Lobreden auf römische Kaiser. Band I: Von Diokletian bis Konstantin. Lateinisch und deutsch 9783534181360, 9783534205868, 3534181360


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German Pages 301 Year 2008

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Titel
Impressum
Inhalt
Einleitung
Panegyrici Latini Lobreden auf römische Kaiser
Panegyricus des Jahres 289 (X/II) Lobrede [des Mamertinus] zu Ehren des Maximianus Augustus
Panegyricus des Jahres 291 (XI/III) Geburtstagsrede zu Ehren des Maximianus Augustus
Panegyricus des Jahres 297 (VIII/V) Lobrede zu Ehren des Constantius Caesar
Panegyricus des Jahres 297/98 (IX/IV) Rede des Eumenius zur Wiederherstellung der Schulen
Panegyricus des Jahres 307 (VII/VI) Lobrede zu Ehren von Maximian und Konstantin
Panegyricus des Jahres 310 (VI/VII) Lobrede zu Ehren des Constantinus Augustus
Panegyricus des Jahres 311/12 (V/VIII) Dankrede für Constantinus Augustus
Panegyricus des Jahres 313 (XII/IX) Lobrede zu Ehren Konstantins, des Sohnes des Constantius
Anmerkungen
Zur Textgestaltung
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Über den Inhalt
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Lobreden auf römische Kaiser. Band I: Von Diokletian bis Konstantin. Lateinisch und deutsch
 9783534181360, 9783534205868, 3534181360

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EDI T I O N AN T I K E Herausgegeben von Thomas Baier, Kai Brodersen und Martin Hose

PANEGYRICI LATINI

LOBREDEN AUF RÖMISCHE KAISER BAND I VON DIOKLETIAN BIS KONSTANTIN Lateinisch und deutsch

Eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Brigitte Müller-Rettig

Verantwortlicher Bandherausgeber: Kai Brodersen Die EDITION ANTIKE wird gefördert durch den Wilhelm-Weischedel-Fonds der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Wissenschaftliche Redaktion und Schriftleitung: Federica Casolari (Ludwig-Maximilians-Universität München)

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2008 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Satz: COMPUTUS Druck Satz & Verlag, 55595 Gutenberg Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-darmstadt.de

ISBN 978-3-534-18136-0 Gesamtnummer Band I–II: ISBN 978-3-534-20586-8

Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . ................................................... VII Panegyrici Latini Lobreden auf römische Kaiser ........................... .............. 1 Panegyricus des Jahres 289 (X/II) Lobrede [des Mamertinus] zu Ehren des Maximianus Augustus .. 2 Panegyricus des Jahres 291 (XI/III) Geburtstagsrede zu Ehren des Maximianus Augustus ............. 24 Panegyricus des Jahres 297 (VIII/V) Lobrede zu Ehren des Constantius Caesar ............ ............. 48 Panegyricus des Jahres 297/98 (IX/IV) Rede des Eumenius zur Wiederherstellung der Schulen ........... 76 Panegyricus des Jahres 307 (VII/VI) Lobrede zu Ehren von Maximian und Konstantin ................ 102 Panegyricus des Jahres 310 (VI/VII) Lobrede zu Ehren des Constantinus Augustus ......... ............ 124 Panegyricus des Jahres 311/12 (V/VIII) Dankrede für Constantinus Augustus .............................. 158 Panegyricus des Jahres 313 (XII/IX) Lobrede zu Ehren Konstantins, des Sohnes des Constantius ... 180 Anmerkungen . . . . . . ................................................... 217 Zur Textgestaltung . ................................................... 277

Einleitung Das Corpus der Panegyrici Latini Zwölf Lobreden auf römische Kaiser sind im so genannten Corpus der Panegyrici Latini überliefert, einer in der Spätantike zusammengestellten Sammlung. An deren Spitze steht die älteste und auch längste Lobrede: der Panegyricus des jüngeren Plinius, eine erweiterte Umarbeitung der Dankrede an Kaiser Trajan zur Konsulatsverleihung (100 n. Chr.). Diese Rede ist in vielen Ausgaben der Werke Plinius’ des Jüngeren und in Einzelausgaben greifbar, nicht aber die im Corpus auf sie folgenden elf Lobreden auf römische Kaiser der Spätantike, die im Jahrhundert von 289 bis 389 n. Chr. verschiedene Autoren zu unterschiedlichen Anlässen verfasst haben. Diese elf Lobreden auf römische Kaiser sollen in der Edition Antike in der Reihenfolge ihrer Entstehung zweisprachig zugänglich gemacht werden. Im überlieferten Corpus ist eine andere Anordnung gewählt. Auf den Panegyricus des Plinius aus dem Jahr 100 folgen zehn Lobreden in prinzipiell zeitlich rückläufiger Abfolge, zunächst drei größere, deren Verfasser bekannt sind: die Rede des Pacatus auf Kaiser Theodosius (389), des Cl. Mamertinus auf Julian (362) und des Nazarius auf Konstantin und Söhne (321). Die nächsten sieben Reden stammen aus den Jahren 311/12, 310, 307, 297, 297/98, 289 und 291; diese sieben Reden, deren Thematik einen Akzent auf Gallien (Autun, Trier) legt und deren Urheber nur zum Teil bekannt sind, lassen sich auch durch ihre interne Zählung von I bis VII als Hinzufügung einer älteren Sammlung erkennen. Am Schluss des Corpus steht als Nr. 12 eine Rede aus dem Jahr 313, die mit der Nazarius-Rede von 321 das Binnencorpus der sieben Reden umrahmt und wie jene zentral den Sieg Konstantins über Maxentius am 28. Oktober 312 behandelt. In der vorliegenden Edition Antike werden die elf spätantiken Lobreden in der historischen Reihenfolge präsentiert; der vorliegende erste von zwei Bänden stellt daher acht Lobreden auf römische Kaiser von Diokletian bis Konstantin vor, der zweite Band drei große Reden auf Kaiser Konstantin, Julian und Theodosius.

VIII

Einleitung

Zur antiken Panegyrik Der Begriff Panegyrik hat heute eine Bedeutung, wie sie sich in der römischen Kaiserzeit allmählich herausbildet und seit der frühen Spätantike im lateinischen Sprachraum etabliert ist. Etwas allgemeiner formuliert, ist das festliche Rühmen einer herausgehobenen Persönlichkeit zu einem besonderen, feierlichen Anlass und vor einer ausgewählten Öffentlichkeit gemeint. Die Hörer sollen einen nach Form und Inhalt schön und richtig gestalteten Vortrag genießen. Das Herz soll hoch gestimmt, die Seele beflügelt, der Erdenschwere des Alltags enthoben sein. Ernstere Themen erscheinen in panegyrischer Rede in positivem Licht, Probleme sind bereits gelöst oder in naher Zukunft zu meistern. Der Redner fungiert dabei als Künstler der Sprache, mit der er dem Inhalt strahlenden Glanz zu verleihen hat. Dabei tritt er manchmal als Artist in Sachen Wahrheit auf, denn der Umgang mit derselben ist mitunter der eigentliche Balanceakt seiner Arbeit am Text: Der Grundauftrag solcher Rede lautet, das wahrhaft Lobenswerte und unstrittig Gute in angemessen gesteigerter Weise zu rühmen. Die formale Befähigung dazu vermittelt der Rhetorikunterricht; zur Ausbildung des Studierenden gehört dabei, im Rahmen weiterer Bildungsinhalte, prinzipiell auch die Vermittlung ethischen Wissens. Aber bei jeder einzelnen Realisierung eines Redevorhabens ist der Kompositeur von Gedanke und Wort auch Einflüssen, Interessen und Ansprüchen aus unterschiedlichen Richtungen ausgesetzt. So betrifft der Grundsatz, seine Worte an die jeweilige Redesituation anzupassen, auch die Frage, wie weit der Wahrheit Raum gegeben wird; die Bandbreite reicht dann von der Präsentation der Wahrheit mit den gattungsspezifischen Mitteln rhetorischer Steigerung über Modifikation, Verschleierung, Weglassen bis hin zu purer Schmeichelei, ja Lüge, die laut propagiertem Berufsethos des Redners eigentlich verpönt ist. Es kann schließlich zum Gegenteil des anvisierten Redeziels kommen: Das Publikum empfindet statt Bewunderung eher Belustigung oder Spott und Abscheu, Reaktionen, die in Gegenwart des so Geehrten freilich kaum direkt und offen bekundet werden können. In der Kaiserzeit nahm die Produktion der panegyrischen Rede in Prosa und Poesie enormen Aufschwung. Die Wiederentdeckung der vorliegenden Prosa-Sammlung in Mainz (1433; siehe unten) führte mit Abschriften und Editionen zu rascher Verbreitung der antiken Reden im Europa der Renaissance. Vers-Panegyrik als Festadresse an den Herrscher gelangte gerade in der Barockzeit zu neuzeitlicher Blüte. Es folgten etwa 150 Jahre grundsätzlicher Distanzierung zu dieser als allzu artifiziell erstarrt empfun-

Zur antiken Panegyrik

IX

denen literarischen Form. Die Altertumswissenschaft des 19. Jahrhunderts wandte sich der Erschließung und Sichtung anderer großer Quellengruppen mit antiquarisch-materiell orientiertem Sammlerfleiß zu. Erst im Lauf des 20. Jahrhunderts hat die Forschung begonnen, vom Generalvorwurf wuchernden Stilexzesses und ahistorischer Verlogenheit Abstand zu nehmen und sich dem Genre antiker Panegyrik neu zu nähern. Von mehreren großen Themenfeldern her sucht man ein vertieftes Verständnis der Gattung zu gewinnen: Zum einen ist man bestrebt, panegyrische Reden und Gedichte als sprachliche Kunstwerke zu untersuchen, in ihrer allmählichen Genesis, ihren Vorbildern, ihrer spätantiken Blüte und ihrem Nachleben, und dazu ihre Rolle in Schule und öffentlichem Leben genauer zu ermitteln; zum anderen ihre Präsentation im ritualisierten Gesamtrahmen grundsätzlich wie auch individuell als Inszenierung in besonderen Kommunikationssituationen mit besonderen Wirkungsmöglichkeiten zu würdigen; des weiteren ihre Relevanz als historische Quelle für die Geschichte von Reich und Region zu prüfen, in Bereichen wie Politik, Militärwesen, Wirtschaft und kulturellem Leben, und besonders in Fragen der Herrschaftsideologie. Dieses ganze Gebiet ist, eben aus Gründen der Gattung, mit besonderer Vorsicht zu bewerten; soweit nur immer möglich, sind Intention und Wahrheit des Gesagten abzugleichen mit den sonstigen Hinterlassenschaften der Überlieferung in Literatur, Münzen und Inschriften, Werken der Kunst und Architektur. Wichtiges Beispiel mit zum Teil einziger zeitgenössischer Überlieferung ist das Corpus der Panegyrici Latini. Die elf hier präsentierten Reden sind Produkte der Präsentations- und Festrhetorik. Nichts widerspricht grundsätzlicher Annahme, sie seien am jeweils anvisierten Ort zum Vortrag gekommen und dann aufgehoben worden. Für die Publikation ist redaktionelle Abänderung in Maßen denkbar. Sie sind nicht als offizielles Zeitarchiv zusammengetragen, sondern zu primär rhetorischen Demonstrations-, Studien- und Referenzzwecken vereint. Gerade die älteren Reden zeigen zudem, wie viel Takt und Diplomatie über das rhetorische Vermögen hinaus im prekären Auf und Ab der Politik mitunter erforderlich sind; an eine frühe Veröffentlichung außerhalb schulinterner Studien kann man da kaum glauben. Die drei jüngsten Reden sind gedanklich und stilistisch breiter entfaltet, auf sichererem Grund kann alle Sprachkunst und Bildung einheimischer Hochschule vorgeführt werden. Zunächst versammelt das ältere Corpus der VII Reden, die man als gelungen aufbewahrt hat (Residenzstadt Trier, Rhetorenschule Autun, mit Ruf und Tradition); dann wird, mit räumlich weiter ausgreifendem und zeitlich „saecular“ gerundetem Bezugsrahmen, die Ausgabe um 389 arrangiert und als gallisches Opus magnum (mixtum) publiziert. Das geschieht, so glaubt

X

Einleitung

man heute, wohl im Wirkungsbereich des Pacatus, eines namhaften Vertreters aus der gallischen Bildungsmetropole Burdigala (Bordeaux): Sie hatte im Zuge des 4. Jahrhunderts zunehmend die Position eines principatus totius Galliae in Sachen Bildung inne. Die Rede des Pacatus steht als Pendant zum römischen Panegyricus des Plinius, quasi in Augenhöhe, an der Spitze der gallischen Kollektion, und so finden sich Trajan und Theodosius als ideale Herrscher / principes optimi in würdiger Nachbarschaft. PACATUS, der gedanklich und stilistisch Kenntnis und Bezüge zur ganzen Sammlung zeigt, auch zur letzten Rede des Corpus, anno 313 (anders als Nazarius 321), hat mit seiner Rede zum Sieg über den Usurpator Maximus (Sommer 388) ein entscheidendes Ereignis auf dem Weg zur Alleinherrschaft des Theodosius gefeiert; der Kaiser wiederum war ein Freund und engagierter Förderer des ungemein produktiven Dichters und Prinzenerziehers AUSONIUS von Burdigala, dieser wiederum mit dem Redner und Dichter Pacatus befreundet – in diesem zeitlichen und persönlichen Umfeld mag Anfang der 90er Jahre die Idee zu einer solchen Kollektion zusammen mit den schon vorhandenen Reden entstanden sein: 100 Jahre lateinische Redekunst der Galliae (Provinciae), die stets mit der gebührenden Reverenz an die Meister, doch selbstbewusst, in den Spuren Roms ihre traditionsreiche gallische Romanitas präsentieren. Höheren Unterricht beim Rhetor konnte man in den Zentren der Provinz grundsätzlich nach Art der Ausbildung in Rom (mit deren griechischen Vorbildern) erhalten. Man studierte parallel Theorie und Praxis: Man las Fachbücher, paukte Systematik, studierte (Cicero-)Reden, analysierte und interpretierte sie, lernte auswendig; man erwarb sich Allgemeinbildung und betrieb Exempla-Lektüre (Valerius Maximus), um stets einen Fundus an „Denkwürdigen Taten und Worten“ verfügbar zu haben; stilbildend las man Prosa und Dichtung (Vergil), viel klassisches Latein und daran orientierte Autoren der Kaiserzeit; Übung war das A und O: Es wurden Teil- und Kurz-Aufsätze zu verschiedenen, in allen Redeformen wiederkehrenden Strukturen verfasst (Progymnasmata), dann ganze Reden; man hörte den Lehrervortrag und übte selbst das Deklamieren in allen Redegenera, zunächst in begrenzter Öffentlichkeit. Vielleicht brachte man es mit Talent, Fleiß und Interesse zu höheren Weihen öffentlicher Auftritte oder gar zum publikumsumschwirrten Sprach- und Vortragskünstler der ganz großen Hallen und Plätze. Oder man frönte fürs Leben bildungsgesättigtem Hörgenuss als privater Connaisseur und war einfach Publikum. Oder man wendete sein Können in Beruf und Politik an, und schließlich gab es noch die Rede vor Kaiser und Hof als möglichen Glanzpunkt für das eigene Auftreten: den Panegyricus.

Die Panegyrici Latini

XI

Die Panegyrici Latini Neun der elf hier wiedergegebenen Panegyrici stammen aus diokletianisch-konstantinischer Zeit; sie gehören also in eine besonders wichtige Zeit rasch wechselnder Phasen vielfältigen und zentralen Umbruchs in Politik, Herrschaft und Religion. Es bieten sich gerade hier Möglichkeiten, den Wechsel der politischen Konstellationen, also auch der Anforderungen an den Redner, gleichsam im Jahresrhythmus nachzuverfolgen. Das zentrale Interesse dieser Reden liegt im Westen des Imperium Romanum, sie betrachten Regiment und Reich, den ganzen Weltkreis, aus gallischer Perspektive, sie argumentieren mit Engagement von hier aus und für hier. Der Adressat ist in der Regel der Kaiser. Vornehmster Inhalt ist das Lob seiner Herrscherpersönlichkeit, der Vorzüge seines Wesens, seine Tugenden und Taten, gestaffelt nach Leistungen in Krieg und Frieden, und dies alles angepasst an die jeweilige konkrete Redesituation. Anlässe sind meist Regierungsjubiläen, Familienfeierlichkeiten im Kaiserhaus (Geburtstag, Hochzeit), Siege über Usurpatoren oder Feinde von außen, Reden anlässlich eines Konsulatsantritts, aber auch Bitte oder Dank für erwiesene Hilfe; in den frühen Reden geht es dazu oft um Legitimationsfragen dynastischer oder religionspolitischer Art. Der Vortrag findet üblicherweise in höfischem Ambiente, vor dem Kaiser, Mitgliedern seiner Familie, Funktionsträgern (auch im Senat), geladenen Gästen und weiterem sachkundigen, gebildeten Publikum aus Residenz, Region und Reich statt: Sie sollten also in der Regel Form und Inhalt zu goutieren wissen. Die Hörer können auch als Multiplikatoren von Inhalt und Tenor des Gesagten nach außen wirken, in der Führungsschicht, bei Volk und Heer. Der Redner selbst ist meist ein Funktionsträger in Politik und öffentlichem Leben (Gemeinde, Staat, Hof) oder Rhetoriklehrer und Rhetor, debütierend, versiert oder reaktiviert; sein öffentlicher Auftritt bedarf einer Form der Zulassung und vorheriger Absprache, kann im Auftrag des Hofes oder seiner Heimatstadt oder bestimmter Interessengruppen erfolgen. Seine Rede kann auch innerhalb der Fachwelt Resonanz finden, in der Rhetorenschule, zumal wenn der Redner selbst ein so hochkarätig engagierter Vertreter ist wie Eumenius von Autun. Einzelpublikationen und Corpora sichern künftiges Studium, Lektüre interessierter Laien und Nachruhm (wie bei den separat publizierten Reden des jüngeren Plinius sowie im 4. Jahrhundert eines Symmachus und Ausonius). Was schließlich die Quelle der Beherrschung der Kunst angeht, so zahlt sich hier kaiserliches Bildungsengagement mehrfach aus: Das Studium in der Rhetorenschule vermittelt der künftigen intellektuellen Elite

XII

Einleitung

ein erwünschtes Bild von der imperialen Größe Roms; hier wird vielseitiger und weiterqualifizierbarer Nachwuchs für alle möglichen Ämter und Aufgaben herangebildet, und dazu gehören auch die Meister und Künstler der Sprache, die das Lob von Herrscher und Reich öffentlichkeitswirksam und perfekt präsentieren, für Gegenwart und Nachwelt, in Vers und Prosa. Der Text der Panegyrici Latini geriet nach der Spätantike in Vergessenheit. Ihre Wiederentdeckung ist Giovanni Aurispa (1369/76–1459) zu verdanken: Er war gelehrter Humanist, unterrichtete Griechisch in Bologna, Florenz, Ferrara und stand als Sekretär in päpstlichen Diensten; in den Jahrzehnten vor dem Zusammenbruch des byzantinischen Reiches unternahm er weite Reisen zu Forscher- und Händlerzwecken. Seine üppigsten Erwerbungen stammen von zwei Reisen in den Osten, und im Jahr 1423 hatte er eine legendäre, exzellente Schiffsladung mit 238 griechischen Handschriften von Konstantinopel glücklich nach Italien gebracht. 1432 begleitete er den Bischof von Ferrara zum Konzil von Basel; im Sommer 1433, auf einer Rheinreise mit den Hauptstationen Mainz, Köln und Aachen, entdeckte er in der Dombibliothek von St. Martin zu Mainz eine Handschrift, die zwölf bis dahin gänzlich unbekannte Texte enthielt: „einen“ Panegyricus des Plinius, der ihn besonders begeisterte, und elf weitere Reden derselben Art. Dieser Codex Maguntinus verblieb in Mainz, ging aber in der Folge verloren; die von Aurispa nach Italien gebrachte Kopie ebenso, doch waren rasch schon viele weitere Abschriften angefertigt. Weitere Codices deutscher Hand haben sich für die Textkonstitution als sehr bedeutsam erwiesen. An die 35 Handschriften stammen aus dem 15. Jahrhundert: Das Interesse der Renaissance für den idealen Herrscher hat ja vielleicht das eifrige Bemühen um die opulente Neuentdeckung zusätzlich entfacht. Die erste Druckausgabe stammt von Fr. Puteolanus, Mailand 1476 oder 1482; nach der ersten kritischen Ausgabe von Ioh. Livineius, Antwerpen 1599 folgen zahlreiche Gesamt-Editionen (17.–19. Jh.); bis heute zählt man ca. 25. Mit den Ausgaben von Emil Bährens (Leipzig 1874) und Sohn Wilhelm (1912) setzt die methodische Untersuchung der Überlieferung ein, auch mit neuen Textzeugen. É. Galletier (Paris 1949–55) hat erstmals eine dreibändige lateinisch-französische Ausgabe mit ausführlicher Einleitung zu Text und Hintergrund sowie Bibliographie und Anmerkungen publiziert (2–12). Die drei letzten Text-Ausgaben stammen von R. A. B. Mynors, Oxford 1964 (1–12), meistverbreitete Referenzausgabe (Konjekturalkritik, Prosarhythmus), mit stets weiter verfeinerter Untersuchung von Handschriften und Text die Ausgaben von V. Paladini/P. Fedeli, Rom 1976 (2– 12) und die von D. Lassandro, Turin 1992 (1–12; Similienapparat), alle mit wichtigen Einleitungen zu Überlieferung und Bibliographien (und Ein-

Die Panegyrici Latini

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zelstudien). Ältere Editionen tragen den Titel Panegyrici Veteres (z. T. mit eigener Anführung der Pliniusrede); seit E. Bährens 1874 spricht man von (XII) Panegyrici Latini. An Gesamtübersetzungen der elf Reden (289–389) gibt es, soweit ich sehe, bisher drei, stets in chronologischer Reihenfolge: Galletier, lateinisch-französisch (s. o.); D. Lassandro/G. Micunco, Turin 2000, lateinischitalienisch; die englische Übersetzung (Mynors-Text im Anhang), dazu der detaillierte historische Kommentar von C. E. V. Nixon/B. Saylor Rodgers, Berkeley 1994. Die Pliniusrede ist mehrfach separat ediert, übersetzt und kommentiert, so von M. Durry, Paris 1947, B. Radice, London 1969, F. Trisoglio, Turin 1973 und W. Kühn, Darmstadt ²2008. Panegyrici sind Produkte der epideiktischen Rhetorik. Die lateinische Sprache ist staunenswert begabt zu Ökonomie und Modulation in Syntax und Ausdruck; die deutsche Sprache unterscheidet sich etwa in Verbalflexion, Partikeln, Wortarten, Konstruktion erheblich von ihr. Dennoch vom einstigen Klang, von der Atmosphäre jenes Ortes der Rhetorik etwas zu erhalten, der gerade in den Einleitungskapiteln komplexeren Form des lateinischen Satzes im Deutschen nachzuspüren, dem höfischen Ton und dem Alltagsklang, der ruhigen Erzählung und den Affekten: auch solchen Dingen galt das Unterfangen dieser ersten Gesamtübersetzung der Elf – quantulumcumque illud. Sie ist also durchaus konservativ dem Prinzip der Nähe zum lateinischen Original verpflichtet, verzichtet auf prinzipiell kleinteilige Struktur und betonte Modernität des Ausdrucks.

PANEGYRICI LATINI LOBREDEN AUF RÖMISCHE KAISER

PANEGYRICUS LATINUS X (II)

1 (1) Cum omnibus festis diebus, sacratissime imperator, debeat honos vester divinis rebus aequari, tum praecipue celeberrimo isto et imperantibus vobis laetissimo die veneratio numinis tui cum sollemni sacrae urbis religione iungenda est. (2) Verum est enim profecto quod de origine illius civitatis accepimus, primam in ea sedem numinis vestri, sanctum illud venerandumque palatium, regem advenam condidisse sed Herculem hospitem consecrasse. (3) Neque enim fabula est de licentia poetarum nec opinio de fama veterum saeculorum, sed manifesta res et probata, sicut hodieque testatur Herculis ara maxima et Herculei sacri custos familia Pinaria, principem illum tui generis ac nominis Pallantea moenia adisse victorem et, parva tunc licet regia, summa tamen religione susceptum futurae maiestatis dedisse primordia, ut esse posset domus Caesarum quae Herculis fuisset hospitium. (4) Iure igitur hoc die quo immortalis ortus dominae gentium civitatis vestra pietate celebratur, tibi potissimum, imperator invicte, laudes canimus et gratias agimus, quem similitudo ipsa stirpis tuae ac vis tacita naturae ad honorandum natalem Romae diem tam liberalem facit, ut urbem illam sic colas conditam, quasi ipse condideris. (5) Re vera enim, sacratissime imperator, merito quivis te tuumque fratrem Romani imperii dixerit conditores: estis enim, quod est proximum, restitutores et, sit licet hic illi urbi natalis dies, quod pertinet ad originem populi Romani, vestri imperii primi dies sunt principes ad salutem. 2 (1) Quare si nunc Romae omnes magistratus et pontifices et sacerdotes iuxta parentes urbis et statores deos Herculis templa venerantur, quia partam aliquando ex victoria praedam a flumine Hibero et conscio occidui

PANEGYRICUS DES JAHRES 289 LOBREDE [DES MAMERTINUS] ZU EHREN DES MAXIMIANUS AUGUSTUS 1 (1) Obschon es sich zu allen Festtagen, heiligster Imperator, gebührt, euch Ehre zu erweisen, wie sie dem Dienst an Göttern gleichkommt, so ist es doch an diesem höchst feierlichen und angesichts eurer Herrschaft so beglückenden Tag in besonderer Weise angebracht, die Verehrung deiner göttlichen Hoheit mit dem Jahresfest zu Ehren der heiligen Stadt zu verbinden. (2) Denn es ist tatsächlich eine wahre Überlieferung, die über den Ursprung jener Stadt auf uns gekommen ist: den ersten Wohnsitz eurer göttlichen Hoheit, jenes erhabene und ehrwürdige Palatium, hat ein König aus der Fremde in ihr gegründet, doch Herkules hat, als Gast dort zugegen, ihm heilige Weihe verliehen. (3) Denn weder ist es eine erdichtete Erzählung auf der Grundlage poetischer Freiheit noch eine Vorstellung, die ihren Ursprung in der Sage vergangener Jahrhunderte hat, sondern eine klare und anerkannte Tatsache, wie es auch heute noch die Ara Maxima des Herkules und die Familie Pinaria als Hüterin des Herkules-Kultes bezeugen: dass eben jener Begründer deines Geschlechtes und Namens nach siegreich vollbrachter Tat zu den Mauern von Pallanteum gekommen ist und dass er, bei aller Bescheidenheit des königlichen Sitzes zur damaligen Zeit dennoch mit höchster Verehrung empfangen, ihm die ersten Anfänge künftiger Größe verliehen hat, auf dass jene Stätte einmal Wohnsitz von Caesaren sein konnte, die einst den Herkules gastlich aufgenommen hatte. (4) Zu Recht lassen wir also eben an dem Tag, da ihr in treuer Verbundenheit die Geburt der unvergänglichen Stadt, der Herrin der Völker, feiert, namentlich dein Lob erklingen, unbesiegbarer Imperator, und sagen dir Dank: denn dir verleiht gerade die Wesensähnlichkeit, die in deiner Abkunft ihre Wurzeln hat, und eine insgeheim wirksame Macht der Natur so edlen Sinn, den Geburtstag Roms zu ehren, dass du die Gründung jener Stadt so feierlich begehst, als habest du selbst sie gegründet. (5) Denn in der Tat kann, heiligster Imperator, jeder dich und deinen Bruder verdientermaßen als Gründer des Römischen Reiches bezeichnen: ihr seid ja, was dem so ganz nahe kommt, die Wiederbegründer und, mag auch der heutige Tag für jene Stadt ihr Geburtstag sein, sofern es den Ursprung des römischen Volkes betrifft, so sind doch die ersten Tage eurer Herrschaft der Beginn sicheren Wohlergehens. 2 (1) Wenn also heute in Rom alle Magistrate, Pontifices und (anderen) Priester in gleicher Weise wie den Gottheiten, welche die Väter und Erhalter der Stadt sind, ihre Verehrung auch den Heiligtümern des Herkules erweisen, weil er die einst im Sieg errungene Beute vom Ebro her und vom Ozean, dem

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Panegyricus Latinus X/II

solis Oceano ad pabula Tyrrhena compulerit et in Palatino iugo venturo tibi reliquerit vestigia, quanto tandem studio nos hic convenit, qui te praesentem intuemur deum toto quidem orbe victorem, sed nunc cum maxime in eadem occidentis plaga non pastorem trino capite deformem sed prodigium multo taetrius opprimentem, quidquid spiritus et vocis habeamus, omne id in laudibus tuis non occupare modo sed, si res poscat, absumere! (2) Unde igitur ordiar? Commemorabo nimirum patriae tuae in rem publicam merita? Quis enim dubitat quin multis iam saeculis, ex quo vires illius ad Romanum nomen accesserint, Italia quidem sit gentium domina gloriae vetustate, sed Pannonia virtute? (3) An divinam generis tui originem recensebo, quam tu non modo factis immortalibus sed etiam nominis successione testaris? (4) An quemadmodum educatus institutusque sis praedicabo in illo limite, illa fortissimarum sede legionum, inter discursus strenuae iuventutis et armorum sonitus tuis vagitibus obstrepentes? (5) Finguntur haec de Iove, sed de te vera sunt, imperator. An tuas res gestas enumerare conabor, quae te prima signa imperatoriis auspiciis inaugurarint, quae castra dominum habitura susceperint, quae bella diduxerint, quae victoriae auxerint? (6) Ibo scilicet virtutis tuae vestigiis colligendis per totum Histri limitem perque omnem qua tendit Eufraten et ripas peragrabo Rheni et litus Oceani? (7) Sed qui velit omnia ista complecti, saecula sibi optare debet et innumerabiles annos et quantam tu mereris aetatem. 3 (1) Faciam igitur compendio orationis meae, sed damno voluntatis, quod huic tempori maxime congruit: omittam cetera, et potissimum illud arripiam quod multis fortasse mirum videbitur et tamen ipsa verissimum est: te, cum ad restituendam rem publicam a cognato tibi Diocletiani numine

Panegyricus des Jahres 289

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vertrauten Zeugen des Sonnenuntergangs, bis zu den Weiden Tyrrheniens getrieben und auf der Höhe des Palatin dir zu einstiger Ankunft seine Spuren hinterlassen hat: wie eifrig müssen wir dann gerade an diesem Ort hier angemessenerweise bestrebt sein – wir, die wir dich als Gottheit gegenwärtig schauen, der du, obschon auf dem ganzen Erdkreis siegreich, doch gerade eben jetzt in derselben Region des Westens nicht die Missgestalt eines Hirten mit drei Köpfen, sondern ein viel scheußlicheres Ungeheuer niedergedrückt hältst –, zu deinem Lob und Preis also nicht allein alles, was wir nur an Atem und an Stimme haben, einzusetzen, sondern sie, wenn die Sache es verlangt, ganz und gar aufzubrauchen? (2) Womit soll ich also beginnen? Werde ich, wie es üblich, die Verdienste deines Vaterlandes um den Staat in Erinnerung rufen? Denn wer zweifelt daran, dass schon seit vielen Jahrhunderten, seit sich seine Macht dem Namen Roms angeschlossen hat, Italien zwar durch das hohe Alter seines Ruhmes Herrin der Völker ist, Pannonien jedoch durch seine Tapferkeit? (3) Oder werde ich vom göttlichen Ursprung deiner Familie erzählen, für den du nicht nur mit deinen unsterblichen Taten, sondern auch mit deinem Namen, in dem du ihr nachfolgst, Zeugnis ablegst? (4) Oder werde ich rühmen, wie du an jener Grenze, an jenem Sitz tapferster Legionen, erzogen und unterwiesen worden bist, mitten unter den Streifzügen ihrer tatkräftigen jungen Mannschaft und ihrem Waffenlärm, der dein kindliches Geschrei übertönte? (5) Dichtung sind derlei Dinge, so es Jupiter betrifft, doch Wahrheit, wenn es dich angeht, o Imperator! Oder werde ich versuchen, deine Taten aufzuzählen – welches die ersten Feldzeichen gewesen sind, die dich mit eigenem kaiserlichem Oberbefehl in dein Amt eingeführt haben, welche Lager dich als ihren nunmehrigen Herrn empfangen, welche Kriege dich hierhin und dorthin geführt haben, welche Siege deinen Ruhm haben wachsen lassen? (6) Werde ich, die Spuren deiner Tapferkeit verfolgend, natürlich die ganze Grenzlinie des Hister (Donau) entlang ziehen und auch den gesamten Lauf des Euphrat, soweit er sich erstreckt, werde ich an den Ufern des Rheins und an der Küste des Ozeans entlang meinen Weg nehmen? (7) Doch wer all dies umfassend schildern wollte, müsste sich Jahrhunderte wünschen, Jahre ohne Zahl, eine Lebenszeit von solcher Dauer, wie sie dir gebührt. 3 (1) So will ich, meine Rede kürzer zu gestalten, doch zum Nachteil für die eigentliche Absicht, das tun, was der jetzigen Stunde am ehesten angemessen ist: ich will alle übrigen Dinge auslassen und vorzugsweise jenes Ereignis mit Eifer aufgreifen, das vielen vielleicht wundersam erscheinen wird und dennoch von der Sache her die reine Wahrheit ist: dass du in dem Moment, da du seitens der dir verwandten göttlichen Majestät des Diokletian zur Wiederherstellung des Staates berufen wurdest, mehr Gunst erwiesen als empfan-

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Panegyricus Latinus X/II

fueris invocatus, plus tribuisse beneficii quam acceperis. Neque enim specie tenus ac nomine fortuna imperii consideranda est. (2) Trabeae vestrae triumphales et fasces consulares et sellae curules et haec obsequiorum stipatio et fulgor, et illa lux divinum verticem claro orbe complectens, vestrorum sunt ornamenta meritorum, pulcherrima quidem et augustissima; (3) sed longe illa maiora sunt quae tu impartito tibi imperio vice gratiae rettulisti: admittere in animum tantae rei publicae curam et totius orbis fata suscipere et oblitum quodammodo sui gentibus vivere et in tam arduo humanarum rerum stare fastigio, ex quo veluti terras omnes et maria despicias vicissimque oculis ac mente conlustres ubi sit certa serenitas, ubi dubia tempestas, qui iustitiam vestram iudices aemulentur, qui virtutis vestrae gloriam duces servent, (4) accipere innumerabiles undique nuntios, totidem mandata dimittere, de tot urbibus et nationibus et provinciis cogitare, noctes omnes diesque perpeti sollicitudine pro omnium salute transigere. 4 (1) Haec omnia cum a fratre optimo oblata susceperis, tu fecisti fortiter ille sapienter. (2) Neque enim cum rei publicae navem secundus a puppi flatus impelleret, salutarem manum gubernaculis addidisti, sed cum ad restituendam eam post priorum temporum labem divinum modo ac ne id quidem unicum sufficeret auxilium, praecipitanti Romano nomini iuxta principem subisti eadem scilicet auxilii opportunitate qua tuus Hercules Iovem vestrum quondam Terrigenarum bello laborantem magna victoriae parte iuvit probavitque se non magis a dis accepisse caelum quam eisdem reddidisse. (3) An non illud malum simile monstrorum biformium in hisce terris fuit quod tua, Caesar, nescio utrum magis fortitudine repressum sit an clementia mitigatum, cum militaris habitus ignari agricolae appetiverunt, cum arator peditem, cum pastor equitem, cum hostem barbarum suorum cultorum rusticus vastator imitatus est? (4) Quod ego cursim praetereo;

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gen hast. Denn die Stellung des Kaisertums ist nicht von der äußeren Gestalt und dem Titel her nur zu bewerten. (2) Eure triumphalen Purpurtogen, eure konsularischen Rutenbündel, eure kurulischen Sessel, dieses Gefolge der Ergebenheit, dichtgedrängt in seinem Glanz, und jenes Licht, welches das göttliche Haupt in strahlendem Nimbus umgibt, sind die Ehrenzeichen eurer Verdienste, gewiss von größter Schönheit und Erhabenheit. (3) Bei weitem großartiger sind jedoch jene Leistungen, die du, da dir die Herrschaft zuerteilt war, an Dankes Statt vollbracht hast: der Sorge für ein Staatswesen von solcher Größe zu seinem Innern Zutritt zu gewähren, die (Last der) Geschicke des ganzen Erdkreises auf sich zu nehmen, gewissermaßen seiner selbst vergessend, das Leben im Dienst seiner Völker zu führen und seinen Standpunkt in solcher Höhe auf dem Gipfel des Menschlichen einzunehmen, dass man von ihm gleichsam alle Länder, alle Meere überblickt, mit den Augen und mit dem Geist abwechselnd danach Ausschau hält, wo zuverlässig heitrer Glanz, wo das Wetter zweifelhaft ist, welche Richter eurer Gerechtigkeit nacheifern, welche Führer den Ruhm eurer Tapferkeit bewahren; (4) Boten ohne Zahl aus aller Welt zu empfangen und ebenso viele Weisungen zu entsenden, über so viele Städte, Völker und Provinzen nachzudenken und es durchzustehen, alle Nächte und Tage in der Sorge für das Wohlergehen aller zu verbringen. 4 (1) Da du alle diese Aufgaben, wie sie dir von deinem Bruder, dem besten, angeboten wurden, annahmst, handeltest du tapfer, jener weise. (2) Denn du legtest deine rettende Hand nicht an das Steuer, als ein günstiger Wind vom Heck her das Staatsschiff vorwärtstrieb, sondern als zu seiner Wiederaufrichtung nach dem Zusammenbruch in den voraufgegangenen Zeiten nur noch göttliche Hilfe ausreichte, und diese nicht einmal von einer Gottheit allein: da hast du dem schon auf seinen Untergang zustürzenden Namen Roms Seite an Seite mit dem Herrscher Halt gewährt, mit demselben glücklichen Erfolg der Hilfeleistung offenbar, wie einst dein Herkules euren Jupiter in seinem mühevollen Kampf gegen die Erdgeborenen mit einem großen Anteil des Siegs unterstützt und somit bewiesen hat, dass er nicht so sehr von den Göttern Zutritt zum Himmel erlangt als ihn denselben vielmehr wiedergegeben hat. (3) War nicht von gleicher Art wie die zwiegestaltigen Ungeheuer jenes Unheil hier in unserem Land, von dem ich nicht weiß, Caesar, ob es eher von deiner Tapferkeit bezwungen oder von deiner Milde gezähmt ist? Damals, als die Bauern, die doch keinerlei Kenntnis von soldatischer Lebensform hatten, eben danach verlangten, als der Mann am Pflug den Fußsoldaten, als der Hirte den Reiter, als der Mann vom Land den feindlichen Barbaren mit der Verwüstung der eigenen bestellten Felder nachgeahmt hat? (4) In Eile gehe ich über diesen

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video enim te, qua pietate es, oblivionem illius victoriae malle quam gloriam. 5 (1) Quid vero? Statim, vixdum misero illo furore sopito, cum omnes barbarae nationes excidium universae Galliae minarentur, neque solum Burgundiones et Alamanni sed etiam Chaibones Erulique, viribus primi barbarorum, locis ultimi, praecipiti impetu in has provincias inruissent, quis deus tam insperatam salutem nobis attulisset, nisi tu adfuisses? (2) Tu enim divinae providentiae, imperator, consilio prius quam vi bellum gerendum ratus ceteros quidem perduelles, quibus ipsa multitudo pestifera t, ire passus es in profundam famem et ex fame pestilentiam, mox triumphi ornamenta capienda militum manibus usurus; Chaibonas tamen Erulosque non dignatus pari astu perdere atque ut interim divina virtus tua exercitatione solita non careret aperto Marte atque uno impetu perculisti, non universo ad id proelium usus exercitu sed paucis cohortibus. (3) Quid enim opus erat multitudine cum ipse pugnares, ipse omnibus locis totaque acie dimicares, ipse hosti undique et qua resisteret et qua cederet et qua fugeret occurreres, erroremque adversariis pariter ac tuis faceres, cum neque te barbari unum putarent neque milites, non dico stipatione atque comitatu sed saltem oculis sequi possent? Toto quippe proelio ferebare, non aliter quam magnus amnis solet hibernis imbribus auctus et nivibus passim fluere qua campus est. (4) Ita cuncti Chaibones Erulique cuncti tanta internecione caesi interfectique sunt ut exstinctos eos relictis domi coniugibus ac matribus non profugus aliquis e proelio sed victoriae tuae gloria adnuntiaret. 6 (1) Transeo innumerabiles tuas tota Gallia pugnas atque victorias. Quae enim tot tantisque rebus sufficiat oratio? (2) Illum tamen primum consulatus

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Punkt hinweg: denn ich sehe, du in deiner Herzensgüte ziehst es vor, jenen Sieg zu vergessen, statt dafür Ruhm zu ernten. 5 (1) Wie aber? Kaum war jenes elende Wüten zur Ruhe gebracht, als sogleich alle Barbarenvölker das gesamte Gallien mit Untergang bedrohten, als nicht nur Burgunder und Alamannen, sondern auch Chaibonen und Heruler, an Stärke die ersten unter den Barbaren, dem Wohnsitz nach am weitesten entfernt, in unaufhaltsamem Ansturm in diese Provinzen eingefallen waren, – welcher Gott hätte uns da so unverhoffte Rettung gebracht, wärest du nicht zugegen gewesen? (2) Denn du, Imperator, warst der Ansicht, der Krieg sei eher nach dem Plan göttlicher Weitsicht als mit Waffengewalt zu führen und ließest ja die anderen Feinde alle, für die gerade ihre große Zahl verderbenbringend war, in unermessliche Hungersnot und von der Hungersnot in eine Epidemie geraten, um dich alsbald des Arms deiner Soldaten zu bedienen, die Siegeszeichen des Triumphes zu gewinnen; was jedoch die Chaibonen und Heruler angeht, so hieltest du es nicht für angemessen, sie mit der gleichen List zu vernichten, und hast sie, damit unterdessen deine göttliche Tapferkeit nicht auf ihre gewohnte Übung verzichten müsse, in offener Schlacht und mit einem einzigen Angriff niedergeschmettert, und du hast für diesen Kampf nicht das Heer insgesamt eingesetzt, sondern nur wenige Kohorten. (3) Wozu hätte es denn einer großen Zahl bedurft, da du in eigener Person am Kampf teilnahmst, da du persönlich an allen Orten und in der gesamten Schlachtordnung im Einsatz warst, da du selbst den Feind überall attackiertest – dort, wo er Widerstand leistete, wo er sich zurückzog und wo er zu fliehen suchte, und so die Gegner gleichermaßen in Verwirrung stürztest wie deine eigenen Leute? Da zum einen die Barbaren nicht glaubten, bei dir handele es sich nur um eine einzige Person, noch die Soldaten imstande waren, dir – ich sage nicht: in dichtgedrängter Menge und als dein Geleit, aber doch wenigstens mit den Augen zu folgen! Du stürmtest ja in der Schlacht überall einher, nicht anders als ein mächtiger Strom es gewöhnlich tut, wenn er, von winterlichen Regengüssen und Schneefällen angestiegen, sich ringsumher ins offene Land ergießt. (4) So wurden dann alle Chaibonen und die Heruler alle in einem so gewaltigen Gemetzel niedergehauen und getötet, dass den Frauen und Müttern, die zu Hause geblieben waren, nicht jemand, dem die Flucht aus der Schlacht gelungen war, die Kunde von ihrem Untergang überbrachte, sondern der Ruhm deines Sieges. 6 (1) Ich lasse deine zahllosen Kämpfe und Siege in ganz Gallien außer Betracht: denn welche Rede dürfte Taten von solcher Vielzahl und Bedeutung gerecht werden? (2) Doch jenen vorbedeutungsreichen ersten Tag deines Kon-

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tui auspicalem diem tacitus praeterire nullo modo possum, quo tu solus omnium consecutus es ut, quod tempus antea incipiendis tantummodo rebus aptum videbatur, tunc primum potuerit sufficere peragendis, unoque sol curriculo suo eoque brevissimo et officia te consulis inchoantem videret et opera imperatoris implentem. (3) Vidimus te, Caesar, eodem die pro re publica et vota suscipere et convicta debere. Quod enim optaveras in futurum, fecisti continuo transactum, ut mihi ipsa deorum auxilia quae precatus eras praevenisse videaris et, quidquid illi promiserant, ante fecisse. Vidimus te, Caesar, eodem die et in clarissimo pacis habitu et in pulcherrimo virtutis ornatu. (4) Bona venia deum dixerim, ne Iuppiter quidem ipse tanta celeritate faciem caeli sui variat quam facile tu, imperator, togam praetextam sumpto thorace mutasti, hastam posito scipione rapuisti, a tribunali temet in campum, a curuli in equum transtulisti et rursus ex acie cum triumpho redisti, totamque hanc urbem repentina tua in hostes eruptione sollicitam laetitia et exsultatione et aris flagrantibus et sacrificis odoribus accensis numini tuo implesti. (5) Ita utroque illius diei supremo tempore bis divina res pari religione celebrata est: Iovi dum pro futuris vovetur, tibi dum pro victoria solvitur. 7 (1) Tale igitur auspicium illius anni quid sequebatur, nisi novum aliquid et ingens miraculum? (2) Quod autem maius evenire potuit illa tua in Germaniam transgressione, qua tu primus omnium, imperator, probasti Romani imperii nullum esse terminum nisi qui tuorum esset armorum? (3) Atqui Rhenum antea videbatur ipsa sic Natura duxisse, ut eo limite Romanae provinciae ab immanitate barbariae vindicarentur. (4) Ecquis umquam ante vos principes non gratulatus est Gallias illo amne muniri? Quando non cum summo metu nostro Rheni alveum minuit diu

