G ist relativ zu S und zu / ungültig genau dann, wenn es nicht der Fall ist, daß die Konklusion von G relativ zu S und zu / aus der Menge der Prämissen von G logisch folgt.
Es kann nun der Fall eintreten, daß ein und dasselbe natürliche Argument G relativ' zu S und zu / gültig, relativ zu SI und zu /1 ungültig und relativ zu S2 und zu /2 weder gültig noch ungültig ist (letzteres dann, wenn nicht zu jedem Satz von G eine Aussage in S2 existiert, die relativ zu S2 und zu /2 eine gute Übersetzung des betreffenden Satzes ist). Die Notwendigkeit solcher Relativierungen ist der Preis, den der Logiker für die Exaktheit seiner Begriffe und Methoden zahlen muß; und in derselben Situation befindet sich jeder Wissenschaftler nach erfolgter Präzisierung eines vagen Begriff. Wird z.B. der Begriff der rationalen Entscheidung präzisiert (da man nicht länger in Kauf nehmen will, daß in zahlreichen Fällen nicht eindeutig feststellbar ist, ob eine Entscheidung rational ist oder nicht), so muß wegen der Vielzahl der vorhandenen Präzisierungsmöglichkeiten jede Aussage über die Rationalität von Entscheidungen auf eine ganz bestimmte Explikation dieses Begriffs relativiert werden (so daß ein und dieselbe Entscheidung U.U. als rational in dem einen und als nicht-rational in einem anderen Sinne des Wortes zu bezeichnen ist). Die ausdrückliche Relativierung auf eine ganz bestimmte Explikation eines vagen Begriffs darf nur dort entfallen, wo entweder aus dem gegebenen Zusammenhang klar hervorgeht, welche der möglichen Explikationen gemeint ist, oder wo etwas konstatiert wird, das zutrifft, gleichgültig, welche Präzisierungsmöglichkeiten man auch immer zugrundelegt. Während der Aufbau eines semantischen Systems durch semantische und syntaktische Regeln erfolgt, vollzieht sich die Konstruktion eines syntaktischen Systems oder - wie man statt dessen gewöhnlich sagt - eines (formalen) Kalküls ausschließlich unter Verwendung (rein) syntaktischer Regeln. Die zur Erzeugung eines Kalküls K benötigten syntaktischen Regeln sind von zweierlei Art: (1) Zunächst beschreibt man eine formale Sprache, die wir als Sprache in K (oder als Sprache von K) bezeichnen wollen. Ausdrücke (wie z.B. Wörter
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oder Aussagen) dieser Sprache mögen auch Ausdrücke in K, bzw. Wärter in K oder Aussagen in K, etc. heißen. (2) So dann definiert man für jede Aussage A in K und für jede endliche Menge M von Aussagen in K den Begriff einer K-Ableitung von A aus M; diese Definition, die man auf ganz verschiedene Art und Weise vornehmen kann, muß in jedem Falle so erfolgen, daß fur alle Aussagen A in K und für alle endlichen Mengen Mund M I von Aussagen in K gilt: (a) Die Menge der K-Ableitungen von A aus M ist syntaktisch entscheidbar; (b) Wenn A € M, dann gibt es mindestens eine Menge M 2 von Aussagen in K, so daß gilt: M2 C;M und es existiert mindestens eine K-Ableitung vonA ausM2 . (c) Wenn es mindestens eine K-Ableitung von A ausM gibt und wenn für jedes Element A I von M mindestens eine K -Ableitung von Al aus MI existiert, dann gibt es auch mindestens eine K -Ableitung von A aus MI' Ein Kalkül ist aber nicht ein System von Regeln, wie Carnap dies gelegentlich (und etwas irreftihrend) behauptet 58 , sondern eine abstrakte Struktur, die durch ein Regelsystem der eben geschilderten Art beschrieben (konstruiert) wird. Genauer kann ein Kalkül K als ein geordnetes Paar (L K , D K) aufgefaßt werden, von dem gilt: (1) LK ist eine formale Sprache: die Sprache in K; (2) DK ist eine Funktion, durch die jedem geordneten Paar (A,M)mitA als einer Aussage in Kund M als einer endlichen Menge von Aussagen in K die (evtl. auch leere) Menge aller K -Ableitungen von A aus M zugeordnet wird; diese Funktion - das zweite Glied von K - nennen wir die Deduktik von K. Versteht man das Wort ,Kalkül' in diesem Sinne, so können zwei Kalküle K und K I verschieden sein, obwohl (i) die Sprache in K identisch mit der Sprache in K I ist und (ii) fur alle Aussagen A in K (bzw. in K 1) und fur alle endlichen Mengen M von Aussagen in K (bzw. in K 1) gilt: es gibt eine K-Ableitung von A aus M genau dann, wenn es auch eine K I -Ableitung von A aus M gibt. Es ist nämlich durchaus möglich, daß die beiden Bedingungen (i) und (ii) erfüllt sind und dennoch mindestens eine Aussage A in K (bzw. in K 1) und mindestens eine endliche Menge M von Aussagen in K (bzw. in K 1) existiert, so daß die Menge der K-Ableitungen von A aus M verschieden ist von der Menge der K 1Ableitungen von A aus M; obschon sowohl K-Ableitungen von A aus Mals auch K I-Ableitungen von A aus M existieren, muß nicht jede K-Ableitung von A aus M mit einer K I -Ableitung von A aus M identisch sein. Häufig wird das Wort ,Kalkül' in einem abstrakteren Sinne verwendet, so daß zwei Kalküle Kund K I nicht verschieden sein können, sobald die Bedingungen (i) und (ii) erftillt sind 59. Wir wollen jedoch weiterhin an der von uns oben zugrundegelegten Terminologie festhalten. 58 59
Vgl. Carnap (11), S. 155. Das Wort ,Kalkül' hat in der Logik oft auch noch andere Bedeutungen.
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Gewöhnlich erfolgt in der Logik die Konstruktion eines Kalküls im Hinblick auf ein bestimmtes semantisches System bzw. im Hinblick auf eine bestimmte Klasse von semantischen Systemen. Um die beabsichtigten Verbindungen von Kalkülen und semantischen Systemen möglichst kurz charakterisieren zu können, definieren wir für alle Aussagen A eines Kalküls K und für alle (endlichen oder unendlichen) Mengen M von Aussagen in K: (T)
A ist in K aus M ableitbar genau dann, wenn es mindestens eine endliche MengeM I von Aussagen inK gibt, so daß gilt: (a)M 1 ~Mund (b) esgibt mindestens eine K -Ableitung von A aus MI'
Wenn der Logiker einen Kalkül K konstruiert, so hat er dabei normalerweise ein bestimmtes ihn interessierendes semantisches System S (bzw. eine ganz bestimmte Klasse von semantischen Systemen S) vor Augen, wobei die Sprache in S mit der Sprache in K identisch ist, und er wählt die einzelnen, den Kalkül K aufbauenden Konstruktionsschritte so, daß sich nach Möglichkeit zwischen K und S die beiden folgenden Beziehungen ergeben: (1) Für alle Aussagen A in K und für alle Mengen M von Aussagen in K gilt: wenn A in K aus M ableitbar ist, dann folgt A in S logisch aus M. (2) Für alle Aussagen A in K und für alle Mengen M von Aussagen in K gilt: wenn A in Saus M logisch folgt, dann ist A in K aus M ableitbar. Wir können nun sagen: (U) K ist relativ zu S korrekt (oder kürzer: K ist S-korrekt) genau dann, wenn zwischen Kund S die eben beschriebene Beziehung (1) besteht. (V)
K ist relativ zu S vollständig (oder kürzer: K ist S-vollständig) genau dann, wenn zwischen Kund S die eben beschriebene Beziehung (2) besteht.
(W) K ist relativ zu S gesättigt (oder kürzer: K ist S-gesättigt) genau dann, wenn K sowohl S-korrekt als auch S-vollständig ist, d.h. also: genau dann, wenn für alle Aussagen A in K und für alle Mengen M von Aussagen K gilt: A ist dann und nur dann inK ausM ableitbar, wennA in S ausM logisch folgt. Eine höchst bedeutsame Leistung der modernen Logik bestand in der Konstruktion von diversen Kalkülen, die relativ zu gewissen semantischen Systemen (beispielsweise relativ zu klassischen, einsortigen prädikatenlogischen Systemen 1. Stufe mit oder ohne Identität, Funktoren und Kennzeichnungen) nachweislich gesättigt sind. Ist ein Kalkül K relativ zu einem semantischen System S gesättigt, so kann man bildhaft sagen, daß der durch die Regeln für S definierte semantische Begriff des logischen F olgens durch K bzw. durch den in (T) erklärten Begriff der Ableitbarkeit in K syntaktisch quasi "nachgezeichnet" oder "widergespiegelt" wird. Andererseits gelang es den modernen Logikern aber auch, prinzipielle Grenzen der syntaktischen "Nachzeichnung" logischer Folgebeziehungen aufzuzeigen: nicht zu jedem beliebigen semantischen System S
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läßt sich ein S-gesättigter Kalkül konstruieren. Wir werden im Zusammenhang mit der Formalisierung deduktiver Theorien auf diesen bedeutsamen Sachverhalt nochmals zu sprechen kommen. Um meine Ausführungen über Kalküle ein wenig konkretisieren zu können, werde ich die folgenden kurzen Erläuterungen auf Kalküle eines ganz speziellen Typs, nämlich auf axiomatische Kalküle beschränken. Sei also KA ein Kalkül dieser Art (den Buchstaben ,K' ohne den Index ,A' verwenden wir weiterhin für Kalküle beliebiger Art). Da von formalen Sprachen schon verhältnismäßig ausführlich die Rede war, wird es genügen, wenn ich hier mit einigen Worten auf die Deduktik von KA zu sprechen komme. Im Anschluß an die Darstellung der Sprache in KA vollzieht sich die Beschreibung der Deduktik von KA in drei Schritten, die wie folgt charakterisiert werden können: (1) Zunächst werden gewisse Aussagen in KA als logische Axiome in KA gekennzeichnet. Welche Aussagen in KA zu logischen Axiomen in KA ernannt werden, bleibt - prinzipiell betrachtet - dem einzelnen Logiker überlassen; grundsätzlich kann jede beliebige Aussage in KA zu einem logischen Axiom in KA gemacht werden. Hat der Logiker jedoch ein bestimmtes semantisches System S vor Augen, dessen Sprache mit der Sprache in KA identisch ist, und verfolgt er das Ziel, KA als einen S-korrekten (und evtl. sogar S-gesättigten) Kalkül zu konstruieren, dann wird er als logische Axiome in KA nur solche Aussagen in KA wählen, die logisch wahr in S sind. Daß bei solcher Zielsetzung nur logisch wahre Aussagen in S als logische Axiome in KA in Frage kommen, ergibt sich im Hinblick auf die beiden nächsten Konstruktionsschritte (2) und (3) und muß hier nicht näher erläutert werden. Welche Aussagen in KA aber auch immer den Status von logischen Axiomen in KA erhalten - die Kennzeichnung der logischen Axiome in KA hat auf alle Fälle so zu erfolgen, daß die Menge der logischen Axiome in KA aufgrund dieser Kennzeichnung syntaktisch entscheidbar ist. Diese Kennzeichnung geschieht entweder durch Aufzählung von endlich vielen Aussagen in KA, die sozusagen durch diese Aufzählung zu logischen Axiomen in KA gemacht werden, oder durch die syntaktische Beschreibung endlich vieler Aussageschemata, wobei (a) unter jedes Schema unendlich viele Aussagen in KA mit bestimmten, wahrnehmungsmäßig leicht identifIzierbaren Gemeinsamkeiten bezüglich ihrer graphischen Gestalt fallen, und (b) jede Aussage in KA, die unter eines der angegebenen Aussageschemata fällt, kraft Festsetzung als logisches Axiom in KA gelten darf. Eine derartige Festsetzung könnte z.B. besagen, daß fur jede beliebige Aussage A in KA die Aussage NKANA ein logisches Axiom in KA sein möge (vorausgesetzt natürlich, daß N und K Wörter in K sind, mit deren Hilfe auf die schon früher geschilderte Weise ausirgendwelchen Aussagen in K komplexere Aussagen in K gebildet werden können). Schon aufgrund dieser einen Festsetzung gäbe es dann unendlich viele logische Axiome in KA mit bestimmten, unmittelbar ins Auge springenden Gemeinsamkeiten
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(z.B. jedes dieser Axiome beginnt mit dem I-stelligen lunktor N) und es wäre durch bloßen Vergleich von Schriftgestalten mühelos und eindeutig entscheidbar, ob ein gegebener Ausdruck in KA ein logisches Axiom der genannten Art ist oder nicht. (2) Im Anschluß an die Kennzeichnung der logischen Axiome in KA werden endlich viele Schlußregeln formuliert (meist sind es nur sehr wenige, im Extremfall sogar nur eine einzige). Zu jeder Schlußregel R gibt es genau eine positive ganze Zahl n (meist n L. 2), so daß gilt: durch R wird es ausdrücklich gestattet, von n Aussagen in KA auf eine neue Aussage in KA überzugehen, zu "schließen", wobei die graphischen Gestalten dieser n + 1 Aussagen in einer ganz bestimmten, explizit und exakt beschriebenen syntaktischen Beziehung zueinander stehen müssen: die Formulierung von R hat so zu erfolgen, daß flir jede gegebene Menge M von n Aussagen in KA und für jede uns vorliegende Aussage A in KA durch bloßen visuellen Vergleich der einzelnen Aussagegestalten eindeutig entscheidbar ist, ob R den Schluß von M bzw. von den n Elementen vonM auf die AussageA erlaubt oder nicht. Eine solche Regel mag z.B. lauten, daß es flir alle Aussagen A und Al in KA gestattet ist, von den beiden Aussagen N KA N Al und A auf A 1 zu schließen (wiederum vorausgesetzt, daß N und K Wörter in KA sind, mit deren Hilfe auf die früher geschilderte Weise aus irgendwelchen Aussagen in KA komplexere Aussagen in KA gebildet werden können). Welche Schlußregeln man bei der Konstruktion von KA im einzelnen zulassen will und welche nicht, steht prinzipiell im Belieben des Konstrukteurs, doch wird de facto seine Wahlfreiheit beträchtlich eingeschränkt, sobald durch die Konstruktion von KA ein bestimmter exakter semantischer Begriff des logischen Folgens syntaktisch "nachgezeichnet" werden soll. Wenn die Konstruktion von KA im Hinblick auf ein semantisches System S (mit Sprache in KA = Sprache in S) erfolgt, und zwar in der Absicht, KA als einen S-korrekten Kalkül aufzubauen, so wird der Logiker die einzelnen Schlußregeln so zu wählen haben, daß jede Aussage in KA , die mit Hilfe einer Schlußregel aus endlich vielen Aussagen Al, ... ,An in KA erschlossen werden kann, in Saus {A 1 , .•• ,A n} logisch folgt. (3) Schließlich wird dann für jede Aussage A in KA und für jede (endliche) Menge M von Aussagen in KA definiert: (X)
Eine KA -Ableitung von A aus M ist eine endliche Sequenz zeilenweise untereinander stehender Aussagen in KA , wobei gilt: (a) A ist das letzte (also unterste) Glied der Sequenz; (b) M ist die Menge all der und nur der Glieder der Sequenz, die weder logische Axiome in KA sind noch durch einmalige Anwendung einer beim Aufbau von KA zugelassenen Schluß regel aus ihnen vorangehenden Gliedern der Sequenz erschlossen werden können.
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Aus (X) und aus unseren Ausführungen über die logischen Axiome in KA sowie über die Fonnulierung der Schlußregeln ergibt sich, daß für jede endliche Menge M von Aussagen in KA und ftir jede Aussage A in KA die Menge der KA -Ableitungen von A ausM syntaktisch entscheidbar ist. Diese syntaktische Entscheidbarkeit muß - wie aus unseren allgemeinen Bemerkungen über Kalküle hervorgeht - ganz generell ftir beliebige Kalküle gegeben sein und ist kein Spezifikum der hier als Beispiel angeführten axiomatischen Kalküle. Außerdem erftillt (X), wie leicht einzusehen ist, auch die bei den anderen Bedingungen (b) und (c), die im Rahmen dieser allgemeinen Bemerkungen an eine Definition des Begriffs der K-Ableitung von A aus M gestellt wurden. Im Anschluß an die erläuternden Äußerungen über axiomatische Kalküle wollen wir uns nun wiederum Kalkülen im allgemeinen zuwenden. Führt der Vergleich von graphischen Gestalten zu dem von jedermann leicht kontrollierbaren Resultat, daß ein vorliegendes Schriftgebilde eine K-Ableitung einer bestimmten Aussage A in K aus einer bestimmten endlichen Menge M von Aussagen in K ist, so stellt dies zugleich - wegen (T) - einen strengen, intersubjektiv überprüfbaren Beweis daftir dar, daß A in K aus M (und aus jeder Obermenge von M) ableitbar ist. Dieses die Ableitbarkeit betreffende Resultat ist ftir den Logiker speziell dann von Wichtigkeit, wenn K relativ zu einem bestimmten semantischen System S korrekt ist; in solchem Falle stellt der strenge Beweis, daß A in K aus M (und aus jeder Obennenge von M) ableitbar ist, zugleich einen exakten, intersubjektiv nachprüfbaren Beweis dafür dar, daß A in Saus M (und aus jeder Obermenge von M) logisch folgt. Während also der Aufbau irgendeines semantischen Systems S der Präzisierung des Begriffs des logischen F olgens dient, werden Kalküle von den Logikern gewöhnlich zu dem Zwecke geschaffen, um eindeutig demonstrieren zu können, daß in S eine bestimmte Aussage in S aus einer bestimmten Menge von Aussagen in S logisch folgt. Die modeme Logik hat allerdings auch Verfahrensweisen zum exakten Beweis des logischen Folgens ausgearbeitet, die nicht auf der Konstruktion von Kalkülen beruhen (z.B. die schon beiläufig erwähnte Methode der Wahrheitstafeln), doch kann im Rahmen dieser Arbeit auf solche nicht-kalkülmäßigen Prozeduren nicht näher eingegangen werden. Wie bereits zu Beginn dieses Unterabschnitts (1.3.2.4) angedeutet wurde, wollen wir semantische und syntaktische Systeme (also semantische Systeme und Kalküle) unter dem Oberbegriff ,logische Systeme' zusammenfassen. 1.3.2.5 Formalisferungen wissenschaftlicher Theorien Logische Systeme spielen eine grundlegende Rolle in Formalisierungen von (wissenschaftlichen) Theorien. Um die charakteristischen Merkmale und die besonderen Vorzüge dessen, was mit ,Fonnalisierung einer Theorie' gemeint ist, möglichst anschaulich machen zu können, werde ich mich hier nicht mit einer
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Definition dieses Ausdrucks und einiger damit zusammenhängender Termini technici begnügen, sondern ich werde versuchen, Formalisierungen von Theorien in einen Entwicklungsprozeß einzuordnen, der im Laufe des wissenschaftFortschritts zu immer strengeren Anforderungen bezüglich der Exaktheit wissenschaftlicher Theorien führt 60 • Der wissenschaftliche Fortschritt ist ein vielschichtiges und schillerndes Phänomen 61 und besteht ganz bestimmt nicht nur in der Erarbeitung und Erfüllung immer höherer Standards der Präzision und Akkuratesse; doch läßt sich andererseits kaum leugnen, daß das Streben nach schärferen Begriffen, präziseren Aussagen sowie nach exakteren Argumenten, Beweisen und Definitionen einen sehr wesentlichen Aspekt des wissenschaftlichen Fortschritts darstellt (und zwar keineswegs nur in der Mathematik und in der Logik selbst, sondern auch in dem großen Bereich der Erfahrungswissenschaften). Unter diesem Aspekt bilden Formalisierungen von Theorien das Höchste, was wir (wenigstens gegenwärtig) erreichen können; sie sind - schematisch betrachtet - das (derzeit) letzte und reifste Stadium einer vierphasigen Entwicklung, die von relativ ungenauen zu immer genaueren Formen der Theoriebildung fortschreitet. Da die Erläuterungen zu diesen vier Entwicklungsphasen keinesfalls jenen Grad der Ausflihrlichkeit und Exaktheit überschreiten sollten, der fur eine klare Charakterisierung der Logik und des wissenschaftlichen Nutzens ihrer Anwendungen unbedingt nötig erscheint, wird im folgenden manches nur angedeutet werden können oder überhaupt unberücksichtigt bleiben müssen, was in einer umfangreicheren Darstellung der vier Phasen detailliert zu behandeln wäre. In der ersten und am wenigsten exakten Phase der Theoriebildung gibt es zu jeder Theorie T eine natürliche (in der Regel um diverse Termini technici und künstliche Symbole angereicherte) Sprache N und einen nicht immer sehr klar abgrenzbaren GegenstandsbereichB, so daß gilt: (1) T ist eine nicht-leere Menge von Aussagen von N; die Elemente von Tbezeichnen wir als Sätze von T. Konstanten von N, die in irgendwelchen Sätzen von T vorkommen, mögen Konstanten von T heißen. Unter dem Vokabular von T verstehen wir die Menge aller Konstanten von T. Wir unterscheiden zwischen dem deskriptiven Vokabular von T und dem formativen Vokabular von T; das erstere ist die Menge aller deskriptiven Konstanten von T, d.h. aller Konstanten von T, die deskriptive Termini (Konstanten) von N sind; das letztere ist die Menge aller formativen Konstanten von T, d.h. aller Konstanten von T, die formative Konstanten von N sind. üblicherweise gilt als formatives Vokabular von T einfach die Menge aller formativen Konstanten vonN, sofern diese überhaupt in Aussagen vonN (d.h. in wahren oder falschen Sätzen von N) vorkommen können. Außerdem ist es natürlich, von jeder Theorie' in den ersten beiden Phasen zu verlangen, 60 61
Vgl. Ajdukiewicz, S. 194 ff. Vgl. z.B. Stegmüller (I), Band H, S. 311 ff., und Popper (I), S. 215 f.
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daß ihr desl,criptives Vokabular nicht leer sei; für Theorien in der dritten und vierten Entwicklungsphase werden wir diese Voraussetzung modifizieren bzw. fallen lassen. Eine Aussage A von N heiße im Vokabular von T formulierbar (oder kurz: in T formulierbar) genau dann, wenn die Menge der inA vorkommenden Konstanten vonN eine Teilmenge des Vokabulars von T ist. (2) Jede in T formulierbare Aussage von N, die aus T logisch folgt - im üblichen, intuitiven, auf N bezogenen und präzisierungsbedürftigen Sinne von ,folgt logisch aus' - ist ein Satz von T; T ist also, wie man statt dessen auch zu sagen pflegt, in bezug auf logisches Folgen abgeschlossen. (3) Um zu beweisen, daß eine in T formulierbare Aussage A von N aus einer Menge M von Sätzen von T logisch folgt - im hier gemeinten intuitiven Sinne von ,folgt logisch aus' - und daher ein Satz von T ist, schließt man von den Elementen einer (echten oder unechten) Teilmenge von M entweder unmittelbar oder auf dem Wege über mehrere Zwischenglieder auf A ; im letzteren Falle schließt man auf eine oder mehrere Aussagen von N und von dort weiter auf andere Aussagen von N, bis man schließlich zu A gelangt; dabei hat jeder einzelne Schlußschritt so elementar zu sein, daß man leicht einsehen kann, daß die in ihm erschlossene Aussage aus Aussagen, die ihr in dieser Schlußkette vorangehen, logisch folgt (im intuitiven und vagen Sinne dieses Terminus). (4) Wollte man bezüglich jedes einzelnen Satzes von T seine Zugehörigkeit zu T dadurch beweisen, daß man ihn aus Aussagen erschließt, die bereits als Sätze von T ausgewiesen sind, so müßte ein solches Verfahren entweder zu einem "circulus in probando" oder zu einem "regressus in infinitum" fiihren; da bekanntlich das erstere ein Fehler und das letztere unmöglich realisierbar ist, so muß es unter den Sätzen von T mindestens einen geben, dessen Zugehörigkeit zu T feststeht, ohne daß er zu diesem Zwecke aus anderen Sätzen von T erschlossen worden ist; wir bezeichnen derartige Sätze von T als Grundsätze von T. (5) Der Theorie T können - und zwar als Grundsätze von T - auch Definitionen angehören, also Sätze von N, die in T formulierbar sind und in denen die Bedeutung einer Konstanten von T angegeben wird. Voraussetzung dafur ist allerdings, daß man die Definitionen nicht ausdrückt als Vorschläge oder gar Aufforderungen, eine bestimmte Kontante k in einer bestimmten Bedeutung zu verwenden, sondern daß man sie - was gleichfalls möglich ist - als Aussagen über das durch k Bezeichnete (oder über das mit k Gemeinte) formuliert und diese Aussagen als wahr kraft terminologischen Beschlusses ansieht. Will man z.B. in einer betriebswirtschaftlichen Finanzierungstheorie den Begriff der Liquidität (bzw. das Adjektiv ,liquide') definieren, dann wird man, wenn die Definition ein Satz der Theorie sein soll, nicht so definieren dürfen:
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Unter dem Wort ,Liquidität' wollen wir die Fähigkeit eines Betriebes verstehen, seine fälligen Verbindlichkeiten unter Voraussetzung eines reibungslosen Ablaufs des Betriebsprozesses termingerecht erfüllen zu können.
denn die Sätze einer betriebswirtschaftlichen Theorie sind nicht präskriptiv (sonst wären sie ja weder wahr noch falsch und daher überhaupt keine Aussagen) und sprechen auch nicht über Wörter und deren Bedeutungen, sondern über Betriebe und über wirtschaftliche Entscheidungen in Betrieben. Anders ausgedrückt: da das deskriptive Vokabular einer betriebswirtschaftlichen Theorie, etwa einer Finanzierungstheorie, z.B. Termini wie ,Liquidität' (bzw. ,liquide'), ,fällige Verbindlichkeiten', ,reibungsloser Ablauf des Betriebsprozesses' , und dgl., aber nicht das Wort ,Wort' und auch nicht Namen irgendwelcher bestimmter Wörter (also auch nicht Wörter in Anflihrungszeichen) enthält, läßt sich in einer solchen Theorie (XXIV) überhaupt nicht formulieren. Man wird daher statt (XXIV) als Definition des Liquiditätsbegriffs z.B. folgende Aussage über Betriebe und Betriebsattribute heranziehen: (XXV)
Ein Betrieb ist liquide dann und nur dann, wenn er in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten unter Voraussetzung eines reibungslosen Ablaufs des Betriebsprozesses termingerecht zu erfüllen.
Diese Aussage gilt dann als wahr kraft terminologischen Beschlusses. (6) Bekanntlich können nicht alle Konstanten von T innerhalb von T (d.h. durch Sätze von T) definiert werden, ohne daß es dadurch entweder zu einem "circulus in de·finiendo" oder zu einem "regressus in infinitum" käme. Da das erstere ein FelHer und das letztere unmöglich realisierbar ist, muß das Vokabular von T mindestens ein Element enthalten, das innerhalb von T nicht definiert ist. Da - wie in 1.3.1 bezüglich der Kriterien von Carnap und Ajdukiewicz erläutert wurde - jede Konstante, die ohne Hilfe deskriptiver Konstanten definierbar ist, als formativ anzusehen ist, so muß es auch mindestens eine deskriptive Konstante von T geben, die innerhalb von T nicht definiert ist. Wir nennen jede innerhalb von T nicht definierte Konstante von T eine primitive Konstante von T und die Menge aller primitiven Konstanten von T das primitive Vokabular von T. Konstanten von T, die nicht dem primitiven Vokabular von T angehören, mögen definierte Konstanten von T heißen. (7) Definitionen spielen in fast allen Theorien eine unter praktischen Gesichtspunkten sehr wichtige oder gar unentbehrliche Rolle, da sich ohne Definitionen die meisten Formulierungen so kompliziert gestalten würden, daß man sie entweder nur sehr schwer oder überhaupt nicht mehr verstehen könnte. Dennoch ist jede Defirrition in T - prinzipiell betrachtet - überflüssig, da jede formal korrekte Definition in T u.a. dem bekannten Krite-
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rium der Eliminierbarkeit genügen muß. Dieses Kriterium verlangt, grob gesprochen, daß alle Sätze von T, in denen definierte Konstante von.T vorkommen, aufgrund der zu T gehörigen Definitionen logisch in Sätze von T umformbar sein müssen, in denen außer primitiven Konstanten von Tkeine anderen Konstanten von T auftreten 62 . Alles, was in einer Theorie mit Hilfe von definierten Konstanten der Theorie gesagt werden kann, läßt sich also prinzipiell in der Theorie auch ohne definierte Konstanten zum Ausdruck bringen. Um die folgenden Erörterungen möglichst einfach und kurz zu halten, werden wir daher ab sofort ausschließlich über solche Theorien sprechen, die keine Definitionen enthalten, also nur über solche Theorien, deren Vokabular identisch ist mit deren primitivem Vokabular. (Wir benötigen daher auch nicht mehr die Termini ,primitives Vokabular' und ,primitive Konstante'.) Diese Einschränkung wird es uns ermöglichen, auch im Zusammenhang mit Theorien späterer Entwicklungsphasen und insbesondere dort, wo über Formalisierungen von Theorien gesprochen wird, die Logik der Definitionen gänzlich unberücksichtigt zu lassen (obwohl, wie bereits hervorgehoben wurde, die moderne Logik auch auf diesem Gebiet bedeutsame Fortschritte erzielen konnte: der polnische Logiker S. Lesniewski war der erste, dem vor ca. 50 Jahren eine exakte und vollständige Formulierung syntaktischer Regeln für die Korrektheit von Definitionen in formalisierten Theorien gelang). (8) Häufig ist es der Fall, daß T mindestens eine andere Theorie als bekannt und zutreffend voraussetzt (so werden z.B. in vielen natur- oder sozialwissenschaftlichen Theorien mathematische Theorien vorausgesetzt); in einem solchen Falle dienen alle Konstanten der von T vorausgesetzten Theorie(n) als Konstanten von T und alle Sätze der von T vorausgesetzten Theorie(n) als Grundsätze von T. Wir wollen Konstanten von T, die nicht dem Vokabular einer von T vorausgesetzten Theorie angehören, spezifische Konstanten von T und die Menge aller spezifischen Konstanten von T das spezifische Vokabular von T nennen. Alle nicht dem spezifischen Vokabular von T angehörenden Konstanten von T mögen nicht-spezifische Konstanten von T heißen; unter dem nichtspezifischen Vokabular von T verstehen wir die Menge aller nicht-spezifischen Konstanten von T. (9) Alle Konstanten von T, die sowohl dem deskriptiven als auch dem spezifischen Vokabular von T angehören, beziehen sich inhaltlich auf B, d.h. sie sind Namen irgendwelcher Elemente von B oder benennen eine bestimmte Eigenschaft von B-Elementen (bzw. eine bestimmte Teilmenge von B) oder bezeichnen eine bestimmte Relation zwischen Elementen von B. Deswegen darf man auch T als eine Theorie über (oder von) B auffassen. Diese inhaltliche Bezogenheit der Theorie auf einen meist nur ungefahr abgrenzbaren Gegenstandsbereich kommt auch sehr häufig im Namen der Theorie zum 62
Eine genauere Formulierung findet sich bei Suppes (I), S. 154.
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Ausdruck; so spricht man z.B. in verschiedenen wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen von "Industriebetriebslehre", von "betriebswirtschaftlicher Organisationstheorie" , von "Einkommens- und Verteilungstheorie" , etc. (10) Es ist außerordentlich praktisch, wenn man beim Aufbau von Theorien, insbesondere bei der Axiomatisierung und Formalisierung von Theorien auf andere Theorien oder Formalisierungen zurückgreifen und sie als gegeben voraussetzen kann. Die daraus resultierende Arbeitsersparnis und größere Übersichtlichkeit fällt um so mehr ins Gewicht, je exakter und fortgeschrittener die Entwicklungsphase ist, der die aufzubauenden oder vorauszusetzenden Theorien jeweils angehören. Man denke etwa an die Vorteile, die der Mathematiker daraus zieht, daß er sich z.B. beim Aufbau der Wahrscheinlichkeitstheorie auf die Mengenlehre und auf die Theorie der reellen Zahlen und Funktionen stützen kann. Dennoch ist es im Prinzip auch möglich, jede Theorie "ab ovo", also ohne Voraussetzung anderer Theorien aufzubauen. Um in den folgenden Erläuterungen und Definitionen nicht vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen, soll ab sofort nur von "ab ovo"-konstruierten Theorien die Rede sein; auch im Zusammenhang mit der Axiomatisierung und Formalisierung von Theorien werden wir stets nur einen "ab ovo"-Aufbau vor Augen haben; die Ausdrücke ,Vokabular von T' und ,spezifisches Vokabular von T' sind daher ab nun Synonyma. (11) T ist eine offene Theorie, dh., daß (a) beliebige deskriptive Konstanten von N, die sich inhaltlich auf B beziehen, als Konstanten von T gelten dürfen, falls sie den Anhängern der Theorie hinlänglich klar und flir die Formulierung bestimmter Gedanken wichtig zu sein scheinen; und daß (b) beliebige, in T formulierbare Aussagen von N als Grundsätze von T angesehen werden dürfen, falls sie von den Anhängern der Theorie für wahr und einleuchtend gehalten werden. Diese erste Phase der Theoriebildung, die man als intuitive Phase bezeichnen könnte, ist auch heute für zahlreiche wissenschaftliche Theorien charakteristisch, insbesondere für viele Theorien im Bereich der Sozial-, Geistes-, Human- und Kulturwissenschaften (u.a. auch für den größten Teil der betriebswirtschaftlichen Theorien). Die intuitive Phase der Theoriebildung ist unter den vier Phasen, von denen hier die Rede sein soll, jene mit dem niedrigsten Grad der Exaktheit; denn erstens ist in dieser Phase das Vokabular einer Theorie nicht scharf und eindeutig abgrenzbar (weil bezüglich einer natürlichen Sprache die Begriffe der deskriptiven und der formativen Konstante nicht präzise sind, weil ferner oft nicht klar ist, ob sich ein bestimmter Terminus inhaltlich auf einen vorgegebenen Gegenstandsbereich bezieht oder nicht und weil schließlich das deskriptive Vokabular der Theorie jederzeit erweiterungsfähig ist); und zweitens ist in dieser Phase oft unklar, ob ein bestimmter sprachlicher Ausdruck
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Satz einer Theorie ist oder nicht (weil schon der Begriff der Aussage einer natürlichen Sprache nicht exakt ist, weil ferner die Grenzen des Vokabulars der Theorie verschwimmen und daher auch der Begriff der in der Theorie forrnulierbaren Aussage unscharf ist, weil außerdem der intuitive, auf natürliche Sprachen bezogene Begriff des logischen Folgens vage ist, und weil schließlich wegen der Offenheit der Theorie jederzeit beliebige im Vokabular der Theorie formulierbare Aussagen als Sätze der Theorie eingeführt werden können, falls sie von den Anhängern der Theorie für wahr und einleuchtend gehalten werden). Die Möglichkeit, immer wieder neue Aussagen quasi nach Belieben als Sätze von T einzuführen, erleichtert natürlich auch in besonderem Maße den Mißbrauch von T zur Bildung von sog. ad-hoc-Erklärungen; dabei handelt es sich darum, daß man zur Erklärung eines bestimmten Phänomens (sei dieses ein Einzelereignis oder eine empirische Regularität) irgendeine Hypothese erfindet und sie in eine schon bestehende Theorie eingliedert, obwohl durch die Hypothese und deren Eingliederung in die Theorie nichts anderes als eben eine Erklärung des betref [enden Phänomens gewonnen werden kann, so daß auch keine Voraussagen möglich sind, deren Nicht-Eintreffen die Hypothese erschüttern würde und an deren Eintreffen sie sich bewähren könnte. Man denke etwa an Molieres oft zitiertes spöttisches Beispiel, in welchem der Arzt die einschläfernde Wirkung des Opiums durch den Hinweis auf eine einschläfernde Kraft des Opiums erklärt, oder an die sich davon grundsätzlich nicht unterscheidenden Erklärungen der sog. "Vermögenspsychologie", oder an die Phlogistonhypothese der frühen Chemie, oder an modeme Versuche, die begrenzte Teilbarkeit menschlicher Gewebezellen durch Annahme einer in den Zellen gespeicherten Programmierung zu erklären, oder an theologische Erklärungen unter Berufung auf Gottes unerforschlichen Ratschluß, oder an manche Wachstumstheorien, die das Wachstum des Sozialprodukts je Periode von drei Faktoren, nämlich von Arbeit, Kapital und technischem Fortschritt abhängig machen und die dabei den technischen Fortschritt als "catch all "-Faktor definieren, auf die der durch Arbeit und Kapital nicht erklärbare Rest des Wirtschaftswachstums beruht, d.h. (nach R.M Solow) als" ... a shorthand expression for any kind of shift in the production function"63. Derartige Erklärungen werden von den Methodologen zu Recht als Pseudoerklärungen oder als bloße Verbalerklärungen kritisiert. Die Offenheit und die daraus resultierende Vagheit der intuitiven Theorien erschwert auch deren überprüfung etwa hinsichtlich ihrer Widerspruchsfreiheit oder hinsichtlich der Wahrheit ihrer Sätze. Da sich solche Theorien ständig verändern und in bestimmten Teilen von Autor zu Autor differieren, so daß zu keinem Zeitpunkt feststeht, was denn nun genau zur jeweiligen Theorie gehört und was nicht, ist es außerordentlich schwierig, u.U. überhaupt unmöglich, die betreffenden Theorien bezüglich ihrer Wahrheit oder Widerspruchsfreiheit einer strengen und kritischen Analyse zu unterziehen. 63 Siehe Solow, S. 312.
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In der zweiten Phase der Theoriebildung verlieren die Theorien ihren offenen Charakter und werden zu abgeschlossenen, sozusagen statischen Ganzheiten 64 • Punkt (11) unserer obigen, auf intuitive Theorien bezogenen Ausftihrungen trifft daher in der zweiten Phase nicht mehr zu; alle anderen Punkte gelten auch für die Theorien der zweiten Phase (doch ist daran zu erinnern, daß wir abmachungsgemäß nur "ab ovo" konstruierte Theorien ohne Definitionen betrachten wollen). Zur Charakterisierung der zweiten Phase der Theoriebildung ersetzen wir (11) durch die folgenden drei Bestimmungen: (11 a) Zunächst stellt man eine vollständige Liste aller deskriptiven Konstanten von T auf; damit ist dann das deskriptive Vokabular von Texakt und definitiv festgelegt. Natürlich erfolgt die Entscheidung darüber, welche deskriptiven Ausdrücke von N deskriptive Konstanten von T sein sollen, nicht völlig willkürlich, sondern einerseits im Hinblick auf den von T zu untersuchenden Gegenstandsbereich und auf das, was man in T über diesen Gegenstandsbereich zum Ausdruck bringen will, und andererseits im Hinblick auf die relative Klarheit und Verständlichkeit sowie auf die theoretische Fruchtbarkeit der ausgewählten Begriffe (unter der theoretischen Fruchtbarkeit eines Begriffs verstehe ich das, was C G. Hempel seine systematische Bedeutung nennt 65 , also - grob gesagt - seine Brauchbarkeit zur Formulierung allgemeiner Hypothesen und Gesetze). Dennoch bleibt ein gewisser Entscheidungsspielraum offen. (1lb) Im Anschluß an die Festsetzung des deskriptiven Vokabulars von T wählt man ganz bestimmte, eindeutig identifizierbare, in T formulierbare Aussagen von N, die Grundsätze von T sein sollen; andere Grundsätze von T als jene, die ausdrücklich zu Grundsätzen von T ernannt wurden, gibt es nicht! Es ist üblich, die Menge dieser ausdrücklich zu Grundsätzen von T ernannten Aussagen von Nein Axiomensystem [Ur T und die Elemente dieser Aussagenmenge als Axiome (oder Postulate) tür T zu bezeichnen. Durch die Wahl eines bestimmten Axiomensystems für T wird sozusagen das Fundament der aufzubauenden Theorie gelegt. Die Wahl ist nicht völlig willkürlich, jedoch innerhalb gewisser (nicht sehr weit gesteckter) Grenzen beliebig: die Grenzen sind in erster Linie gesteckt durch das, was man in T über den Gegenstandsbereich der Theorie· aussagen will, und durch das, was man für einleuchtend oder grundlegend hält. 64 Das Wort ,statisch' hat hier dieselbe Bedeutung wie z.B. dort, wo mit Copi vom statischen Charakter formaler Sprachen die Rede war; ,statische Theorie' in diesem Sinne bedeutet etwas anderes als in der üblichen volkswirtschaftlichen Literatur, die oft zwischen dynamischen und statischen Theorien unterscheidet, je nachdem, ob Zeitvariablen verwendet werden oder nicht. Eine statische Theorie in unserem Sinne kann durchaus eine dynamische Theorie im nationalökonomischen Sinne sein. 65 Hempel, S. 47.