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sulats kann ich keinesfalls stillschweigend übergehen, den Tag, an dem du allein von allen es vollbracht hast, dass die Spanne Zeit, die zuvor für gewöhnlich nur zum Beginn von Taten geeignet schien, nun zum ersten Mal genügen konnte, sie auch zu vollenden; dass die Sonne bei einem einzigen Umlauf, der zudem von ganz kurzer Dauer war, ansehen konnte, wie du die Geschäfte des Konsuls angetreten und die Aufgaben eines Imperators ausgeführt hast. (3) Wir haben gesehen, dass du, Caesar, an ein und demselben Tage deine Gelübde für den Staat abgelegt hast und in gleichem Zug verpflichtet warst, sie einzulösen. Denn den Wunsch, den du für die Zukunft ausgesprochen hattest, hast du auf der Stelle in die Tat umgesetzt, derart, dass du (so schien es mir) eben der Hilfe der Götter, die du im Gebet erfleht hattest, zuvorgekommen bist und das, was dir jene zugesichert hatten, mit eigener Tat vorweggenommen hast. Wir haben dich, Caesar, an ein und demselben Tag im strahlendsten Gewand des Friedens und im schönsten Schmuck der Tapferkeit gesehen. (4) Mögen die Götter meinen Worten Vergebung schenken: nicht einmal Jupiter selbst verwandelt das Antlitz seines Himmels so rasch, wie du, Imperator, im Tausch mit der Toga praetexta geschwind zum Harnisch gegriffen, wie du, deinen Herrscherstab beiseite legend, schnell die Lanze gepackt hast, wie du vom Tribunal aus ins Feld geeilt bist, vom kurulischen Stuhl auf das Pferd, wie du aus der Schlacht wiederum im Triumph zurückgekehrt, und wie du dann diese ganze Stadt, die wegen deines plötzlichen Vorstoßes gegen den Feind in ängstlicher Sorge war, mit Freude und ausgelassenem Jubel, mit lodernden Altären und dem rauchenden Duft der Opfergaben erfüllt hast, die zu Ehren deiner göttlichen Hoheit entzündet wurden. (5) Also fand, zu Beginn wie auch am Ende jenes Tages, zweimal die Feier einer heiligen Handlung in gleicher frommer Verehrung statt: einmal für Jupiter, da das feierliche Gelübde für die Zukunft geleistet wurde, einmal dir zu Ehren, da es zum Dank für den Sieg eingelöst wurde. 7 (1) Was konnte also anderes auf einen solchen Auftakt jenes Jahres folgen als eine unerhörte, außerordentliche Wundertat? (2) Welch bedeutendere Tat hätte aber nun erfolgen können als dein ruhmreicher Zug hinüber nach Germanien, mit dem du als erster unter allen, Imperator, den Beweis erbracht hast, dass es für das römische Reich keinerlei Grenze gibt außer der deiner Waffen. (3) Zuvor hatte es nun stets den Anschein, als habe die Natur den Rhein in seinem Lauf selber so gelenkt, dass die römischen Provinzen durch die Grenze, die er bildet, vor der Rohheit des Barbarenlandes geschützt waren. (4) Und gab es denn jemals, ehe ihr Herrscher wart, jemanden, der sich nicht beglückwünscht hätte, dass die gallischen Länder durch jenen Strom gesichert waren? Wann hat es uns nicht mit höchster Besorgnis erfüllt, wenn

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serena tempestas? Quando non cum securitate nostra illius diluvia creverunt? (5) Credo, itidem opimam illam fertilemque Syriam velut amplexu suo tegebat Eufrates, antequam Diocletiano sponte se dederent regna Persarum. Verum hoc Iovis sui more nutu illo patrio, quo omnia contremescunt, et maiestate vestri nominis consecutus est; (6) tu autem, imperator invicte, feras illas indomitasque gentes vastatione, proeliis, caedibus, ferro ignique domuisti. Herculei generis hoc fatum est, virtuti tuae debere quod vindicas. Exinde igitur soluto animo ac libero sumus. (7) Licet Rhenus arescat tenuique lapsu vix leves calculos perspicuo vado pellat, nullus inde metus est: quidquid ultra Rhenum prospicio, Romanum est. 8 (1) Sic illa quondam Romanae potentiae diu aemula et inimica Carthago a P. Scipione devicta est, cum is traiecto in Africam exercitu Hannibalem ab Italiae vastatione revocavit. (2) Audieras hoc, imperator, an ipse per te divina tua mente perspexeras ita demum hostes funditus posse subverti, si in propriis sedibus vincerentur nec praedam modo quam cepissent amitterent, sed ipsi coniuges et liberos et parentes suos et carissima omnia capta maererent? (3) Hoc tu sive cognitum secutus es seu te auctore fecisti, utrumque pulcherrimum est; (4) neque enim minorem laudem magnarum rerum aemuli quam ipsi merentur auctores. (5) Quin immo, quamvis optimum, intemptatae rei consilium Fortunae committitur; iteratum vero idem atque repetitum ad certam iudicii gloriam pertinet. (6) Ideoque hoc nunc ambo, sacratissime imperator, ipso estis Scipione potiores, quod et tu Africanum et te Diocletianus imitatus est. 9 (1) Ingressus est nuper illam quae Raetiae est obiecta Germaniam similique virtute Romanum limitem victoria protulit: adeo numini illius simpliciter amanterque, quidquid pro hisce terris feceras, rettulisti, cum ex

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eine längere Phase guten Wetters den Wasserstand des Rheinbettes hat sinken lassen? Wann hat es nicht in uns das Bewusstsein sorgloser Sicherheit entstehen lassen, wenn seine Fluten angestiegen sind? (5) Ebenso, glaube ich, hat der Euphrat jenes reiche und fruchtbare Syrien gleichsam mit seiner Umarmung in Schutz genommen, bevor die Reiche der Perser sich Diokletian freiwillig unterwarfen. Das hat er aber nach Art seines Jupiters mit jenem väterlichen Wink, unter dem alle Welt erzittert, und durch die Majestät eures Namens erreicht; (6) du aber, unbesiegbarer Imperator, hast jene wilden, unbezwungenen Stämme durch Verwüstung, Kampf, Blutbad, Feuer und Schwert bezwungen. Das ist die Bestimmung des Herkulischen Geschlechtes: deiner eigenen Tapferkeit zu verdanken, worauf du Anspruch erhebst. Seit dieser Zeit ist also unser Sinn von Sorgen frei und ungebunden. (7) Mag der Rhein versiegen und mit dünnem Rinnsal kaum noch leichte Steinchen im schon durchsichtigen seichten Wasser fortbewegen, daraus erwächst uns keine Furcht mehr: alles, was ich jenseits des Rheins erblicke, ist römisches Land. 8 (1) So wurde einst jene Stadt, die so lange Rivalin der römischen Macht und ihre Widersacherin gewesen war, Karthago, von P. Scipio gänzlich besiegt, als dieser durch die Überfahrt seiner Armee nach Afrika Hannibal veranlasst hat, die Verwüstung Italiens aufzugeben. (2) Hattest du von dieser Tat gehört, Imperator? Oder hattest du selber für dich alleine kraft des dir eigenen göttlichen Verstandes erkannt, dass die Feinde so erst von Grund auf vernichtet werden könnten, wenn sie an ihren eigenen Wohnsitzen überwunden würden und nicht nur die errungene Beute verlieren würden, sondern wenn sie den Verlust ihrer eigenen Frauen, Kinder, Eltern und all ihrer liebsten Güter zu beklagen hätten? (3) Ob du nun dieses Beispiel gekannt und, ihm nachfolgend, deine Tat ausgeführt oder nach eigener Initiative gehandelt hast, jedes Vorgehen ist, für sich genommen, ganz und gar vortrefflich. (4) Nicht minderes Lob steht ja denen zu, die großen Taten nacheifern, als ihren Erfindern selbst. (5) Es ist vielmehr so: wie trefflich er auch sein mag – der Plan einer bisher unerprobten Tat ist (in seinem Erfolg) der Fortuna überlassen; doch die Wiederholung und erneute Durchführung derselben Planung liefert das Maß für unstrittigen Ruhm der Urteilskraft. (6) Und also seid ihr beide nun, heiligster Imperator, deshalb noch vortrefflicher als Scipio selbst, weil du den Africanus und dich wiederum Diokletian nachgeahmt hat. 9 (1) Vor kurzem ist er in jenen Teil Germaniens gezogen, der Raetien gegenüberliegt, und hat durch seine Tapferkeit, die der deinen gleicht, die Grenze Roms siegreich vorrücken lassen: so ganz aufrichtig und liebevoll zugetan hast du seiner göttlichen Hoheit von deinen Leistungen für dieses

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diversa orbis parte coeuntes invictas dexteras contulistis, adeo fidum illud fuit fraternumque conloquium. (2) In quo vobis mutua praebuistis omnium exempla virtutum atque invicem vos, quod fieri iam posse non videbatur, auxistis, ille tibi ostendendo dona Persica, tu illi spolia Germanica. (3) Sed neque illum virtutes tuae bellicae liberalitate illius opes a bellica virtute revocarunt: ambo nunc estis largissimi, ambo fortissimi atque hac ipsa vestri similitudine magis magisque concordes et, quod omni consanguinitate certius est, virtutibus fratres. (4) Sic fit ut vobis tantum imperium sine ulla aemulatione commune sit neque ullum inter vos discrimen esse patiamini, sed plane ut gemini illi reges Lacedaemones Heraclidae rem publicam pari sorte teneatis. (5) Quamquam hoc vos meliores et iustiores, quod illos mater astu coegit, cum nemini fateretur quem prius edidisset in lucem, pari aetatis auctoritate regnare, vos hoc sponte facitis, quos in summis rebus aequavit non vultuum similitudo sed morum. 10 (1) Attamen illos, si discrimen sui scire potuissent, minus mirum fuisset exiguam sibi communicasse regionem, quam saepe uno die impiger viator emensus est. Vos vero, qui imperium non terrae sed caeli regionibus terminatis, tantam vim tantam potestatem mutuo vobis impartire divinae profecto immortalisque fiduciae est, quam cupiditas nulla perturbet. (2) Et tamen vides, imperator, non invenire me ex omni antiquitate quod comparem vobis, nisi Herculeae gentis exemplum. (3) Nam ille quidem magnus Alexander iam mihi humilis videtur Indo regi sua regna reddendo, cum tam multi reges, imperator, vestri clientes sint, cum per te regnum receperit Gennoboudes, a te vero munus acceperit. (4) Quid enim ille aliud expetivit ad conspectum cum omni sua gente veniendo, nisi ut tunc demum

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Land hier Bericht erstattet (an dem Tag), da ihr, aus entgegengesetzten Teilen des Erdkreises zusammengekommen, einander die unbesiegbaren Hände reichtet, so ganz vertrauensvoll und brüderlich war da eure Unterredung! (2) Hierbei habt ihr euch wechselseitig Beispiele aller Tugenden vorgeführt und, was schon nicht mehr möglich schien, euch noch gegenseitig in eurem Rang erhöht, indem jener dir die Geschenke Persiens präsentierte, du ihm deine Beutestücke aus Germanien. (3) Doch sowenig ihn deine kriegerischen Tugenden von seiner edlen Großzügigkeit abbrachten, ebenso wenig hielten dich seine Schätze von der dir eigenen kriegerischen Tugend fern: nunmehr seid ihr beide die freigebigsten, beide die tapfersten, und eben durch diese Übereinstimmung zwischen euch seid ihr mehr und mehr eines Herzens und Sinns, und, was zuverlässiger als jede Blutsverwandtschaft ist, in euren Tugenden einander brüderlich verwandt. (4) So kommt es, dass ihr eine derart gewaltig ausgedehnte Herrschaft ohne jegliches Rivalentum gemeinschaftlich besitzt und dass ihr nicht das Bestehen irgendeines Unterschiedes zwischen euch duldet, sondern das Staatswesen ganz wie jene Zwillingskönige von Lakedaimon, die Herakliden, zu gleichem Anteil innehabt. (5) Indessen seid ihr (im Vergleich zu jenen) insofern vortrefflicher und gerechter, als jene ihre Mutter ja mittels einer List dazu gezwungen hat (denn sie hat niemandem eingestanden, wer der erste war, den sie zur Welt gebracht hatte), ihre Herrschaft in Ebenbürtigkeit des Ranges ihres Lebensalters auszuüben – ihr dagegen tut dies aus freiem Antrieb: euch hat nicht eine Ähnlichkeit des Antlitzes Gleichrangigkeit in den höchsten Aufgaben verliehen, sondern die Entsprechung eurer Wesensart. 10 (1) Jedoch selbst wenn jene hätten wissen können, was den Unterschied zwischen ihnen bildete, wäre es weniger staunenswert gewesen, dass sie eine kleine Region der Erde miteinander teilten, die ein rüstiger Wanderer oft an einem einzigen Tag durchmessen hat. Was aber euch angeht, die ihr die Grenzen eurer Herrschaft nicht nach den Räumen auf der Erde, sondern an den Regionen des Himmels bemesst, so beweist es wahrhaft göttliches und unvergängliches Vertrauen zueinander, das keine Begehrlichkeit stören kann, dass ihr so große Macht, so große Amtsgewalt miteinander teilt. (2) Und dennoch siehst du, Imperator, dass ich aus der ganzen alten Zeit kein Beispiel finde, das ich zum Vergleich mit euch anführen kann außer dem des Geschlechts des Herkules. (3) Denn jener Große Alexander jedenfalls erscheint mir jetzt unbedeutend, wenn er dem indischen König seine Reiche zurückgab, da so zahlreiche Könige, Imperator, eurer Klientel angehören, da Gennoboudes sein Reich durch dich zurückerhalten, von dir wahrhaft als Geschenk empfangen hat. (4) Welch anderes Ziel hatte jener denn vor Augen, da er mit sei-

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integra auctoritate regnaret, cum te, Maximiane, placasset? (5) Ostendit ille te identidem, ut audio, popularibus suis et intueri diu iussit et obsequia discere, cum tibi ipse serviret. (6) Hoc eodem modo rex ille Persarum, numquam se ante dignatus hominem confiteri, fratri tuo supplicat totumque, si ingredi ille dignetur, regnum suum pandit. (7) Offert interim varia miracula, eximiae pulchritudinis feras mittit, amicitiae nomen impetrare contentus promeretur obsequio. 11 (1) Vestra hoc concordia facit, invictissimi principes, ut vobis tanta aequalitate successuum etiam fortuna respondeat. Rem publicam enim una mente regitis, neque vobis tanta locorum diversitas obest quominus etiam veluti iunctis dexteris gubernetis. (2) Ita, quamvis maiestatem regiam geminato numine augeatis, utilitatem imperii singularis consentiendo retinetis. (3) Quare, si non frustra Graeci poetae hominibus iustitiam colentibus repromittunt binos gregum fetus et duplices arborum fructus, nunc omnia gentibus universis gemina debentur, quarum vos domini tam sancte iustitiam et concordiam colitis. (4) Tu quidem certe, imperator, tantum esse in concordia bonum statuis, ut etiam eos qui circa te potissimo funguntur officio necessitudine tibi et adfinitate devinxeris, id pulcherrimum arbitratus adhaerere lateri tuo non timoris obsequia sed vota pietatis. Quorum ductu proxime, cum felicissimis vestris auspiciis uterentur, lubrica illa fallaxque gens barbarorum ut merebatur adfecta est. (5) Vestra haec, imperator, vestra laus est; a vobis proficiscitur etiam quod per alios administratur. (6) Ut enim omnia commoda caelo terraque parta, licet diversorum numinum ope nobis provenire videantur, a summis tamen auctoribus manant, Iove rectore caeli et Hercule pacatore terrarum, sic omnibus pulcherrimis rebus, etiam quae aliorum ductu geruntur, Diocletianus †facit, tu tribuis effectum.

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nem ganzen Volk kam, dir seine Aufwartung zu machen, als seine Herrschaft erst dann mit voller Geltung auszuüben, wenn er dich, Maximian, versöhnt hätte? (5) Jener hat dich, wie ich höre, seinen Landsleuten mehrfach gezeigt und sie aufgefordert, dich lange anzuschauen und beflissene Folgsamkeit zu lernen, da er selbst dir dienstbar war. (6) Genauso wirft sich jener Perserkönig, der es nie zuvor mit seinem Rang vereinbaren konnte einzugestehen, dass er ein Mensch ist, deinem Bruder zu Füßen und breitet sein gesamtes Reich vor ihm aus, falls jener sich entschließen wolle, es zu betreten. (7) Einstweilen bietet er ihm verschiedene Wundergaben an, sendet ihm wilde Tiere von außerordentlicher Schönheit und erwirbt sich, zufrieden, den Namen eines Freundes zu erlangen, den Anspruch hierauf durch seine beflissene Folgsamkeit. 11 (1) Das ist das Ergebnis eures Einklangs, ihr ganz und gar unbesiegbaren Herrscher, dass euch auch in so weitreichender Gleichrangigkeit der Erfolge Entsprechung des Glücks zuteil wird. Denn ihr regiert das Staatswesen im Geist der Einmütigkeit, und die Tatsache, dass ihr so weit voneinander getrennt seid, hindert euch nicht daran, gleichsam Hand in Hand den Staat zu lenken. (2) Auf solche Weise bewahrt ihr, obgleich ihr eure herrscherliche Majestät durch eure doppelte göttliche Hoheit noch weiter wachsen lasst, durch eure Übereinstimmung den Vorzug der Einzelherrschaft. (3) Wenn die Dichter der Griechen also nicht umsonst den Menschen, welche die Gerechtigkeit in Ehren halten, dafür zwiefach Trächtigkeit der Herden und den doppelten Ertrag der Bäume in Aussicht stellen, dann steht heute alles all den Völkern doppelt zu, deren Herrscher ihr seid, die ihr so gewissenhaft die Gerechtigkeit und Einigkeit in Ehren haltet. (4) Du, Imperator, bist jedenfalls gewiss der Ansicht, dass in der Eintracht ein so hohes Gut liegt, dass du auch diejenigen, die in deiner Umgebung ein Amt von höchster Bedeutung innehaben, durch Freundschaft und Verwandtschaft dir verpflichtet hast, in der Meinung, dies sei das Schönste, dass sich nicht beflissene Folgsamkeit an deine Seite heftet, die der Furcht entspringt, sondern Gelöbnisse liebender Verbundenheit. Unter der Führung solcher Männer und, zu ihrem Nutzen, zugleich unter eurem überaus glückbringenden Oberbefehl ist jüngst jenem unzuverlässigen und auf Betrug bedachten Barbarenvolk die Behandlung zuteil geworden, die es verdiente. (5) Dies ist euer, Imperator, euer Ruhm: von euch nimmt auch das seinen Ausgang, was durch andere ausgeführt wird. (6) Wie nämlich alle Güter, die vom Himmel und der Erde hervorgebracht sind, uns zwar durch den Beistand verschiedener Gottheiten zuteil zu werden scheinen, indessen von den höchsten Schöpfern ihren Ursprung nehmen, von Jupiter, dem Lenker des Himmels, und von Herkules, dem Friedensstifter auf der Erde, so ist

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(7) Vestrae, inquam, fortunae, vestrae felicitatis est, imperator, quod iam milites vestri ad Oceanum pervenere victoria, iam caesorum in illo litore hostium sanguinem reciproci fluctus sorbuerunt. 12 (1) Quid nunc animi habet ille pirata, cum fretum illud quo solo mortem suam hucusque remoratus est paene exercitus vestros videat ingressos, oblitosque navium refugum mare secutos esse qua cederet? (2) Quam nunc insulam remotiorem, quem alium sibi optet Oceanum? Quo denique pacto effugere poenas rei publicae potest, nisi si haustu terrae devoretur aut turbine aliquo in devia saxa rapiatur? (3) Aedificatae sunt ornataeque pulcherrimae classes cunctis simul amnibus Oceanum petiturae; neque solum ad perficiendas eas certatim homines laborarunt, sed etiam ad excipiendas flumina repente creverunt. (4) Toto fere anno, imperator, quo tibi opus erat serenitate ut navalia texerentur, ut trabes caederentur, ut artificum animi vigerent, ut manus ne torpescerent, nullus fere dies imbre foedatus est. (5) Hiemps ipsa temperiem veris imitata est. Iam non septentrioni nos putavimus subiacere, sed quasi translatis sideribus aut terris meridiani caeli clementiam sensimus. (6) Fluvius hic noster diu pluviarum pabulo carens impatiens erat navium, solam navalibus tuis materiam devehebat. Ecce autem subito, cum iam deduci liburnas oporteret, tibi uberes fontes Terra submisit, tibi largos imbres Iuppiter fudit, tibi totis fluminum alveis Oceanus redundavit. (7) Ita in aquas sponte subeuntes impetum navigia fecerunt levi modo commota nisu ducentium, quorum ad felicissimum illud exordium magis opus erat nautico carmine quam labore. (8) Facile itaque quivis intellegit, imperator, quam prosperi te successus in re maritima secuturi sint, cui iam sic tempestatum opportunitas obsequatur.

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bei allen ganz und gar vortrefflichen Taten, auch denjenigen, die unter der Führung anderer Männer vollbracht werden, Diokletian ihr Urheber, und du verleihst ihnen die Vollendung. (7) Es ist eurem Schicksalsglück, sage ich, eurem glücklichen Gelingen, Imperator, zuzuschreiben, dass eure Soldaten schon im Siegeszug bis zum Ozean vorgedrungen sind, dass im Gegenstrom seine Fluten schon das Blut der Feinde, die an jener Küste niedergemetzelt worden sind, verschlungen haben. 12 (1) Wie viel Mut kann jener Pirat jetzt noch haben, da er mit ansieht, wie eure Armeen schon fast in jene Meeresenge Einzug gehalten haben, wo allein er bis zu diesem Zeitpunkt noch seinen Tod hinauszögern konnte, und wie sie, ohne noch auf ihre Schiffe zu achten, dem zurückweichenden Meer dort, wo es sich zurückzog, nachgerückt sind? (2) Welche weiter abgelegene Insel, welchen anderen Ozean mag er sich jetzt noch wünschen? Unter welcher Bedingung kann er schließlich der Bestrafung durch den Staat entgehen, falls er nicht etwa von einem Atemzug der Erde verschlungen oder von einem Wirbelsturm auf unwegsames Felsgestein hingeschleudert wird? (3) Schönste Flotten sind erbaut und ausgerüstet, um zum selben Zeitpunkt über alle Flüsse dem Ozean zuzustreben. Und es haben sich nicht nur die Menschen im Wettstreit miteinander angestrengt, ihren Bau zu vollenden, sondern auch die Flüsse haben rasch ihre Wasser ansteigen lassen, um sie aufzunehmen. (4) Im Verlauf fast eines ganzen Jahres, Imperator, als du gutes Wetter brauchtest, um die Schiffe zusammenzubauen, um Stämme für die Balken zu fällen, und damit die Stimmung der Handwerker tatenfroh blieb, damit ihre Hände nicht erlahmten, da ist kaum ein einziger Tag von Regen getrübt worden. (5) Sogar der Winter hat die sanfte Luft des Frühlings nachgeahmt. Schon glaubten wir, nicht mehr unter dem Himmel des Nordens zu leben, sondern wir verspürten – gleichsam in einem Tausch der Gestirne oder Länder – die Milde eines südlichen Himmels. (6) Unser Fluss hier, der lange Zeit hindurch nährende Regengüsse missen musste, konnte keine Schiffe mit sich führen, konnte nur das Baumaterial für deine Werften transportieren. Doch siehe, unverhofft, als gerade die Liburnerschiffe zu Wasser gelassen werden sollten, da hat dir die Erde reiche Quellen hervorgebracht, da hat dir Jupiter im Überfluss Ströme von Regen ausgegossen, da hat dir der Ozean das Bett der Flüsse ganz mit seinen Wogen überflutet. (7) Und so fuhren die Schiffe in raschem Lauf hinaus in diese Wasser, die sich ihnen aus freien Stücken anboten, sie zu tragen, – angetrieben nur von einer leichten Bewegung ihrer Lenker: und diese hatten, für jenen so vom Glück begünstigten Beginn, eher ein Seefahrerlied anzustimmen als eigentliche Arbeit zu verrichten. (8) Leicht ist es also jedermann begreiflich, Imperator, welch glückliche Erfolge dich bei dieser Unter-

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13 (1) Felix igitur talibus, Roma, principibus (fas est enim ut hoc dicendi munus pium unde coepimus terminemus): felix, inquam, et multo nunc felicior quam sub Remo et Romulo tuis. (2) Illi enim, quamvis fratres geminique essent, certaverunt tamen uter suum tibi nomen imponeret, diversosque montes et auspicia ceperunt. Hi vero conservatores tui (sit licet nunc tuum tanto maius imperium quanto latius est vetere pomerio, quidquid homines colunt) nullo circa te livore contendunt. Hi, cum primum ad te redeant triumphantes, uno cupiunt invehi curru, simul adire Capitolium, simul habitare Palatium. (3) Utere, quaeso, tuorum principum utroque cognomine, cum non cogaris eligere: licet nunc simul et Herculia dicaris et Iovia. (4) O quanto nunc, imperator, illa civitas esset augustior, quanto magis hunc natalem suum diem coleret, si vos stipatos vestro senatu in illa Capitolini Iovis arce conspiceret! Quae nunc sine dubio praesentiam vestri sibi fingit, aedes vestrorum numinum frequentando et identidem, sicut a maioribus institutum est, invocando Statorem Iovem Herculemque Victorem. (5) Hoc enim quondam illi deo cognomen adscripsit is qui, cum piratas oneraria nave vicisset, ab ipso audivit Hercule per quietem illius ope victoriam contigisse. Adeo, sacratissime imperator, multis iam saeculis inter officia est numinis tui superare piratas. 14 (1) Sed profecto mature ille inlucescet dies, cum vos videat Roma victores et alacrem sub dextera filium, quem ad honestissimas artes omnibus ingenii bonis natum felix aliquis praeceptor exspectat, cui nullo labore constabit divinam immortalemque progeniem ad studium laudis hortari. (2) Non necesse erit Camillos et Maximos et Curios et Catones proponere ad imitandum; quin potius vestra illi facta demonstret, vos identidem et semper ostendat praesentes et optimos imperatoriae institutionis auctores.

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nehmung zur See noch begleiten sollen, da dir bereits die Gunst der Witterung in solcher Weise dienstbar ist. 13 (1) Vom Glück gesegnet bist du also, Rom, unter solchen Herrschern (denn es ist rechtens, dieses heilige Amt unserer Rede dort enden zu lassen, wo wir begonnen haben): vom Glück gesegnet bist du, ich wiederhole es, und heute noch viel glücklicher als unter deinem Remus und deinem Romulus! (2) Denn jene haben, obgleich sie Brüder und Zwillinge waren, dennoch darum gestritten, wer von ihnen dir seinen Namen geben solle, und haben verschiedene Hügel aufgesucht und getrennte Auspizien durchgeführt. Diese hier jedoch, die deine Retter sind (mag auch dein Reich heute soviel größer sein, je weiter ausgedehnt all das von Menschen bewohnte Land im Vergleich zum alten Pomerium ist) – diese also setzen ohne jeden Neid ihre Kraft für dich ein. Sobald diese im Triumph zu dir zurückkehren, ist es ihr Wunsch, auf einem einzigen Wagen Einzug zu halten, gemeinsam auf das Kapitol zu gehen, gemeinsam im Palatium zu wohnen. (3) Verwende, so ist meine Bitte, beide Cognomina deiner Herrscher, da du nicht zur Wahl gezwungen wirst: es steht dir frei, dich jetzt zugleich sowohl Herculia als auch Iovia zu nennen. (4) O wie viel ehrwürdiger, Imperator, wäre jene Stadt jetzt, mit wie viel größerem Gepränge würde sie ihren Geburtstag heute feiern, könnte sie euch, rings umgeben von eurem Senat, auf jenem Hügel des kapitolinischen Jupiter erblicken! Sie stellt sich heute ohne Zweifel eure Gegenwart im Geist vor, wenn sie mit großer Besucherzahl die Tempel eurer Gottheiten aufsucht und in vielfacher Wiederholung, wie es von den Ahnen her der Brauch, ihre Anrufungen an Iuppiter Stator und Hercules Victor richtet. (5) Diesen Beinamen hat nämlich jenem Gott einst der Mann verliehen, der, nach seinem Sieg über die Piraten auf einem Transportschiff, von Herkules selbst im Schlaf vernahm, er habe mit dessen Hilfe seinen Sieg errungen; so ganz gehört es also, heiligster Imperator, seit vielen Jahrhunderten schon zu den Aufgaben deiner Gottheit, Piraten zu bezwingen. 14 (1) Doch gewiss wird in kurzer Zeit jener Tag erstrahlen, da euch Rom mit eigenen Augen als Sieger sieht, sowie im Schutze deiner Rechten deinen Sohn voll frohen Eifers, den, zu edelsten Künsten mit allen Vorzügen des Talents geboren, ein glücklicher Lehrmeister erwartet, den es keine Mühe kosten wird, den göttlichen und unsterblichen Spross zu eifrigem Ruhmesstreben zu ermuntern. (2) Es wird nicht nötig sein, die Camilli, Maximi, Curii und Catones als Vorbilder zur Nachahmung aufzuführen, ja vielmehr soll er ihm eure Taten vor Augen stellen, ihm immer wieder und stets euch als gegenwärtige und beste Vorbilder für die Unterweisung in die Kunst des Herrschens präsentieren.

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(3) Interim tamen te, gentium domina, quoniam hunc optatissimum principem in Galliis suis retinet ratio rei publicae, quaesumus, si fieri potest, ne huic invideas civitati, cui nunc ille similitudinem maiestatis tuae confert natalem tuum diem celebrando in ea consuetudine magnificentiae tibi debitae. (4) Teque ipsum, imperator, oramus ut etiam cum vos totius orbis securitate composita illa imperii vestri mater acceperit, amplexus eius artissimos interdum piis manibus resolvatis; tuque potissimum (credo enim hoc idem Diocletianum Oriens rogat) has provincias tuas frequenter inlustres, et profundissima licet pace florentes adventu numinis tui reddas feliciores. (5) Vides, imperator, quanta vis sit tuorum in nos caelestium beneficiorum: adhuc praesentia tua fruimur, et iam reditum desideramus.

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(3) Einstweilen bitten wir jedoch dich, Herrin der Völker, da diesen so sehr ersehnten Herrscher ja noch die Rücksicht auf das Staatsinteresse in seinen gallischen Ländern festhält, diese Stadt hier, falls das möglich ist, nicht mit Missgunst zu betrachten: ihr verleiht jener jetzt eine erhabene Würde, die der deinen ähnlich ist, indem er in ihr deinen Geburtstag feierlich begeht mit der gewohnten Prachtentfaltung, wie sie dir gebührt. (4) Und dich selbst, Imperator, bitten wir, ihr möget auch, wenn einmal für den ganzen Erdkreis Sicherheit geschaffen ist und jene Mutter eures Reiches euch dann ihren Empfang bereitet hat, bisweilen ihre innigsten Umarmungen mit frommen Händen lösen; ferner, dass du ganz besonders (ich glaube ja, der Osten richtet an Diokletian genau dieselbe Bitte) deinen Provinzen hier durch häufigen Besuch Glanz verleihen mögest und dass du sie, selbst wenn sie in tiefstem Frieden blühen, durch die Ankunft deiner göttlichen Hoheit noch glücklicher machst. (5) Du siehst, Imperator, wie groß die Wirkung der himmlischen Segenstaten ist, die du uns zuteil werden lässt: noch erfreuen wir uns deiner Gegenwart und schon sehnen wir deine Wiederkehr herbei.

PANEGYRICUS LATINUS XI (III) EIUSDEM MAGISTRI †MEMET GENETHLIACUS MAXIMIANI AUGUSTI 1 (1) Omnes quidem homines, sacratissime imperator, qui maiestati vestrae laudes canunt et gratias agunt, debitum vobis conantur exsolvere (quis enim est qui possit implere?); sentio tamen a me praecipue hoc piae vocis officium iure quodam sacrosancti fenoris postulari, ut exspectationem sermonis eius quem tuis quinquennalibus praeparaveram hac genuini natalis praedicatione compensem, et dicendi munus quod tunc voti promissione susceperam, nunc religione debiti repraesentem. (2) Voveram autem, sacratissime imperator, longe infra spem honoris eius quem in me contulistis (unde enim vel tantam fiduciam mei gererem vel tam improbe concupiscerem, ut optare mihi quantum iudicio vestro sum consecutus auderem?); voveram, inquam, potissimum ut me dignatione qua pridem audieras rursus audires, siquidem apud tanti praesentiam numinis hoc ipsum mihi maximum dicendi praemium videbatur ut dicerem. (3) Gaudeo igitur, si fas est confiteri, dilatam esse illam cupiditatem meam. Neque enim orationis eius quam composueram facio iacturam, sed eam reservo ut quinquennio rursus exacto decennalibus tuis dicam, quoniam quidem lustris omnibus praedicandis communis oratio est. 2 (1) Et profecto, si non sensus meos dicatorum vobis dierum proxima quaeque veneratio sui maiestate praestringit, hic mihi dies videtur inlustrior magisque celebrandus, qui te primus protulit in lucem. (2) Etenim ipsi illi dies quibus imperii auspicia sumpsistis ob hoc sancti sunt ac religiosi quod tales declaraverint imperatores; at certe virtutes eas quibus ipsum ornatis imperium genuini vestri procreavere natales.

PANEGYRICUS DES JAHRES 291 GEBURTSTAGSREDE ZU EHREN DES MAXIMIANUS AUGUSTUS 1 (1) Alle Menschen, heiligster Imperator, die eurer Majestät Loblieder singen und Dankesworte sagen, unternehmen zwar den Versuch, einzulösen, was wir euch schulden (denn wen gibt es, der das tatsächlich vollbringen könnte?); dennoch fühle ich, dass gerade von mir diese Pflichterfüllung, eine Stimme der Dankbarkeit erklingen zu lassen, gleichsam mit dem Rechtsanspruch auf einen unverletzlich heiligen Zins verlangt wird: dass ich nämlich für die Erwartung der Rede, die ich für deine Quinquennalien vorbereitet hatte, durch den Lobpreis deines Geburtstages jetzt einen Ausgleich schaffe und die Aufgabe dieser Rede, die ich damals mit einem feierlichen Versprechen und Gelöbnis übernommen hatte, in Respekt vor der eingegangenen Verpflichtung heute erfülle. (2) Mein Wunsch war es aber gewesen, heiligster Imperator, – weit geringer als die Hoffnung auf solche Ehre, wie ihr sie mir habt zukommen lassen (woher hätte ich denn ein derartiges Selbstvertrauen nehmen oder wie hätte ich ein so verwegenes Verlangen hegen können, so kühn zu sein, mir soviel zu wünschen, wie ich jetzt mit eurer Entscheidung erhalten habe?) – mein vornehmlichster Wunsch war es gewesen, sage ich, du mögest mich nochmals mit derselben Wertschätzung anhören, wie du mich das vorige Mal angehört hattest, da mir ja gerade dies als höchster Lohn der Rede erschien, meine Rede in Gegenwart einer so erhabenen göttlichen Hoheit halten zu dürfen. (3) Ich bin also voller Freude darüber (wenn es gestattet ist, dies zu bekennen), dass die Verwirklichung meines damaligen Verlangens aufgeschoben wurde. Und es entsteht mir ja hinsichtlich der Rede, die ich schon verfertigt hatte, kein Verlust, sondern ich bewahre sie auf, um sie nach Vollendung des zweiten Quinquenniums an deinen Decennalien zu halten, da es ja doch üblich ist, zum Lobpreis aller Lustren eine Rede (dieser Art) vorzutragen. 2 (1) Und wirklich, wenn mir nicht ohnehin jede nächstliegende Feierlichkeit euch gewidmeter Festtage durch die erhabene Würde, die ihnen eigen ist, die Sinne blendet, so scheint mir dieser Tag heute von größerem Glanz zu sein und festlicheren Ruhm zu verdienen, der dich erstmals ans Licht (der Welt) hat treten lassen. (2) Denn eben jene Tage, an denen ihr den Beginn eurer Herrschaft feierlich angetreten habt, sind gerade deshalb verehrungswürdig und heilig, weil sie der Öffentlichkeit so treffliche Imperatoren präsentiert haben; doch haben sicherlich die Tage eurer Geburt gerade diejenigen Tugenden, mit denen ihr der Herrschaft selbst Schmuck verleiht, in euch entstehen lassen. (3) Sooft diese Tage, heiligster Imperator, im Umlauf der Jahre

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(3) Quos quidem, sacratissime imperator, quotiens annis volventibus revertuntur, vestri pariter ac vestrorum numinum reverentia colimus, (4) siquidem vos dis esse genitos et nominibus quidem vestris sed multo magis virtutibus approbatis. Quarum infatigabiles motus et impetus ipsa vis divinitatis exercet, quae vos tantis discursibus toto quem regitis orbe deducit, ut nos semper anxios vestri caritate nuper ad libertatem piae conquestionis impulerit, cum itinera vestra ipsis hiberni solstitii diebus per vicina illa caelo Alpium iuga, quibus Italiam Natura vallavit, perque illa saxa et duriorem saxis nivium densitatem desiderio vestri et amore sequeremur, et virtus vestra non sentit pati vos putaremus iniuriam. 3 (1) Reddidimus tamen rationem sollicitudini nostrae, et inspecta penitus veritate cognovimus quae causa faciat ut numquam otio adquiescere velitis. (2) Profecto enim non patitur hoc caelestis ille vestri generis conditor vel parens. Nam primum omnium, quidquid immortale est stare nescit, sempiternoque motu se servat aeternitas. (3) Denique praecipue vestri illi parentes, qui vobis et nomina et imperia tribuerunt, perpetuis maximorum operum actionibus occupantur. (4) Ille siquidem Diocletiani auctor deus praeter depulsos quondam caeli possessione Titanas et mox biformium bella monstrorum perpeti cura quamvis compositum gubernat imperium, atque hanc tantam molem infatigabili manu volvit, omniumque rerum ordines ac vices pervigil servat. (5) Neque enim tunc tantummodo commovetur, cum tonitrua incutit et fulmina iacit, sed etiam, si tumultuantia elementorum officia pacavit, nihilominus tamen et fata disponit et ipsas quae tacitae labuntur auras placido sinu fundit, et in adversa nitentem impetu caeli rapit solem. (6) Itidemque, Maximiane, Hercules tuus. Mitto quod dum inter homines erat terras omnes et nemora pacavit, urbes dominis crudelibus liberavit, etiam caelo dirarum alitum volucra tela detraxit, etiam terrores inferum abducto custode compescuit; exinde certe nihilominus post adoptionem

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wiederkehren, feiern wir sie ja in gleicher Ehrerbietung euch gegenüber wie auch gegenüber euren Numina: (4) ihr liefert ja den Beweis für eure Abstammung von den Göttern zwar auch durch eure Namen, doch in viel größerem Maße durch eure Tugenden; denn es ist gerade diese Macht der Göttlichkeit, die deren unermüdliche Regsamkeit und Tateneifer in Bewegung hält, die euch in so ausgedehnten Streifzügen durch den ganzen Erdkreis führt, den ihr regiert, dass wir, die wir ja stets ängstlich besorgt sind in Liebe zu euch, uns erst kürzlich zu freimütiger Klage unserer treuen Liebe haben bewegen lassen, da wir eure Marschrouten, genau zu den Tagen der Wintersonnenwende, über jene Alpenkämme, Nachbarn des Himmels, mit denen die Natur einen Schutzwall für Italien errichtet hat, und durch jene Felsen und, härter noch als Felsen, durch die Dicke der Schneemassen, voll Sehnsucht und Liebe zu euch mitverfolgten, und da wir glaubten, ihr hättet Unbill zu erdulden, die eure Tapferkeit ja gar nicht spürt. 3 (1) Wir haben jedoch unserer Besorgnis gegenüber Vernunft walten lassen und nach gründlicher Prüfung des wirklichen Sachverhalts den Grund dafür erkannt, dass ihr nie in Muße zur Ruhe kommen wollt: (2) tatsächlich lässt nämlich jener himmlische Begründer oder Vater eures Geschlechtes dies nicht zu. Denn zuallererst vermag, was unsterblich ist, nicht stillzustehen, und die Ewigkeit erhält sich in immerwährender Bewegung. (3) Sodann sind eben gerade eure Väter, die euch Namen und Herrschaft verliehen haben, unaufhörlich mit der Ausführung bedeutendster Werke befasst. (4) Denn jener Gott, der Schöpfer-Ahn Diokletians, lenkt – abgesehen davon, dass er einst die Titanen verjagt hat, als sie den Himmel in Besitz nehmen wollten, und dass er bald darauf Kriege gegen die zweigestaltigen Ungeheuer geführt hat – in unaufhörlicher Fürsorge sein Reich, obgleich es schon in Frieden geordnet ist, und diese gewaltige Masse bewegt er in ihrem Umlauf mit unermüdlicher Hand und hütet Ordnungen und Wechsel aller Dinge in ständiger Wachsamkeit. (5) Denn er ist nicht nur dann in Bewegung, wenn er Donnerschläge und Blitze schleudert, sondern auch wenn er den Tumult der Elemente wieder zu ruhiger Pflichterfüllung gestimmt hat, ordnet er doch ebenso die Geschicke, lässt die Lüfte selbst, die dann sanft dahingleiten, seinem friedlichen Busen entströmen und reißt die Sonne, die in Gegenrichtung strebt, mit dem Schwung des Himmels empor. (6) Und ebenso verhält es sich, Maximian, mit deinem Herkules. Ich lasse beiseite, dass er, solange er unter den Menschen weilte, für alle Länder und Wälder Frieden geschaffen, Städte von grausamen Herrschern befreit, sogar vom Himmel die gefiederten Pfeilgeschosse grässlicher Vögel heruntergeholt und sogar die Schrecken der Unterirdischen gebändigt hat, als er ihren Hüter mitnahm; danach ist er, nach der Adoption

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caelitum Iuventaeque conubium perpetuus est virtutis adsertor omnibusque fortium virorum laboribus favet, in omni certamine conatus adiuvat iustiores. (7) His quidem certe diebus, quibus immortalitatis origo celebratur, instigat, ut videmus, illos a sacris certaminibus accitos ut pertinaci animositate certandi multa faciant ipsius similia Victoris. (8) Adeo, sacratissime imperator, utraque vestra numina semper aliquid agunt agendumve curant, ut iam nobis illa quam pro vobis susceperamus cura ponenda sit, cum non laborare vos sed parentes deos videamus imitari, cumque praeterea ingenitum illum vobis divinae mentis ardorem etiam earum quae primae vos suscepere regionum alacritas excitarit. (9) Non enim in otiosa aliqua deliciisque corrupta parte terrarum nati institutique estis, sed in his provinciis quas ad infatigabilem consuetudinem laboris atque patientiae fracto licet oppositus hosti, armis tamen semper instructus limes exercet, in quibus omnis vita militia est, quarum etiam feminae ceterarum gentium viris fortiores sunt. 4 (1) Ex istis ergo causis stirpis vestrae patriorumque institutorum illa eveniunt quae saepe miramur, interdum etiam pro amoris impatientia timebamus, quod expeditiones vestras numerare non possumus, quod diutius in isdem manere vestigiis dedignamini, quod vos a continuo cursu rerum gerendarum non modo amoenitas locorum aut nobilitas urbium sed ne ipsa quidem victoriarum vestrarum laetitia remoratur. (2) Illum modo Syria viderat: iam Pannonia susceperat. Tu modo Galliae oppida inlustraveras: iam summas arces Monoeci Herculis praeteribas. Ambo, cum ad Orientem Occidentemque occupari putaremini, repente in medio Italiae gremio apparuistis. (3) Hos fructus capitis operum maximorum, sic interim meritorum conscientia triumphatis, dum triumphos ipsos semper vincendo differtis, quod quaecumque pulcherrima facitis continuo transitis et ad maiora properatis ut, dum vestigia vestra miramur dumque vos adhuc esse in conspectu putamus,

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durch die Himmlischen und nach der Heirat mit Iuventa, mit Sicherheit weiter genauso sehr der beständige Beschützer der Tüchtigkeit, fördert alle Taten tapferer Männer und unterstützt bei jedem Kampf die Unternehmungen, die rechtlich überlegen begründet sind. (7) Gerade an den Tagen, an denen die Geburt der Unsterblichkeit gefeiert wird, spornt er in der Tat, wie wir sehen, die von den heiligen Wettkämpfen Aufgerufenen dazu an, mit Ausdauer und Kampfesmut viele Taten zu vollbringen, die von gleicher Art sind wie die des (Hercules) Victor selbst. (8) So sehr, heiligster Imperator, sind euer beider Gottheiten stets mit irgendeiner Aufgabe beschäftigt oder sorgen für die Ausführung einer Tat, dass wir jetzt jene Sorge, die wir euretwegen auf uns genommen hatten, ablegen müssen, da wir sehen, dass ihr euch nicht mühevoll anstrengen müsst, sondern euren väterlichen Göttern nacheifert und da ferner auch der Tateneifer eben der Regionen, die euch als erste empfangen haben, den euch ja angeborenen feurigen Elan eures göttlichen Wesens begeistert hat. (9) Denn ihr seid nicht in irgendeinem müßiggängerischen und von üppigen Vergnügungen verderbten Teil der Welt geboren und erzogen worden, sondern in den Provinzen, die – zu unermüdlicher Betätigung in Mühsal und Standfestigkeit – eine Grenze schützt, die einem zwar gebrochenen Feind entgegensteht, doch stets mit Waffenmacht gerüstet ist; Provinzen, in denen das Leben ganz und gar Kriegsdienst ist und deren Frauen sogar tapferer sind als die Männer der anderen Völker. 4 (1) Aus eben diesen Wurzeln eurer Abkunft und der Erziehung in eurer Heimat entstehen also die Taten, die wir oftmals bewundern, bei denen wir auch manches Mal, entsprechend der Ungeduld unserer Liebe, voll Furcht waren, da wir eure Unternehmungen nicht zählen können, da ihr es nicht für angemessen haltet, längere Zeit an derselben Stätte zu verweilen, da euch von eurem ununterbrochenen Tatenlauf nicht nur weder der Reiz einer Gegend noch der Ruhm von Städten, sondern nicht einmal die Freude an euren Siegen abzuhalten vermag. (2) Jenen hatte eben erst Syrien zu Gesicht bekommen: schon hatte Pannonien ihn aufgenommen. Du hattest eben erst Galliens Städten deinen Glanz geschenkt: schon warst du unterwegs, die höchsten Gipfel von Hercules Monoecus zu passieren. Als ihr im Osten und im Westen mit Taten befasst wart, wie wir glaubten, seid ihr unerwartet beide mitten in Italien erschienen. (3) Dies ist der Lohn, den ihr von euren Großtaten erhaltet, auf solche Weise feiert ihr einstweilen im Bewusstsein um eure Verdienste den Triumph, (während ihr die Triumphfeiern selbst mit stets neuen Siegen hinausschiebt), dass ihr, was für herrlichste Taten ihr auch vollbringt, stets weiterzieht und Größerem noch entgegeneilt, so dass wir, da wir gerade eurer Schritte Spur bewundern und noch glauben, dass ihr vor unseren Augen seid,

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iam de vobis audiamus longinqua miracula. (4) Ita omnes provinciae vestrae, quas divina celeritate peragrastis, ubi sitis vicissim nesciunt: sciunt tamen vos ubique vicisse. 5 (1) Sed de rebus bellicis victoriisque vestris, sacratissime imperator, et multi summa eloquentia praediti saepe dixerunt et ego pridem, cum mihi auditionis tuae divina dignatio eam copiam tribuit, quantum potui praedicavi. (2) Hodie vero si de duabus rebus, quas ad hoc tempus aptissimas nisi fallor elegi, dicere mihi favente vestra maiestate contigerit, de ceteris veniam silentii petam. (3) Non commemoro igitur virtute vestra rem publicam dominatu saevissimo liberatam, non dico exacerbatas saeculi prioris iniuriis per clementiam vestram ad obsequium redisse provincias, mitto etiam dies festos victoriis triumphisque celebratos, taceo trophaea Germanica in media defixa barbaria, (4) transeo limitem Raetiae repentina hostium clade promotum, omitto Sarmatiae vastationem oppressumque captivitatis vinculis Sarracenum, etiam illa quae armorum vestrorum terrore facta sunt velut armis gesta praetereo, Francos ad petendam pacem cum rege venientes Parthumque vobis munerum miraculis blandientem: (5) novam mihi propono dicendi legem, ut, cum omnia videar silere quae summa sint, ostendam tamen inesse laudibus vestris alia maiora. 6 (1) Quae igitur illa sunt? Pietas vestra, sacratissime imperator, atque felicitas. Nam primum omnium, quanta vestra est erga deos pietas, quos aris simulacris templis donariis, vestris denique nominibus adscriptis, adiunctis imaginibus ornastis, sanctioresque fecistis exemplo vestrae venerationis! (2) Nunc enim vere homines intellegunt quae sit potestas deorum, cum tam impense colantur a vobis. (3) Deinde, id quod maxime deorum immortalium cum religione coniunctum est,

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schon von Wundertaten hören, die ihr in weiter Ferne vollbringt. (4) So sind denn alle eure Provinzen, durch die ihr mit der Schnelligkeit von Göttern gezogen seid, wechselweise in Unkenntnis, wo ihr euch gerade aufhaltet – doch wissen sie, dass ihr an jedem Ort den Sieg errungen habt. 5 (1) Doch von euren Kriegstaten und Siegen, heiligster Imperator, haben schon viele überaus begabte Redner oft gesprochen, und auch ich habe sie vor einer Weile, da du in deiner göttlichen Gunst mir diese Gelegenheit gegeben und mir dein Gehör geschenkt hast, gerühmt, so gut ich es vermochte. (2) Heute aber, wenn es mir zuteil geworden ist, mit der wohlwollenden Zustimmung eurer Majestät über zwei Themen zu sprechen, die ich ausgewählt habe, da sie für diesen Zeitpunkt besonders passend sind (so ich mich nicht täusche) – heute möchte ich hinsichtlich der anderen Themen um Nachsicht für mein Stillschweigen bitten. (3) Ich lasse also unerwähnt den Staat, wie er durch eure Tapferkeit von rasendster Tyrannei befreit ist; ich berichte nicht davon, dass die Provinzen, die von den Unrechtstaten des voraufgegangenen Zeitalters aufgehetzt waren, durch eure Milde zum Gehorsam zurückgekehrt sind; ferner lasse ich beiseite die Festtage, die man zu Ehren eurer Siege und Triumphe feierlich begangen hat; ich schweige von den germanischen Siegesmalen, die mitten im Barbarenland errichtet sind; (4) ich übergehe den Limes Raetiens, der im Gefolge der überraschenden Niederlage der Feinde vorgerückt ist; ich lasse die Verwüstung des Sarmatenlandes aus sowie den Sarazenen, der in den Fesseln der Gefangenschaft geknechtet ist; auch lasse ich jene Taten unerwähnt, die vom bloßen Schrecken, der von euren Waffen ausgeht, vollbracht sind, wie von euren Waffen selbst: die Franken, die mit ihrem König kamen, den Frieden zu erbitten, und den Parther, der euch mit Wundergaben schmeichelnd zu gewinnen suchte. (5) Ich stelle mir für meine Rede ein Gesetz von neuer Art auf: zu zeigen, dass im Kreis eurer Ruhmestaten, obgleich ich all eure größten Leistungen zu verschweigen scheine, trotzdem weitere, noch größere Verdienste enthalten sind. 6 (1) Was also sind das für Verdienste? Eure Frömmigkeit, heiligster Imperator, und euer Glück. Denn zuallererst: wie groß ist eure Frömmigkeit gegenüber den Göttern! Ihr habt sie geehrt mit Altären, Statuen, Tempeln und Gaben, dazu mit der inschriftlichen Anbringung eurer Namen und der Hinzufügung eurer Bildnisse, und ihr habt ihnen durch das Beispiel eurer Verehrung noch größere Heiligkeit verliehen. (2) Denn jetzt begreifen die Menschen in Wahrheit, wie die Macht der Götter beschaffen ist, da diese so über die Maßen von euch Verehrung erfahren. (3) Ferner, was ganz besonders mit eurer frommen Haltung gegenüber den unsterblichen Göttern ver-

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quanta vosmet invicem pietate colitis! Quae enim umquam videre saecula talem in summa potestate concordiam? Qui germani geminive fratres indiviso patrimonio tam aequabiliter utuntur quam vos orbe Romano? (4) Ex quo profecto manifestum est ceterorum hominum animas esse humiles et caducas, vestras vero caelestes et sempiternas. (5) Obtrectant invicem sibi artifices operum sordidorum, est inter aliquos etiam canorae vocis invidia, nihil denique tam vile tamque vulgare est cuius participes malignis aemulationis stimulis vacent: vester vero immortalis animus omnibus opibus omnique fortuna atque ipso est maior imperio. (6) Vobis Rhenus et Hister et Nilus et cum gemino Tigris Eufrate et uterque qua solem accipit ac reddit Oceanus et quidquid est inter ista terrarum et fluminum et litorum, tam facili sunt aequanimitate communia quam sibi gaudent esse communem oculi diem. (7) Ita duplices vobis divinae potentiae fructus pietas vestra largitur: et suo uterque fruitur et consortis imperio. 7 (1) Laurea illa de victis accolentibus Syriam nationibus et illa Raetica et illa Sarmatica te, Maximiane, fecerunt pio gaudio triumphare; (2) itidemque hic gens Chaibonum Erulorumque deleta et Transrhenana victoria et domitis oppressa Francis bella piratica Diocletianum votorum compotem reddiderunt. (3) Dividere inter vos dii immortales sua beneficia non possunt; quidquid alterutri praestatur amborum est. (4) Obstupescerent certe omnes homines admiratione vestri, etiam si vos idem parens eademque mater ad istam concordiam Naturae legibus imbuissent. (5) At enim quanto hoc est admirabilius vel pulchrius quod vos castra, quod proelia, quod pares victoriae fecere fratres! Dum virtutibus vestris favetis, dum pulcherrima invicem facta laudatis, dum ad summum fortunae fastigium pari gradu tenditis, diversum sanguinem adfectibus miscuistis. (6) Non fortuita in vobis est germanitas sed electa; notum est saepe eisdem parentibus

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bunden ist: mit wie außerordentlich liebevoller Frömmigkeit haltet ihr euch gegenseitig in Ehren! Welche Zeitalter haben denn jemals solche Harmonie am Gipfelpunkt der Macht zu sehen bekommen? Welche leiblichen Brüder oder Zwillinge verwalten ihr Erbe ohne Teilung so nach gleichem Recht wie ihr den römischen Erdkreis? (4) Hieraus wird wahrhaft offenbar, dass die Seelen der übrigen Menschen alle der Erde verhaftet und vergänglich sind, die euren hingegen himmlischer Natur und immerwährend. (5) Die Verfertiger niedriger Arbeiten setzen sich gegenseitig herab; unter manchen gibt es sogar den Neid auf den bloßen Wohlklang einer Stimme; schließlich ist nichts so gering an Wert und so alltäglich, dass diejenigen, die es miteinander teilen, frei sind von den missgünstigen Stacheln der Eifersucht: doch euer unsterblicher Geist steht höher als alle Schätze, alles Glück und sogar höher als die Herrschaft selbst. (6) Der Rhein, der Hister (Donau), der Nil und der Tigris mit seinem Zwilling Euphrat, sowie der Ozean zu beiden Seiten (dort, wo er die Sonne aufnimmt und wo er sie zurückgibt), wie auch all das, was dazwischen liegt an Ländern, Flüssen und Küsten: all dies gehört euch in so freundlicher Geneigtheit als gemeinsamer Besitz, wie sich die Augen freuen, dass das Tageslicht ihnen gemeinsam gehört. (7) So schenkt euch eure fromme Haltung doppelten Ertrag eurer göttlichen Macht, und jeder freut sich an der eignen Herrschaft wie auch an der seines Gefährten. 7 (1) Jene Lorbeeren, die er (Diokletian) sich mit den Siegen über die Nachbarvölker Syriens erworben hat, sowie jene raetischen und jene sarmatischen Lorbeeren haben dich, Maximian, den Triumph in brüderlicher Zuneigung und Freude mitfeiern lassen. (2) Und ebenso haben hierzulande die Vernichtung des Volkes der Chaibonen und Eruler, der Sieg jenseits des Rheins sowie, mit der Unterwerfung der Franken, die Unterdrückung der Piratenkriege Diokletian zum Teilhaber an der Erfüllung dieser Wünsche gemacht. (3) Die unsterblichen Götter sind nicht imstande, ihre Gunsterweise unter euch aufzuteilen: was immer dem einen von euch gegeben wird, gehört euch beiden. (4) Alle Welt wäre gewiss auch dann starr vor Staunen und Bewunderung für euch, wenn euch derselbe Vater und dieselbe Mutter nach den Gesetzen der Natur zu solcher Harmonie herangebildet hätten. (5) Doch wie viel mehr ist das ja zu bewundern und wie viel schöner, dass euch Lager, Kämpfe, ebenbürtige Siege zu Brüdern gemacht haben! Indem ihr euren Leistungen wechselseitig Beifall zollt, indem ihr eure herrlichsten Taten gegenseitig preist, indem ihr gleichen Schritts zum höchsten Gipfel des Glücks hinstrebt, habt ihr das Blut, das euch trennt, durch eure Gefühle füreinander vereint. (6) Die brüderliche Verwandtschaft, die euch innewohnt, rührt nicht vom Zufall her, sondern ist Ergebnis einer Wahl. Es ist bekannt, dass oft von gleichen Eltern

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natos esse dissimiles, certissimae fraternitatis est usque ad imperium similitudo. Quin etiam intervallum vestrae vincit aetatis et seniorem iunioremque caritate mutua reddit aequales, ut iam illud falso dictum sit non delectari societate rerum nisi pares annos. (7) Intellegimus enim, sacratissimi principes, geminum vobis, quamvis dispares sitis aetatibus, inesse consensum: neque tu illi videris promptior neque tibi ille cunctantior, sed invicem vosmet imitamini, invicem vestros adfectatis annos. Sic vos geritis quasi iuniores ambo, seniores. Neuter plus suis moribus favet; uterque se vult hoc esse quod frater est. 8 (1) Inde igitur proxime illa impatientia vestrae pietatis erupit quod vos nulla regionum longinquitas, nulla iniquitas locorum, nulla tempestatis asperitas retinere aut morari potuit, quominus ad conspectum vestri pervolaretis. (2) Neque enim illud progressio fuit nec itineris confectio nec solitis adminiculis usa properatio. (3) Quid simile concitus eques aut velivola navis? Divinus quidam impetus fuit, quo repente in eundem locum ab utroque solis adverso fine venistis; ipsos siquidem quos praemiseratis nuntios reliquistis, ipsam quae vos conata est praevenire Famam praevertistis, ut absque paucissimis qui vobis comites haerere potuerunt ceteri homines fortasse crediderint, quod dignum est maiestate vestra, diurna vobis et nocturna curricula utraque mundi lumina commodasse. (4) Sed removeamus istinc fabulas imperitorum, verum loquamur: vestra vobis pietas, sacratissime imperator, volucres dedit cursus. (5) Etenim cum nihil sit animo velocius, vos, quorum igneae immortalesque mentes minime sentiunt corporum moras, pervecti estis ad vos mutui desiderii celeritate.

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Kinder stammen, die keine Ähnlichkeit miteinander haben; Zeichen ganz und gar unstreitiger brüderlicher Verwandtschaft ist die Ähnlichkeit, die bis zur Herrschaft hin reicht. Sie überwindet ja sogar den Abstand eurer Lebensalter und macht den Älteren und Jüngeren in gegenseitiger Wertschätzung zu Altersgefährten; falsch ist jetzt also jenes Wort, nur Menschen gleichen Alters hätten Freude daran, Dinge gemeinsam zu tun. (7) Denn wir begreifen es ja, heiligste Herrscher: in eurem Innern ist trotz eures Altersunterschieds der Einklang eines Zwillingspaars: weder erscheinst du jenem entschlossener zur Tat bereit, noch erscheint dir jener zögerlicher, sondern ihr ahmt einander wechselseitig nach, und wechselseitig erhebt ihr Anspruch auf des anderen Jahre. So benehmt ihr euch wie jüngere Leute alle beide, alle beide auch wie ältere; keiner von euch ist mehr der eigenen Wesensart zugeneigt, jeder will das sein, was sein Bruder ist. 8 (1) Daher hat sich also jüngst jene Ungeduld eurer Zuneigung ungestüm einen Weg gebahnt, da euch keine Abgelegenheit der Gegenden, keine Ungunst des Geländes, keine Widrigkeit der Witterung davon abhalten oder es hinauszuzögern vermochte, im Flug dahinzueilen, um einander zu sehen. (2) Denn das war kein Vorrücken, kein Zurücklegen einer Wegstrecke, keine Eile, die sich der üblichen Hilfsmittel bediente. (3) Was wäre dazu im Vergleich ein Ross in angesporntem Lauf oder ein Schiff im Flug seiner Segel? Ein gleichsam göttlicher Elan ist es gewesen, der euch überraschend schnell von den beiden einander entgegengesetzten Enden der Sonnenbahn zum selben Ort gelangen ließ; denn ihr habt ja sogar die Boten, die ihr vorausgeschickt hattet, hinter euch gelassen, habt sogar die Fama überrundet, die versucht hat, euch zuvorzukommen; mit der Folge, dass – von den ganz wenigen abgesehen, denen es gelang, sich als eure Begleiter an eure Spur zu heften – die übrige Menschheit geglaubt haben mag (was der Würde eurer Majestät entspricht), die beiden Lichter der Welt hätten euch jeweils ihren Wagen, des Tages und der Nacht, geliehen. (4) Doch lassen wir hier die Geschichten der Unwissenden beiseite, sprechen wir die Wahrheit aus: es ist eure brüderliche Liebe, heiligster Imperator, die eurem Lauf Flügel verliehen hat. (5) Denn da es ja nichts Schnelleres gibt als den Geist, habt ihr, deren feurige, unsterbliche Kraft des Geistes keinerlei körperliche Hindernisse spürt, den Weg zueinander zurückgelegt mit der Geschwindigkeit eurer gegenseitigen Sehnsucht.

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9 (1) Sed qua tandem vice temporum, quo tempestatis habitu! Nempe hieme saevissima et his quoque regionibus inusitata, cum agros glacies, glaciem nives premerent caelo pariter ac terris uniformibus, cumque ipsi anhelitus hominum circa sua ora concreti rigore canescerent. (2) Adeo, ut res est, adversus inclementiam locorum ac siderum vestrae vos maiestatis potentia tuebatur, et ceteris hominibus atque regionibus vi frigorum adstrictis et oppressis vos solos aurae lenes vernique flatus et diductis nubibus ad itinera vestra directi solis radii sequebantur. (3) Tanta facilitate illa quae tunc aliis forent inaccessibilia superastis, atque inde Iulias hinc Cottias Alpes quasi relictas aestu arenas patentium litorum transcurristis. (4) Eant nunc rerum veterum praedicatores et Hannibalem illum multis laboribus magnaque exercitus sui diminutione Alpes penetrasse mirentur! Vos, invictissimi imperatores, prope soli Alpium vias hibernis nivibus obstructas divinis vestigiis aperuistis, ut quondam Hercules per eadem illa culmina Hiberiae spolia incomitatus abduxit. 10 (1) Tum, si fortunae causaeque Hannibalis ac vestrorum itinerum comparentur, quanto haec vestra dis hominibusque acceptiora sunt, quanto laude ac sempiterna memoria digniora! (2) Tunc Poeno ex summis Alpibus viso Italia contremuit, statim pecua agrique deserti, omnes familiae rusticanae silvas et ferarum cubilia petivere. (3) Quo nuntio accepto omnibus oppidis matres Italae pensa e manibus abiecerunt, parvos liberos arreptos ad templa traxerunt, ibi aedes sacras passo capillo suo quaeque verrebat, vario planctu ploratuque futuris cladibus omina dabant, Trasimennum et Cannas dolore praesago praecanebant. (4) Nunc autem, ut primum ex utrisque Alpium iugis vestrum numen effulsit, tota Italia clarior lux diffusa, omnibus qui suspexerant aeque admiratio atque dubitatio iniecta, ecquinam di de illis montium verticibus orirentur, an his

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9 (1) Aber schließlich: Zu welcher Jahreszeit? In welcher Wettersituation? Natürlich in einem äußerst grimmigen Winter, wie er auch in diesen Regionen ungewöhnlich ist, da Eis die Felder, Schneemassen das Eis bedeckten, da Himmel und Erde einförmig gleichen Anblick boten, und da sogar die Atemzüge der Menschen, an den Mündern rings in Frost erstarrt, sich weiß verfärbten. (2) Aber es hat euch (das ist die Wahrheit) die Machtfülle eurer Majestät sogar gegenüber der Unerbittlichkeit von Ort und Jahreszeit Schutz verliehen, und es haben – während alle übrigen Menschen und Regionen von der Gewalt der Winterkälte erstarrt und niedergeworfen waren – euch allein sanfte Lüfte, Frühlingswehen und, da die Wolken sich zerstreut, auf euren Weg gerichtet, Sonnenstrahlen das Geleit gegeben. (3) Mit solcher Leichtigkeit habt ihr Regionen, die zu dieser Zeit für andere unzugänglich gewesen wären, überwunden und habt dort die Julischen, hier die Cottischen Alpen gleichsam wie von der Flut verlassene Sandstrände offenliegender Küstenstriche im Lauf durcheilt. (4) Jetzt sollen die Lobredner langvergangener Taten hingehen und jenen Hannibal dafür bewundern, dass er unter vielerlei Strapazen und beträchtlichen Verlusten in seinem eigenen Heer durch die Alpen gezogen ist. Ihr, gänzlich unbesiegbare Imperatoren, habt sozusagen allein die Alpenwege, die von winterlichen Schneemassen zugeschüttet waren, mit euren göttlichen Schritten begehbar gemacht, wie einst Herkules über jene selben Gipfel seine Beute aus Spanien ohne Begleiter mit sich fortgeführt hat. 10 (1) Ferner, wenn man die Umstände und die Gründe für die Züge Hannibals und die euren vergleichen mag, um wie viel mehr finden dann die euren hier Beifall bei den Göttern und den Menschen! Um wie viel mehr verdienen sie Lobpreis und immerwährendes Gedenken! (2) Als der Punier sich damals an den Gipfeln der Alpen zeigte, erzitterte Italien; auf der Stelle verließ man Vieh und Felder, die ganze Landbevölkerung suchte eilends die Wälder und die Lagerstätten der wilden Tiere auf. (3) Auf diese Nachricht warfen in allen Städten die Mütter Italiens ihre Spinnarbeiten fort, aus den Händen, ergriffen ihre kleinen Kinder und schleppten sie hin zu den Tempeln; dort fegte eine jede die heiligen Wohnstätten mit ihrem aufgelösten Haar, mit ihrer vielfachen lauten Wehklage und ihren Tränen schufen sie Vorzeichen für die künftigen Niederlagen, kündeten in prophetischem Schmerz vorab vom Trasimenischen See und von Cannae. (4) Heute aber, als eure Gottheit beidseits auf den Höhen der Alpen erstrahlte, ergoss sich über ganz Italien ein heller erglänzendes Licht, und alle, die ihren Blick erhoben hatten, wurden gleichermaßen von Bewunderung und Ungewissheit erfüllt, ob denn wohl irgendwelche Götter dort von den Bergesgipfeln her aufsteigen würden oder ob sie auf

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gradibus in terras caelo descenderent. (5) Ut vero propius propiusque coepti estis agnosci, omnes agri oppleti non hominibus modo ad visendum procurrentibus sed etiam pecudum gregibus remota pascua et nemora linquentibus, concursare inter se agricolae, nuntiare totis visa, arae incendi, tura poni, vina libari, victimae caedi, cuncta gaudio calere, cuncta plausibus tripudiare, dis immortalibus laudes gratesque cantari, non opinione traditus sed conspicuus et praesens Iuppiter cominus invocari, non advena sed imperator Hercules adorari. 11 (1) Quid illud, di boni! Quale pietas vestra spectaculum dedit, cum in Mediolanensi palatio admissis qui sacros vultus adoraturi erant conspecti estis ambo, et consuetudinem simplicis venerationis geminato numine repente turbastis! (2) Nemo ordinem numinum solita secutus est disciplina; omnes adorandi mora restiterunt duplicato pietatis officio contumaces. (3) Atque haec quidem velut interioribus sacrariis operta veneratio eorum modo animos obstupefecerat quibus aditum vestri dabant ordines dignitatis. Ut vero limine egressi per mediam urbem simul vehebamini, tecta ipsa se, ut audio, paene commoverunt, omnibus viris feminis parvulis senibus aut per fores in publicum proruentibus aut per superiora aedium lumina imminentibus. (4) Clamare omnes prae gaudio, iam sine metu vestri et palam manu demonstrare: ‘Vides Diocletianum? Maximianum vides? Ambo sunt! Pariter sunt! Quam iunctim sedent! Quam concorditer conloquuntur! Quam cito transeunt!’ (5) Nemo studio suo par fuit oculis ad intuendum, dumque vos alterna cupiditate mirantur, neutrum satis videre potuerunt.

12 (1) Ipsa etiam gentium domina Roma immodico propinquitatis vestrae elata gaudio vosque e speculis suorum montium prospicere conata,

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solchen Stufen vom Himmel auf die Erde herabkämen. (5) Sowie man aber anfing, euch zu erkennen, wie ihr näher und näher kamt, da füllten sich alle Fluren nicht nur mit Menschen, die herbeieilten, euch zu sehen, sondern auch mit Herden von Vieh, die ihre abgelegenen Triften und Waldweiden verließen; die Bauern suchten eilends einander auf, berichteten überall den Ihren das, was sie gesehen hatten; man entfachte auf den Altären Feuer, legte Weihrauch nieder, spendete Trankopfer von Wein, schlachtete Opfertiere; alles glühte vor Freude, alles tanzte umher und klatschte dazu, den unsterblichen Göttern sang man Preis und Dank; man rief Jupiter nicht nach überlieferter Vorstellung an, sondern den sichtbaren und gegenwärtigen Gott, ganz in der Nähe; nicht an den Ankömmling aus der Fremde, sondern an Herkules den Imperator richtete man sein Gebet. 11 (1) Was war nun das, ihr guten Götter! Was für ein Schauspiel bot da eure brüderliche Liebe, als ihr im Palast von Mailand den Menschen, denen es gestattet war und die vor eurem Antlitz die Adoratio vollziehen wollten, beide erschienen seid und den Brauch, einem einzigen Wesen seine Verehrung zu bezeugen, unerwartet durcheinander brachtet durch die Doppelgegenwart eurer göttlichen Hoheit! (2) Niemand befolgte den Ablauf des Zeremoniells nach gewohntem Protokoll, wie es dem Rang eurer göttlichen Hoheiten entspricht; alle hielten in der Dauer ihrer Anbetung inne und verharrten lange, da die Pflicht dankbarer Liebe nun verdoppelt war. (3) Und dabei hatte dieser Akt der Verehrung, der gleichsam im Innern eines Heiligtums verborgen stattfand, doch nur die Herzen derer in Staunen erstarren lassen, denen der Rang ihrer Würdenstellung Zugang zu euch gewährte. Als ihr aber die Schwelle überschritten und eure Fahrt durch das Zentrum der Stadt gemeinsam durchgeführt habt, da haben sich beinahe die Häuser selbst, wie ich höre, in Bewegung gesetzt, und alle Männer, Frauen, kleinen Kinder und Greise liefen durch die Türen ins Freie oder beugten sich oben aus den Fenstern der Gebäude zu euch herab. (4) Alle ließen vor Freude ihre Rufe laut erschallen; schon ohne Furcht (vor euch) und unverhohlen wiesen sie mit der Hand auf euch: „Siehst du Diokletian? Siehst du Maximian? Sie sind es beide, sie sind zusammen hier! Wie sitzen sie vereint beisammen! Wie sprechen sie einträchtig miteinander! Wie ziehen sie rasch vorüber!“ (5) Niemand hatte Augen genug, seine eigene Schaulust zu stillen; und während man euch abwechselnd in sehnsüchtigem Verlangen bewunderte, konnte man keinen von euch zur Genüge betrachten. 12 (1) Sogar die Herrin der Völker selbst, Rom, ließ sich mitreißen von der unbändigen Freude über eure Nähe und war bestrebt, von den Gipfelwarten

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quo se vultibus vestris propius expleret, ad intuendum cominus quantum potuit accessit. (2) Lumina siquidem senatus sui misit beatissimae illi per eos dies Mediolanensium civitati similitudinem maiestatis suae libenter impartiens, ut ibi tunc esse sedes imperii videretur quo uterque venerat imperator. (3) Interim tamen, dum mihi ante oculos pono cotidiana vestra conloquia, coniunctas in omni sermone dexteras, ioca seriaque communicata, obtutu mutuo transacta convivia, illa me cogitatio subit quanam animi magnitudine ad revisendos exercitus vestros discesseritis pietatemque vestram utilitate rei publicae viceritis. (4) Qui tunc vestri sensus fuere, qui vultus! Quam impatientes ad dissimulandum indicium perturbationis oculi! Respexistis profecto saepius, neque haec de vobis vana finguntur. (5) Talia vobis dedistis omina, cito ad conspectum mutuum reversuri. 13 (1) Facilis est mihi transitus, sacratissime imperator, ab hac pietatis vestrae laude ad praedicationem felicitatis. Hoc enim ipsum felicitatis est quod ut conspicere vos invicem complectique possitis in manu vestra est. (2) Solem ipsum lunamque cernimus, quia totius mundi funguntur officiis, non nisi post multa saecula certa lege temporum convenire: vestra tam libera est et beata maiestas, ut in summis rebus generis humani nihil vobis necesse sit nisi vestrae parere pietati. (3) Ceterum si quis ad humana respiciat, quanto magis magnitudo vestrae felicitatis appareat! Homines privatis rebus intenti ita plerumque propriis difficultatibus implicantur, ut omni aevo careant aditu suorum; (4) vos tantae rei publicae administratione suscepta, quos huc atque illuc tot urbes tot castra tot limites tot circumiecta Romano imperio flumina montes litora vocant, tantum animis ac fortuna valetis ut in unum convenire possitis, nihilominus orbe securo.

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ihrer Hügel her den Blick auf euch zu richten, um sich so aus größerer Nähe am Anblick eurer Gesichter zu sättigen, und hat sich auch, euch anzuschauen, soweit zu euch hin begeben, wie es möglich war: (2) sie hat ja die glanzvollen Spitzen ihres eigenen Senats entsandt und so der Stadt Mailand, die in diesen Tagen ganz von seligem Glück erfüllt war, bereitwillig eine Aura der Majestät verliehen, die der ihr eigenen gleicht, so dass es damals schien, der Sitz der Herrschaft befinde sich dort, wo beide Imperatoren hingekommen waren. (3) Doch unterdessen, während ich mir noch eure täglichen Gespräche miteinander vor Augen führe, wie ihr bei jeder Unterhaltung einander die Hände gereicht, Scherz und Ernst miteinander ausgetauscht, die Gastmähler in gegenseitiger Betrachtung verbracht habt: da überkommt mich der Gedanke, mit welcher Seelengröße ihr wieder voneinander gegangen seid, eure Heere aufzusuchen, und wie ihr über eure Liebe zueinander das Interesse des Staates habt siegen lassen. (4) Wie sahen da eure Empfindungen aus, wie eure Mienen! Wie waren eure Augen doch so gänzlich außerstande, die Zeichen eurer Emotion zu verbergen! Ihr habt ja wirklich oft und oft zurückgeschaut, und das ist nichts, was euch nur haltlos angedichtet wird. (5) Signale solcher Art habt ihr euch gegenseitig zugesandt, mit dem Entschluss, recht bald zurückzukehren, um einander wiederzusehen. 13 (1) Es fällt mir leicht, von diesem Lobpreis eurer brüderlichen Liebe, heiligster Imperator, zur Lobeshymne auf euer Glück überzugehen: denn eben das ist ein Bestandteil des Glücks, dass es in eurer Hand liegt, gegenseitig euren Anblick und eure Umarmung genießen zu können. (2) Selbst die Sonne und den Mond sehen wir – sie erfüllen ja ihre Pflichten für die ganze Welt – doch nur im Abstand von vielen Jahrhunderten unter einem bestimmten Gesetz der Zeiten zusammentreffen: eure Majestät ist so unabhängig und so glücklich, dass ihr, auch bei den höchsten Aufgaben des menschlichen Geschlechtes, nur eurer brüderlichen Liebe zueinander Folge leisten müsst. (3) Im übrigen, falls jemand seine Aufmerksamkeit auf die menschlichen Belange richtet, wie viel deutlicher wird ihm da die Größe eures Glücks vor Augen treten! Die Menschen, die eifrig mit ihren privaten Angelegenheiten befasst sind, sind meist derart in persönliche Schwierigkeiten verwickelt, dass sie ihr ganzes Leben auf den Besuch ihrer Lieben verzichten müssen. (4) Ihr dagegen, die ihr die Leitung eines so großen Staates auf euch genommen habt und die so viele Städte, so viele Lager, so viele Grenzen, so viele Flüsse, Gebirge und Küsten, die rings das römische Reich umgeben, hierhin und dorthin rufen – ihr seid durch euren mutigen Geist und euer Glück so stark, dass ihr euch an einem Ort treffen könnt, ohne dass der Erdkreis dann weniger sicher ist.

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(5) Neque enim pars ulla terrarum maiestatis vestrae praesentia caret, etiam cum ipsi abesse videamini. 14 (1) Ne tantulum quidem barbarae nationes audent animos attollere quod vos in interiorem imperii vestri sinum secesseritis: quin immo ipsi magis in vobis fiduciam pertimescunt, quod se contemni sentiunt cum relinquuntur. (2) Itaque illud quod de vestro cecinit poeta Romanus Iove, Iovis omnia esse , id scilicet animo contemplatus, quamquam ipse Iuppiter summum caeli verticem teneat supra nubila supraque ventos sedens in luce perpetua, numen tamen eius ac mentem toto infusam esse mundo, id nunc ego de utroque vestrum audeo praedicare: (3) ubicumque sitis, in unum licet palatium concesseritis, divinitatem vestram ubique versari, omnes terras omniaque maria plena esse vestri. (4) Quid enim mirum si, cum possit hic mundus Iovis esse plenus, possit et Herculis? 15 (1) Admonet me et temporis et loci ratio et maiestatis tuae reverentia ut finem dicendi faciam, quamquam de felicitate vestra tam pauca dixerim et tam multa restent. (2) Sed ecce suggerunt: ‘Adhuc potes dicere de salubritate temporum et fertilitate terrarum.’ (3) Revera enim, sacratissime imperator, scimus omnes, ante quam vos salutem rei publicae redderetis, quanta frugum inopia quanta funerum copia fuerit, fame passim morbisque grassantibus. Ut vero lucem gentibus extulistis, exinde salutares spiritus iugiter manant. 4) Nullus ager fallit agricolam, nisi quod spem ubertate superat. Hominum aetates et numerus augetur. Rumpunt horrea conditae messes, et tamen cultura duplicatur. Ubi silvae fuere, iam seges est: metendo et vindemiando defecimus. 16 (1) Illud vero, non suggeratur licet, quoquo modo dicam ante quam desinam: tantam esse imperii vestri felicitatem undique se barbarae nationes vicissim lacerent et excidant, alternis dimicationibus et insidiis clades suas duplicent et instaurent, Sarmaticas vestras

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(5) Es gibt ja keinen Teil der Erde, der eure Gegenwart entbehren muss, auch wenn ihr persönlich dem Augenschein nach nicht anwesend seid. 14 (1) Die Barbarenvölker haben nicht den Mut, ihr Haupt auch nur so ein ganz klein wenig zu erheben, weil ihr euch etwa tief ins Innere eures Reichs zurückgezogen habt; ja im Gegenteil, sie fürchten ihrerseits noch mehr an euch euer Selbstvertrauen, da sie sich verachtet fühlen, wenn sie zurückgelassen werden. (2) Daher auch jenes Wort, das der römische Dichter auf euren Jupiter gedichtet hat, dass alles von Jupiter erfüllt sei, wobei er offenbar die Vorstellung hatte, dass, wenn Jupiter auch selbst den höchsten Gipfel des Himmels einnehme, über Wolken und über Winden thronend in ewigem Licht, dennoch sein göttliches Walten und sein Geist die ganze Welt durchdrungen habe – dieses Wort also wage ich heute preisend von euch beiden zu sagen: (3) wo ihr auch weilt, mögt ihr euch auch allein in einen Palast zurückgezogen haben: eure Göttlichkeit ist überall zugegen, und alle Länder, alle Meere sind von euch erfüllt. (4) Denn was soll staunenswert daran sein, wenn nun, da diese Welt von Jupiter erfüllt sein kann, das auch für Herkules der Fall sein kann? 15 (1) Die Rücksicht auf Zeit und Ort und der Respekt vor deiner Majestät fordern mich auf, die Rede jetzt zu beenden, obschon ich von eurem Glück so wenig gesprochen habe und so vieles noch zu sagen bleibt. (2) Doch sieh, da gibt man mir den Rat: „Du kannst noch vom Wohlergehen der Zeiten und vom reichen Ertrag der Länder sprechen!“ (3) Denn wahrhaftig, heiligster Imperator, wir wissen ja alle, wie groß die Dürftigkeit der Ernteerträge, wie groß die Zahl der Bestattungen war, als Hunger und Krankheiten allenthalben um sich griffen, bevor ihr dem Staat Genesung zuteil werden ließet! Seit ihr jedoch den Völkern euer Licht gebracht habt, seither wehen ohne Unterlass segenspendende Lüfte. (4) Kein Ackerland enttäuscht seinen Bauern, außer darin, dass es in seiner Fruchtbarkeit die Erwartung noch übertrifft! Alter und Zahl der Menschen steigen an. Die eingebrachten Ernten sprengen die Vorratsspeicher, und trotzdem verdoppelt sich die Anbaufläche. Wo Wälder waren, ist jetzt Saatland. Wir haben nicht mehr genügend Leute zur Getreideernte und zur Traubenlese. 16 (1) Soviel will ich aber (obgleich man mir dies nicht nahelegt) auf jeden Fall noch sagen, ehe ich meine Rede beende: das Glück eurer Herrschaft ist so groß, dass sich überall Barbarenvölker gegenseitig tiefe Wunden schlagen und vernichten, in wechselseitigen Kämpfen und hinterlistigen Attacken ihre eigenen Niederlagen verdoppeln und erneuern, und eure Feldzüge ins Sar-

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et Raeticas et Transrhenanas expeditiones furore percitae in semet imitentur. (2) Sancte Iuppiter et Hercules bone, tandem bella civilia ad gentes illa vesania dignas transtulistis, omnemque illam rabiem extra terminos huius imperii in terras hostium distulistis. (3) Etenim, quod ait ille Romani carminis primus auctor, a sole exoriente usque ad Maeotis paludes, id nunc longius longiusque protendere licet, si qui hostilem in mutua clade vesaniam toto orbe percenseat. (4) Etenim ab ipso solis ortu non modo circa Maeotim ac sub extrema septentrionis plaga, qua fervidum caput Danubius evolvit quaque horridus secat Alba Germaniam, (5) sed etiam sub ipso lucis occasu, qua Tingitano litori Calpitani montis obvium latus in mediterraneos sinus admittit Oceanum, ruunt omnes in sanguinem suum populi, quibus numquam contigit esse Romanis, obstinataeque feritatis poenas nunc sponte persolvunt. 17 (1) Furit in viscera sua gens effrena Maurorum, Gothi Burgundos penitus excidunt, rursumque pro victis armantur Alamanni itemque Tervingi, pars alia Gothorum, adiuncta manu Taifalorum adversum Vandalos Gipedesque concurrunt. (2) Ipsos Persas ipsumque regem adscitis Sacis et Rufiis et Gelis petit frater Ormies nec respicit vel pro maiestate quasi regem vel pro pietate quasi fratrem. (3) Burgundiones Alamannorum agros occupavere, sed sua quoque clade quaesitos. Alamanni terras amisere sed repetunt. (4) O magnam vim numinis vestri! Non istae modo aliaeque gentes viribus armisque terribiles fiducia instructae ad perniciem immanitatis utuntur, sed etiam Blemyes illi, ut audio, levibus modo adsueti sagittis adversus Aethiopas quaerunt arma quae non habent, et paene nudis odiis proelia interneciva committunt. 18 (1) Iam de perduellibus ultionem non armis, non exercitu capitis, sicut hucusque fecistis; iam, inquam, fortunatissimi imperatores,

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matenland, nach Raetien und jenseits des Rheins in erregter Raserei nachahmend gegen sich selber richten. (2) Heiliger Jupiter und gnädiger Herkules, ihr habt zuletzt die Bürgerkriege zu Völkern gebracht, die solchen Wahnsinn verdienten, und jene ganze Raserei außerhalb der Grenzen dieses Reiches ins Feindesland verlagert. (3) Denn jetzt ist es möglich, die Grenze, von welcher der berühmte erste Schöpfer römischer Poesie sagt: „vom Aufgang der Sonne bis zum Maeotis-See hin“, immer weiter vorrücken zu lassen, wenn man den Wahnsinn des Feindes in den wechselseitig zugefügten Niederlagen auf der ganzen Welt der Reihe nach betrachtet. (4) Denn ganz vom Sonnenaufgang, nicht nur um den Maeotis-See und am äußersten Rand der nördlichen Zone, wo die Donau das Quellwasser ihres Hauptes sprudelnd hervorströmen lässt und wo die wilde Elbe Germanien durchschneidet, (5) sondern auch unmittelbar im Land des Sonnenuntergangs, wo, gegenüber der tingitanischen Küste, die Flanke des Berges Calpe den Ozean in die Buchten des mittelländischen Meeres eindringen lässt, attackieren alle Völker, denen nie das Glück zuteil wurde, Römer zu sein, ihr eigenes Blut und erleiden jetzt, ohne Einfluss von außen, die Strafe für ihre unbeugsame Wildheit. 17 (1) Das zügellose Volk der Mauren wütet gegen sein eigenes Fleisch und Blut; die Goten vernichten die Burgunder völlig; anstelle der Besiegten wappnen sich die Alamannen neu, und ebenso stürmen die Tervingen, ein anderer Teil der Goten, im Verein mit einer Schar von Taifalen, gegen Vandalen und Gepiden an. (2) Die Perser selbst und ihren König in eigener Person greift Hormisdas, sein Bruder, an (Saken, Rufier und Geler hat er sich hierfür verpflichtet), und er nimmt keinerlei Rücksicht auf ihn, sei es als den König, gemäß seiner Herrscherwürde, sei es als den Bruder gemäß der Neigung familiärer Bande. (3) Burgundionen haben das Land der Alamannen besetzt, doch haben sie dies auch mit eigenen Verlusten erreicht. Die Alamannen haben ihr Land verloren, doch sie wollen es zurückgewinnen. (4) O wie groß ist doch die Macht eurer göttlichen Hoheit! Nicht nur diese und andere Völker, Schrecken erregend durch ihre Stärke und durch ihre Waffen, legen ein Zutrauen an den Tag auf eine Wildheit, die zu ihrer eigenen Vernichtung gerüstet ist, sondern auch die Blemyer dort, wie ich höre, an leichte Pfeile nur gewöhnt, sind jetzt gegen die Aethioper auf einen Krieg mit Waffen aus, die sie selber nicht besitzen, und liefern sich mit sozusagen schierem Hass vernichtende Gefechte. 18 (1) Heute nehmt ihr Rache an den Feinden nicht mit Waffengewalt, nicht mit Heeresmacht, wie ihr es bis jetzt getan habt; heute, ich wiederhole es, ihr Imperatoren, die ihr so ganz in der Gunst der Fortuna steht, heute erringt ihr

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felicitate vincitis sola. (2) Ecquid umquam Romani principes de felicitate sua praedicari laetius audierunt quam cum diceretur hostes quiescere, otiosos esse, pacem colere? (3) At enim quanto hoc est laetabilius ac melius quod de prosperitate saeculi vestri certatim omnium hominum circumfert: ‘Barbari ad arma, sed invicem dimicaturi! Vicerunt barbari, sed consanguineos suos!’ (4) Tam innumeros vobis, tam novos ex omni hostium genere successus Fortuna suppeditat, ut iam mihi necesse sit illa quae initio separaveram rursus hic communi laude coniungere, dum tantorum eventuum quaero rationem: (5) felicitatem istam, optimi imperatores, pietate meruistis! 19 (1) Optime igitur, quantum arbitror, sacratissime imperator, haec potissima elegi quae genuino natali tuo praedicarem. (2) Etenim ceterae virtutes et bona cetera processu aetatis eveniunt: fortitudo annis accedentibus roboratur, continentia disciplinae praeceptis traditur, iustitia cognitione iuris addiscitur, ipsa denique illa quae videtur rerum omnium domina esse sapientia perspectis hominum moribus et exploratis rerum docetur eventis. Solae cum nascentibus pariter oriuntur pietas atque felicitas; naturalia sunt enim animorum bona et praemia fatorum. (3) Genuini ergo natales pias vobis mentes et imperatorias tribuere fortunas, atque inde sanctitatis vestrae omniumque successuum manat exordium quod nascentes vos ad opes generis humani bona sidera et amica viderunt. (4) Quae vobis concordiam sempiternam et vestrorum generum caritatem et fovendae rei publicae studia conciliant, itemque praeter victorias toto orbe terrarum partas etiam navalia trophaea promittunt, (5) ut post bella Punica, post Asiae Syriaeque reges Romani rostra campi novis ornetis exuviis, et oblitos iam Quirites in memoriam reducatis cur ille sollemnis contionibus locus Rostra vocitetur. (6) Dico enim magna certaque fiducia: digna est hac quoque gloria vestra pietas, et potest eam praestare felicitas.

Panegyricus des Jahres 291

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eure Siege durch das Glück allein. (2) Was haben denn römische Herrscher je mit freudigerem Sinn zum Preis ihres Glückes sagen hören, als wenn es hieß: der Feind hält Ruhe, ist untätig, wahrt den Frieden? (3) Doch wie viel erfreulicher und besser ist ja das, was über das glückliche Gedeihen eures Zeitalters ringsum von aller Munde um die Wette berichtet wird: „Die Barbaren eilen zu den Waffen – aber mit dem Ziel, sich gegenseitig zu bekämpfen!“ „Die Barbaren haben einen Sieg errungen – aber über ihre eigenen Brüder!“ (4) So zahllose, so beispiellose Erfolge gewährt euch Fortuna über jede Art von Feinden, dass ich jetzt an dieser Stelle in einem gemeinschaftlichen Lob wieder zusammenfügen muss, was ich zu Beginn der Rede getrennt angeführt hatte, während ich nach dem Kern suchte, der solchen Großtaten zugrunde liegt: (5) ihr habt, trefflichste Imperatoren, auf dieses Glück verdienten Anspruch durch eure Frömmigkeit in Liebe und Respekt. 19 (1) Sehr zu Recht habe ich also, soweit ich denke, heiligster Imperator, gerade diese Themen ausgewählt, sie an deinem Geburtstag zu lobpreisen. (2) Denn die sonstigen Tugenden und die sonstigen Güter treten mit dem Fortschreiten des Lebensalters hervor: Tapferkeit gewinnt an Kraft mit dem Zuwachs der Jahre; Selbstbeherrschung wird durch die Anweisungen der Erziehung vermittelt; Gerechtigkeit wird dadurch erlernt, dass man sich Kenntnis des Rechts erwirbt; schließlich sie selber, die – so scheint es – aller Dinge Herrin ist, die Weisheit wird gelehrt, indem man die Sitten der Menschen betrachtet und den Ausgang der Geschehnisse erforscht. Alleine Frömmigkeit und Glück entstehen zugleich mit uns bei der Geburt; denn das sind Güter der Seele, die uns die Natur schenkt, und Gaben des Geschicks. (3) Eure Geburtstage haben euch also fromm liebenden Sinn und herrscherliches Glück zugeteilt, und der Ursprung eurer heiligen Unantastbarkeit und sämtlicher Erfolge hat seinen Ausgangspunkt darin, dass euch wohlgesinnte, freundliche Gestirne angeschaut haben, wie ihr zum Wohl der Menschheit auf die Welt gekommen seid. (4) Sie lassen euch immerwährende Harmonie, Liebe zu euren Familien und eifrige Bemühung um die Förderung des Staates zuteil werden, und ebenso sichern sie euch, neben den Siegen, die ihr auf dem ganzen Erdkreis errungen habt, auch Trophäen des Seekriegs zu, (5) damit ihr – nach den punischen Kriegen und nach den Siegen über die Könige von Asia und Syria – die Rostra des Campus Romanus mit neuen Beutestücken schmückt und so die Quiriten, die es schon vergessen haben, wieder daran erinnert, warum jener Ort, der üblicherweise für die Volksversammlungen bestimmt ist, allgemein den Namen Rostra trägt. (6) Ich sage es ja mit großer und entschiedener Zuversicht: eure Frömmigkeit ist auch dieses Ruhmes wert, und ihn zu gewinnen vermag euer Glück.