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(11 c) Schließlich definiert man T als die Menge all der und nur der in T formulierbaren Aussagen von N, die aus dem zugrundegelegten Axiomensystem für T logisch folgen (entsprechend dem auf N bezogenen, intuitiven und präzisierungsbedürftigen Begriff des logischen Folgens). Sätze von T, die keine Axiome für T sind, sollen hier Theoreme von T heißen. Theoreme von T, die aus dem gewählten Axiomensystem für T nicht logisch folgen, kann es nicht geben! Theorien in der zweiten Phase - die als konkret-axiomatische Phase bezeichnet werden mag - besitzen gegenüber den Theorien in der intuitiven Phase vor allem die folgenden, sehr eng miteinander zusammenhängenden Vorzüge: (a) Sie sind wesentlich übersichtlicher: einerseits, weil es sich bei ihnen um abgeschlossene Ganzheiten handelt, die nicht durch Hinzufügung neuer, auf den jeweiligen Gegenstandsbereich der Theorie bezogener Aussagen und Begriffe immer wieder ausgedehnt und aufgebläht werden können (wird zu den Sätzen einer konkret-axiomatischen Theorie eine Aussage von N hinzugefügt, die nicht aus dem Axiomensystem für die Theorie logisch folgt, so entsteht dadurch eine neue, umfassendere Theorie); und andererseits, weil das Axiomensystem für die Theorie, also ein relativ kleiner und eindeutig identifizierbarer Teil der Theorie, zusammen mit den evtl. vorausgesetzten Theorien - bildlich gesprochen - das Gewicht der gesamten Theorie trägt; eine Analyse der Theorie kann sich daher in vielen Fällen auf eine Untersuchung des Axiomensystems beschränken und ist nicht gezwungen, auf zahllose einzelne Theoreme der Theorie einzugehen. (b) Die Geschlossenheit solcher Theorien erschwert auch ihre mißbräuchliche Verwendung zu ad-hoc-Erklärungen. (c) Eine Überprüfung des Wahrheitswertes der Sätze der Theorie wird stark vereinfacht: da aus lauter wahren Aussagen keine falsche Aussage logisch folgen kann, so müssen, wenn man sämtliche Grundsätze der Theorie als wahr annimmt, eo ipso alle Theoreme der Theorie als wahr gelten; hat man aber guten Grund zu der Annahme, daß irgendein bestimmtes Theorem der Theorie falsch ist, so darf daraus stets und ohne jede weitere mathematische oder empirische Kontrolle die Konsequenz gezogen werden, daß auch mindestens ein Grundsatz (bzw. mindestens ein Axiom) der Theorie falsch ist. Vielleicht das älteste, sicherlich aber das klassische und wissenschaftshistorisch bedeutsamste Beispiel einer Theorie in der konkret,axiomatischen Phase ist das von dem griechischen Mathematiker Euklid dargestellte geometrische System. Aber auch zahlreiche naturwissenschaftliche Theorien (etwa die Grundlegung der Mechanik durch Newton) sind dieser zweiten Phase der Theoriebildung zuzurechnen. In neuerer Zeit mehren sich die Versuche, auch Theorien aus dem Bereich der Sozial-, Geistes-, Human- und Kulturwissenschaften in derselben Weise aufzubauen. Diese Tendenz ist u.a. auch für die Entwicklung verschiedener wirtschaftswissenschaftlicher Disziplinen vor allem in den letzten 30 Jahren kennzeichnend (man denke etwa an verschiedene axiomatische Theorien
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über Präferenzakte im Rahmen der Spieltheorie, der Entscheidungstheorie und der Nutzentheorie, an diverse Wachstums- und Verteilungstheorien etc.). Allerdings kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß in einer ganzen Reihe von wirtschaftswissenschaftlichen (speziell in betriebswirtschaftlichen) F orschungsbereichen unsere Kenntnisse noch nicht so weit herangereift sind, daß durch einen axiomatischen Aufbau der entsprechenden Theorien etwas Nennenswertes gewonnen werden könnte 66 • Wie Copi mit Recht hervorhebt, ist die axiomatische Methode der Theoriebildung "primär eine Methode zur Einführung von Ordnung in ein schon entwickeltes Gebiet. Euklids eigene Axiomatisierung der Geometrie war nur möglich auf der Basis eines hochentwickelten Fundus geometrischer Kenntnisse und geometrischer Theorie, der über zwei oder drei Jahrhunderte von Geometern zurückreichte bis Pythagoras, vielleicht sogar bis Thales. Wo der Schatz von Kenntnissen, der geordnet werden soll, ungenügend ist, kann die machtvolle aber komplizierte Maschinerie der postulatorisch-deduktiven Methode nicht erfolgreich eingesetzt werden. . .. Nichts ist damit erreicht, wenn man einfach alle bekannten Resultate als Axiome (oder, wie es manchmal falschlicherweise geschieht, als Definitionen) aneinanderreiht, mit nur wenigen oder gar keinen Theoremen, die daraus folgen sollen,,67. Zwei Beispiele ftir solche m.E. verfrühten Axiomatisierungen aus dem Bereich der Betriebswirtschaftslehre sind H Kochs ,,handlungstheoretische Konzeption der mikroökonomischen Analyse"68 und E. Kosiols (bzw. M Schweitzers) Axiomatik der pagatorischen Erfolgsrechnung 69 . Die Tatsache, daß der axiomatische Aufbau einer Theorie im Hinblick auf die uns zu einem gewissen Zeitpunkt in einer bestimmten wissenschaftlichen Disziplin zur Verfügung stehenden Erkenntnisse u.U. verfrüht sein kann, schließt keineswegs aus, daß die Axiomatisierung wissenschaftlicher Theorien ein Ziel darstellen sollte, das wir in unserer wissenschaftlichen Arbeit ständig im Auge behalten. Mit Recht betont der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler T. C Koopmans, daß "the need for c1arity as to the ultimate basis for each economic proposition is the main, and a sufficient, ground in favor of the explicit postulational approach to economic theory"70. Der übergang von der zweiten zur dritten Phase der Theoriebildungvollzieht sich nun dadurch, daß man von dem konkreten Sinn der deskriptiven Konstanten von T abstrahiert und sie als sprachliche Zeichen auffaßt, die mit unterVgl. dazu z.B. Morgenstern, S. 15,35. Copi, S. 162. 68 Koch, Die Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft vom Handeln. Die handlungstheoretische Konzeption der mikroökonomischen Analyse, Tübingen 1975. 69 Kosiol, Zur Axiomatik der Theorie der pagatorischen Erfolgsrechnung, in: Zeitschrift fUr Betriebswirtschaft, März 1970, und Schweitzer, Axiomatik des Rechnungswesens, in: Handwörterbuch des Rechnungswesens, Stuttgart 1970, S. 83 ff. 70 Koopmans, S. 144. Koopmans fUhrt in diesem Zusammenhang auch forschungspragmatische und forschungspsychologische Gründe an, die fUr einen axiomatischen Aufbau ökonomischer Theorien sprechen. 66
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schiedlichen Bedeutungsinhalten versehen werden können. Streng genommen handelt es sich also in der dritten Phase bei den Elementen des deskriptiven Vokabulars von T gar nicht mehr um Konstanten (und ergo auch nicht um deskriptive Konstanten), also nicht um Termini, die etwas Bestimmtes bezeichnen oder benennen, sondern um Variablen, für die deskriptive Termini einer bestimmten Art einsetzbar sind, und bei den Sätzen von T, in denen Elemente des deskriptiven Vokabulars von T vorkommen, nicht mehr um Aussagen,d.h. nicht mehr um wahre oder falsche Behauptungen über Gegenstände eines bestimmten Bereichs, sondern um Aussageformen, d.h. um aussageähnliche sprachliche Gebilde, die Variablen enthalten und die erst dann zu Aussagen werden, wenn man die in ihnen vorkommenden Variablen an allen Stellen durch deskriptive Termini (mit konkreter Bedeutung) ersetzt. Dennoch wollen wir, um unsere überlegungen nicht mit der Einführung von allzu vielen I:achausdrücken belasten zu müssen, auch bezüglich einer Theorie T in der dritten Phase vom Vokabular von T, vom deskriptiven Vokabular von T und von Sätzen von T sprechen und wollen auch weiterhin die Elemente des Vokabulars (bzw. des deskriptiven Vokabulars) von T als Konstanten von T (bzw. als deskriptive Konstanten von bezeichnen, doch muß man sich bei solcher Redeweise unbedingt vor Augen halten, daß mit diesen Ausdrücken nun nicht mehr das Gleiche gemeint ist wie im Zusammenhang mit Theorien in der ersten und zweiten Phase. Zur Veranschaulichung dieser zunächst vielleicht recht sonderbar erscheinenden Verhältnisse bediene ich mich hier eines besonders einfachen, aber eben deswegen leicht verständlichen Beispiels. Wirtschaftswissenschaftler und Philosophen (und in geringerem Ausmaß auch Psychologen und Soziologen) haben sich immer wieder mit dem Problem beschäftigt, welchen Bedingungen menschliche Wahlakte genügen müssen, um als rational gelten zu können. Diese Untersuchungen wurden seit dem Ende des zweiten Weltkriegs vor allem von mathematischen Ökonomen im Rahmen der Spieltheorie und der Entscheidungstheorie intensiviert und haben u.a. zu einer ganzen Serie von sog. ,,Präferenztheorien" geführt. Eine dieser Präferenztheorien 71, die wir zunächst als eine konkret-axiomatische Theorie auffassen, welche sich mit der Bewertung von Alternativen in irgendwelchen Wahl- oder Entscheidungssituationen befaßt (die Variablen ,x', ,y', ,z' usw. stehen für beliebige wählbare Alternativen) kann wie folgt beschrieben werden: (a) Das deskriptive Vokabular der Theorie enthält genau zwei Elemente, nämlich ,wird für besser gehalten als' und ,wird für gleichwertig gehalten mit'. (b) Die Theorie beruht auf dem folgenden Axiomensystem:
n
Axiom I: Axiom 2: 71
Für alle x gilt: x wird für gleichwertig gehalten mit x. Für alle x, für alle y, für alle z und für alle w gilt: wenn x wird für besser gehalten als y und y wird für gleichwertig gehalten mit z
Siehe Luce, S. 178-191.
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Axiom 3:
Axiom 4:
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und z wird für besser gehalten als w, dann x wird für besser gehalten als w. Für alle x, für alle y, für alle z und für alle w gilt: Wenn x wird für besser gehalten als y und y wird für besser gehalten als z und y wird für gleichwertig gehalten mit w, dann trifft es nicht zu, daß sowohl x wird für gleichwertig gehalten mit wals auch z wird für gleichwertig gehalten mit w. Für alle x und für alle y gilt genau einer der drei folgenden Fälle: x wird für besser gehalten als y, y wird für besser gehalten als x, x wird für gleichwertig gehalten mit y.
Aus diesem Axiomensystem folgen logisch nicht nur sehr simple Theoreme, wie etwa
Theorem I: Für alle x gilt: es trifft nicht zu, daß x wird für besser gehalten als x. Theorem 2: Für alle x und für alle y gilt: Wenn x wird für gleichwertig gehalten mit y, dann y wird für gleichwertig gehalten mit x. Theorem 3: Für alle x, für alle y und für alle z gilt: wenn x wird für besser gehalten als y und y wird für besser gehalten als z, dann x wird für besser gehalten als z. sondern auch zahlreiche wesentlich kompliziertere Theoreme; beispielsweise das
Theorem 4: Für alle x und für alle y und für alle z gilt: wenn (x wird für besser gehalten als y oder (x wird für gleichwertig gehalten mit y und es gibt mindestens ein w, so daß sowohl x wird für gleichwertig gehalten mit wund w wird für besser gehalten als y) oder (x wird für gleichwertig gehalten mit y und es gibt mindestens ein w, so daß sowohl x wird für besser gehalten als wund w wird für gleichwertig gehalten mit y)) und (y wird für besser gehalten als z oder (y wird für gleichwertig gehalten mit z und es gibt mindestens ein w, so daß sowohl y wird für gleichwertig gehalten mit wund w wird für besser gehalten als z) oder (y wird für gleichwertig gehalten mit z und es gibt mindestens ein w, so daß sowohl y wird für besser gehalten als wund w wird für gleichwertig gehalten mit z)), dann (x wird für besser gehalten als z oder (x wird für gleichwertig gehalten mit z und es gibt mindestens ein w, so daß sowohl x wird für gleichwertig gehalten mit wund w wird für besser gehalten als z) oder (x wird für gleichwertig gehalten mit z und es gibt mindestens ein w, so daß sowohl x wird für besser gehalten als wund w wird für gleichwertig gehalten mit z)). Die einzelnen, vom Axiomensystem zu den Theoremen führenden Schlußschritte müssen von uns hier nicht ausgefUhrt werden. Es ist aber wichtig, daß
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man sich in keinem Schlußschritt auf andere Kenntnisse über die Wahl von Alternativen stützt als auf jene, die in den vier Axiomen (oder in bereits aus dem Axiomensystem erschlossenen Theoremen) vorliegen; anderenfalls wäre nämlich gar nicht sichergestellt, daß die erschlossenen Sätze auch wirklich Theoreme (und somit Sätze) unserer Theorie sind, d.h. daß sie aus dem Axiomensystem fur die Theorie ohne zusätzliche inhaltliche Voraussetzungen logisch folgen. Nun wissen wir aber über Entscheidungen zwischen Alternativen viel mehr, als in den vier Axiomen tatsächlich zum Ausdruck kommt (oder jedenfalls meint man oft, mehr als das im Axiomensystem Gesagte zu wissen); die Gefahr ist daher sehr groß, daß wir in dem einen oder anderen Schlußschritt ungewollt und unbemerkt von solchen, in den Axiomen gar nicht enthaltenen (echten oder vermeintlichen) Kenntnissen Gebrauch machen. Und in der Tat ist eine große Vertrautheit mit dem durch eine Theorie erforschten Gegenstandsbereich sehr oft die Ursache dafür, daß in manche Schlüsse sozusagen theorie fremde Informationen über den betreffenden Gegenstandsbereich einfließen und daß Aussagen, von deren Wahrheit man (evtl. sogar durchaus zu Recht) überzeugt ist, irrtümlicherweise für Theoreme der Theorie gehalten werden 72. Es trägt daher ohne Zweifel zu größerer Exaktheit bei, wenn man die Vertrautheit mit dem Gegenstandsbereich der Theorie beseitigt, indem man von Bedeutungen der deskriptiven Konstanten der Theorie abstrahiert. Diese Abstraktion können wir am deutlichsten dadurch zum Ausdruck bringen, daß wir in den Axiomen und Theoremen der Theorie die deskriptiven Konstanten der Theorie an allen Stellen durch entsprechende Variablen ersetzen, also durch irgendwelche Symbole, die \(eine konkrete Bedeutung haben und sozusagen nur Platzhalter für sinnvolle Termini sind. Wendet man dieses Verfahren der Abstraktion etwa auf unsere Präferenztheorie an und verwendet man z.B. die sinnlosen Silben ,plink' und ,plonk' als Variablen für beliebige 2-stellige Relationen, so entsteht aus der konkret-axiomatischen Theorie, von der vorhin die Rede war, nun eine inhaltsleere abstrakt-axiomatische Theorie, die auf den vier Axiomen
Axiom 1:
Für alle x gilt: x plink x.
Axiom 2:
Für alle x, für alle y, fur alle z und für alle w gilt: wenn x plonk y und y plink z und z plonk w, dann x plonk w.
Axiom 3:
Für alle x, für alle y, für alle z und für alle w gilt: Wenn x plonk y undy plonk z undy plink w, dann trifft es nicht zu, daß sowohl x plink wals auch z plink w.
Axiom 4:
Für alle x und für aUe y gilt genau einer der drei folgenden FäUe: x plonky,y plonkx,x plinky.
72 Irrtümer dieser Art lagen schon bei Euklid vor und treten wohl in den meisten konkret-axiomatischen Theorien auf (u.a. z.B. wiederholt in der bereits erwähnten Kosiolschen Axiomatik der Theorie der pagatorischen Erfolgsrechnung).
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beruht und unter deren Sätzen sich u.a. die folgenden Theoreme befinden:
Theorem 1: Für alle x gilt: es trifft nicht zu, daß x plonk x. Theorem 2: Für alle x und fur alle y gilt: Wenn x plink y, dann y plink x. Theorem 3: Für alle x, für alle y und flir alle z gilt: wenn x plonk y und y plonk z, dann x plonk z. Theorem 4: Für alle x, für alle y und für alle z gilt: wenn (x plonk y oder (x plink y und es gibt mindestens ein w, so daß sowohl x plink w und w plonk y) oder (x plink y und es gibt mindestens ein w, so daß sowohl x plonk wund w plink y)) und (y plonk z oder (y plink z und es gibt mindestens ein w, so daß sowohl y plink w und w plonk z) oder (y plink z und es gibt mindestens ein w, so daß sowohl y plonk wund w plink z)), dann (x plonk z oder (x plink z und es gibt mindestens ein w, so daß sowohl x plink w und w plonk z) oder (x plink z und es gibt mindestens ein w, so daß sowohl x plonk wund w plink z )). Auch bezüglich dieser Plink-Plonk-Theorie werden wir sagen, daß die Theoreme aus dem Axiomensystem logisch folgen, doch können wir den hier gemeinten Begriff des logischen Folgens nicht mehr durch dieselben Worte wie in (A) - Abschnitt 1.2 - erläutern, da wir es ja nun nicht mehr mit sinnvollen, wahren oder falschen Aussagen, sondern mit Aussageformen zu tun haben. Die Theoreme einer solchen abstrakt-axiomatischen Theorie folgen logisch aus einem Axiomensystem ftir die Theorie in dem Sinne, daß es keine Einsetzung für die in den Sätzen der Theorie vorkommenden, anstelle deskriptiver Konstanten stehenden Variablen geben kann, durch die zwar jedes Axiom in eine wahre, jedoch mindestens ein Theorem in eine falsche Aussage umgewandelt würde; mit anderen Worten, jede Einsetzung, die alle Axiome zu wahren Aussagen macht, muß auch alle Theoreme zu wahren Aussagen machen. Die neue Theorie, die anstelle von deskriptiven Konstanten (mit konkreter Bedeutung) die Variablen ,plink' und ,plonk' enthält, ist natürlich nicht mehr eine Präferenztheorie, die sich mit menschlichen Entscheidungen befaßt; sie ist überhaupt nicht mehr eine Theorie über irgendetwas, denn ihre Axiome und Theoreme haben ja keinen bestimmten Sinn und können durch unterschiedliche geeignete Einsetzungen in wahre Aussagen über völlig heterogene Gegenstandsbereiche umgewandelt werden. So erhält man aus den Sätzen (d.h. Aussageformen) der Plink-Plonk-Theorie nicht nur dann lauter wahre Aussagen, wenn man ftir ,plink' den Ausdruck ,wird für gleichwertig gehalten mit' und ftir ,plonk' den Ausdruck ,wird fur besser gehalten als' einsetzt und als Werte der Variablen ,x', ,y', ,z' und ,w' Alternativen in einer Entscheidungssituation wählt, sondern z.B. auch dann, wenn man entweder ftir ,plink' das Zeichen ,=' und ftir ,plonk'ldas Zeichen, >' einsetzt, beide Symbole in ihrer üblichen mathematischen Bedeutung versteht und als Werte von ,x', ,y" ,z' und ,w' ganze
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Zahlen nimmt, oder aber für ,plink~ den Ausdruck ,beginnt mit demselben Buchstaben wie' und für ,plonk' den Ausdruck ,beginnt mit einem alphabetisch früheren Buchstaben als' einsetzt und als Werte von ,x', ,y', ,z' und ,w' Wörter einer natürlichen Sprache wählt. Um einzusehen, daß durch diese Einsetzungen wirklich alle Sätze der abstrakt-axiomatischen Theorie in wahre Aussagen übergehen, genügt es - im Hinblick auf unsere Bemerkungen im vorigen Absatz über die logische Folgebeziehung bei Aussagefonnen -, wenn man sich klannacht, daß sämtliche Axiome der Theorie bei diesen Einsetzungen zu wahren Aussagen werden. Die Theoriebildung in dieser drittetI, abstrakt-axiomatischen Phase gewährleistet also nicht nur eine größere Strenge bei Schlüssen von den Axiomen auf die Theoreme, sondern schafft zugleich auch die Voraussetzung für eine möglichst vielseitige Anwendbarkeit der Theorien. Dieselbe abstrakt-axiomatische Theorie kann durch entsprechende Einsetzungen in verschiedene konkretaxiomatische -Theorien transformiert werden, wie etwa die Plink-Plonk-Theorie u.a. in eine Präferenztheorie, in eine Theorie der Größenbeziehungen ganzer Zahlen, in eine Theorie der alphabetischen Ordnung von Wörtern einer natürlichen Sprache u.a. mehr. (Ein in wirtschaftswissenschaftlicher Hinsicht wesentlich interessanteres, aber zugleich auch in der hier gebotenen Kürze nicht darstellbares Beispiel für die vielseitige Anwendbarkeit von ein und derselben abstrakt-axiomatischen Theorie - und zwar für vielseitige Anwendbarkeit innerhalb der Ökonomie selbst - hat Koopmans am Fall einer Theorie des Wettbewerbsgleichgewichts entwickelt 73.) Auch der letztgenannte Vorzug (vielseitige Anwendbarkeit) spielt in den exakten Wissenschaften eine wichtige Rolle, vor allem innerhalb der Mathematik, z.B. in der Gruppentheorie, der Verbandstheorie, der Topologie, etc., und ennöglicht eine nicht unwesentliche Arbeitsersparnis, da man nicht immer wieder von neuem auf kompliziertem Wege von den Axiomen auf die Theoreme schließen muß. Doch wäre es verfehlt, zu meinen, daß abstrakt-axiomatische Theorien nur für den Mathematiker, nicht aber für den empirischen Wissenschaftler von Relevanz sein können. Zwar ist eine abstrakt-axiomatische Theorie keine empirische Theorie - da ihre Sätze nur Aussageformen sind, ermangelt ihnen jeglicher empirische Gehalt -, doch kann die empirische Forschung auch durch (empirisch-gehaltleere) abstrakt-axiomatische Theorien in bedeutsamer Weise gefördert werden. Kann der Empiriker nämlich eine Einsetzung nennen, durch die nach seiner Meinung alle Axiome einer abstrakt-axiomatischen Theorie T zu wahren Aussagen über sein Forschungsgebiet werden, so müssen, wenn er recht hat, durch diese Einsetzung auch alle Theoreme von T zu wahren Aussagen über das betreffende Gebiet den. Daher kann auch umgekehrt aus der Falschheit irgendeines Theorems von T bei einer bestimmten Einsetzung auf die Falschheit mindestens eines Axioms von T bei dieser Einsetzung geschlossen werden. Dieser Transfer von der Wahrheit aller Axiome auf die Wahrheit aller Theoreme und der Rücktransfer von 73
Vgl. Koopmans, Kap. 1.
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der Falschheit mindestens eines Theorems auf die Falschheit mindestens eines Axioms erfolgt aus logischen Gründen, ohne daß zu diesem Zwecke weitere empirische Nachforschungen erforderlich wären. In allen drei bisher besprochenen Phasen der Theoriebildung - in der intuitiven, in der konkret-axiomatischen und in der abstrakt-axiomatischen Phase sind Theorien in natürlichen Sprachen und ohne Bezug zu logischen Systemen formuliert. Daher bleibt nicht nur der Begriff der Aussage und damit auch der des Satzes einer Theorie sowie der Begriff des logischen Folgens unscharf und präzisierungsbedürftig, sondern es bleibt - als Konsequenz dieser Ungenauigkeiten - auch unspezifiziert, nach welchen Regeln oder Prinzipien man aus irgendwelchen Sätzen der Theorie auf neue Sätze der Theorie schließen darf; es ist in diesen drei Phasen sozusagen dem natürlichen logischen Empfinden anheimgestellt, welche Schluß schritte man für so einfach und überzeugend hält, daß man sie in Schlüssen auf irgendwelche Theoreme bedenkenlos zuläßt, und welche Schlußschritte man dagegen als bedenklich oder gar als ungültig ansieht. Auf Fragen betreffend die logische Berechtigung eines bestimmten Schlußschrittes gibt jedoch das logische Empfinden der Menschen (a) nicht immer eine klare und eindeutige Antwort, (b) nicht immer die richtige Antwort und (c) nicht jedermann dieselbe Antwort. Unsicherheit, Unrichtigkeit und Uneinheitlichkeit in der Beurteilung eines Schlußschrittes sind Störfaktoren, die keineswegs nur in relativ komplizierten Fällen auftreten, sondern nicht selten auch dort, wo es sich z.B. um einen Schluß von einer einzigen, leicht überschaubaren Aussage auf eine andere einfache Aussage handelt (man lasse 20 Studenten die Frage beantworten, ob (XVIII) aus (XIX) logisch folgt und ob man daher von (XIX) auf (XVIII) schließen dürfe). Dieser Mangel an letzter Strenge wird nun in der vierten Phase der Theoriebildung beseitigt. In dieser formalisierenden Phase formuliert man Theorien in formalen Sprachen, die Bestandteile bestimmter semantischer Systeme und bestimmter, relativ zu diesen Systemen korrekter oder gar gesättigter Kalküle sind. Die für die vierte Phase kennzeichnenden Merkmale von Theorien und ihren Formalisierungen sollen durch die folgenden Definitionen deutlich werden. (Y)
Für alle V und für alle S gilt: Vist ein Vokabular in S genau dann, wenn gilt: (a) S ist ein semantisches System, (b) V ist eine nicht-leere, syntaktisch entscheidbare Menge von Konstanten in S.
(Z)
Für alle A, für alle V und für alle S gilt: A ist eine in V formulierbare Aussage in S genau dann, wenn gilt: (a) V ist ein Vokabular in S, (b) A ist eine Aussage in S, (c) die Menge aller in A vorkommenden Konstanten in S ist eine Teilmenge von V.
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(AA) Für alle T, für alle V und flir alle S gilt: T ist eine über Verrichtete Theorie in S genau dann, wenn gilt: (a) T ist eine nicht-leere Menge von in V formulierbaren Aussagen in S, (b) jede in V formulierbare Aussage in S, die in Saus T logisch folgt, ist ein Element von T. (Ist T eine über Verrichtete Theorie in S, so können wir V als S- Vokabular von T und jedes Element von Tals S-Satz von T bezeichnen.) (BB) Für alle T und für alle S gilt: T ist eine Theorie in S genau dann, wenn es ein V gibt, so daß T eine über Verrichtete Theorie in S ist. (Ce) Für alle M, fur alle MI und flir alle S gilt: M ist in Sein Axiomensystem für MI genau dann, wenn gilt: (a) S ist ein semantisches System, (b) MI ist eine Menge von Aussagen in S, (c) M ist eine Teilmenge von MI, (d) jedes Element von MI folgt in S logisch aus M, (e) Mist entscheidbar (zu beachten ist, daß hier nicht nur von syntaktischer Entscheidbarkeit, sondern generell von Entscheidbarkeit die Rede ist) 74 • (DD) Für alle Mund flir alle S gilt: M ist in S axiomatisierbar genau dann, wenn es ein MI gibt, so daß M I in Sein Axiomensystem für Mist. (EE) Für alle F, für alle T und flir alle S gilt: F ist eine vollständige Formalisierung von T relativ zu S genau dann, wenn es ein K, ein V und ein M gibt, so daß gilt: (a) T ist eine über Verrichtete Theorie in S, (b) M ist in Sein Axiomensystem für T, (c) K ist ein Kalkül, dessen Sprache mit der Sprache in S identisch ist, (d) K ist S-gesättigt, und (e) F= (K, V,M). Engere Begriffe der vollständigen Formalisierung einer Theorie relativ zu einem semantischen System kann man dadurch erhalten, daß man in Definition (EE) zusätzlich fordert, M möge syntaktisch entscheidbar oder - noch rigider - sogar endlich sein. Für unsere weiteren Ausfuhrungen empfiehlt sich jedoch die durch (EE) eingeftihrte Terminologie. (FF) Für alle T und flir alle S gilt: T ist relativ zu S vollständig [ormalisierbar genau dann, wenn es ein F gibt, so daß F eine vollständige Formalisierung von T relativ zu S ist. 74 Man vergleiche die diesbezüglichen Bemerkungen zu Beginn des Abschnitts 1.3.2.3 (2. Absatz).
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Nicht jede Theorie T in einem semantischen System S ist relativ zu S vollständig formalisierbar; denn erstens besteht die Möglichkeit, daß T in S überhaupt nicht axiomatisierbar ist, und zweitens kann es sein, daß gar kein S-gesättigter Kalkill existiert. Im zweiten Falle ist es allerdings häufig möglich, einen im Vergleich zu Definition (V) abgeschwächten Begriff der S- Vollständigkeit eines Kalkills zu definieren und einen S-korrekten Kalkill zu konstruieren, der nachweislich in diesem abgeschwächten Sinne S-vollständig ist. Wenn hier von einem gegenüber (V) abgeschwächten Sinne der S-Vollständigkeit eines Kalkills K die Rede ist, so ist damit gemeint, daß K zwar nicht S-vollständig im Sinne von (V) ist, daß aber ftir alle Aussagen A in S und für alle Mengen M von Aussagen in S gilt: Wenn A in S ausM logisch folgt und außerdem noch eine bestimmte, exakt zu beschreibende, A und M betreffende Bedingung erfillit ist, dann ist A in K aus M ableitbar. Je nach Art dieser zusätzlichen, A und M betreffenden Bedingung sind unterschiedliche abgeschwächte Begriffe der S-Vollständigkeit eines Kalkills möglich. Ein S-korrekter und abgeschwächt S-vollständiger Kalkill kann dann zum Bestandteil einer - allerdings nicht mehr vollständigen! - Formalisierung einer Theorie relativ zu S gemacht werden (vorausgesetzt, daß die betreffende Theorie in S axiomatisierbar ist). Wir erklären also: (GG) Für alle F, für alle T und ftir alle S gilt: F ist eine unvollständige Formalisierung von T relativ zu S genau dann, wenn es ein K, ein V und ein M gibt, so daß gilt: (a) Tist eine über Verrichtete Theorie inS, (b) M ist in Sein Axiomensystem ftir T, (c) K ist ein Kalkill, dessen Sprache mit der Sprache in S identisch ist, (d) K ist S-korrekt und in einem bestimmten, präzisen, gegenüber Definition (V) jedoch abgeschwächten Sinne S-vollständig, (e) F= (K, V,M). Bei (GG) handelt es sich eigentlich nicht um eine Definition, sondern um ein Definitionsschema: man erhält unterschiedliche Begriffe der unvollständigen Formalisierung einer Theorie relativ zu einem semantischen System, je nachdem, wie die in (GG), Punkt (d) erwähnte abgeschwächte S-Vollständigkeit von K exakt charakterisiert wird. Es ist jedoch in diesem Rahmen unmöglich (und für das Verständnis des Folgenden auch nicht notwendig), auf einzelne konkrete Definitionsmöglichkeiten näher einzugehen. Statt dessen beenden wir mit (HH) und (ii) unsere terminologischen Erläuterungen bezüglich der vierten Phase der Theoriebildung. (HH) Für alle F, ftir alle T und für alle S gilt: F ist eine Formalisierung von T relativ zu S genau dann, wenn F eine vollständige oder eine unvollständige F ormalisierung von T relativ zu S ist.
(ii)
Für alle T und ftir alle S gilt: T ist relativ zu S formalisierbar genau dann, wenn es eine Formalisierung von T relativ zu S gibt.
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Wenn eine Theorie T in einem semantischen System S relativ zu diesem System formalisierbar ist, tlann gibt es ein Vokabular V in S, eine entscheidbare Menge M von Aussagen in S und einen Kalkül K, so daß jede K -Ableitung einer in V formulierbaren Aussage A in S aus einer endlichen Teilmenge von M ein exakter, auf rein visuellem Wege durch bloßen Vergleich von Schriftgestalten intersubjektiv genau kontrollierbarer Beweis dafur ist, daß A zu T gehört, d.h. daß A ein S-Satz von T ist. Falls T relativ zu S sogar vollständig formalisierbar ist, so existiert zu jedem S-Satz A von T ein derartiger, intersubjektiv exakt nachprüfbarer Beweis ftir die Zugehörigkeit von A zu T. Dieser in der formalisierenden Phase der Theoriebildung erreichte hohe Grad der Präzision ist auch im akademischen Un terrich t von großer Bedeu tsamkei t 7S. Häufig beklagen sich S tudenten darüber, daß die inhaltlichen und formalen Voraussetzungen der meisten Theorien, mit denen sie in ihrem Studium konfrontiert werden, nicht hinreichend explizit gemacht seien und daß daher oft unklar bleibe, ob eine bestimmte Aussage ein Satz einer gegebenen Theorie sei oder nicht. Dieselbe Klage wird in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen nicht selten auch von zuständigen Fachleuten geäußert. So weist z.B. K. D. Opp kritisch darauf hin, daß sich bei sehr vielen und sehr bekannten sozialwissenschaftlichen Theorien nicht exakt angeben lasse, aus genau welchen Hypothesen die jeweilige Theorie besteht 76, und 0. Morgenstern spricht im Hinblick auf diesen Mißstand von einer allgemeinen logischen Nachlässigkeit, "die die theoretische Ökonomie zu einem viel höheren Grade kennzeichnet, als bisher klargemacht worden ist"n. Alle intuitiven, konkret-axiomatischen und abstrakt-axiomatischen Theorien umhüllt ein Dunstschleier, der sich zwar beim Übergang von einer Phase zur nächsthöheren deutlich lichtet, der aber erst in der formalisierenden Phase restlos (bei vollständiger Formalisierbarkeit) oder doch weitestgehend aufgelöst wird. Häufig lassen sich erst dann manche wichtige, eine Theorie betreffende Fragen (etwa bezüglich der Rolle, die ein bestimmter Begriff oder ein bestimmtes Axiom in der Theorie spielt, oder bezüglich gewisser logischer Konsequenzen der Theorien, etc.) exakt beantworten. Oft ist die Formalisierung einer deduktiven Theorie - historisch betrachtetaus mehr oder weniger ungenauen (intuitiven, konkret-axiomatischen oder abstrakt-axiomatischen) Vorformen der Theorie hervorgegangen (z.B. in der Zahlentheorie, in der Analysis, in der Mengenlehre und in der Geometrie); aber dies trifft keineswegs auf alle Formalisierungen deduktiver Theorien zu (beispielsweise nicht auf die diversen Formalisierungen der (mathematischen) Gruppentheorie ). Umgekehrt haben viele intuitive Theorien den Sprung auf eine exaktere Ebene der Theoriebildung nicht geschafft. Das hier dargestellte Vier-Phasen-Schema darf also nicht als historisch korrekte Beschreibung des tatsächli75
Wilder, S. 44.
76
Opp, S. 252 ff.
77
Morgenstern, S. 43.
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chen Entwicklungsprozesses aller wissenschaftlichen Theorien gelten; es ist vielmehr ein idealisierendes Schema, dessen w.esentliche Funktion in der Gegenüberstellung verschiedener Ebenen der theoretischen Exaktheit besteht, wobei man sich jede höhere Ebene aus der ihr im Schema unmittelbar vorangehenden Phase durch Verschärfung bestimmter methodologischer Ansprüche entstanden denken kann. Eine solche Darstellungsweise erleichtert m.E. das Verständnis für die Genauigkeitsideale in der abstrakt-axiomatischen und in der formalisierenden Phase der Theoriebildung. 1.3.2.6 Postskript zu einigen einschlägigen Bedeutungen des Wortes ,Logik' Theorien in semantischen Systemen bilden den Gegenstand zahlreicher exakter semantischer oder syntaktischer Analysen, welche die Formalisierbarkeit, die Entscheidbarkeit, die Widerspruchsfreiheit, die Vollständigkeit (in verschiedenen Bedeutungen von ,Vollständigkeit' und ,Widerspruchsfreiheit'), die Axiomatisierbarkeit und andere wichtige bzw. wünschenswerte syntaktische oder semantische Eigenschaften derartiger Theorien, ferner verschiedene Beziehungen zwischen den Modellen der Theorien sowie die formale Korrektheit der im Rahmen solcher Theorien formulierbaren Definitionen betreffen. Man pflegt die Gesamtheit der mit diesen Problemen befaßten, rein syntaktischen und rein semantischen (d.h. der logischen Syntax und der logischen Semantik zugehörigen) Analysen als Metamathematik zu bezeichnen. Diese wissenschaftliche Disziplin hat trotz der ausgesprochen kurzen Zeit ihres Bestehens - sie wurde in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts durch die Untersuchungen von D. Hilbert und A. Tarski begründet.- zahlreiche fundamentale, in ihrer Bedeutsamkeit über die Grenzen dieses Forschungszweiges weit hinausreichende Erkenntnisse zutage gefördert. Hält man sich bei der Charakterisierung der Logik an den trivialen Grundsatz, daß Logik das sei, was die modernen Logiker in Lehrbüchern, Aufsätzen und dgl. üblich erweise tun, d.h. daß die Hauptprobleme der Logik jene Probleme sind, die von der überwältigenden Mehrzahl der modernen Logiker für grundlegend oder für besonders interessant gehalten werden und mit denen sich zahlreiche Veröffentlichungen in führenden logischen Fachzeitschriften befassen, dann muß man die Metamathematik und ihre Errungenschaften als einen wesentlichen Bestandteil der formalen Logik ansehen 78 (obwohl sehr viele metamathematische Untersuchungen nicht unter die am Ende von Unterabschnitt 1.2 und 1.3.1 angeführten Aufgaben des Logikers subsumiert sind). Die Logik in ihrer modernen Gestalt schließt die gesamte reine Syntax und reine Semantik logischer Systeme ein 79 und um/aßt insbesonVgl. Fußnote 31, S. Vgl. z.B. Stegmüller (1), Band I, S. 34~ "Reine Syntax und reine Semantik hingegen bilden die Domäne des Logikers." 78 79
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dere als äußerst wichtigen Teilbereich die gesamte Metamathematik. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß es sich bei der Logik ausschließlich um reine Syntax und um reine Semantik handle; wie bereits hervorgehoben wurde, erfordert die Konstruktion von exakten Methoden zur eindeutigen Feststellung der Gilltigkeit oder Ungilltigkeit umgangssprachlicher Argumente, daß sich der Logiker auch mit natürlichen Sprachen (und zwar in erster Linie mit Problemen der übersetzung von Aussagen einer natürlichen Sprache in Aussagen eines semantischen Systems) befaßt. Doch bildet zur Zeit die reine Syntax und die reine Semantik von logischen Systemen und insbesondere von Formalisierungen wissenschaftlicher Theorien den Schwerpunkt der logischen Forschung. Der Hauptproblembereich der modernen Logik reicht somit weit über die Aufgabe, Methoden zur eindeutigen Feststellung der Gültigkeit oder Ungültigkeit von Argumenten zu entwickeln, hinaus - ein Faktum, das fur die Beurteilung der Möglichkeiten und des wissenschaftlichen Nutzens von Anwendungen der Logik nicht unwesentlich ist. In der Einleitung des Herausgebers wurde auf eine Reihe von Bedeutungen des Wortes ,Logik' im alltäglichen und im philosophischen Sprachgebrauch hingewiesen, die nichts oder nur sehr wenig mit dem zu tun haben, was im vorliegenden Sammelband mit diesem Wort gemeint ist. Andererseits wird in der modernen einschlägigen Fachliteratur das Wort ,Logik' häufig so verwendet, daß es zwar nicht als Name der formalen Logik in dem von uns erläuterten Sinne fungiert, aber dennoch zur Bezeichnung von Dingen dient, die mit der formalen Logik, so wie wir sie charakterisiert haben, in sehr engem Zusammenhang stehen (und zwar insofern, als sowohl die Konstruktion wie auch die syntaktische und semantische Analyse dieser Dinge zu den wichtigsten Aufgaben der formalen Logik gehört). Ich will mich hier damit begnügen, auf vier dieser einschlägigen, von unserer Terminologie jedoch abweichenden ,Logik'-Bedeutungen aufmerksam zu machen:
(1) Man kann jedes geordnete Paar mit einem semantischen System S als Erstglied und einem S-korrekten Kalkül K (dessen Sprache mit der Sprache in S identisch ist) als Zweitglied eine Logik und - falls K sogar S-gesättigt ist - eine vollständige Logik nennen. In diesem Sinne von ,Logik' gibt es selbstverständlich nicht nur eine einzige Logik, sondern zahlreiche - in der Tat: unendlich viele - Logiken, die man nach gewissen, mehr oder weniger wichtigen Gemeinsamkeiten in bestimmten Klassen zusammenfassen kann (eine sehr wichtige Klasse ist z.B. die Menge aller sog. elementaren Logiken, also aller vollständigen Logiken, deren Erstglied ein klassisches, ein- oder mehrsortiges prädikatenlogisches System 1. Stufe mit oder ohne Identität, mit oder ohne Funktoren, mit oder ohne Kennzeichnungen, aber ohne Prädikatvariablen ist). (2) üblicher als (1) ist es, jede dieser Klassen, von denen eben die Rede war, als eine Logik zu bezeichnen; man spricht dann z.B. nicht mehr von ele-
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mentaren Logiken, sondern von der elementaren Logik, aber diese Logik ist natürlich nicht die einzige Logik. (3) Man kann ferner das Wort ,Logik' zur Bezeichnung von geordneten Paaren verwenden, deren Erstglied ein semantisches System S und deren Zweitglied eine Theorie T in S ist, wobei alle S-Sätze von T logisch wahr in S sind. Es ist leicht zu erkennen, daß - in diesem Sinne von ,Logik' - unendlich viele Logiken existieren. (4) Und schließlich kann man - analog dem Übergang von Bedeutung (1) zu Bedeutung (2) - verschiedene Klassen von Logiken im Sinne (3) bilden und jede einzelne dieser Klassen eine Logik nennen (so daß man wiederum nicht bloß von der Logik sprechen darf). Im folgenden wollen wir jedoch das Wort ,Logik' in keiner dieser vier Bedeutungen verwenden; vielmehr soll es, so wie schon an früheren Stellen dieser Arbeit, die formale Logik bezeichnen, also jene Wissenschaft, deren Aufgabe die Konstruktion und die semantische bzw. syntaktische Analyse von Logiken in den vier genannten ,Logik'-Bedeutungen um faßt.