PANEGYRICUS LATINUS VIII (V)

1 (1) Si mihi, Caesar invicte, post diuturnum silentium sola esset vincenda trepidatio qua rudimenta quaedam vocis meae rursus experior, haud immerito me ultra quam aetas et quantulacumque studii mei ferret opinio perturbari confiterer, praesertim cum apud maiestatem tuam divina virtutum vestrarum miracula praedicarem. (2) Quo in genere orationis quanta esset cura, quantus labor, quam sollicita veneratio, sensi etiam cum in cotidiana illa instituendae iuventutis exercitatione versarer, (3) quamvis enim prima tunc in renascentem rem publicam patris ac patrui tui merita, licet dicendo aequare non possem, possem tamen vel censere numerando. (4) Sed cum et me illo vetere curriculo aut inter adyta palatii vestri alia quaedam sermonis arcani ratio demoverit aut post indultam a pietate vestra quietem studium ruris abduxerit, et vos interim nullum ulciscendae augendaeque rei publicae vacuum tempus amiseritis; cum tot postea virtute vestra partae victoriae, tot excisae undique barbarae nationes, tot translati sint in rura Romana cultores, prolati limites, tot provinciae restitutae, haereo prorsus et stupeo, (5) et praeter illam ex otio meo tarditatem tanta rerum mole deterreor, ut hoc uno nitar hortatu quod ex quantacumque desidia quamvis maxime orationi imparem facis Caesar auditor, praesertim cum favente numine tuo ipse ille iam pridem mihi, qui me in lucem primus eduxit, divinarum patris tui aurium aditus evenerit. (6) Quo facilius maiestatis tuae recordatione confisus, possim illa quae tunc dicta sunt praeterire atque hunc sermonem ab his quae secuta sunt inchoare.

PANEGYRICUS DES JAHRES 297 LOBREDE ZU EHREN DES CONSTANTIUS CAESAR 1 (1) Wenn ich, unbesiegbarer Caesar, nach einer langen Pause des Schweigens allein die furchtsame Besorgnis zu meistern hätte, mit der ich meine Stimme gleichsam wieder in Anfängerversuchen erprobe, würde ich eingestehen, nicht ohne guten Grund, mich in größerer Verwirrung zu befinden, als es mein Alter und die Meinung (wie wenig bedeutend sie auch ist) über meine Betätigung erfordern, eben weil ich in Gegenwart deiner Majestät die göttlichen Wunder eurer Verdienste rühmend zu verkünden habe. (2) Wie wichtig bei dieser Art der Rede die Sorgfalt ist, wie groß die Bemühung, wie ängstlich besorgt die Ehrerbietung, war mir auch damals bewusst, als ich dort mit der täglichen Ausbildung der Jugend im Unterricht befasst war, (3) obgleich ich ja die ersten damaligen Verdienste deines Vaters und deines Onkels für den wiedererstehenden Staat (in der Rede angemessen darstellen konnte ich sie nicht) doch immerhin in einer Aufzählung durchmustern konnte. (4) Da mich aber von jener alten Laufbahn sei es eine anders geartete Aufgabe entfernt hat, die, im Innern eures Palastes, einer der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Rede gewidmet war, sei es, nachdem eure liebevolle Fürsorge mir den Ruhestand gewährt hatte, meine Vorliebe für das Land(leben) mich fortgeführt hat; da ihr ferner inzwischen keine Zeit ungenutzt habt verstreichen lassen, den Staat zu rächen und zu mehren; da in der Folge so zahlreiche Siege durch eure Tapferkeit errungen, so viele Barbarenvölker überall ausgelöscht, so viele Bauern in die ländlichen Regionen des römischen Reiches umgesiedelt, so viele Grenzen vorgerückt, so zahlreiche Provinzen wiederhergestellt sind, stehe ich nun völlig gebannt und betäubt da; (5) und außer jener Schwerfälligkeit infolge meines Ruhestands hält mich auch eure so gewaltige Menge an Taten ab, so dass ich mich auf diese Ermunterung allein stütze: mag ich aufgrund noch so großen Mangels an praktischer Betätigung noch so wenig solcher Rede gewachsen sein, so machst doch du, Caesar, indem du mein Zuhörer bist, mich zu einem Redner, der ihr gewachsen ist – zumal mir ja mit Unterstützung deiner göttlichen Hoheit schon vor langer Zeit eben jener Zugang zu den göttlichen Ohren deines Vaters zuteil geworden ist, der mich erstmals ans Licht der Öffentlichkeit geführt hat. (6) Um so leichteren Herzens kann ich wohl, im Vertrauen auf die Erinnerung deiner Majestät hieran, jenes damals Gesagte übergehen und die jetzige Rede mit den darauf folgenden Ereignissen beginnen.

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Panegyricus Latinus VIII/V

2 (1) Quamquam multa mihi ex illis quoque hoc in tempore necessario transeunda sunt ac potissimum ea quibus officio delati mihi a divinitate vestra honoris interfui, captus scilicet rex ferocissimae nationis inter ipsas quas moliebatur insidias et a ponte Rheni usque ad Danubii transitum Guntiensem deusta atque exhausta penitus Alamannia; nam et maiora sunt quam ut enarrari inter alia possint et, ne meis quoque stipendiis videar gloriari, sufficit conscientiae meae illa vidisse. (2) Det igitur mihi, Caesar invicte, hodiernae gratulationis exordium divinus ille vestrae maiestatis ortus ipso quo inluxit auspicio veris inlustrior, cui dies serenus atque, ut celebrantes sensimus, ultra rationem temporis sol aestivus incaluit, augustiore fulgens luminis claritate quam cum originem mundi nascentis animavit; (3) siquidem tunc inter illa rerum tenera primordia moderatus dicitur ne noceret ardentior, nunc certasse creditur ne maiestate vestra videretur obscurior. 3 (1) O felix beatumque ver novo partu, iam non amoenitate florum nec viriditate segetum nec gemmis vitium nec ipsis tantum favoniis et luce reserata laetum atque venerabile, quantum ortu Caesarum maximorum! O tempus quo merito quondam omnia nata esse credantur, cum eodem nunc confirmata videamus! O kalendae Martiae, sicuti olim annorum volventium, ita nunc aeternorum auspices imperatorum! (2) Quanta enim, invictissimi principes, et vobis et rei publicae saecula propagatis orbis vestri participando tutelam? Cuius licet esset omni hoste perdomito certa securitas, nimios tamen in diversa discursus vel revisenda poscebat. (3) Partho quippe ultra Tigrim redacto, Dacia restituta, porrectis usque ad Danubii caput Germaniae Raetiaeque limitibus,

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2 (1) Doch auch von den gerade erwähnten Ereignissen muss ich zum jetzigen Zeitpunkt notwendigerweise viele übergehen, und vorzüglich diejenigen, bei denen ich aufgrund der Ausübung der ehrenvollen Verpflichtung, die mir von eurer Göttlichkeit übertragen war, persönlich anwesend war: wie nämlich der König eines unbändig wilden Stammes genau bei dem hinterlistigen Anschlag, den er gerade ins Werk setzte, gefangengenommen wurde und wie, von der Rheinbrücke bis zum Donauübergang bei Guntia, Alamannia niedergebrannt und von Grund auf vernichtet wurde; denn diese Dinge sind zum einen zu bedeutend, sie im Zusammenhang mit anderen Ereignissen ausführlich darzustellen, und damit ich zum anderen nicht den Anschein erwecke, mich auch noch meines Dienstes im Feld zu rühmen: es genügt mir das Bewusstsein, Augenzeuge jener Ereignisse zu sein! (2) So soll mir denn, unbesiegbarer Caesar, jener Aufstieg des göttlichen Gestirns eurer Majestät den Anfang meiner Glückwunschrede heute schenken, heller erglänzend als der Frühlingsanfang selbst, der Tag seines strahlenden Aufgangs; ihm wurde ein Tag heiteren Himmels zuteil und schien die Sonne, wie wir bei der Feier spürten, über das Maß der Jahreszeit hinaus sommerlich warm, von erhabenerer Helligkeit des Lichts erstrahlend als zu dem Zeitpunkt, da sie der Welt bei ihrer Entstehung und Geburt Leben verlieh: (3) denn damals, bei jenen zarten ersten Anfängen der Dinge, soll sie ja ihre Glut gemäßigt haben, um nicht, allzu feurig, Schaden zuzufügen, – jetzt hingegen, so glaubt man, hat sie darum gekämpft, nicht in blasserem Glanz zu erscheinen als eure Majestät. 3 (1) O Frühling, gesegnet und glückselig in einer Fruchtbarkeit ganz neuer Art, jetzt nicht mehr durch die Lieblichkeit der Blumen, nicht durch die frische Kraft der Saaten, nicht durch die Knospen der Reben, nicht durch die Zephyrwinde selbst und das wieder befreite Licht soviel Glück verleihend und so sehr der Huldigung wert wie durch den Aufgang (des Gestirns) der höchsten Caesares! O Jahreszeit, in der einstmals alles seine Geburt erlebt hat, wie man mit gutem Grund glaubt, da wir es gerade heute zu derselben Jahreszeit bestätigt sehen! O ihr Kalenden des März, wie ihr einst den Anfang des Umlaufs der Jahre bezeichnet habt, so seid ihr nunmehr Künder des Anbeginns unvergänglicher Kaiser! (2) Wie viele Zeitalter verleiht ihr denn weiterhin, ihr gänzlich unbesiegbaren Herrscher, zugleich euch wie auch dem Staat, da ihr den Schutz eures Erdkreises untereinander aufteilt? Mochte seine Sicherheit, da jeder Feind gänzlich bezwungen war, auch zuverlässig sein, so erforderte er doch allzu viele Reisen in entgegengesetzte oder neuerlich aufzusuchende Regionen. (3) Da denn der Parther über den Tigris zurückgetrieben, Dakien wiederhergestellt, die Grenzen von Germanien und Raetien bis

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destinata Bataviae Britanniaeque vindicta, gubernacula maiora quaerebat aucta atque augenda res publica et, qui Romanae potentiae terminos virtute protulerant, imperium filio pietate debebant. 4 (1) Et sane praeter usum curamque rei publicae etiam illa Iovis et Herculis cognata maiestas in Iovio Herculioque principibus totius mundi caelestiumque rerum similitudinem requirebat. (2) Quippe isto numinis vestri numero summa omnia nituntur et gaudent, elementa quattuor et totidem anni vices et orbis quadrifariam duplici discretus Oceano et emenso quater caelo lustra redeuntia et quadrigae Solis et duobus caeli luminibus adiuncti Vesper et Lucifer. (3) Sed neque Sol ipse neque cuncta sidera humanas res tam perpetuo lumine intuentur quam vos tuemini, qui sine ullo fere discrimine dierum ac noctium inlustratis orbem, salutique gentium non his modo quibus immortales vultus vestri vigent sed multo magis illis divinarum mentium vestrarum oculis providetis, nec solum qua dies oritur et praeterit et conditur sed etiam ex illa septentrionali plaga salutari beatis luce provincias: adeo, Caesar, vestra in orbem terrarum distributa beneficia prope plura sunt quam deorum. (4) Quibus ego si omnibus immorari velim, neque hic dies mihi totus neque proximus neque porro ceteri sat erunt; et habenda ratio est temporis, Caesare stante dum loquimur. 5 (1) Adoratae sint igitur mihi Sarmaticae expeditiones quibus illa gens prope omnis extincta est et paene cum solo nomine relicta quo serviat. (2) Dent veniam trophaea Niliaca sub quibus Aethiops et Indus intremuit. Contenta sit voce gloriae suae etiam proxima illa ruina Carporum. Reservetur nuntiis iam iamque venientibus Mauris immissa vastatio. (3) Aliis haec permittente maiestate vestra celebrabo temporibus; di immortales, vota suscipio ut ipsis qui gessere praesentibus.

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zum Haupt der Donau vorgerückt, die Geltendmachung des Rechtsanspruchs auf das Bataverland und Britannien beschlossen war, machte der gewachsene und zu weiterem Wachstum bestimmte Staat weitergehende Formen des Regiments erforderlich, und diejenigen, die mit ihrer Tapferkeit die Grenzen der römischen Macht weiter ausgedehnt hatten, waren einem Sohn in väterlicher Liebe Machtbefugnis schuldig. 4 (1) Und tatsächlich verlangte, abgesehen von dem Interesse und der Sorge für den Staat, auch jene verwandte Majestät von Jupiter und Herkules in den Jovischen und Herkulischen Herrschern ein gleichartiges Prinzip, wie es in der gesamten Welt und in den Bereichen des Himmels gilt. (2) Denn auf diese Zahl eurer göttlichen Hoheit bauen alle höchsten Dinge auf und erfreuen sich daran: die vier Elemente, ebenso viele Jahreszeiten, der durch den doppelten Ozean vierfach unterteilte Erdkreis, die Wiederkehr der Lustren, wenn die Bewegung des Himmels viermal vollendet ist, das Viergespann des Sonnengottes, sowie Vesper und Lucifer als Gefährten der beiden Lichter des Himmels. (3) Doch schauen weder der Sonnengott selbst noch alle Gestirne mit so stetigem Licht auf die menschlichen Geschicke, wie ihr sie anschaut, die ihr, fast ohne einen Unterschied zwischen den Tagen und Nächten zu machen, den Erdkreis erhellt; die ihr für das Wohl der Völker nicht nur mit diesen Augen hier, die eurem unsterblichen Antlitz Leben verleihen, Sorge tragt, sondern vielmehr mit jenen Augen eures göttlichen Geistes; und die ihr mit eurem segensreichen Licht nicht nur dort die Provinzen beglückt, wo der Tag seinen Anfang nimmt, vorüberzieht und untergeht, sondern auch in jener Region des Nordens. So sind, Caesar, eure über den Erdkreis verteilten Segenstaten fast größer an Zahl als die der Götter. (4) Wollte ich bei diesen allen insgesamt verweilen, werden mir weder dieser ganze Tag noch der nächste noch weitere danach genügen; auch muss ich Rücksicht nehmen auf die Zeit: denn Caesar steht ja selbst, während ich meine Rede halte. 5 (1) Reverenz sei also von mir den Zügen gegen die Sarmaten erwiesen, in denen jenes Volk fast gänzlich ausgelöscht worden und beinahe nur noch mit seinem Namen erhalten ist, um unter ihm Sklavendienst zu verrichten. (2) Nachsicht gewähren mögen mir die Siegeszeichen vom Nil, unter denen der Aethioper und der Inder erzitterten. Zufrieden sei mit der Erwähnung seines Ruhms auch jener jüngste Untergang der Carpen. Vorbehalten bleibe den jeden Augenblick eintreffenden Boten die Nachricht von der Verwüstung, die den Mauren zugefügt wurde. (3) Diese Taten will ich mit Erlaubnis eurer Majestät zu anderen Zeiten rühmen; ihr unsterblichen Götter, darum bitte ich euch, dass dies in Anwesenheit derer geschehen möge, die sie vollbracht ha-

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(4) Illa vero, Caesar invicte, quae ductu atque auspicio numinis tui gesta sunt, quorum etiam spectaculo fruimur, sub hac occasione dignationis tuae sine dilatione dicenda sunt, eo magis quod, quamvis in communibus rei publicae bonis, necesse nobis quae propiora nobis sunt maxime gratulari. 6 (1) Statim itaque Gallias tuas, Caesar, veniendo vindicasti; siquidem illa celeritas, qua omnis ortus atque adventus tui nuntios praevertisti, cepit oppressam Gesoriacensibus muris pertinacem tunc errore misero manum piraticae factionis atque illis olim mari fretis adluentem portas ademit Oceanum. (2) In quo divina providentia tua et par consilio effectus apparuit, qui omnem illum sinum portus, quem statis vicibus aestus alternat, defixis in aditu trabibus ingestisque saxis invium navibus reddidisti atque ipsam loci naturam admirabili ratione superasti, cum mare frustra reciprocum prohibitis fuga quasi inludere videretur tamque nullo usu iuvaret inclusos, quasi redire desisset. (3) Quaenam umquam mirabimur valla castrorum post hoc novum in mari vallum? (4) Quid erit mirum, si qua murorum aut arieti non cesserit firmitas aut machinas despexerit altitudo, cum Oceanus ille tanto libratus impetu, tanta mole consurgens, sive ulterioribus, ut ferunt, terris repulsus sive anhelitu quem respirat evectus seu quacumque alia ratione motus, numquam tua, Caesar, claustra perfregerit neque omnino convellerit tot dierum ac noctium receptu recursuque? – cum tot interim, qua terras circumfluit, litora solveret ripasque defringeret, uno illo, ut res est, loco aut potentia vestrae maiestatis inferior aut pro debito vobis honore clementior.

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ben! (4) Jene Taten indessen, unbesiegbarer Caesar, die unter persönlicher Führung und Leitung deiner göttlichen Wirkungsmacht vollbracht wurden, und an deren Betrachtung wir uns auch erfreuen, sollen angesichts dieser Gelegenheit, dass du mir Gehör zu schenken geruhst, ohne Verzug geschildert werden; dies um so mehr, da es notwendig ist, dass wir, mag es sich auch um Wohltaten von allgemeiner Bedeutung für den Staat handeln, ganz besonders für die Taten freudig danksagen, die uns räumlich näher betreffen. 6 (1) Du hast also sogleich mit deiner Ankunft, Caesar, deine gallischen Länder befreit; denn jene Schnelligkeit, mit der du allen Nachrichten von deinem Herrschaftsantritt und deiner Ankunft zuvorgekommen bist, hat ja in den Mauern von Gesoriacum den Überfall und die Gefangennahme des Haufens einer Piratenrotte, die sich damals in einer elenden Verirrung dort festgesetzt hatte, ermöglicht und denjenigen, die ihre Hoffnung einst auf das Meer setzten, den Ozean weggenommen, der bis an die Tore der Stadt flutet. (2) Hier haben sich deine göttliche Vorsehungsgabe und der Planung ebenbürtige Tatkraft manifestiert: du hast jene ganze Hafenbucht, in der in festem Rhythmus Ebbe und Flut einander abwechseln, dadurch, dass du in der Zufahrt Balken einschlagen und Felsbrocken aufhäufen ließest, für Schiffe unbefahrbar gemacht; du hast durch deine bewundernswerte berechnende Planung den Sieg über die Natur des Ortes selbst davongetragen, da das vergeblich vor und zurück flutende Meer mit den an der Flucht Gehinderten gleichsam seinen Spott zu treiben schien und so gänzlich ohne Erfolg den Eingeschlossenen Unterstützung bot, als hätte es jede Rückkehr aufgegeben. (3) Welche Lagerschanzen werden wir denn jemals noch bestaunen nach dieser neuartigen Verschanzung hier im Meer? (4) Was wird noch Wunderbares daran sein, wenn die Stärke von Stadtmauern dem Sturmbock nicht weicht oder ihre Höhe verächtlich auf Belagerungsmaschinen herabschaut? Hat doch jener Ozean, der sich mit so gewaltiger Wucht im Gleichgewicht bewegt, der mit so ungeheurer Wassermasse emporsteigt, – sei es dass er von weiter entfernten Ländern zurückgeworfen wird, wie man sagt, sei es dass er durch sein Einund Ausatmen fortgetragen, sei es durch irgendeine andere Ursache in Bewegung versetzt wird: hat doch also jener Ozean deine Bollwerke, Caesar, nie durchbrochen, ja es nicht einmal vermocht, im Wechsel der Gezeiten so vieler Tage und Nächte sie überhaupt ins Wanken zu bringen! Während er doch unterdessen überall, wo er die Länder der Erde umflutet, so viele Küsten vernichtet und so viele Ufergebiete abgerissen hat – allein an jener Stelle war er tatsächlich der Macht eurer Majestät unterlegen oder hat, gemäß der euch geschuldeten Ehrerbietung, größere Sanftmut gezeigt.

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7 (1) Xerses, ut audio, Persarum rex potentissimus, pedicas iecit aureas in profundum, Neptunum se dictitans adligare quia fluctibus ferociret, stulta ille iactantia et sacrilega vanitate. (2) At enim tua, Caesar, divina providentia et efficaci est usa consilio nec insultavit elemento, ut non provocaret odium sed mereretur obsequium. (3) Quid enim aliud interpretemur cum, statim atque obsidionem necessitas et clementiae vestrae fides solverat, eadem claustra qui primus incubuit aestus inruperit, totaque illa, quoad usus fuit, invicta fluctibus acies arborum veluti signo dato et peracta statione dilapsa sit, ut nemo dubitaret portum illum, qui piratae ne suis opem ferret occlusus fuisset, nobis ad victoriam sponte patuisse? Potuisset enim, Caesar invicte, illo virtutis ac felicitatis tuae impetu totum peragi continuo bellum, nisi aedificandis navibus dari tempus rei necessitudo suasisset. (4) Quo tamen omni numquam ab eorum hostium eversione cessatum est quos adiri continens terra permisit. 8 (1) Quamquam illa regio divinis expeditionibus tuis, Caesar, vindicata atque purgata, quam obliquis meatibus Scaldis interfluit quamque divortio sui Rhenus amplectitur, paene (ut cum verbi periculo loquar) terra non est: (2) ita penitus aquis imbuta permaduit ut non solum qua manifeste palustris est cedat ad nisum et hauriat pressa vestigium, sed etiam ubi paulo videtur firmior pedum pulsu temptata quatiatur et sentire se procul pondus mota testetur. (3) Ita, ut res est, subiacentibus innatat et suspensa late vacillat, ut merito quis dixerit exercendum fuisse tali solo militem ad navale certamen. (4) Sed neque illae fraudes locorum nec quae plura inerant perfugia silvarum barbaros tegere potuerunt quominus dicioni tuae divinitatis omnes sese dedere cogerentur, et cum coniugibus ac liberis ceteroque examine necessitudinum ac rerum suarum ad loca olim deserta transirent

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7 (1) Xerxes, der mächtigste König der Perser, hat, wie ich höre, goldene Fesseln in die Tiefe des Meeres werfen lassen, mit der Behauptung, er lege Neptun in Ketten, da dieser mit seinen Fluten trotzig tobe – dies sagte er in törichter Überheblichkeit und freventlicher Prahlerei. (2) Doch deine göttliche Voraussicht, Caesar, hat ja einen erfolgreichen Plan angewendet und nicht das Element verhöhnt, so dass sie keinen Hass hervorgerufen, sondern Gehorsam verdient hat. (3) Wie sollen wir es denn anders beurteilen, wenn sogleich, nachdem die Unausweichlichkeit der Lage und das Vertrauen auf eure Milde der Belagerung ein Ende gesetzt hatten, die erste einlaufende Flut eben dasselbe Bollwerk durchbrochen hat und jene ganze Heereslinie von Baumstämmen, die, solange es nötig war, den Fluten unbesiegt standgehalten hatte, gleichwie auf ein Zeichen hin und wie nach Beendigung ihrer Aufgabe als Wachposten auseinandergeglitten ist? So dass niemand daran zweifelte, jener Hafen, der dem Piraten verschlossen gewesen war, damit er seinen Anhängern keine Hilfe bringen könne, habe sich für uns aus freien Stücken zum Sieg geöffnet. Es hätte ja, unbesiegbarer Caesar, bei dem bekannten Elan deiner Tapferkeit und deines Glücks der gesamte Krieg auf der Stelle zu Ende gebracht werden können, hätte nicht die Notwendigkeit der Sachlage es ratsam erscheinen lassen, Zeit auf den Bau von Schiffen zu verwenden. (4) Im Verlauf dieser ganzen Zeit hat man trotzdem nie davon abgelassen, Feinde überall da zu vernichten, wo das Festland den Zugang zu ihnen erlaubte. 8 (1) Indessen ist jene Region, die durch deine göttlichen Feldzüge, Caesar, befreit und gereinigt ist, die in gewundenem Lauf die Schelde durchfließt und die der Rhein mit seinen beiden Armen umschließt, sozusagen (um einen so gewagten Ausdruck zu verwenden) gar kein Land: (2) sie ist von Wassern bis tief in den Grund so durchtränkt und ganz durchweicht, dass sie nicht nur da, wo offensichtlich Sumpfland ist, beim Auftreten nachgibt und, auf den Druck hin, die Spur in sich hineinsaugt, sondern auch dort, wo sie ein wenig fester scheint, wenn sie der Tritt der Füße ausprobiert, in Erschütterung versetzt wird und durch Bewegung in der Ferne kundtut, dass sie die Belastung wahrnimmt. (3) So schwimmt das Land tatsächlich auf den Wassern, die sich unter ihm befinden, und, in der Schwebe, schwingt es weit im Umkreis so, dass man billigerweise sagen könnte, auf solchem Grund hätte man den Soldaten zum Seekampf ausbilden sollen. (4) Doch weder jene Tücken des Geländes noch die recht zahlreichen Zufluchtsstätten in den Wäldern konnten die Barbaren vor der Notwendigkeit schützen, sich allesamt der Befehlsgewalt deiner Göttlichkeit auszuliefern und zusammen mit ihren Frauen und Kindern und dem weiteren Schwarm der Verwandten und der Menge ihrer Habseligkeiten an Orte überzusiedeln, die vor Zeiten verlassen worden waren, – um in

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ut, quae fortasse ipsi quondam depraedando vastaverant, culta redderent serviendo. 9 (1) Quis hoc umquam futurum, etiamsi coram voluisset adfari, deus ante vos principes persuadere potuisset quod nunc vidimus et videmus: totis porticibus civitatum sedere captiva agmina barbarorum, viros attonita feritate trepidantes, respicientes anus ignaviam filiorum nuptas maritorum, vinculis copulatos pueros ac puellas familiari murmure blandientes, atque hos omnes provincialibus vestris ad obsequium distributos, donec ad destinatos sibi cultus solitudinum ducerentur. (2) Insultare hercule communi Galliarum nomine libet , quod pace vestra loquar, ipsis triumphum adsignare provinciis. (3) Arat ergo nunc mihi Chamavus et Frisius et ille vagus, ille praedator exercitio squalidi ruris operatur et frequentat nundinas meas pecore venali et cultor barbarus laxat annonam. (4) Quin etiam si ad dilectum vocetur accurrit et obsequiis teritur et tergo coercetur et servire se militiae nomine gratulatur. (5) Quid faciam, Caesar? Ignosce si moror, ignosce si propero; multa enim illius temporis, quo transitus in Britanniam parabatur, admirabilia virtutum tuarum facta praetereo, dum festino cupidus ad singularem illam victoriam, qua universa res publica tandem est vindicata. (6) Cuius magnitudo, Caesar invicte, hactenus explicabitur, ut prius dicam quam necessarium illud et difficile bellum fuerit quo magisterio confectum sit. 10 (1) Minus indignum fuerat sub principe Gallieno quamvis triste harum provinciarum a Romana luce discidium. (2) Tunc enim sive incuria rerum sive quadam inclinatione fatorum omnibus fere membris erat truncata res publica; tunc se nimium et Parthus extulerat et Palmyrenus aequaverat; tota Aegyptus Syriaeque defecerant; amissa Raetia,

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der Knechtschaft das Land wieder zu kultivieren, das sie vielleicht selbst einst auf Beutezügen verwüstet hatten. 9 (1) Welcher Gott hätte uns vor der Zeit eurer Herrschaft, selbst wenn er seine Worte unmittelbar an uns hätte richten wollen, davon überzeugen können, dass jemals das geschehen könne, was wir in jetziger Zeit zu Gesicht bekommen haben und noch sehen: überall in den Säulenhallen der Städte sitzen Heerscharen gefangener Barbaren: Männer in angstvoller Unruhe – ihre Wildheit schreckensstarr, Greisinnen, die, sich umschauend, die Mutlosigkeit ihrer Söhne sehen, Ehefrauen die ihrer Männer, aneinandergefesselt Knaben und Mädchen, leise in vertrautem Gespräch zärtlich miteinander schwatzend, und sie alle auf die Bewohner eurer Provinzen zu dienstbarem Gehorsam verteilt, – bis man sie zu den verödeten Landstrichen wegführt, die sie wieder kultivieren sollen. (2) Beim Herkules, man möchte im Namen der gallischen Lande insgesamt frohlocken und, mit eurer Erlaubnis möchte ich das so sagen, den Provinzen selbst den Triumph zuschreiben. (3) Für mich pflügt also heute der Chamave und der Friese, und jener Vagant, jener Räuber rackert sich ab mit der Bearbeitung des verödeten Landes und belebt meine Wochenmärkte mit dem Vieh, das er zum Verkauf anbietet, und der BarbarenAckerbauer senkt den Lebensmittelpreis. (4) Ja, sogar im Fall, dass er zur Aushebung gerufen wird, eilt er herbei, lässt sich von militärischen Gehorsamspflichten zermürben, erhält seine Strafe auf den Rücken und preist sich glücklich, Sklavendienst zu leisten und dabei Soldat zu heißen. (5) Was soll ich tun, Caesar? Übe Nachsicht, wenn ich verweile; übe Nachsicht, wenn ich eile: denn ich übergehe viele bewundernswerte Heldentaten deiner Tapferkeit aus jener Zeit, da der Übergang nach Britannien vorbereitet wurde, während ich begierig vorwärts eile zu jenem einzigartigen Sieg, mit dem der Staat endlich in seiner Gesamtheit seine Freiheit wiedererhalten hat. (6) Seine Größe, unbesiegbarer Caesar, soll insoweit dargestellt werden, dass ich zunächst darüber spreche, wie unausweichlich und wie schwierig durchzuführen jener Krieg gewesen ist, bevor ich aufzeige, unter welcher Leitung er zu Ende gebracht worden ist. 10 (1) Weniger schmählich war unter der Herrschaft des Gallienus – wie schmerzlich auch immer – die Abspaltung dieser Provinzen vom Licht Roms. (2) Denn damals war der Staat – sei es aufgrund mangelnder Sorge für seine Belange, sei es infolge irgendeiner Neigung der Geschicke – fast an all seinen Gliedern verstümmelt: damals hatte der Parther sich allzu hoch erhoben und der Palmyrener sich auf gleiche Stufe (mit Rom) gestellt; ganz Aegypten und die syrischen Provinzen waren abgefallen, verloren Raetien,

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Noricum Pannoniaeque vastatae; (3) Italia ipsa gentium domina plurimarum urbium suarum excidia maerebat; non erat tantum doloris in singulis, cum paene omnibus careretur. (4) Nunc vero toto orbe terrarum non modo qua Romanus fuerat virtute vestra recepto sed etiam qua hostilis edomito, cum totiens proculcata esset Alamannia, totiens obstricta Sarmatia, Iuthungi Quadi Carpi totiens profligati, summittente se Gotho pace poscenda, supplicante per munera rege Persarum, urebat animos (quod nunc denique confitemur) una illa tanti imperii contumelia, eoque nobis intolerabilior videbatur quod gloriae sola restabat. 11 (1) Et sane non, sicut Britanniae nomen unum, ita mediocris erat iacturae rei publicae terra tanto frugum ubere, tanto laeta numero pastionum, tot metallorum fluens rivis, tot vectigalibus quaestuosa, tot accincta portibus, tanto immensa circuitu. (2) Quam Caesar ille auctor vestri nominis cum Romanorum primus intrasset, alium se orbem terrarum scripsit repperisse, tantae magnitudinis arbitratus ut non circumfusa Oceano sed complexa ipsum Oceanum videretur. (3) Sed enim illa aetate nec Britannia ullis erat ad navale bellum armata navigiis et Romana res inde iam a Punicis Asiaticisque bellis, etiam recenti exercitata Piratico et propiore Mithridatico, non magis terrestri quam navali usu vigebat. (4) Ad hoc natio etiam tunc rudis et solis Pictis modo et Hibernis adsueta hostibus adhuc seminudis, facile Romanis armis signisque cesserunt, prope ut hoc uno Caesar gloriari in illa expeditione debuerit quod navigasset Oceanum. 12 (1) Isto vero nefario latrocinio abducta primum a fugiente pirata classe quae olim Gallias tuebatur, aedificatisque praeterea plurimis in nostrum modum navibus, occupata legione Romana, interclusis aliquot peregrinorum militum cuneis, contractis ad dilectum mercatoribus Gallicanis, sollicitatis per spolia ipsarum provinciarum non mediocribus copiis barbarorum,

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Noricum und die pannonischen Provinzen verwüstet; (3) sogar Italien, Herrin der Völker, war in Trauer um den Untergang sehr vieler eigener Städte; es gab nicht so sehr Schmerz um einen einzelnen Verlust, da man fast allen Besitzes beraubt war. (4) Jetzt aber, da der ganze Erdkreis nicht nur dort, wo er römisch gewesen war, durch eure Tapferkeit zurückgewonnen war, sondern auch da, wo er dem Feind gehörte, gezähmt, und nachdem Alamannia so viele Male niedergetreten, so viele Male das Sarmatenland in Fesseln geraten, die Juthungen, Quaden und die Carpen so viele Male niedergeworfen waren, da sich der Gote, Friede heischend, unterwarf, der Perserkönig mit Geschenken flehend seine Bitte vortrug: da verbrannte unsere Herzen (wie wir jetzt endlich eingestehen), einzig noch jene Schmach des Imperiums, das so mächtig ist, und sie erschien uns umso unerträglicher, da sie allein unserm Ruhm im Wege stand. 11 (1) Und in der Tat war es nicht, wie es für Britannien nur einen Namen gibt, ebenso nur ein geringer Verlust für den Staat: ein Land, so fruchtbar an Ernteerträgen, so reich an Zahl seiner Weideplätze, so ergiebig von Metalladern durchzogen, so ertragreich an Steueraufkommen, von so vielen Häfen umgürtet, in seiner Ausdehnung ringsum so unendlich groß. (2) Als (C. Iulius) Caesar, jener Begründer eures Namens, dieses Land als erster Römer betreten hatte, schrieb er, er habe einen weiteren Erdkreis entdeckt: nach seinem Dafürhalten war dieser von solcher Größe, dass er nicht vom Ozean umflossen zu sein, sondern den Ozean selbst umschlossen zu halten schien. (3) Doch zu jener Zeit war Britannien ja mit keinerlei Schiffen für einen Seekrieg ausgerüstet, und der römische Staat, der schon seit den Kriegen gegen die Punier damals und gegen Asia, ferner unlängst im Piratenkrieg und im noch näherliegenden Mithridatischen Krieg Kampfpraxis erworben hatte, besaß im Kampf zur See ebenso große Erfahrung und Erfolg wie zu Land. (4) Des weiteren war jenes Volk auch damals noch unerfahren und alleine an Pikten und Hiberner als Gegner gewöhnt, die bis dato noch halbnackt kämpften, und so wichen sie ohne Umstände vor den Waffen und Feldzeichen der Römer zurück, beinahe so, dass Caesar sich bei jener Unternehmung nur dieser einen Leistung hätte rühmen dürfen, er sei über den Ozean gefahren. 12 (1) Als aber bei diesem freventlichen Raubkrieg der Pirat zuerst auf der Flucht die Flotte, die einst die gallischen Länder schützte, entführt hatte, ferner sehr viele Schiffe nach unserem Vorbild gebaut, sich einer römischen Legion bemächtigt und etliche Einheiten von Soldaten aus den Provinzen abgeschnitten hatte, in Gallien tätige Kaufherren zusammengebracht und angeworben, als durch die (Aussicht auf) Beute aus den Provinzen selbst nicht

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atque his omnibus ad munia nautica flagitii illius auctorum magisterio eruditis, exercitibus autem vestris licet invictis virtute, tamen in re maritima novis malam coaluisse ex indignissimo latrocinio belli molem audiebamus, licet de exitu fideremus. (2) Nam et accesserat diuturna sceleris impunitas quae desperatorum hominum inflarat audaciam, ut illam inclementiam maris, quae victoriam vestram fatali quadam necessitate distulerat, pro sui terrore iactarent, nec consilio intermissum esse bellum sed desperatione omissum crederent, adeo ut iam communis poenae timore deposito archipiratam satelles occideret et illud auctoramentum tanti discriminis putaret imperium. 13 (1) Hoc igitur bellum tam necessarium, tam difficile aditu, tam inveteratum, tam instructum ita, Caesar, aggressus es ut, statim atque illo infestum maiestatis tuae fulmen intenderas, confectum omnibus videretur. (2) Nam primo omnium, in quo praecipue consulendum fuit, ne quid barbarae nationes converso illuc numine tuo novare temptarent, invocata patris tui maiestate provisum est. (3) Tu enim ipse, tu domine Maximiane, imperator aeterne, novo itineris compendio adventum divinitatis tuae accelerare dignatus repente Rheno institisti, omnemque illum limitem non equestribus neque pedestribus copiis sed praesentiae tuae terrore tutatus es: quantoslibet valebat exercitus Maximianus in ripa. (4) Tu vero, Caesar invicte, instructis armatisque diversis classibus ita hostem incertum consiliique inopem reddidisti, ut tunc denique senserit quod non munitus esset Oceano sed inclusus. 14 (1) Hoc loco venit in mentem mihi quam delicata illorum principum fuerit in administranda re publica et adipiscenda laude felicitas, quibus Romae degentibus triumphi et cognomina devictarum a ducibus suis

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unerhebliche Barbarenmengen aufgewiegelt und als diese alle für die Aktivitäten auf See unter der Leitung der Urheber jener ehrlosen Schandtat ausgebildet waren, während eure Heere zwar an Tapferkeit unbesiegbar, jedoch im Dienst zur See unerfahren waren: da vernahmen wir, dass aus einem höchst schmählichen Raubzug ein Krieg von gefährlichem und großem Ausmaß erwachsen war, – mochten wir auch hinsichtlich des Ausgangs zuversichtlich sein. (2) Denn hinzugekommen war auch die langandauernde Straflosigkeit des Verbrechens, die die Dreistigkeit der Desperados angefeuert hatte, so dass sie jene Rauheit der See, die euren Sieg aufgrund einer gleichsam schicksalhaften Unausweichlichkeit hinausgeschoben hatte, prahlerisch als Schrecken vor ihrem eigenen Namen deuteten und der Meinung waren, man habe den Krieg nicht aus kluger Berechnung unterbrochen, sondern aus Hoffnungslosigkeit aufgegeben; und dies bis zu dem Punkt, dass – da die Furcht vor gemeinschaftlicher Bestrafung schon abgelegt war – ein Spießgeselle seinen Piratenchef tötete und als Handgeld für ein so erhebliches Risiko eben die Herrschaft ansah. 13 (1) Diesen Krieg, der so unausweichlich war, so schwierig anzupacken, so lange Zeit anhängig, so gründlich vorbereitet, – ihn hast du, Caesar, also in der Weise in Angriff genommen, dass seit dem Moment, da du den Blitzstrahl deiner Majestät zum Angriff dorthin gelenkt hattest, er aller Welt schon beendet zu sein schien. (2) Denn zuallererst hast du (worauf besondere Sorgfalt zu verwenden war) durch Anrufung der Majestät deines Vaters dafür Vorsorge getroffen, dass nicht die Barbarenvölker dann neue Unruhen zu inszenieren versuchten, wenn sich deine Hoheit dem dortigen Ziel zugewendet hätte. (3) Denn du selbst, du Gebieter Maximian, ewiger Kaiser, hast dich entschlossen, durch eine noch unbekannte Abkürzung der Route die Ankunft deiner Göttlichkeit zu beschleunigen, hast überraschend schnell am Rhein Posten bezogen und jener gesamten Grenze nicht mit Reiterei und nicht mit Fußtruppen, sondern durch den Schrecken, den deine Anwesenheit verbreitet, Schutz geboten: ein Maximian am Grenzufer genoss ebensoviel Geltung wie Heere, gleich welcher Größe! (4) Du aber, unbesiegbarer Caesar, hast mit der Ausstattung und Ausrüstung verschiedener Flottenkontingente den Feind so unsicher und ratlos gemacht, dass er da endlich gespürt hat: durch den Ozean war er nicht geschützt, sondern eingesperrt. 14 (1) An dieser Stelle kommt mir in den Sinn, wie verwöhnt das Glück der Herrscher früherer Zeiten bei der Verwaltung des Staatswesens und der Gewinnung von Ruhm gewesen ist, da ihnen Triumphe und Cognomina der von ihren Feldherrn besiegten Völker zuteil wurden, während sie selbst ihre

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gentium proveniebant. (2) Itaque Fronto, Romanae eloquentiae non secundum sed alterum decus, cum belli in Britannia confecti laudem Antonino principi daret, quamvis ille in ipso Urbis palatio residens gerendi eius mandasset auspicium, veluti longae navis gubernaculis praesidentem totius velificationis et cursus gloriam meruisse testatus est. (3) At enim tu, Caesar invicte, omnis istius et navigationis et belli non modo pro imperii iure praeceptor sed rebus ipsis et exemplo constantiae tuae hortator atque impulsor fuisti. (4) Prior siquidem a Gesoriacensi litore quamvis fervidum invectus Oceanum etiam illi exercitui tuo, quem Sequana amnis invexerat, inrevocabilem iniecisti mentis ardorem, adeo ut cunctantibus adhuc ducibus, caelo et mari turbidis, ultro signum navigationis exposceret, quae iam minacia videbantur signa contemneret, die pluvio vela faceret, ventum quia derectus non erat captaret obliquum. (5) Quis enim se quamlibet iniquo mari non auderet credere te navigante? Omnium, ut dicitur, accepto nuntio navigationis tuae una vox et hortatio fuit: ‘Quid dubitamus? Quid moramur? Ipse iam solvit, iam provehitur, iam fortasse pervenit. Experiamur omnia, per quoscumque fluctus eamus. Quid est quod timere possimus? Caesarem sequimur.’ 15 (1) Nec fefellit opinio vestrae felicitatis, siquidem, ut ex ipsorum relatione comperimus, ad tempus ipsum tantae se dorso maris nebulae miscuerunt, ut inimica classis apud Vectam insulam in speculis atque insidiis conlocata ignorantibus omnino hostibus praeteriretur, ne vel moraretur impetum quamvis non posset obsistere. (2) Iam vero quod idem ille vestro auspicio invictus exercitus, statim atque Britanniae litus invaserat, universis navibus suis iniecit ignes, quinam alii nisi divinitatis vestrae monitus impulerunt? (3) Aut quae alia ratio persuasit nullum praesidium fugae reservare nec vereri dubia bellorum nec Martem, ut dicitur, putare communem,

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Zeit in Rom zubrachten. (2) So hat Fronto – in der Beredsamkeit Roms nicht eine zweite Zierde, sondern die eine der beiden –, indem er den Ruhm des in Britannien zu Ende gebrachten Krieges dem Herrscher Antoninus (Pius) zuerkannte, obschon jener, dort im Palast der Hauptstadt weilend, die Leitung der Kriegsführung anderen anvertraut hatte, dargetan, dass er, gleichsam wie jemand, der die Oberaufsicht über die Lenkung eines Kriegsschiffs innehat, den Ruhm der gesamten seemännischen Leistung und Fahrt verdient hat. (3) Du jedoch, unbesiegbarer Caesar, hast ja bei dieser ganzen Schiffsaktion und Kriegsführung nicht nur gemäß dem Recht deiner Herrschgewalt diese Unternehmung angeordnet, sondern du bist in den Aktionen selbst und mit dem Beispiel deiner Beharrlichkeit Ansporn und treibende Kraft gewesen. (4) Du bist ja als erster vom Ufer von Gesoriacum aus auf den Ozean hinausgefahren, wie sehr er auch tobte, und hast auch in jenem Heer, das dir die Seine herangebracht hatte, ein unauslöschliches Feuer der Begeisterung entfacht, derart, dass es, trotz des weiteren Zögerns seiner Anführer, trotz des Tobens von Himmel und See, von sich aus das Zeichen zur Abfahrt verlangte, Vorzeichen, die schon drohend erschienen, verächtlich ignorierte, an einem Regentag die Segel setzte und den Wind, da er nicht vom Rücken her blies, von der Seite her abnahm. (5) Wer hätte es denn nicht wagen sollen, sich einer noch so feindlichen See anzuvertrauen, da du mit dem Schiff fuhrst? Von allen Seiten, so heißt es, gab es auf die Nachricht von deiner Abfahrt hin nur eine Stimme und Aufforderung: „Was zögern wir? Was verweilen wir noch? Er selbst hat schon die Anker gelichtet, ist schon unterwegs, ist vielleicht schon da! Lasst uns alles riskieren, lasst uns die Fluten durchqueren, wie sie sind, ist uns egal! Was gibt es, was wir fürchten könnten? Es ist Caesar, dem wir folgen!“ 15 (1) Und sie haben sich in ihrer Erwartung eures glücklichen Erfolgs auch nicht getäuscht: wie wir aus ihrem eigenen Bericht erfahren haben, haben sich ja genau zur rechten Zeit so dichte Nebel auf dem Rücken des Meeres zusammengezogen, dass man an der feindlichen Flotte, die bei der Insel Vecta (Isle of Wight) in Höhlen und Schlupfwinkeln Posten bezogen hatte, vorbeifahren konnte, ohne dass die Feinde es überhaupt merkten, – damit sie euren Angriff nicht auch nur verzögere, obwohl sie ihm ja keinen Einhalt hätte gebieten können. (2) Ferner nun, was die Tatsache angeht, dass eben jenes unter eurer Leitung unbesiegbare Heer gleich nach der Landung an der Küste von Britannien an alle eigenen Schiffe Feuer gelegt hat: welch andere Aufforderungen als die eurer Göttlichkeit haben sie dazu angetrieben? (3) Oder welch anderer Grund hat sie davon überzeugt, keine Schutzvorrichtung für eine Flucht in Reserve zu behalten, nicht die Ungewissheiten der Kriegsläufte zu fürchten und Mars nicht, wie man sagt, für unparteiisch zu halten, als dass es mit Blick auf

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nisi quod vestri contemplatione constabat de victoria non posse dubitari? (4) Non illi tunc vires, non humana robora sed vestra numina cogitaverunt. Proposito qualicumque proelio certam sibi spondere fortunam non tam est fiducia militum quam felicitas imperatorum. (5) Ipse ille autem signifer nefariae factionis cur ab eo litore quod tenebat abscessit, cur classem portumque deseruit, nisi quod te, Caesar invicte, cuius imminentia vela conspexerat, timuit iam iamque venturum? (6) Utcumque cum ducibus tuis maluit experiri quam praesens maiestatis tuae fulmen excipere, demens qui nesciebat, quacumque fugeret, ubique vim vestrae divinitatis esse, ubi vultus vestri, ubi signa colerentur. 16 (1) Te tamen ille fugiens incidit in tuorum manus, a te victus a tuis exercitibus oppressus est. (2) Denique adeo trepidus et te post terga respiciens et in modum amentis attonitus properavit ad mortem, ut nec explicarit aciem nec omnes copias quas trahebat instruxerit, sed cum veteribus illius coniurationis auctoribus et mercennariis cuneis barbarorum tanti apparatus oblitus inruerit. (3) Adeo, Caesar, etiam hoc rei publicae tribuit vestra felicitas, ut nemo fere Romanus occiderit imperio vincente Romano. Omnes enim illos, ut audio, campos atque colles non nisi taeterrimorum hostium corpora fusa texerunt. (4) Illa barbara aut imitatione barbariae olim cultu vestis et prolixo crine rutilantia, tunc vero pulvere et cruore foedata et in diversos situs strata, sicuti dolorem vulnerum fuerant secuta iacuerunt, atque inter hos ipse vexillarius latrocinii, cultu illo quem vivus violaverat sponte deposito et vix unius velaminis repertus indicio. (5) Adeo verum sibi dixerat morte vicina, ut interfectum se nollet agnosci. 17 (1) Enimvero, Caesar invicte, tanto deorum immortalium tibi est addicta consensu omnium quidem quos adortus fueris hostium sed praecipue internecio Francorum, ut illi quoque milites vestri qui per errorem nebulosi,

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euch feststand, dass es am Sieg keinen Zweifel geben könne? (4) Jene haben damals nicht an ihre Kampfesstärke und ihre menschlichen Kräfte, sondern an eure göttliche Macht gedacht. Steht ein beliebiger Kampf bevor und gilt einem das eigene Kriegsglück als verbürgt, so ist dies nicht so sehr ein Erweis für das Selbstvertrauen der Soldaten als für das Glück der Imperatoren. (5) Doch wieso hat sich eben jener Bannerträger der verbrecherischen Rotte von dem Strand, den er besetzt hielt, entfernt? Warum Flotte und Hafen verlassen, außer weil er fürchtete, du, unbesiegbarer Caesar, dessen nahende Segel er erblickt hatte, werdest jeden Augenblick da sein? (6) Jedenfalls zog er es vor, mit deinen Heerführern seine Erfahrungen zu sammeln statt der Gegenwart des Blitzstrahls deiner Majestät standzuhalten, Tor, der nicht wusste, dass, wohin er sich auch flüchte, die Macht eurer Göttlichkeit überall dort zugegen ist, wo euer Antlitz, eure Statuen verehrt werden. 16 (1) Doch auf der Flucht vor dir ist er deinen Soldaten in die Hände gefallen: von dir besiegt, ist er von deinen Heeren vernichtet worden. (2) Schließlich ist er derart in ängstlicher Unruhe, wenn er sich wendete und dich erblickte, und voller Entsetzen, als sei er nicht mehr bei Sinnen, dem Tod entgegengelaufen, dass er weder die Schlachtreihe in Frontstellung gehen ließ noch alle mitgeführten Truppen aufstellte, sondern mit den alten Anstiftern jener Verschwörung und mit Haufen von Barbarensöldnern losstürmte, ohne an seine so gewaltige Kriegsvorbereitung zu denken. (3) So hat, Caesar, euer Glück dem Staat auch diese Gunst gewährt, dass kaum ein Römer im Kampf gefallen ist, da das römische Reich einen Sieg errang. Denn alle Felder und Hügel dort waren, wie ich höre, weit und breit nur von den Leichen der abscheulichsten Feinde bedeckt. (4) Diese Leichen der Barbaren oder derjenigen, die einst in der Art ihrer Kleidung und ihrer langen rötlichen Haartracht Barbarensitte imitierten, lagen damals aber, von Staub und Blut besudelt und in verschiedenen Stellungen hingebreitet, so, wie sie dem Schmerz ihrer Wunden nachgegeben hatten, und mitten unter ihnen der Fahnenträger der Räuberbande in eigener Person: er hatte jenes Gewand, das er im Leben entweiht hatte, von sich aus abgelegt und wurde mit Mühe am Kennzeichen eines einzigen Kleidungsstücks identifiziert. (5) So ganz und gar hatte er für sich die Wahrheit vorhergesagt, als der Tod ihm nahe war, dass er nach seinem Tod nicht erkannt werden wollte. 17 (1) Ja, unbesiegbarer Caesar, dir ist mit so einmütiger Zustimmung der unsterblichen Götter schon die Vernichtung aller von dir angegriffenen Feinde gewährt worden, doch besonders die der Franken, dass auch jene Soldaten von euch, die durch eine Irrfahrt auf dem nebelverhangenen Meer, wie

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ut paulo ante dixi, maris abiuncti ad oppidum Londiniense pervenerant, quidquid ex mercennaria illa multitudine barbarorum proelio superfuerat, cum direpta civitate fugam capessere cogitarent, passim tota urbe confecerint et non solum provincialibus vestris in caede hostium dederint salutem sed etiam in spectaculo voluptatem. (2) O victoria multiiuga et innumerabilium triumphorum, qua Britanniae restitutae, qua Francorum penitus excisae, qua multis praeterea gentibus in coniuratione illius sceleris deprehensis imposita est necessitas obsequendi, denique ad perpetuam quietem maria purgata sunt! (3) Gloriare tu vero, Caesar invicte, alium te orbem terrarum repperisse, qui Romanae potentiae gloriam restituendo navalem addidisti imperio terris omnibus maius elementum. (4) Confecisti, inquam, bellum, Caesar invicte, quod cunctis impendere provinciis videbatur, tamque late vagari et flagrare poterat quam late omnis Oceanus et mediterranei sinus adluunt. 18 (1) Neque enim, si metu vestri lues illa solis Britanniae visceribus intabuit, idcirco nescimus quanto se alias furore iactasset, si fiduciam pervagandi qua patebat habuisset. (2) Nullo siquidem certo fine montium aut fluminum terminabatur quem dispositae limitis custodiae tuerentur, sed ubique, vanis licet ob virtutem felicitatemque vestram, magnis tamen terroribus imminebat, qua iacent maria quaque venti ferunt. (3) Recursabat quippe in animos illa sub divo Probo paucorum ex Francis captivorum incredibilis audacia et indigna felicitas, qui a Ponto usque correptis navibus Graeciam Asiamque populati nec impune plerisque Libyae litoribus appulsi ipsas postremo navalibus quondam victoriis nobiles ceperant Syracusas et immenso itinere pervecti Oceanum qua terras inrumpit intraverant, atque ita eventu temeritatis ostenderant nihil esse clausum piraticae desperationi, quo navigiis pateret accessus. (4) Itaque hac victoria vestra non Britan-

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ich kurz zuvor berichtet habe, abgetrennt und zur Stadt Londinium gelangt waren, ringsumher in der ganzen Stadt alles, was von der Menge barbarischer Söldner den Kampf überlebt hatte, niedermachten, als diese nach Plünderung der Stadt beabsichtigten, die Flucht zu ergreifen; und so brachten sie euren Provinzialen nicht nur mit dem Blutbad an den Feinden Rettung, sondern auch Vergnügen am Schauspiel. (2) Oh Sieg, vielfältig, von Triumphen ohne Zahl, dem wir es zu verdanken haben, dass die britannischen Länder zurückgegeben sind, dass die Macht der Franken gänzlich vernichtet ist, dass ferner vielen Stämmen, die als Komplizen bei der Verschwörung jenes Verbrechens entlarvt sind, die Notwendigkeit des Gehorsams auferlegt ist, schließlich, dass die Meere zu immerwährender Ruhe gesäubert sind. (3) Du aber, unbesiegbarer Caesar, rühme dich, einen weiteren Erdkreis entdeckt zu haben, der du für die Macht Roms den Ruhm zur See wiedergewonnen und so das Imperium um ein Element bereichert hast, das größer ist als alle Länder insgesamt. (4) Du hast einen Krieg zu Ende gebracht, so behaupte ich, unbesiegbarer Caesar, der allen Provinzen zu drohen schien, und der sich so weit hätte ausdehnen und seine Flammen so weit hätte lodern lassen können, wie der gesamte Ozean und die Buchten des Mittelmeers ihre Wasser an die Küsten fluten lassen. 18 (1) Denn, wenn jene Seuche dank der Furcht vor euch sich auch nur im Inneren Britanniens festgesetzt hat und nun erloschen ist, wissen wir deshalb doch recht gut, mit welch rasender Wut sie sich auf andere Regionen geworfen hätte, wäre sie nur voll Zuversicht gewesen, sich überallhin ausbreiten zu können, wo ihr ein Weg offen stand. (2) Sie wurde ja nicht durch eine feste Grenzlinie von Bergen oder Flüssen eingeschränkt, die an der Grenze verteilte Wachtposten schützen könnten, sondern sie drängte drohend mit ihren, dank eurer Leistung und dank eurem Glück zwar wirkungslosen, doch gewaltigen Schrecknissen an jeden Ort, wo sich Meere erstrecken und wohin die Winde tragen. (3) Es kam uns nämlich wieder jene unglaubliche Waghalsigkeit in den Sinn und jenes unverdiente Glück einer kleinen Zahl fränkischer Kriegsgefangener zur Zeit des vergöttlichten Probus: diese hatten vom Pontus aus mit erbeuteten Schiffen bis hin nach Griechenland und Asia Verwüstungszüge unternommen und waren – nicht, ohne Schaden zuzufügen – an sehr vielen Küsten Libyens gelandet, hatten schließlich sogar Syrakus eingenommen, das einmal durch seine Siege zur See berühmt gewesen war, waren nach einer gewaltigen Fahrt bis in den Ozean gelangt, dort wo er zwischen die Erdteile eindringt, und hatten so durch den Erfolg ihrer Verwegenheit gezeigt, dass verzweifelter Piratentat kein Ort verschlossen ist, zu dem für Schiffe eine Zugangsmöglichkeit besteht. (4) Und so ist durch euren Sieg nicht nur Bri-

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nia solum servitute est liberata, sed omnibus nationibus securitas restituta quae maritimo usu tantum in bello adire periculi poterant quantum in pace commodi consequuntur. (5) Nunc secura est, ut de latere Gallico taceam, quamvis paene conspicuis litoribus Hispania, nunc Italia nunc Africa nunc omnes usque ad Maeotias paludes perpetuis curis vacant gentes. (6) Nec idcirco minoribus gaudiis feruntur dempto periculi metu quod experiundi necessitate caruerunt, sed hoc ipsum et in administratione providentiae vestrae et in refectione fortunae impensius gratulantur, quod tanta illa vis nauticae rebellionis in vestigiis suis concidit. (7) Atque ipsam Britanniam, quae sedem tam diuturno sceleri praebuisset, constat victoriam vestram sola sui restitutione sensisse. 19 (1) Merito igitur statim atque ad litus illud exoptatus olim vindex et liberator appuleras, obvius sese maiestati tuae triumphus effudit, exsultantesque gaudio Britanni cum coniugibus ac liberis obtulerunt, non te ipsum modo, quem ut caelo delapsum intuebantur, sed etiam navis illius quae tuum numen advexerat vela remigiaque venerantes, paratique te ingredientem stratis sentire corporibus. (2) Nec mirum si tanto gaudio ferebantur post tot annorum miserrimam captivitatem, post violatas coniuges, post liberorum turpe servitium tandem liberi tandemque Romani, tandem vera imperii luce recreati. (3) Siquidem praeter illam clementiae vestrae pietatisque famam, quae communi gentium voce celebratur, in ipso, Caesar, tuo vultu videbant omnium signa virtutum: in fronte gravitatis, in oculis lenitatis, in rubore verecundiae, in sermone iustitiae. (4) Quae singula ut respectantes agnoverant, laetitiae clamoribus concinebant; vobis se, vobis liberos suos, vestris liberis omnis generis sui posteros devovebant.

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tannien von der Knechtschaft befreit, sondern es ist für alle die Völker Sicherheit wiederhergestellt, die sich aufgrund ihres Lebens am Meer und seiner Nutzung ebenso großer Gefahr im Krieg aussetzen konnten, wie sie andererseits Vorteile in Friedenszeiten daraus gewinnen. (5) In Sicherheit ist heute – um von der Flanke Galliens nichts mehr zu sagen – Hispania (obgleich die Küsten fast in Sichtweite liegen), heute ist Italien, heute ist Africa in Sicherheit, heute sind alle Völker bis zu den Sumpfregionen der Maeotis von ihrer ewigen Sorge und Unruhe befreit. (6) Und sie lassen sich nun, nachdem die Furcht vor Gefahr beseitigt ist, nicht deswegen von geringeren Freuden dahintragen, weil es für sie keine Notwendigkeit gegeben hat, mit ihr Erfahrung zu machen, sondern sie beglückwünschen sich angesichts der Leitung durch eure vorausschauende Fürsorge wie auch angesichts der Wiederherstellung des glücklichen Zustandes gerade dafür um so nachdrücklicher, dass jene so große Macht einer Rebellion zur See in sich selbst zusammengestürzt ist. (7) Und was Britannien selbst angeht, das doch einer verbrecherischen Aktion von so langer Dauer Wohnstatt gewährt hatte: es hat euren Sieg, das steht fest, allein darin zu spüren bekommen, dass es in seinen einstigen Stand wiedereingesetzt wurde. 19 (1) Verdientermaßen machte sich also gleich, nachdem du an jener Küste als langersehnter Rächer und Befreier gelandet warst, ein Triumphzug auf den Weg, deiner Majestät zu begegnen, und, vor Freude tanzend, kamen die Britannier dir mit ihren Frauen und mit ihren Kindern entgegen; dabei huldigten sie nicht allein dir in eigner Person, den sie wie einen, der vom Himmel herabgestiegen, betrachteten, sondern sie bezeugten ihre Ehrfurcht auch Segeln und Rudern jenes Schiffes, das deine göttliche Hoheit hergebracht hatte, und sie waren bereit, bei deinem Einzug ihre Leiber hinzustrecken, um so deine Schritte selbst zu spüren. (2) Und es ist kein Wunder, wenn ihr Jubel sie so hoch emportrug – nach so vielen Jahren elendester Gefangenschaft, nach Entehrung der Ehefrauen, nach schändlicher Versklavung der Kinder waren sie endlich frei und endlich Römer, endlich im wahren Licht des Imperiums neu geboren. (3) Denn abgesehen von dem sprichwörtlichen Ruhm eurer Milde und barmherzigen Liebe, den die Stimme der Völker einmütig preist, konnten sie eben an deinem Antlitz, Caesar, die Zeichen aller Tugenden wahrnehmen: an der Stirn den würdigen Ernst, an den Augen die Sanftmut, an der Röte die Bescheidenheit und an der Rede die Gerechtigkeit. (4) Als sie all dies einzeln anschauten und erkannt hatten, ließen sie gemeinsam Freudenrufe erschallen: euch gelobten sie sich selber an, euch ihre Kinder, euren Kindern alle Nachkommen ihres eigenen Geschlechts.

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20 (1) Nos quidem certe, o perpetui parentes et domini generis humani, hoc a dis immortalibus omni votorum nuncupatione deposcimus, ut liberi nepotesque nostri et si qua omnibus saeculis erit duratura progenies, cum vobis tum etiam his quos educatis atque educabitis dedicentur. Quid enim melius posteris nostris optare possumus quam quo fruimur ipsi? (2) Tenet uno pacis amplexu Romana res publica quidquid variis temporum vicibus fuit aliquando Romanum, et illa quae saepe veluti nimia mole diffluxerat magnitudo tandem solido cohaesit imperio. (3) Nihil ex omni terrarum caelique regione non aut metu quietum est aut armis domitum aut pietate devinctum. Et ex aliis quidem partibus aliqua restant, quae, si voluntas vel ratio rerum desiderent, possitis adquirere; ultra Oceanum vero quid erat praeter Britanniam? (4) Quae a vobis ita reciperata est ut illae quoque nationes terminis eiusdem insulae cohaerentes vestris nutibus obsequantur. (5) Nulla progrediendi causa superest nisi si, quod Natura vetuit, fines ipsius quaerantur Oceani. Omnia, inquam, invictissimi principes, vestra sunt quae digna sunt vobis, et inde est quod consulere singulis aequaliter licet, cum universa teneatis. 21 (1) Itaque sicuti pridem tuo, Diocletiane Auguste, iussu deserta Thraciae translatis incolis Asia complevit, sicut postea tuo, Maximiane Auguste, nutu Arviorum et Trevirorum arva iacentia Laetus postliminio restitutus et receptus in leges Francus excoluit, ita nunc per victorias tuas, Constanti Caesar invicte, quidquid infrequens Ambiano et Bellovaco et Tricassino solo Lingonicoque restabat, barbaro cultore revirescit. (2) Quin etiam illa, cuius nomine mihi peculiariter gratulandum, devotissima vobis civitas Aeduorum ex hac Britannicae facultate victoriae plurimos, quibus illae provinciae redundabant, accepit artifices, et nunc exstructione veterum domorum et refectione operum publicorum et templorum instauratione consurgit. Nunc sibi redditum vetus illud

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20 (1) Wir freilich, o ihr ewigen Erzeuger und Gebieter des menschlichen Geschlechts, richten an die unsterblichen Götter bei jeder feierlichen Darbringung von Gelübden diese Bitte: mögen unsere Kinder und Enkel und, falls in allen Jahrhunderten eine Nachkommenschaft (von uns) fortexistieren soll, sowohl euch als auch denjenigen, die ihr aufzieht und noch aufziehen werdet, geweiht sein! Was können wir unseren Nachkommen denn Besseres wünschen als das, woran wir uns selbst erfreuen? (2) In einer einzigen Umarmung des Friedens hält der römische Staat alles umschlossen, was je im vielfachen Wechsel der Zeiten einmal römisch gewesen ist, und jene Größe, die oft wie unter einer allzu großen Last auseinandergeglitten war, hat endlich in einem Reich wahrhafter Dauer ihren Halt gefunden. (3) Es gibt in der gesamten Sphäre der Erde und des Himmels keinen Ort, der nicht aus Furcht sich ruhig verhält oder von Waffengewalt bezwungen oder ganz in Banden dankbarer Liebe verpflichtet ist. Und von anderen Teilen der Welt existieren freilich einige Überbleibsel, die ihr, wenn euer Wille oder das Staatsinteresse es wünschen, hinzubekommen könnt. Doch jenseits des Ozeans – was gab es da außer Britannien? (4) Dieses Land ist von euch so ganz zurückgewonnen worden, dass auch jene Volksstämme, die an den Randgebieten eben dieser Insel ansässig sind, eurem Wink Gehorsam leisten. (5) Es existiert kein Grund mehr, weiter vorzurücken, es sei denn, man wolle sich, was die Natur verwehrt hat, auf die Suche nach den Grenzen des Ozeans selbst begeben. Ich sage: alles, ihr gänzlich unbesiegbaren Herrscher, ist euer, was euer wert ist. Und daher kommt es, dass ihr euch eines jeden einzelnen in gleicher Weise annehmen könnt, da ihr alles beherrscht. 21 (1) Wie daher vor einiger Zeit auf deinen Befehl hin, Diocletianus Augustus, Asia die öden Landstriche Thrakiens mit dorthin umgesiedelten Bewohnern bevölkert hat, wie danach auf deinen Wink, Maximianus Augustus, die brachliegenden Fluren der Arvier und Trevirer der Laete, der nach dem Rückkehrrecht wiedereingesetzt ist, und der Franke, der in die Ordnung unserer Gesetze aufgenommen ist, bestellt haben, so grünt heute wieder im Gefolge deiner Siege, Constantius, unbesiegbarer Caesar, alles Land, das im Gebiet der Ambianer, Bellovaker, Trikassen und Lingonen noch verlassen lag, da der Barbar es bestellt. (2) Ja sogar jene Stadt der Aeduer, in deren Namen ich speziellen Glückwunsch und Dank auszusprechen habe, und die euch zutiefst ergeben ist, hat aufgrund dieser Möglichkeit, die der Sieg über Britannien geboten hat, sehr viele Handwerker aufgenommen, wie sie in jenen Provinzen reichlich vorhanden waren, und sie steht jetzt wieder auf, da die alten Häuser aufgebaut, die öffentlichen Gebäude wiederhergestellt und die Heiligtümer wiedererrichtet werden. Jetzt, so glaubt sie, ist ihr jener alte Name

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Panegyricus Latinus VIII/V

Romanae fraternitatis nomen existimat, cum te rursus habeat conditorem. (3) Dixi, Caesar invicte, prope plura quam potui sed pauciora quam debui, ut iustissima mihi causa sit propitio numine tuo et nunc desinendi et saepe dicendi.

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von der brüderlichen Verwandtschaft mit Rom wiedergegeben, da sie in dir einen neuen Gründer hat. (3) Meine Rede, unbesiegbarer Caesar, dauerte fast länger, als ich vorzutragen imstande war, doch kürzer, als ich schuldete, – und also habe ich einen höchst triftigen Grund, so deine Hoheit gnädig zustimmt, für jetzt meine Rede zu beenden sowie oft noch eine Rede vorzutragen.

PANEGYRICUS LATINUS IX (IV) < EUMENII PRO INSTAURANDIS SCHOLIS ORATIO >

1 (1) Certum habeo, vir perfectissime, non quidem te, qui semper in omni genere dicendi maxima facultate viguisti, sed circumstantium plerosque mirari, quod ego, qui ab ineunte adulescentia usque in hunc diem numquam isto in loco dixerim et, quantulumcumque illud est quod labore ac diligentia videor consecutus, exercere privatim quam in foro iactare maluerim, nunc demum sero quodam tirocinio ad insolitum mihi tribunal adspirem; (2) a quo ego me fateor, quamquam mihi sedes ista iustitiae et agendum et ad dicendum amplissima videretur, diffisum tamen ingenio meo antehac afuisse et hoc ipso in tempore, quamvis diversissimum a contentione litium genus orationis habiturum, conscientiae trepidatione revocari. 2 (1) Ne quid igitur aut opinioni hominum dubium relinquam aut interpretationi ex hac postulatione quam de restituendis patriae meae Maenianis mihi sumendam potius quam cuiquam delegandam putavi, maius de me aliquid quam posse me sentio videar promittere, (2) contestatum esse initio dicendi apud audientes volo temporarium me dicendi munus atque id ipsum meis studiis peculiariter commodare, non ad incognitam mihi sectam forensium patronorum alienae laudis cupiditate transire. (3) Neque enim tanta me aut neglegentia aut confidentia tenet, ut nesciam quanta sit inter hanc aciem fori et nostra illa secreta studiorum exercitia diversitas. Ibi armantur ingenia, hic proeliantur; ibi prolusio, hic pugna committitur. (4) Hic plerumque velut sudibus et saxis, illic semper telis splendentibus dimicatur. Hic sudore et quasi pulvere sordidus, illic insignis ornatu laudatur orator, ut, si

PANEGYRICUS DES JAHRES 297/98 REDE DES EUMENIUS ZUR WIEDERHERSTELLUNG DER SCHULEN (VON AUGUSTODUNUM) 1 (1) Nach meiner festen Überzeugung, Exzellenz, herrscht zwar nicht bei dir, der du stets in jedem Bereich der Redekunst mit höchster Befähigung glanzvoll aufgetreten bist, jedoch bei der Mehrzahl der Umstehenden Verwunderung darüber, dass ich, der ich von früher Jugend an bis zum heutigen Tag niemals an diesem Ort hier gesprochen und es vorgezogen habe, diese Tätigkeit – wie wenig bedeutend auch ist, was ich mit Fleiß und Sorgfalt erlangt zu haben scheine – in nichtöffentlichem Kreise auszuüben statt mich auf dem Forum mit ihr zu präsentieren, dass ich also erst jetzt mit einem späten Probestück einen Auftritt auf einer für mich ungewohnten Rednerbühne suche; (2) obschon mir diese Stätte der Gerechtigkeit zum Handeln wie zur Rede höchst bedeutend erschien, bin ich doch, ich gestehe es, meinem Talent misstrauend, diesem Ort bisher ferngeblieben und fühle mich sogar zu diesem Zeitpunkt, da ich im Begriff stehe, eine Rede zu halten, die sich in ihrer Art vom Streit der Gerichtsprozesse doch ganz und gar unterscheidet, dennoch von der ängstlichen Unruhe meiner Selbsteinschätzung zurückgerufen. 2 (1) Um also weder subjektiver Meinung noch persönlicher Auslegung seitens der Menschen einen Hauch des Zweifels zu belassen infolge dieser Forderung nach Wiederaufbau der Maeniana meiner Heimatstadt, die ich nach meinem Dafürhalten eher selbst übernehmen als einem anderen anvertrauen sollte, und damit ich nicht von meiner Seite her mehr zu versprechen scheine, als ich zu leisten mich imstande fühle, (2) will ich schon zu Beginn der Rede bei meinen Zuhörern bezeugt wissen, dass die Aufgabe einer solchen Rede nur für diese Situation bemessen ist, ferner dass ich eben diese speziell auf mein eigenes Betätigungsfeld abstimme und nicht aus Sucht nach Ruhm, der anderen gebührt, hinüberwechsle zu der mir unbekannten Sparte forensischer Advokaten. (3) Denn ich bin weder in Achtlosigkeit noch in Selbstvertrauen derartigen Ausmaßes befangen, dass ich nicht wüsste, wie groß der Unterschied zwischen der Schlachtlinie hier auf dem Forum und jenem Ort der Zurückgezogenheit ist, wo wir unseren gelehrten Studien nachgehen: dort wappnen sich die Geister, hier liefern sie sich ihr Gefecht; dort wird das Vorgeplänkel, hier der Kampf besorgt. (4) Hier wird meistens gleichwie mit spitzen Pfählen und mit Felsbrocken, an jener Stätte stets mit glänzenden Waffen gekämpft. Hier findet der Redner Beifall, der von Schweiß und gleichsam von Staub bedeckt ist, an jener Stätte, wer in seiner Rüstung strahlend steht, so dass, wenn beide probehalber ihre Ämter tauschen, den einen sozusagen

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uterque experiundi causa officia commutent, alium quidam tubarum sonus et strepitus armorum, alium quaedam triumphi deterreat. 3 (1) Scio inquam haec, vir perfectissime, neque me sciens fallo; et idcirco tantum abest ut me relictis docendi praecipiendique rationibus aptum atque idoneum putem, ut hoc ipsum, quod vel uno die atque una de re in foro dicam, veniam magis possim sperare quam gloriam. (2) Quamquam in hac oratione, vir perfectissime, loci tantummodo insolentia, non dicendi novitate perturber, siquidem id postulo quod non modo contradicendo nemo audeat impedire, sed omnes potius quibus divina principum liberalitas, quibus urbis istius restitutio, quibus optimarum artium celebratio grata atque iucunda est, summo gaudio et favore suscipiant, ut Maenianae illae scholae quondam pulcherrimo opere et studiorum frequentia celebres et inlustres iuxta cetera quae instaurantur opera ac templa reparentur. (3) Ita quantum mihi trepidationis adfert locus, tantum relevat causa dicendi. (4) Quam quidem ego, vir perfectissime, duas in partes arbitror dividendam, ut prius disseram quam sit ex usu et officio opus illud ad pristinam magnificentiam reformari, deinde qua ratione id possit sine sumptu publico, ex largitione quidem principum maximorum, sed tamen cum aliquo meo erga patriam studio et amore procedere. 4 (1) Ante omnia igitur, vir perfectissime, divinae imperatorum Caesarumque nostrorum providentiae singularique in nos benevolentiae huius quoque operis instauratione parendum est, qui civitatem istam et olim fraterno populi Romani nomine gloriatam et tunc demum gravissima clade perculsam, cum latrocinio Batavicae rebellionis obsessa auxilium Romani principis invocaret, non solum pro admiratione meritorum sed etiam pro

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Tubaklang und Waffenklirren, den andern sozusagen eine Theaterszene des Triumphs abschreckt. 3 (1) Dies weiß ich, ich wiederhole es, Exzellenz, und aufgrund dieses Wissens gebe ich mich keiner Täuschung hin; und also weit davon entfernt, die Grundsätze des Lehrens und Unterrichtens hintanzusetzen und mich als hierfür geeignet und befähigt anzusehen, kann ich vielmehr für eben dies, was ich auch nur an einem einzigen Tag und zu einem einzigen Gegenstand auf dem Forum sagen will, eher Nachsicht als Ruhm erhoffen. (2) Obschon ich mich bei dieser Rede, Exzellenz, nur von dem ungewohnten Ort außer Fassung bringen lasse, nicht durch die Neuartigkeit des Redegegenstandes, – insofern als ich das fordere, was mir nicht nur niemand durch einen Einspruch zu behindern wagen, sondern vielmehr alle mit höchstem Vergnügen und Entgegenkommen aufnehmen dürften, denen die göttliche Großzügigkeit der Herrscher, denen die Wiederherstellung dieser Stadt, denen die eifrige Ausübung der trefflichsten Künste und Wissenschaften willkommen und erwünscht ist: dass nämlich jene Maenianischen Schulen, einst gefeiert und berühmt wegen der außergewöhnlichen Schönheit des Bauwerkes wie wegen des großen Zustroms an Menschen zu den Studiengängen, im Zuge der Instandsetzung der anderen Bauwerke und Tempel ebenfalls wiederaufgebaut werden mögen. (3) Wie sehr mich also die Stätte dieses Vortrags in ängstliche Verwirrung versetzt, ebenso sehr richtet mich der Gegenstand meiner Rede wieder auf. (4) Diesen, glaube ich, Exzellenz, sollte ich nun in folgende zwei Abschnitte unterteilen: zunächst will ich erörtern, wie es von Nutzen und unsere Pflicht ist, jenes Bauwerk zu seiner einstigen Pracht wiedererstehen zu lassen, sodann, auf welchem Weg dies ohne Aufwendung öffentlicher Gelder vonstatten gehen kann, sicherlich durch die Großzügigkeit der höchsten Herrscher, gleichwohl aber auch mit einigem persönlichem Eifer und liebevollem Einsatz für meine Vaterstadt. 4 (1) Vor allem anderen ist also, Exzellenz, der göttlichen Fürsorge unserer Imperatoren und Caesaren und ihrem außerordentlichen Wohlwollen uns gegenüber mit der Wiedererrichtung auch dieses Bauwerks Gehorsam zu leisten: ihr Wille war es ja, diese Stadt, die einst voll Stolz den Namen „Bruder des römischen Volkes“ führte und jüngst erst von einer sehr schweren Niederlage zu Boden geworfen war, als sie sich durch das räuberische Unwesen der batavischen Rebellion in Bedrängnis befand und die Hilfe des Herrschers von Rom anrief, diese Stadt also nicht nur entsprechend der Bewunderung für ihre Verdienste, sondern auch entsprechend dem Mitgefühl für ihre Schicksalsschläge aufzurichten und wiederherzustellen; und sie waren der Ansicht,

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miseratione casuum attollere ac recreare voluerunt, ipsamque ruinarum eius magnitudinem immortalibus liberalitatis suae monimentis dignam iudicaverunt, ut tanto esset inlustrior gloria restitutorum quanto ipsa moles restitutionis immanior. (2) Itaque maximas pecunias et totum, si res poscat, aerarium non templis modo ac locis publicis reficiundis sed etiam privatis domibus indulgent; (3) nec pecunias modo sed etiam artifices transmarinos et ex amplissimis ordinibus provinciarum incolas novos et devotissimarum hiberna legionum, quarum invicta robora ne in his quidem quae nunc cum maxime gerunt bellis requirunt, ut commodis nostris studio gratiae hospitalis operentur et resides aquas et novos amnes veluti aridis fessae urbis visceribus infundant. 5 (1) Ex quo manifestum est eos qui coloniam istam tot tantisque opibus totius imperii erigere atque animare statuerunt, vel praecipue sedem illam liberalium litterarum velle reparari, cui peculiarem frequentiam honestissimae iuventutis inlustrato studiorum honore providerint. (2) Cui enim umquam veterum principum tantae fuit curae ut doctrina atque eloquentiae studia florerent quantae his optimis et indulgentissimis dominis generis humani? (3) Quos ego, quod ad votum pietatemque pertinet, liberorum nostrorum parentes appellare non dubito; qui nobilissimam istam indolem Galliarum suarum interitu summi doctoris orbatam respicere dignati, suo potissimum iudicio praeceptorem ei moderatoremque tribuerunt, et inter illas imperatorias dispositiones, longe maioribus summae rei publicae gubernandae provisionibus occupatas, litterarum quoque habuere dilectum, (4) neque aliter quam si equestri turmae vel cohorti praetoriae consulendum foret, quem potissimum praeficerent sui arbitrii esse duxerunt, ne hi quos ad spem omnium tribunalium

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gerade die Größe ihrer Ruinen verdiene unvergängliche Denkmäler ihrer persönlichen Freigebigkeit, auf dass der Ruhm der Wiedererrichtung der Bauwerke umso größer sei, je außerordentlicher der Umfang des Wiederaufbaus selbst sei. (2) Daher stellen sie in ihrer Güte sehr große Summen und, falls die Sache es erfordern solle, die gesamte Kasse nicht nur für die Wiedererrichtung von Tempeln und öffentlichen Bauanlagen, sondern auch von privaten Anwesen zur Verfügung; (3) und nicht nur Gelder, sondern auch Handwerker aus Ländern jenseits des Meeres und neue Einwohner aus den höchsten Ständen der Provinzen, und sie lassen hier die ihnen treuest ergebenen Legionen ins Winterlager gehen, deren unbesiegbare Kraft und Macht sie nicht einmal bei den Kriegen beanspruchen, die gerade jetzt von ihnen in besonders großem Umfang geführt werden: auf dass diese – in eifrigem Bemühen, ihren Dank für gastliche Aufnahme abzustatten – zu unserem Nutzen und Vorteil ihr Werk verrichten und Wasser, die zum Stillstand gekommen sind, sowie neue Zuflüsse ins gleichsam ausgetrocknete Innere der erschöpften Stadt hineinströmen lassen. 5 (1) Hieraus ist deutlich, dass diejenigen, deren Entschluss es ist, diese „Colonia“ mit so zahlreichen und so bedeutenden Mitteln aus dem gesamten Reich wiederaufzurichten und ihr neues Leben zu verleihen, sogar bevorzugt jenen Sitz der freien Künste wiederherstellen lassen wollen, für den sie, die das Ansehen der Studien in so rühmliches Licht gerückt haben, einen außerordentlichen Zustrom an jungen Leuten von höchstem Ansehen vorgesehen haben. (2) Denn wer unter den einstigen Herrschern hat je solche Sorge um ein blühendes Gedeihen von Unterricht und Studien der Redekunst getragen wie diese so trefflichen und gütigen Herren des menschlichen Geschlechts? (3) Soweit es mein Verlangen und meine dankbare Liebe betrifft, zögere ich nicht, sie als die „Eltern unserer Kinder“ zu titulieren: sie haben sich dazu verstanden, ihr Augenmerk auf diese vornehmsten Talente ihrer gallischen Länder zu richten, die durch den Tod eines so meisterlich herausragenden Lehrers verwaist waren, haben ihnen, ausdrücklich nach ihrem eigenen Urteil, einen Lehrer und Lenker zuerteilt, und sie haben unter jenen kaiserlichen Anordnungen, die sich mit weitaus bedeutenderen Vorkehrungen zur Lenkung des gesamten Staatswesens befassen, auch eine Prüfung für den Bereich der literarisch-rhetorischen Bildung vorgenommen; (4) und sie haben es, nicht anders, als wenn es für eine Reiterschwadron oder eine Prätorianerkohorte zu sorgen gegolten hätte, als eine Angelegenheit ihrer persönlichen Entscheidung erachtet, wen sie am besten an die Spitze stellen sollten, damit nicht diejenigen, die zu der Aussicht, an jeder Art von Gerichten einmal tätig zu sein, oder manchmal auch zu kaiserlichen Untersuchungsbehörden oder

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aut interdum ad stipendia cognitionum sacrarum aut fortasse ad ipsa palatii magisteria provehi oporteret, veluti repentino nubilo in mediis adulescentiae fluctibus deprehensi, incerta dicendi signa sequerentur. 6 (1) In quo ego, vir perfectissime, nihil laudi meae tribuo; sed domini nostri Constantii, vere principis iuventutis, incredibilem erga iuventutem Galliarum suarum sollicitudinem atque indulgentiam mirari satis nequeo, (2) qui honorem litterarum hac quoque dignatione cumulavit ut me filio potius meo ad pristina mea studia aditum molientem ipsum iusserit disciplinas artis oratoriae retractare, et hoc ipsi palatio parentis sui munus invexerit ut mediocrem quidem pro ingenio meo naturaque vocem, caelestia tamen verba et divina sensa principum prolocutam, ab arcanis sacrorum penetralium ad privata Musarum adyta transtulerit; (3) non utique quia mihi, quem (quod sine invidia dixerim) tanta dignatione respicit quanta pro summis honoribus debet sufficere sapienti, vellet aliquid imposita ista professione detrahere, sed ut professioni ipsi ex eo honore quem gessi adderet dignitatem. (4) Cui igitur est dubium quin divina illa mens Caesaris, quae tanto studio praeceptorem huic conventui iuventutis elegit, etiam locum exercitiis illius dedicatum instaurari atque exornari velit, cum omnes omnium rerum sectatores atque fautores parum se satisfacere voto et conscientiae suae credant, si non ipsarum quas appetunt gloriarum templa constituant? 7 (1) Inde est quod Atheniensis humanitas aram Misericordiae instituit, quod Romani ducis animi magnitudo templum Virtutis et Honoris. (2) Quarum enim artium sive animi adfectionum magnis hominibus ingeneratus ardor fuerit, earum etiam consecrata exsistere ad posteros monimenta voluerunt.

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vielleicht sogar zu den eigentlichen Ämtern des Palastes aufsteigen sollten, gleichsam von einem unerwarteten Gewölk mitten in den unruhigen Fluten der Jugend überrascht, unsicheren Orientierungsmarken in der Redekunst nachzufolgen hätten. 6 (1) Hierbei messe ich, Exzellenz, nichts meinem eigenen Ruhm zu, sondern ich vermag nicht genug unseren Herrn Constantius, wahrhaft ein „Kaiserliches Haupt der Jugend“, in seiner unglaublichen Sorge und Güte gegenüber der Jugend seiner gallischen Länder zu bewundern; (2) er hat den Ehrenrang der literarisch-rhetorischen Bildung auch durch eben den Ausdruck seiner Wertschätzung erhöht, dass er mir, der ich doch eher meinem Sohn den Zugang zu meinen alten Studien ebnen wollte, den Auftrag erteilt hat, den Unterricht in den Fächern der Redekunst selbst wiederaufzunehmen, und dass er es gerade dem Palast seines Vaters als Aufgabe zugewiesen hat, meine Stimme, die zwar entsprechend meinem Talent und meiner Naturanlage nur von mittlerem Maß, jedoch schon Künder der himmlischen Worte und göttlichen Gedanken unserer Herrscher gewesen ist, aus der Abgeschlossenheit des inneren kaiserlichen Palastbereichs hinzulenken zu den privaten heiligen Stätten der Musen; (3) und dies tat er durchaus nicht, weil er mir mit der Auferlegung dieser beruflichen Aufgabe etwas wegnehmen wollte – mir, den er (ich kann dies wohl sagen, ohne Neid zu erwecken) mit solcher Wertschätzung betrachtet, wie sie dem Weisen als Zeichen höchster Ehrenbezeigungen genügen soll – , sondern um eben diesem Beruf größere Wertschätzung zu verleihen aufgrund der Ehrenstellung, die ich bekleidet habe. (4) Wer also vermag daran zu zweifeln, dass Caesar in eben jener göttlichen Denkungsart, die ihn mit solchem Eifer einen Lehrer für diese Versammlung der Jugend auswählen ließ, auch den Ort, der für ihre Übungen bestimmt ist, wiederherstellen und schön ausstatten lassen will, da doch in allen Bereichen alle Verfechter und Gönner einer Sache nicht ihrem Wunsch und Gewissen hinreichend Genüge zu leisten glauben, wenn sie nicht die Heiligtümer für eben den Tatenruhm errichten können, nach dem sie streben? 7 (1) So kommt es, dass die Geistes- und Herzensbildung der Athener den Bau eines Altars der Misericordia (Barmherzigkeit), die hohe Gesinnung eines römischen Feldherrn die Errichtung eines Tempels der Virtus und des Honor (Ehre) veranlasst hat. (2) Große Menschen hatten nämlich den Wunsch, für diejenigen Künste oder Neigungen ihres Geistes, zu denen ihnen von Natur leidenschaftliche Begeisterung angeboren war, auch Denkmäler zu weihen und in die Nachwelt hinein fortleben zu lassen.

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(3) Aedem Herculis Musarum in circo Flaminio Fulvius ille Nobilior ex pecunia censoria fecit, non id modo secutus quod ipse litteris et summi poetae amicitia duceretur, sed quod in Graecia cum esset imperator acceperat Heraclen Musageten esse, id est comitem ducemque Musarum, idemque primus novem signa, hoc est omnium, Camenarum ex Ambraciensi oppido translata sub tutela fortissimi numinis consecravit, ut res est, quia mutuis opibus et praemiis iuvari ornarique deberent, Musarum quies defensione Herculis et virtus Herculis voce Musarum. 8 (1) Credo igitur, tali Caesar Herculius et avi Herculis et Herculii patris instinctu tanto studium litterarum favore prosequitur, ut non minus ad providentiam numinis sui existimet pertinere bene dicendi quam recte faciendi disciplinas, (2) et pro divina intellegentia mentis aeternae sentiat litteras omnium fundamenta esse virtutum, utpote continentiae modestiae vigilantiae patientiae magistras. Quae universa cum in consuetudinem tenera aetate venerunt, omnia deinceps officia vitae et ad ipsa quae diversissima videntur militiae atque castrorum munia convalescunt. (3) Ideoque his omnis industriae atque omnis laudis nutricibus aut, ut verius loquar, matribus cum praeceptorem Caesar Herculius declarare dignatus sit, necesse est etiam sedem propriam cupiat reformari ut, cum ad antiquam firmitatem cultumque reparata sit, multo hic iustius et verius nuncupetur aedes Herculis atque Musarum. 9 (1) Et sane, vir perfectissime, interest etiam gloriae quam tanti principes tot victoriis ac triumphis merentur, ut ingenia quae canendis eorum virtutibus excoluntur non intra privatos parietes sed in publica ostentatione et in ipso urbis istius ore vegetentur. (2) Quid autem magis in facie vultuque

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(3) So hat denn jener berühmte Fulvius Nobilior beim Circus Flaminius aus der Kasse der Zensoren den Tempel für Hercules Musarum errichten lassen; und er hat dieses Vorhaben nicht nur verfolgt, weil er selbst von der Literatur und der Freundschaft zu einem ganz vortrefflichen Dichter bewegt wurde, sondern weil er zur Zeit seines Griechenlandaufenthaltes als Feldherr von der Existenz eines Hercules Musagetes erfahren hatte, d.h. eines Geleiters und Führers der Musen: und eben er hat als erster die neun Statuen der Camenen, d.h. von ihnen allen, aus der Stadt Ambrakia abtransportieren lassen und sie unter den Schutz der tapfersten Gottheit gestellt, weil sie, wie es der Fall ist, durch gegenseitige Hilfe und Lohn Unterstützung und Auszeichnung voneinander erhalten sollten, die Ruhe der Musen durch den Schutz des Herkules, die Leistung des Herkules durch die Stimme der Musen. 8 (1) Ich glaube also, es ist solcher Anregung durch seinen Ahnherrn Herkules und seinen Vater (Maximianus) Herculius zu verdanken, dass Caesar Herculius das Studium der literarisch-rhetorischen Bildung mit so tiefer Gewogenheit begleiten lässt, dass er der Ansicht ist, zur planenden Fürsorge seines göttlichen Waltens gehöre Bildung in der trefflichen Rede ebenso wie die im rechten Handeln; (2) dass er ferner vermöge der göttlichen Einsichtskraft seines immerwährenden Geistes überzeugt ist, dass literarisch-rhetorische Bildung die Grundlage aller Tugenden darstellt, da sie ja Lehrmeisterin von Selbstbeherrschung, Besonnenheit, Wachsamkeit und Geduld ist. Wenn all diese Dinge schon in jugendlichem Alter zu eingeübter Gewohnheit herangebildet sind, erstarken sie in der Folge für alle Obliegenheiten des Lebens und sogar – dies scheinen ja völlig entgegengesetzte Gebiete zu sein – für die Aufgaben des Kriegsdienstes und des Lebens im Feld. (3) Und da Caesar Herculius es deshalb als angemessen erachtet hat, für die Nährerinnen oder, um es richtiger zu sagen, für die Mütter jeglichen Tateneifers und jeder ruhmvollen Handlung einen Lehrer zu ernennen, muss er also auch den Wunsch haben, ihren eigenen Wohnsitz wiederzuerrichten, damit dieser – ist er erst einmal zu seiner vorigen Standfestigkeit und Pracht wiederhergestellt – dann mit viel größerer Berechtigung und viel mehr der Wahrheit entsprechend „Tempel des Herkules und der Musen“ genannt werden kann. 9 (1) Und es liegt wirklich, Exzellenz, auch im Interesse des Ruhmes, den die so trefflichen Herrscher sich in so zahlreichen Siegen und Triumphen erwerben, dass die Talente, die darin ausgebildet werden, ihre Leistungen zu besingen, nicht verborgen in privaten Mauern, sondern der Öffentlichkeit präsentiert und gerade im Angesicht dieser Stadt zum Leben herangebildet werden. (2) Was liegt aber eher im Antlitz und Angesicht dieses Gemeinwe-

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istius civitatis situm est quam haec eadem Maeniana in ipso transitu advenientium huc invictissimorum principum constituta? Qui cum se occursu laetae iuventutis adfici non solum liberalitate quam ipsi tribuunt sed etiam litteris quibus me ad institutionem eius cohortantur ostendant, quanto plus capient voluptatis cum reparatum videant ipsum conciliabulum iuventutis? (3) Ad hoc, vir perfectissime, opus istud reddit inlustrius et cum ipsorum Caesarum, tum etiam omnium hominum adspectui promptius, quod praecipuo est loco positum quasi inter ipsos oculos civitatis, inter Apollinis templum atque Capitolium. (4) Quo magis est etiam sacrosancta sedes utriusque lateris veneranda confinio utriusque numinis instauranda respectu, ne fana longe omnium in hac urbe pulcherrima labes media deformet, praesertim cum mihi videatur ipse ille qui Maeniana haec primus exstruxit idcirco ea illic potissimum conlocasse, ut veluti cognato vicinorum sibi numinum tenerentur amplexu, cum augustissima tecta litteris dedicata inde Athenarum conditrix Minerva conspiceret, hinc Apollo medius Camenarum. 10 (1) Igitur ibi maxime et oportet et fas est exercere iuventutis ingenia, ubi tam propinqua sunt numina amica doctrinae, ubi ex proximo iuvat mens divina sapientiam et carminum deus vocem et verecundiam virgo perpetua et providentiam praescius futurorum. (2) Ibi adulescentes optimi discant, nobis quasi sollemne carmen praefantibus, maximorum principum facta celebrare (quis enim melior usus est eloquentiae?), ubi ante aras quodammodo suas Iovios Herculiosque audiant praedicari Iuppiter pater et Minerva socia et Iuno placata. (3) Satis me verborum fecisse arbitror, vir perfectissime, de eo quod mihi ad dicendum prius constitueram, quam sit ex usu atque officio instaurari opus illud studiis quibus optimi principes maxime favent dedicatum, in ipsa civitatis fronte positum, celeberrimis templis utrimque coniunctum.