2. Wissenschaftliche Anwendung der formalen Logik als ein Mittel des Erkenntnisfortschritts 2.1. Präliminarien Es erscheint mir äußerst schwierig, eine Definition des Ausdrucks ,Anwendung einer Wissenschaft W1 auf eine Wissenschaft W2 ' bzw. des Ausdrucks ,Anwendung der Logik auf eine Wissenschaft W' zu geben, die alles (oder wenigstens das meiste von dem) einschließt, was man diesem Begriff sinnvollerweise subsumieren könnte. Ich fürchte, daß eine solche Definition, sollte sie überhaupt möglich sein, in so allgemeinen und unbestimmten Wendungen formuliert sein müßte, daß ihr Informationsgehalt praktisch gegen Null konvergiert. Es ist denkbar, daß es sich bei dem Begriff der Anwendung einer Wissenschaft auf eine Wissenschaft ähnlich verhält wie - um ein bekanntes Wittgensteinsches Beispiel anzuftihren - bei dem Begriff des Spieles. Man spricht von Ballspielen, Brettspielen, Olympischen Spielen, Geschicklichkeitsspielen, Glücksspielen, Festspielen, etc., und es erscheint kaum möglich, etwas zu nennen, das allen diesen Spielen gemeinsam ist und sie zugleich von allem anderen abgrenzt. Anstatt einer allen Spielen gemeinsamen und für sie charakteristischen Eigenschaft existieren nach Wittgenstein hier nur "Familienähnlichkeiten", d.h. Beziehungen und Ähnlichkeiten analog denen, die zwischen den Gliedern einer großen Familie bestehen. So wie sich unter den Angehörigen einer großen Familie manche in der Stimme, manche im Wuchs, manche im ·Temperament usw. gleichen, ohne daß es eine ihnen allen gemeinsame und für sie charakteristische Eigenschaft gäbe, so bestehen nach Wittgenstein auch zwischen den verschiede-
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nen Arten von Spielen nur sich überlappende Ähnlichkeiten. Ich halte es ftir nicht ausgeschlossen, daß man zwischen den verschiedenartigen Anwendungen der Logik auf eine Wissenschaft ebenfalls nur Familienähnlichkeiten, aber keine charakteristischen Gemeinsamkeiten vorfinden kann. Ich werde daher nicht versuchen, den Ausdruck ,Anwendung einer Wissenschaft W1 auf eine Wissenschaft W2 ' bzw. den Ausdruck ,Anwendung der Logik auf eine Wissenschaft W' zu definieren, sondern ich will mich damit begnügen, in den folgenden Ausführungen (Abschnitt 2.2) das Augenmerk auf zwei mir sehr wichtig erscheinende Arten wissenschaftlicher Logikanwendungen zu richten. Ich behaupte nicht, daß diese beiden Arten die einzigen Möglichkeiten darstellen, die Logik auf eine Wissenschaft anzuwenden; ich bin im Gegenteil der Meinung, daß vieles von dem, was mit dem Titel ,Anwendung der Logik auf eine Wissenschaft' bezeichnet werden könnte, eine wesentlich komplexere Struktur hat als jene beiden Anwendungsformen, von denen in 2.2 die Rede sein wird. Dennoch halte ich es aus drei Gründen für statthaft, die folgenden Erörterungen über den wissenschaftlichen Nutzen von Logikanwendungen auf diese beiden Anwendungsformen zu beschränken: (1) die meisten komplexeren Arten der Anwendung von Logik auf eine Wissenschaft enthalten mindestens eine der beiden in 2.2 zu besprechenden Anwendungsformen als Bestandteil; (2) das, was komplexere Logikanwendungen für den Fortschritt der Erkenntnis zu leisten vermögen, ist meist - sozusagen in verkleinertem Maßstab auch bei den elementareren Anwendungsformen, von denen wir im folgenden sprechen wollen, als deren wissenschaftlicher Nutzen deutlich erkennbar; (3) die Darlegungen im vorigen Kapitel waren nicht ausführlich genug, um hier - ohne beim Leser Kenntni~"e aus moderner Logik voraussetzen zu müssen - auch auf komplexere Anwendungen eingehen zu können. Die Erörterungen in 2.2 werden vorwiegend bloß summarischen Charakter haben, da vieles, was den wissenschaftlichen Nutzen der dort zu untersuchenden Formen der Logikanwendung betrifft, bereits in Kapitel 1 dieser Arbeit zur Sprache kam. Wir setzen voraus, daß sämtliche Aussagen (und daher alle Argumente, Theorien, etc.) jener Wissenschaft, auf die wir die formale Logik jeweils anzuwenden gedenken, in einer natürlichen (evtl. um Termini technici und künstliche Symbole angereicherten) Sprache formuliert sind und daß ein wesentliches Eleme:1t des Anwendungsverfahrens im Einsatz von exakten Methoden der logischen Syntax oder der logischen Semantik besteht - eine Voraussetzung, die bei fast allen Anwendungen der Logik erfüllt ist und die deshalb im vorliegenden Zusammenhang als ganz unproblematisch gelten kann. Damit die Ergebnisse rein syntaktischer oder rein semantischer (d.h. der logischen Syntax oder Semantik zugehöriger) Untersuchungen für die logische Analyse von Aussagen und von Aussagenmengen einer natürlichen Sprache überhaupt relevant werden können,
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benötigen wir logische Brückenbegri[[e, d.h. Begriffe, durch die eine bestimmte Beziehung zwischen Aussagen oder Mengen von Aussagen einer natürlichen Sprache, semantischen Systemen, Interpretationen in diesen Systemen, Aussagen oder Aussagenmengen in diesen Systemen und evtl. auch Kalkülen bezeichnet wird. Wir haben in 1.3.2.4 dem intuitiven Begriff des logischen Folgens und den diversen rein semantischen (3-stelligen) Begriffen des logischen Folgens 4stellige Brückenbegriffe des logischen Folgens zur Seite gestellt. In gleicher Weise können wir zu den in (K) und (L) eingeführten rein semantischen Äquivalenzbegriffen verschiedene Brückenbegriffe der Äquivalenz konstruieren, indem wir flir alle Aussagen A und A I einer natürlichen Sprache, für alle Mengen M und MI von Aussagen einer natürlichen Sprache, flir jedes semantische System Sund flir jede Interpretation I in S erklären: (11) Wenn es mindestens eine Menge von Aussagen in S gibt, die relativ zu S und zu I eine gute Übersetzung von M UM I ist, dann gilt: M ist relativ zu S und zu I äquivalent mit MI genau dann, wenn es mindestens eine Menge M 2 von Aussagen in S und mindestens eine Menge M 3 von Aussagen in S gibt, so daß gilt: (a) M2 ist relativ zu S und zu I eine gute übersetzung von M, (b) M 3 ist relativ zu S und zu I eine gute übersetzung von MI, und (c) M 2 ist S-äquivalent mit M 3 . (KK) Wenn es mindestens eine Menge von Aussagen in S gibt, die relativ zu S und zu I eine gute Übersetzung von jA, AI} ist, dann gilt: A ist relativ zu S und zu I äquivalent mit A I genau dann, wenn jA} relativ zu S und zu I äquivalent mit jA I} ist. In 2.2 sollen, wie bereits hervorgehoben wurde, zwei Formen der Logikanwendung kurz erläutert werden; die durch (R), (S), (JJ) und (KK) eingefliluten logischen Brückenbegriffe werden in der ersten dieser beiden Anwendungsformen eine zentrale Rolle spielen; flir Anwendungen der zweiten Form benötigen wir ebenfalls logische Brückenbegriffe, und zwar solche, die wir in Entsprechung zu den in (GG), (HH) und (ii) definierten Begriffen konstruieren. Wir erklären daher flir alle in einer natürlichen Sprache formulierten Theorien T, flir jedes semantische System Sund flif jede Interpretation I in S, sowie flir alle F: (LL) F ist eine Formalisierung (bzw. eine vollständige Formalisierung) von T relativ zu S und zu I genau dann, wenn es eine Menge M von Aussagen in S gibt, so daß gilt: (a) M ist relativ zu S und zu I eine gute übersetzung von T; (b) F ist eine Formalisierung (bzw. eine vollständige Formalisierung) von M relativ zu S. 8 Karnitz
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Und schließlich definieren wir für jede in einer natürlichen Sprache formulierte Theorie T: (MM) T ist formalisierbar genau dann, wenn es ein semantisches System S, eine Interpretation I in S und eine Formalisierung von T relativ zu S und zu I gibt. Aufgrund von (LL) und (MM) darf jetzt auch von Formalisierungen (bzw. von vollständigen F ormalisierungen) und von F ormalisierbarkeit wissenschaftlicher, in einer natürlichen Sprache formulierter Theorien die Rede sein (die in 1.3.2.5 entwickelte Terminologie gestattete uns nur über Formalisierungen und Formalisierbarkeit von Theorien in semantischen Systemen zu sprechen). Dabei ist allerdings zu beachten, daß der in der Definition logischer Brückenbegriffe verwendete Begriff der guten übersetzung mangels geeigneter Obersetzungsregeln derzeit noch sehr ungenau ist. 2.2 Zwei Formen der Logikanwendung Die Problemstellung, um die es in der ersten der beiden nun zu besprechenden Anwendungsformen der Logik auf eine Wissenschaft W geht, kann so charakterisiert werden: gegeben sind zwei Mengen M und MI von W-Aussagen (diese Aussagen sind voraussetzungsgemäß in einer natürlichen Sprache formuliert); gegeben ist ferner ein semantisches System S und eine Interpretation I in S; festzustellen ist, ob es eine Menge von Aussagen in S gibt, die relativ zu S und zu I eine gute Übersetzung von M UM I ist, und - falls ja -- ob alle Elemente von M relativ zu S und zu I logisch aus MI folgen, und ob es evtl. sogar zutrifft, daß M relativ zu S und zu I äquivalent mit MI ist. Ein spezieller Fall dieser Form von Anwendungen der Logik auf eine Wissenschaft besteht in der Untersuchung, ob irgendein vorliegendes, der betreffenden Wissenschaft zugehöriges Argument relativ zu einem bestimmten semantischen System und relativ zu einer bestimmten Interpretation in diesem System gültig oder ungültig oder (wegen der Nicht-übersetzbärkeit der Konklusion oder irgendeiner Prämisse des Arguments) weder gültig noch ungültig ist. In allen Bereichen menschlichen Forschens treten immer wieder Situationen auf, die Logikanwednungen dieser Art notwendig machen oder jedenfalls als sehr wünschenswert erscheinen lassen. Zwar begegnet man unter Wissenschaftlern und Philosophen häufig der - gelegentlich sogar explizit geäußerten Einstellung, daß die im Rahmen der wissenschaftlichen oder philosophischen Ausbildung erfolgte Schulung des abstrakten Denkens einen im allgemeinen ausreichenden Schutz gegen logische Fehler im Argumentieren, Definieren und Theoretisieren darstelle und daß der wissenschaftlich oder philosophisch Gebildete derartige Fehler normalerweise relativ mühelos entlarven könne. Mit dieser
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recht bequemen und für Wissenschaftler und Philosophen überdies sehr schmeichelhaften Einstellung kontrastiert jedoch die Leichtigkeit, mit der nicht selten in wissenschaftlichen oder philosophischen Erörterungen ungültige Argumente produziert und als grundlegende Gedankengänge angepriesen und konserviert werden, sowie die Unsicherheit und Uneinigkeit, die man auch in logischen Fragen bei Wissenschaftlern und Philosophen immer wieder feststellen muß (und zwar interessanterweise nicht nur dort, wo die zu beurteilenden Argumente oder Aussagen besonders komplex sind, sondern oft auch in relativ einfachen Fällen). Zahlreiche Beispiele dafür liefert uns die Geschichte der Philosophie; man denke etwa an die über viele Jahrhunderte hinwegreichenden Kontroversen über die Folgerichtigkeit des sog. "ontologischen Gottesbeweises .. Bo , oder an die Selbstverständlichkeit, mit der z.B. Thomas von Aquin aus der Prämisse ,Kein Ding existiert immer' auf die Konklusion ,Es gab eine Zeit, in der nichts existierte' schließt BI (von gleicher logischer Qualität ist übrigens die in der Philosophie immer wieder anzutreffende Argumentation von der Prämisse ,In jeder Veränderung bleibt etwas konstant' auf die Konklusion ,Es gibt etwas, das in allen Veränderungen konstant bleibt B2 ), oder anPlatons philosophiehistorisch so einflußreiche Dialoge, über die I. M. Bochenski in seinem Buch Ancient Formal Logic schreibt: "The reading of his dialogs is alm ost in tolerable to a logician, so many elementary blunders are contained in them ..83 (so fehlt, um nur ein Beispiel zu erwähnen, die klare Erkenntnis, daß man von einer Aussage der Form ,Alle Dinge, welche die Eigenschaft E haben, besitzen auch die Eigenschaft F' nicht schließen darf auf eine Aussage der Form ,Alle Dinge, welche die Eigenschaft E nicht haben, besitzen auch nicht die Eigenschaft F'), oder an die kuriosen Schlußfolgerungen, die M. Heidegger aus gewissen, die Wörter ,sein' (bzw. ,ist' oder ,sind') oder ,nichts' enthaltenden Sätzen zieht 84 und die von vielen seiner Gefolgsleute weiterhin als fundamentale philosophische Einsichten angesehen werden, oder an die Meinungsverschiedenheiten, die z.B. unter Bolzano-Forschern hinsichtlich der Folgerichtigkeit mancher Argumente 80 Man vergleiche die klassischen, jedoch voneinander abweichenden Auffassungen von A. von Canterbury, Gauni/o, Th. von Aquin, D. Scotus, Descartes, Leibniz, Kant, F. Brentano (über diese Auffassungen kann sich der Leser in jeder etwas ausftihrlicheren Darstellung der Geschichte der Philosophie sowie in Brentano (11), S. 19-59, informieren) und die neueren Diskussionen zu diesem Thema, z.B. zwischen N. Ma/co/m, C. L. Hardin, T. P. Brown und L. Resnick in der Zeitschrift "Analysis" (Vol. 22, Nr. 14, und Vol. 23, Nr. 6) oder zwischen R. Richman, W. J. Wainwright und W. L. Gombocz in der Zeitschrift "Ratio" (Val. 18,1976, und Val. 20, 1978). Siehe dazu auch die im Literaturverzeichnis angeftihrten Arbeiten von W. L. Gombocz, D. P. Henry und J. Barnes.
Vgl. Thomas von Aquin, 1,3 (tertia via), sowie Sa/mon, S. 78. Diesen Schluß findet man in vielen bekannten philosophischen Argumenten zugunsten der Existenz einer sog. "materia prima". Auf die Fehlerhaftigkeit dieses Schlusses wird in So/mon, S. 78/79, hingewiesen. 83 Bochenski, S. 17. 84 Vgl. z.B. Stegmüller (11), Band I, S. 188 ff. 81
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Bolzanos bestehen 85 , usw., usw. Ich will hier auf weitere Illustrationen aus der Geschichte der Philosophie verzichten und statt dessen darauf hinweisen, daß die eben exemplifizierte Situation keineswegs für die Philosophie spezifisch ist, sondern auch in nicht-philosophischen Wissenschaftsbereichen vorliegt und dort den Fortschritt der Erkenntnis hemmt. Die diesbezüglichen Veranschaulichungen werde ich - dem Thema dieses Sammelbandes entsprechend - auf das Gebiet der Wirtschaftswissenschaft( en) beschränken). Schon im Jahre 1936 hat der bekannte Mathematiker K. Menger die Anwendung der modernen Logik auf die Wirtschaftswissenschaft gefordert und diese Forderung mit dem Hinweis auf zahlreiche Fehler und Ungenauigkeiten in wichtigen ökonomischen Argumentationen begründet 86 . (Ganz ähnlich hat sich übrigens zur gleichen Zeit der Nationalökonom O. Morgenstern geäußert 87 .) Im einzelnen beklagt Menger, daß der zu beweisende Satz oft nicht hinreichend präzisiert wird, was zur Folge habe, daß er implizite oder auch explizite mit Sätzen als gleichbedeutend betrachtet wird, welche in Wahrheit keineswegs mit ihm bedeutungsgleich sind. Besonders häufig bleibt, wie Menger hervorhebt, die Quantifizierung eines ökonomischen Satzes unklar, d.h., daß nicht ausgesprochen wird und oft auch nicht aus dem Kontext mit wünschenswerter Deutlichkeit hervorgeht, ob eine Aussage z.B. für alle Kostenaufwendungen, oder für alle hinreichend großen Kostenaufwendungen, oder für manche beliebig großen Kostenaufwendungen, oder für gewisse Kostenaufwendungen usw. gilt 88 , obwohl doch ohne derartige Angaben eine präzise Diskussion der betreffenden Aussage bzw. der Einbau der Aussage in ein exaktes Argument gar nicht möglich ist. "Darüber hinaus erhalten schließlich die Beweise vielfach noch grobe Fehler, vor allem deshalb, weil die Negationen einigermaßen komplizierter Behauptungen oft falsch gebildet werden.,,89 So weist Menger z.B. darauf hin 90, daß in der Fachliteratur nicht immer klar erkannt wird, daß etwa die Negation des Satzes von den wachsenden Ertragssteigerungen kleiner Aufwände nicht dasselbe besagt wie ein Satz von nicht-wachsenden Ertragssteigerungen kleiner Aufwände. Überlegen wir uns dies ein wenig genauer! Der Satz von den wachsenden Ertragssteigerungen kleiner Aufwände lautet (in sehr enger Anlehnung an die FormulierungMengers): (XXVI)
Der gleiche nicht allzu große zusätzliche Aufwand an Kümplementärgütern bewirkt, wenn er zu einem größeren Aufwand hin-
85 Siehe Morscher, Das logische An-Sich bei B. Bolzano, Salzburg 1973. Obwohl ich Morscher nicht in allen Einzelheiten zustimmen kann, halte ich das Buch ftir ein ganz hervorragendes Beispiel einer systematischen Anwendung der Logik auf die Philosophie, und zwar auf die Erkenntnistheorie Bolzanos. 86 Menger, S. 20 ff. 87 Zeitschrift ftir Nationalökonomie, Band VII, Wien 1936, S. 1. 88 Menger, S. 25 ff. 89 Menger, S. 26. 90 Menger, S. 38 ff.
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zugefügt wird, eine größere Ertragssteigerung als wenn er zu einem kleineren Aufwand hinzugefügt wird, sofern die beiden verglichenen Aufwände eine gewisse Höhe nicht überschreiten. Die Negation dieses Satzes lautet nun einfach: (XXVII)
Es trifft nicht zu, daß der gleiche nicht allzu große zusätzliche Aufwand an Komplementärgütern, wenn er zu einem größeren Aufwand hinzugefügt wird, eine größere Ertragssteigerung bewirkt als wenn er zu einem kleineren Aufwand hinzugefügt wird, sofern die beiden verglichenen Aufwände eine gewisse Höhe nicht überschreiten.
Der Satz von nicht-wachsenden Ertragssteigerungen kleiner Aufwände kann folgendermaßen formuliert werden: (XXVIII)
Der gleiche nicht allzu große zusätzliche Aufwand an Komplementärgütern bewirkt, wenn er zu einem größeren Aufwand hinzugefügt wird, keine größere Ertragssteigerung als wenn er zu einem kleineren Aufwand hinzugefügt wird, sofern die beiden nicht verglichenen Aufwände eine gewisse Höhe nicht überschreiten.
Um die logische Form der Aussagen (XXVI), (XXVII) und (XXVIII) und insbesondere die in ihnen enthaltenen Quantifizierungen besser erkennbar zu machen, wollen wir diese Aussagen zunächst in ein präziseres, wenngleich ziemlich holpriges Logiker-Deutsch übersetzen. Dieses Logiker-Deutsch ist keine formale Sprache, sondern eine mit Klammern und Variablen operierende, Quantifizierungen und Satzverknüpfungen in expliziter und normierter Weise zum Ausdruck bringende, stilistische Eleganz außer Acht lassende, sozusagen halb-künstliche Erweiterung der deutschen Sprache. In der logiker-deutschen Wiedergabe von (XXVI), (XXVII) und (XXVIII) verwenden wir (1) die Variablen: ,x', ,y', ,z', ,w', ,v', ,t' und ,u' (2) die runden Klammern ,(, und ,)' zur Erzeugung von Eindeutigkeit, (3) die der Verknüpfung von Aussagen oder Aussageformen dienenden Ausdrücke ,und', ,wenn ... , dann' und ,es trifft nicht zu, daß' (zum Begriff der Aussageform vergleiche die erläuternden Bemerkungen über abstraktaxiomatische Theorien in 1.3.2.5), (4) die Quantifizierungsausdrücke ,für alle ... gilt:', ,es gibt mindestens ein ... , so daß gilt:' und ,es gibt genau ein ... , so daß gilt:' (wobei in die durch Punkte markierte Leerstelle eine Variable einzusetzen ist); es sei erlaubt, Aneinanderreihungen von Quantifizierungsausdrücken derselben Art in kürzeren Formulierungen zusammenzufassen, so daß wir beispielsweise statt ,für alle x gilt: für alle y gilt: für alle z gilt:' einfach ,für alle x,y und z gilt:' und statt ,es gibt mindestens ein v, so daß gilt: es gibt mindestens ein
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w, so daß gilt:' einfach ,es gibt mindestens ein v und ein w, so daß gilt:' sagen dürfen, ferner (5) die deskriptiven Ausdrücke , ... ist ein nicht allzu großer Aufwand an Komplementärgütern " , ... ist größer als - - -', , ... wird hinzugefügt zu - - -' und, ... ist eine durch Hinzufugung von' , , zu - - - bewirkte Ertragssteigerung' (wobei in jede durch drei gleichartige Zeichen markierte Leerstelle irgendeine Variable einzusetzen ist), sowie schließlich (6) den Ausdruck ,Pxyz' als Abkürzung fur die komplexe Aussageform (XXIX) x ist ein nicht allzu großer Aufwand an Komplementärgütern und y ist ein nicht allzu großer Aufwand an Komplementärgütern und z ist ein nicht allzu großer Aufwand an Komplementärgütern und x ist größer als y und z wird hinzugefügt zu x und z wird hinzugefügt zu y den Ausdruck ,Qxyzvw' als Abkürzung fur die Aussageform (XXX)
w ist eine durch Hinzufügung von z zu x bewirkte Ertragssteigerung und v ist eine durch Hinzufügung von z zu y bewirkte Ertragssteigerung
und analog den Ausdruck ,Qxyztu' als Abkürzung für (XXXI) t ist eine durch Hinzufügung von z zu x bewirkte Ertragssteigerung und u ist eine durch Hinzufügung von z zu y bewirkte Ertragssteigerung den Ausdruck ,Rwv' als Abkürzung für die Aussageform (XXXII)
w ist größer als v
und analog den Ausdruck ,Rtu' als Abkürzung für (XXXIII)
t ist größer als u
Wenn wir nun versuchen, (XXVI), (XXVII) und (XXVIII) ins Logiker-Deutsch zu übersetzen, so sind wir dabei zur Zeit leider völlig auf unser Sprachgefuhl angewiesen, da fur derartige Übersetzungen vorläufig noch keine strengen Regeln existieren. Da die Übersetzung ins Logiker-Deutsch nur eine Vorstufe für die Übersetzung der Aussagen (XXVI), (XXVII) und (XXVIII) in Aussagen eines semantischen Systems ist, erfolgt die Art und Weise der Übersetzung ins Logiker-Deutsch (etwa die Entscheidung darüber, welche Quantifizierungsausdrücke oder welche deskriptiven Ausdrücke wir in den logiker-deutschen Formulierungen verwenden wollen) bereits im Hinblick auf die Beschaffenheit des semantischen Systems, das wir später zur Übersetzung der logiker-deutschen Aussagen heranziehen wollen. Ohne hier auf manche wichtige Probleme und Differenzierungsmöglichkeiten näher eingehen zu können, unterstelle ich einfach, daß für
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(XXVI) genau eine der folgenden drei logiker-deutschen Formulierungen (XXXIV)
Für alle x, y, z, v und w gilt: Wenn Pxyz und Qxyzvw, dann R wv.
(XXXV)
Für alle x, y, und z gilt: Wenn Pxyz, dann gibt es mindestens ein v und ein w, so daß gilt: (Qxyzvw und Rwv). Für alle x, y und z gilt: Wenn Pxyz, dann (es gibt genau ein v und ein w, so daß gilt: Qxyzvw und für alle t und u gilt: (Wenn Qxyztu, dann Rtu».
(XXXVI)
als übersetzung geeignet ist. Dementsprechend kommt als Übersetzung von (XXVII) genau eine der folgenden drei logiker-deutschen Aussagen (XXXVII) (XXXVIII)
(XXXIX)
Es trifft nicht zu, daß für alle x, y, z, v und w gilt: Wenn Pxyz und Qxyzvw, dann Rwv. Es trifft nicht zu, daß für alle x, y und z gilt: Wenn Pxyz, dann gibt es mindestens ein v und ein w, so daß gilt: (Qxyzvw und Rwv). Es trifft nicht zu, daß für alle x, y und z gilt: Wenn Pxyz, dann (es gibt genau ein v und ein w, so daß gilt: Qxyzvw und für alle t und u gilt: (Wenn Qxyztu, dann Rtu».
in Betracht. Ich setze ferner voraus, daß genau eine der folgenden drei Aussagen (XL)
Für alle x, y, z, v und w gilt: Wenn Pxyz und Qxyzvw, dann trifft es nicht zu, daß Rwv.
(XLI)
Für alle x, y und z gilt: Wenn Pxyz, dann gibt es mindestens ein v und ein w, so daß gilt: (Qxyzvw und es trifft nicht zu, daß Rwv).
(XLII)
Für alle x, y und z gilt: Wenn Pxyz, dann (es gibt genau ein v und ein W,so daß gilt: Qxyzvw und für alle t und u gilt: (Wenn Qxyztu, dann trifft es nicht zu, daß Rtu».
eine akzeptable übersetzung von (XXVIII) darstellt. Unter den von mir hinsichtlich der übersetzung von (XXVI), (XXVII) und (XXVIII) getroffenen Voraussetzungen können also insgesamt neun Möglichkeiten unterschieden werden: Man übersetzt
l.
2. 3. 4. 5. 6. 7.
8. 9.
(XXVI) mit
(XXVII) mit
(XXVIII) mit
(XXXIV) (XXXIV) (XXXIV) (XXXV) (XXXV) (XXXV) (XXXVI) (XXXVI) (XXXVI)
(XXXVII) (XXXVII) (XXXVII) (XXXVIII) (XXXVIII) (XXXVIII) (XXXIX) (XXXIX) (XXXIX)
(XL) (XLI) (XLII) (XL) (XLI) (XLII) (XL) (XLI) (XLII)
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Um Mengers Behauptung, daß die beiden Aussagen (XXVII) und (XXVIII) - entgegen der Auffassung mancher Autoren - nicht dasselbe besagen, einer möglichst exakten Prüfung unterziehen zu können, müssen wir uns um zwei Klärungen bemühen: (1) Wir müssen uns entscheiden, welcher der neun eben angeführten Übersetzungsmöglichkeiten wir den Vorzug geben wollen, d.h. welche dieser Möglichkeiten wir als jene ansehen wollen, die das von Wirtschaftswissenschaftlern mit (XXVII) und (XXVIII) Gemeinte am besten zum Ausdruck bringt; und (2) wir müssen versuchen, der Redewendung, daß zwei Aussagen dasselbe besagen bzw. nicht dasselbe besagen, einen genaueren Sinn zu verleihen. Mit Bezug auf (2) ist festzustellen: Zwei Aussagen A und Al einer natürlichen Sprache besagen nur dann dasselbe, wenn A aus 1A 1 ~ und umgekehrt A 1 aus jA f logisch folgt 3 • Daß zwei Aussagen, die nicht auseinander logisch folgen, auch nicht sinngleich (synonym) sind, entspricht ganz klar unseren Vorstellungen von Synonymie und dürfte deswegen auch kaum von irgend jemandem ernsthaft bestritten werden. Ob allerdings die genannte Bedingung für die Synonymie (zweier Aussagen einer natürlichen Sprache) nicht nur notwendig, sondern überdies auch hinreichend ist, läßt sich wegen der Unschärfe des Synonymiebegriffs und wegen der Vagheit des auf natürliche Sprachen bezogenen Begriffs des logischen Folgens nicht eindeutig beantworten. Wir wollen uns hier damit begnügen, die genannte Bedingung als eine conditio sine qua non für die Synonymie zweier Aussagen anzusehen. Zur Überprüfung der Mengerschen Behauptung werden wir uns daher die Frage vorlegen, ob (XXVII) aus (XXVIII) und umgekehrt (XXVIII) aus (XXVII) logisch folgt. Was (l) betrifft, so will mir scheinen, daß die neunte übersetzungsmöglichkeit den Intentionen der Ökonomen am ehesten entspricht. Da es aber für die Beantwortung der Frage, ob die beiden Aussagen (XXVII) und (XXVIII) auseinander logisch folgen, überhaupt keinen Unterschied macht, welche der neun Übersetzungsmöglichkeiten man für be~onders adäquat hält, so will ich im folgenden einfachheitshalber von der ersten Übersetzungsmöglichkeit ausgehen und nur diese ins Auge fassen; ich werde also annehmen, daß (XXVII) mit (XXXVII) und (XXVIII) mit (XL) ins Logiker-Deutsch zu übersetzen sei; diese Annahme hat den Vorzug, daß wir die etwas komplizierteren Formulierungen (XXXVIII), (XXXIX), (XLI) und (XLII) ab sofort unberücksichtigt lassen können. Die am Ende des vorigen Absatzes gestellte Frage werden wir daher nun durch die Frage ersetzen, ob (XXXVII) aus (XL) und umgekehrt (XL) aus (XXXVII) logisch folgt. Wie bereits hervorgehoben wurde, kann diese Frage nicht durch den Einsatz von Methoden der reinen Syntax oder der reinen Semantik beantwortet werden, da sie mit Hilfe des intuitiven Begriffs des logischen Folgens formuliert ist. Um hier Methoden der reinen Syntax oder der reinen Semantik anwenden zu können, muß an die Stelle dieser Frage eine treten, in der anstatt des intuitiven
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Begriffs ein logischer Briickenbegriff vorkommt, d.h. die Frage muß auf ein semantisches System (oder auf semantische Systeme einer bestimmten Klasse) und auf eine Interpretation in diesem System (bzw. in diesen Systemen, bzw. auf eine bestimmte Klasse derartiger Interpretationen) relativiert werden. Dabei werden die meisten Logiker gewöhnlich an ein klassisches, einsortiges, prädikatenlogisches System 1. Stufe mit oder ohne Identität und mit oder ohne Funktoren und Kennzeichnungen denken. Sei S ein solches System; die Wortkategorie der Quantoren in S enthalte sowohl den Generalisator als auch den Partikularisator; sei ferner I eine Interpretation in S, die es uns ermöglicht, (XXXVII) und (XL) relativ zu S und zu I durch Aussagen in S zu übersetzen (gegenwärtig existieren flir eine Übersetzung logiker-deutscher Aussagen in Aussagen eines semantischen Systems ebensowenig exakte Regeln wie ftir die übersetzung aus der Umgangs- oder Hochsprache ins Logiker-Deutsch). Die am Ende des vorigen Absatzes gestellte Frage wird nun durch die Frage ersetzt, ob (XXXVII) relativ zu S und zu I äquivalent mit (XL) ist. Zur Beantwortung dieser Frage übersetzt man (XXXVII) und (XL) relativ zu S und zu I in zwei Aussagen in S und versucht entweder zu beweisen, daß diese beiden Aussagen einer formalen Sprache S-äquivalent sind, oder zu beweisen, daß diese beiden Aussagen einer formalen Sprache nicht S-äquivalent sind. Wir werden diese übersetzung und den daran anschließenden Beweis hier nicht durchfUhren; dazu waren unsere Anmerkungen betreffend semantische Systeme und Übersetzungen in diese Systeme zu ungenau und zu lückenhaft. Wir müssen uns an dieser Stelle mit dem Hinweis begnügen, daß (XXXVII) relativ zu S und zu I nicht äuivalent mit (XL) ist; mehr noch, daß keine der beiden Aussagen relativ zu S und zu I aus der anderen logisch folgt. (XXXVII) ist relativ zu S und zu I äquivalent mit (XLIII)
Es gibt mindestens ein x. ein y. ein z. ein v und ein w, so daß gilt: (Pxyz und Qxyzvw und es trifft nicht zu, daß Rwv).
Man kann leicht zeigen, daß aus (XLIII) und damit auch aus (XXXVII) z.B. die Aussage (XLIV)
Es gibt mindestens ein x, ein y und ein z, so daß gilt: Pxyz.
relativ zu S und zu I logisch folgt, während es nicht der Fall ist, daß (XLIV) relativ zu S und zu I aus (XL) logisch folgt. Die Mengersche Behauptung stützende Resultate erhält man ebenfalls, und zwar auf gleichem Wege, wenn man (XXVII) durch (XXXVIII) oder (XXXIX) und (XXVIII) durch (XLI) oder (XLII) übersetzt. Wie sich anhand dieses Beispiels deutlich erkennen läßt, tragen Anwendungen der Logik auf eine Wissenschaft in besonderem Maße zur Präzisierung von Aussagen und Argumenten der betreffenden Wissenschaft bei und ermöglichen erst dadurch eine exakte, zuverlässige und allgemein verbind-
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liche Beurteilung dieser Wissenschaftselemente 91 . Ohne eine derartige Beurteilungsmöglichkeit würden viele Fehler und Mängel in Argumenten, Beweisen, Theorien und dgl. lange Zeit hindurch unerkannt bleiben und somit den wissenschaftlichen Fortschritt in dem jeweiligen Fachgebiet empfindlich behindern. Es ist deshalb ein gutes Zeichen, wenn unter den Wirtschaftswissenschaftlern kein Geringerer als J. A. Schumpeter von derartigen Logikanwendungen sagt, sie seien "immensely useful for any economist who wishes to take his logical responsibilities seriously"92. Bei der zweiten hier zu besprechenden Form von Anwendungen der Logik auf eine Wissenschaft W handelt es sich um das Formalisieren von (formalisierbaren) W-Theorien, d.h. um die Darstellung (Beschreibung, Konstruktion) von Formalisierungen gewisser, für ziemlich wichtig gehaltener, formalisierbarer und zu W gehöriger Theorien. Da diese Theorien voraussetzungsgemäß in einer natürlichen Sprache formuliert sind, muß das Formalisieren stets außer auf ein bestimmtes semantisches System bzw. auf ein beliebiges semantisches System einer genau charakterisierten Art, auch auf eine bestimmte Interpretation (bzw. auf eine bestimmte Klasse von Interpretationen) in diesem System Bezug nehmen. (Man vergleiche die durch (LL) eingeführten logischen Brückenbegriffe der Formalisierung und der vollständigen Formalisierung von Theorien, die in natürlichen Sprachen formuliert sind.) Normalerweise ist das Formalisieren einer Theorie und das in dieser Tätigkeit zum Ausdruck kommende Streben nach einer möglichst präzisen Fassung der Theorie kein Selbstzweck, sondern eine u.U. sogar schlechthin notwendige Bedingung für die exakte Beantwortung mancher, die Theorie betreffender Fragen. Angenommen, in einer Anwendung der Logik auf die Makroökonomie solle möglichst genau festgestellt werden, ob J. M. Keynes' "Allgemeine Theorie" - wir wollen sie im folgenden mit ,A T' bezeichnen - widerspruchsfrei ist oder nicht (in dem Sinne von, widerspruchsfrei' , daß es keine Aussage A gibt, so daß A und die Negation von A Sätze von AT sind). Dabei setzen wir voraus, daß sich diese Aufgabe nicht auf triviale Weise bereits dadurch erledigt, daß die Menge der in Keynes' Hauptwerk Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes tatsächlich gedruckten Sätze - die Menge ist endlich und überschau bar - sowohl eine Aussage als auch deren Negation enthält (der Begriff der Negation ist hier so zu verstehen, wie er in 1.3.2.4 im Zusammenhang mit unseren Ausführungen betreffend die Übersetzung von Aussagen einer natürlichen Sprache in Aussagen eines semantischen Systems erläutert und ge91 Diese Feststellung befindet sich nicht in Widerspruch zu der wiederholt hervorgehobenen Relativität der Resultate logischer Analysen. Daß relativ zu diesem oder jenem semantischen System das und das gilt, ist eine zuverlässige und allgemein verbindliche Erkenntnis, der keinerlei Relativität anhaftet (in dem Sinne von ,Relativität', daß man mit annähernd gleich guten Gründen auch ganz anderer Meinung sein könnte). 92 Schumpeter, S. 587.