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sens als eben diese Maeniana, erbaut unmittelbar an der Straße, auf der bei ihrer Ankunft hier die gänzlich unbesiegbaren Herrscher durch die Stadt ziehen? Da sie ihr Angerührtsein von der Begegnung mit dieser Jugend in ihrem freudigen Ungestüm nicht nur durch die großzügigen Geschenke kundtun, die sie selbst ihr zukommen lassen, sondern auch durch den Brief, in dem sie mich zur Unterrichtung derselben auffordern, wie viel größeres Wohlgefallen werden sie daran finden, wenn sie die Versammlungsstätte der Jugend selbst wiederaufgebaut erblicken? (3) Ferner ist dieses Bauwerk, Exzellenz, dadurch in helleres Licht gerückt und dem Anblick sowohl der Caesaren selbst als auch der Menschen insgesamt unmittelbarer zugänglich, dass es an einem erhabenen Ort gelegen ist, gleichsam zwischen den Augen der Stadt selbst, zwischen dem Tempel des Apollon und dem Kapitol. (4) Umso eher ist auch diese hochheilige Stätte, verehrungswürdig durch die Nachbarschaft zu beiden Seiten, mit Rücksicht auf die beiderseitigen Gottheiten wiederherzustellen, damit nicht die weitaus schönsten aller Heiligtümer in dieser Stadt ein Schandfleck in ihrer Mitte verunstalte, – zumal jener erste Erbauer dieser Maeniana sie selbst gerade deshalb an jenem Platz errichtet hat, wie mir scheint, damit ihnen benachbarte Gottheiten sie in gleichsam verwandtschaftlicher Umarmung hielten: denn auf die so erhabenen Dächer, die den literarisch-rhetorischen Studien gewidmet sind, blicken von der einen Seite die Gründerin Athens, Minerva, von der anderen Seite Apollon inmitten seiner Camenen. 10 (1) Es ist also ganz besonders angemessen und rechtens, die Begabungen der Jugend an eben dem Ort auszubilden, wo Gottheiten, die dem Wissen freundlich zugeneigt, so nahe benachbart sind; wo aus unmittelbarer Nähe göttlicher Geist die Einsicht fördert und der Gott der Dichtung die Sprache, bescheidene Zurückhaltung die ewig Jungfräuliche und die Voraussicht er, der die Zukunft im Voraus kennt. (2) Dort sollen die trefflichsten jungen Männer lernen, – während wir ihnen gleichsam eine feierliche Formel vorsprechen –, die Taten der höchsten Herrscher rühmend zu verkünden (welch bessere Anwendung gibt es denn für die Redekunst?), wo dann, sozusagen vor ihren eigenen Altären, Vater Jupiter, seine Gefährtin Minerva und die freundliche Juno den Lobpreis der Jovier und Herkulier hören können. (3) Ich bin der Meinung, Exzellenz, jetzt genügend über das Thema gesagt zu haben, das ich mir als erstes vorgenommen hatte, – nämlich wie es von Nutzen und unsere Pflicht ist, jenes Bauwerk wiedererstehen zu lassen, das den Studien geweiht ist, denen die trefflichsten Herrscher so sehr gewogen sind, das mitten auf der Stirne unserer Stadt liegt und das sich beiderseits an hochberühmte Tempel anschließt.

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11 (1) Nunc, quod in secundum eundemque locum distuli, quemadmodum id sine sumptu publico et cum laude sacrae largitionis fieri possit ostendam. (2) Salarium me liberalissimi principes ex huius rei publicae viribus in sexcenis milibus nummum accipere iusserunt, non quoniam non amplius tribuere commodis meis vellent, in quem multo maiora et prius et postea praemia contulerunt, sed ut trecena illa sestertia, quae sacrae memoriae magister acceperam, in honore privati huius magisterii addita pari sorte geminarent. (3) Hoc ego salarium, quantum ad honorem pertinet, adoratum accipio et in accepti ratione perscribo; sed expensum referre patriae meae cupio, et ad restitutionem huius operis, quoad usus poposcerit, destinare. Cuius voluntatis meae ratio etsi adserenda non est, tamen sub hac tua humanitate et circumstantium exspectatione qua me audiri sentio aliquatenus prosequenda est. 12 (1) Nam primum omnium in hoc ego maximos censeo fructus praemiorum, ut digni quibus tribuantur habeamur; siquidem ipse usus pecuniae bonis malisve artibus partae promiscus et vilis est, honestis vero rationibus posse adquirere summum, etiamsi quaestum remiseris, lucrum est. (2) Neque enim Syrus mercator aut Deliacus aut Indicus ad uberrima ista compendia laudis adspirat, sed rarae atque inter paucissimos opes sunt contentae meritis conscientiae. Quippe hoc ipso praemii gloria continetur, ne id cupiditate quaerendi adfectasse videamur. Quod hoc uno adsequi possumus, si pro accepto ducamus oblatum, ut industriae sit ad sumendi copiam pervenire potuisse, continentiae praeterisse. 13 (1) An si fortissimi viri in sacris certaminibus summo labore atque etiam vitae periculo solam vocem praeconis et coronae testimonium petunt,

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11 (1) Nun will ich darlegen, was ich für den zweiten und zugleich wichtigeren Teil aufgehoben habe, nämlich wie dies ohne öffentlichen Aufwand, verbunden mit dem Lobpreis kaiserlicher Großzügigkeit, zu geschehen vermag. (2) Die überaus freigebigen Herrscher haben die Anweisung erteilt, ich solle aus den Mitteln dieses Staates ein Gehalt von 600.000 Sesterzen beziehen, nicht, weil sie mir keine größere Summe zu meinem Vorteil zuweisen wollten – sie haben mir in der Zeit davor wie auch danach viel größere Belohnungen zukommen lassen –, sondern um jene 300.000 Sesterzen, die ich als Leiter des Ressorts des „Kaiserlichen Gedächtnisses“ erhalten hatte, als Auszeichnung für dieses private Lehramt zu verdoppeln, indem sie nochmals die gleiche Summe hinzufügten. (3) Dieses Gehalt nehme ich, soweit es die Auszeichnung angeht, mit Ehrerbietung an und verbuche es unter der Rubrik „Einnahmen“; doch ist es mein Wunsch, diese Zahlung meiner Heimatstadt zu überschreiben und zur Wiedererrichtung dieses Bauwerkes zur Verfügung zu stellen, solange die Notwendigkeit es erfordern wird. Wenn für diesen Wunsch meinerseits auch keine Begründung hinzuzufügen ist, so empfinde ich doch, angesichts deiner freundlichen Teilnahme und der erwartungsvollen Haltung, mit der das ringsum stehende Publikum, wie ich merke, mir zuhört, die Notwendigkeit, hierüber einige Ausführungen zu machen. 12 (1) Denn zunächst einmal sehe ich den größten Gewinn aller Belohnungen darin, dass wir für Männer gehalten werden, die es verdienen, sie zuerteilt zu bekommen: denn der Nutzen des Geldes selbst, sei es auf guten oder schlechten Wegen erworben, ist allgemein und von geringem Wert, doch es bedeutet höchsten Gewinn, imstande zu sein, es auf ehrenhafte Weise erlangen zu können, auch wenn man auf den materiellen Ertrag verzichtet. (2) Denn es ist nicht der Kaufmann aus Syrien oder von Delos oder aus Indien, der nach überreichem Gewinn an Ruhm von solcher Art strebt, sondern selten und bei sehr wenigen Menschen gibt es ein Hab und Gut, das sich mit dem Verdienst eines reinen Gewissens zufrieden gibt. Der Ruhm der Belohnung besteht ja eben darin, nicht den Anschein entstehen zu lassen, man habe sie aus Gewinnsucht erstrebt. Dies können wir allein dann erreichen, wenn wir die Gewährung der Belohnung schon als ihren Empfang betrachten, so, dass es von beharrlichem Fleiß zeugt, imstande gewesen zu sein, die Möglichkeit des Empfangs zu erlangen, von Selbstbescheidung, darauf verzichtet zu haben. 13 (1) Wenn in den heiligen Wettkämpfen tapferste Männer unter höchster Anstrengung und sogar Lebensgefahr allein den Ruf des Herolds und das Zeugnis des Siegeskranzes als Ziel erstreben, soll ich dann etwa nicht jenen

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ego verba illa divina caelestesque litteras, quibus mihi tanti principes instituendam iuventutem commendare dignati sunt, non ultra omnium vocum potentiam venerabundus accipiam, non ultra omnes laureas colam? (2) Quas ego, vir perfectissime, – tamenetsi hanc quoque mihi veniam tribuas oportet. Neque enim fas ipsius epistulae sacrae commemorationem solam sine obsequio recitationis inducere, ut ea perlecta magis eluceat quantum me studium par sit impendere non ipsis modo litteris sed etiam et templis ac sedibus litterarum. 14 (1) [Exemplar sacrae epistulae.] ‘Merentur et Galli nostri ut eorum liberis, quorum vita in Augustodunensium oppido ingenuis artibus eruditur, et ipsi adulescentes, qui hilaro consensu meum Constantii Caesaris ex Italia revertentis suscepere comitatum, ut eorum indoli consulere cupiamus. (2) Proinde quod aliud praemium his quam illud conferre debemus, quod nec dare potest nec eripere Fortuna? (3) Unde auditorio huic, quod videtur interitu praeceptoris orbatum, te potissimum praeficere debuimus, cuius eloquentiam et gravitatem morum ex actus nostri habemus administratione compertam. (4) Salvo igitur privilegio dignitatis tuae hortamur ut professionem oratoriam repetas atque in supra dicta civitate, quam non ignoras nos ad pristinam gloriam reformare, ad vitae melioris studium adulescentium excolas mentes, nec putes hoc munere ante partis aliquid tuis honoribus derogari, cum honesta professio ornet potius omnem quam destruat dignitatem. (5) Denique etiam salarium te in sescenis milibus nummum ex rei publicae viribus consequi volumus, ut intellegas meritis tuis etiam nostram consulere clementiam. Vale, Eumeni carissime nobis.’ 15 (1) Ita non videtur tibi, vir perfectissime, hac tantorum principum exhortatione non solum meus ex otio iacens ad pristinas artes animus attolli, verum etiam ipsi quodammodo veterum scholarum parietes et tecta

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göttlichen Worten und jenem himmlischen Brief, mit dem die so erhabenen Herrscher mir die Unterweisung der Jugend zu übertragen geruht haben, über die Macht aller menschlichen Stimmen hinaus mit ehrfürchtigem Respekt begegnen und sie in Empfang nehmen, soll ich sie nicht über alle Lorbeerkränze hinaus in Ehren halten? (2) Die ich, Exzellenz – doch es ist erforderlich, dass du mir auch diese Erlaubnis noch erteilst: denn es ist nicht rechtens, das kaiserliche Schreiben selbst nur mit einer Erwähnung zu präsentieren, ohne der Pflicht nachzukommen, den Wortlaut zu verlesen, damit nach dem Vorlesen noch deutlicher ist, wie viel Eifer ich angemessenerweise nicht nur für die literarisch-rhetorischen Studien selbst, sondern auch für Tempel und Wohnstätten der literarisch-rhetorischen Studien aufzuwenden habe. 14 (1) [Belegstück des kaiserlichen Schreibens] „Einerseits haben unsere Gallier verdienten Anspruch darauf, dass es unser Anliegen ist, für ihre Kinder zu sorgen, deren Leben in der Stadt Augustodunum Bildung in den freien Künsten erfährt; ebenso verdienen es die jungen Leute selbst, dass es unser Anliegen ist, für ihr Talent Sorge zu tragen, sie, die mit freudiger Einmütigkeit mein Geleit übernommen haben, als ich, Constantius Caesar, mich auf der Rückkehr aus Italien befand. (2) Welch anderen Lohn müssen wir ihnen also zumessen als jenen, den Fortuna weder zu geben noch zu entreißen vermag? (3) Daher sahen wir uns verpflichtet, für dieses Auditorium, das durch den Tod seines Lehrers verwaist zu sein scheint, gerade dich als Leiter zu bestellen, dessen Beredsamkeit und charakterlichen Ernst wir aus deiner Verwaltung unseres Geschäftsbereichs kennengelernt haben. (4) Unbeschadet des Privilegs deiner Ehrenstellung fordern wir dich also auf, den Rednerberuf wieder zu ergreifen und in der oben erwähnten Stadt, die wir, wie dir ja nicht unbekannt ist, zu ihrem einstigen Ruhm wiedererstehen lassen, den Geist der Jugend zur Bemühung um ein besseres Leben heranzubilden; ferner sollst du nicht glauben, durch diese Aufgabe werde dir irgendetwas von deinen zuvor erworbenen Ehren weggenommen, da ein ehrenhafter Beruf jeden Rang eher auszeichnet, als dass er ihm Abbruch tut. (5) Schließlich sollst du nach unserem Willen auch ein Gehalt von 600.000 Sesterzen aus Mitteln des Staates erhalten, damit du erkennst, dass unsere Güte auch um deine Verdienste Sorge trägt. Lebe wohl, uns teuerster Eumenius!“ 15 (1) Scheint es dir nicht so zu sein, Exzellenz, dass infolge dieser Aufforderung unserer so mächtigen Herrscher nicht nur mein Geist sich wieder aus der Muße, in welcher er zur Ruhe lag, zu den früheren Künsten erhebt, sondern dass sich auch Mauern und Dächer der alten Schulen gewissermaßen selbst

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consurgere? (2) Quod enim tantum carmen Amphioni, quae tanta plectro fidibusque dulcedo quam secuta quondam saxa perhibentur, ut ducentibus subvecta modulis et ad intervalla carminum resistentia sponte murum velut arte construerent, quanta in his imperatorum et Caesarum litteris inest ad omnis animorum impetus effectusque rerum ciendos vis atque permotio? (3) Qui quod iubere possunt suadere dignantur et, cum vel tacitas eorum ac vultu tenus significatas voluntates summi patris sequatur auctoritas, cuius nutum promissionem confirmantis totius mundi tremor sentit, ipsi tamen ultro imperandi potestatem cohortandi humanitate conciliant. (4) Quin etiam laudibus incitant, gravitatem morum dicendi facultatem sibi probatam et cognitam praedicantes, palatini honoris privilegium oratoriae professioni salvum et incolume servantes. (5) Quibus ego divinae benignitatis inlecebris, etiamsi omni sensu ante caruissem, ad quamvis profecto intellegentiam moverer ac ducerer, siquidem tantos principes unum hominem tanta laude decorare non est oratorem admonere sed facere. 16 (1) Quid igitur mihi cum numerata pecunia? Immo quid cum ullis opibus aut Midae regis aut Croesi aut ipsius qui auro dicitur fluxisse Pactoli, cum divina haec testimonia omnibus divitiis atque ipsis deorum praemiis anteponam? (2) Nisi forte Pythiados illius excellentem Socratis sapientiam vaticinatae aut magnificentius carmen videtur aut verius quam quod Iovii Herculiique pronuntiant, quorum ne nutus quidem possunt, non modo dicta, revocari. (3) Quamobrem, ut dixi, vir perfectissime, sescena illa, quantum ad honorem spectat, accipi oportet; re autem atque usu delego patriae et ipsi potissimum operi in quo studia nostra celebranda sunt. (4) Videor enim mihi id quod sacris litteris continetur, ut salvo honoris mei privilegio doceam, hoc manifestius atque inlustrius retenturus ut me dignum talibus

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wiederaufrichten? (2) Denn welches Lied stand Amphion so machtvoll zur Verfügung, welche Süße war seinem Plektron und seinen Saiten so betörend verliehen, – ihr sollen ja einst Felsblöcke nachgefolgt sein, um so, vom Takt der musikalischen Weise angeführt und in Bewegung versetzt, bei den Pausen der Lieder wiederum innehaltend, ohne sonstige Hilfe eine Mauer gleichsam nach den Regeln der Kunst erstehen zu lassen – , welches Lied also, welche Süße war so groß wie die Macht und Bewegung, die dem Brief der Imperatoren und Caesaren innewohnt, nämlich jegliche Begeisterung der Herzen zu wecken und jegliche Durchführung der Taten zu bewirken? (3) Sie lassen sich herbei, als Empfehlung auszusprechen, wozu sie Befehl erteilen könnten, und obwohl sogar ihre stummen und durch ihr bloßes Mienenspiel bezeichneten Willensäußerungen die Autorität des höchsten Vaters begleitet, dessen nickenden Wink bei Bekräftigung eines Versprechens die gesamte Welt erbebend spürt, verbinden sie dennoch selbst, aus freien Stücken, die Macht des Befehls freundschaftlich mit der Milde der Aufforderung. (4) Ja, sie spornen mich sogar mit Lobesworten an, da sie den Ernst meines Charakters, das Talent zur Rede als ihrerseits erprobt und wohlbekannt rühmend verkünden und das Privileg meines Ehrenrangs am Hof dem Amt des Redners heil und unversehrt erhalten. (5) Dieser lockende Reiz göttlicher Wohlgesonnenheit würde mich – wäre ich auch zuvor jeden natürlichen Verstandes bar gewesen – wahrhaftig zu jeder Art von Einsicht anregen und hinführen: wenn ja so große Herrscher einen Mann allein mit so hohem Lob ehren, heißt dies nicht, den Redner anzuspornen, sondern ihn zu erschaffen! 16 (1) Was soll ich also mit dem ausgezahlten Geld beginnen? Ja, was soll ich gar mit irgendwelchen Schätzen des Königs Midas, des Kroisos oder selbst des Paktolus anfangen, dessen Fluten von Gold dahinströmten, wie es heißt, – da ich diese göttlichen Zeugnisse allen Reichtümern und selbst den Belohnungen der Götter vorziehe? (2) Es sei denn, der Spruch jener Pythia, die als Seherin von der überragenden Weisheit des Sokrates kündete, erschiene rühmlicher oder wahrer als das, was die Jovier und Herkulier kundtun: denn, abgesehen von ihren Worten, ist schon ihr bloßer Wink und Wille unwiderruflich gültig. (3) Daher ziemt es sich, wie ich gesagt habe, Exzellenz, jene 600.000 Sesterzen anzunehmen, soweit es um meine Auszeichnung geht; doch tatsächlich und in der Praxis übertrage ich sie meiner Heimatstadt und zwar vorzüglich für eben dasjenige Bauwerk, in dem unsere Studien mit Eifer betrieben werden sollen. (4) Ich glaube nämlich, die Wertschätzung, die in dem kaiserlichen Brief enthalten ist, – dass ich, unbeschadet des Privilegs meiner Ehrenstellung, als Lehrer tätig sein soll –, dadurch umso klarer sichtbar und glänzender bewahren zu können, dass ich mich durch die Liebe zu

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aeternorum principum iudiciis probem amore rei publicae. (5) Equidem ipsos patriae deos testor tanto me civitatis istius amore flagrare ut, quocumque oculos circumtuli, ad restitutionem operum singulorum ita gaudio ferar ut spiritum identidem meum pro illorum salute devoveam, quorum iussu opibusque reparantur. (6) Sed tamen hoc quod mihi ornandae professionis meae causa tributum est huic me praecipue sentio debere monimento. 17 (1) Etenim si bello parta Marti dicantur, si mari quaesita Neptuno, si messes Cereri, si Mercurio lucra libantur, si item rerum omnium ad cultum referuntur auctorum, ubi fas est docendi praemia consecrare nisi in sede dicendi? (2) – praesertim cum mihi ultra communem cum ceteris studiorum religionem etiam proprius quidam sit erga Maeniana illa ex maiorum meorum recordatione dilectus. (3) Quamvis enim ante ingressum pueritiae meae intermissa fuerit eorum exercendis studiis frequentatio, tamen illic avum quondam meum docuisse audio, hominem Athenis ortum, Romae diu celebrem, mox in ista urbe perspecto probato hominum amore doctrinae atque huius ipsius operis veneratione detentum. (4) Cuius ego locum in quo, ut referunt, maior octogenario docuit, si ab isto venerabili sene (te, Glauce, appello praesentem quem videmus, non civitate Atticum sed eloquio) recoli ornarique perfecero, ipsum mihi videbor ad vitam tali professionis suae successione revocasse. (5) Quod quidem ego meum erga honorem domus ac familiae meae studium non confiterer, vir perfectissime, nisi si ipsis imperatoribus Caesaribusque nostris gratum esse confiderem ut publicam eorum in restituendo orbe pietatem pro suo quisque captu in renovandis suorum vestigiis aemuletur. 18 (1) Quis enim nunc sit animo tam humili, tam abiecto, tam ab omni appetitione laudis alieno ut non et quantulamcumque memoriam suorum

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meinem Land eines solchen Urteils der immerwährenden Herrscher würdig erweise. (5) Ich rufe von meiner Seite die Götter meiner Heimat selbst zu Zeugen an: ich liebe diese Stadt so leidenschaftlich, dass, wohin ich meine Augen ringsum auch gewendet halte, ich mich angesichts der Wiederinstandsetzung der einzelnen Bauwerke von solcher Freude dahingetragen fühle, dass ich stets aufs Neue den Atem meines Lebens dem Wohlergehen derjenigen angelobe, auf deren Geheiß und mit deren Mitteln sie wiederhergestellt werden. (6) Aber dennoch schulde ich das, was mir zur ehrenden Ausstattung meines Berufes zugewiesen ist, wie ich es empfinde, an erster Stelle diesem Bauwerk hier. 17 (1) Denn wenn ja die Beute des Krieges Mars geweiht wird, wenn der Gewinn aus dem Meer Neptun, wenn die Ernteerträge Ceres, wenn Merkur die Handelsgewinne dargeboten werden, wenn ebenso die Früchte aller Bereiche an ihre Urheber zurückfließen, sie zu ehren: wo anders ist es dann rechtens, den Lohn für mein Lehramt zu weihen als am Wohnsitz der Rede? (2) Zumal ich, über die Verehrung für die Studien hinaus, die ich mit den anderen Menschen teile, aus der Erinnerung an meine Vorfahren sogar eine ganz persönliche Zuneigung zu jenen Maeniana empfinde. (3) Denn obgleich schon vor Beginn meines Knabenalters ihr Besuch zur Durchführung der Studien ausgesetzt war, hat doch mein Großvater, wie ich höre, dort einst unterrichtet, ein Mann, der in Athen geboren, in Rom lange Zeit gefeiert war und sich dann in dieser Stadt festhalten ließ, da er die Liebe der Menschen zum Unterricht erkannt und erprobt hatte, wie auch aufgrund seiner Verehrung für eben dieses Bauwerk. (4) Wenn ich es nun erreiche, dass seine Wirkungsstätte, an der er, wie man berichtet, über das achtzigste Lebensjahr hinaus Unterricht erteilt hat, von diesem ehrwürdigen Greis hier (ich wende mich an dich, Glaucus, den wir hier anwesend sehen, einen Attiker, nicht nach dem Bürgerrecht, jedoch in der Beredsamkeit!) wiederhergestellt und ausgeschmückt wird, dann wird es mir vorkommen, als hätte ich mit einer solchen Nachfolge in seinem eigenen Beruf ihn selbst ins Leben zurückgerufen. (5) Freilich würde ich meinerseits nicht solchen Eifer für die Ehre meines Hauses und meiner Familie an den Tag legen, Exzellenz, wäre ich mir nicht durchaus sicher, dass es eben unseren Imperatoren und Caesaren selbst willkommen ist, dass ein jeder entsprechend seiner Befähigung in der Wiederbelebung der Spuren seiner Angehörigen wetteifert mit ihrer liebevollen Sorge um die Allgemeinheit im Wiederaufbau des Erdkreises. 18 (1) Wer könnte denn heute so niedrigen, so verächtlichen Sinnes sein, so fern von jedem Ruhmesstreben, dass er nicht wünschte, die Erinnerung an

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excitare et sibi aliquid secundae opinionis cupiat adquirere, cum videat omnia quae priorum labe conciderant hac felicitate saeculi resurgentia, tot urbes diu silvis obsitas atque habitatas feris instaurari moenibus, incolis frequentari; (2) quod in Aegaeo mari semel contigit ut, quae operta fluctibus vagabatur, repente insula Delos exsisteret, eius nunc simile tot orientibus undique civitatibus, tot insulis ad humanos cultus quasi renascentibus evenire? (3) Nisi forte non gravior Britanniam ruina depresserat quam si superfuso tegeretur Oceano, quae profundissimo poenarum gurgite liberata ad conspectum Romanae lucis emersit, aut haec ipsa quae modo desinit esse barbaria non magis feritate Francorum velut hausta desiderat quam si eam circumfusa flumina et mare adluens operuisset. (4) Nam quid ego alarum et cohortium castra percenseam toto Rheni et Histri et Eufratae limite restituta? Qua veris autumnive clementia tot manu positae arbores convalescunt, quo calore solis tot depressae imbribus segetes resurgunt, quot ubique muri vix repertis veterum fundamentorum vestigiis excitantur! (5) Adeo, ut res est, aurea illa saecula, quae non diu quondam Saturno rege viguerunt, nunc aeternis auspiciis Iovis et Herculis renascuntur. 19 (1) Sed enim, vir perfectissime, inter omnia quae virtute principum ac felicitate recreantur, sint licet fortasse alia magnitudine atque utilitate potiora, nihil est tamen admirabilius hac liberalitate quam fovendis honorandisve litterarum studiis impartiunt. (2) Quippe, ut initio dixi, nulli umquam antehac principes pari cura belli munia et huiusmodi pacis ornamenta coluerunt. (3) Diversissimus enim ad utramque sectam deflexus est, dispar natura mentium et discrepans in electione iudicium; ipsorum denique

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seine Vorfahren wachzurufen (wie bescheiden an Größe sie auch sei) und für sich selbst einige Wertschätzung zu gewinnen? Sieht er doch, wie alles, was im Untergang der Vorfahren niedergestürzt war, sich im Glück des jetzigen Zeitalters wiedererhebt, dass so zahlreiche Städte, lange Zeit von Waldgestrüpp überwuchert und von wilden Tieren bewohnt, in ihren Mauern wiedererstehen und in Fülle mit Einwohnern bevölkert werden; (2) ferner, dass heute etwas Ähnliches wie das, was sich einmal im Ägäischen Meer zugetragen hat – dass nämlich die Insel Delos, die von Fluten bedeckt umherirrte, plötzlich an die Oberfläche emporgetaucht ist –, so vielen Städten widerfährt, die allenthalben entstehen, und so vielen Inseln, die zu menschlicher Lebensweise gleichsam wiedergeboren werden. (3) Es sei denn, der Zusammenbruch, der Britannien niedergedrückt hatte, wäre nicht noch schlimmer gewesen, als wenn es vom Ozean überspült und bedeckt gewesen wäre, – das aus tiefstem Abgrund der Leiden befreit, emporgetaucht ist, das Licht Roms zu erblicken; oder gerade dieses Land, das soeben aufhört, Barbarenland zu sein, wäre nicht, von der Wildheit der Franken gleichsam verschlungen, in größere Tiefe versunken, als wenn die Ströme, die es rings umfließen, und die Meeresflut, die an seine Ufer spült, es bedeckt hätten. (4) Denn wozu soll ich die Lager von berittenen Flügeltruppen und Infanteriekohorten aufzählen, die am gesamten Grenzsaum von Rhein, Hister (Donau) und Euphrat wieder instandgesetzt sind? In welcher milden Frühlings- oder Herbstzeit wachsen Bäume, mit eigner Hand gepflanzt, in solcher Zahl heran, in welcher sommerlichen Sonnenwärme richten so viele Saaten, die von Regengüssen niedergedrückt waren, ihre Halme wieder auf, wie die Mauern, die sich überall aus den kaum noch aufgefundenen Spuren alter Fundamente erheben? (5) In solchem Maß erleben in der Wirklichkeit jene Goldenen Zeitalter, denen einst, unter der Herrschaft des Saturn, nur eine kurze Blütezeit vergönnt war, heute ihre Wiedergeburt, unter den unvergänglichen Auspizien von Jupiter und Herkules. 19 (1) Doch wahrhaftig, Exzellenz, unter allen Werken, die Tatkraft und glücklicher Erfolg der Herrscher wiedererstehen lassen, gibt es – mögen vielleicht andere Taten sie an Größe wie auch an praktischem Nutzen übertreffen – dennoch nichts so Bewundernswertes wie eben diese Großzügigkeit, die sie der Förderung und dem Ansehen der Studien von Literatur und Sprachkunst angedeihen lassen. (2) Denn, wie ich zu Anfang sagte, nicht einer der Herrscher hat sich je zuvor mit gleicher Aufmerksamkeit um beides gekümmert: um die Geschäfte des Kriegs und um Erfordernisse des Friedens von der hier genannten Art. (3) Denn die Hinwendung zu jedem dieser Wege erfolgt in ganz verschiedene Richtung, ungleich ist die Naturanlage der jeweiligen Denkungsart und unterschiedlich bei der Wahl das Urteil; was

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utrisque artibus praesidentium numinum dissoni monitus habitusque dissimiles. (4) Quo magis horum nova et incredibilis est virtus et humanitas, qui inter tanta opera bellorum ad haec quoque litterarum exercitia respiciunt atque illum temporum statum quo, ut legimus, Romana res plurimum terra et mari valuit, ita demum integrari putant, si non potentia sed etiam eloquentia Romana revirescat. 20 (1) Detur ergo, vir perfectissime, illa mihi ab optimis virtutum omnium dominis tributa largitio huic operi doctrinae atque eloquentiae dedicato ut, quemadmodum cetera vitae nostrae commoda apud auxiliatores eorum deos colimus, ita singularem eorundem erga litteras dignationem in antiqua litterarum sede celebremus. (2) Videat praeterea in illis porticibus iuventus et cotidie spectet omnes terras et cuncta maria et quidquid invictissimi principes urbium gentium nationum aut pietate restituunt aut virtute devincunt aut terrore devinciunt. Siquidem illic, ut ipse vidisti, credo, instruendae pueritiae causa, quo manifestius oculis discerentur quae difficilius percipiuntur auditu, omnium cum nominibus suis locorum situs spatia intervalla descripta sunt, quidquid ubique fluminum oritur et conditur, quacumque se litorum sinus flectunt, qua vel ambitu cingit orbem vel impetu inrumpit Oceanus. 21 (1) Ibi fortissimorum imperatorum pulcherrimae res gestae per diversa regionum argumenta recolantur, dum calentibus semperque venientibus victoriarum nuntiis revisuntur gemina Persidos flumina et Libyae arva sitientia et convexa Rheni cornua et Nili ora multifida; (2) dumque sibi ad haec singula intuentium animus adfingit aut sub tua, Diocletiane Auguste,

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schließlich die waltenden Mächte selbst betrifft, die als Schutzgottheiten jeweils eine dieser Künste schirmen, so haben ihre Weisungen verschiedenen Klang, so weicht ihre Erscheinung voneinander ab. (4) Umso neuartiger und unglaublicher sind Tatkraft und edle Bildung unserer Herrscher hier, die inmitten kriegerischer Unternehmungen von so gewaltigem Umfang ihr Augenmerk auch auf diese Beschäftigungen mit Literatur und Sprachkunst richten und der Auffassung sind, der Zustand jener Zeiten, als Rom, so lesen wir, zu Lande wie zur See die höchste Geltung innehatte, finde erst dann seine Erneuerung, wenn nicht nur die Machtstellung, sondern auch die Redekunst Roms erneut zu Kräften komme. 20 (1) Möge also, Exzellenz, jene großzügige Anweisung, die mir von den trefflichsten Herrn und Gebietern aller Tugenden zuteil geworden ist, für dieses Bauwerk verwendet werden, das dem Unterricht und der Redekunst gewidmet ist: dies mit dem Ziel, wie wir die übrigen Güter unseres Lebens mit der Huldigung an die Götter, die uns hierzu verhelfen, in Ehren halten, so auch dieselben Herrscher für ihre außerordentliche Wertschätzung gegenüber der literarisch-rhetorischen Bildung an dem alten Sitz literarisch-rhetorischer Bildung feierlich zu preisen. (2) Ferner soll die Jugend in den Galerien dort alle Länder und alle Meere sehen und jeden Tag betrachten, sowie all das, was die gänzlich unbesiegbaren Herrscher an Städten, Völkern und Nationen mit liebevoller Sorge wiederherstellen oder vermittels ihrer Tapferkeit ganz und gar niederwerfen oder durch den Schrecken, den sie verbreiten, in Banden halten. Denn dort ist ja, wie du selber, glaube ich, gesehen hast, zur Unterweisung der Jugend (auf dass sie mit den Augen desto klarer fassbar lernen könne, was, allein durch das Ohr vernommen, eher schwierig zu verstehen ist) die Lage aller Örtlichkeiten mit ihren Namen, deren Ausdehnung sowie ihre Entfernung voneinander dargestellt, ferner sämtliche Flüsse auf der ganzen Welt mit ihren Quellen und Mündungen, wo überall die Biegungen der Ufer sich zu Meeresbuchten formen und wo der Ozean den Erdkreis umarmend rings umfängt oder sich ins Land mit Ungestüm hineindrängt. 21 (1) Dort sollen die glanzvollsten Taten unserer so tapferen Imperatoren durch die Darstellungen weit auseinander liegender Regionen wieder ins Gedächtnis gerufen werden, wenn erneut – es treffen Siegesboten, noch erhitzt, ja ständig ein – die Zwillingsströme der Persis, die dürstenden Fluren Libyens, die geschwungenen Hörner des Rheins und die vielgefächerten Mündungsarme des Nils Gegenstand der Betrachtung sind; (2) und wenn sich der Sinn der Betrachter auf diese einzelnen Regionen richtet, sei es auf Ägypten, das unter deiner Milde, Diocletianus Augustus, nach Beendigung

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clementia Aegyptum furore posito quiescentem aut te, Maximiane invicte, perculsa Maurorum agmina fulminantem aut sub dextera tua, domine Constanti, Bataviam Britanniamque squalidum caput silvis et fluctibus exserentem aut te, Maximiane Caesar, Persicos arcus pharetrasque calcantem. (3) Nunc enim, nunc demum iuvat orbem spectare depictum, cum in illo nihil videmus alienum. (4) Habes, vir perfectissime, studii ac voti mei professionem. Abs te peto ut eam litteris tuis apud sacras aures prosequi non graveris, siquidem maximus ac paene solus fructus est recta cupientium, ut voluntas eorum ad divinam tantorum principum scientiam perferatur.

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rasenden Aufruhrs nun in Frieden lebt, sei es auf dich, unbesiegbarer Maximianus Herculius, der du deine Blitze auf die zerschmetterten Heerscharen der Mauren schleuderst, sei es auf das Bataverland sowie Britannien, die unter deiner Rechten, Herrscher Constantius, ihr schmutzstarrendes Haupt aus Wäldern und Fluten emporheben, sei es auf dich, Maximianus Caesar, der du mit deinen Füßen Bogen und Köcher der Perser niedertrittst. (3) Jetzt nämlich, jetzt erst bereitet es Freude, den Erdkreis als Gemälde zu betrachten, da wir in ihm nichts Fremdes mehr erblicken. (4) Du hast nun, Exzellenz, das Bekenntnis meines Strebens und Verlangens: ich bitte dich, es nicht als Last zu betrachten, dies Bekenntnis mit einem Schreiben von dir vor kaiserliche Ohren zu geleiten: denn der höchste und beinahe einzige Lohn derjenigen, die das Rechte wollen, besteht ja darin, ihr Wünschen den so erhabenen Herrschern und ihrer göttlichen Kenntnis übermitteln zu können.

PANEGYRICUS LATINUS VII (VI)

1 (1) Dixerint licet plurimi, multique dicturi sint, ea quibus omnia facta vestra summarumque virtutum merita laudantur, sacratissimi principes Maximiane, velis nolis semper Auguste, et Constantine oriens imperator, mihi tamen certum est ea praecipue isto sermone complecti quae sunt huius propria laetitiae, qua tibi Caesari additum nomen imperii et istarum caelestium nuptiarum festa celebrantur. (2) Cetera enim in rem publicam vestra beneficia possunt multis occasionibus diversorum temporum praedicari: huic voto propria nunc debetur oratio, quod semel factum futurum est sempiternum. (3) Equidem scio gaudentium studia nunc ita toto orbe florescere, quacumque Fama ultra naturam qua fingitur discursus volucres mutuata et plus quam mille vocibus sonora percrebuit, ut omnium nationum gratulationibus consecretur. (4) Quid rebus humanis contingere potuit aut nobilius ad gloriam aut certius ad salutem, quam quod pristinae vestrae concordiae perpetuaeque pietati hoc quoque pignus accessit, summorum nominum artissima coniunctione venerabile, ut imperatori filiam conlocaverit imperator? (5) Sed tamen nos oportet omnes homines exsultatione superare, qui hoc tantum rei publicae bonum praesentes intuemur, et ipsa vultuum vestrorum contemplatione sentimus ita convenisse vos, ita non dexteras tantum sed etiam sensus vestros mentesque iunxisse ut, si fieri possit, transire invicem in pectora vestra cupiatis. 2 (1) Quid enim aut tu carius dare aut tu carius accipere potuisti, cum hac adfinitate vestra et tibi, Maximiane, per generum iuventa renovata sit et tibi, Constantine, per socerum nomen imperatoris accreverit? (2) Maximas itaque vobis, aeterni principes, publico nomine gratias agimus,

PANEGYRICUS DES JAHRES 307 LOBREDE ZU EHREN VON MAXIMIAN UND KONSTANTIN 1 (1) Mögen auch sehr viele Redner bereits diejenigen Worte vorgetragen haben, mit denen alle eure Taten und die Verdienste eurer so überragenden Tugenden gerühmt werden, und mögen dies auch viele in Zukunft noch tun, ihr heiligsten Herrscher, du Maximian, Augustus auf immer, magst du es nun wünschen oder nicht, und du Konstantin, dessen kaiserlicher Stern im Aufgang begriffen ist, so ist es dennoch mein fester Entschluss, in dieser Rede vornehmlich die Dinge zu behandeln, die den besonderen Gegenstand der heutigen Freude bilden, mit der man die Verleihung des kaiserlichen Titels an dich, den Caesar, sowie die Festlichkeiten dieser göttlichen Hochzeit feierlich begeht. (2) Denn eure übrigen Verdienste um den Staat können bei zahlreichen Gelegenheiten zu verschiedenen Zeiten gepriesen werden: heute aber gebührt eine eigene Rede eben diesem Ehebündnis, das einmal geschlossen, immerwährenden Bestand haben wird. (3) Ich jedenfalls weiß, dass Begeisterung und Freude der Menschen jetzt in solcher Weise auf dem ganzen Erdkreis erblühen, – überall, wohin die Fama sich verbreitet hat, die sich, über unsere Vorstellungen von ihrer Natur hinaus, Vogelschwingen zum Flug ausgeliehen hat und mit mehr als tausend Stimmen erklingt, – so also, dass diesem Fest durch die Glückwünsche aller Völker unsterblicher Ruhm zuteil wird. (4) Denn welch denkwürdigeres Ereignis in Hinsicht auf den Ruhm oder welch größere Gewissheit im Blick auf das Wohlergehen hätte der Menschheit zuteil werden können, als dass zu eurer alten Eintracht und immerwährenden Verbundenheit auch dieses Pfand noch hinzugetreten ist, verehrungswürdig durch die so enge Verbindung höchster Namen, dass ein Imperator seine Tochter einem Imperator vermählt hat? (5) Trotzdem müssen wir aber alle anderen Menschen an Jubel noch übertreffen – wir, die wir hier anwesend sind und dieses so große Glück für den Staat anschauen, und gerade bei der Betrachtung eurer Gesichter spüren wir, dass eine solche Eintracht unter euch herrscht, dass ihr nicht nur die Hände, sondern auch euer Empfinden und Denken einander so (eng) verbunden habt, dass ihr (beide) wünscht, falls das geschehen könnte, jeweils in das Herz des anderen hinüberzuwechseln. 2 (1) Denn welch kostbareres Gut hättest einerseits du geben, du andererseits empfangen können, da mit eurer heutigen Verschwägerung dir, Maximian, durch deinen Schwiegersohn deine Jugend wiedergekehrt ist, und dir, Konstantin, durch deinen Schwiegervater der Rang eines Imperators zugewachsen ist? (2) Größten Dank sage ich also euch, ihr ewigen Herrscher, in unser al-

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quod suscipiendis liberis optandisque nepotibus seriem vestri generis prorogando omnibus in futurum saeculis providetis, ut Romana res olim diversis regentium moribus fatisque iactata tandem perpetuis domus vestrae radicibus convalescat, tamque sit immortale illius imperium quam sempiterna suboles imperatorum. (3) Haec est vera pietas, haec voluptas conservandi generis humani, exemplum dare gentibus ad matrimonia studiosius expetenda et liberos educandos, ut substituendis successionibus singulorum nihil obsit unumquemque esse mortalem, cum immortalis sit omnium in posteritate res publica. (4) Quare si leges eae quae multa caelibes notaverunt, parentes praemiis honorarunt, vere dicuntur esse fundamenta rei publicae, quia seminarium iuventutis et quasi fontem humani roboris semper Romanis exercitibus ministrarunt, quod huic vestro in rem publicam merito possumus dignum nomen adscribere? (5) Qui non plebeia germina, sed imperatoria stirpem rei publicae propagatis ut, quod millesimo anno post Urbem conditam evenisse tandem gratulabamur, ne mutatoria per novas familias communis salutis gubernacula traderentur, idem omnibus duret aetatibus, imperatores semper Herculii. 3 (1) Quemnam igitur utriusque vestrum praeconii ac venerationis ordinem faciam? Adhuc enim de amborum in hanc necessitudinem congruentibus votis communiter dixi. (2) Et te quidem sentio, senior Auguste, maiestate praecedere, te sequi, iunior imperator. Sed profecto sicut tuo, Constantine, socero ante est conciliata divinitas quam ab eo pignus ipsi carissimum postulares, ita nunc quoque in hac gratulatione prius illa dicenda sunt quae in te considerans tantus iste et paterni et tui auctor imperii laetatus est quod petisti. (3) O divinum tuum, Maximiane, iudicium, qui hunc tibi iure adoptionis nepotem, maiestatis ordine filium etiam generum esse voluisti, divi,

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ler Namen dafür, dass ihr durch das Aufziehen von Kindern und durch den Wunsch nach Enkeln die Linie eures Geschlechtes fortsetzt und so für alle künftigen Jahrhunderte dafür Sorge tragt, dass das römische Staatswesen, einst hin- und hergeworfen von den unterschiedlichsten Charakteren und Geschicken der Herrschenden, endlich mit den dauerhaften Wurzeln eures Hauses neue Kraft gewinnt und dass dessen Herrschaft ebenso unvergänglich ist wie die Nachkommenschaft seiner kaiserlichen Herrscher immer fortbestehen wird. (3) Darin besteht wahre Pflichterfüllung, darin wahre Freude, das Menschengeschlecht zu erhalten, dass man selbst den Völkern ein Beispiel gibt, sich mit größerem Eifer um Eheschließungen zu bemühen und Kinder heranzuziehen, so dass durch die Sicherung der Nachfolge bei jedem einzelnen die Sterblichkeit des Individuums keinen Nachteil bedeutet, da in der Nachkommenschaft der Gesamtheit das Staatswesen Unsterblichkeit erhält. (4) Wenn es daher von denjenigen Gesetzen, die Ehelose mit einer Strafe belegt, Eltern mit Belohnungen ausgezeichnet haben, zu Recht heißt, sie seien die Grundlagen des Staates, da sie stets eine Pflanzschule der Jugend und gleichsam einen Quell menschlicher Kraft für die Heere Roms bereitgestellt haben, welche Bezeichnung können wir dann diesem eurem Verdienst um den Staat beilegen, die ihm angemessen ist? (5) Denn ihr pflanzt den Stamm des Staates nicht durch den Spross des einfachen Volkes, sondern durch den des kaiserlichen Hauses fort, mit dem Ziel, es solle dasjenige, was tausend Jahre nach Gründung der Stadt endlich eingetreten ist, wofür wir uns beglückwünschten – dass nicht die Lenkung des Wohls der Allgemeinheit im Wechsel stets neuer Familien weitergegeben werde – es solle also eben dies für alle Zeiten Bestand haben, ihr Kaiser, Herkulier auf immer! 3 (1) In welcher Reihenfolge soll ich also den Lobpreis eines jeden von euch vornehmen und ihm meine Verehrung bekunden? Bis jetzt nämlich habe ich mit Bezug auf euch beide gemeinsam von euer beider übereinstimmenden Wünschen hinsichtlich dieser verwandtschaftlichen Verbindung gesprochen. (2) Und ich sehe zwar, dass du, älterer Augustus, im Rang der Hoheit vorangehst, und du, jüngerer Imperator, ihm nachfolgst. Doch gewiss, wie dein Schwiegervater, o Konstantin, seine göttliche Macht eher erhalten hat, als du das Unterpfand von ihm begehrt hast, das ihm selbst das liebste ist, so sind auch jetzt bei dieser Glückwunschrede zuvörderst jene Dinge zu nennen, welche dieser so mächtige Begründer der Herrschaft deines Vaters wie auch deiner eigenen bei dir prüfend in den Blick genommen hat und die ihn also Freude über deine Bewerbung empfinden ließen. (3) Gepriesen sei deine göttliche Entscheidung, Maximian, der du den Wunsch hattest, er, der nach dem Recht der Adoption dein Enkel, nach der Reihenfolge hoheitlichen

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inquam, Constantii filium, in quem se prima illius iuventa transfudit, in cuius ore caelestes illius vultus Natura signavit, qui adspectum illius ad deorum concilia translati adhuc desiderantibus nobis sufficit pro duobus! (4) Neque enim forma tantum in te patris, Constantine, sed etiam continentia, fortitudo, iustitia, prudentia sese votis gentium praesentant. 4 (1) Quomodo enim magis continentiam patris aequare potuisti quam quod te ab ipso fine pueritiae ilico matrimonii legibus tradidisti, ut primo ingressu adulescentiae formares animum maritalem, nihil de vagis cupiditatibus, nihil de concessis aetati voluptatibus in hoc sacrum pectus admitteres, novum iam tum miraculum, iuvenis uxorius? Sed, ut res est, mente praesaga omnibus te verecundiae observationibus imbuebas, talem postea ducturus uxorem. (2) Fortitudinem autem illius iam tum in principiis consecutus es. Multa ille Francorum milia, qui Bataviam aliasque cis Rhenum terras invaserant, interfecit depulit cepit abduxit; tu iam ab ipsis eorum regibus auspicatus es, simulque et praeterita eorum scelera punisti et totius gentis lubricam fidem timore vinxisti. (3) Liberavit ille Britannias servitute; tu etiam nobiles illic oriundo fecisti. (4) Plurimas ille barbaras nationes victoria domuit, venia mitigavit; tibi cunctis hostibus alacritatis tuae terrore compressis interim deest materia vincendi. 5 (1) Iustitiam vero patris atque pietatem sic imitaris et sequeris, ut omnibus ad te confugientibus diversamque opem aut contra aliorum iniurias aut pro suis commodis postulantibus quasi legata patris videaris exsolvere, idque ipsum coram gaudeas praedicari, quidquid tu iuste ac liberaliter feceris, filium Constantii necessario praestitisse.

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Ranges dein Sohn ist, möge dir auch Schwiegersohn sein, der Sohn des vergöttlichten Constantius, so sage ich, auf den sich die erste Jugend jenes Imperators übertragen, auf dessen Antlitz die Natur die göttlichen Züge jenes Mannes eingeprägt hat und der uns, die wir den Anblick des schon zu den Versammlungen der Götter Entrückten immer noch vermissen, hinreichenden Anblick bietet für zwei. (4) Denn es ist bei dir, Konstantin, nicht nur die äußere Gestalt deines Vaters, sondern es sind auch dessen Selbstbeherrschung, Tapferkeit, Gerechtigkeit und Klugheit, die den Wünschen der Völker vor Augen treten. 4 (1) Denn auf welche Weise hättest du der Selbstbeherrschung deines Vaters in größerem Maße gleichkommen können als dadurch, dass du dich unmittelbar vom Ende des Knabenalters an sogleich den Gesetzen der Ehe unterstellt hast, so dass du gleich beim Eintritt des Jünglingsalters deinen Sinn zu dem eines Ehegatten geformt und keinen Gedanken an unstete Begierden oder an diesem Alter erlaubte Vergnügungen in dies heilige Herz gelassen hast, schon damals ein nicht gekanntes Wunder: ein junger Mann – einer Gattin ergeben! Doch du hast dir, so verhält es sich tatsächlich, mit vorausempfindendem Denken die gewissenhafte Einhaltung aller Gebote sittsamer Zurückhaltung anerzogen, der du später eine solche Gattin heimführen solltest. (2) Die Tapferkeit jenes Herrschers hast du aber schon damals in deinen Anfängen erreicht: viele tausend Franken, die in das Bataverland und andere Länder diesseits des Rheins eingedrungen waren, hat jener getötet, verjagt, gefangen und deportiert, du hast schon mit ihren Königen selbst den Anfang gemacht und zugleich deren frühere Verbrechen bestraft wie auch der wankelmütigen Zuverlässigkeit des ganzen Volkes durch Furcht feste Bande angelegt. (3) Jener hat die britannischen Länder von der Sklaverei befreit, du hast sie durch deinen Herrschaftsantritt ebendort gar in den Adelsstand versetzt. (4) Jener hat sehr viele barbarische Völker durch Sieg bezwungen, durch Gnade zu friedlichem Verhalten gestimmt. Dir fehlt es unterdessen, da alle Feinde vom Schrecken über deinen Tatendrang niedergehalten sind, am bloßen Gegenstand für einen Sieg. 5 (1) Gerechtigkeit aber und fromme Pflichterfüllung deines Vaters ahmst du in der Weise nach und folgst ihr, dass du den Eindruck erweckst, bei all denjenigen, die sich zu dir flüchten und unterschiedliche Hilfe, sei es gegen Unrechtstaten anderer, sei es zu ihrem eigenen Vorteil begehren, gleichsam Vermächtnisse deines Vaters zu erfüllen, und dass du dich eben über diesen Lobpreis in der Öffentlichkeit freust, dass alles, was du in gerechter und großzügiger Weise ausgeführt hast, dich unumstößlich als Sohn des Constantius

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(2) Nam quid ego de prudentia dicam, qua te paene credimus fore ipso patre potiorem? – qui veteres illos Romanae rei publicae principes, superiorem Africanum Pompeiumque Magnum aetatis cursum virtute praevectos, tam mature sumpto vincis imperio, tantarumque rerum sustines molem incipiente virtute. (3) Gesseris enim licet multa fortiter, multa sapienter, cum per maximos tribunatus stipendia prima conficeres, sentias necesse est tantae auspicia fortunae imperator adulescens. Quamquam quid ego in te aetatis tuae potius quam gravitatis nomen usurpo? Cuius tanta maturitas est ut, cum tibi pater imperium reliquisset, Caesaris tamen appellatione contentus exspectare malueris ut idem te qui illum declararet Augustum. Siquidem ipsum imperium hoc fore pulchrius iudicabas, si id non hereditarium ex successione crevisses, sed virtutibus tuis debitum a summo imperatore meruisses. 6 (1) Neque enim dubium quin tibi mature sacrum istud fastigium divinae potestatis adstrueret qui te iam olim sibi generum, etiam ante petere posses, sponte delegerat. (2) Hoc enim, ut audio, imago illa declarat in Aquileiensi palatio ad ipsum convivii posita adspectum, ubi puella iam divino decore venerabilis sed adhuc impar oneri suo, sustinet atque offert tibi etiam tum puero, Constantine, galeam auro gemmisque radiantem et pinnis pulchrae alitis eminentem, ut te, quod vix ulla possunt habitus ornamenta praestare, sponsale munus faciat pulchriorem. (3) Fortunatus pictor ille, quisquis fuit, et quamvis Apellen ipsum Parrhasium scientia vicerit, materia tamen imaginis quam arte felicior! (4) Quamquam enim ipsi ferant difficillimam esse praecipuae cuiusque formae imitationem, quia certis sui notis cito deformitas exprimatur, similitudo autem pulchritudinis tam sit ardua quam rara est pulchritudo, (5) non tamen tantum ille cepit laboris ex

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erwiesen hat. (2) Denn was soll ich über die Klugheit sagen, in der du, wie wir glauben, beinahe vorzüglicher sein wirst als dein Vater selbst, – der du jene einstigen Lenker des römischen Staatswesens, den älteren Africanus und Pompeius Magnus, die dem Lauf des Alters durch ihre Tüchtigkeit vorausgeeilt sind, übertriffst, indem du so zeitig die Herrschaft übernommen hast, und der du die Last so gewichtiger Dinge auf dich lädst, da deine Tatkraft erst am Anfang steht. (3) Denn magst du auch viele tapfere, viele weise Taten vollbracht haben, als du in den höchsten Tribunenämtern deine ersten Kriegsdienste abgeleistet hast, musst du sie doch nur als Vorboten deines so bedeutenden Schicksalsglücks empfinden, du junger Imperator. Indessen, wieso befasse ich mich bei dir mehr mit dem Thema deines jugendlichen Alters als mit dem deines sittlichen Ernstes? Deine Reife ist ja so groß, dass du, als dir dein Vater die Herrschaft (imperium) hinterlassen hatte, dennoch mit dem Titel eines Caesars zufrieden warst und lieber darauf warten wolltest, dass derselbe Mann, der jenen zum Augustus ernannt hatte, auch dich zum Augustus ernennen würde. Denn du warst ja der Meinung, dass eben dieser Herrschaftsrang um so vortrefflicher sein würde, wenn du ihn nicht als Erbgut aus dem Recht der Nachfolge angenommen, sondern als deinen Leistungen geschuldeten Lohn vom ranghöchsten Imperator erlangt hättest. 6 (1) Ferner bestand ja kein Zweifel, dass derjenige dir diesen heiligen Gipfel göttlicher Macht frühzeitig zuerteilen würde, der dich von sich aus schon vor langer Zeit als seinen Schwiegersohn auserwählt hatte, noch bevor du ihn darum hättest bitten können. (2) Dies zeigt nämlich, wie ich höre, deutlich jenes Bild im Palast von Aquileia, das zur unmittelbaren Betrachtung durch die Tischgesellschaft angebracht ist, wo ein Mädchen, bereits durch seine göttliche Schönheit anbetungswürdig, doch seiner Last noch nicht gewachsen, einen Helm in Händen hält und dir, der du damals selbst noch ein Knabe warst, Konstantin, überreicht, welcher von Gold und Edelsteinen erstrahlt und von dem Federn eines schönen Vogels emporragen, auf dass dir, was kaum irgendwelcher Zierrat der Kleidung zu leisten vermag, das Verlobungsgeschenk noch größere Schönheit verleihe. (3) Vom Glück gesegnet jener Maler, wer immer er gewesen ist und wie sehr er sogar Apelles und Parrhasius an künstlerischem Sachverstand übertroffen hat, – erfolgreicher dennoch durch den Gegenstand seines Bildes als durch seine Malkunst. (4) Denn obwohl sie selbst vorbringen, die Nachahmung gerade herausragender Gestalten sei überaus schwierig, weil Hässlichkeit leicht durch bestimmte, ihr eigene Kennzeichen ausgedrückt werden könne, die Ähnlichkeit in der Schönheit aber ebenso schwierig sei, wie die Schönheit selten ist, (5) hat jener dennoch nicht soviel Mühe gehabt, als er eure göttlichen Züge von eurem Antlitz auf

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ore vestro divinas species transferendo quantum voluptatis hausit comminus vos intuendo, inspiciendo sollicite, et curiose ab hilaritate illius aetatis vultus immobiles et serios exigendo, promendo denique amoris vestri tacita praesagia ut, quod invicem vobis verecundia negabat, libere vos in imagine cerneretis. 7 (1) Sed profecto hoc iam tunc, Maximiane, divina mente praesumpseras; hoc, cum ferret aetas, ut rogareris optaveras, cum tibi in illa iucundissima sede laetitiae harum nuptiarum gaudia praestinabas, ut simul illam parvulam et hunc intuendo crescentem diu fruereris exspectatione voti quod hac coniunctione firmasti. (2) Quid enim competentius, quid providentia tua dignius facere potuisti, quam ut eius filio, quem tibi pridem et adfinitate adsciveras et maiestate sociaveras, nunc ex intimis adfectibus traderes summi pignus imperii? (3) Haec est tua, Maximiane, inter omnes principes propria largitio. (4) Alii divitias aut honores aut ipsa etiam imperia, sed sola donarunt; tu, animo maiore quam ceteri, pariter indulges et quod pietas tua habet carissimum et quod fortuna praecipuum. (5) Nec tamen miranda ista in te est, Maximiane, animi magnitudo, in quem di immortales tanta congesserunt et naturae bona et ornamenta fortunae ut, quamvis maxima largiaris, ita penes te sint omnia, quasi ea solus obtineas. (6) Ut enim ille qui omnes aquas caelo et terris praebet Oceanus semper tamen in motibus suis totus est, ita tu potes imperium, Maximiane, donare, non potes non habere. (7) De quo ego, cum ad id loci venero, ita dicam, ut fortasse quibusdam videar audacior, veritas tamen meae erga te devotionis appareat. 8 (1) Nunc enim sequitur ut, quoniam virtutes tuas, Constantine Auguste, socero praedicavi, tu quoque (licet optime scias) tamen audias quam te

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sein Bild übertrug, wie er Freude daraus schöpfte, euch von Angesicht zu Angesicht zu schauen, euch sorgsam zu betrachten und mit Bedacht aus der Fröhlichkeit jenes jugendlichen Alters unbewegte, ernste Gesichtszüge zu bilden, schließlich die verschwiegenen Anzeichen eurer Liebe zu enthüllen, so dass ihr – was euch gegenseitig scheue Zurückhaltung versagte – einander auf dem Bild offen betrachten konntet. 7 (1) Aber sicher hattest du, Maximian, dies schon damals mit deiner göttlichen Einsicht im Vorhinein erwartet, und du hattest den Wunsch gehabt, eben darum gebeten zu werden, wenn das Alter es erlaubte, damals, als du dir an jener so anziehenden Stätte der Freude den frohen Jubel dieser Hochzeit zum Ziel setztest, so dass du, indem du zugleich jenes kleine Mädchen und diesen Jungen, im Heranwachsen begriffen, anschautest, dich lange an der Erwartung dieses Eheversprechens erfreuen konntest, das du durch die heutige Verbindung bekräftigt hast. (2) Denn was hättest du Angemesseneres und deiner Voraussicht Geziemenderes tun können, als dem Sohne desjenigen, den du lange schon durch verwandtschaftliche Bande an dich gezogen sowie im Rang der Herrschaft dir zum Gefährten gemacht hattest, jetzt aus tiefinnerem Gefühl das Unterpfand des höchsten kaiserlichen Ranges (imperium) zu übergeben? (3) Darin besteht die dir, Maximian, unter allen Herrschern allein eigentümliche Freigebigkeit: (4) Andere haben Reichtümer, Ehrenämter oder eben auch kaiserliche Herrschaft, doch jeweils nur alleine, als Gabe verliehen, du, hochherziger als die übrigen, gewährst in deiner Güte zu gleicher Zeit das, was deine väterliche Liebe als Teuerstes, und das, was deine Stellung als Vorzüglichstes besitzt. (5) Jedoch darf man sich nicht wundern, dass dir, Maximian, diese Hochherzigkeit eigen ist, den die unsterblichen Götter mit so vielen bedeutenden Gaben der Natur wie auch Auszeichnungen der Stellung überhäuft haben, dass alle Güter, magst du auch die größten verschenken, doch so in deinem Besitz sind, wie wenn du all dies alleine besäßest. (6) Denn wie jener Ozean, der Himmel und Erde alle Wasser darbietet, dennoch stets in seinen Bewegungen vollständig vorhanden ist, so bist du, Maximian, imstande, deine kaiserliche Gewalt zu verschenken, es ist dir aber nicht möglich, nicht in ihrem Besitz zu sein. (7) Darüber will ich, wenn ich an diesen Punkt gelangt bin, in der Weise sprechen, dass ich vielleicht einigen zu kühn erscheinen mag, die Aufrichtigkeit meiner Ehrerbietung dir gegenüber indessen offen zutage tritt. 8 (1) Denn jetzt geht es in der Rede darum – da ich ja deine Vorzüge, Constantinus Augustus, deinem Schwiegervater gerühmt habe –, dass auch du, obschon du es sehr genau weißt, gleichwohl vernimmst, welche Auszeich-

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principis ornet adfinitas. (2) Hic est qui nomen accepit a deo principe generis sui dedit vobis, qui se progeniem esse Herculis non adulationibus fabulosis sed aequatis virtutibus comprobavit. (3) Hic est qui in ipso ortu numinis sui Gallias priorum temporum iniuriis efferatas rei publicae ad obsequium reddidit, sibi ipsas ad salutem. (4) Hic, quod iam falso traditum de antiquis imperatoribus putabatur, Romana trans Rhenum signa primus barbaris gentibus intulit. (5) Huius cum fratre rursus ac saepius expeditionibus domita Germania aut boni consulit ut quiescat aut laetatur quasi amica si pareat. (6) Tu ferocissimos Mauritaniae populos inaccessis montium iugis et naturali munitione fidentes expugnasti recepisti transtulisti. (7) Te primo ingressu tuo tanta laetitia, tanta frequentia populus Romanus excepit ut, cum te ad Capitolini Iovis gremium vel oculis ferre gestiret, stipatione sui vix ad portas Urbis admitteret. (8) Te rursus vicesimo anno imperatorem, octavo consulem, ita ipsa amplexu quodam suo Roma voluit detinere, ut videretur augurari iam et timere quod factum est. (9) enim, imperator aeterne, in quo uno querelam rei publicae paene meruisti. 9 (1) Audi doloris nostri liberam vocem, siquidem etiam di ipsi, quod plerumque humanas res neglegant, dum querimur ignoscunt, quibus aliud fortasse curantibus grandines ruunt, terrae dehiscunt, urbes hauriuntur. Quae non illis volentibus, sed aut aliorsum adspicientibus aut fatali rerum urgente cursu videntur accidere. (2) Tale est, imperator, quod omnibus nobis incluso gemitu maerentibus facere voluisti, non quidem tu rei publicae neglegentia aut laboris fuga aut desidiae cupiditate ductus, sed consilii olim, ut res est, inter vos placiti constantia et pietate fraterna ne,

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nung für dich die Verwandtschaft mit diesem Herrscher bedeutet. (2) Er ist es, der euch den Namen gab, den er von dem Gott empfangen hat, welcher der Schöpfer seines Geschlechtes ist, der nicht durch kriecherische Schmeicheleien in unerhörten Geschichten, sondern durch Leistungen von ebenbürtigem Rang bestätigt hat, dass er ein Spross des Herkules ist. (3) Er ist es, der gleich, als seine eigene göttliche Macht ihren Anfang nahm, die gallischen Länder, in Aufruhr geraten durch Ungerechtigkeiten früherer Zeiten, dem römischen Staate wieder zum Gehorsam verpflichtet, sie andererseits zur Erhaltung ihres eigenen Daseins sich selbst wiedergeschenkt hat. (4) Er hat als erster die römischen Feldzeichen über den Rhein gegen die Barbarenstämme vorrücken lassen, eine Tat, die man in falscher Überlieferung schon früheren Kaisern zugeschrieben hat. (5) Durch die Feldzüge, die er und sein Bruder wiederholt durchgeführt haben, gezähmt, ist Germanien nun entweder zufrieden damit, Ruhe zu halten, oder, gleichsam befreundet, freut es sich, wenn es zu gehorchen hat. (6) Du hast die wildesten Stämme Mauretaniens, die auf die Unzugänglichkeit ihrer Gebirgsketten und das Befestigungswerk der Natur vertrauten, bezwungen, ihre Unterwerfung angenommen und sie umgesiedelt. (7) Dich hat bei deinem ersten Einzug das Volk von Rom mit so großer Freude und so zahlreichem Publikum empfangen, dass es, als es sehnsüchtig danach verlangte, dich – auch nur mit Augen – zum Schoß des Iuppiter Capitolinus zu tragen, infolge des dichten Drängens seiner Menge dich kaum (erst) bis zu den Toren der Stadt gelangen ließ. (8) Dich wollte wiederum, als du im zwanzigsten Jahre Imperator, im achten Jahre Konsul warst, Rom selbst gleichsam in seiner Umarmung so festhalten, dass es aussah, als ahne und fürchte es bereits, was dann geschehen ist. (9) Es ist nämlich ein Ereignis eingetreten, immerwährender Imperator, und es war nur dies eine Mal, bei dem du fast die Klage des Staates verdient hättest. 9 (1) Vernimm die freimütige Stimme unseres Schmerzes, da ja sogar die Götter selbst Verzeihung gewähren, wenn wir darüber klagen, dass sie zumeist die menschlichen Angelegenheiten vernachlässigen: während sie sich vielleicht um etwas anderes kümmern, stürzen Hagelschauer herab, bersten Erdschlünde auf, werden Städte verschlungen. Diese Dinge ereignen sich, wie es scheint, nicht, da sie es so wollen, sondern da sie ihren Blick anderswohin lenken oder der vom Schicksal bestimmte Lauf der Ereignisse dorthin drängt. (2) Von solcher Art, o Imperator, ist das, was du, während wir alle mit unterdrücktem Seufzen in Trauer verharrten, tun wolltest, – sicherlich nicht aus Gleichgültigkeit gegenüber dem Staat oder aus Scheu vor Mühen oder aus Sehnsucht nach Müßiggang, sondern in dem konsequenten Beharren auf einem einst in der Tat zwischen euch vereinbarten Plan sowie aus brüderlicher

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quem totius vitae summarumque rerum socium semper habuisses, in alicuius facti communitate desereres neve illius, viderit quali, certe novae laudi cederes. (3) Verum longe diversa in vos erat causa declinandi aut sustinendi laboris; quamquam, etiamsi totam excusationem aetatis adferres, sic quoque tibi rei publicae curis non erat abnuendum. (4) An si maximus quisque natu gubernator vectoribus est certissimus ad salutem, non is est optimus qui usu peritissimus imperator? Aut te umquam, Constantine, liberi nostri nepotesque patientur, vel cum ad summam perveneris senectutem, rei publicae vela contrahere quae tam felicibus ventis etiam iuvenis impleveris? (5) Sed tamen utcumque fas fuerit eum principem, quem anni cogerent aut valitudo deficeret, receptui canere, te vero, in quo adhuc istae sunt integrae solidaeque vires, hic totius corporis vigor, hic imperatorius ardor oculorum, immaturum otium sperasse miramur. (6) Quid enim aliud participi maiestatis tuae dare potuit veniam quietis quam ut tu imperio succederes pro duobus? 10 (1) Sed profecto exegit hoc ipsa varietas et natura fortunae, cui nihil mutare licuerat, dum vos imperium teneretis, ut illa viginti annorum continua felicitas intervallo aliquo distingueretur; aut etiam di immortales probare voluerunt tibi innixam stetisse rem publicam, cum sine te stare non posset. (2) Quamquam in istis quidem partibus non caruit pristina firmitate, ibi vero paene funditus corruit unde tu, Maximiane, discesseras: adeo illic plurimum habuerat stabilitatis adserta, ubi deserta maxime vacillavit. (3) Non aliter enim quam solet terra ventis aut aquis subter immissis intervulsa sui soliditate nutare, ita cuncta Italia atque ipsa Roma subducta repente qua sustentata fuerat dextera tua contremuit ac paene consedit. (4) Quod ego cursim transeo; cur enim vel recordemur adversa, cum videamus omnia

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Verpflichtung, auf dass du nicht denjenigen, den du in deinem ganzen Leben und in der Ausübung der höchsten Macht stets zum Gefährten gehabt hattest, bei der gemeinschaftlichen Ausführung irgendeiner Sache im Stich ließest noch hinter dem Lob jenes Mannes – mag er zusehen, von welcher Art es ist, beispiellos sicherlich – zurückstehen müsstest. (3) Tatsächlich aber waren euer beider Gründe, die Arbeit aufzugeben oder fortzusetzen, sehr verschieden; indessen hättest du, selbst wenn du dein Alter als ganze Entschuldigung anführen wolltest, auch so nicht der Aufgabe und Sorge für den Staat Absage erteilen dürfen. (4) Oder ist, wenn jeweils gerade der älteste Steuermann für seine Passagiere der zuverlässigste Garant ihrer Sicherheit ist, nicht derjenige der beste Imperator, der die größte praktische Erfahrung besitzt? Oder werden es unsere Kinder und Enkel je zulassen, Konstantin, selbst wenn du ein sehr hohes Alter erreicht hast, dass du die Staatssegel einholst, die du sogar als junger Mann schon mit so günstigem Fahrtwind angefüllt hast? (5) Wie rechtens es indessen aber auch immer gewesen sein mag, dass derjenige Herrscher, den die Jahre dazu zwangen oder die Gesundheit im Stich ließ, zum Rückzug blies, so wundern wir uns doch, dass du, dem nach wie vor diese dir eigenen Kräfte ungemindert und vollständig innewohnen, diese frische Lebensenergie des ganzen Körpers, dieses kaiserliche Feuer der Augen, – dass du dir Muße vor der Zeit erhofft hast. (6) Was anderes nämlich hätte den Teilhaber deiner Herrschaft für seinen Ruhestand entschuldigen können, als dass du für beide die Nachfolge in der Herrschaft antreten solltest? 10 (1) Aber sicher hat gerade die Wechselhaftigkeit und das Wesen des Schicksals, dem es nicht gestattet gewesen war, etwas zu verändern, solange ihr die Herrschaft innehattet, dies verlangt: dass jener ununterbrochene Zustand zwanzigjährigen Glückes durch eine gewisse Zwischenphase unterbrochen sei; oder die unsterblichen Götter wollten gar beweisen, dass der Staat, auf dich gestützt, sicheren Stand gehabt hatte – da er ohne dich nicht zu bestehen vermochte. (2) Denn obschon er zwar in diesen Regionen hier seine alte Festigkeit nicht eingebüßt hat, ist er doch dort nahezu bis in den Grund zusammengestürzt, wo du, Maximian, weggegangen warst. So ganz hatte er dort in deinem Schutz ein höchstes Maß an Stabilität besessen, wo er, von dir verlassen, aufs heftigste ins Wanken geraten war. (3) Denn nicht anders, als sonst die Erde bebt, wenn sie aus ihren eigenen Grundfesten herausgerissen ist, da Wind und Wasser tief in sie eingedrungen sind, so haben ganz Italien und Rom selbst gebebt und wären beinahe in sich zusammengesunken, da ihnen plötzlich deine Rechte entzogen war, von der sie emporgehalten waren. (4) Dies will ich eilends übergehen; denn warum sollen wir uns Zeiten des Unglücks sogar noch wieder vergegenwärtigen, da wir ja alles

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Panegyricus Latinus VII/VI

tuo reditu restituta? (5) Fecit enim Roma ipsa pro maiestate nominis sui ut ostenderet posse se etiam imperatoribus imperare. Abduxit exercitus suos ac tibi reddidit et, cum ad sedandos animos auctoritatem privati principis attulisses, supplices tibi manus tendens vel potius queribunda clamavit: 11 (1) ‘Quousque hoc, Maximiane, patiar me quati, te quiescere; mihi libertatem adimi, te usurpare tibi inlicitam missionem? (2) An, quod divo Augusto post septuaginta aetatis, quinquaginta imperii annos non licuit, tam cito licuit tibi? (3) Ideone te mihi ille, cuius tot aras tot templa tot nomina colo, Hercules dedit, ut tu in suburbano otiis cedens usum dicatae mihi virtutis amitteres? (4) Redde te gubernaculis meis et, quoniam tranquillo mari portum intrare properasti, vade per fluctus mei quidem amore sollicitus sed tua maiestate securus. Et tamen per te tibi steterit, iniuriam in mei restitutione patieris. Imperasti pridem rogatus a fratre, rursus impera iussus a matre.’ (5) O caelestem, imperator aeterne, pietatem tuam quae tuum illum animum semper invictum sola vicit! (6) Non potuisti resistere sanctae illius parentis imperio, et invitus licet paruisti et te illis vigiliis illisque curis, quas viginti annis expertus fueras, reddidisti. (7) Quibusnam tu, domina gentium, potes compensare beneficiis hoc tui imperatoris obsequium? – qui tanto usu sciens quantus sit imperandi labor, propter te non utitur illa quam degustaverat voluptate, tantumque rei publicae onus suscipit post quietem. (8) Facilius fuerat iugiter imperasse: quamvis enim magnum laborem consuetudo non sentit, intermissa desiderant novas vires.

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durch deine Rückkehr wiederhergestellt sehen? (5) Denn Rom selbst hat es, kraft der erhabenen Würde seines Namens, fertiggebracht, zu zeigen, dass es sogar kaiserlichen Befehlshabern Befehle zu erteilen vermag. Es hat seine Heere abgezogen und sie dir zurückgegeben, und als du, die Gemüter zu beruhigen, die Geltung eines als Privatmann lebenden Herrschers im Ruhestand einbrachtest, hat es, demütig bittend die Hände nach dir ausgestreckt oder vielmehr in Klagen sich ergehend, gerufen: 11 (1) „Wie lange soll ich das noch erdulden, Maximian, dass ich hin und her geschüttelt werde, du hingegen in Untätigkeit verharrst? Dass mir die Freiheit geraubt wird, du aber eine Entlassung aus dem Amt beanspruchst, die dir nicht zusteht? (2) Oder ist dir etwa so frühzeitig gestattet worden, was dem vergöttlichten Augustus nach siebzig Lebensjahren und fünfzig Jahren der Herrschaft nicht gestattet war? (3) Hat dich mir jener Herkules, den ich an so vielen Altären, in so vielen Tempeln und unter so vielen Namen verehre, zu dem Zweck überlassen, dass du auf einem Landgut nahe bei der Stadt den Betätigungen der Muße Vorrang einräumtest und auf den praktischen Gebrauch deiner mir geweihten Tatkraft verzichtetest? (4) Nimm dich wieder meiner Lenkung an und, da du dich ja beeilt hast, bei ruhiger See in den Hafen einzulaufen, durchquere die bewegten Fluten, aus Liebe zu mir zwar voll Besorgnis, jedoch in Sicherheit durch deine herrscherliche Würde. Und doch wirst du es dir alleine zuzuschreiben haben, wenn du bei meiner Wiederherstellung ein Unrecht leidest. Du hast vor langer Zeit die Herrschaft angetreten auf Bitten deines Bruders, herrsche jetzt wiederum auf Geheiß der Mutter!“ (5) Gepriesen sei dein göttliches Pflichtgefühl, ewiger Imperator, welches allein deinen berühmten, stets unbezwingbaren Sinn zu bezwingen vermochte! (6) Du konntest dich nicht dem Gebot jener ehrwürdigen Mutter widersetzen und hast, wenn auch widerstrebend, gehorcht und dich wieder jenen Aufgaben rastloser Wachsamkeit und Fürsorge hingegeben, in denen du zwanzig Jahre hindurch Erfahrung gewonnen hattest. (7) Mit welchen Gunsterweisen kannst du, Herrin der Völker, denn diesen Gehorsam deines Imperators vergelten? Denn obgleich er aus so viel praktischer Erfahrung weiß, wie groß die Mühe des Herrschens ist, erfreut er sich um deinetwillen nicht jenes Vergnügens, von dem er gekostet hatte, und nimmt die so schwere Last des Staates auf sich, nachdem er bereits im Ruhestand gelebt hat. (8) Es wäre leichter gewesen, ohne Unterbrechung die Herrschaft ausgeübt zu haben; denn so wenig die Gewohnheit eine große Anstrengung spüren lässt, erfordert zeitweiliges Aussetzen der Tätigkeit doch neue Kräfte.

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12 (1) Quanta opus fuit tibi, imperator aeterne, providentia, quanta auctoritate ut subsidia rei publicae iacentia erigeres, exanimata recreares, dilapsa conligeres? (2) Mirabamur te post imperium esse privatum; multo magis mirum est imperium ferre post otium. (3) Solus hoc, ut dicitur, potuit deus ille, cuius dona sunt quod vivimus et videmus, ut habenas male creditas et currum devio rectore turbatum reciperet rursumque dirigeret. Cuius simile tu, imperator, etiam facile fecisti. (4) Neque id mirum: non enim a te recessit imperium, et privatus licet dici velles, inhaesit tibi ingenita maiestas. (5) Omnes exercitus vestri omnesque provinciae requiescere te post tanta opera utcumque aequo animo tulerunt, imperare desisse numquam crediderunt. (6) Quid enim putas tibi, Maximiane, Iovem ipsum respondisse, cum tu ingenti animo diceres ‘Recipe, Iuppiter, quod commodasti’? Hoc profecto respondit: ‘Non mutuum istud tibi tradidi sed aeternum; non recipio sed servo.’ (7) Statim igitur ut praecipitantem rem publicam refrenasti et gubernacula fluitantia recepisti, omnibus spes salutis inluxit. (8) Posuere venti, fugere nubes, fluctus resederunt, et sicubi adhuc in longinquioribus terris aliqua obversatur obscuritas aut residuus undarum pulsus immurmurat, necesse est tamen ad tuos nutus dilucescat et sileat. 13 (1) Dixi pro ratione temporis, sacratissimi principes, ea quae in vobis invicem, ut facitis, admirari et amare debetis. Restat ut ipsa illa quae separatim de virtutibus vestris locutus sum, sicut huic voto congruit, in sermonis fine coniungam. (2) Di immortales! quanta Romano imperio renovastis, quae iam, ut res est, cesserant vetustati! (3) Maximiano aeterno imperatori Constantinus imperator novus plus coepit esse quam filius. Favet ille crescenti,

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12 (1) Welch große Voraussicht, welch großen Einfluss benötigtest du, ewiger Imperator, die daniederliegenden Stützen des Staates wieder aufzurichten, die der Besinnung beraubten neu zu beleben, die zerfallenen wieder zu sammeln! (2) Wir waren voller Staunen, dass du als Privatmann lebtest, nachdem du die Herrschaft ausgeübt hattest. Noch viel erstaunlicher ist es, dass du die Last der Herrschaft trägst, nachdem du im Ruhestand gelebt hast. (3) Allein jener Gott, heißt es, dessen Gaben es sind, dass wir leben und sehen, hat dies vermocht: die Zügel, die in verderblicher Weise anderer Hand anvertraut waren, und den Wagen, der in seiner Fahrt durcheinander geraten war, da sein Lenker vom Wege abgeirrt war, aufzufangen und wieder in gerade Bahn zu lenken. Ein Werk, das diesem ähnlich, hast du, Imperator, vollbracht, und dies sogar mit leichter Hand. (4) Doch das ist nicht verwunderlich: denn die kaiserliche Gewalt ist nicht von dir gewichen, und wolltest du auch als Privatmann bezeichnet werden, so ist dir doch die herrscherliche Würde, die dir angeboren, dauerhaft verblieben. (5) Alle eure Heere und alle Provinzen haben es, mit welcher Gelassenheit auch immer, ertragen, dass du dich nach so großen Leistungen ausgeruht hast; dass du aufgehört habest, im Besitz der Herrschaft zu sein, das haben sie nie geglaubt. (6) Denn welche Antwort meinst du, Maximian, hat Jupiter persönlich dir erteilt, als du, von gewaltigem Mut erfüllt, zu ihm sagtest: „Nimm zurück, Jupiter, was du mir verliehen hast?“ Mit Gewissheit hat er dir Folgendes zur Antwort gegeben: „Nicht als Leihgabe habe ich dir diese Herrschaft übertragen, sondern als ein immerwährendes Gut. Ich nehme sie nicht zurück, sondern bewahre sie dir auf.“ (7) Sobald du dem auf den Untergang zustürzenden Staat Zügel anlegtest und das herrenlos in den Wellen treibende Ruder wieder in die Hand nahmst, ließ daher sogleich die Hoffnung auf Rettung allen ihr Licht erstrahlen. (8) Es legten sich die Winde, es entflohen die Wolken, die Wogen glätteten sich, und wenn irgendwo in weiter entfernten Gebieten etwa noch eine Finsternis auftritt oder ein noch verbliebener Wellenschlag ein Murmeln hervorbringt, so muss es doch auf deinen Wink hin hier Licht werden und dort Schweigen herrschen. 13 (1) Ich habe entsprechend der Situation, heiligste Herrscher, das ausgeführt, was ihr gegenseitig an euch, wie ihr es ja tut, bewundern und lieben müsst. Es bleibt mir noch, eben diejenigen Dinge, die ich gesondert über eure Verdienste gesagt habe, so wie es für diese Hochzeit angemessen ist, am Ende der Rede miteinander zu verknüpfen. (2) O ihr unsterblichen Götter! Wie viele Dinge habt ihr dem römischen Reich neu gegeben, die in Wirklichkeit schon dem hohen Alter erlegen waren! (3) Für Maximian, den immerwährenden Imperator, hat Konstantin, der neue Imperator, begonnen, mehr zu sein als nur ein Sohn; jener fördert den Wachsenden, dieser steht dem Äl-

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adest iste seniori; perpetuis profecto pietatis stirpibus adfinitas ista coalescat, quae semper summos in re publica viros ad concordiam copulavit. (4) Etenim si quamvis dissidentes familias Gracchi et Corneliae matrimonium reduxit in gratiam, si pro divo Augusto Actiacam victoriam tantummodo gener Agrippa confecit, quid sperandum est cum sempiternam patris ac filii caritatem etiam nuptiarum foedus adstrinxerit? (5) Quod si P. Scipio bellum Punicum suscepit adulescens ipsum postea superaturus Hannibalem, si Marius a factione Sullana Urbem recepit senex, idque magno intervallo temporum evenisse memorabile est, quam facile nunc omnis metus ponet Romana res publica, quae defenditur coniuncti imperii duabus aetatibus pariterque utitur virtute iuvenis et maturitate senioris! 14 (1) Te, pater, ex ipso imperii vertice decet orbem prospicere communem caelestique nutu rebus humanis fata decernere, auspicia bellis gerendis dare, componendis pacibus leges imponere; te, iuvenis, indefessum ire per limites qua Romanum barbaris gentibus instat imperium, frequentes ad socerum victoriarum laureas mittere, praecepta petere, effecta rescribere. (2) Ita eveniet ut et ambo consilium pectoris unius habeatis et uterque vires duorum. (3) O felix in imperio et post imperium felicior! Audis enim profecto haec et vides, dive Constanti, quem curru paene conspicuo, dum vicinos ortus repetit occasu, Sol ipse invecturus caelo excepit. (4) Quanto nunc gaudio poteris, quanta voluptate perfrueris, cum talem hunc filium tuum, qui te primus patrem fecit, in imperii tui possessionem idem pater, idem socer, idem imperator induxerit! (5) Haec est tua praeter omnes divos propria immortalitas quam videmus: filius similis adspectu, similis animo, par imperii potes-

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teren zur Seite. Möge wahrhaft auf unvergänglichen Wurzeln der euch verpflichtenden Verbundenheit diese Verwandtschaft erstarken, welche schon immer die höchsten Männer im Staat zur Eintracht zusammengeschlossen hat. (4) Wenn nämlich die Heirat des Gracchus und der Cornelia die noch so uneinigen Familien wieder miteinander ausgesöhnt hat, wenn für den vergöttlichten Augustus Agrippa, der nur sein Schwiegersohn war, den Sieg von Actium errungen hat, was muss man da erst erhoffen, wenn überdies noch ein Ehebündnis die immerwährende Liebe zwischen Vater und Sohn unauflöslich zusammengefügt hat? (5) Wenn also Publius Scipio in jungen Jahren den Krieg gegen Karthago unternommen hat, um später Hannibal selbst zu überwinden, wenn Marius im Greisenalter die Stadt von der Anhängerschaft Sullas zurückgewinnen konnte, und wenn es Erwähnung verdient, dass es bei so großem zeitlichem Abstand geschehen ist, wie leicht wird dann heute der römische Staat alle Furcht ablegen, der durch die gemeinsame Regierung zweier Herrscher unterschiedlicher Altersstufen verteidigt wird, und so zugleich die Tapferkeit eines jungen Mannes und reife Erfahrung eines Älteren genießt! 14 (1) Dir, Vater, steht es an, unmittelbar vom Gipfel der Herrschaft auf den euch gemeinsamen Erdkreis hinzuschauen und durch göttlichen Wink die Geschicke für die menschlichen Belange festzulegen, die Auspizien für die Führung von Kriegen zu geben und für den Abschluss von Friedensverträgen die Bestimmungen aufzuerlegen; dir, junger Mann, (steht es an,) unermüdlich an den Grenzen entlang zu ziehen, wo das römische Reich den Barbarenstämmen hart zusetzt, deinem Schwiegervater lorbeergeschmückte Siegesmeldungen in großer Zahl zu senden, seine Weisungen zu erbitten und ihm wiederum von deinen Erfolgen zu berichten. (2) So wird es kommen, dass ihr beide zusammen die beratende Klugheit eines einzigen Geistes besitzt wie auch ein jeder von euch die Kräfte von zweien. (3) O du, der du glücklich während deiner Herrschaft warst und glücklicher noch nach ihrem Ende bist! Denn du hörst und siehst ja sicherlich all dies, vergöttlichter Constantius; dich hat der Sonnengott selbst in seinem Wagen, der fast noch zu sehen war, während er vom Orte seines Unterganges aus die nicht weit entfernten Regionen seines Aufganges wieder aufsuchte, aufgenommen, um dich in den Himmel zu fahren. (4) Welch große Freude genießest du nun, welch großes Vergnügen empfindest du, da deinen so trefflichen Sohn hier, der dich als erster zu einem „Vater“ gemacht hat, derselbe Vater, derselbe Schwiegervater, derselbe Imperator in den Besitz deines Herrscheramtes eingeführt hat! (5) Es ist dies die dir eigene Art von Unsterblichkeit, die du allen zu Göttern Erhobenen voraushast und die wir hier sehen: ein Sohn, der dir ähnlich ist im Aussehen,

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tate. (6) Inviderint licet nobis, nihil tamen auferre domui tuae Fata potuerunt: nec Maximiano filius qualis tu eras, nec Constantino pater deest. (7) Quin etiam ut omnibus modis tua necessitudo renovetur, rursus hic socer, rursus hic gener est, ut beatissimus imperator semper ex tua subole nepotibus augeatur.

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ähnlich in der Gesinnung, gleich in der Machtfülle der Herrschgewalt. (6) Mögen die Schicksalsgottheiten dich uns auch missgönnt haben, so war es ihnen doch nicht möglich, deinem Hause etwas fortzunehmen: es mangelt weder Maximian an einem Sohn, wie du einer warst, noch Konstantin an einem Vater. (7) Ja, damit sogar auf alle nur mögliche Weise deine verwandtschaftliche Verbindung erneuert wird, gibt es hier wieder einen Schwiegervater, dort wieder einen Schwiegersohn, auf dass der ganz und gar vom Glück gesegnete Imperator immerfort aus deiner Nachkommenschaft durch Enkel reiches Wachstum erfahre.

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1 (1) Facerem, sacratissime imperator, quod paulo ante mihi plerique suaserunt ut, quoniam maiestas tua hunc mediocritati meae diem in ista civitate celeberrimum ad dicendum dedisset, de eo ipso ducerem sermonis exordium, nisi me ab hoc duplex ratio revocaret, considerantem neque mediae aetatis hominem ostentare debere subitam dicendi facultatem neque ad aures tanti numinis quicquam nisi diu scriptum et saepe tractatum adferri oportere. (2) Nam qui apud imperatorem populi Romani dicit ex tempore, quantum sit non sentit imperium. (3) Huc accedit quod iam satis multi sunt qui me putant nimium multa dicturum, idque, ut arbitror, non ex ingenio meo, quod mediocre est, sed ex laudum vestrarum copia metiuntur. Quorum ego exspectationem invitus licet fallam brevitate dicendi. Revera enim cogitaveram plura quae dicerem, sed malo orationem meam quam respui. (4) Itaque primum illud compendium faciam quod, cum omnes vos, invictissimi principes, quorum concors est et socia maiestas, debita veneratione suspiciam, hunc tamen, quantulumcumque tuo modo, Constantine, numini dicabo sermonem. (5) Ut enim ipsos immortales deos, quamquam universos animo colamus, interdum tamen in suo quemque templo ac sede veneramur, ita mihi fas esse duco omnium principum pietate meminisse, laudibus celebrare praesentem. 2 (1) A primo igitur incipiam originis tuae numine, quod plerique adhuc fortasse nesciunt, sed qui te amant plurimum sciunt. (2) Ab illo enim divo Claudio manat in te avita cognatio, qui Romani imperii solutam et perditam disciplinam primus reformavit, immanesque Gothorum copias Ponti faucibus et Histri ore proruptas terra marique delevit, utinam diuturnior recreator hominum quam maturior deorum comes. (3) Quamvis igitur

PANEGYRICUS DES JAHRES 310 LOBREDE ZU EHREN DES CONSTANTINUS AUGUSTUS 1 (1) Ich würde, heiligster Imperator, das tun, wozu mir vor kurzem sehr viele Leute geraten haben: da nämlich deine Majestät dem Mittelmaß meiner Begabung diesen überaus festlichen Tag in dieser Stadt hier für eine Rede zur Verfügung gestellt hat, von eben diesem Umstand den Anfang meines Redevortrags herzuleiten – hielte mich davon nicht ein doppelter Grund ab, nämlich die Erwägung, dass ein Mann schon mittleren Alters nicht sein Talent zur improvisierten Rede zur Schau stellen soll und es auch nicht angeht, einer so großen göttlichen Hoheit etwas anderes als eine über lange Zeit hin schriftlich ausgearbeitete und oftmals überdachte Rede zu Gehör zu bringen. (2) Denn wer vor einem Imperator des römischen Volkes unvorbereitet spricht, hat kein Gespür für die Größe des Imperiums. (3) Hinzu kommt, dass es schon eine genügend große Anzahl von Leuten gibt, die der Ansicht sind, ich werde allzu lange sprechen, und zu diesem Urteil gelangen sie, wie ich glaube, nicht aufgrund meiner Begabung, welche mittelmäßig ist, sondern durch die reiche Fülle des euch gebührenden Lobes. Ich erlaube mir, ihre Erwartung, wenn auch ungern, durch die Kürze meiner Rede zu enttäuschen. Denn tatsächlich hatte ich eine größere Rede geplant, doch ziehe ich es vor, eine kurze Rede zu halten, statt Missbilligung zu ernten. (4) Und so will ich zunächst folgende Kürzung vornehmen: ich werde, wiewohl ich zu euch allen, ihr gänzlich unbesiegbaren Herrscher, deren Majestät einig und einander verbunden ist, mit dem schuldigen Respekt emporschaue, trotzdem diesen – wenn auch noch so kurzen – Redevortrag nur deiner göttlichen Hoheit, Konstantin, widmen. (5) Denn wie wir von den unsterblichen Göttern selbst, obwohl wir ihnen allen gemeinsam in unserem Innersten Verehrung erweisen, dann und wann doch einen jeden in seinem eigenen Heiligtum und Wohnsitz anbeten, so ist es mir erlaubt, wie ich glaube, aller Herrscher zusammen mit frommer Ehrerbietung zu gedenken, mit Lob und Preis aber den hier anwesenden zu verherrlichen. 2 (1) Ich will also mit der ersten Gottheit in deiner Familie beginnen, von der die Menge bisher vielleicht noch keine Kenntnis hat, welche aber diejenigen, die dich lieben, sehr gut kennen. (2) Es ist nämlich jener vergöttlichte Claudius, von dem das Erbe der Blutsverwandtschaft auf dich übergeht, welcher die aufgelöste und zugrunde gerichtete Zucht und Ordnung innerhalb des römischen Reiches als erster wiederhergestellt und die ungeheuren Scharen der Goten, die von der Meerenge des Pontus und der Mündung des Hister (Donau) hervorgestürmt waren, zu Land und zur See vernichtet hat. Hätte er doch längere Zeit der Menschheit neue Kraft verleihen können, als so frühzeitig Gefährte der Götter geworden zu sein! (3) Mag man also auch

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Panegyricus Latinus VI/VII

ille felicissimus dies proxima religione celebratus imperii tui natalis habeatur, quoniam te isto habitu primus ornavit, iam tamen ab illo generis auctore in te imperii fortuna descendit. (4) Quin immo ipsum patrem tuum vetus illa imperatoriae domus praerogativa provexit, ut iam summo gradu et supra humanarum rerum fata consisteres, post duos familiae tuae principes tertius imperator. (5) Inter omnes, inquam, participes maiestatis tuae hoc habes, Constantine, praecipuum, quod imperator es , tantaque est nobilitas originis tuae ut nihil tibi addiderit honoris imperium nec possit Fortuna numini tuo imputare quod tuum est, omisso ambitu et suffragatione. 3 (1) Non fortuita hominum consensio, repentinus aliquis favoris eventus te principem fecit: imperium nascendo meruisti. (2) Quod quidem mihi deorum immortalium munus et primum videtur et maximum, in lucem statim venire felicem et ea quae alii vix totius vitae laboribus consequuntur iam domi parta suscipere. (3) Quamvis enim magna sit et admiranda felicitas quae stipendiis in ordinem meritis et militiae gradibus emensis ad fastigium istud maiestatis ascendit, et solis virtutis nixa radicibus ad tantum potentiae robur invaluit – quod quidem etiam tu, quantum per aetatem licuit, consecutus es et, quamvis te super omnes adquirendae gloriae moras Fortuna posuisset, crescere militando voluisti et adeundis belli periculis ac manu cum hostibus etiam singulari certamine conserenda notiorem te gentibus reddidisti, cum non posses esse nobilior; – magnum, inquam, est abs se profectum ad maxima pervenire; (4) longe tamen aliud est niti per ardua et iuga montium petere plano, aliud ipsa ortus sui sublimitate fultum verticem tenere fortunae, et quae summa sunt non sperare sed habere.