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braucht wurde). AT enthält ja nicht nur Sätze, die wir in Keynes' Schriften gedruckt vorfinden können, sondern außerdem noch Sätze der beiden folgenden Arten: (1) Sätze, die Keynes zwar nirgendwo ausdrücklich formuliert hat, die er aber - wie eine genauere Analyse seiner Argumente zeigt - dennoch benötigte, um aus Sätzen von AT auf andere Sätze von AT schließen zu können, und (2) Sätze, die aus Sätzen von AT logisch folgen (im intuitiven, präzisierungsbedürftigen Sinne von ,folgt logisch aus'). Da es sich bei AT um eine intuitive Theorie mit allen bereits früher genannten Schwächen derartiger Theorien handelt, läßt sich unter der oben gemachten Voraussetzung mit exakten logischen Methoden zunächst gar nichts über die Widerspruchsfreiheit oder Widersprüchlichkeit von AT beweisen. Denn erstens sind keineswegs alle der in Keynes' Hauptwerk tatsächlich gedruckten Aussagen eindeutig; zweitens zählen, wie man weiß, nicht alle Keynes-Interpreten genau dieselben Aussagen zu der von uns vorhin erwähnten Klasse (1) vonAT-Sätzen; und drittens existiert hinsichtlich des intuitiven Begriffs des logischen Folgens keine Methode, mittels derer exakt bewiesen werden könnte, daß eine bestimmte Aussage aus einer Menge von Aussagen logisch folgt. Mit anderen Worten, es ist - wie ja auch von Keynes-Interpreten immer wieder betont wird 93 durchaus nicht immer klar, welche spezifisch ökonomischen Hypothesen zuAT gehören und auf welchen mathematischen Voraussetzungen diese Theorie basiert. Ein Beweis für die Widerspruchsfreiheit oder Widersprüchlichkeit der Keynesschen Theorie wird nur dann möglich sein, wenn man zuvor AT auf eine höhere Stufe der Exaktheit stellt, d.h. axiomatisiert und, wenn möglich, auch formalisiert. D.h., daß man eigentlich nicht AT auf ihre Widerspruchsfreiheit hin untersucht, sondern eine in bestimmter Weise präzisierte Version von AT. Der Versuch,AT zu einer konkret-axiomatischen Theorie zu machen und diese dann zu formalisieren, ist freilich eine äußerst schwierige Aufgabe, die umfangreiche begriffliche Vorarbeiten erfordert - Vorarbeiten, die sich z.T. auf die mathematischen Voraussetzungen und z.T. auf versteckte oder unterschiedlich deutbare ökonomische Annahmen der Theorie beziehen. Jede präzisierte Version von AT muß daher unter ihren Axiomen viele Sätze enthalten, die weder wörtlich noch sinngemäß in Keynes' Schriften ausgesprochen worden sind (und je präziser eine Rekonstruktion von AT ist, um so zahlreicher werden jene Sätze sein, die zwar in der Rekonstruktion ausdrücklich hervorgehoben werden, die jedoch nicht in Keynes' Schrifttum vorkommen). Dabei besteht allerdings die Gefahr, daß das Bestreben, Implizites oder Mehrdeutiges explizit und eindeutig zu machen, zum Aufbau einer Theorie fUhrt, die sich in inhaltlicher Hinsicht (bzw. - falls es sich bereits um eine Theorie in einem semantischen System handelt - bei entsprechender ökonomischer Interpretation der formalen Spra93 Auf diese Ungenauigkeit der Keynesschen Theorie haben meines Wissens fast alle Keynes-Interpreten ausdrücklich hingewiesen, z.B. Leijonhu[vud, KapitelL
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ehe, in der die Theorie fonnuliert ist) von der historisch vorliegenden Gestalt der Keynesschen Theorie so weit entfernt, daß man sich fragen muß, ob hier nicht anstatt einer Rekonstruktion von AT eine völlig neue, von Keynes' Gedanken und Absichten ziemlich weit entfernte ökonomische Theorie geschaffen wurde. Wie immer, wenn etwas Vages präzisiert werden soll, kann man auch in den Bemühungen, AT zu formalisieren, voneinander abweichende Wege einschlagen. Erstens kann man auf sehr verschiedene semantische Systeme und Interpretationen Bezug nehmen; zweitens werden - weil nicht immer klar ist, welche Sätze zu AT gehören und welche nicht, und weil nicht alle zu AT gehörenden Sätze eindeutig sind - selbst relativ auf ein ganz bestimmtes semantisches System S und auf eine ganz bestimmte Interpretation I in S mehrere Keynes-Interpreten unterschiedliche, nicht S-äquivalente Mengen von Aussagen in S als gute Übersetzungen von AT relativ zu S und zu I ansehen (vorausgesetzt, daß AT relativ zu S und zu I übersetzbar ist); und schließlich wird es, drittens, sogar mit Bezug auf ein und dasselbe semantische System S und auf ein und dieselbe Menge M von Aussagen in S, die relativ zu S und zu I als gute Übersetzungen von AT gilt, mehr als nur eine einzige Formalisierung vonM relativ zu S geben (falls M relativ zu S überhaupt fonnalisierbar ist). Zwar müssen die auf solche Weise gewonnenen Präzisierungen von AT bei entsprechender ökonomischer Interpretation in einem gewissen Kembereich übereinstimmen; andernfalls wäre nicht einzusehen, was diese Rekonstruktionen miteinander und mit AT zu tun haben. So muß z.B. in jedem Falle gelten, daß das Volkseinkom~en eine streng monoton wachsende Funktion der Beschäftigung ist; daß der geplante Konsum eine monoton steigende Funktion des Volkseinkommens ist; daß die der Produktion gegenüberstehende wirksame Nachfrage die Summe aus geplantem Konsum und Investitionsnachfrage ist; daß kreditfinanzierte Staatsausgaben zur Erhöhung des Volkseinkommens führen; daß gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung möglich ist, usw. Aber über diesen Kembereich hinaus können sich die verschiedenen Rekonstruktionen von AT in inhaltlicher Hinsicht mehr oder weniger weit voneinander entfernen (etwa bezüglich der Frage, ob eine Geldmengenerhöhung das Beschäftigungsniveau erhöht oder nicht). Infolgedessen ist es prinzipiell durchaus möglich, daß logische Untersuchungen über die Widerspruchsfreiheit von AT bzw. über irgendwelche andere Merkmale der Theorie (beispielsweise über ihre Verträglichkeit oder Unverträglichkeit mit der neoklassischen Preistheorie ) zu unterschiedlichen bzw. entgegengesetzten Resultaten gelangt, je nachdem, auf welche Rekonstruktion von AT sich die betreffenden logischen Untersuchungen stützen. (Der Leser vergleiche diese Gedanken mit den Überlegungen im vorigen Kapitel über die verschiedenen Möglichkeiten, den Begriff des logischen F olgens zu präzisieren und über die dadurch entstehende Relativierung hinsichtlich der Gültigkeit oder Ungültigkeit natürlicher Argumente.)
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Das Formalisieren wissenschaftlicher Theorien ist ein äußerst wirkungsvolles Mittel zur Förderung des Erkenntnisfortschritts. Im Hinblick auf die Erläuterungen im vorigen Kapitel, insbesondere in 1.3.2.5, darf ich mich hier auf einige wenige, kurze, schlagwortartige und zusammenfassende Bemerkungen über den wissenschaftlichen Nutzen des Formalisierens beschränken. Ich meine, daß man die wichtigsten Vorzüge des Formalisierens unter den folgenden drei Stichworten subsumieren kann:
(1) Exaktheit: Dazu zählt vor allem: (a) an die Stelle des intuitiven, präzisierungsbedürftigen Begriffs des logischen Folgens tritt ein wesentlich präziserer Begriff des logischen Folgens; (b) der Beweis, daß eine Aussage A , die im Vokabular der Theorie formuliert ist, aus einer Menge M von Sätzen der Theorie logisch folgt, ist entweder stets oder doch in sehr vielen Fällen durch eine kalkülmäßige und daher auf rein syntaktischem Wege intersubjektiv nachprüfbare Ableitung von A aus einer endlichen Teilmenge von M ersetzbar; und umgekehrt ist jede derartige Ableitung ein strenger Beweis dafur, daß A aus M logisch folgt und daher selbst ein Satz der Theorie ist; (c) jeder Satz der Theorie folgt logisch aus einer vorgegebenen Menge von eindeutig identifizierbaren Aussagen. P. Suppes vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, daß "not to state systematically all the assumptions needed for a theory at the beginning of its development is much like building a house whose foundation is continually modified as the upper stories are constructed because the structural loadbearing analysis was in error"94. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß wissenschaftlich fruchtbare Anwendungen einer Theorie zu Erklärungs-, Prognose- oder anderen Systematisierungszwecken nur bei Rekurs auf irgendeine Formalisierung der betreffenden Theorie möglich ist. Wäre dies nämlich der Fall, so würden sich Wissenschaft und Technologie heute noch in einem äußerst beklagenswerten, höchst primitiven Stadium ihrer Entwicklung befinden. Das in 1.3.2.5 dargestellte Vier-Phasen-Schema der Theoriebildung sollte u.a. auch deutlich machen, daß Exaktheit und Genauigkeit graduelle Begriffe sind; es wäre unsinnig, in der Diskussion bestimmter Probleme einen Grad der Pünktlichkeit und Akkuratesse zu verlangen, der zur erfolgreichen Bewältigung dieser Probleme gar nicht erforderlich ist; man braucht, wie H. Feigl öfters betonte 95 , kein Rasiermesser, um Butter zu schneiden. Dennoch ist in bestimmten Situationen - und zwar meist dann, wenn die Theorie nicht bloß angewendet, sondern selbst zum Gegenstand präziser und systemati94 Suppes 95
(Il), S. 655.
Feigl und Brodbeck, S. 12.
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scher Analysen gemacht werden soll - der ausdrückliche Bezug auf eine Formalisierung der betreffenden Theorie unumgänglich.
(2) Objektivität: Unter diesem ziemlich schwammigen Begriff fasse ich hier
hauptsächlich die beiden folgenden, aus der Exaktheit resultierenden und miteinander eng verbundenen Vorzüge zusammen: (a) durch das Formalisieren der Theorie wird diese sozusagen standardisiert und gut überschaubar; dies erleichtert es den Forschern außerhalb des engeren Fachgebiets, dem die betreffende Theorie angehört, sie zu verstehen und zu wissenschaftlichen Systematisierungen (z.B. zu Erklärungen und Prognosen) in ihrer eigenen Disziplin heranzuziehen ~6; (b) Exaktheit, Standardisierung, übersichtlichkeit und interdisziplinäre Kommunizierbarkeit erleichtern auch eine möglichst strenge und vielseitige Kritik der formalisierten Theorie.
(3) Vielseitige Anwendbarkeit: Wenn man eine Formalisierung einer, der Wissenschaft W zugehörigen Theorie T relativ zu einem semantischen System S und zu einer Interpretation I in S beschreibt, dann definiert man eine Menge M von Aussagen in S, die relativ zu S und zu I eine gute übersetzung von T ist, und stellt eine Formalisierung von M relativ zu S dar; diese Formalisierung von M relativ zu S ist zugleich auch eine Formalisierung anderer, inhaltlich von Tabweichender, evtl. ganz anderen Disziplinen als W zugehöriger Theorien relativ zu S und zu irgend welchen von I verschiedenen Interpretationen in S - falls M relativ zu S und zu diesen neuen Interpretationen in S ebenfalls eine gute übersetzung jener anderen Theorien ist; von besonderem Interesse sind dabei natürlich solche Interpretationen in S, bei denen alle Elemente von M S-wahr sind. Dies bedeutet nicht nur eine große Arbeitsersparnis, sondern offenbart zugleich eine unter logischen Gesichtspunkten wichtige Einheit in der inhaltlichen Vielfalt der einzelnen wissenschaftlichen Theorien n.
Mögen auch derartige Logikanwendungen in vielen wissenschaftlichen Disziplinen, z.B. auch in großen Bereichen der Wirtschaftswissenschaft, zur Zeit noch verfrüht sein, da notwendige begriffliche Vorarbeiten erst zu leisten sind, so sollten doch die erwähnten Vorzüge des Formalisierens wissenschaftlicher Theorien dazu fUhren, daß jene Vorarbeiten verstärkt in Angriff genommen werden, um dadurch möglichst schnell die Grundlagen für zahlreiche und fruchtbare Anwendungen der Logik auf die Ökonomie zu schaffen.
96 97
Koopmans, S. 145, und Suppes (1I), S. 654/655. Koopmans, S. 144.
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Logik vs. Mathematik in den Wirtschaftswissenschaften Von Lothar Czayka An die ,Mathematisierung' der Wirtschaftswissenschaften wurden und werden große Hoffnungen in bezug auf den Fortschritt dieser Wissenschaften geknüpft. Die Rezeption bestimmter Teile der Mathematik - insbesondere der Infinitesimalrechnung, der Linearen Algebra und der Theorie der Differenzen- und Differentialgleichungen - hat jedoch in der Ökonomik bisher weder die empirische Forschung im Sinne des Popperschen Programms gefördert l noch zu einer besonderen Sensibilisierung für logische Unkorrektheiten und auch kaum zu einer Raffinierung der erkenntnistheoretischen Vorstellungen gefUhrt. Von einer Rezeption der formalen Logik dürfte zumindest in bezug auf die beiden letztgenannten Punkte mehr erwartet werden 2 - allerdings nur dann, wenn die Ökonomen die formale Logik nicht wieder nur als eine ,Sprache', sondern als ein Instrument der Selbst- und Fremdkritik betrachten würden 3 . Im einzelnen könnte dann vielleicht das Auftreten etwa folgender logischmethodologiseher Unkorrektheiten zunächst besser aufgedeckt und schließlich vermindert werden: logisch defekte Fragestellungen4 logisch defekte Definitionen logische Widersprüche logisch unkorrekte Schlußfolgerungen 1 Nach einer kurzen Zeit der Lippenbekenntnisse zur Poppersehen Wissenschaftstheorie wurden eiligst die weniger restriktiven Wissenschaftslehren von Kuhn und Feyerabend aufgegriffen, die auch mit der hausgemachten Methodologie von Mi/ton Friedman besser zu vereinbaren sind. Zur Kritik der empirischen Forschungspraxis in der Ökonomik siehe etwa: G. Schanz, "Zwei Arten des Empirismus", in: Zeitschrift ftir betriebswirtschaftliche Forschung, 27. Jahrgang, Neue Folge, Heft 5, Mai 1975, S. 307-331; L. Czayka (Hrsg.), Erkenntnisprobleme der Ökonometrie, Meisenheim a.GI. 1978. 2 Ich betrachte zwar die Mathematik als einen Zweig der formalen Logik. Aber ich glaube, daß die Beschäftigung mit allgemeineren logischen Zusammenhängen andere Wirkungen hervorruft als die Beschäftigung mit sehr speziellen logischen Problemen. 3 Zur These von der Mathematik als ,Sprache' siehe etwa: P. A. Samuelson, "Ökonomische Theorie und Mathematik", in: R. Jochimsen/H. Knobel (Hrsg.), Gegenstand und Methoden der Nationalökonomie, Köln 1971, S. 204-214. 4 Zu einer ersten Einführung in die Fragenlogik siehe etwa: M. Bunge, Scientific Research I, Berlin u.a. 1967, S. 165-213.
9 Kamitz
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Lothar Czayka
Rela tionsverkÜIZungen 5 Konfundierung von Definitionen und Theorien Modus-Konfusionen 6 Einführung quantitativer Prädikate ohne empirische Grundlage 7 Verwendung nicht falsifizierbarer ,Hypothesen' und ,Theorien' als Prämissen für Erklärungen und Prognosen 8 induktivistische oder instrumentalistische Begründung von Hypothesen und Theorien 9 • Eine Fundgrube für Beispiele vieler solcher logisch-methodologischer Defekte bildet die weitverbreitete ,Volkswirtschaftslehre' von P. A. Samuelson. An Hand einiger Zitate aus diesem Lehrbuch 10 möchte ich im folgenden die These belegen, daß mathematische Bildung in der Ökonomik nicht in jedem Falle das logische Denken schärft 11, 12 • (1) Logisch defekte Definitionen
Samuelson (Bd. I, S. 42):
,,Definition: Güter sind ,wirtschaftlich knapp', weil es nur begrenzte Mengen menschlicher und sachlicher Produktionsmittel gibt, mit deren Hilfe in Verbindung mit dem besten verfügbaren technischen Wissen auch nur begrenzte Mengen von jedem Gut hergestellt werden können. Das bringt die Kapazitätslinie deutlich zum Ausdruck. Bisher ist noch nirgendwo in der Welt das Güterangebot so reichlich oder der Bedarf so gering, daß jedermann mehr hat, als er sich wünscht."
5 Unter einer "Relationsverkürzung" verstehe ich das meist unbewußte Weglassen einer oder mehrerer ArgumentsteIlen eines mehrsteIligen Prädikats, z.B. die Verwendung des Prädikats ,vollständig' als Eigenschaftsprädikat. 6 Hier denke ich vor allem an eine Konfundierung des assertorischen und des normativen Aussage-Modus. 7 Siehe etwa: R. L. Basmann, "The Brookings Quarterly Econometric Model: Science or Number Mysticism?", in: L. Czayka (Hrsg.), Erkenntnisprobleme der Ökonometrie, Meisenheim a.G. 197.8, S. 159-207. 8 Siehe dazu den immer noch aktuellen Aufsatz: H. Albert, "Modell-Platonismus", in: F. Ka"enbergjH. Albert (Hrsg.), Sozialwissenschaft und Gesellschaftsgestaltung, Berlin 1963, S. 45-76. 9 Zur Kritik des Induktivismus in der Ökonometrie siehe: K. Brunner, "Einige Reflexionen über den Stand der ökonometrischen Praxis", in: L. Czayka (Hrsg.), Erkenntnisprobleme der Ökonometrie, Meisenheim a.G. 1978, S. 118-138; zur Kritik des Friedman· sehen Instrumentalismus siehe: P. Urban, Zur wissenschaftstheoretischen Problematik zeitraumüberwindender Prognosen, Köln 1973, S. 78-103. 10 P. Samuelson, Volkswirtschaftslehre 1/11 (deutsche Übersetzung nach der neunten amerikanischen Auflage von 1973), Köln 1975. 11 P. A. Samuelson ist bekanntlich ein Exponent der ,Mathematischen Wirtschaftstheorie'. 12 Eine logische Analyse marxistischer Ökonomik wäre zwar ebenso lohnend, aber während Marxisten im allgemeinen ein distanziertes Verhältnis zur ,bürgerlichen' formalen Logik haben, schreibt Samuelson ausdrücklich: "Logische Argumentation ist der Schlüssel zur Beherrschung der grundlegenden Prinzipien der Ökonomie ... " (Bd. I, S. 22).
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Kritik Unter einer "Definition" versteht man in der Wissenschaft normalerweise die Setzung einer Bedeutungsäquivalenz zwischen bestimmten Ausdrücken einer Sprache. Korrekte Definitionen enthalten folglich keinerlei empirische Behauptungen. Eine formal einigermaßen korrekte Definition 13 des wirtschaftswissenschaftlichen Knappheitsbegriffs würde etwa folgendermaßen aussehen: ,Gut x ist in der Gesellschaft g zur Zeit t knapp' ist ex definitione logisch äquivalent mit ,Die in der Gesellschaft g zur Zeit t gewünschte Menge des Gutes x ist größer als die in der Gesellschaft g zur Zeit t verfügbare Menge des Gutes x'. Natürlich bin ich nicht der Meinung, daß Definitionen in einführenden Lehrbüchern in einer solchen Form dargeboten werden sollten. Ich bin jedoch der Meinung, daß Definitionen auch - oder gerade auch - in einführenden Lehrbüchern gewissen logischen Grundanforderungen genügen sollten 14. (2) Logisch unkorrekte Schlußfolgerungen Samuelson (Bd. I, S. 219): "Wenn Gleiche gleich besteuert werden sollen, dann kann man daraus schließen, daß Ungleiche ungleich besteuert werden müssen." Kritik Daß es sich bei dieser Aussage um einen logisch gültigen Schluß handeln soll, ist in der deutschen Fassung unzweifelhaft 15 . Daß dieser Schluß jedoch nicht korrekt ist, das kann man sich schon durch die einfache überlegung klar machen, daß ein Gleichbesteuerungsgebot in bezug auf Gleiche auch dann erfüllt ist, wenn alle - Gleiche und Ungleiche - gleich besteuert werden l6 . (3) Konfundierung logischer und empirischer Erkenntnis (a) Samuelson (Bd. II, S. 86/87): "Gesetz des gleichen Grenznutzens pro Dollar. Jedes Gut - wie zum Beispiel Zucker - wird bis zu dem Punkt nachgefragt, an dem der Grenznutzen des dafür ausgegebenen Dollars (oder Penny) genau gleich 13 Eigentlich dürfte es sich hier eher um eine ,Explikation' handeln. Auf diese Unterschiede wollen wir jedoch hier nicht eingehen. Unsere Kritik bleibt davon unberührt. 14 Siehe etwa: E. v. Savigny, Grundkurs im wissenschaftlichen Definieren, 4. Aufl., München 1976. 15 Im Original heißt es allerdings nur: "If equals are to be taxed equally, then there is a presumption that unequais are to be taxed unequally." 16 Zur Aneignung elementarer logischer Kenntnisse im Selbststudium: E. v. Savigny,. Grundkurs im logischen Schließen, München 1976.
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ist dem Grenznutzen eines Dollar (oder Penny), der für jedes beliebige andere Gut - wie etwa Salz - ausgegeben wurde." "Wenn genügend Wirtschaftssubjekte so handeln, ist unsere wissenschaftliche Theorie bestimmt eine wirklich gute Annäherung an die Tatsache des Wirtschaftslebens."
Kritik Von jenem ,Gesetz' sagt Samuelson, daß es nicht nur ein ökonomisches Gesetz, sondern auch ein Gesetz der Logik sei (Bd. 11, S. 86 unten). In der obigen Fonnulierung ist es jedoch weder das eine noch das andere, sondern - wegen der zumindest bisher nicht gelösten Probleme der Nutzenmessung 17 - nur eine empirisch nicht überprüjbare Behauptung. In korrekter Fonnulierung dagegen ist das ,Zweite Gossensche Gesetz' tatsächlich ein ökonomisch interpretiertes logisch-mathematisches Gesetz aus dem Bereich der Differentialrechnung l8 . Aber daß logische Wahrheit und empirischer Gehalt sich gegenseitig ausschließen, gehört immer noch zu den elementarsten und allgemein akzeptierten Erkenntnissen der modernen Wissenschaftstheorie 19.
(b) Samuelson (Ed. 1/, S. 178): "Wenn ein Unternehmen die Kosten- und Erlöskalkulation völlig vernachlässigt, wird es nach dem Darwinschen Gesetz vom Überleben des Tüchtigsten bald von der ökonomischen Bühne verschwinden. Deshalb kann den Unternehmen, die tatsächlich überleben, die Gewinnmaximierung nicht ganz gleichgültig sein." Kritik Nimmt man diese Argumentation wörtlich, so ist sie - unabhängig davon, wie man das Wort ,deshalb' interpretiert - absolut unkorrekt, weil Kosten- und Erlöskalkulation keineswegs immer mit der Zielsetzung der Gewinnmaximierung verbunden sein muß. 17 Auch durch den Ordinalismus und den Behaviorismus (,revealed preferences') sind diese Probleme nicht gelöst worden. Siehe: H. Albert, "Zur Theorie der Konsumnachfrage", in: G. Eberlein u.a. (Hrsg.), Forschungslogik der Sozialwissenschaften, Düsseldorf 1974, S. 227-283. 18 In Samuelsons Merksatz fehlt die Prämisse der Nutzenmaximierung. Sie ist allerdings im weiteren Kontext zl1 finden. 19 Erstaunlicherweise ist Samuelson dieser Zusammenhang nicht unbekannt. In dem bereits zitierten Aufsatz "Ökonomische Theorie und Mathematik" (zuerst erschienen 1952) schreibt er: "Schließlich ist klar, daß es auf keinem Gebiet apriori empirische Wahr.heiten geben kann. Wenn ein Sachverhalt eine apriori unwiderlegliche Wahrheit enthält, muß er leer an empirischem Gehalt sein." (a.a.O., S. 210). Möglicherweise will er diese Einsichten den höheren Semestern vorbehalten. Falls es so wäre, würde ich diese didaktische Auffassung für äußerst problematisch halten.
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Geht man dagegen davon aus, daß mit ,Kosten- und Erlöskalkulation' auch im ersten Satz schon die Zielsetzung der Gewinnmaximierung gemeint und das Wort ,deshalb' in einem logischen Sinne zu interpretieren ist, dann sieht die logische Struktur dieser Argumentation - etwas vereinfacht - etwa folgendermaßen aus: ,Wenn ein Unternehmen nicht nach Gewinnmaximierung strebt, dann wird es nicht lange existieren. Folglich: Wenn ein Unternehmen schon länger existiert, dann strebt es nach Gewinnmaximierung' Das ist zwar ein aussagenlogisch korrekter Schluß, aber über die empirische Geltung der Gewinnmaximierungshypothese sagt er uns überhaupt nichts, obwohl dieser Eindruck bei oberflächlicher Betrachtung entstehen mag.
(c) Samuelson (Bd. I, S. 371, Fußnote 12): "Hier sei angemerkt, daß die naive Quantitätstheorie richtig wäre, wenn in der folgenden Fassung der tautologischen Verkehrsgleichung p == (V/Q)M der Ausdruck in der Klammer eine strikte Konstante wäre. Wenn also sowohl V als auch Q sich kaum veränderten beziehungsweise wenn sich ihre Veränderungen jeweils ausglichen, hätte die naive Quantitätsgleichung recht." Kritik Samuelson sagt hier im Prinzip etwa folgendes: Wenn das, was in der naiven Quantitätstheorie behauptet wird, richtig wäre, dann wäre auch die naive Quantitätstheorie richtig. Auf diese Weise kann man natürlich jede beliebige Theorie ,rechtfertigen'. Im übrigen ist die ganze Verwirrung, die die meisten Varianten der Quantitätstheorie kennzeichnet, m.E. dadurch entstanden, daß man die definitorische Identität V == (PQ)/M unterlaubterweise algebraisch manipuliert und anschließend vergessen hat, daß es in P == (V/Q)M nur drei logisch unabhängige Variable gibt, nämlich M, P und Q.
(4) Konfundierung des assertorischen und des normativen Aussage-Modus Samuelson (Bd. II, S. 218): Nunmehr können wir das Rätsel der Sphinx - wie das von zwei (oder ~ehr) kooperierenden Faktoren gemeinsam erstellte Gesamtprodukt auf diese Faktoren zu verteilen ist - durch Anwendung des Grenzproduktsbegriffs lösen. John Bates Clark, ein prominenter Ökonom der Columbia University, legte um 1890 eine vereinfachte Verteilungstheorie vor. Sie gilt für die Preis- und Lohnbestimmung unter Wettbewerbsbedingungen und für jede beliebige Anzahl von Gütern und Faktoreinsätzen; .....
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Samuelson (Ed. 11, S. 336): "Selbst wenn der vollkommene Wettbewerb ein noch untauglicheres deskriptives Werkzeug wäre als er es ohnehin schon ist, müßten die Studenten der Wirtschaftswissenschaften ihn dennoch intensiv studieren und seine Grundsätze beherrschen lernen. Der Grund dafür ist von den deskriptiven Eigenschaften des Modells unabhängig; er liegt darin, daß das Wettbewerbsmodell äußerst wichtig ist für die Beschaffung eines Maßstabes zur Abschätzung der Leistungsfähigkeit eines Wirtschaftssystems. " Kritik Das erste Zitat gibt zu der Frage Anlaß: Worum handelt es sich denn nun bei der Grenzproduktivitätstheorie der Einkommensverteilung? Um eine Theorie oder um ein normatives Prinzip? Samuelsons Antwort ist im zweiten Zitat enthalten: Es handelt sich um beides 20 • Diese Antwort ist zwar logisch einigermaßen problematisch 21 , eröffnet jedoch große immunisierungstaktische 22 und ideologische Möglichkeiten. Die immunisierungstaktische Möglichkeit besteht darin, daß man eine empirisch falsifizierte oder empirisch nicht falsifizierbare Theorie immer noch in den Rang eines normativen Prinzips erheben kann. Von dieser Möglichkeit macht Samuelson ausdrücklich Gebrauch. Er übersieht jedoch, daß ein empirisch nicht falsifizierbares Aussagen-System wie die Grenzproduktivitätstheorie 23 auch in normativer Interpretation unbrauchbar ist, weil auch eine Norm im Hinblick auf ihre Einhaltung oder Nichteinhaltung empirisch überprüfbar sein muß 24 • Im übrigen gibt es weder eine empirische noch eine logische Rechtfertigungsmöglichkeit für die Behauptung, daß das ,physische Grenzprodukt' etwa eines Arbeiters - falls es in der Praxis überhaupt erfaßtbar sein sollte - seinem ,produktiven Beitrag' im Rahmen eines kooperativen Pro20 In diesem Punkt zeigt sich eine methodologische Parallele zum Marxismus. Siehe: eh. Helberger, Marxismus als Methode, Frankfurt a.M. 1974, S. 40 ff. 21 Eine Aussage ist im normativen Modus u.a. nur dann sinnvoll, wenn sie im Behauptungsmodus falsch ist. Zur Einführung in die Normenlogik siehe: F. v. Kutschera, Einführung in die Logik der Normen, Werte und Entscheidungen, FreiburgjMünchen 1973. 22 Hier meine ich die ,Immunisierung' empirischer Theorien gegen empirische Kritik. 23 Der sogenannte ,Grenzproduktivitätssatz' - exhaustive Verteilung des Gesamtprodukts nach Maßgabe der Grenzproduktivitäten der verschiedenen Faktoren - ist ein logisches Implikat der Prämissen ,vollkommene Konkurrenz auf allen Märkten', ,rationales Verhalten aller Wirtschaftssubjekte' - insbesondere ,Gewinnmaximierungsstreben der Unternehmer' - und ,linear-homogene Produktionsfunktionen'. Zur Kritik der Grenzproduktivitätstheorie siehe: H. Albert, Marktsoziologie und Entscheidungslogik, Neuwiedj Berlin 1967, S.462-469;B. Gahlen, Der Informationsgehalt der neoklassischen Wachstumstheorie rur die Wirtschaftspolitik, Tübingen 1972, S. 267 f. 24 In bezug auf diesen Punkt ist das gesamte neoklassische Effizienz-Denken kritisch zu beurteilen. Siehe: H. Albert, Marktsoziologie und Entscheidungslogik, NeuwiedjBerlin 1967, S. 75 f.
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duktionsprozesses entspreche25 . Das sogenannte ,Zurechnungsproblem' wird hier durch den suggestiven Terminus ,Grenzprodukt eines Faktors' nur scheinbar objektiv gelöst 26 . Die ideologische Problematik einer assertorisch-normativen Doppelinterpretation wissenschaftlicher Aussagen führt in die Werturteilsdebatte, die wir hier nicht aufrollen möchten 27 • (5) Logisch defekte methodologische Auffassungen
Ich zitiere eine Auswahl der von Samuelson hie und da eingestreuten methodologischen Bemerkungen. Bd. I, S. 22: "Die wichtigste Aufgabe der modernen Wirtschaftswissenschaft besteht in der Beschreibung, der Analyse und der Erklärung von Phänomenen wie Produktion, Arbeitslosigkeit, Preisen und ihrer Beziehungen untereinander." Bd. I, S. 26: "Richtig verstanden, können Theorie und Beobachtung, Deduktion und Induktion nicht in Konflik miteinander geraten." Bd. I, S. 370: "Probieren geht über Studieren; der Test für jede Theorie ist ihre Übereinstimmung mit den Tatsachen." Bd. I, S. 96/97: "Die ,ceteris-paribus-Klausel'. Wenn wir eine Nachfragefunktion für Weizen
ermitteln wollen, so verändern wir den Preis und stellen fest, wie die nach-
gefragte Menge darauf reagiert, während alle übrigen Faktoren konstant gehalten werden, um das Ergebnis des Experiments nicht zu verfälschen . ... Natürlich können wir in der Wirtschaftswissenschaft kaum kontrollierte Experimente wie in einem Laboratorium durchführen, und genausowenig kann man wirklich bei statistischen Beobachtungen alle übrigen Faktoren konstant halten. Diese Beschränkung der empirischen Methoden in der Wirtschaftswissenschaft macht es um so notwendiger, eine klare und logisch einwandfreie Theorie zu haben. Nur dann können wir hoffen, wichtige Tendenzen und ihre Folgen zu erkennen, wie zum Beispiel die Wirkung von P auf die nachgefragte Menge Q, wenn gleichzeitig andere Dinge auf die Situation einwirken." 2S
Eine solche Zurechnung kann allenfalls aus der Sicht des Unternehmers als zweck-
mäßig betrachtet werden.
26 Um Mißverständnissen vorzubeugen: Ich halte dieses Problem für wissenschaftlich prinzipiell unlösbar. 27 Siehe etwa: H. Albert/E. Topitsch (Hrsg.), Werturteilsstreit, Darmstadt 1971; M. Schmid, Leerformeln und Ideologiekritik, Tübingen 1972.
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Bd. I, S. 27:
"Die pure Nachahmung der naturwissenschaftlichen Methoden führt beim Studium der Menschen ,md der Gesellschaft zu nichts. Trotzdem gibt es keinen Ersatz für das geduldige Sammeln von Tatsachen und ihre systematische Analyse. So hat die moderne Biologie große Fortschritte durch die Anwendung mathematischer Methoden gemacht - trotz der früheren Warnung gegen die Imitation der naturwissenschaftlichen Methoden."
Bd. I, S. 91:
"Dieses Gesetz entspricht dem ,gesunden Menschenverstand' ... Steigt der Weizenpreis ins Unermeßlich,e, so können sich nur noch reiche Leute Weizen leisten; die Armen müssen sich mit Roggenbrot begnügen - genauso wie es heute noch in ärmeren Ländern der Fall ist. ... Damit haben wir den ersten Grund für die Gültigkeit des Gesetzes der abnehmenden Nachfrage gefunden: Wird der Preis gesenkt, werden neue Käufer angelockt. Ein zweiter Grund, der ebenso wichtig ist, liegt nicht ganz so klar auf der Hand. Eine Preissenkung kann auch die bisherigen Käufer dazu veranlassen, ihre Nachfrage nach diesem Gut zu erhöhen."
Bd. I, S. 24:
"Bei strenger Überprüfung kann sich der ,gesunde Menschenverstand' als purer Unverstand erweisen."
Bd. II, S. 36:
"Wir analysieren die Wettbewerbspreisbildung nicht um ihrer selbst willen, auch nicht wegen ihrer Realistik, denn oftmals verderben Monopolelemente dieses schöne Bild des Wettbewerbs. Wir analysieren die Wettbewerbspreisbildung, weil sie uns über die Effizienz Aufschluß gibt, mit der die Ressourcen einer Volkswirtschaft organisiert sind."
Bd. II, S. 336:
"In jeder Wissenschaft behandeln die Gelehrten größtenteils das, was ist oder was unter diesen oder jenen Bedingungen eintreten wird. Die Aufgabe der positiven Beschreibung muß so frei wie menschenmöglich von jedem Wunschdenken gehalten werden und von allen ethischen Absichten hinsichtlich dessen, was sein soll. Warum? Weil die Wissenschaftler kaltblütige Roboter sind? Nein, sondern deshalb, weil die Erfahrung immer wieder zeigt, daß das Geschäft der positiven Deskription besser gelingt, wenn man versucht, objektiv zu sein. (Die Erfahrung zeigt aber auch, daß es uns Menschen trotz aller Bemühungen niemals gelingt, die objektiven Aspekte einer Disziplin vollkommen voneinander zu trennen.)"
Kritik (a) Ich bin keineswegs der Meinung, daß in einem einführenden ökonomischen Lehrbuch ein in allen Feinheiten ausgearbeitetes methodologisches Programm enthalten sein sollte. Wenn man sich jedoch in einem
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solchen Buch überhaupt auf methodologische Erörterungen einläßt, dann sollten sie zumindest etwas konsistenter sein. (b) Die Behauptung, daß ,Theorie' und Beobachtung - ,recht verstanden'nicht miteinander in Konflikt geraten könnten, kann wohl nur so gedeutet werden, daß. die ,Theorie' entweder nicht falsifizierbar formuliert wird oder daß ihr Geltungsanspruch von vornherein nur auf konforme Beobachtungen beschränkt wird. Legt man den Hempelschen Erklärungsbegrif(l8,29 zugrunde, kann eine solche ,Theorie' ihre Erklärungsaufgabe in beiden Fällen nicht erfüllen. Im übrigen ist es merkwürdig, daß Samuelson an anderer Stelle einen Test der ,Theorie' an Hand von Tatsachen überhaupt ins Auge faßt. Auf dem Hintergrund der Behauptung, daß ,Theorie' und Beobachtung eigentlich nicht in Konflikt geraten könnten, müßte ein solcher Test doch als überflüssig erscheinen. (c) Inwiefern die logische Korrektheit ökonomischer Theorien und das Denken von kontrollierten Experimenten die praktische Unmöglichkeit der Durchführung solcher Experimente in irgendeinem Sinne kompensieren können, ist völlig unklar 30 • (d) Die naturwissenschaftliche Methodik betrachtet Samuelson offenbar als eine Kombination von Mathematik und kontrollierten Labor-Experimenten. Inwieweit diese Vorstellung zutreffend ist, sei dahingestellt 3!. Allein aufgrund der Lektüre von Samuelsons ,Volkswirtschaftslehre' dürfte es dem Leser jedoch ziemlich unklar sein, welche Art von Fortschritten in der Wirtschaftswissenschaft sich Samuelson von der Rezeption nur einer Komponente der naturwissenschaftlichen Methodik - nämlich der Mathematik - verspricht. Einen gewissen Aufschluß bringt die Lektüre seines Aufsatzes "Ökonomische Theorie und Mathematik"32: Samuelson betrachtet die Mathematik vor allem als eine besonders präzise und rationelle Sprache, die in allen wissenschaftlichen Bereichen ohne weiteres anwendbar sei. 28 Siehe: C. G. Hempel, Aspekte wissenschaftlicher Erklärung, Berlin/New York 1977.
29 Samuelson versteht unter einer ,Erklärung' offenbar nur eine Beschreibung von Beobachtungsdaten mit anderen Worten. 30 Zur Problematik der sogenannten ,Gedanken-Experimente' siehe: C. G. Hempel, "Typologische Methoden in den Sozialwissenschaften", in: E. Topitsch (Hrsg.), Logik der Sozialwissenschaften, 9. Aufl., Köln 1976, S. 85-103; K. R. Popper, Logik der Forschung, 6. Aufl., Tübingen 1976, S. 397 ff. 3! Als grobe Skizze mag sie - zumindest im Hinblick auf die Physik - vielleicht ganz akzeptabel sein. ' 32 P. A. Samuelson, "Ökonomische Theorie und Mathematik", in: R. Jochimsen/H. Knobel (Hrsg.), Gegenstand und Methoden der Nationalökonomie, Köln 1971, S. 204-214.
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Diese weitverbreitete Auffassung halte ich fur einen folgenschweren Irrtum 33,34. Bei der Mathematik handelt es sich allenfalls um eine Kollektion von besonders präzise ausgearbeiteten logischen Grammatiken ftir quantitative Begriffe 35 . Grammatiken sind aber keine Sprachen, sondern enthalten nur syntaktische R egeln 36 für bestimmte Sprachen. Abgesehen davon, daß die Mathematik keine Sprache ist, ist ihre Anwendung nur in Verbindung mit empirisch wohlbegründeten quantitativen Begriffen sinnvoll 37 . (e) Samuelsons Einschätzung des ,gesunden Menschenverstandes' als Erkenntnisquelle ist offenbar sehr widersprüchlich. Während er diese Instanz gelegentlich zur Begründung der Gültigkeit ökonomischer ,Gesetze' heranzieht, spricht er ihr an anderer Stelle sein Mißtrauen aus. Diese Widersprüchlichkeit bewahrt ihn in diesem Falle allerdings vor anderen Einwänden. (f) Da die Theorie der Preisbildung bei vollkommener Konkurrenz einem empirischen Test nicht zugänglich ist, kann man aus ihr - wie schon gesagt - auch keine gehaltvolle Norm herausdestillieren. (g) Gegenüber dem Problem der Objektivität der Wissenschaft zeigt Samuelson sich einigermaßen hilflos, weil er dabei nur an den einzelnen Wissenschaftler denkt. Die ,Objektivität' der Wissenschaft wird jedoch - wenn überhaupt - nur durch die kritische Diskussion in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit, also durch bestimmte soziale Mechanismen, erzeugt, wobei der formalen Logik als einem Instrument der Kritik hervorragende Bedeutung zukommt 38. Daß Samuelson selbst das ,Geschäft der positiven Deskription' nicht besonders gut gelungen ist, zeigen Aussagen wie die folgenden: Samuelson (Bd. II, S. 37): "Jede willkürliche Einmischung in das Spiel von Angebot und Nachfrage unter Wettbewerbsbedingungen ist - von einigen Ausnahmen abgesehen - eher schlecht als gut zu nennen." 33 Ich halte diesen Irrtum für folgenschwer, weil er in der Ökonomik eine Mathematisierung ohne empirischen Unterbau gefördert und damit zu einer Degeneration der Ökonomik in Richtung auf eine Formalwissenschaft geführt hat. 34 Oft werden auch die Systeme der formalen Logik als ,Sprachen' bezeichnet. Diese Auffassung ist m.E. ebenso irreftihrend wie im Falle der Mathematik. Auch bei den LogikSystemen handelt es sich nur um grammatische Systeme. 35 Die nicht-quantitativen Bereiche der Mathematik rechne ich zur formalen Logik. 36 Ich lege hier einen sehr weiten Begriff von ,Syntax' zugrunde, der das, was in der Logik als ,Semantik' bezeichnet wird, mit umfaßt. 37 Zu den empirischen Voraussetzungen für die Einführung quantitativer Begriffe siehe etwa: C. G. Hempel, Grundzüge der Begriffsbildung in der empirischen Wissenschaft, Düsseldorf 1974; B. Orth, Einführung in die Theorie des Messens, Stuttgart u.a. 1974, S. 11-42. 38 Siehe: K. R. Popper, "Die Logik der Sozialwissenschaften", in: Th. W. Adorno u.a., Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, 3. Aufl., DarmstadtjNeuwied 1974, S.103-123.
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Samuelson (Bd. II, S. 337): "Unter den Bedingungen des vollkommenen Wettbewerbs, wenn alle Preise schließlich allen Grenzkosten gleich sind und alle Faktorpreise schließlich den Werten der Grenzprodukte gleichen und alle Gesamtkosten minimiert sind und wenn die wahren Wünsche und das Wohl: ergehen der Individuen alle durch die in ihren Dollarstimmen ausgedrückten Grenznutzen repräsentiert sind - dann hat das resultierende Gleichgewicht hinsichtlich seiner Leistungsfähigkeit die Eigenschaft, daß ,man niemandem etwas zukommen lassen kann, ohne einem anderen etwas wegzunehmen'." Abgesehen davon, daß der erste Merksatz einige Hintertüren enthält, bringen beide Zitate im wesentlichen nur ein bombastisch verbrämtes Werturteil zugunsten marktwirtschaftlicher Systeme auf der Grundlage eines fiktiven Effizienzmaßstabs zum Ausdrucks 39,40 • (h) Insgesamt sind Samuelsons methodologische Bemerkungen durch eine äußerst inkonsistente Komposition der verschiedensten methodologischen Prinzipien - insbesondere empiristischer und rationalistischer Prinzipien - gekennzeichnet. Die Aufgabe der hier vorgetragenen Kritik bestand darin, am Beispiel eines prominenten Vertreters der ,Mathematischen Wirtschaftstheorie' zu zeigen, daß die Beschäftigung mit Mathematik in der Ökonomik nicht in jedem Falle zu einer Schärfung des logischen Denkens führt. Diese Kritik mag als kleinlich-sezierend und destruktiv empfunden werden. Kleinlich-sezierend ist logische Kritik vielleicht 41 , aber sie ist nicht nur destruktiv, sondern auch konstruktiv. Sind logische Fehler einmal aufgedeckt, können sie im allgemeinen geheilt und künftig vermieden werden, und das gehört zu den elementarsten Voraussetzungen für wissenschaftlichen Fortschritt in allen Disziplinen. Da die formale Logik nicht auf quantitative Aussagen beschränkt ist, sind die Voraussetzungen für ihre Anwendung wesentlich weniger restriktiv als die Voraussetzungen für die Anwendung der Mathematik. Aus diesen Gründen halte ich ein logisches Propädeutikum in wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen für mindestens ebenso wichtig wie das bereits eingeführte mathematische Propädeutikum.
39 Siehe: H. Albert, Marktsoziologie und Entscheidungslogik, Neuwied/Berlin 1967, S. 37-91; Th. Pütz, Grundlagen der theoretischen Wirtschaftspolitik, 3. Aufl., Stuttgart 1975, S. 98/99. 40 Marktwirtschaftliche Systeme können mit wesentlich besseren Argumenten verteidigt werden. Siehe etwa: F. A. v. Hayek, "Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren", in: F. A. v. Hayek, Freiburger Studien, Tübingen 1969, S. 249-265. 41 Im Hinblick auf Samuelsons ,Volkswirtschaftslehre' hätte diese Kritik noch wesentlich detaillierter sein können. Ich habe in diesem Rahmen nur auf die gröbsten Defekte hingewiesen.
Die Logik preistheoretischer Ansätze Von Hans G. Knapp 1. Die formalen Voraussetzungen der Preis-Absatzfunktion Im Zentrum wirtschaftswissenschaftlicher Überlegungen steht seit geraumer Zeit die Frage nach der Aufhellung des fundamentalen Zusammenhangs der den sogenannten Marktmechanismus ausmacht. Soll diese intuitive Vorstellung einer Präzisierung näher gebracht werden, konzentriert man sich insbesondere auch auf die engere Fragestellung nach dem Zusammenhang zwischen den Preisen der auf dem Markt angebotenen Güter und der bei diesen Angebotspreisen auftretenden Absatzmengen 1. Dabei tritt stets folgendes formale Grundkonzept auf: Der Zusammenhang zwischen Preis und entsprechender Absatzmenge ist als mathematische Funktion darstellbar, die kurz Preis-Absatz-Funktion 2 genannt wird. Setzt man p als Zeichen des Angebotspreises und x (der in der Ökonomie herrschenden Gepflogenheit entsprechend) als Zeichen der Ab satzmenge , erhält man der oben angedeuteten Strukturvorstellung entsprechend als Zeichen der Preis-Absatzfunktion: x =f(P). Hiermit gelangt folgende Auffassung dieses grundlegenden Zusammenhangs zum Ausdruck: (I) Die "Variablen" "Preis" und "Absatz" entsprechen mathematischen Mengen von Werten, die beim Angebot eines bestimmten Gutes auf dem vorliegenden Markt zumindest prinzipiell beobachtet werden können. Dem ,,Preis" steht die Menge P der Angebotspreise p gegenüber, die als Elemente dieser Menge gelten. Der Anbieter verlangt in jedem konkreten Angebots1 Diese Problemstellung bildet nur einen kleinen Ausschnitt aus dem angestrebten Fragenkoniplex. Es soll also keineswegs behauptet werden, daß sich letzten Endes alle wirtschaftswissenschaftlichen Überlegungen auf diese Frage reduzieren lassen. Unter der hier verfolgten wissenschaftstheoretischen Zielsetzung der Untersuchung von wirtschaftswissenschaftlichen Modellstrukturen allerdings erscheint diese Einschränkung sinnvoll, da die an zentraler Stelle auftretende formale Funktionsstruktur auch bei der Analyse anderer wirtschaftswissenschaftlicher Probleme eine zentrale Rolle spielt (z.B. Konsumfunktion, Reaktionsfunktion usf.). 'J. Zu der entsprechenden Konzeption vgl. Gutenberg, S. 12 f.. Hiermit tritt insbesondere die Umkehrfunktion der bei uns behandelten ,,Absatzpreisfunktion" , als "Preisab-. satzfunktion" auf. Der Grund dafür liegt in der .bei Gutenberg noch vorherrschenden Strategie der Anpassung an den Absatzmarkt. In der vorliegenden Problemstellung interessiert dagegen die Absatzplanung selbst. Von dem in dieser Untersuchung vertretenen methodologischen Standpunkt aus spielt diese Terminologie keine wesentliche Rolle. Wir sprechen auch in diesem Falle einfach von "Preis-Absatzfunktionen".
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prozeß im Rahmen seiner Möglichkeiten einen ganz bestimmten Preis für sein Gut, d.h. er wählt ein bestimmtes Element von P aus. Von jedem Preis wird vorausgesetzt, daß der Anbieter entscheiden kann, ob er als Angebotspreis für sein Gut auf diesem Markt in Frage kommt (erzielbar ist) oder nicht 3 : Jede mathematische Menge ist ja in diesem Sinne wohldefiniert, daß für jedes Objekt entschieden werden kann, ob es zu dieser Menge gehört oder nicht. Unentschiedene Fälle treten voraussetzungsgemäß nicht auf! Entsprechendes gilt auch fur die Variable "Absatz", der die Menge X entspricht: Jede einzelne beim Anbieten des entsprechenden Gutes auf unserem Markt erzielbare Absatzmenge x 4 ,s ist Element der Menge X,jede dabei nicht erzielbare Absatzmenge gehört nicht der Menge X an. Wieder ist für jeden Absatzwert voraussetzungsgemäß entschieden, ob er zu X gehört - also erzielbar ist oder nicht' Es besteht voraussetzungsgemäß - grundsätzlich - Klarheit darüber, welche Preis-Mengen-Kombinationen überhaupt unter den vorliegenden Marktbedingungen auftreten können 6 und welche nicht. Diese strenge Voraussetzung liegt in der gewählten formalen Darstellungsweise des untersuchten Zusammenhangs durch die Preis-Absatz-Funktionen begründet! (2) Zwischen den genannten Variablen besteht ein funktionaler Zusammenhang; d.h. nur ganz bestimmte von den in der gegebenen Situation möglichen Preis-Mengen-Paaren ("Kombination") - nur bestimmte Elemente der Paarmenge - {{ X} x {P}} - gebildet aus den Mengen X und P - sind in dieser Marktlage denkbar: Ist es in diesem Sinne denkbar, daß jemand für sein Produkt auf dem Markt den Stückpreis 1 GE erhält und dabei 60 Stück absetzt, so ist es aufgrund der vorausgesetzten Funktionsstruktur zwischen Preis und Absatz nicht denkbar, daß er beim selben Stückpreis unter den selben Bedingungen auch 70 Stück absetzt: Es besteht, wie man sagt, eine 3 Diese sehr starke Forderung wird in der Folge noch eingehend diskutiert. Dabei ergibt sich die Notwendigkeit, zwischen "Modell" und "Theorie" in methodologischer Sicht zu unterscheiden! 4 Dabei ist die Dimension der einzelnen Absatzwerte nicht festgelegt: Es kann sich um Stückzahlen, um Gewichte oder um Geldeinheiten handeln. Die Frage nach der empirischen Prüfung wird also nicht gestellt. s Der Terminus "Absatzmenge" der Wirtschaftswissenschaften ist nicht mit dem mathematischen Terminus "Menge" zu verwechseln: Im erstgenannten Fall handelt es sich um eine bestimmte Zahl, die die entsprechende Nachfrage charakterisieren soll. Dagegen sind mathematische Mengen keine Zahlen, sondern häufig Ansammlungen von Zahlen. Trotzdem besteht auf der intuitiven Ebene eine gewisse Verwandtschaft zwischen den entsprechenden Begriffen, von der noch aus Anlaß der Individualisierung des bisher diskutierten Globalmodells die Rede sein wird. So betrachtet steht die Absatzmenge mit der Zahl der getätigten Kaufakte in Zusammenhang. 6 Hier ist von einer Art "Möglichkeitsfeld" die Rede. Vgl. dazu: Weinberger. Derartige Konstruktionen liegen auch der Wahrscheinlichkeitstheorie zugrunde, die auf der Struktur des Booleschen Mengenkörpers aufbaut. Damit wird zugleich der intuitive Zusammenhang mit prognostischen Fragestellungen angesprochen.
Die Logik preis theoretischer Ansätze
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in Richtung auf die Absatzmenge X eindeutige Zuordnung zwischen Preis und Absatzmenge. Diese wird durch das Zeichen f symbolisiert. Die Annahme eines funktionalen Zusammenhangs zwischen den Mengen P und X bedeutet zugleich. daß zwischen Möglichkeiten unterschiedlicher Intensität unterschieden wird: Möglich im weiteren Sinne ist jedes geordnete Paar aus der Paarmenge {{ P f x {X f f. Jedes solche Paar ist aus einem bestimmten Angebotspreis für das angebotene Gut und einer dabei erzielbaren bestimmten Absatzmenge gebildet: Unser Gut wird bei festliegenden Marktkonditionen bei einem bestimmten Angebotspreis in bestimmten Mengen abgesetzt. Viele von diesen auf rein formalem Wege gebildeten Preis-Mengen-Paaren erscheinen aber aus verschiedenen Gründen nicht plausibel. So läßt es sich auf einem "Punktmarkt"7 bei einem "homogenen Gut"7 nicht denken, daß dort unterschiedliche Absatzmengen desselben zu einem Zeitpunkt bei der Setzung eines bestimmten Angebotspreises erzielt werden: Mit anderen Worten: nur Paare, die einer eindeutigen Abbildung (= Funktion) der Menge P in die Menge X entsprechen, zählen zu den im engeren Sinne möglichen Preis-Mengen-Paaren! - Es ist klar, daß man bei diesem ersten Eingrenzungsschritt hinsichtlich der Möglichkeit bestimmter solcher Paare nicht stehen bleiben muß. - Bei der weiteren Ausgestaltung der klassischen Preistheorie geht es dementsprechend auch darum, durch das schrittweise Hinzufügen und Abändern von Voraussetzungen, die Grenzziehung zwischen diesen bei den Arten der Möglichkeit immer genauer zu präzisieren. In diesem Rahmen finden die bekannten Model/diskussionen 8 statt. 2. Die Preis-Absatzfunktion im Rahmen der Absatzprognose In diesem Zusammenhang wird in neuerer Zeit immer häufiger davon gesprochen, daß im Rahmen der solchermaßen gebildeten preistheoretischen Modelle nicht von Preis- bzw. Absatz-Feststellungen die Rede sei, sondern von entsprechenden Erwartungen 9 , die durch dieses modelltheoretische Vorgehen zu beVgl. Gutenberg, S. 178 ff. Der "Punktmarkt" wird hier inhaltlich umschrieben. Schneider schildert diese Vorgehensweise recht einprägsam, wenn er schreibt: "Der Sinn des Räsonnements am Modell besteht nur darin, das erkennbar zu machen, was unerkannt in den Voraussetzungen liegt. Unsere Sätze sind mithin Konditionalsätze von der Form: Wenn A, dann B". - Er fährt fort: ",Die Theorie ... erzählt nicht, was ist und geschieht, sondern sie bestimmt, was sein und geschehen muß, wenn bestimmte Bedingungen gegeben sind.' (Lokezitat) Die Sätze der Theorie haben immer den Charakter der Denknotwendigkeit. Gleichwohl redet man in der Wirtschaftswisserischaft >fortwährend von Theorie, ohne ihren logischen Charakter auch nur im mindesten erfaßt zu haben ( (Zitat aus: Eucken, S. 29)". E. Schneider, S. 8 f. 9 Vgl. Gutenberg, S. 56-74. Diese Begriffsbildung führt sich auf die nationalökonomische Analyse der Oligopol situation zurück, vgl. Bowley, S. 38. Die Lösung des Oligopolproblems hängt nicht nur von den objektiven Gewinnfunktionen ab, sondern zusätzlich 7
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gründen versucht werden. Allerdings erfordert die hier auf intuitiver Ebene angedeutete Unterscheidung im Hinblick auf die oben geschilderte Möglichkeit im engeren Sinne eine eingehendere logische und methodologische Präzisierung als dies bisher der Fall war. Plausible Preis-Mengen-Paare können dieser Auffassung entsprechend jedenfalls in bestimmten Marktsituationen vernünftiger Weise erwartet werden: Diese Paare werden als Prognosen, d.h. begründete Erwartungen betrachtet 10.
2.1. Ist die Absatzprognose empirisch?
Die mit Hilfe einer Preis-Absatzfunktion angestellte Absatzprognose wird heute häufig gemäß dem durch Popper ll kreierten und später durch Hempel und Oppenheim präzisierten Schema der wissenschaftlichen Erklärung etwa folgendermaßen aufgefaßt: von der Vorstellung über die Reaktion des Konkurrenten auf eigene Mengenänderungen, der erwarteten Reaktion also (vgl. dazu Schneider, S. 371 ff.). Mit anderen Worten ist der Auffassung Bowleys nach zur Lösung des Oligopolproblems die Erstellung von Reaktionsprognosen Voraussetzung. - Diese Feststellung führt zunächst zum Versuch der Einordnung der ökonomischen Theorie in eine Theorie der Verhaltensweisen (vgl. R. Frisch). Von dieser Zeit ab wird in der Theorie scharf zwischen den morphologischen charakterisierten Marktformen und den entsprechenden Verhaltensweisen unterschieden. Diese Entwicklung führt schließlich zum wichtigen Ergebnis, daß im Oligopol keine Verhaltensweise als die schlechthin vernünftige anzusehen ist. Zu jeder Verhaltensweise existiert ein entsprechendes Gleichgewicht. In dieser Betonung der Wählbarkeit von Verhaltensweisen bei gegebener Situation (Marktform) läßt sich ein Ansatz zur Ausbildung der ökonomischen Parametertheorie sehen, auf deren Boden Gutenberg steht. Er spricht in diesem Sinne von absatzpolitischen Entscheidungssituationen, die "auf unsicheren Aktions-, Reaktions- und Trenderwartungen" beruhen. (Gutenberg, S_ 57). Der dabei auftretende Erwartungsbegriff wird von ihm relativ klar auf intuitiver Ebene umschrieben: "Wenn derartige Unternehmungen vor absatzpolitischen Entscheidungen stehen, können sie nie mit Bestimmtheit sagen, zu welchen Konsequenzen ihre Maßnahmen führen werden Sie müssen immer damit rechnen, daß der erwartete Erfolg nicht eintritt, ... ". Mit der Ausbildung dieses allgemeinen Erwartungsbegriffs auf intuitiver Ebene - er ist nicht mehr auf die Behandlung des Oligopols und damit auf Reaktionen der Konkurrenten beschränkt - ist der Weg frei zu der im folgenden analysierten Entwicklung der preistheoretischen Modellbildung, wobei Gutenberg allerdings noch von einem eingeschränkten Begriff der wirtschaftlichen Rationalität ausgeht, der eng mit dem von ihm formulierten "erwerbswirtschaftlichen Prinzip" zusammenhängt. (Vgl. Gutenberg, S. 178 ff.). 10 Vgl. Stegmüller (1), ~. 171 ff., und programmatisch im Aufgabenkatalog für die künftige Wissenschaftstheorie S. 77 5 f. Er unterscheidet dort treffend zwischen zwischen "Vernunfts"- und "Seinsgrunden". Diese Gedanken werden durch Stegmüller im vierten Band seines Werkes aus Anlaß der wissenschaftstheoretischen Analyse der statistischen Verfahren weitergeführt. (Vgl. Stegmüller (11), S. 280 ff.) Auf die hier angesprochenen Zusammenhänge habe ich mehrfach aufmerksam gemacht. (Vgl. Knapp (I) und Knapp (11»_ Eine ausführliche Darstellung und Analyse dieser erkenntnistheoretischen Situation findet man in meiner Habilitationsschrift: Knapp (IV). 11 Vgl_ K.R. Popper: Logik der Forschung. 3_ AufL, Mohr, Tübingen 1969, S. 54 f. Siehe dazu auch: E. Schneider, S. I, wo er die Rolle der Wirtschaftstheorie mit der der theoretischen Physik vergleicht! -
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Liegt ein bestimmter Angebotspreis p fur unser Gut auf dem Markt M vor, so läßt sich mit Hilfe der gegebenen Preis-Absatzfunktion das Auftreten einer ganz bestimmten Absatzmenge x dieses Gutes auf M prognostizieren. Die Begründung der entsprechenden Absatzerwartung erfolgt entsprechend dieser Auffassung auf rein formal-logischem Wege. Man kann also zeigen, daß ein logisch gerechtfertigter Schluß die Ableitung von x aus den genannten Prämissen gestattet. 2.1.1. Die logischen Bedingungen Der vorliegende Angebotspreis p kann in der geschilderten Situation wirklich erzielt werden. Es genügt in diesem Zusammenhang nicht, daß der betreffende Angebotspreis gefordert wird. Er muß darüber hinaus dazu fuhren, daß der potentielle Kunde tatsächlich kauft, denn nur auf dieser Menge P ist die Funktion definiert. Nicht zustande kommende Käufe fuhren zu keiner Absatzmenge! Er ist also jedenfalls im Sinne der früheren Diskussion ein Element der Menge P, auf der bekanntlich die Preis-Absatz funktion erklärt ist. Wir schreiben kurz: (pcP) fur diese Elementbeziehung. Die zu prognostizierende Absatzmenge x ist ebenfalls als ein Element der entsprechenden Menge X zu betrachten. Auch hier ist Voraussetzung, daß entsprechende Käufe tatsächlich erfolgen können. Di.es geht ebenfalls aus der diskutierten strukturellen Voraussetzung hervor: Entsprechend haben wir: (xeX). Die Preis-Absatz funktion wird in diesem logischen Schematismus durch folgende Implikation ausgedrückt: "Wenn der Angebotspreis ftir das Gut auf dem Markt M p beträgt, dann beträgt die entsprechende Absatzmengef(p)" .. Diese Implikation hat generellen Charakter, sie gilt nämlich für jeden beliebigen Preis, dessen Forderung für unser Gut auf dem Markt M zum Kauf desselben fUhrt. f(p) kennzeichnet den bestimmten Absatzwert x, der dem geforderten Preis p vermöge der Funktion f entspricht. Es gilt daher anstelle von xe X um so mehr auch (f(p )eX): Bestimmte Absatzwerte gehören jedenfalls der Menge aller Absatzwerte an. Wendet man fUr die generelle Implikation die übliche aussagenlogische Notation an, erhält man die folgende symbolische Darstellung: (p) [(peP) ~ (f(p) e X)
t
l .
Für alle Angebotspreise p gilt, wenn p zur Menge der geforderten Preise gehört, dann gehört f(p) der Menge der auftretenden Absatzwerte an. In dieser Lesart kommt die sehr strenge Interpretation bezüglich der Preis-Mengenpaare 12 (p) ist der Alloperator . der auf den Ausdruck in den eckigen Klammern angewandt· wird:"Für alle p gilt: [ ... 1." (~) stellt die aussagenlogische Implikationsverknüpfung zwischen beiden Teilaussagen (peP) und (f(p)eX) dar.
10 Kamitz
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zum Ausdruck, die erst die Aufstellung des vorliegenden empirischen Gesetzes ermöglicht: Preise und Mengen sind faktisch auf M empirisch feststellbare Größen~ Man sieht an dieser Stelle deutlich den Unterschied zwischen dieser Auffassung und der aus der preistheoretischen Modellbildung ersichtlichen Denkweise, wo e~en Aussagen wie (PEP) oder (XEX) nicht so ohne weiteres gebildet werden können. Vorerst soll aber der H-O-Schematismus genauer verfolgt werden 13: Entsprechend dem bisher eingeführten prädikatenlogischen Symbolismus gilt für einen erzielbaren Angebotspreis Po (l)
PoEP
(2)
(p) [(pEP) ~ (f(p) EX)]
(3) folgt logisch aus (1) und (2), denn (2) läßt sich spezialisieren zu: (2.1) (PoEX) ~ (f(po~ E X)14
Daraus folgt mit (1) laut modus ponens: (3)
(f(po) EX)
w.z.z.w.
Der geschilderten Auffassung entsprechend haben wir es in (3) mit folgender Prognose zu tun: "Der bestimmte Absatzwert f(Po) tritt beim erzielten Preis Po ein". Die Preise peP werden in diesem Falle als sogenannte Aktionsparameter betrachtet: Da sie der Menge P angehören, sind sie alle voraussetzungsgemäß durch den Entscheider (den Anbieter) tatsächlich wählbar 1s • Entsprechend der skizzierten Absatzprognose - sie stellt eine bedingte Prognose dar - ist auch der entsprechende Absatzwert ein Wert, der tatsächlich eintritt, sofern nur der bestimmte Wert wirkungsvoll gefordert wird. 2.1.2. Die methodologischen Bedingungen Diese Feststellungen erscheinen auf den ersten Blick unproblematisch. Sie werden in der Regel deshalb kaum diskutiert. Im Interesse der angestrebten Begründung der in (3) geäußerten Erwartung im Rahmen des Schemas von 13 Vgl. C.G. HempellP. Oppenheim: The Logic of Explanation, Readings in the Philosophy of Science (H. Feig11M. Brodbeck, eds.), New York 1953, S. 321 f. 14 Po ist einer der bestimmten Preise ausP! IS Diese Forderung wird häufig nicht ernst genug genommen. Sie liegt aber jedem ent· scheidungstheoretischen Ansatz implizit zugrunde. Es genügt in ihrem Sinne nicht, daß am ,,grünen Tisch" eine Wahl getroffen wird, deren Realisierung nicht diskutiert wird. Ein bestimmter Preis wird erst dann als wählbar betrachtet, wenn seine Wahl zu einem Absatz in bestimmter Höhe führt; wenn also das betrachtete Geschäft auch getätigt werden kann!
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Hempel und Oppenheim ist zusätzlich zum eben nachgewiesenen logischen Funktionieren des Schlusses bei gegebenen Aussagen zusätzlich zu fordern, daß diese empirischen Charakter aufzuweisen haben. Sollte dies nicht der Fall sein, ist die generelle Implikation (2) nicht als empirisches Gesetz, sondern als sogenannte Ad-hoc-Konstruktion I6 anzusehen; als eine Konstruktion also, die ihren Grund ausschließlich in der Ermöglichung des vorgeführten logischen Schlusses hat. Eine derartige Konstruktion läßt sich in jedem beliebigen Fall durchfiihren. Sie kann daher nicht der angestrebten Begründung dienen.
Angesichts dieser Forderung ist zu fragen, ob die vorliegenden Aussagen wenigstens im Prinzip empirisch geprüft werden können. Eine Aussage der Gestalt (PeP) setzt - wie bereits betont - voraus, daß für jede konkrete Preisforderung Po in der vorliegenden Marktsituation entschieden werden kann, ob sie P als Element angehört oder nicht. Unentschiedene Fälle sind voraussetzungsgemäß ausgeschlossen! Die Frage: Ist die Preisforderung Po realistisch? - soll aber in jedem Fall eindeutig durch ja oder nein beantwortbar sein. Wie läßt sich aber eine solche Stellungnahme empirisch überprüfen? - Eine derartige Prüfung muß jedenfalls auf Preisvergleichen im Hinblick auf den erwarteten Absatz bestehen, denn die Realisierbarkeit der Forderung ist eben dann gegeben, wenn zum entsprechenden Preis überhaupt ein Absatz getätigt werden kann. Andernfalls ist der Preis eben zu hoch und daher kann das Zustandekommen eines Geschäftes überhaupt nicht erwartet werden 17. Man könnte sich also vorstellen, daß die empirische Prüfung der Aussage (poeP) etwa folgendermaßen verläuft: (1) Man stellt für die Produkte A und B fest, daß sie vergleichbare kaufbestimmende Eigenschaften haben (Substitutionsgüter). (2a) Für B ist ein Geschäft in der vorliegenden Situation bereits getätigt worden. Der Anbieter hat dabei den Preis Po erzielt. (2b) Für B ist ein Geschäft bei der Preisforderung Po nicht zustandegekommen. (3a) Es wird wegen (1) im Falle (2a) angenommen, daß Po auch für das Produkt A erzielt werden kann. Die Preisforderung Po für A erscheint in der gegebenen Marktsituation realistisch. Die Aussage (PoeP) ist wahr. (3b) Wegen (1) führt (2b) zur Feststellung, daß die Preisforderung Po in dieser Marktlage unrealistisch ist. Die Aussage (PoeP) ist falsch. Die Anwendbarkeit dieses Prüfungsprozesses ist jedenfalls deshalb infrage zu stellen, weil er auf der Feststellung der Vergleichbarkeit der Güter A und B basiert l8 . Diese ist aber weitgehend von der Meinung des Käufers abhängig und Vgl. u.a. Stegmüller (I), S. 708-774. Der Preis kann auch zu niedrig sein, z.B. nicht kostendeckend. In diesem Fall kommt ebenfalls kein Geschäft zustande. 18 Das zusätzliche Problem, ob eine in der Vergangenheit festgestellte Vergleichbarkeit zweier Produkte auch in der Zukunft bestehen muß, braucht an dieser Stelle nicht genauer betrachtet zu werden: Der hier betrachtete vergleichsweise einfache Fall fUhrt bereits zu unüberwindlichen Problemen! 16 17
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nur in zweiter Linie von den Produkteigenschaften von A und B. Das Urteil über die Vergleichbarkeit zwischen A und B entspringt der Interpretation der Marktsituation durch den Nachfrager;d.h. bei ein und derselben Marktlage sind unterschiedliche Stellungnahmen ein desselben Kunden zu dieser Frage durchaus möglich. Diese hängt primär davon ab, in welchen Bezugsrahmen er seinen Vergleich stellt, d.h. welche Produkteigenschaften er für bedeutend hält und welche nicht! In der Frage aber fällt auch das Urteil über den Wahrheitswert von (PoeP) in derselben Situation unterschiedlich aus. Eine intersubjektiv nachprüfbare Entscheidung über den Wahrheitswert dieser Aussage auf dem angedeuteten Wege erscheint daher nicht möglich. Darüber hinaus kann gesagt werden, daß jede Entscheidung über (PoeP) Vergleiche irgendeiner Art voraussetzt. Jedesmal tritt das geschilderte Problem auf. Ein empirisches Prüfungsverfahren für Aussagen der Gestalt (peP) ist daher nicht konstruierbar. Aussagen dieser Gestalt können daher nicht als empirisch betrachtet werden. Mit dieser Feststellung läßt sich zugleich sagen, daß sowohl die Aussage (l) im Schema, als auch die Aussage (2) nicht empirisch sind. Die empirische Begründung von (3) auf dem geschilderten Wege ist daher nicht gegeben. Dies gilt unabhängig davon, daß auch die Aussagen der Gestalt (xeX) aus entsprechenden Gründen nicht empirisch sind. Auch in diesen Fällen müßte ein empirisches Prüfungsverfahren sich auf einen Vergleich stützen: Hat man bei einem vergleichbaren Preis bereits den Absatz der Menge X o des Gutes erzielt, so ist die Absatzerwartung Xo realistisch; anderenfalls nicht. Preisvergleiche dieser Art sind aber ebenfalls Ergebnisse der Interpretation der betreffenden Marktlage durch den Abnehmer: Ein und derselbe Kunde ist dabei durchaus in der Lage, unterschiedlich Urteile über die Vergleichbarkeit von Preisen abzugeben, je nachdem, an welchen Verwendungszweck für das betreffende Gut er denkt. (Z.B. als Geschenk oder zum eigenen Gebrauch, als einziges Produkt dieser Art oder als eines von vielen vergleichbaren Gütern usw.) Von dem hier zugrunde gelegten Standpunkt der empirischen Begründung von Erwartungen aus betrachtet, läßt sich daher festhalten, daß der funktionale Zusammenhang zwischen Preis und Absatzmenge im Rahmen preistheoretischer Modelle kein empirisches Gesetz darstellt. Die beim Versuch der Aufstellung eines empirischen Prüfverfahrens angestellten überlegungen zur wesentlichen Rolle der Situationsinterpretation bei der Absatzprognose führen zum Versuch einer psychologischen Begründung der Preistheorie, auf den an späterer Stelle noch genauer einzugehen sein wird. Zunächst allerdings ist die Frage zu stellen, ob nicht trotz des eben betonten nicht-empirischen Charakters der für jedes preistheoretische Modell zentralen Absatzprognose die traditionelle Vorgehensweise innerhalb der Preistheorie wissenschaftstheoretisch gerechtfertigt werden kann.
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2.2. Praktische Absatzprognose
Denkt man an die bereits angedeutete Rolle, die die Aufstellung der Funktionsstruktur und ihre weitere Ausgestaltung bei der Aufstellung eines preistheoretischen Modells spielt, überrascht die eben getroffene Feststellung ihres nicht-empirischen Charakters nicht. Der in diesem Zusammenhang angesprochene Versuch, prognostische Information dadurch abzusichern, daß man nach plausiblen Gründen für die betreffenden Erwartungen sucht, sieht mehr oder weniger bewußt von empirischen Kontrollen ab. 2.2.1. Modelldiskussion 19 als Verfahren der Begründung von Erwartungen Derartige Erwartungen werden durch Plausibilitätsbetrachtungen etwa folgender Art zu stützen versucht: Entsprechend dem besprochenen allgemeinen Funktionskonzept läßt sich durchaus erwarten, daß bei unterschiedlichen Angebotspreisen ein Absatz von derselben Höhe unter gleichen Marktkonditionen auftritt. Dieser Fall ist aber intuitiv gesehen nicht denkbar. Es wird daher von der Funktion f zusätzlich verlangt, sie solle umkehrbar sein, d.h. auch jeder Absatzmenge entspricht genau ein Angebotspreis. Diese Forderung wird häufig bereits dadurch erfüllt, daß man von der intuitiven Vorstellung ausgeht, wonach Preissteigerungen zu einem Absinken der Absatzmenge fUhren sollten: Die entsprechende Preis-Ab satzfunktion ist dann monoton-fal/end2o . Funktionen dieser Art sind umkehrbar! Durch schrittweise erfolgende weitere Verschärfung der Anforderungen, die man an die Preis-Absatzfunktion stellt, gelangt man zur Fassung der allgemein diskutierten Voraussetzungen über einen typischen Marktteilnehmer (',homoöconomicus .. 21 ) und zum Versuch einer Unterscheidung verschiedener Marktformen. 'Dieser Weg braucht für unsere Zwecke nicht eingehender verfolgt zu werden. Es ist bereits an dieser Stelle klar ersichtlich, daß es sich bei dieser Art der Ausgestaltung preistheoretischer Modelle tatsächlich um den Versuch handelt, die Gründe für bestimmte Erwartungen immer genauer zu erfassen und dadurch die Menge der in diesem Sinne zulässigen Preis-Mengen-Kombination möglichst eng einzuschränken! Dabei wird offensichtlich von der empirischen Erfassung der einzelnen Preise und Absatzmengen weitgehend abgesehen! Ein derartiges Vorgehen kann aus den geschilderten Gründen nicht als empirisch betrachtet werden. Allerdings wird immer häufiger - und zurecht - auf Vgl. dazu die Ausflihrungen in Fußnote 8. Man nimmt sogar in der Regel an, daß diese Funktionen streng monoton fallend sind. Vgl. u.a. Gutenberg , S. 129 f. 21 Die aus der ökonomischen Theorie der Verhaltensweisen stammende Konzeption des "Homo oeconomicus" wurde vom empirischen Standpunkt aus zu Recht scharf kritisiert. Von der Warte der Suche nach verniinftigen Gründen für Erwartungen aus gesehen ist sie jedoch gerechtfertigt. Daß dadurch kein empirisches Objekt beschrieben wird, tut ihrer methodologischen Bedeutung bei der Prognoseerstellung keinen Abbruch! 19
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seinen heuristischen Wert hingewiesen: Gründe für Erwartungen lassen sich in einer großen Zahl von Fällen eben nicht empirisch feststellen. Sie sind aber unhängig davon als vernünftig zu bezeichnen. Der hier auftretende Zusammenhang zwischen Angebotspreis und Absatzmenge hat nicht die Gestalt einer bedingten Erwartung. Dagegen handelt es sich hierbei um eine begründete Erwartung, die in der Folge kurz als Prognose 22 bezeichnet werden soll: Wie bereits beschrieben, wird durch die geschilderte Vorgehensweise bei der Modellkonstruktion, die schrittweise Präzisierung eines prognostischen Zusammenhangs versucht. Dies äußert sich insbesondere darin, daß aus der Menge aller geordneten Paare aus Angebotspreis und Absatzmenge ganz bestimmte Paare als vernünftiger Weise erwartbar ausgewählt werden. Dabei ist bereits vorausgesetzt, daß der Elementcharakter der einzelnen Preise und Absatzmengen in geeigneter Weise entscheidbar ist, daß es sich also bei P und X tatsächlich um Mengen im mathematischen Sinne handelt. Mit anderen Worten: Es wird angenommen, daß die vorliegende Marktsituation in einer Weise durch den Abnehmer interpretiert werden kann, daß die betreffenden Klassen P und X wohldefiniert sind. Selbstredend wird jedoch nicht vorausgesetzt, daß diese günstige Interpretation die im vorliegenden Fall einzig mögliche ist. Liegt aber eine derartige Interpretation vor, wird der geschilderte strukturelle Zusammenhang erwartet: Die spezielle Preis-Absatz funktion als Menge ausgewählter PreisMengen-Paare ("Kombinationen") wird als bestehend betrachtet: Diese Funktionsstruktur bildet auf diese Weise ein Modell der angesprochenen Marktsituation. In diesem Falle gilt somit die Aussage (1): ., Wenn der Preis p beträgt, dann beträgt die Menge f(pr
unter der Voraussetzung, daß es eine Sichtweise der Marktsituation gibt, so daß für die Preise p und die Mengen x =f(p) stets entschieden werden kann, ob sie akzeptabel (Elemente von P bzw. X) sind oder nicht. Man kann somit sagen, daß in diesem Falle der formulierte Zusammenhang zwischen Preis und Absatz prognostiziert wird, nicht aber die tatsächlichen Preise und Absätze. Dies ist im Rahmen der früher diskutierten empirischen Vorgangsweise der Fall. Hier werden Gründe fur das Vorliegen oder Nichtvorliegen bestimmter Preise bzw. bestimmter Absatzmengen dadurch zur Verfügung gestellt, daß geregelte empirische Beobachtungs- und K,ontrollverfahren festgelegt werden. So erscheint das Auftreten einzelner Werte nicht zufällig. Die darauf aufbauende bedingte Erwartung (Prognose) erscheint zunächst vergleichsweise unbegründet. Sie wird daher angesichts der festgestellten Werte revidiert. So versucht man den darin dargestellten Zusammenhang zwischen Preis und Absatzmenge unter Rückgriff auf empirisch erhobene Fakten zu erhärten. 22
Vgl. Knapp (IV) und Knapp (1).
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2.2.2. Modell und Theorie Das skizzierte Vorgehen im Rahmen der preistheoretischen Modellbildung hebt sich klar und deutlich von der empirischen Vorgehensweise ab. Es empfiehlt sich daher eine klare terminologische Unterscheidung zwischen bei den Methoden: Wir sagen, daß derselbe Satz (1) als (empirisches) Gesetz (Theorie) oder als Modell aufgefaßt werden kann, je nachdem, ob er als Verknüp[ung zwischen Teilaussagen über prognostizierte Werte aufgefaßt wird oder als prognostizierte Verknüp[ung zwischen Teilaussagen über geeignete Werte. Im erstgenannten Fall erfolgt eine Revision hinsichtlich der Verknüp[ung - die Werte werden nicht angezweifelt - im anderen Fall erfolgt eine Revision hinsichtlich der einzelnen Werte 23 - der erwartete Zusammenhang wird nicht angezweifelt. Man sieht daraus, daß die Preis-Absatzfunktion als Modell in diesem Sinne verstanden werden kann, und nicht als Theorie. Der oben distutierte Einwand gegen den Gesetzescharakter der Aussage (1) trifft nicht gegen den Modellcharakter derselben Aussage zu: Treten hier unentschiedene Objekte hinsichtlich der Klassen P und X auf, so läßt sich immer ein geeigneter Interpretationsstandpunkt beziehen, von dem aus entschieden ist, ob der betreffende Preis p bzw. die betreffende Menge x akzeptabel ist oder nicht. Gibt es aber eine derartige Auffassung von der vorliegenden Situation, so ist der infrage stehende Satz als Modell begründet! Modelle im eben charakteristischen Sinne haben offensichtlich heuristischen Wert. Ihre Aufstellung und Präzisierung ist Resultat einer eingehenden Diskussion der Struktur der auftretenden Zusammenhänge. Da zu ihrer begründeten Aufstellung lediglich eine mit der betreffenden Struktur übereinstimmende Interpretation der modellierten Situation Voraussetzung ist, sind Modelle sehr flexibel hinsichtlich der gegebenen Situation. Sie geben daher Anlaß zur planenden überlegung betreffend die Neugestaltung der vorliegenden Situation. So können sie als tragende Elemente praktischen Denkens 23 verstanden werden. Dies zeigt sich auch am Beispiel der traditionellen Preistheorie, die jedenfalls meist als Werkzeug zur Planung, d.h. mit preispolitischer Stoßrichtung, konzipiert wird. Allerdings besteht gerade in diesem Rahmen häufig nicht eine 23 Einen interessanten Charakterisierungsversuch modell theoretischer Vorgangsweisen finden wir bei Gutenberg, der schreibt: "Je mehr von den Bedingungen, die vollkommene Märkte kennzeichnen, aufgegeben werden, um so mehr nähert man sich Marktsituationen, wie sie für empirische Marktgeschehen charakteristisch sind. Werden die Bedingungen dem Untersuchungszweck entsprechend gewählt, dann ergibt sich ein System unvollkommener Märkte, das nach oben an das Modell vollkommener Märkte, nach unten an empirisches Marktgeschehen grenzt." (Gutenberg, S. 183). Diese Stelle erinnert an die antike Formenlehre, der entsprechend eben unvollkommene Märkte an der reinen Form (bzw. "Idee") des vollkommenen Marktes teilhaben. Ob allerdings bei Gutenberg der "Idee" der erkenntnistheoretische Vorrang gegeben wird, wie bei Plato oder der "Wirklichkeit", wie bei Aristoteles, bleibt offen. Gerade die Klärung dieser Frage erweist sich in der folgenden Untersuchung aber als wesentlich. Vgl. dazu Knapp (111), wo besonders diesem Zusammenhang hinsichtlich der Prognose nachgegangen wird.
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ausreichende Klarheit hinsichtlich des Unterschieds zwischen dieser methodologischen Zielsetzung, die zu der Konzeption der entsprechenden preistheoretischen Modelle führt und der Zielsetzung der Situationsanalyse, die zur Konzeption von empirischen Theorien über Preisbildung führt. Die betrachteten Modelle stellen wohl Planungshilfen dar. Sie sind aber nicht zur empirischen Analyse preispolitischer Situationen geeignet. Gerade diese Eigenart derartiger Modelle wird häufig zu Recht hervorgehoben 24 . Man übersieht dabei aber leicht, daß damit eben noch nichts über ihre Qualität als Planungshilfen ausgesagt ist. So wird gerade in dieser Hinsicht häufig das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, indem aus der Tatsache, daß oft Analyse und Planung zur Deckung gebraucht werden können (z.B. bei empirischen Theorien großer Reichweite!) kurzschließt auf eine daraus scheinbar resultierende durchgängige Regel in dieser Hinsicht. Dies ist aber aus dem bereits angedeuteten logischen Grund - unentschiedene Objekte treten wesentlich auf - im Falle der Preistheorie jedenfalls unmöglich.
3. Umdeutung des preistheoretischen Zusammenhangs Die Feststellung des nicht-empirischen Charakters der Preis-Absatzfunktion
in der traditionellen Gestalt stützt sich darauf, daß die infrage stehenden Ge-
schäfte auf dem betrachteten Markt voraussetzungsgemäß zustandekommen müssen, damit die mathematische Funktionsstruktur überhaupt im intendierten Sinne anwendbar werden kann. Will man sich aber Gedanken über die Realisierbarkeit derartiger Absatzprozesse machen, so hat man die Vorstellungen zu berücksichtigen, die der potentielle Kunde über den geforderten Preis hinsichtlich der intendierten Kaufentscheidung 2S hat: Erscheint ihm der Angebotspreis akzeptabel, neigt er zum Kauf des betreffenden Gutes; erscheint ihm dieser 24 Vgl. Albert. Besonders verdienstvoll erscheint mir, daß Albert in diesem Buch die durch ihn als "Entscheidungslogik" bezeichnete klassisch ökonomische Theorie mit der empirischen Zielsetzung einer "Marktsoziologie" konfrontiert. Hierin gelangt die Unterschiedlichkeit der wissenschaftlichen Zielsetzungen klar zum Ausdruck. Indirekt wird dadurch auch die von mir hervorgehobene Problematik der Durchsetzung von Entscheidun· gen angesprochen. Allerdings hebt Albert die empirische Zielsetzung in etwas einseitiger Weise hervor! - Dieses Problem wird bei Hacking anläßlich der Kritik des klassischen Gedankengangs von Pascal zur rationalen Rechtfertigung des Glaubens an Gott in klarer Weise formuliert. (Vgl. Hacking, S. 69). 2S Im Rahmen der Psychologie werden diese "Vorstellungen" Images (z.B. Preisimage) genannt. Sie weisen meist eine innere Struktur auf: Ein Meinungsgegenstand (Item) wird durch eine Person beurteilt. Dieser Gegenstand selbst kann eine komplexe Struktur aufweisen, kann es sich um die Beurteilung der Beziehung zwischen unterschiedlichen Objekten handeln: z.B. kann an die Person die Frage gestellt werden, ob zwei Töne gleich sind oder nicht. Seine Antwort darauf legt sein Image über die Beziehung zwischen diesen beiden Tönen fest. Die Verbindung zwischen einem Image und einem entsprechenden Verhalten (z.B. "Kaufverhalten") dieser Person wird durch den Begriff Einstellung (z.B. Kaufeinsteilung) hergestellt. Vgl. Kroeber-Riel, S. 83 ff.
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nicht akzeptabel, neigt er dazu, dieses Gut nicht zu kaufen. - Es wurde bereits erwähnt, daß die hier angedeutete Gedankenkette die Abhängigkeit der vorherzusagenden Absatzhöhe von der Interpretation der vorliegenden Situation durch den potentiellen Abnehmer unterstreicht. Sie tritt dabei an die Stelle der im Rahmen des klassischen Ansatzes ursprünglich angenommenen objektiven Preisfeststellung. Ebenfalls ist klar, daß ein bestimmtes Geschäft jedenfalls nur dann zustandekommen kann, wenn der potentielle Abnehmer die vorliegende Absatzsituation in der Weise auffassen kann, daß er dabei zum Kauf des angebotenen Gutes neigt: Besteht also mindestens eine Sichtweise der Marktlage seitens des Abnehmers, die die Kaufentscheidung begünstigt, so läßt sich die entsprechende Situation mit Hilfe einer geeignet gewählten Preis-Absatzfunktion beschreiben. Dies stellt ein Modell 26 dieser Marktsituation dar. Kann dagegen eine derartige Interpretation nicht gegeben werden, ist eine derartige Darstellungsweise nicht gerechtfertigt. Die entsprechende Preis-Absatz funktion läßt sich nicht als Modell der vorliegenden Situation auffassen. 3.1. Versuch einer psychologischen Begründung
Alle diese Feststellungen fiihren nun zunächst dazu, diesen Absatzprozeß einer psychologischen Deutung zu unterziehen. Einer dieser Versuche wird durch Nysträm 27 gemacht, der allerdings in seiner Studie gegenüber der hier allgemein gehaltenen Sichtweise einen sehr eingeschränkten Standort bezieht. Er befaßt sich mit der Prognose des Absatzes im Rahmen von Handelsbetrieben in Schweden. Allerdings zeigen seine allgemein gehaltenen Ausführungen deutlich, daß er sich durchaus der allgemeinen Bedeutung der von ihm versuchten Neuinterpretation der entsprechenden preistheoretischen Ansätze bewußt ist. 26 Der hier angedeutete Modellbegriff wird durch Knapp einer semantischen Analyse unterzogen (vgl. Knapp (IV), S. 49-101; S. 139-154). Es wird hierin gezeigt, daß die Formulierung semantischer Adäquatheitskriterien rur Modelle in diesem Sinne eine Semantik voraussetzen, wie sie der "modifiziert zweiwertigen Logik" S. Körners unterliegt (vgl. u.a. Körner (11), S. 192-204). Damit wird die Beziehung zwischen "Modell" und "Realität" neu bestimmt als eine Brücke zwischen zwei logisch unterschiedlich strukturierten Bereichen. Die Beziehungen innerhalb des Modells unterliegen der bekannten zweiwertigen Aussagenlogik,- die Beziehungen innerhalb der Realität aber unterliegen der genannten modifiziert-zweiwertigen Logik. "Modell" und "Realität" sind daher nicht zueinander isomorph bzw. homomorph. Diese mathematischen Strukturen setzen immer schon die gewöhnliche Logik voraus und können daher die angesprochene Brückenfunktion nicht erfüllen! Vgl. dazu auch S. Körner (III), S. 225-243. - Allerdings behandelt er dort die Frage der Beziehung zwischen Beobachtung und Theorie in empirischen Theorien. Die hier angedeuteten - auf Modelle bezogenen - Überlegungen berücksichtigen naturgemäß die Rolle des gewählten Interpretationsstandpunktes in besonderer Weise. Sie gehen deshalb über den Rahmen bei Körner hinaus. Diese Vorgangsweise wird auch durch R. Köhler hervorgehoben, indem er Modelle allgemein auf dem Hintergrund dreistelliger Relationen zwischen "Modellsubjekt S", "Objektsystem 0" und "Modell M" sieht. (Vgl. Köhler) Er berücksichtigt bei der Bildung dieses Relationsbegriffs jedoch nicht die oben gemachten Feststellungen über die logisch unterschiedliche Struktur von "Modell M" und "Objektsystem 0". 27 Vgl. Nyström.
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Insbesondere weist er darauf hin, daß die bei den Ökonomen in neuerer Zeit verbreitete Rede von "Erwartungen" anstelle der ursprünglich vorausgesetzten "Feststellungen" zumindest eine ins Psychologische gehende Komponente aufweist 28 . Diese versucht Nyström nun klarer hervorzuheben und von objektivistischen Komponenten zu säubern. Dazu erweist es sich als notwendig, zunächst an die Stelle der gewohnten Globalbetrachtung - die Variable "Absatz" wiederspiegelt durch ihre Werte ja die Gesamtheit aller getätigten Käufe - eine Individualbetrachtung zu setzen: Einzelne potentielle Kunden werden hinsichtlich ihrer jeweiligen Kaufentscheidungen betrachtet. Die ursprüngliche Variable "Absatz" wird erst in einem nachfolgenden Schritt durch Aggregation wieder herzustellen versucht. Ist die Vorstellung, die ein einzelner potentieller Abnehmer über die Angemessenheit des Preises für das angebotene Gut hat, entsprechend, so läßt sich erwarten, daß er den entsprechenden Kauf auch wirklich tätigt. Nyström versucht daher, das sogenannte Preisimage einzelner potentieller Kunden zu erheben. Dies läßt sich mit anerkannten Befragungstechniken, also auf empirisch gesicherte Weise, erreichen. Die physiologische Begründung der Erwartung einer individuellen Kaufentscheidung - d.h. eines bestimmten Verhaltens des potentiellen Abnehmers auf dem Markt M hinsichtlich des Gutes G - geht von folgendem Schematismus aus: Ein günstiges Preisimage läßt den betreffenden Kauf erwarten. - Ein ungünstiges Preisimage läßt erwarten, daß nicht gekauft wird. Die hierin geäußerte Verknüpfung zwischen Image und Verhalten wird psychologisch folgendermaßen gerechtfertigt: Herrscht seitens des Kunden K hinsichtlich des Gutes G auf dem Markt M Kau/bereitschaft 29 , ist die Erwartung gerechtfertigt, daß K G kauft. Wird dagegen der Kauf von G durch K abgelehnt, berechtigt dies zur Erwartung, daß K nicht kaufen wird. Allgemein gesprochen, heißt das: Die entsprechende Einstel211 In der Anwendung der Redeweise von .,Erwartungen" liegt ein flir weite Teile der Wirtschaftswissenschaften charakteristischer Vermittlungsversuch zwischen zwei unterschiedlichen Komponenten vor (vgl. u.a. Gutenberg, S. 306 ff.): 1) einer statistischen (Erwartung = statistische Erwartung). Sie wird im Rahmen dieser Ansätze als .,objektive" Größe verstanden: ein objektiver Sachverhalt wird durch sie beschrieben. 2) einer psychologischen (Erwartung = Vorstellung eines Individuums bzw. einer Gruppe von Individuen über einen Meinungsgegenstand = Image). Dadurch wird der Versuch einer empirischen Fassung dieses als "subjektiv" betrachteten Phänomens unternommen. (Vgl. dazu Müller). Auch die Grundgedanken der Einführung der Delphiverfahren durch Helmer stützen sich auf derartige Auffassungen. 29 Es handelt sich hier um den Versuch einer rationalen Rechtfertigung von Erwartungen: Nyström spricht in diesem Zusammenhang von einem psychologisch-konsistenten Verhalten, das seiner Meinung nach den .,psychologischen Käufer" vom "ökonomischen Käufer" unterscheidet. Vgl. Nyström, S. 116 f. Er baut darauf sein Konzept des .,kognitiven Gleichgewichts" auf (vgl. S. 127 ff.). Daß es sich dabei nicht um die Aufstellung empirischer Gesetzmäßigkeiten handeln kann, ersieht man daraus, daß in bestimmten Fällen trotz Kaufneigung nicht gekauft wird. Die betreffende Kauferwartung bleibt aber trotzdem begründet. Diese Verhaltensprognose ist nur nicht realisiert! -
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lung seitens K begründet die Erwartung 30 des betreffenden Verhaltens. Liegt nun ein günstiges Preisimage bei K vor, so läßt sich auf Kaufbereitschaft bei K schließen. Liegt ein ungünstiges Preisimage vor, kann auf eine Kaufablehnung seitens K geschlossen werden. In dieser Hinsicht also charakterisiert .das erhobene Preisimage die KaufeinsteIlung und kann deshalb zur Begründung der Erwartung des entsprechenden Kaufverhaltens herangezogen werden: die betreffende Verhaltensprognose kann erstellt werden. Es wird häufig über die Rolle des Konstruktes "Einstellung" bei der skizzierten Prognose gesprochen. Dabei verliert man leicht die semantische Eigenart der Erwartungen aus den Augen und identifiziert Prognosen mit ihrer Realisierung. Die Folge davon ist ein deterministisch anmutender Kurzschluß vom Image auf das Verhalten: Bei Vorliegen eines bestimmten Image scheint dabei eine bestimmte Verhaltensweise logisch zu folgen. Damit wird die methodologische Chance der psychologischen Deutung des theoretischen Zusammenhangs zwischen Preis und Absatz verspielt: Anstelle eines globalen tritt lediglich ein Aggrat aus individuellen Modellen. Man handelt sich lediglich eine technische Verkomplizierung bei der Zusammenfassung individueller Ergebnisse zu einem globalen Ergebnis ein. 3.2. Die logische Struktur der psychologischen Begründung
Worin liegt nun der Vorteil der eben skizzierten Art der Erwartungsbegründung gegenüber der kritisierten Vorgangsweise innerhalb der preistheoretischen Modellbildung? Wenden wir uns zunächst wieder dem von Nyström behandelten speziellen Beispiel der Absatzprognose bei Einzelhandelsbetrieben zu: Bei der Analyse dieses Problems stellt man sehr bald fest, daß der potentielle Abnehmer K unterschiedliche Preisimages in derselben Situation haben kann: Sein Besuch im Geschäft X läßt sich jedenfalls dann erwarten, wenn er das Preisniveau von X für vergleichsweise günstig hält. Ein Besuch von X ist Voraussetzung zum Kauf eines bestimmten Artikels aus dem Sortiment von X. Andererseits spielt zur Ausbildung einer entschiedenen KaufeinsteIlung bei K zusätzlich auch seine Beurteilung des Preises des angebotenen Gutes selbst eine bedeutende Rolle. Nyström unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen zwei verschiedenen Images. Er nennt das Image, das sich auf das gesamte Sortiment von X bezieht, weiterhin "Preisimage" . Davon unterscheidet er das Image, das sich auf den einzelnen Artikel bezieht, und nennt es ,'preisbeurteilung" . Es kann nun der Fall eintreten, daß diese beiden Teilimages des früher angesprochenen Gesamtimage bei ein und demselben Kunden K unterschiedlich sind: Das Preisimage z.B. sei positiv, die Preisbeurteilung dagegen negativ. 30 In der Verhaltenspsychologie wird nur indirekt zwischen Verhaltenserwartung und entsprechendem Verhalten unterschieden. Dabei wird jedoch leicht der prognostische Charakter dieser Argumentation übersehen: Die Prognose wird dann mit ihrer Realisierung identifiziert!
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Das Gesamtimage, das ja zur Begründung der Verhaltenserwartung herangezogen wird, hat daher zunächst einen betont neutralen Charakter. In diesem Falle aber liefert unser Begründungsschema zunächst keinerlei Begründung. Hierzu ist ein entschiedenes Image Voraussetzung. Soll also die angestrebte Prognose gestellt werden können, ist zusätzlich zur Imagefeststellung bei K noch die Motivierung der Ersetzung eines neutralen Image durch ein entschiedenes Image in der betreffenden Situation notwendig. Im Rahmen des vorliegenden Begründungsschemas stellt also die Einstellung die Verbindung zwischen dem Image und dem Verhalten dar. Dabei ist aber das Image oft nicht entschieden, d.h. neutral, das Verhalten dagegen ist stets entschieden: Es tritt auf oder nicht. Die angestrebte Verhaltensprognose gelingt nur dann, wenn trotz des ursprünglich neutralen Image letztenendes eine entschiedene Einstellung hergestellt werden kann. Im Aufweis dieser semantischen Eigenart der hier geforderten Erwartungsbegründung liegt die Chance eines Fortschritts bei der Bewältigung der gestellten Aufgabe in methodologischer Hinsicht: Bereits der bei Nyström analysierte sehr vereinfachte Spezialfall zeigt, daß das dabei maßgebliche Preisimage verglichen mit dem entsprechenden Kaufverhalten eine von diesen verschiedene logische Struktur aufweist: Bei seiner Ausbildung sind nacheinander zwei semantische Bewertungsschritte 31 zu durchlaufen: Eine anfängliche Bewertung, die neben einem positiven und einem negativen Wert einen neutralen Wert aufweist und einen folgenden, der eine zusätzliche Entscheidung über den neutralen Fall fällt. Dabei spielt die bereits betonte Standpunktbezogenheit der Imagebildung eine tragende Rolle. Der skizzierte Schluß vom Image über die entsprechende Einstellung auf das Verhalten läßt sich nur dann logisch einwandfrei durchführen, wenn das vorliegende Image bereits entschieden ist, d.h. exakten 32 Charakter hat. Verglichen mit dem bereits behandelten Schema der empirischen Begründung nach Hempel und Oppenheim, tritt dann an die Stelle der singulären Randbedingungen die Beschreibung des jeweils festgestellten Image, an die Stelle der singulären Prognose die Verhaltensbeschreibung. Die Rolle der empirischen Gesetzmäßigkeiten spielt der sprachliche Ausdruck der Einstellung. Sie läßt sich unter der angegebenen Voraussetzung der Exaktheit des Imageausdrucks als generelle Impli31 Die diesem semantischen Tatbestand entsprechende Logik wird durch S. Körner ausgebildet (vgl. Körner (I). Er befaßt sich dort mit der logischen Eigenart unscharfer Begriffe ("inexact concepts"). Die daraus resultierende "modifiziert-zweiwertige Logik" (vgl. dazu auch Fußnote 26) setzt in semantischer Hinsicht zwei aufeinander aufbauende Bewertungs· schritte voraus, auf die er besonders einprägsam in seinem Buch: "Philosophie der Mathematik" (Körner (II), S. 195) hinweist: den provisorischen ("provisional"), in dem von den neutralen Kandidaten des Begriffs abgesehen wird, und einen finalen ("final"), in denen die Entscheidungen über die neutralen Kandidaten des Begriffs berücksichtigt werden. 32 Die hier angewandte Terminologie fUhrt sich auf die von Helmer und Rescher eingefUhrte Einteilung zwischen "exakten" und "inexakten" Problemen zurück. Sie betonen darin - im Gegensatz zu Körner - den pragmatischen Situationsbezug: vgl. Helmer/ Rescher. An dieser Stelle wird der semantische Aspekt dieser Einteilung vergleichsweise stärker betont: vgl. Knapp (IV), S. 154-185.
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kation auffassen, mit deren Hilfe der logische Schluß vom Image auf das Verhalten gezogen werden kann 33 • Das Konstrukt "Einstellung" aber läßt sich nicht als Ausdruck einer empirischen Gesetzmäßigkeit auffassen. Dies deshalb nicht, weil sie nicht zwei empirische Aussagen verknüpft. Während nämlich die Verhaltensbeschreibung als empirische Aussage betrachtet werden kann, ist der Ausdruck des Image nicht empirisch. Er ist nur im Rahmen einer erweiterten Logik faßbar, deren semantische Charakteristik bereits hervorgehoben wurde. Ausdrücke dieser Art werden als inexakt 32 bezeichnet. Sie lassen sich grundsätzlich auf verschiedene Arten durch exakte Ausdrücke in stets revidierbarer (vorläufiger) Weise ersetzen. Jede derartige Ersetzung setzt eine bestimmte Interpretation des beschriebenen Sachverhalts voraus! - Sie geht daher von bestimmten Voraussetzungen bei der Situationseinschätzung aus. Für empirische Aussagen ist der Interpretationsstandpunkt jedoch ein für alle Mal festgelegt. Sie sind daher grundsätzlich exakte Ausdrücke. Mit anderen Worten: Die Erwartungsbegründung in der geschilderten Art erfolgt in zwei Stufen: (1) Das festgestellte Image wird von einem bestimmten Standpunkt aus interpretiert. (2) Das interpretierte Image bildet zusammen mit der entsprechenden Einstellung die Grundlage zum logischen Schluß, der die der Erwartung entsprechende Verhaltensbeschreibung liefert 34. 3.3. Die pragmatische Komponente bei der Begründung Von der ersten Stufe läßt sich im Falle der Verhaltensprognose (bzw. Absatzprognose ) nicht abstrahieren, wie die Analyse Nyströms zeigt. Sie läßt sich daher nicht empirisch begründen. Diese Begründung verlangt jeweils die Angabe der Interpretationsvoraussetzungen 3S , die die Anwendung des logischen Schlusses gemäßt (2) jeweils erst ermöglichen. Nyström 36 geht in seiner Studie von folgenden Überlegungen aus: (1) Zur angestrebten Verhaltensprognose ist lediglich die Interpretation neutraler Images Voraussetzung, die einen Besuch des betreffenden Geschäftes 33 Faßt man beide Einstellungen logisch zusammen, hat man es sogar mit einer generellen Äquiv-alenz zu tun! 34 Dieses Begründungsschema tritt bereits bei Körner auf. Allerdings steht es dort in einem anderen Zusammenhang (vgl. Körner (111), S. 225-243). Dort ist er in der Lage, von dem bei uns betonten pragmatischen Bezug abzusehen, weil die Betrachtung auf einen einzigen Interpretationsstandpunkt eingeschränkt wird. 3S Dadurch wird der pragmatische Bezug hergestellt, von dem u.a. Helmer und Rescher sprechen (vgl. Helmer/Rescher und Fußnote 32). In diesem Zusammenhang ist auch auf Churchman hinzuweisen (vgl. C. W. Churchman). Er greift auf den amerikanischen Pragmatisten Singer zurück (vgl. E.A. Singer Jr.): Der Aufbau von "Erkenntnissystemen" ·(Inquiring Systems) wird hierbei auf der Basis von Situationen betrachtet, in denen gestellte Fragen beantwortet werden. Prognosesituationen werden von diesem Standpunkt aus insbesondere durch Mitroffund Turoffbetrachtet (vgl. J.J. Mitroff/M. Turoff). 36 Vgl. Nyström, S. 128 ff.
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erwarten lassen. Dementsprechend steht ein positives Preisimage einer negativen Preisbeurteilung gegenüber. (2) Das betreffende Image setzt sich aus den genannten Teilimages zusammen. Es wird erwartet, daß diese Images in einer charakteristischen Relation zueinander stehen. Diese ist assoziativ bei erwartetem Gleichlaufen der Bewertung beider Images; dissoziativ, wenn ein solches nicht erwartet wird. (3) Demnach ist folgender Fall zu interpretieren: Ein positives Preisimage ist mit einer negativen Preisbewertung assoziativ verknüpft: Der Kunde K sieht das Preisniveau des Geschäftes X als relativ günstig an. Zugleich aber beurteilt er den Preis des interessierenden Artikels negativ, obwohl er eigentlich erwartet, daß dieser einen günstigen Preis haben müßte! Diese Situation bezüglich des Images - er bezeichnet sie als kognitives Ungleichgewicht 37 - tritt auf - so sagt er -, weil K nur sehr unvollständig über das Angebot informiert ist. Die angestrebte Entscheidung hinsichtlich dieses Image erfolgt daher im Rahmen eines entsprechenden Lernprozesses. Dieser verläuft verschieden. je nachdem welche von den folgenden VoraussetZlillgen auf diese Situation zutreffen: Der Kunde hat die Möglichkeit, sich gut über die Preise der einzelnen Artikel zu informieren (auch von vergleichbaren Artikeln anderer Gesl:häfte). Der Kunde ist nicht in der Lage, sich ausreichend über die Preise der einzelnen Artikel zu informieren. Im erstgenannten Fall ergänzt er seinen Informationsstand vorwiegend durch Preisvergleiche. Dieser Lernprozeß wird als Diskrimination bezeichnet 38 . Diese Vergleiche können sich auch auf die Preisentwicklung beziehen (zeitlich). Die Neuinterpretation im Lichte der so gewonnenen Information kann auf zweierlei Weisen erfolgen:
(1) Die Erwartung hinsichtlich des Zusammenhangs der Teilimages wird geändert: Der betreffende Artikel wird als nicht repräsentativ für das Sortiment des Geschäftes betrachtet. Das Gesamtimage ist dann negativ hinsichtlich des Kaufs dieses Artikels, obwohl K weiterhin zum Besuch dieses Geschäftes tendiert. (2) Das Preisimage wird der Preisbeurteilung angepaßt. Der Artikelpreis wird als repräsentativ für das Sortiment betrachtet. Auch in diesem Fall fällt das Gesamtimage letzten Endes negativ aus. Der Kunde K wird in der Folge aber auch vom Besuch des Geschäftes Abstand nehmen. Im anderen Fall lernt der Kunde durch globale Vergleiche, d.h. er neigt dazu, vom Preisimage auf die Preisbeurteilung zu schließen. Ein derartiger Lernprozeß, der zwischen unterschiedlichen Ebenen stattfindet, wird Generalisierung 38 37
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Vgl. Nyström, S. 129. Vgl. Nyström, S. 122.
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genannt. Hierbei tritt bei der Neuinterpretation des Gesamtimages lediglich eine Möglichkeit auf: (3) Die Preisbeurteilung wird dem Preisimage angepaßt. Der Kunde ändert seine Beurteilung des Artikelpreises in Anbetracht des günstigen Preisniveaus des Geschäftes. Das Gesamtimage fällt hier endgültig positiv aus. Hinsichtlich der Neigung des Kunden zum Besuch des betreffenden Geschäftes tritt hierbei keine Änderung auf. Angesichts dieser schematischen und sehr undifferenzierten Betrachtungen, sieht man bereits die Abhängigkeit der Verhaltensprognose von den Voraussetzungen, die zur Interpretation des Images führen. Durch die genannten beiden Voraussetzungen werden hier zwei unterschiedliche Interpretationsstandpunkte festgelegt. Nimmt man hinsichtlich des Informationsstandes des Kunden K den ersten Standpunkt ein, so wird erwartet, daß dieser den Artikel nicht kaufen wird. Nimmt man dagegen den zweiten Standpunkt dazu ein, ist die Erwartung des Kaufs dieses Artikels gerechtfertigt 39 . Nyström selbst weist auf viele Verfeinerungsmöglichkeiten seines Deutungsschematismus - er spricht dabei von einem Mechanismus der Herstellung des kognitil'en Gleiclzgewichts 37 - hin. Diese brauchen jedoch in unserem Zusammenhang nicht genauer betrachtet zu werden. Die allgemeine Struktur der Proglloseerstellullg wird bereits auf dieser Stufe der Betrachtung deutlich. Die genannten Voraussetzungen bilden im genannten Zusammenhang Elemente des situationsbedingten Vorwissens beim Begründungsprozeß. Sie steuern die Erstellung der Prognose, sind aber nicht selbst Elemente der eigentlichen Begründung 40 . Sie steuern lediglich die Interpretation zunächst neutraler Images. An39 Es liegt hier eine Situation vor. wie man sie bei der Ausftihrung jeder Trendprognose besonders ausgeprägt sieht. Die Auswahl der spezieHen Trendfunktion bei gegebenen Beobachtungswerten ist in rechnerischer Hinsicht beliebig. (Vgl. HempeljHulletjSchwartz). Sie läßt sich nur aus pragmatischen Gründen treffen! (Vgl. Knapp, S. 186-309). Dort wird auch der Zusammenhang zu dem durch N. Goodman aufgestellten Prognoseproblem hergesteHt. (Vgl. Goodman). 40 H. Albert versucht dem hier angesprochenen Tatbestand, daß sozial- bzw. wirtschaftswissenschaftliche Aussagenzusammenhänge häufig nicht den strengen Anforderungen genügen, die an empirische Theorien gesteHt zu werden pflegen, dadurch Rechnung zu tragen, daß er de.n Begriff der "Quasitheorie" bildet. Er sagt: "Man kann nun natürlich die Frage aufwerfen, inwieweit solche Hypothesen in der Nationalökonomie oder überhaupt in den Sozialwissenschaften die in den Naturwissenschaften übliche A\1gemeinheit besitzen können." (Albert, S. 311). Um zu einer Antwort auf diese Frage zu kommen, unterscheidet er zwischen den folgenden Arten der Allgemeinheit: ,,1. der Allgemeinheit einer Theorie (bzw. Aussagenmenge), die darin besteht, daß sie keinen essentiellen Bezug auf ein bestimmtes Raum-Zeit-Gebiet hat, sich also auf durch allgemeine Eigenschaften charakterisierbare Erscheinungen bezieht; 2. der Allgemeinheit ihres Geltungsbereichs im Verhältnis zu anderen Theorien, wobei dieser Bereich wieder allgemein (im ersten Sinne) charakterisierbar ist, und schließlich 3. der Allgemeinheit ihres raum-zeitlichen Anwendungsbereichs." (Albert, S. 312). Anschließend stellt er fest, daß die naturwissenschaftlichen Theorien zunächst nur durch die Allgemeinheit im ersten Sinne charakterisiert sind. Er definiert nun "Aussagenmengen, die diese Allgemeinheit nicht besitzen" als "Quasitheorien" . (A lbert, S. 312, Fußnote 63). Es handelt sich also hier nicht um Aussagensysteme, die hinsichtlich ihres Geltungsbereichs
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gesichts dieser Feststellungen ist jede Verhaltenserwartung als begründet zu betrachten, wenn es nur eine Voraussetzung gibt, unter der das erwartete Verhalten logisch abgeleitet werden kann. Eine derartige Verhaltensprognose braucht selbstredend nicht realisiert zu werden. Sie bleibt aber auch dann rational gerechtfertigt, wenn sie sich als nicht-realisiert erweist. Zusammenfassung Diese Betrachtungen zeigen, daß die psychologische Umdeutung der Preisabsatzbeziehung nicht zu einer empirischen Absatzprognose führt. Der wesentliche Model/charakter dieser Zusammenhänge bleibt auch hierbei erhalten. Diese Umdeutung zeigt aber deutlicher die logische Struktur preistheoretischer Modelle auf, als dies ohne sie der Fall ist: Mit Hilfe des Konstrukts "Einstellung" wird hier aus der Feststellung eines Image auf eine konkrete Verhaltensweise geschlossen. Dieser Schluß ist aber oder ihres raum-zeitlichen Anwendungsbereichs vergleichsweise beschränkt sind; vielmehr beziehen sich bereits die Grundbegriffe dieses Systems nur auf beschränkte Situationen! Derartige essentiell raum-zeitbezogene Begriffe können als "nicht·projizierbare" Begriffe im Sinne Goodmans betrachtet werden. Dagegen sind Grundbegriffe einer Theorie in diesem Sinne "projizierbar". (Vgl. Goodman). Dieser zunächst einleuchtend scheinende Unterschied läßt sich aber, wie die ausgedehnte Diskussion zu Goodmans Lösungsvorschlag des Prognoseproblems zeigt, kaum in einer praktikablen Weise durchhalten. Ähnliche Bedenken richteten sich auch gegen Alberts "Quasitheorien". Trotzdem bleibt die intuitive Rechtfertigung für seinen Versuch bestehen. Sie besteht eben darin, daß die für empirische Theorien geforderte strenge Allgemeinheit im sozialwissenschaftlichen Bereich nicht gegeben scheint. Er gelangt deshalb auch zunächst zu folgender einleuchtender Feststellung: "Den Quasi'{:harakter derartiger Theorien wird man wohl daran erkennen können, daß sie sich nur in gewissen Raum·Zeit-Gebieten bewähren, in anderen dagegen nicht. Welche Konsequenzen sind aus einer solchen Situation zu ziehen? Zunächst kann man sagen, daß die betreffende Theorie als System nomologischer und damit allgemeiner Aussagen gescheitert ist. Wenn man sich über die Grunde dieses Scheiterns Rechenschaft geben will, dann wird man vermutlich nicht den Raum·Zeit·Koordinaten selbst die Verantwortung dafür zuschreiben wollen. Man wird vielmehr nach den in den betreffenden Raum-Zeit-Gebieten realisierten Bedingungen suchen, die die Existenz der betreffenden Invarianzen bzw. ihre Nicht-Existenz verursachen." (Albert, S. 414 f.). Alles hängt nun daran, wie Albert die Rolle der gesuchten Bedingungen - sie gebenja im konkreten Fall eine Charakteristik der jeweiligen- Situation - im Zusammenhang mit der Quasitheorie sieht. Wie sich aus seinen anschließenden Bemerkungen zeigt, stellt er diese auf eine Ebene mit den Aussagen der Quasitheorie. Darin muß der Grund für das Scheitern seU;es Lösungsversuchs gesehen werden. Seine Empfehlung der Anwendung der "naturalistischen Strategie" bei der Behandlung dieses Problems (vgl. Albert, S. 486 f.) führt letzten Endes dazu, bei jeder Feststellung der Nichterfüllung einer Prognose, diese dadurch (ad hoc) zu korrigieren, daß man die Kette der relevanten Bedingungen verlängert. Bei Vorschaltung der geeigneten Wenn-Sätze erhält man dann doch die entsprechende Prognose. Damit wird der entscheidende Charakter von Prognosen übersehen, der darin besteht, daß eine nichtrealisierte Erwartung durchaus begründet sein kann! - Eine derartige Korrektur wäre schon deshalb voreilig: M.a.W.: Eine Quasitheorie als System von essentiell RaumZeit-bezogenen Aussagen läßt sich nicht ohne weiteres in eine umfassende Theorie einbetten. Trotzdem besteht die Forderung zu Recht, daß die Bedingungen gesucht werden sollten, die diesen Situationsbezug der Grundbegriffe klarstellen!
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erst dann logisch einwandfrei durchführbar, wenn man das festgestellte Image in bestimmter Weise interpretiert. Die Interpretation ist situationsbezogen. Entsprechende Bedingungen steuern diese Interpretation. Sie sind als Elemente des Hintergrundwissens relativ zur ausgeführten Prognose selbst zu sehen und nicht als Elemente einer umfassenden empirischen Theorie. Bei einer derartigen Verhaltensprognose handelt es sich nicht um die Aufstellung einer empirischen Theorie, sondern um die Bildung eines Modells. Es kann genau dann berechtigter Weise aufgestellt werden, wenn gemäß den steuernden Bedingungen in der vorliegenden Situation eine bestimmte Interpretation der geforderten Art möglich ist. Eine solchermaßen aufgefaßte Preistheorie stellt im Gegensatz zur klassisch-nationalökonomischen Auffassung ein Element praktischen Denkens dar, das zu jeder Planung Voraussetzung ist.
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Logik und Semantik sozialwissenschaftlicher Theorien (Das Zweikomponentenmodell sozialwissenschaftlicher Theorien) Von Werner Leinfellner 1. Vorbemerkung. Die grundsätzliche Frage, warum man neben dem schon an und für sich umfangreichen Studium der Sozialwissenschaften noch Logik, Semantik, kurz wissenschaftstheoretische Untersuchungen der Sozialwissenschaften betreiben soll, wird damit beantwortet, daß Wissenschaftstheorie oder Philosophy of Science heute notwendigerweise zum Studium und der Forschung in den Sozialwissenschaften gehört. Der Sozialwissenschaftler wird nolens-volens zum "Philosopher of Science", wenn er Grundlagenfragen, Methodologie und Probleme des Zweckes, Zieles und der Kriterien seiner Disziplin beantworten muß. Fragen, die er heute mehr denn je fast tagtäglich gestellt bekommt. Daher soll diese wissenschaftstheoretische Untersuchung - im Gegensatz zu sehr vielen Untersuchungen, die Wissenschaftstheorie ohne Wissenschaft betreiben - mit Modellen und Beispielen aus den Sozialwissenschaften arbeiten und zeigen, wie man neue re Ergebnisse der Logik der Wissenschaften, der Semantik, der Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik, der System- und Entscheidungstheorie, neben philosophischen Grundlagenproblemen und der Entwicklung und Dynamik sozialwissenschaftlicher Theorien, sinnvoll in diesen für die Gesellschaft so wichtigen Disziplinen anwenden kann. Der Autor hat Untersuchungen über die sozialwissenschaftlichen Theorien "epitheoretisch" genannt 1, eine Methode, die eine wichtige Erweiterung der für die formalen Wissenschaften eingeführten metatheoretischen Untersuchungen darstellt. An Stelle der ausführlicheren Erörterungen in früheren Arbeiten des Autors und im Buch von Leinfellner-Leinfellner2 , "Ontologie, Systemtheorie und Semantik der Wissenschaften", seien hier nur einige programmatische Bedingungen erwähnt, die für alle epitheoretischen Analysen wichtig sind. 1.1. Epitheoretische Untersuchungen der eigenen Disziplin gehen über die Hilfsmittel und Methodologie dieser Disziplinen hinaus; allgemein logische, er1 W. Leinfellner, "Wissenschaftstheorie und Begründung der Wissenschaft", S. 11-35; W. Leinfellner, Epitheoretische Aspekte sozialwissenschaftlicher Theorien, beide in: W. LeinfellnerlKroeber-RiellEberlein (Hrsg.j, Forschungslogik der Sozialwissenschaften, Bertelsmann Universitäts Verlag, Düsseldorf 1974, S. 131-165. 2 W. L einfelln erlE. Leinfellner, Ontologie, Systemtheorie und Semantik der Wissenschaften, Duncker & Humblot, Berlin 1978.
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kenntnistheoretische, ontologische, systemtheoretische, semantische, deontische und mathematisch statistische Methoden müssen hinzugenommen werden. 1.2. Epitheoretische Untersuchungen beschäftigen sich hauptsächlich mit Theorien und deren Vorformen, Hypothesen, bzw. mit deren Modellen, die sprachliche Repräsentationssysteme der sozialen Wirklichkeit darstellen. Theorien sind entweder vorwiegend formal, wie die der Logik, Mathematik, oder kognitiv, wie die der empirischen Wissenschaften, oder realisierend normativ, wie die der Technologie und Sozialwissenschaften, wie dies vom Autor anderswo schon behandelt worden ist 3 . 1.3. Im Gegensatz zu den Methodenanarchisten (Feyerabend) , den Auflösungstendenzen der Kuhnschen Richtungen (Kuhn etc.t und all denen, die über die Wissenschaften philosophieren, ohne auch nur ein Beispiel aus diesen heranzuziehen und zu analysieren und die noch dazu den Wissenschaften Instabilität der Entwicklung, Unsicherheit der Methoden und Grundlagen vorwerfen, wird es vom Autor als das Hauptproblem der Wissenschaftstheorie angesehen, zu erklären, wieso die großen quantitativen Theorien der heutigen Natur- und Sozialwissenschaften, und hier besonders der Ökonomie, eine schon generationenlang andauernde Stabilität erworben haben. Es ist keinesfalls so, wie Kuhn es annimmt, daß diese Theorien kommen und gehen und durch außerwissenschaftliche, weltanschauliche Paradigmen mit Leichtigkeit verworfen werden. Man kann Kuhns Beispiel des Aufgebens der aJchemistischen Phlogiston-Konzeption ja kaum als das Verwerfen einer Theorie ansehen. Die Hauptfrage ist vielmehr, warum gewisse quantitative Theorien, wie die hier erörterte mikroökonomische Theorie, Th, seit Smith und Ricardo bis Shubik und Friedman, um nur einige zu nennen, unverändert verwendet wurden, nicht zu reden von den großen quantitativen Theorien der Naturwissenschaften, wie Thermodynamik, Relativitäts-, Quantentheorie, Quantenbiologie, die Wunderwerke systematischen Denkens, Erkennens und Realisierens sind. Der Grund dieser Stabilität der großen quantitativen Theorien kann vielmehr nur darin liegen, daß sie selbst eine gewisse systematische Perfektion ihrer Methode und Konstruktion, eine erstaunliche Einfachheit und Kohärenz trotz ihrer Komplexität erreicht haben. Das ist der Grund, warum wir heute ideale logische Modelle derselben aufstellen können. 1.4. Das ontologisch-deontische Zweikomponentenmodell von Theorien drückt die Tatsache aus, daß in den Sozialwissenschaften zwei Komponenten, Faktoren, außerwissenschaftliche Determinanten die Theorie bestimmen: 3 W. Leintel/ner, ,,Axiological Foundations of the Realizing, the Technologieal, and the Cognitive Sciences", in: Journal of Human Relations, Vol. 21, No. 2, S. 152-161. 4 T.S. Kuhn, "Second Thoughts on Paradigms", in: F. Suppe (ed.), The Structure of Scientific Theories, Urbana 1972, S. 459- 499. P. Feyerabend, "Against Method", in: M. Radner/S. Winokur (ed.), Minnesota Studies of Philosophy of Science, Vol. IV, Minnesota 1970, S. 17-130.
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1. die empirische Struktur der Systeme in D, das Anwendungsgebiet der Theorie, und 2. die Sollens- oder deontische Komponente des Hintergrundwissens, die hauptsächlich aus Maximen, Prinzipien und Paradigmata besteht. Im Falle von Werttheorien und Handlungstheorien gehen diese deontischen Komponenten zum größten Teil in .die Regeln, die das Handeln der Personen regulieren, Z.B. die zulässigen Handlungen vorschreiben, zum anderen Teil in die Struktur der Theorie selbst ein. 1.5. Der Grund, warum gerade eine mengentheoretische Formalisierung vorgezogen wird, ist vor allem ein ontologisch-empirischer. Wie von den Autoren Leinfellner-Leinfellner in dem oben erwähnten Buch eingehend dargestellt worden ist, kann man die soziale Wirklichkeit, die Gesellschaft und ihr Ecosystem systemtheoretisch stets als ein statisches oder dynamisches System ansehen. Ordnet man die Wirklichkeit systemtheoretisch vor, d.h. betrachtet man sie nicht ausschließlich durch die "deskriptive" Prädikatenlogik, sondern vermittels einer die empirische Struktur der Wirklichkeit erfassenden Mengenlehre, dann kommt man dem Wittgensteinschen Ideal einer begrifflichen isomorphen oder homomorphen Abbildung oder Repräsentation der empirischen Strukturen von Teilen der Welt D, vermittels der mengentheoretischen Strukturen erstaunlich nahe. Der Trick dabei liegt in der speziellen Methode der empirischen Strukturbeschreibung, die hier verwendet werden muß. In L E , der empirischen Basissprache, die wir zur Beschreibung der Interpretationen I benutzen, sollen Subjektterme ausschließlich nur empirische Systeme, Subsysteme oder Supersysteme denotieren und Prädikatsterme in L E nur empirische Systemzustände, Ereignisse, bzw. Beziehungen zwischen den Sub- und Supersystemen und den Systemen in D, dem Anwendungsgebiet von Theorien. Andererseits repräsentieren in der rein theoretischen, mengentheoretischen Sprache L T , die K ("Struktur-Kern") definiert, die deskriptiven Mengenterme die Subjektsterme von LE und die relationalen (funktionalen) Terme die Prädikatsterme in LE. Repräsentation selbst wird durch Operatoren bzw. Funktionen, in unserem Falle (Kapitel 2) durch Nutzenfunktionen, bewerkstelligt. Das ganze Repräsentationssystem, das erstaunliche Erfolge in der Meßtheorie von Suppes und Zinnes 5 ,6, und in der Quantentheorie von Jauch und Piron 7 erzielte, basiert aber ausschließlich auf dieser "systemtheoretischen Vorordnung" der Wirklichkeit in D. Wir werden daher den Markt, d.h. seine Struktur (N, X, W; c,f) in K begrifflieh-mengen theoretisch repräsentieren. Die Interpretation von K zeigt sofort, daß wir es mit einem dynamischen holistischen System zu tun haben, in dem N 5 P. Suppes, Studies in the Methodology and Foundations of Science, D. Reidel, Dordrecht 1969. F. Suppe, "Theories and Phenomena", in: W. Leinfellner/E. Köhler (Hrsg.), Developments in the Methodology of Social Science, Reidel, Dordrecht 1974, S. 45-93. 6 P. Suppes/J. Zinnes, "Basic Measurement Theory", in: Handbook of Mathematical Psychology, J. Wiley, New York 1963, S. 1-76. 7 J. M. Jauch, Foundations of Quantum Mechanics, Addison Wesley, Reading, Mass. 1968.
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die Teilnehmer am Markt, X ihre Güter, W ihre Werte (monetären Werte), c die Kosten- oder Angebotsfunktion und f die Nachfragefunktion semantisch bedeuten. Das System ist ein empirisches dynamisches System und ähnelt mehr einer Melodie als einem starren statischen System. Es ist kohärent und in sich geschlossen, hat empirische Grenzen, eine innere Struktur, die im Kapitel 4 definiert und mengentheoretisch repräsentiert wird, und ist transponierbar, d.h. kann überall realisiert und in Funktion gesetzt werden. Daher sind mengentheoretische Modelle von Theorien nicht eine Sache der Eleganz oder Mode, sondern die größtmögliche Approximierung an wirkliche Strukturen. Begriffe sind daher nicht Abstraktionen, sondern systemtheoretische Repräsentationen einer an die Mengenlehre adaptierten Wirklichkeit gesellschaftlichen Lebens. Schafft man, wie es hier geschieht, die Subjekts(Mengen)terme auf die linke und die relationalen Terme auf die rechte Seite einer Struktur beschreibung, (Ml,M2, ... ,Mn;Rl,R2, ... ,Rn) dann geben plötzlich die Axiome ganz zwangslos genau an, welche n!lationalen Prädikats-Terme zu welchen mengentheoretischen Subjekts-Termen gehören, oder mit anderen Worten, welche semantisch zulässigen Sätze und Aussagen im Kontext einer Theorie gebildet werden können. Diese neuartige strukturell semantische Auffassung wird im -oben erwähnten Buch eingehend behandelt 2 • 1.6. Als letzte Vorbedingung sei erwähnt, daß sozialwissenschaftliche Theorien hauptsächlich zum realisierenden Typ von Theorien gehören. Wir sind in der heutigen Weltsituation immer mehr und mehr daran interessiert, neuere und bessere wirtschaftliche, politische und soziale Gesellschaftsstrukturen einzufUhren, zu verwirklichen. Absicht, Zweck, Normen und Regeln für deren Verwirklichung bilden nun tatsächlich die Sollenskomponente der sozialwissenschaftlichen Theorien. 2. Der syntaktisch logische Aspekt der Theorie MTh oder das rein logische Modell einer Meßtheorie. Für den Aufbau einer ökonomischen, politischen oder sozialen Theorie der Gesellschaft ist es außerordentlich wichtig, eine passende Wert-(Nutzen-)Theorie zu finden, die quantitative Wert(Nutzen-)messungen erlaubt, Differenzierbarkeit, d.h. Anwendung von Differential- und Integralrechnung und u.a. Angebots- und Nachfragekurven quantitativ berechnet, deren Elastizität etc. Was für Vorau~setzungen, Methoden, Begriffe etc. sind hierzu erforderlich - so etwa könnte man fragen. Zur Lösung dieser und ähnlicher Fragen werden wir ein mengentheoretisches Modell einer Meßtheurie aufstellen. Solch eine Meßtheorie (MTh) soll sich formal logisch in jede z.B. ökonomische quantitative Theorie einfügen, d.h. ihre Struktur soll eine Substruktur z.B. der Marktstruktur oder einer mikroökonomischen Theorie (Th) sein, oder: MTh c::; Th. Dies ist ein einfacher methodologischer Gedanke, denn wir wissen ja, daß alle Meßtheorien, wie Gewichtsmessung (MThg), Zeitmessung (MThsec), Längenmessung (MThcm), einesteils unabhängige Theorien sind, anderenteils zwangslos Sub theorien z.B. physikalischer Theorien werden können. Unter dem "Einfügen" einer Sub theorie in eine Theorie oder Super-
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theorie verstehen wir, daß die Theorie logisch stärker ist als die Subtheorie und daß sich ihre Anwendungsgebiete überlappen, bzw. das Anwendungsgebiet der Sub- oder Meßtheorie in dem Anwendungsgebiet der Theorie (Th) eingeschlossen ist, d.h. wenn K' S K dann ist: [JMrh S Drh; weiter werden wir von den vorhandenen Meßtheorien für Werte (Nutzen) eine wählen, die Intervallskaien liefert, denn ordinale· Skalen würden keinerlei Bestimmung der zweiten Ableitungen, d.h. ob ein Minimum oder Maximum vorliegt, gestatten. Andererseits sind feinere Skalen wie Verhältnisskalen wieder zu strikt und würden zu starke Bedingungen auf das Verhalten der Marktteilnehmer auferlegen. Zu diesem Zweck nun wird ein logisches strukturelles Modell aufgestellt und an Hand der Axiomatisierung seine Grundlagenprobleme und Voraussetzungen begrifflicher und empirisch-semantischer Natur analysiert, sowie der normative Aspekt behandelt. Wir erhalten folgendes Schema des Zweikomponenten-ModellsM: M = Lr ~ LE, oder wenn Lr
=Kund LE = I, M = K ~ I, bzw. M = (K,I)
wobei ~ die strukturell-semantische Repräsentation ist und LE sich immer auf D, das empirische Anwendungsgebiet des Modells bezieht.K, der Kern, stellt die mengentheoretische Struktur von Lr dar und I ist dessen idealisierte Interpretation. 2.1. Axiomatische Festlegung der Struktur von K'. K' = dl(W, E: >-, -,p) sei die rein begriffliche (mengentheoretische) Struktur einer Intervall-Nutzentheorie< K', I' ), wenn und nur wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind: A'l: Die Teilstruktur (W; >-, - ) sei die einer Quasiordnung, das heißt die Relationen >- und - haben die folgenden logischen Eigenschaften: Sym (- ), Reflex (- ), Trans (-); Trans (>-) und Exklusivität von >- und - sei gefordert. Damit haben wir ausgedrückt, daß Werte w, wobei weW, immer quasigeordnet sein sollen; anders wäre ordinaler Wertvergleich unmöglich. A'2: (E, F; p) sei eine additive finite Wahrscheinlichkeitsstruktur, wenn und nur wenn die Mengen E einen Mengenkörper F bilden, d.h. Vereinigungsmenge und Komplementärmenge zur Struktur gehören; die Wahrscheinlichkeiten seien mit p(Ej) ~ O. p(E) = 1 gegeben, und, wenn EI liE 2 = 0, dannp(E I UE 2 ) = p(Ed + p(E2 ); p(Ed = dlO:, ß, 'Y. Wir haben damit ein finites Wahrscheinlichkeitsmaß auf die Menge E eingeführt, die später interpretiert unsere Zufallsereignisse sein werden, von denen Präferenzen und Werte wiederum abhängig gemacht werden können. A'3: Wenn die Werte Wj, Wj, wk wie folgt geordnet sind: Wj >-Wj >-Wk und ein 0: existiert, dann soll folgendes gelten, wobei: 0: + (1 - 0:) = 1 oder: j=n
~ O:j = I
i= 1
in
(0:1 WI, 0:2W2, ... ,O:nwn): Wj -{(O:Wj, (l-O:)Wk}.
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Wird Wj konventionell als niederster Wert oder Wj =0 angenommen und Wk als höchster Wert, als Einheit, wk = 1, dann ist a = Wj. Interpretiert erhalten wir dann die Intervallmessung der Werte, Wj, Wj, Wk, wobei a empirisch gemessen wird. A'4: Wenn aWj, (l-a) Wj = m, dann soll m +q, wobei q und m konstante Werte sind, dem folgenden gleich sein: m + q = {a (Wj + q), (l-a) (Wj + q) f . Das Axiom führt in idealer Weise die für die Intervallmessung wichtige Konstante q ein, die bei linearen Transformationen benötigt wird: u(Xj) = p. u'(Xj) +q. A'5: Wenn Wj=Wj, dann soll gelten, daß {awj,(l-a) Wj f = {(l-a) wj,awjf. Dieses Axiom fUhrt eine Kommutativität einfacher Art ein. A '6: Wenn Wj ~ Wj und wenn {awj, (l-a) Wj f ~ {ß Wj, (l-ß) Wj f dann und nur dann,wenn: a~ ß. Axiom 6' wie 3' fUhren Kontinuitätsbedingungen ein, die äußerst wichtig für die Anwendung von Differential- und Integralrechnungen sind. j=n A '7: Für alle Wj'S und alle (al Wl ,a2 W2 , ... ,anwn ), wobei Laj = 1 sollen minimale und maximale Elemente existieren. j= 1 A '8: Für alle Wahrscheinlichkeiten: a, ß r, {j € [0,1] soll Reduktion von komplexen zu einfachen Wahrscheinlichkeiten gelten, wenn {j =ar + ß (1-r) dann: [r{aWj, (l-a) Wj I, (l-r){ ßwi, (l-ß) wj/ ] = {{jWj, (l-{j) Wj f Der syntaktisch logische Aspekt von Theorien hat vor allem die Unabhängigkeit der Axiome zu erweisen; dann und nur dann sind sie als Voraussetzungen, Grundlagen einer Theorie anzusehen. Wir haben sozusagen in den Axiomen die wichtigsten Voraussetzungen in nuce vor uns; daß sie zueinander relativ konsistent sind (w-konsistent) und daß man aus ihnen Theoreme herleitet, ist ein wichtiger formallogischer, mathematischer Aspekt. Gilt die in Kapitel 3 durchgefUhrte semantische Analyse (Interpretation), insbesondere die behavioristische Interpretation von Wj >- Wj durch die Präferenzbeziehung zwischen Objekten xjXr P(XjXj), dann kann man das fur die ganze Theorie überaus wichtige Repräsentationstheorem (Rn aus den Axiomen 3', 7',5' und 6' ableiten 8 . Man benötigt dazu noch die definitionsgemäße EinfUhrung einer Repräsentationsfunktion, in diesem Falle einer Wert- oder Nutzenfunktion u, definiert auf die Xj, und erhält durch Ableitung aus K': Wenn P(XjXj) oder l(xjxj) dann u(x;) > u(Xj) oder u(Xj) = u(Xj), wobei u(Xj) = Wj. Aus Axiom 4' erhält man die lineare Transformationsgleichung: u(Xj) = p. + q, wobei p > O. Diese überaus wichtige Transformation gesteht sozusagen jeder wertenden Person, aber auch jeder Wertung durch einunddieselbe Person, einen eigenen Wertmaßstab mit willkürlichen Einheiten und Nullpunktfest-
u'(Xj)
8 W. Lejnfellner, "Generalization of Classical Decision Theory", in: K. BorchjJ. Mossjn (Hrsg.), Risk and Uncertainty, Macmillan, London 1968, S. 196-221.
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legung zu, ermöglicht aber intra- und interpersonellen Wertvergleich durch eine Intervallskala während des Entscheidungsprozesses. Für die Charakterisierung und Taxonomie der durch die Axiome von MTh aufgespannten Struktur ergeben sich interessante Konsequenzen: Axiom I' fUhrt eine Boolesche Struktur ein, Axiom 2' erweitert diese zu einer klassischen Wahrscheinlichkeitsstruktur, Axiom 3' verändert die Boolesche Struktur zu einer modularen durch die EinfUhrung konvexer linearer Kombinationen (O!, W, , 0!2 W 2 , . . . , O!n w n ). Durch A '3 und A '6 wird die repräsentierende Wertoder Nutzenfunktion kontinuierlich und zweimal differenzierbar und schließlich kann man den Wertraum der Meßtheorie MTh als einen konvexen linearen Vektorraum definieren, was wiederum sehr schön die Tatsache ausdrückt, daß man nur vergleichbare und nicht typenfremde Werte in jeder Intervall-, Werttheorie benützen kann. Der modulare Charakter zeigt an, daß unsere Werttheorie Th nicht durchgehend den Gesetzen der klassischen Logik und der klassischen Deduktion folgt, sondern wahrscheinlichkeitstheoretisch erweitert ist und deren empirische Sprache LE den Typ einer Lorenzschen Dialoglogik oder einer intuitionistischen Aussagenlogik besitzt. Analysen dieser Art wurden das erste Mal im Gebiete der Quantenlogik gemacht; sie zeigen jedenfalls sehr deutlich, daß die logische Struktur von Theorien, d.h. ihr theoretischer Kontext ausschließlich von der empirischen Struktur in D, dem Anwendungsgebiet der Theorien abhängt. Man kann ohne übertreibung sagen, daß die zugrundeliegende Logik bzw. Struktur ontologisch induziert ist. Wie dies mit Hilfe einer "semantischen Reduktion" erwiesen werden kann, wird im nächsten Kapitel beschrieben. 3. Semantischer Aspekt der Theorie MTh. Die Grundidee der Semantik von Modellen ist einfach: man hat ein empirisch wahres Modell von K zu finden. Daß man auch den umgekehrten Weg gehen kann, wird auf Seite 39 erklärt. Die hier aufgestellte Interpretation von K' ist eine empirisch behavioristische, im Gegensatz etwa zu Al/ais, der eine intuitive (introspektive) Interpretation l' von K' fordert 9 • Verhaltensinterpretationen weichen natürlich entschieden von jeder physikalischen Interpretation ab und bestehen darin, die Interpretation entweder auf S ..... R (Situation ..... Response) Paaren oder auf E ..... R (zufälliges Ereignis ..... Response) oder auf S ..... St (Situation-Strategie) oder Stj ..... Stj (Strategie-Strategie) Paaren zu begründen. Auf eine Strategie des Individuums i mit einer eigenen Strategie (Handlung) j zu reagieren, ist typisch fUr sozialwissenschaftliche Theorien, d.h. deren empirischer Fundierung. Wir beginnen nun mit einer vereinfachten schematisierten Interpretation von Axiom A '1. Als Response sehen wir die Präferenz P des Individuums i an, bzw. die Indifferenz I des Individuums i zwischen den "stimulierenden" Gütern Xj, xk. Als Interpretationsregeln benützen wir den Strich /, der einfach heißt: Ersetze" ..... " 9 W. L~infellner/E. Booth, "The Naturalistic versus the Intuitive or the American versus the French School of Values", in: Allais (Hrsg.), Allais versus Morgenstern, Reidel, Boston, im Druck.
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durch ,,- - - - - ". Wir benützen ftir Axiom 1: >- / P, -/ I, und sinngemäß wil Die ganze Interpretation läuft auf Testung der dadurch erhaltenen Hypothesen hinaus, nämlich Symmetrie von Indifferenz, Reflexivität und Transitivität der Präferenz bzw. der Indifferenz und Einhaltung der Exklusivitätsregel. Gleichzeitig haben wir mit Axiom I flir unsere Theorie semantisch zulässige Aussagen erzeugt, und wenn wir sie alle erfolgreich getestet haben, dann sind wir berechtigt, diese als Hypothesen zu betrachten und damit diese Aussagen als Voraussagen anzusehen: kurz als Projektion in die Zukunft. Axiom 2 kann mit der üblichen frequentistischen Interpretation der Wahrscheinlichkeit semantisch sinnvoll gemacht werden und Axiom 3 ergibt den empirischen Test in Form eines Spiel tests, der aus E -+ St Folgen, in einer Spielmatrix angeordnet, besteht:
U(Xi).
Strategien der Testperson
E1
E2
Stl
u(xi)
U(Xk)
St2
u(Xj)
u(Xj)
Matrix: Strategien (Handlungen) der Testperson gegen die Natur (Zufallsereignisse )
Der durch das Axiom geforderte Fall ergibt sich, wenn das Individuum indifferent zwischen Strategie 1 und Strategie 2 ist. Axiom 4 ist wiederum ein empirischer Test, in dem das Individuum indifferent ist zwischen einer Chance, z.B. zwei Dollar zu bekommen: p + q, oder einen Dollar zu gewinnen (m) und einen zweiten Dollar zusätzlic:1 dazu zu erhalten (q). Axiom 5 ist ein Zeittest: solange die geforderte Kommutativität gilt, solange kann keine Änderung der Indifferenz eintreten, und es bleibt das Präferenzpattern stabil. Axiom 6 ist z.B. durch folgende empirische Testbedingungen erflillt: wi ist der We~t des Überlebens, Wj der Unfallswert, 0: die Überlebenschance bei überquerung einer Straße bei Grün und ß die Überlebenschance bei Überquerung bei Rot, die empirische Testsituation muß dann ergeben, daß: 0: ~ ß. Axiom 7 und 8 sind formale mathematische Forderungen, die aber eminente praktische Konsequenzen nach sich ziehen. Wir haben daher in allen Interpretationen dasselbe Schema vorliegen. Zunächst bestimmen die Axiome die in der Theorie semantisch zulässigen Aussagen, und die empirisch deskriptive Bedeutung haben. Diese Aussagen von LE bilden die empirischen Testhypothesen, die wiederum in ihrer Gesamtheit die Theorie selbst bestätigen und damit die Intervallmessung von Werten in dem Gebiet D der Theorie MTh ermöglichen. Ein negativer Ausfall einer Testhypothese besagt gewöhnlicherweise nur, daß in diesem bestimmten Falle und diesem bestimmten Gebiete D eine Messung nicht möglich ist. Solche negativen Tests beschränken daher das Anwendungsgebiet D der Meßtheorie, bzw. der Messung. Eine detaillierte semantische Analyse befindet sich im erwähnten Buche von Leinfellner-Leinfellner2 • Im Gegensatz zur hier verwendeten "deduktiven" Semantik, die mit dem Kern beginnt, handelt die induktive, statistische Semantik, die von Leinfellner-
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Leinfellner ausgearbeitet wurde, vom umgekehrten Problem, nämlich wie man überhaupt das erste Mal zur Aufstellung des Kernes K kommt. Einerseits nun ist dies ein historisches Problem der Entstehung dieser Theorie aus den Anfängen bei Aristoteles, Smith, Ricardo bis Shubik, Schwädiauer u.a. lO . Andererseits kann man diese historische Entwicklung auch semantisch erklären, denn wenn wissenschaftliche Kontexte (Vorhypothesen, Hypothesen) gebildet worden sind, dann findet man in den Texten, z.B. Ricardos, Smiths, gewisse invariante Bedeutungsbildungen vor. Z.B. "Angebot", "Nachfrage", "Gleichgewicht" etc. werden in ein und derselben Bedeutung in bestimmten Kontexten immer wieder gebraucht. Dieses "Konstantwerden" bestimmter Bedeutungen in bestimmten Kontexten über bestimmten Anwendungsgebieten D kann nun in einer statistischen Invarianzthese festgehalten werden. Diese besagt, daß bestimmte Haupt- und Schlüssel begriffe in bestimmten Kontexten wissenschaftlicher Art über bestimmten Anwendungsgebieten allmählich invariante Bedeutungen erlangen. Auf diese Weise kommt man zu einer statistischen semantischen Aufstellung von Axiomen selbst, denn die Axiome sind ja nichts anderes als für den Kontext Th und das Anwendungsgebiet D festgelegte invariante Bedeutungen, wobei man diese invarianten Bedeutungen in operationale oder reine Bedeutungen des Kernes oder der Sprache LT, und in operative oder deskriptive der empirischen Sprache LE, die zur Interpretation des Kernes K benutzt wird, aufteilen kann. 4. Das Ricardo-Smith-Shubik-Marktmodell. Theorienkonstruktion und Modellbildung sind in der Wissenschaftstheorie der Sozialwissenschaften sehr vernachlässigt worden. Während Theorienkonstruktion und Modellbildung in der Quantenphysik erfolgreich zur Klärung erkenntnistheoretischer logischer und struktureller Probleme angewandt wurde, so von Ludwig, Mittelstaedt Il , Scheibe in Deutschland und von Jauch, Piron in der Schweiz, um nur einige zu nennen, geschah auf dem Gebiete der sozialwissenschaftlichen Theorienkonstruktion nur wenig, mit Ausnahme der bahnbrechenden meßtheoretischen Untersuchungen von Suppes und Zinnes 6 . Dies ist mehr als verwunderlich, sind doch die Sozialwissenschaften ein Gebiet, das in stürmischer Entwicklung begriffen ist und in dem das Entwerfen neuer Theorien oder Modellkonstruktion schon zur Tagesordnung gehören sollte. Dies trifft besonders auf alle quantitativen Theorien zu, wie sie in der Ökonomie verwendet werden. Um den logischen Aufbau oder die begriffliche Struktur Keiner mikroökonomischen Theorie eingehender zu untersuchen, muß natürlich weit mehr vorausgesetzt werden, als es hier möglich ist. Vor allem ist Verständnis der Tatsache erforderlich, daß, je umfänglicher und größer eine quantitative Theorie, desto mehr mathematische oder mengentheoretische Begriffe man hierzu benötigt. Es bedarf weit eingehenderer semantischer Untersuchungen, um zu zeigen, daß auch Differentiale, erste und zweite Ableitungen und Differentialgleichungen in wissenschaftlichen Theorien empirische dynamische Strukturen repräsentieren, z.B. sich langsam und stetig vermindernde oder zunehmende empirische Präferenzstruk-
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turen des Marktes. Nun zeichnen sich ja gerade gesellschaftlich ökonomische, politische, soziale Beziehungen und Abhängigkeiten durch sehr komplizierte, sich zeitlich verändernde Interrelationen und funktionale Zusammenhänge aus. Das ist auch der Fall bei dem Ricardo-Smith-Shubik-Marktmodell 10 , einer der ältesten ökonomischen Theorien. Dazu kommt, daß wegen simultaner gegenseitig sich stetig verändernder Interrelationen Differentiale und Integrale bisher noch nie vollständig mengentheoretisch dargestellt werden konnten. Diese sind vielmehr, wie Leinfellner-Leinfellner ausführten, wegen ihrer semantisch-empirischen Bezüglichkeit quantitative Repräsentationen von sich stetig verändernden Interdependenzen und Veränderungen von dynamischen Strukturen, sie sind aber wegen ihrer Dynamik nicht in der statischen Logik des Prädikatenkalküls und der Mengenlehre formulierbar. Wir müssen daher Begriffe, alle Ableitungen etc., kurz die zugrundeliegende Struktur quantitativer Theorien als rein mathematisch ansehen. Es ist die höhere Mathematik, die heute die theoretischen Begriffe und Ableitungen lieferteine aus Mengenlehre, Integral-, Differential- und Vektorrechnung usw. gebildete Methodik und nicht mehr ausschließlich die deduktive Logik etc. Das trifft natürlich ausschließlich ftir die Struktur des Kernes und der formalen Sprache LT zu, in der wir die Struktur mengentheoretisch repräsentieren, und nicht fur die Sprache LE. Das Modell der Mikroökonomie, wie wir es hier behandeln, nimmt, wie in empirischen Modellen üblich, nur einige bedeutende Strukturen und dynamische Abhängigkeiten des Marktes heraus. Es benötigt hierzu die folgenden mengentheoretischen Begriffe (Terme): N, der für die Teilnehmer am Markt steht, X für alle Güter, die produziert, gehandelt, etc. werden, W für die Werte dieser Güter, z.B. monetäre Werte, wie Preis P, Kosten C, Profit C, die definitionsgemäß alle Werte sind. Das Modell beschränkt sich auf die empirisch wichtigen funktionalen Invarianzen wie Kosten (A 4), Preise am Markt P, Gewinn der Produzenten C, und behandelt die Angebot-Nachfrage-Struktur des Marktes. Man kann natürlich das Modell beliebig erweitern; hier soll aber nur seine spieltheoretische, entscheidungstheoretische Variante im Kapitel 5 und 6 behandelt werden. Das Modell der Theorie Th ist nach dem gleichen Schema aufgebaut wie MTh, hat einen Kern K und eine intendierte Interpretation I, ist also das Paar: (K, I). Die Axiome A l-A 6, sowie alle weiteren unterscheiden sich aber von den Axiomen der Wertmeßtheorie MTh. Sie sind mehr mathematisch, d.h. sie sind die vereinenden, die Theorie zusammenhaltenden Rahmenaxiome. So wie in der Thermodynamik partielle Differentialgleichungen, in der Quantentheorie die Schrödinger-Gleichungen Zustände verbinden 11, so verbinden hier die aus den Axiomen entwickelten Funktionen, d.h. die Differentialgleichungen in den 10 M. Shubik, Strategy and Market Structure: Competition, Oligopoly, and the Theory of Games, New York 1959. 11 P. Mittelstaedt, Philosophische Probleme der Modernen Physik, Bd. 50, B.1. Institut, Mannheim.
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Theoremen, die Zustände des Marktes. Sie beziehen sich aber auf die empirische "behavioristische" Wirklichkeit des Konsumer- oder Produzentenverhaltens indirekt via unsere Meßtheorie MTh. Deren Struktur, (W, E; >-, - ,p), ist eine Sub struktur von (N, X, W; und alle Funktionen, wie z.B. C und!, sind natürlich Wert- oder Nutzenfunktionen, deren kontinuierliche und integrierbare Eigenschaften im Präferenzverhalten der Marktteilnehmer verankert sind. Es sind das insbesondere die Axiome A '3 und A '6, die kontinuierliche Wertfunktionen dem menschlichen Präferenzverhalten auferlegen. Ebenso wie wir uns in der Mechanik l2 auf idealisierte euklidische Punkte, Massenschwerpunkte etc. beziehen, also auf geometrische Idealisierungen, die wir solange aufrecht erhalten, solange die Tests, d.h. die empirischen überprüfungen, die Theorie bestätigen, genau so können wir uns auf die durch die Meßtheorie MTh festgelegten Idealisierungen beziehen. Das ist genau, was wir unter "intendierte Interpretation" von K durch I verstehen. Insbesondere gehört hierher, daß wir in und durch die Meßtheorie MTh einen euklidischen Vektorraum eingeführt haben, auf dessen idealisierte Punkte wir uns mathematisch beziehen, solange diese Präferenzen bzw. das Präferenzverhalten exakt, d.h. isomorph oder homomorph, repräsentieren. Wir haben also eine typisch indirekte Zurückführi.mg der Bedeutung von mathematischen Begriffen via geometrische euklidische Vektorräume auf empirische Präferenzen der Teilnehmer am Markt. Gemäß der Zweikompon.enten-Konzeption sozialwissenschaftlicher Theorien ist also einerseits die Struktur einer Theorie oder ihre Logik ontologisch vom Marktverhalten induziert und bestimmt. Andererseits aber müssen wir immer die deontische Komponente des kulturellen Hintergrundwissens als zweite entscheidende Determinante in Erwägung ziehen. Zum Zwecke der logisch-semantischen Analyse, die ja zur Darstellung (Modellbildung) beider Determinanten verwendet wird, werden die beiden Komponenten hier getrennt werden, um ihren Einfluß auf die Theorie, bzw. das Modell besser herauszuarbeiten. Dies wird besonders ab Kapitel 5 erfolgen. sei die rein be4.1. Axiomatische Festlegung von K. K = dl(N, X, W; griffliche mengentheoretische Struktur einer Duopol-Mikroökonomie (des Marktes) ( K, I >, wenn und nur wenn die folgenden Bedingungen erflillt sind: Al: N ist eine nicht leere, finite Menge; Teilmengen NI, N 2 • •••• N n , sowie Elemente der Mengen und Teilmengen, i, j, k, gehören ebenfalls zu ihr. A2: X ist eine nicht leere, finite Menge; Teilmengen XI ,X2 , ••. ,Xm , sowie Elemente· der Mengen und Teilmengen, x I , X2 , •.. ,Xk, gehören ebenfalls zu ihr. Für die Teilmengen von X existieren obere Grenzen, Z.B. für X;:
c,n
c,n
0< Xj;; lj.
A3: W ist eine finite, nicht leere Menge; WI, W2 , •.. , Wn sind Teilmengen von W. Elemente der Mengen und der Teilmengen, W I , W2, . . . , w" gehören ebenfalls zu ihr. 12 J.
D. Sneed, The Logical Structure of Mathematical Physics, Reidel, Dordrecht 1971.
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A4: Ci, Cj sind monoton ansteigende Funktionen, Ci, Cj ihre korrespondierenden Werte, Xi, Xj ihr Wertbereich. Ci = Ci (Xi ) und Cj = Cj(Xj), wobei Ci, Cj € W, sollen zweimal differenzierbare Funktionen sein. A 5: f ist eine monoton fallende Funktion, Pi, Pj ihre korrespondierenden Werte, Xi, Xj ihr Wertbereich, so daß: Pi
= Xif(Xi + Xj) oder Pj = Xj[(Xi + Xj),
für den Fall, daß der Wertbereich nur aus Xi und Xj besteht. f soll eine zweimal differenzierbare Funktion sein, und Pi, Pj € W. A6: Die Werte Gi, Gj werden mittels folgender Funktion erhalten:
4.2. Erklärung und simultane Interpretation. Axiom I repräsentiert und definiert die Individuen der Gesellschaft, i,i, k, verkörpert Klassen oder Koalitionsbildung als Teilmengenformation. Es enthält das allgemeinste Kriterium empirischer Mengen, das sich rein formal mathematisch ausdrücken läßt, nämlich, nicht-leere, finite Mengen zu sein. Dasselbe gilt für Axiom 2, nur werden hier obere Grenzen für z.B. Gütermengen mit h,lj etc. eingeführt. Damit kann man Besitz der Güter, Produktion von Gütermengen durch i, i etc. charakterisieren und interpretieren. Axiom 3 führt Wertmengen ein. Nicht umsonst hat man die Ökonomie Jahrhunderte lang eine Wertwissenschaft genannt. Werte, seien es monetäre, Tauschwerte etc., sind die durch die Meßtheorie bereits definierten Werte der Wertfunktionen ui (Xi) = wi, Uj (Xj) = Wj etc. (Wertfunktionen sind hier zugleich Repräsentationsfunktionen). Axiom 4 definiert eine besondere Wertfunktion, die Kostenfunktion, für die zusätzlich zu den Bestimmungen der Wertmeßtheorie MTh noch monoton ansteigender Charakter gefordert wird. Das entspricht interpretiert dem ansteigenden Charakter der Kosten bei der Produktion etc. Rein formal ist diese Funktion mit der Angebotsfunktion identisch; das Axiom hat daher zwei Interpretationen, ist polymorph. Axiom 5 definiert wiederum eine besondere Wertfunktion, für die zusätzlich zu den Bestimmungen der Wertmeßtheorie MTh noch monoton fallender Charakter gefordert wird. Das entspricht interpretiert der fallenden Tendenz der Nachfragefunktion auf jedem Markte. Angebot-, Kosten- und Nachfragefunktionen haben daher auf Grund der Wertmeßtheorie und auf Grund ihres empirischen Charakters auf dem Markte empirische Präferenzstruktur. Sie stellen die empirisch dynamische Angebot-Nachfragestruktur des Marktes dar, deren graphisch-geometrische Repräsentation - da die eine stetig fällt, die andere ansteigt - den Cournotschen Gleichgewichtspunkt als Schnittpunkt enthält.
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Schließlich und endlich ergibt das Axiom 6 interpretiert den Profit, Gewinn bei der Produktion von Gütern durch die Produzenten i,j an. Der Gewinn, wiederum eine Wertfunktion, ergibt sich aus dem Preis am Markte z.B. für i: Gi (Xi, Xj) in Abhängigkeit von einem anderen Produzenten j (Duopolmodell) als Differenz zwischen dem Preis am Markt: Xi!(Xi + Xj) minus der Kosten Ci (Xi). 5. Die deontische oder Sollenskomponente sozialwissenschaftlicher (realisierender) Theorien. Neben der dynamischen Struktur, hier den Marktbeziehungen oder -funktionen C,[ usw., müssen wir noch die im Hintergrundswissen der Theorie vorhandenen Sollenssätze, hauptsächlich individuelle Maxime, allgemeine Sollensprinzipien und die Paradigma ta selbst als Theorie-Determinanten betrachten, d.h. Maxime =M. Prinzipien =P, Paradigma =PD. D.h.logische Untersuchungen sind notwendige aber nicht notwendige und hinreichende Bedingungen, um sozialwissenschaftliehe Theorien zu verstehen. Sie legen auch nur die notwendige mathematische Struktur und die formalen Voraussetzungen, sowie die sprachlich semantischen Funktionen der Theorien fest. Die epitheoretische Methode betrachtet nun gerade diese zwei wichtigsten Analysen der Theorien nur als notwendige Aspekte, zu denen sich andere hinzugesellen können J3. So muß man für sozialwissenschaftliehe Theorien deren normativ präskriptiven Aspekt berücksichtigen, was man offenbar für rein physikalische Theorien nicht benötigt. D.h. z.B.: Entscheidungsregeln können von der Sollenskomponente (M 8. PB. PD) abhängig gemacht werden; desgleichen die Regeln, die die Konstitution eines Handlungsrahmens ausmachen. Das erklärt zwangslos, warum gerade die sozialwissenschaftlichen Theorien von außerwissenschaftlichen oder auch vorwissenschaftlichen Ansichten, Ideologien, Weltanschauungen, religiösen Haltungen determiniert werden können. Man kann den wichtigen Teil PD der Sollenskomponente mit Kuhn den paradigmatischen Faktor nennen. Der paradigmatische Aspekt hat daher zu zeigen, was für vorwissenschaftliche Ideale und Faktoren auf die Entstehung der Theorie, aber auch auf die Weiterfortführung der Theorie in Universität, Lehre, Forschung und Praxis determinierend einwirken. Im Gegensatz zu vielen Untersuchungen im Gefolge Kuhns soll aber die epitheoretische "paradigmatische Analyse" einen streng formalen bzw. logischen Charakter haben. Es genügt also nicht, vage von Paradigmen, Leitmotiven, Ansätzen extratheoretischen Charakters zu sprechen, sondern es muß ihr Einfluß auf die formale Axiomatisierung oder auf die Modelle im Detail nachgewiesen werden. Es ist erstaunlich, daß in dieser Hinsicht nicht viel, außer den hier erwähnten Arbeiten, publiziert worden ist. Wie der Autor schon an anderer Stelle darauf ausführlicher hingewiesen hat, ist der paradigmatische, der normative, der deontische Aspekt mit der Tatsache verknüpft, daß sozialwissenschaftliehe Theorien das Handeln und Entscheiden der Menschen bestimmende Determinanten enthalten und daher eng mit dem sozialen, kulturellen, politischen, wie auch dem wissenschaftlichen Hintergrundwissen verbunden oder in es ein13
W. Leintel/ner, siehe 1, S. 136-146.
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gebettet sind. Unter diesem Hintergrundswissen versteht man Oberhypothesen, Maximen, Prinzipien und Paradigmen etc. Die Reihenfolge dieser Faktoren oder Determinanten zeigt sozusagen die abnehmende Abstraktheit extratheoretischer Ideen für wissenschaftliche Theorien an. Ihre Einwirkung beginnt regelmäßig mit der Herauskristallisierung eines Paradigmas, das dann (historisch gesehen) in Maximen, Prinzipien und schließlich in die Entscheidungsregeln und die Konstitution eingeht und oft formalen, mathematischen Charakter annimmt. Im folgenden soll kurz der Einfluß des Spiel-Paradigmas auf die westliche Ökonomie erörtert werden. Das Spiel-Paradigma, das oft mit Unrecht als kapitalistisch gebrandmarkt wurde, ist aber nur ein Paradigma unter anderen. Z.B. ist das Entfremdungs- und Arbeitswertparadigma Marx' vom Spielparadigma grundverschieden, wie dies der Autor in mehreren Arbeiten erörtert hat 14. Da unsere sozialwissenschaftlichen Theorien von nichtwissenschaftlichen Faktoren, Sollensätzen, Haupt- oder Superregeln wie Maximen, ethischen und sozialen Prinzipien abhängen, sind sie nicht wertfrei. Wie dies aber nun formal ausgedrückt werden kann, soll in diesem Modell exakt dargestellt werden. Der Einfluß von ethischen Prinzipien auf z.B. unsere Werttheorie wurde durch Arbeiten Flemings, Harsanyis, Sens 1S , in denen die Abhängigkeit der Entscheidungstheorien insbesonders der kollektiven Entscheidungstheorien von solchen ethischen Prinzipien auch formal erörtert wurde, bekannt. Wie bereits erwähnt, versteht man unter Maximen, ganz im Sinne Kants, individuelle, mehr oder minder egoistische "Superregeln" , unter Prinzipien kollektive generelle Regeln, mehr oder minder ethische Obligate, und unter Paradigmen informelle Instruktionen, Anweisungen, wie die Maximen und Prinzipien zusammen in ethischen Konflikten anzuwenden seien, d.h. zu seiner Lösung beitragen. So ist es schon sehr lange bekannt, daß, zum Beispiel, unsere Nutzentheorie, so wie sie durch die Axiome festgelegt ist, einfach normativ unvollständig ist. Das Individuum muß nämlich, um bewerten zu können, entweder seinen materiellen Nutzen oder seine Satisfaktion (inneren Nutzen) maximieren, d.h. ein Nutzenmaximier sein. Diese oftmals als utilitaristisches Grundprinzip angesenene Maxime ist im Grunde eine hedonistische, eudemonistische Regel, die einfach vom Individuum verlangt, daß es in erster Linie an sich selbst denken soll. Ohne diese Maxime würde einfach der ganzen Nutzentheorie MTh jeder Antrieb, sozusagen der Motor, fehlen. Die Maxime kann leicht formali14 H. W. GottingerjW. Leintel/ner (Hrsg.), Decision Theory and Social Ethics, Reidel, Boston, 1978. W. Leintellner, "Marx and the Utility Approach to the Ethical Foundation of Microeconomics", in: H. W. GottingerjW. Leintel/ner (Hrsg.), Decision Theory and Social Ethics, Reidel, Boston, 1978, S. 33-59. W. Leintel/ner, "ModeIle der Entfremdung: Von der Entfremdungsidee zur ökonomischen Theorie bei Marx", in: Sozialwiss. Ann., Bd. 2, 1957, S. BI-B23. IS J. C. Harsanyi, Essays on Ethics, Social Behavior, and Scientific Explanation, Reidel, Dordrecht 1976. A. K. Sen, Collective Choice and Social Welfare, San Francisco 1970. J. F. Nash, "The Bargaining Problem", in: Econometrica 18,1950, S. 155-162.
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siert werden und ist in dieser Form von Luce auch "individuelle Rationalität" genannt worden l6 : Sie lautet dann als eine Art Superregel: Handle so, daß: ui (x)
~
0, für alle i, immer erfüllt ist.
Es ist klar, daß diese Maximen den Axiomen übergeordnet sind, sie tragen aber nichts zur Struktur selbst bei, sondern treten erst bei ihrer Verwirklichung in Aktion. Eine für die Gruppen- und Klassenformation sehr wichtige Maxime ist die allgemeine Regel der Gruppen- oder Klassenrationalität, in der der Gruppen- oder Klassennutzen mit v bezeichnet wird: wenn Ni n Nj = (/J, dann v (Ni U Nj) ~ v (Ni) + v (Nj) für alle i undj. Formal führt diese Maxime die Superadditivität des Gruppen- und Klassennutzens ein, d.h. niemand wird einer Koalition (Gruppe, Klasse): Ni U Nj beitreten, wenn er nicht dadurch mehr erreichen kann, als ohne ihr anzugehören, d.h. daß" > " gilt. Daneben aber wird in der ökonomischen, insbesonders der entscheidungstheoretischen Literatur eine Reihe von Sollens-Prinzipien ethischer Art aufgeführt, insbesondere bei Sen 17, so Freiheit der Wahl, Gleichheit der Chancen oder der Teilnahme an allen öffentlichen Stellungen und Funktionen in der Gesellschaft, Paretooptimalität, Irrelevanzprinzip etc. Diese ethischen, mehr oder minder altruistischen Prinzipien geraten natürlich leicht in Widerspruch zu den Maximen, die mehr egoistischer Art sind. Daß nun beide in bestimmten sozioökonomischen oder politischen Situationen der Gesellschaft miteinander verträglich sind, dafür sorgt das Spiel-Standardparadigma, wie man es nennen könnte. Zunächst ist es aus der Literatur altbekannt, daß diese wissenschaftsextemen Determinanten, wie Prinzipien, Maximen zuerst in der spieltheoretischen Literatur auftauchten, so zum Beispiel bei Nash in seinem bargaining model, wo er einen neutralen, idealen Schiedsrichter im Paradigma beschreibt und dann seine Funktion formalisiert und mathematisiert, d.h. eine Entscheidungstheorie aufstellt, die gemäß dem Vorbild des idealen Schiedsrichters die Letztentscheidung in einem Konflikt, das heißt die Lösung, zu berechnen gestattet. Seit Webers berühmter Arbeit über die protestantische Ethik und den Geist des Kapitalismus ist man auf der Suche nach den "externen" Fundamenten der westlicnen Marktwirtschaft. Man muß heute sagen, daß Webers Erklärung nie ganz zugetroffen hat; denn die Wirtschaft des alten Roms war extrem kapitalistisch, ohne jemals vom Puritanismus kalvinistischer Prägung heimgesucht oder beeinflußt gewesen zu sein. Dagegen ist es heute sehr klar geworden, daß zumindest die Mikroökonomie vom Paradigma des Spieles beeinflußt und geleitet worden ist. Dieses Paradigma betrachtet die Ökonomie des Marktes, der Firmen als ein durch Regeln festgelegtes Spiel, in dem jedermann eine faire 16
17
R. D. Luce/H. Raijja, Games and Decisions, J. Wiley, New York 1957, S.I92, S.216. A. K. Sen, Collective Choice and Social Welfare, Kapitel 6 und 9, San Francisco 1970.
12 Kamitz
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Chance hat, teilzunehmen, zu verlieren oder zu gewinnen. Der Ausdruck "Spiel" hat die Vieldeutigkeit und Weite eines Paradigmas. Es ist das Spiel, in dem zwei oder mehrere teilnehmen können, bei dem die Regeln schon im Vorhinein festliegen und die Handlungen bzw. die Handlungsfolgen oder Strategien darauf hinauslaufen, in diesem Spiel zu gewinnen. Die erwähnten Maximen der individuellen und der Gruppenmaximierung sind auch dem Spiel als Entscheidungsrahmen entnommen. Unter Entscheidungsrahmen verstehen wir die Tatsache, daß die verschiedensten Individuen mit verschiedenen Ansichten, Wertstandards ein gesellschaftliches Fiat, eine Vorentscheidung oder einen Gesellschaftsvertrag nur fUr die Zeitperiode der Spieldauer abschließen, nämlich die Spielregeln (Konstitution) anzuerkennen und damit auch den interpersonalen Wertvergleich zu ermöglichen. Sie tauschen ihre schrankenlose individuelle Freiheit gegen die im Spiel, im Entscheidungsrahmen zugelassene beschränkte, limitierte Freiheit oder Wahl der Züge ein. Unter dem Zwang des Spieles, unter dem Einfluß des Entscheidungsrahmens vermögen sie dann, offene Alternativen oder, wie es spieltheoretisch heißt, den Konflikt zu beenden, zu lösen. Eine reine Entscheidung oder eine Mischung aus denselben wird als die Lösung bezeichnet. Die Mathematisierung oder Theoretisierung von Konfliktlösungen durch Ein-, Zweiund Mehrpersonenspiele, durch kollektive Entscheidungsverfahren, wie Wahlen etc. kann dann als die Entwicklung oder Verwissenschaftlichung des Paradigmas angesehen werden, soziale Konflikte zu lösen. Die Entwicklung der Spiel- und Entscheidungstheorien stieß aber sehr bald an Grenzen, wenn es darum ging, das Spiel oder den Entscheidungsrahmen fair, ethisch, sozial zu machen. Bekanntlich versuchte ja A"OW I8 , nachdem er kollektive Entscheidungsfindungen theoretisiert und axiomatisiert hatte (KTh), diese von Prinzipien, die er als demokratisch und gut ansah, abhängig zu machen. Er wählte damals Freiheit der Wahl als unbeschränkte, d.h. logisch mögliche Reihung z.B. von Kandidaten (U); Pareto-Optimalität als sozial kollektive Minimalregel, nämlich daß, wenn alle indifferent sind und nur ein einziger nicht indifferent ist, seine Präferenz als kollektiv gültig angesehen werden sollte (P); Unabhängigkeit der Wahl von irrelevanten Alternativen (I), z.B. Unabhängigkeit bei der Wahl eines Kandidaten von dessen Augenfarbe; und schließlich und endlich Freiheit vom Zwang oder Nichtexistenz eines Diktators (D). Als er diese Prinzipien seiner kollektiven Theorie des Wahlverhaltens überordnete, erhielt er die berühmte Paradoxie, die formal ausgedrückt lautet:
oder D -+ D, was man als die A"owsche Paradoxie unserer westlichen Demokratie ansah, nämlich, daß man aus einer diktatorfreien (D) eine diktatorische 18
1963.
K. J. Arrow, Social Choice and Individual Values, Wiley, New York 1951, 2nd ed.
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179
Gesellschaft erhält. Dies ist vielfach als Beweis der Unmöglichkeit unserer Demokratie angesehen worden, oder auch als Unmöglichkeit, eine widerspruchsfreie Theorie westlicher Demokratien zu konstruieren. Dies galt solange, als man die Arrowschen Prinzipien (UPID) = P als zu stark ansah und suchte, sie durch schwächere zu ersetzen; heute aber neigt man allgemein der Ansicht zu, so Sen, daß diese zu schwach waren und daß sie durch stärkere Prinzipien, z.B. aus dem kulturell sozialen Hintergrundswissen, zu ersetzen seien. Das aber gerade ist genau die hier diskutierte These, daß sozialwissenschaftliche Theorien im Gegensatz zu physikalischen Theorien von Determinanten aus dem Hintergrundswissen wie Maximen, Prinzipien, Paradigmen sozusagen gesteuert und beeinflußt werden. Es kommt dabei wesentlich darauf an, welches Paradigma und welche Maximen und Prinzipien man verwendet oder verwenden will. So hat der Utilitarismus bekanntlich als Hauptprinzip, daß die allgemeine Wohlfahrt die Maximierung der Summe der individuellen sei. Ethischere Gesellschaften werden also hier durch Steigerung der individuellen Wohlfahrt erreicht, eine klare Einsicht, daß alles, was wir auch immer tun mögen, alle Regeln und Prinzipien der Gesellschaft, ihrer Wirtschaft, etc., immer das Wohl des einzelnen heben sollten, d.h. die individuelle Maximierungsmaxime nicht verletzen dürfen. Kant dagegen drückte ethische Handlungen und ethische Gesellschaftsordnungen als ein Gleichgewicht der Maximen und Prinzipien aus. Der kategorische Imperativ verlangt, daß jeder so handle, daß seine Maximen jederzeit allgemeine Gesetze (der Gesellschaft) seien. Wir werden nun im nächsten Kapitel zeigen, daß unser Modell der Mikroökonomie unvollständig ist, wenn wir es nicht durch das spieltheoretische Parac digma ergänzen. Inwieweit dieses Modell und damit die Mikroökonomie ethisch besser gemacht werden kann, hängt dagegen von der Wahl der Prinzipien ab, die man ihr aufzuerlegen gedenkt. 6. Der spieltheoretische Aspekt. Gemäß diesem Paradigma betrachten die Teilnehmer den Markt als gewinnbringende durch Spielregeln festgelegtes Spiel unter Unsicherheit und Risiko, also als einen Handlungs- und Entscheidungsrahmen, bei dem die Handlungen von unsicheren Ereignissen abhängen können und bei dem gemäß Axiom 3' zukünftige Bewertungen nur Einschätzungen, Prospekte sind, gemäß unserer Formulierung als: (0:1 W 1 , 0:2 w 2 , . . . , O:n w n ). Wir sehen sofort, daß bereits unsere Nutzentheorie MTh ganz von diesem Paradigma beeinflußt war. Wir erweitern nun das Modell Th, indem wir das umgangssprachliche Paradigma formalisieren, das heißt in Axiome, Definitionen und Regeln eingehen lassen. Axiom 9. Ein n-Personenentscheidungsprozeß ist durch n nicht leere Mengen, Strategien St i , i = 1, 2, ... ,n (eine Menge für jeden Spieler i) gegeben, und durch n reellwertige Nutzenfunktionen U (Gewinne oder Verluste), definiert auf das cartesische Produkt: St l x St 2 x ... x St n . Der Entscheidungs12·
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prozeß ist durch eine Menge von Regeln R konstitutionalisiert. Wir erhalten folgende von den Regeln gesteuerte Struktur: (St l , St 2
, . .. ,
St n ; U l , U2 , ..
. ,
un) R.
Damit wird unser Marktmodell ein Entscheidungsprozeß unter Unsicherheit und Risiko, in dem die Teilnehmer sich, wenn überhaupt, nur mehr für die Regeln allein verantwortlich fühlen. Es ist klar, daß nur die Regeln oder ganz allgemein die Konstitution, wenn vertragliche Übereinkunft erzielt ist, den Entscheidungsrahrnen sozialer, fairer, ethischer machen können, aber auch in das Gegenteil verkehren können. Es sind auch die Regeln, in die und auf die Maximen und Prinzipien direkt Einfluß haben. Das Paradigma des Spieles ist dagegen umfassender, so daß man Huizinga zustimmen könnte, wenn er sagt, daß der "homo sapiens" besser ,,homo ludens" genannt werden sollte. Tatsächlich ist die Vorentscheidung für rationale Einsicht mit folgender Unterwerfung unter Regeln und vertragliche Konvention, bevor man einen Entscheidungsrahmen annimmt, gesellschaftskonstituierend und erste soziale Vorausbedingung. Daher ist die Theoretisierung der erste Schritt zu einem kritischen Rationalismus l9 . Wir fügen nun einige weitere Definitionen an, die natürlich beliebig vermehrt werden könnten. Wir werden hier aber nur die wichtigsten, rur das Verständnis von Th nötigen Definitionen angeben. Im allgemeinen sind Definitionen übersetzungen aus der Umgangssprache in Ausdrücke und Terme der Theorie, wobei man nur die schon axiomatisch eingeftihrten oder bereits definitorisch gegebenen Ausdrücke oder Terme verwenden darf - vergleichbar der übersetzung z.B. aus der englischen in die deutsche Sprache. Die Definitionen erschöpfen sozusagen den intuitiven Inhalt des Spiel paradigmas und vollenden mit den empirischen Spielregeln die Theoretisierung des Paradigmas. Definition 5.1. Ein n-Personenentscheidungsprozeß ist ein Konstantsummenspiel, wenn es eine Zahl k gibt, so daß die Summe aller Einzelstrategien Si € St l , S2 € St 2 , .•• , sn € St n folgende Bedingung erfüllt: i=/I ~ U i (Si, ... , sn i= 1
) = k.
Ist k = 0, dann heißt der Entscheidungsprozeß ein Nullsummenspiel. Hinter dieser unscheinbaren Definition verbirgt sich sozialer Sprengstoff, denn die Definition des Nullsummenspiels erlaubt interpretiert ein gewisses asoziales Verhalten der Marktteilnehmer innerhalb der Sozietät; jeder schadet dem anderen soviel er kann, während sich hinter dem Nichtnullsummenspiel alle Arten der Kooperation, der sozialen Verständigung, Absprache etc. verbergen. 19 G. LührsjT. SarrazinjF. SpreerjM. Tietzel (Hrsg.), Kritischer Rationalismus und Sozialdemokratie, Dietz Nachf., Berlin 1975.
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Man könnte hier natürlich noch weitere Definitionen anfügen, es sei aber hier auf bewährte spieltheoretische Bücher, vor allem auf das deutsche Buch von E. Burger 20 , verwiesen, das ganz in mengen theoretischer Notation abgefaßt ist. Doch ein kurzer Überblick sei hier gegeben: wir benötigen die gemischte Strategie, in der den Handlungen von i eine wichtige Wahrscheinlichkeitsverteilung auferlegt wird, z.B.: (al
..
.
si , a2s~ ... ,ans~), wobei 1:j= }Ia. = I. ~n
Solch eine gemischte Strategie ist es z.B.: die Produktion von Gütern Dienstag bis Freitag höher als Montag zu halten. Schließlich und endlich ist eine Lösungsmethode, z.B. die Berechnung des Sattelpunkts als das Minimax Theorem aus der Theorie ableitbar, das die Lösung für z.B. Zweipersonen-Nullsummenspiele mathematisch formal immer zu berechnen erlaubt. n-Personenentscheidungen unter Koalitions- und Klassenbildung, Bargaining oder Verhandlungsspiele, Einführung von schiedsrichterlichen Entscheidungen, kollektive Wahlentscheidungen, können, wenn nötig, entweder axiomatisch oder definitorisch zusätzlich eingeführt werden. Man kann dies, wie schon erwähnt, als die Ausschöpfung des intuitiven Gehaltes des Spiel- oder Entscheidungsparadigmas ansehen, das, wie gesagt, Gesellschaftstheorien zu gigantischen Entscheidungsprozessen basierend auf Wert- und Entscheidungsverhalten und auf konstitutiven Regeln verwandelt. Erst jetzt sind wir dann in der Lage, die Theoreme unseres ModellsK zu verstehen und zu interpretieren. Dies soll in dem nächsten Kapitel kurz diskutiert werden. 7. Interpretation einiger Konsequenzen (Theoreme) von K. Wir geben nun nur einige Konsequenzen, die im wesentlichen Anwendungen der Differentialrechnung sind. TI: Wenn Xj konstant ist, dann ist die erste Ableitung fi gegeben durch dG;/dxj
und weI}n
Xi
= 0,
konstant ist, dann ist die erste Ableitung dGj/dXj =
f;
gegeben durch:
o.
T2: Es gibt eine partielle Differentialgleichung ftir i und j: aG;/aXidXj + aG;/axjdxj
= 0 = dGj
und aGj/axjdxj + aGj/axjdxj
T3: G*(Xi, Xj) + G*(Xj,Xj) = max (Xi + Xj)f(Xj + Xj) T4: G** 20
= mll;x mjn (Gi I
J
Gj)
C
= 0 = Gj .
(Xj)-c (Xi)
.
= mjn mll;x(Gj - Gi) (Minimax-Theorem). J
I
E. Burger, Einftihrung in die Theorie der Spiele, Walter de Gruyter, Berlin 1959.
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Das Theorem 1 erklärt, wenn interpretiert, genau diese Periode der Marktwirtschaft, die Marx und Engels Frühkapitalismus oder Shubik RobinsonCrusoe-Wirtschaft nennen. Die Zu- und Abnahme des Gewinns (dGi) für den Produzenten i ist natürlich von der Zunahme oder Abnahme seiner (i's) Produktion abhängig (dXi ).dXi ist damit seine Strategie. Obiges Theorem 1 folgert aus der Struktur von Th, daß es für i leicht ist, seinen Profit zu maximieren, wenn er keine Rücksicht auf andere Produzenten, in unserem Falle j, zu nehmen braucht, d.h. wenn 1's Produktion konstant ist. Ist der Absatzmarkt groß genug, so daß sie sich nicht gegenseitig beeinflussen, dann kann jeder seinen Profit maximieren, kurz so handeln, als ob er allein auf dem Markte wäre. Nach Theorem 2 kann es der Fall sein, daß die Güterproduzenten plötzlich nolens-volens gegenseitige Abhängigkeit erfahren, sei es, daß der Markt gesättigt i'st, sei es, daß der Konsum enorm ansteigt. Die Kritiker dieses Systems, insbesondere Marx, sahen diese gegenseitige Abhängigkeit, den Zusammenschluß der Weltmärkte etc. als notwendige Phase kapitalistischer Wirtschaftsentwicklung an. Hier jedoch ist es nur eine der möglichen Entwicklungen, die mit der Struktur von Th gegeben sind. Das Theorem 3 erklärt, wenn interpretiert, die Möglichkeit einer Monopolisierung durch Zusammenschluß und gemeinsame Gewinnaufteilung. Es ist wiederum das von den Kritikern des Kapitalismus wie R. Luxemburg beschriebene Schreckgespenst der Trust- und Monopolbildung. Da unsere Marktteilnehmer innerhalb der Regeln freie Hand haben, können sie, wenn Produzenten, kooperieren und ihren gemeinsamen Profit + maximieren. Es kommt dann nur auf die ethische Verantwortung der Gesellschaft an, solche Regeln zu beschränken, wie dies Anticartellgesetze üblicherweise tun. Wenn aber jeder sich für freien Wettbewerb entscheidet, dann bleibt ihnen nichts anderes übrig als der Kampf um den Markt; wir nehmen natürlich an, daß die allgemeinen Gesellschaftsregeln (die Konstitution) dies erlaubt. Das Theorem 4 erklärt, wenn interpretiert, was jeder erwarten kann, wenn er schrankenlos dem freien Wettbewerb huldigt, und jede Kooperation ablehnt. Es ist sozusagen das Durchdenken einer typischen Spielsituation, in der der erste Produzent seinen Profit auf Kosten des anderen vergrößert, indem er die Differenz (Gi - Gj) maximiert. Im umgekehrten Falle wird sein Gegner j so verfahren, daß er die Differenz (Gi - Gj) so klein als möglich macht. Wir haben hier eine Rationalisierung oder Theoretisierung einer Kampfsituation, bei der der eine genau soviel gewinnt, wie der andere verliert (Nullsummenbedingung). Besonders wenn die beiden Kostenfunktionen verschieden sind, ergeben sich interessante Möglichkeiten für kleine Firmen, nämlich mit geringen Produktionskosten große Firmen zu schädigen. Interessanterweise brauchen heute im Duopol oder Oligopol die Produzenten nicht mehr tatsächlich bis zum letzten zu kämpfen; der Wettbewerb kann auf dem Papier oder mittels Computer ausgetragen werden. Die Theoretisierung ermöglicht erstmalig eine exakte Einsicht, eine kritische, rationale Einsicht in den Wettbewerb, sowie in einen möglichen
Gi Gl
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Wirtschaftskrieg und gibt uns heute dadurch die Chance, diesen weitgehend zu vermeiden. Was aber speziell für das Minimax-Theorem zutrifft, trifft generell für die ganze Theorie Th zu; die Modellbildung von sozioökonomischen Theorien hat uns klar die Augen für sowohl die Risiken als auch die gefährlichen, aber auch die guten, vorteilhaften Seiten eines durch Regeln steuerbaren Wirtschaftssystems geöffnet. Das Modell zeigt jedoch klar, daß es keineswegs der Fall sein muß, daß in jeder Marktentwicklung auf die Thesis, das Theorem 1, die Antithesis, das Theorem 4, notwendigerweise folgen muß und diese wiederum im dialektischen Dreitakt durch die Synthesis, den Monopolkapitalismus (Theorem 3), wie es Marx annahm, notwendigerweise abgelöst werden muß. Man kann. aber, wie dies an anderer Stelle durchgeflihrt wurde, davon ausgehen, daß das Paradigma der Marxschen Gesellschaft und Ökonomie dem der westlich-kapitalistischen diametral entgegengesetzt ist. Marx' Paradigma, das, wenn man es kurz beschreibt, eine negativ kritische, die Entfremdung, und eine positive oder theoretische Komponente, die Arbeitswerttheorie (ATh), besitzt, ist vor allem in seiner positiven, werttheoretischen Formulierung der Prä ferenztheorie der Werte unter Unsicherheit und Risiko direkt entgegengesetzt. Die Marxsche Arbeitswerttheorie, wenn formalisiert, widerspricht klar den Axiomen A'l, A'8 der Theorie MTh und den AxiomenA4-A6 der Theorie Th. Sie ist eine Schöpfung sui generis, führt aber notwendigerweise zur Kontroverse mit unserer ganzen Theorie, wie dies der Autor in dem Artikel "Marx and the Utility Approach to the Ethical Foundation of Microeconomics" modellmäßig dargestellt hae 4 . Sie kann nichtsdestoweniger, wie Marx es in seinem Buch "Das Kapital" unternahm, zur Begründung einer Marxschen Ökonomie verwendet werden, für die man sogar ein Leontieffsches Input-Output-Modell aufstellen kann, wie es Morishima getan hat. Das Marxsche Modell einer Makroäkonomie zeigt sich aber als grundverschieden und restriktiv gegenüber dem westlichen mikro ökonomischen Modell des Marktes. Durch Aufweis der Verschiedenheit der Modelle kann man damit die ideologischen politischen Verständnisschwierigkeiten solcher Auseinandersetzungen weitgehend vermeiden. Man kann durch die mengentheoretischen Modelle genau zeigen, wieweit diese selbst und die entsprechenden Theorien unter dem Einfluß der Paradigma stehen. Wenn ein kritischer Rationalismus Sinn haben sollte, dann sicherlich hier beim Vergleich so verschiedener Modelle. 8. Zusammenfassung. In diesem Artikel wurde gezeigt, wie man mittels logischer und semantischer Analysen und Modelle von sozialwissenschaftlichen Theorien 1. die empirische Struktur, die Voraussetzungen als Axiome und die Determinanten mengentheoretisch darstellen kann. Diese logische Struktur ist von der Basis der Theorie D induziert. Sozialwissenschaftliche theoretische Begriffe sind strikt mathematischer Natur und immer auf den Kontext und das Anwendungsgebiet D "semantisch" relativiert. Kurz, die Logik sozialwissenschaftlicher quantitativer Theorien ist einerseits von ihrer ontologisch-empirischen Komponente her bestimmt. Anwendungen systemtheoretischer Hilfsmittel er-
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lauben es, sozialwissenschaftliche theoretische Begriffe als Strukturabbildungen über den jeweiligen Gebieten D anzusehen. Die volle "semantische Reduzierbarkeit" von solchen sozialwissenschaft lichen theoretischen Begriffen, sei sie direkt oder indirekt, ergibt sich sozusagen als Nebenprodukt. Neben diesem epitheoretischen "logisch strukturellen" Aspekt muß die deontische Komponente zum Verständnis sozialwissenschaftlicher Theorien herangezogen werden. Wiederum werden mengen theoretisch-logische Modelle verwendet, um zu zeigen, wie wissenschaftsexterne Determinanten, allgemeinste Verhaltensregeln, wie Maximen, Prinzipien oder allgemeine Instruktionen wie Paradigma ta , auf die logische Struktur einer solchen Theorie oder ihres Modells einwirken. Die Sollenskomponente von Maximen, Prinzipien, Paradigmen wirkt sowohl auf die Regeln des Entscheidungsrahmens ein - unter Bildung von speziellen Konstitutionen, bzw. Spiel- und Entscheidungsregeln, die vertraglich für die Dauer der Entscheidungsfindung von den Partnern angenommen werden - als auch auf die logische Struktur durch Bildung zusätzlicher Axiome, Definitionen etc. Die deontische Sollenskomponente in solchen sozialwissenschaftlichen Theorien wirkt also regelerzeugend und schafft dadurch die Konsti tu tion (= Summe) aller Entscheidungsregeln, die wiederum direkt auf die zulässigen Handlungen und Entscheidungen der Teilnehmer am Markt einwirken. Das wird im Modell durch die semantische Interpretation der Theoreme erwiesen. Die hier diskutierten logischen, semantischen, deontischen, mathematisch-theoretischen Methoden erweisen sich also als sehr wirksame Hilfsmittel des Wissenschaftlers bei der Lösung von Grundlagenfragen mit logisch mathematischen Modellen sozialwissenschaftlicher Theorien und erlauben damit eine exakte und rationale Kritik des Zwecks sozialwissenschaftlicher Theorien.
Mehrwertige Logiken, unscharfe Mengen, unscharfe Logiken und ihre Anwendung Von Heinz J. Skala 1 . Einleitung Mehrwertige Logiken wurden erstmals von fan Lukasiewicz und Emil Post in den frühen Zwanziger Jahren systematisch untersucht. Vom philosophischen Standpunkt verdienen mehrwertige Logiken deshalb besonderes Interesse, weil in ihnen, im Unterschied zur klassischen Logik, Propositionen zugelassen werden, die weder falsch noch wahr sind (etwa mögliche Propositionen). Seit 1931, als Wajsberg eine Axiomatisierung der dreiwertigen Logik Lukasiewiczs angab, beobachtet man ein immer größer werdendes Interesse an Problemen, die mit mehrwertigen Logiken zusammenhängen. Einen guten Überblick über die heute schon klassisch zu nennenden Resultate findet der Leser in dem Buch von Rosser und Turquette (1952), in dem auch schon ein erster Hinweis auf eine mehrwertige Mengenlehre zu finden ist. Abgesehen von der reinen Logik, wo im Zusammenhang mit mehrwertigen Logiken insbesondere Fragen der semantischen Interpretation, der Methode Gentzens, der Anwendung mehrwertiger Systeme auf intuitionistische und modale Logiken untersucht ,wurden, finden wir auch interessante Anwendungen in der Mengenlehre, der Quantenmechanik, der Mustererkennung, der Nachrichtentechnik und neuerdings in den Wirtschaftswissenschaften. Einen ausgezeichneten Überblick findet der interessierte Leser in der Monographie von Rescher (1969). Auch die Bücher von Ackermann (1967) und Zinov'ev (1963) seien in diesem Zusammenhang empfohlen. Wie schon erwähnt wurde, haben erstmals Rosser und Turquette (1952) auf die Möglichkeit, mehrwertige Mengen einzuführen, hingewiesen. In der Folge wurde, insbesondere von Chang (1965) und Skolem (1957), versucht, mit Hilfe von mehrwertigen Logiken gewisse Paradoxien in der Mengenlehre zu vermeiden. Eine ganz andere Motivation hatte Zadeh, der 1965 den Begriff der unscharfen Menge (fuzzy set) einführte. Er nahm eine vorbestimmte klassische Mengentheorie als gegeben an und repräsentierte unscharfe Mengen durch verallgemeinerte charakteristische Funktionen (Funktionen, die auf gewöhnlichen Mengen definiert sind und Werte im abgeschlossenen Intervall [0,1] annehmen). Mit anderen Worten: Es wird erlaubt, daß die Elementbeziehung nur graduell zutrifft. Dadurch ergibt sich "a natural way of dealing with problems in which the source of imprecision is the absence of sharply defined criteria of class
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Heinz J. Skala
membership rather than the presence of random variables" (Zadeh (1965». Seit der grundlegenden Arbeit Zadehs wurden über 500 Arbeiten aus dem Gebiet der unscharfen Mengen und der unscharfen Systeme veröffentlicht. Wir wollen hier nur das Werk von Kaufmann (1973) erwähnen, das eine ausgezeichnete Einfühtung in die Theorie der unscharfen Mengen sowie deren Anwendung darstellt. Um Mißverständnisse zu vermeiden, ist es notwendig, schon an dieser Stelle auf den Unterschied zwischen mehrwertigen und unscharfen Logiken hinzuweisen. Die letzteren, wiewohl von Menges und Skala (1974) erwähnt, wurden erstmals ausführlich in der Arbeit von Bel/man und Zadeh (1976) diskutiert. Die wesentlichen Merkmale unscharfer Logiken sind unscharfe Wahrheitswerte und ungenaue Schlüsse. Als Abschluß unserer Einleitung sollen nun einige der Gründe aufgeführt werden, die viele Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler veranlassen, sich mit mehrwertigen und unscharfen Systemen zu beschäftigen. Der wichtigste Grund ist wohl, daß die konkreten Probleme der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften meist keine wohldefinierte Struktur besitzen. So ist es nicht unüblich, daß Definitionen von Eigenschaften Anwendung finden, gemäß welcher gewissen Objekten nur teilweise diese Eigenschaften zugeschrieben werden können. Unserer Ansicht nach ist diese Art von Unschärfe eine den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften inhärente, und es muß daher versucht werden, solche vagen Konzepte angemessen zu behandeln. Um die reale Entscheidungsfindung genauer verstehen zu können, ist es beispielsweise notwendig, eine Entscheidungstheorie auf der Basis unscharf definierter Ereignisse zu kreieren. Obwohl in manchen Fällen Wahrscheinlichkeitsverteilungen unscharfe Konzepte angemessen repräsentieren, ist dies nicht immer zufriedenstellend. So können Operationen, die in der Wahrscheinlichkeitstheorie erlaubt sind, unplausibel sein. Im Zusammenhang mit unscharfen Konzepten muß erwähnt werden, daß hier die Länge der Schlußketten eine wesentliche Rolle spielt (dies gilt generell für jede Theorie beschränkter Rationalität (Selten». Unserer Meinung nach sind die Probleme, die im Zusammenhang mit unscharf definierten Konzepten und eingeschränkter Rationalität entstehen, sehr ähnlich denen, die beim Einnehmen eines ultraintuitionistischen Standpunktes in der Mathematik auftreten (Yessenin- Vo lp in ). Unseres Wissens nach gibt es leider bisher noch keine konkreten überlegungen in dieser Richtung. Ein weiterer Grund, sich mit mehrwertigen und unscharfen Logiken zu beschäftigen, ist der, daß diese ein linguistisches Mittel darstellen, gegebene Probleme zu stören. Um ein zu untersuchendes Phänomen besser verstehen zu können, ist es beispielsweise wesentlich, zu wissen, ob dieses bei Störungen dasselbe qualitative Verhalten zeigt. Als Beispiel in diesem Zusammenhang sei etwa Arrows Paradoxon genannt. Vom linguistischen Standpunkt aus scheint hier die Situation ähnlich der zu sein, die von Thom (1972) und anderen diskutiert wurde.
Mehrwertige Logiken und unscharfe Mengen
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2. Mehrwertige Logiken 2.1. Einige informelle Bemerkungen
Wesentliche Anregungen für die Beschäftigung mit mehrwertigen Logiken kommen aus den natürlichen Sprachen, wo die Mehrwertigkeit ein alltägliches Phänomen ist 1 . Es ist daher nicht verwunderlich, daß Lukasiewicz schon 1930 versuchte, seine dreiwertige Logik auf das Problem der Wahrheitswerte zukünftig möglicher Ereignisse anzuwenden. Weitere Übelegungen dazu stammen von Prior (1953). Obwohl wir hier in keine Diskussion des Gesetzes vom ausgeschlossenen Dritten eintreten können (siehe dazu etwa Rescher (1969)), soll der interessierte Leser auf eine Arbeit von Fitch (1964) hingewiesen werden, die von großem philosophischen Interesse ist. Es sei hier der wesentliche Gedanke dieser Arbeit kurz skizziert: Es ist wohlbekannt, daß Tarski zeigen konnte, daß der Wahrheitsbegriff bezüglich einer formalen Sprache nicht in dieser Sprache definiert werden kann. Wird nach einer universellen Metasprache für philosophische Probleme gesucht, so ist das Tarskische Resultat recht entmutigend, da man eine Kette von Metasprachen zur Verfügung haben muß, an deren Spitze eine natürliche Sprache steht. Fitch argumentiert, daß Tarskis Anforderung an die Definition des Wahrheitsbegriffes unnötig streng ist, wenn diese an formale Systeme gestellt wird, in denen Propositionen vorkommen, für die nicht das Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten gilt. In der Tat gelingt es Fitch, eine recht reiche Sprache anzugeben, in welcher der eigene Wahrheitsbegriff definiert werden kann. Bevor wir ins Detail gehen, sollen noch zwei Gebiete erwähnt werden, in denen mehrwertige Logiken fruchtbar angewandt wurden. So spielt etwa in der Grundlagendiskussion der Quantenphysik die dreiwertige Logik eine wesentliche Rolle, obwohl ihre philosophische Einordnung nicht klar ist. DestouchesFevrier (1951) vertritt etwa die Auffassung, daß die Logik des Mikrokosmos essentiell dreiwertig ist; dagegen sieht Reichenbach (1949) in der dreiwertigen Logik nur ein nützliches Mittel, das dazu dient, eine geeignete Sprache des Mikrokosmos aufzubauen. Unserer Meinung nach ist der zweite Standpunkt vorzuziehen, da auch im Makrokosmos oft Probleme auftreten, die ähnlich gelagert sind wie die des Mikrokosmos. Betrachten wir etwa konkurrierende Investitionsstrategien. Hat man sich einmal zu einer Strategie entschlossen, so können die übrigen nicht länger empirisch getestet werden, da der Wahrheitswert empirischer Propositionen sowohl von der Zeit als auch von der spezifischen Situation abhängt. Da wir die Zeit aber nicht zurückdrehen können, sind Propositionen mit unbestimmtem Wahrheitswert durchaus alltäglich. 1 In diesem Zusammenhang wollen wir auf das amüsante Gespräch der Herren J