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jenen überaus glücklichen Tag, der jüngst mit frommer Verehrung gefeiert wurde, für den Geburtstag deiner Herrschaft ansehen, da er dich ja erstmals mit diesem Gewand hier geschmückt hat, so ist doch die glückhafte Bestimmung zur Herrschaft schon von jenem Ahnherrn deines Geschlechtes auf dich herabgekommen. (4) Ja sogar deinen Vater selbst hat jener alte Vorrang des kaiserlichen Hauses vorrücken lassen, so dass du schon im höchsten Rang und über den Geschicken menschlicher Belange deinen Standort bezogen hast – nach zwei Herrschern deiner Familie der dritte Kaiser! (5) Unter allen Teilhabern an deiner herrscherlichen Würde, so sage ich, hast du dies als besonderen Vorzug, Konstantin, dass du als Kaiser (imperator) geboren bist und der Adel deiner Herkunft so groß ist, dass dir die Übernahme der Herrschaft (imperium) keinen weiteren Ehrenrang hinzugefügt hat und sich Fortuna gegenüber deiner göttlichen Hoheit nicht das als Verdienst anrechnen kann, was dein Eigen ist – ohne Gunsthascherei und Empfehlung. 3 (1) Keine zufällige Übereinstimmung von Menschen, nicht irgendein unerwarteter Erfolg einer Gunst hat dich zum Herrscher gemacht: durch Geburt hast du die kaiserliche Herrschaft verdient. (2) Dies jedenfalls erscheint mir als das erste und größte Geschenk der Götter, schon zu Beginn vom Glück begünstigt ins Leben zu treten und bereits als der Familie eigenes Gut zu empfangen, was andere kaum mit den Mühen eines ganzen Lebens erlangen. (3) Denn es mag ja ein noch so großes und bewundernswertes Glück sein, nach ordnungsgemäß geleistetem Kriegsdienst und nach Durchlaufen der militärischen Dienstgrade zu diesem Gipfel herrscherlicher Würde emporgestiegen und, allein auf die Grundlage der eigenen Leistung bauend, zu solch großer Kraft und Macht erstarkt zu sein (dies Ziel hast ja auch du erlangt, soweit es dein Alter erlaubte, und es ist dein Wunsch gewesen, obwohl dich das Schicksal über alle Verzögerungen im Erwerb von Ruhm erhoben hatte, durch Heeresdienst noch zu wachsen, und du hast, indem du Kriegsgefahren auf dich genommen und dich sogar mit dem Feind in einen Zweikampf eingelassen hast, bei den Völkern die Kenntnis deines Namen weiter verbreitet, da du deinen angeborenen Adel (ohnehin) nicht vergrößern konntest); es ist also, ich sage es nochmals, etwas Großes, wenn man, ganz auf sich allein gestellt, auszieht und dann zu den höchsten Gipfeln gelangt: (4) doch es ist etwas weitaus anderes, aus der Ebene über Steilhänge emporzuklimmen und nach Bergeshöhen zu streben, als, unmittelbar auf die Erhabenheit der eigenen Abstammung gestützt, den Gipfel des Glücks zu behaupten und das Höchste nicht erst zu erhoffen, sondern schon in Händen zu halten.

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Panegyricus Latinus VI/VII

4 (1) Sacrum istud palatium non candidatus imperii sed designatus intrasti, confestimque te illi paterni lares successorem videre legitimum. (2) Neque enim erat dubium quin ei competeret hereditas quem primum imperatori filium fata tribuissent. Te enim tantus ille et imperator in terris et in caelo deus in primo aetatis suae flore generavit toto adhuc corpore vigens, illa praeditus alacritate ac fortitudine quam bella plurima, praecipue campi videre Vindonii. (3) Inde est quod tanta ex illo in te formae similitudo transivit, ut signante Natura vultibus tuis impressa videatur. (4) Idem enim est quem rursus in te colimus aspectus, eadem in fronte gravitas, eadem in oculis et in ore tranquillitas. Sic est index modestiae rubor, sic testis sermo iustitiae. (5) Accipe, imperator, ancipitem nostrorum sensuum confessionem: dolet quod Constantius excessit a nobis sed, dum te cernimus, illum excessisse non credimus. (6) Quamquam quid ego illum excessisse dico, cuius immortalia facta vivunt et in ore omnium hominum oculisque versantur? 5 (1) Quis enim, non dico reminiscitur, sed quis non adhuc quodam modo videt quantis ille rebus auxerit ornaritque rem publicam? (2) Qui adscitus imperio primo adventu suo innumerabili hostium classe ferventem exclusit Oceanum, exercitum illum qui Bononiensis oppidi litus insederat terra pariter ac mari saepsit, cum reciprocos aestus illius elementi iactis inter undas vallis diremisset ut, quorum portas fluctus adluerat, mare ei quod tangerent perdidissent. (3) Qui eodem exercitu virtute capto, clementia conservato, dum aedificandis classibus Britanniae reciperatio comparatur, terram Bataviam sub ipso quondam alumno suo a diversis Francorum gentibus occupatam omni hoste purgavit, nec contentus vicisse ipsas in Romanas transtulit nationes, ut non solum arma sed etiam feritatem ponere cogerentur. (4) Nam quid ego de receptione Britanniae loquar? ad quam ita quieto mari navigavit ut Oceanus ille tanto vectore stupefactus

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4 (1) In dieses heilige Palatium bist du nicht als Bewerber um die Herrschaft, sondern als designierter Herrscher eingetreten, und sogleich haben jene väterlichen Laren in dir den legitimen Nachfolger gesehen. (2) Denn es gab keinen Zweifel, dass demjenigen das Erbe zustand, den die Schicksalsgottheiten dem Imperator als erstgeborenen Sohn geschenkt hatten. Dich nämlich hat jener so bedeutende Imperator auf Erden und Gott im Himmel in der ersten Blüte seines Lebens gezeugt, als er noch in voller Lebenskraft und Frische stand, ausgezeichnet mit jener Energie und Tatkraft, die so viele Kriege und besonders die Schlachtfelder von Vindonissa miterlebt haben. (3) Daher kommt es, dass von jenem auf dich eine so große Ähnlichkeit der Gestalt übergegangen ist, dass sie mit dem Siegel der Natur deinem Antlitz eingeprägt erscheint. (4) Denn es ist dasselbe Aussehen, das wir bei dir wieder verehren, derselbe Ernst auf der Stirn, dieselbe Ruhe im Blick und in der Stimme. Ebenso ist auch bei dir das Erröten Zeichen der Bescheidenheit, ebenso die Rede Zeugnis der Gerechtigkeit. (5) Empfange das doppelte Bekenntnis unserer Gefühle, Imperator: es schmerzt uns, dass Constantius von uns gegangen ist, doch wenn wir dich genau betrachten, glauben wir nicht, dass jener von uns gegangen ist. (6) Indessen, wieso sage ich, jener sei gegangen, er, dessen unsterbliche Taten fortleben und im Mund und in den Augen aller Menschen lebendig sind? 5 (1) Denn wer – ich sage nicht: erinnert sich, sondern: wer sieht nicht bis heute gewissermaßen, mit welchen Großtaten er das Gemeinwesen gemehrt und geschmückt hat? (2) Er hat, zur Herrschaft berufen, sogleich bei seiner Ankunft den Ozean, der von einer unermesslich großen feindlichen Flotte tosend schäumte, abgeriegelt und jenes Heer, das die Küste von Bononia (Boulogne) besetzt hatte, zu Land und zur See gleichermaßen blockiert, als er Dämme mitten unter den Wogen aufgeworfen und dadurch den Rückstrom der Fluten jenes Elements unterbrochen hatte, so dass diejenigen, deren Tore die Flut bespült hatte, das Meer, dessen Anrainer sie ja doch waren, verloren hatten. (3) Er hat eben dieses Heer mit seiner Tapferkeit gefangen genommen und ihm mit seiner Milde das Leben geschenkt; während er dann die Wiedergewinnung von Britannien durch den Bau von Flottenkontingenten vorbereiten ließ, hat er das Bataverland, das einst sogar unter einem seiner eigenen Landeskinder von verschiedenen Frankenstämmen besetzt worden war, von jedem Feind gereinigt; und nicht zufrieden damit, den Sieg errungen zu haben, hat er sie dann selbst in römische Lande umgesiedelt, um sie so zu zwingen, nicht nur ihre Waffen, sondern auch ihre Wildheit abzulegen. (4) Denn was soll ich von der Wiedergewinnung Britanniens sprechen? Er fuhr dorthin bei so ruhiger See, dass jener Ozean, erstarrt vor einem solchen Seefahrer, je-

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caruisse suis motibus videretur, ita pervectus ut non comitata illum sit sed praestolata Victoria. 6 (1) Quid de misericordia dicam qua victis temperavit? Quid de iustitia qua spoliatis amissa restituit? Quid de providentia qua sociis sibi iunctis se eiusmodi iudicem dedit ut servitutem passos iuvaret recepta libertas, culpae conscios ad paenitentiam revocaret impunitas? (2) Quid loquar rursus intimas Franciae nationes iam non ab his locis quae olim Romani invaserant sed a propriis ex origine sui sedibus atque ab ultimis barbariae litoribus avulsas, ut in desertis Galliae regionibus conlocatae et pacem Romani imperii cultu iuvarent et arma dilectu? Quid commemorem Lingonicam victoriam etiam imperatoris ipsius vulnere gloriosam? (3) Quid Vindonissae campos hostium strage completos et adhuc ossibus opertos? (4) Quid immanem ex diversis Germanorum populis multitudinem, quam duratus gelu Rhenus inlexerat ut insulam, quam divortio sui idem amnis amplectitur, pedestri agmine ausa transmittere repente laxato flumine clauderetur et dimissis statim obsessa navigiis ita se dedere cogeretur ut, quod difficilius est, sorte communi eligeret ex se quos captivitati traderet, relatura cum reliquiis suis infamiam proditionis suorum. 7 (1) Dies me ante deficiat quam oratio, si omnia patris tui facta vel hac brevitate percurram. Cuius etiam suprema illa expeditio non Britannica tropaea, ut vulgo creditum est, expetivit, sed dis iam vocantibus ad intimum terrarum limen accessit. (2) Neque enim ille tot tantisque rebus gestis non dico Calidonum aliorumque Pictorum silvas et paludes, sed nec Hiberniam proximam nec Thylen ultimam nec ipsas, si quae sunt, Fortunatorum insulas dignabatur adquirere sed, quod eloqui nemini voluit, iturus ad deos

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der eigenen Regung entsagt zu haben schien, und in so glücklicher Überfahrt, dass Victoria ihn nicht begleitet, sondern (dort bereits) erwartet hat. 6 (1) Was soll ich über das Mitgefühl sagen, mit dem er den Besiegten Schonung gewährte? Was über die Gerechtigkeit, mit der er den Beraubten ihre Verluste wiedererstattete? Was von der klugen Weitsicht, die er in solcher Weise als Richter gegenüber den Verbündeten, die sich ihm angeschlossen hatten, anwendete, dass diejenigen, die Knechtschaft erduldet hatten, die wiedergewonnene Freiheit erfreute, die Schuldbewussten Straflosigkeit zur Reue zurückrief? (2) Wozu soll ich nochmals darüber reden, dass die Stämme aus dem Innern des Frankenlandes jetzt nicht nur von den Orten, zu denen die Römer einstmals vorgedrungen waren, sondern von ihren ursprünglichen und angestammten Wohnsitzen, von den äußersten Gestaden der Barbarenwelt abgetrennt worden sind, um, in verlassenen Gebieten Galliens angesiedelt, den Frieden des römischen Reiches durch deren Kultivierung zu unterstützen, seine Waffen aber durch ihre Rekrutierung? Wozu soll ich an den Sieg im Land der Lingonen erinnern, ruhmreich überdies noch durch eine Wunde, die der Imperator selbst erhielt? (3) Wozu an die Schlachtfelder von Vindonissa, mit Bergen gefallener Feinde übersät und noch heute von ihren Gebeinen bedeckt? (4) Wozu an die ungeheure Menschenmenge aus verschiedenen germanischen Völkerschaften, die der frosterstarrte Rhein zu dem Wagnis verlockt hatte, zu Fuß auf eine Insel hinüberzuziehen, die derselbe Fluss in einer Gabelung seines Laufs umschließt, so dass sie bei plötzlich einsetzender Schmelze vom Fluss eingeschlossen und, von sogleich entsandten Schiffen belagert, zur Kapitulation gezwungen wurde; und dies in der Weise, dass sie, was noch schlimmer ist, in einem allgemeinen Losverfahren aus ihrer Mitte diejenigen auszuwählen hatte, die sie als Kriegsgefangene ausliefern sollte, um dann selbst mit ihren restlichen Landsleuten die Kunde von der Schande, die eigenen Leute preisgegeben zu haben, nach Hause zu bringen. 7 (1) Der Tag dürfte mir wohl eher zur Neige gehen als meine Rede, wenn ich – selbst in dieser Kürze – alle Taten deines Vaters überfliegen wollte. Auf seinem letzten Feldzug suchte er überdies nicht, britannische Siegestrophäen zu erbeuten, wie man gemeinhin glaubte; sondern, da die Götter ihn schon riefen, nahte er sich dem eigentlichen Ende der Welt. (2) Denn er wollte nach so vielen und so bedeutenden Taten nicht mehr auf Landeroberungen ausziehen – ich rede nicht von den Wäldern und Sümpfen der Kaledonier und anderer Pikten – aber auch nicht in das so nahe gelegene Hibernien, noch nach Thule am Ende der Welt, selbst nicht, falls es sie gibt, zu den Inseln der Seligen; sondern, was er keinem anvertrauen wollte, bereits im Begriff, zu

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genitorem illum deorum ignea caeli astra refoventem prospexit Oceanum, ut fruiturus exinde luce perpetua iam videret illic diem paene continuum. (3) Vere enim profecto illi superum templa patuerunt, receptusque est consessu caelitum Iove ipso dexteram porrigente. Quin immo statim sententiam rogatus cui imperium decerneret, dixit ut decebat Constantium Pium: manifeste enim sententia patris electus es, imperator. (4) Quod quidem ita nos dicere cum veritas iubet, tum pietati tuae, ut video, gratissimum est. Sed cur tantummodo privatis tuis adfectibus blandiamur, cum omnium deorum fuerit illa sententia, et quidem iam pridem auctoritate perscripta, quamvis tunc pleno sit firmata consilio? (5) Iam tunc enim caelestibus suffragiis ad salutem rei publicae vocabaris, cum ad tempus ipsum quo pater in Britanniam transfretabat classi iam vela facienti repentinus tuus adventus inluxit, ut non advectus cursu publico sed divino quodam advolasse curriculo videreris. 8 (1) Non enim ulla Persarum Cydonumve tela tam certis iactibus destinata fixerunt quam tempestivus patri tuo terras relicturo comes adfuisti omnesque illius curas quas praesaga et tacita mente volvebat praesentiae tuae securitate laxasti. (2) Di boni, quanta Constantium Pium etiam in excessu suo felicitate donastis! Imperator transitum facturus in caelum vidit quem relinquebat heredem. Ilico enim atque ille terris fuerat exemptus, universus in te consensit exercitus, te omnium mentes oculique signarunt et, quamquam tu ad seniores principes de summa re publica quid fieri placeret rettulisses, praevenerunt studio quod illi mox iudicio probaverunt. (3) Purpuram statim tibi, cum primus copiam tui fecit egressus, milites utilitati publicae magis quam tuis adfectibus servientes iniecere lacrimanti; neque enim fas erat

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den Göttern zu gehen, richtete er seinen Blick in die Ferne zum Ozean hin, jenem Erzeuger der Götter, der den feurigen Gestirnen des Himmels neue Glut verleiht, um – zu künftigem Genuss des ewigen Lichtes bestimmt – bereits dort den Tag zu schauen, der nahezu ohne Ende ist. (3) Denn in der Tat: es öffneten sich ihm wahrhaftig die Tempel der überirdischen Götter, und er wurde aufgenommen in der Versammlung der Himmlischen, und Jupiter selbst streckte ihm dort die Hand entgegen. Und sogleich um seine Meinung befragt, wem er die Herrschaft zuerkenne, gab er denn auch eine Antwort, wie sie des Constantius Pius würdig war: klar und deutlich bist du ja durch die Stimme deines Vaters auserwählt worden, Imperator! (4) Gerade diesen Punkt so deutlich auszusprechen, gebietet uns die Wahrheit, und es ist besonders deiner frommen Verehrung gegenüber deinem Vater, wie ich sehe, ganz und gar willkommen. Doch wieso sollen wir nur deinen persönlichen Empfindungen schmeicheln, da dies doch die Meinung aller Götter gewesen ist, und zwar schon seit langer Zeit mit ihrem Namen verbürgt, doch zu diesem Zeitpunkt erst in voller Versammlung bestätigt. (5) Denn schon damals wurdest du von der Stimme der Himmlischen zur Rettung des Staates aufgerufen, als gerade zu der Zeit, da dein Vater sich anschickte, nach Britannien überzusetzen, deine unerwartete Ankunft helles Licht über der Flotte erstrahlen ließ, die schon die Segel setzte, so dass es schien, du seiest nicht mit der staatlichen Post gereist, sondern irgendwie auf einem göttlichen Gefährt durch die Lüfte geeilt. 8 (1) Denn keine Pfeile der Perser oder Kydonen haben mit so sicherem Schuss ihr Ziel erreicht, wie du zum rechten Zeitpunkt deinem Vater, der sich aufmachte, die Welt zu verlassen, als Begleiter zur Seite standest und alle seine Sorgen, die er in vorausahnendem und verschwiegenem Herzen bedachte, durch die Gewissheit deiner Gegenwart erleichtert hast. (2) Ihr guten Götter, mit welch großem Glück habt ihr Constantius Pius auch bei seinem Scheiden aus dem Leben beschenkt! Im Begriff, den Übergang in den Himmel zu vollziehen, hat der Imperator den gesehen, den er als Erben zurückließ. Denn sogleich, als er von der Erde hinweg genommen war, hat das ganze Heer seine Stimme auf dir vereint, haben aller Herzen und Augen dich bezeichnet, und obwohl du bei den rangälteren Herrschern nach ihren Entscheidungen über die Leitung des Gemeinwesens hattest anfragen lassen, haben sie (die Soldaten) mit ihrer Begeisterung vorweggenommen, was jene bald mit ihrer Entscheidung anerkannten. (3) Die Soldaten haben dir sofort, als dein erster Ausritt ihnen Gelegenheit gab, dir zu begegnen, trotz deiner Tränen den Purpur übergeworfen und haben damit eher dem Nutzen des Staates einen Dienst als deinen Gefühlen einen Gefallen erwiesen. Denn es war nicht rechtens, noch

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diutius fleri principem consecratum. (4) Diceris etiam, imperator invicte, ardorem illum te deposcentis exercitus fugere conatus equum calcaribus incitasse. Quod quidem, ut verum audias, adulescentiae errore faciebas. (5) Quis enim te Cyllarus aut Arion posset eripere quem sequebatur imperium? Illa, inquam, illa maiestas quae Iovis sublata nutu nec Iridi deum nuntiae sed pinnis commissa Victoriae tam facile te continata est quam cito ad terras caelo missa perveniunt. (6) Sic modestiam tuam atque pietatem et differendi imperii conatus ostendit et rei publicae felicitas vicit. 9 (1) O fortunata et nunc omnibus beatior terris Britannia, quae Constantinum Caesarem prima vidisti! (2) Merito te omnibus caeli ac soli bonis Natura donavit, in qua nec rigor est nimius hiemis nec ardor aestatis, in qua segetum tanta fecunditas ut muneribus utrisque sufficiat et Cereris et Liberi, in qua nemora sine immanibus bestiis, terra sine serpentibus noxiis, contra pecorum mitium innumerabilis multitudo lacte distenta et onusta velleribus; (3) certe, quod propter vita diligitur, longissimae dies et nullae sine aliqua luce noctes, dum illa litorum extrema planities non attollit umbras noctisque metam caeli et siderum transit adspectus, ut sol ipse qui nobis videtur occidere ibi appareat praeterire. (4) Di boni, quid hoc est quod semper ex aliquo supremo fine mundi nova deum numina universo orbi colenda descendunt? Sic Mercurius a Nilo, cuius fluminis origo nescitur, sic Liber ab Indis prope consciis solis orientis deos se gentibus ostendere praesentes. (5) Sacratiora sunt profecto mediterraneis loca vicina caelo, et inde propius a dis mittitur imperator ubi terra finitur. 10 (1) Imperatoris igitur filius et tanti imperatoris, et ipse tam feliciter adeptus imperium, quomodo rem publicam vindicare coepisti? Ignobilem,

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länger einen Herrscher zu beweinen, der zu den Göttern erhoben war. (4) Es heißt ja sogar, unbesiegbarer Imperator, du habest versucht, jener glühenden Begeisterung des Heeres zu entfliehen, das dringend nach dir verlangte, und deinem Pferd die Sporen gegeben. Diesen Versuch hast du freilich – damit du die Wahrheit vernimmst – in jugendlicher Verirrung unternommen. (5) Denn welcher Cyllarus oder Arion hätte dich fortreißen können, dich, den die Herrschaft beharrlich verfolgte! Jene, sage ich, jene herrscherliche Würde ist es, die, dem Wink Jupiters unterworfen und nicht der Götterbotin Iris, sondern den Schwingen der Victoria anvertraut, dich ebenso leicht erreicht hat, wie rasch Botschaften, vom Himmel entsandt, zur Erde gelangen. (6) So hat einerseits dein Versuch, den Herrschaftsantritt noch hinauszuschieben, deine Bescheidenheit und respektvolle Verehrung deutlich gezeigt, andererseits doch das Glück des Staates hierüber den Sieg davongetragen. 9 (1) O Britannia, vom Glück begünstigt und nunmehr glücklicher als alle Länder der Erde, du, die du als erste Konstantin als Caesar erblickt hast! (2) Verdientermaßen hat dich die Natur mit allen Vorzügen des Klimas und des Bodens beschenkt: dort gibt es weder allzu strengen Winterfrost noch allzu glühende Sommerhitze, dort ist die Fruchtbarkeit der Saaten so groß, dass sie für beide Gaben, die der Ceres und des Liber, ausreicht; dort gibt es Wälder ohne grässliche wilde Tiere, einen Erdboden ohne gefährliche Schlangen, hingegen eine unermessliche Fülle sanften Viehs, strotzend von Milch und mit dichter Wolle bedeckt; (3) dort gibt es gewiss – und hierfür liebt man das Leben – sehr lange Tage und keine Nächte ganz ohne Licht, wenn jenes Tiefland am äußersten Saum der Küsten keine Schatten wirft und der Blick auf Himmel und Gestirne über den Wendepunkt der Nacht hinweggeht, so dass die Sonne selbst, die uns unterzugehen scheint, dort sichtbar am Horizont entlangzieht. (4) Ihr guten Götter, wie kommt es, dass stets von irgendeinem äußersten Ende der Welt neue göttliche Wesen herabsteigen, die vom ganzen Erdkreis zu verehren sind? So haben sich Merkur vom Nil her, dessen Quelle unbekannt ist, und so Liber vom Land der Inder her, die nahezu Zeugen des Aufgangs der Sonne sind, den Völkern als gegenwärtige Götter gezeigt. (5) Dem Himmel benachbarte Orte sind wahrhaft in höherem Maße geheiligt als in der Mitte der Erde gelegene, und es liegt für die Götter näher, von dort einen Imperator zu entsenden, wo die Erde endet. 10 (1) Sohn eines Imperators also – und zwar eines so bedeutenden Imperators – der du selbst so vom Glück begünstigt zur Herrschaft gelangt bist, in welcher Weise hast du zu Beginn dem Staat deinen Schutz angedeihen lassen? Irgendeinen gemeinen Barbarenhaufen, glaube ich, der in einem

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credo, aliquam barbarorum manum, quae repentino impetu et improviso latrocinio ortus tui auspicia temptasset, adfecisti poena temeritatis. (2) Reges ipsos Franciae, qui per absentiam patris tui pacem violaverant, non dubitasti ultimis punire cruciatibus, nihil veritus gentis illius odia perpetua et inexpiabiles iras. (3) Cur enim ullam reputet iustae severitatis offensam imperator qui quod fecit tueri potest? (4) Tuta clementia est quae parcit inimicis et sibi magis prospicit quam ignoscit; te vero, Constantine, quantumlibet oderint hostes, dum perhorrescant. Haec est enim vera virtus, ut non ament et quiescant. Cautior licet sit qui devinctos habet venia perduelles, fortior tamen est qui calcat iratos. (5) Renovasti, imperator, veterem illam Romani imperii fiduciam, quae de captis hostium ducibus vindictam morte sumebat. (6) Tunc enim captivi reges cum a portis usque ad forum triumphantium currus honestassent, simul atque in Capitolium currum flectere coeperat imperator, abrepti in carcerem necabantur. (7) Unus Perses ipso Paulo, qui dedentem se acceperat, deprecante legem illius severitatis evasit; ceteri omnes in vinculis luce privati aliis regibus dedere documentum ut mallent amicitiam colere Romanam quam exasperare iustitiam. Adeo et hoc boni confert poena hostibus inrogata, ut non solum inimici ferocire non audeant sed etiam amici impensius revereantur. 11 (1) Inde igitur est, imperator, pax ista qua fruimur. Neque enim iam Rheni gurgitibus, sed nominis tui terrore munimur. Quamlibet ille aut arescat aestu aut resistat gelu, neutro hostis audebit uti vado. (2) Nihil enim tam insuperabili vallo Natura praecludit quod non penetret audacia, cui aliqua conandi spes relinquatur; ille est inexpugnabilis murus, quem exstruit fama virtutis. (3) Sciunt posse Franci transire Rhenum, quos ad necem suam libenter admittas, sed nec victoriam possunt sperare

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Überraschungsangriff und unerwarteten Raubzug die Anfänge deines Herrschaftsantrittes auf die Probe gestellt hatte, hast du für seine Tollkühnheit bestraft. (2) Sogar die Könige des Frankenlandes, die infolge der Abwesenheit deines Vaters den Frieden verletzt hatten, hast du, ohne zu zögern, mit äußerst qualvollen Folterstrafen hinrichten lassen, ohne jede Furcht vor den immerwährenden Regungen des Hasses und den unauslöschlichen Rachegefühlen jenes Volkes. (3) Denn warum sollte ein Imperator auf irgendeine Verletzung und Missstimmung infolge seiner gerechten Strenge Rücksicht nehmen, wenn er seine Tat zu verteidigen vermag? (4) Ungefährlich ist eine Milde, die den Feind schont und mehr um sich selbst besorgt ist als Nachsicht übt. Dich aber, Konstantin, sollen die Feinde hassen, soviel sie nur wollen, wenn sie nur durch und durch erschaudern vor dir. Denn das ist Wirkung wahrhaft erfolgreicher Tapferkeit, dass sie dich nicht lieben und doch Ruhe halten. Mag derjenige größere Vorsicht an den Tag legen, der seine Feinde durch Gnade gänzlich bezwungen hält, größeren Mut und Stärke zeigt jedoch, wer die Zornrasenden mit Füßen tritt! (5) Du hast, Imperator, jenes alte Selbstvertrauen des römischen Imperiums wiederhergestellt, welches über gefangene feindliche Führer die Todesstrafe verhängte. (6) Denn einst war es Brauch, gefangene Könige, wenn sie den Triumphwagen von den Stadttoren bis zum Forum Glanz verliehen hatten, in den Kerker zu schleppen und zu töten, sobald der Imperator begonnen hatte, seinen Wagen zum Capitol hin zu lenken. (7) Nur Perseus ist auf Fürsprache eben jenes Paulus, der seine Kapitulation entgegengenommen hatte, dem Gesetz jener Strenge entronnen. Alle übrigen dienten, im Gefängnis hingerichtet, den anderen Königen als (warnendes) Beispiel, es vorzuziehen, die Freundschaft Roms zu pflegen, statt seine Gerechtigkeit herauszufordern. Sogar noch diesen Vorteil bringt die über den Feind verhängte Strafe, dass nicht nur die Gegner nicht aufzutrotzen wagen, sondern sogar die Freunde noch nachdrücklicher ihren Respekt bezeugen. 11 (1) Daher rührt also dieser Friede, dessen wir uns erfreuen, o Imperator! Denn uns schützen nicht mehr die reißenden Fluten des Rheins, sondern der Schrecken deines Namens. Wie jener auch in Sommerglut versiegen oder in Eiseskälte erstarren mag, keine der beiden Möglichkeiten herüberzukommen wird der Feind zu nutzen wagen. (2) Denn nichts hat die Natur mit einem so unüberwindlichen Wall versperrt, dass nicht Wagemut, dem bei seinem Versuch noch irgendeine Hoffnung auf Erfolg verbleibt, ihn durchbrechen könnte. Doch unbezwingbar ist jene Mauer, die der Ruf erfolgreicher Tapferkeit aufrichtet. (3) Die Franken wissen, dass sie den Rhein überschreiten können – du würdest sie wohl zu ihrem eigenen Verderben gerne herüberlassen –, aber

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nec veniam. Quid ipsos maneat, ex regum suorum cruciatibus metiuntur, ideoque tantum abest ut amnis illius transitum moliantur, magis ut coepto ponte desperent. (4) Ubi nunc est illa ferocia, ubi semper infida mobilitas? Iam ne procul quidem Rhenum audetis accolere, et vix securi flumina interiora potatis. (5) Contra hinc per intervalla disposita magis ornant limitem castella quam protegunt. Arat illam terribilem aliquando ripam inermis agricola, et toto nostri greges bicorne mersantur. Haec est tua, Constantine, de Ascarici Merogaisique supplicio cotidiana atque aeterna victoria omnibus quondam secundis proeliis anteponenda: (6) semel acie vincitur, sine fine documento. Cladem suam, quamvis multi pereant, vulgus ignorat; compendium est devincendorum hostium duces sustulisse. 12 (1) Ut tamen omnibus modis barbarorum immanitas frangeretur, nec sola hostes regum suorum supplicia maererent, etiam immissa Bructeris vastatione fecisti, imperator invicte. (2) In quo prima consilii tui fuit ratio quod exercitu repente traiecto inopinantes adortus es, non quo aperto Marte diffideres ut qui palam congredi maluisses, sed ut illa natio perfugiis silvarum et paludum bellum solita frustrari fugae tempus amitteret. (3) Caesi igitur innumerabiles, capti plurimi; quidquid fuit pecoris, raptum aut trucidatum est; vici omnes igne consumpti; puberes qui in manus venerunt, quorum nec perfidia erat apta militiae nec ferocia servituti, ad poenas spectaculo dati saevientes bestias multitudine sua fatigarunt. (4) Hoc est, imperator, fretum esse virtute sua atque fortuna, hoc est non pacem emere parcendo sed victoriam quaerere provocando.

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sie können weder auf Sieg hoffen noch auf Gnade. Was sie selbst erwartet, ermessen sie an den Todesqualen ihrer eigenen Könige, und daher kommt es, dass sie, weit entfernt, den Übergang über jenen Fluss zu beabsichtigen, vielmehr wegen deines begonnenen Brückenbaus voller Verzweiflung sind. (4) Wo ist nun jener wilde Trotz, wo der stets treulose Wankelmut? Jetzt wagt ihr nicht einmal mehr, in einer größeren Entfernung vom Rhein zu wohnen und trinkt kaum noch in Sicherheit das Wasser der Flüsse landeinwärts. (5) Dagegen stellen die diesseits in regelmäßigen Abständen errichteten Kastelle für die Grenzlinie eher eine Zierde als einen Schutz dar. Unbewaffnet pflügt jenes einstmals schreckliche Ufer der Bauer, und es baden unsere Herden an jeder Stelle des zweiarmig mündenden Stromes. Darin besteht, Konstantin, – infolge der Hinrichtung des Ascaricus und des Merogaisus – dein täglich neuer und immerwährender Sieg, der höher einzuschätzen ist als alle früheren Kampfeserfolge: (6) Einen Sieg verleiht das Schlachtfeld, Sieg für immer ein Exempel! Von der eigenen Niederlage hat die Masse keine Vorstellung, mögen noch so viele ums Leben kommen. Der kürzere Weg zu einem endgültigen Sieg über die Feinde ist es, ihre Anführer beseitigt zu haben! 12 (1) Dass jedoch die rohe Wildheit der Barbaren in jeder Hinsicht gebrochen wurde und dass die Feinde nicht nur die Hinrichtung ihrer Könige zu betrauern hatten, das hast du erreicht, unbesiegbarer Imperator, indem du sogar das Bruktererland mit Verwüstung heimsuchtest. (2) Hierbei war es der erste berechnete Punkt deiner Planung, dein Heer unerwartet übersetzen zu lassen und sie dann, nichts ahnend, anzugreifen, nicht, weil du zu offener Feldschlacht etwa kein Zutrauen hattest (der du dich ja lieber in einen offenen Kampf eingelassen hättest), sondern um jenem Stamm, der gewohnt ist, den Krieg durch Rückzug in Wälder und Sümpfe zu vereiteln, keine Zeit zur Flucht zu lassen. (3) Unzählige wurden also getötet, sehr viele gefangen genommen; alles, was es an Vieh gab, wurde weggeschleppt oder abgeschlachtet; alle Dörfer wurden vom Feuer vernichtet; die Erwachsenen, die dir in die Hände fielen, deren Treulosigkeit sie ebenso wenig für den Kriegsdienst geeignet erscheinen ließ wie ihre Wildheit für den Sklavendienst, wurden zur Bestrafung ins Amphitheater gebracht, und ihre Masse ermüdete das Wüten der wilden Tiere. (4) Das, o Imperator, heißt, auf seine eigene Tüchtigkeit und sein eigenes Glück zu vertrauen; das heißt, nicht den Frieden durch Schonung zu erkaufen, sondern Sieg durch Herausforderung zum Kampf zu suchen.

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13 (1) Insuper etiam Agrippinensi ponte faciundo reliquiis adflictae gentis insultas, ne umquam metus ponat, semper horreat semper supplices manus tendat, cum tamen hoc tu magis ad gloriam imperii tui et ornatum limitis facias quam ad facultatem, quotiens velis, in hosticum transeundi, quippe cum totus armatis navibus Rhenus instructus sit et ripis omnibus usque ad Oceanum dispositus miles immineat. (2) Sed pulchrum tibi videtur (et re vera pulcherrimum est) ut Rhenus ille non solum superioribus locis, ubi aut latitudine vadosus aut vicinia fontis exiguus, sed etiam ibi novo ponte calcetur ubi totus est, ubi iam plurimos hausit amnes quos hic noster ingens fluvius et barbarus Nicer et Moenus invexit, ubi iam immani meatu ferox et alvei unius impatiens in sua cornua gestit excedere. (3) Servit profecto, Constantine, ipsa rerum natura numini tuo, cum in illa gurgitum altitudine tantarum molium fundamenta iaciuntur fidam et stabilem firmitatem habitura. (4) Iunxerit licet quondam Hellesponti angustias classe conexa Persarum rex potentissimus: temporarius ille transitus fuit. Simili navium continuatione Baianum sinum straverit ab Augusto tertius Caesar: delicata fuit illa vectatio principis otiosi. Hoc opus et difficile factu et usu futurum est sempiternum. (5) Certe quidem iam tibi in exordio sui hostium movit obsequia, qui pacem supplices petiverunt, nobilissimos obsides obtulerunt. Ex quo nemo dubitat quid perfecto ponte facturi sint qui iam serviunt inchoato. 14 (1) Talibus te pro utilitate ac dignitate publica rebus intentum averterunt in se novi motus eius hominis quem successibus tuis maxime favere decuisset. De quo ego quemadmodum dicam adhuc ferme dubito et de nutu numinis tui exspecto consilium. (2) Quamlibet enim merito pietatis tuae questibus arguatur, debet tamen

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13 (1) Darüber hinaus übergießt du durch den Brückenbau von Colonia Agrippina (Köln) den noch verbliebenen Rest dieses hart getroffenen Volkes mit Spott und Hohn, auf dass es niemals Furcht und Schrecken ablege, stets Schauder empfinde, stets bittflehend die Hände ausstrecke; dagegen tust du dies doch eher zum Ruhm deiner Herrschaft und zur Verschönerung der Grenze als mit dem Ziel, beliebig oft ins Feindesland hinübermarschieren zu können, da am Rhein ja in ganzer Länge Schiffe einsatzbereit liegen und am gesamten Ufer bis zum Ozean hin Militär drohend auf Posten steht. (2) Aber es erscheint dir als rühmlich – und es ist tatsächlich überaus rühmlich –, dass eben dieser Rhein nicht nur an seinem Oberlauf, wo er durch seine Breite reich an Furten ist oder durch die Nähe der Quelle spärlich fließt, sondern durch eine neue Brücke auch dort zu Fuß begangen werden kann, wo er seine volle Breite hat, wo er schon sehr viele Zuflüsse aufgenommen hat, die unser gewaltiger Fluss hier sowie Neckar und Main aus dem Barbarenland herbeigeführt haben, und wo er, durch die reißende Strömung schon unbändig wild und nicht länger zufrieden mit nur einem Flussbett, heftig danach verlangt, sich in seine beiden Arme zu teilen. (3) Tatsächlich ist ja, Konstantin, sogar die Natur deinem göttlichen Willen dienstbar, wenn in die Tiefen reißender Strudel dort die Fundamente so gewaltiger Pfeilermassen gegründet werden, die zuverlässige und widerstandsfähige Stabilität bieten sollen. (4) Mag auch einst der überaus mächtige König der Perser die Ufer an der Enge des Hellespont durch eine Schiffsbrücke miteinander verknüpft haben: so war doch jener Übergang von kurzer Dauer. Mag der zweite Caesar nach Augustus mit einer ähnlichen Aneinanderreihung von Schiffen eine Straße über die Bucht von Baiae hingebreitet haben: das war damals nur die luxuriös-elegante Spazierfahrt eines Herrschers in Mußestunden! Dieses Werk hier aber ist ebenso schwierig zu vollbringen wie von immerwährendem Nutzen für die Zukunft! (5) Gewiss, es hat dir schon zu Beginn der Arbeiten unterwürfigen Gehorsam deiner Feinde eingebracht, die demütig um Frieden gebeten und die Vornehmsten ihres Stammes als Geiseln angeboten haben. Daher zweifelt niemand daran, was sie nach Fertigstellung der Brücke tun werden, da sie sich ja schon bei Baubeginn als unterwürfig erweisen. 14 (1) Als dich solche Taten zum Nutzen und Ansehen der Allgemeinheit ganz in Anspruch nahmen, zogen die aufrührerischen Umtriebe desjenigen Mannes, dem es angestanden hätte, deinen Erfolgen gegenüber höchst wohlgesonnen zu sein, deine Aufmerksamkeit auf sich. Fast bin ich jetzt noch im Zweifel, in welcher Weise ich über ihn sprechen soll, und erwarte Rat von einem Wink deiner göttlichen Hoheit. (2) Denn mit welcher Berechtigung auch die Klagen deiner Sohnesliebe ihn beschuldigen, so muss doch

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sibi vox privata moderari, praesertim cum eum qui tibi ex tantis beneficiis tuis et tanto necessitudinum favore ingratus exstiterit adhuc contemplatio tui cogat ut quamvis irati revereantur. (3) Quid faciam igitur ut tam profunda vulnera suspensa manu tractem? Usurpabo nimirum illa communia omnium facinorum patrocinia, quae tamen plerumque etiam a sapientibus adseruntur, neminem hominum peccare nisi fato et ipsa scelera mortalium actus esse fortunae, contra autem deorum munera esse virtutes. (4) Gratulare, Constantine, naturae ac moribus tuis quod te talem Constantius Pius genuit, talem siderum decreta formarunt, ut crudelis esse non possis. (5) Illum autem non credo, cum venturus in lucem optionem vitae qua uteretur acciperet, sortem incurrisse fugiendam, quae multis hominibus iniustum et postremo ipsi voluntarium ferret exitium. (6) Ut enim alia mittam, hoc ipsum nonne fati necessitas tulit, ut ille pietati tuae hanc referret vicem, quem tu ab Urbe pulsum, ab Italia fugatum, ab Illyrico repudiatum tuis provinciis, tuis copiis, tuo palatio recepisti? 15 (1) Quid, oro, sibi voluit, quid optavit? Ut quid amplius adipisceretur his quae a te fuerat consecutus? Cui tu summa et diversissima bona, privatum otium et regias opes, dederas, cui digredienti anulos tradideras, cui impensius etiam quam tibi occurrere obsequia nostra mandaveras, cuius omnibus iussis sic statueras oboedire ut penes te habitus, penes illum potestas esset imperii. (2) Quisnam ille tantus fuit non ardor potentiae (quid enim te imperante non posset?) sed error iam desipientis aetatis, ut tot natus annos gravissimas curas et bellum civile susciperet? (3) Nullis, ut res est, fortunae muneribus explentur quorum cupiditates ratio non terminat, atque ita eos felicitas ingrata subterfluit ut semper pleni sperum,

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der Außenstehende seine Worte mäßigen: besonders, da die Rücksicht auf dich noch dazu zwingt, ihm – trotz eigener zorniger Gemütsverfassung – Ehrerbietung zu erweisen, obwohl er sich dir gegenüber, nach so bedeutenden Wohltaten deinerseits und bei so bedeutender Vorzugsstellung durch eure verwandtschaftlichen Bande, als undankbar erwiesen hat. (3) Wie soll ich es also zustandebringen, mit behutsamer Hand an so tiefe Wunden zu rühren? Ich werde natürlich jene allgemein üblichen Verteidigungsargumente für alle Übeltaten anführen, die ja doch sogar von den Philosophen zumeist geltend gemacht werden: niemand unter den Menschen begehe eine Verfehlung, außer, es sei vom Geschick verhängt, und die Verbrechen der Sterblichen seien ihrerseits Handlungen des Schicksals, die Tugenden dagegen aber Gaben der Götter. (4) Danke der natürlichen Veranlagung deines Wesens, Konstantin, dass Constantius Pius dich so gezeugt und die Bestimmung der Gestirne dich so geprägt hat, dass du zur Grausamkeit nicht fähig bist. (5) Als jener aber, im Begriff, ins Leben zu treten, die Wahl des Lebenswegs empfing, den er gehen sollte, ist er, wie ich meine, in ein unentrinnbares Los hineingeraten, das vielen Menschen ein ungerechtes Lebensende und schließlich ihm selbst den Freitod brachte. (6) Denn um andere Dinge zu übergehen: hat nicht eben dies die Unausweichlichkeit des Schicksals bewirkt, dass er deine liebevolle Gesinnung so vergolten hat? Er, den du, als er vertrieben war aus Rom, verjagt aus Italien, abgewiesen aus Illyrien, in deinen Provinzen, bei deinen Truppen, in deinem Palast aufgenommen hast! 15 (1) Was, so frage ich, hat er für sich gewollt? Was hat er sich gewünscht? Noch irgendetwas mehr über das hinaus zu erlangen, was er schon von dir erhalten hatte? Er, dem du die höchsten und verschiedenartigsten Güter hattest zuteil werden lassen: Muße des Privatmanns und königlichen Reichtum; er, dem du bei seiner Abreise die Ringe übergeben hattest; er, dem wir, so hattest du angeordnet, noch angelegentlicher unseren Gehorsam erweisen sollten als dir; er, dessen Befehlen allesamt, so hattest du es festgesetzt, wir in der Weise Folge leisten sollten, dass bei dir das äußere Bild, bei jenem die Machtbefugnis der kaiserlichen Herrschaft zu finden sei. (2) Was war es denn für eine derart gewaltige – ich sage nicht: leidenschaftliche Begierde nach Macht (was wäre ihm denn unter deinem Gebot nicht möglich gewesen), sondern: Verirrung eines Alters, das schon von den Bahnen des gesunden Verstandes abkommt, dass er in so hohen Jahren noch schwer lastende Sorgen und Bürgerkrieg auf sich nahm? (3) Durch keine Gaben des Glücks – das ist eine Tatsache – wird das Herz derjenigen zufriedengestellt, deren leidenschaftlichen Wünschen die Vernunft nicht eine Grenze setzt; und so sehr zerrinnt ihnen das Glück unbedankt unter der Hand, dass sie, stets voller Hoffnungen, doch

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vacui commodorum, praesentibus careant dum futura prospectant. (4) At enim divinum illum virum qui primus imperium et participavit et posuit consilii et facti sui non paenitet nec amisisse se putat quod sponte transcripsit, felix beatusque vere quem vestra tantorum principum colunt obsequia privatum. (5) Sed et ille multiiugo fultus imperio et vestro laetus tegitur umbraculo, quos scit ex sua stirpe crevisse et glorias vestras iuste sibi vindicat. (6) Hunc ergo illum, qui ab eo fuerat frater adscitus, puduit imitari, huic illum in Capitolini Iovis templo iurasse paenituit. Non miror quod etiam genero peieravit. 16 (1) Haec est fides, haec religio Palatini sacrarii devota penetralibus, ut lente et cunctanter, iam scilicet cum illis belli consiliis, itinere confecto, consumptis copiis mansionum ne quis consequi posset exercitus, repente intra parietes consideret purpuratus et bis depositum tertio usurparet imperium, litteras ad sollicitandos exercitus mitteret, fidem militum praemiorum ostentatione turbare temptaret, secure scilicet usurus exercitu quem venales manus habere docuisset. (2) Quo quidem illius errore declaratum est, imperator, quantus te militum tuorum amor complecteretur, qui te omnibus donis quae ille promiserat, omnibus honorum oblationibus praetulerunt. (3) Rara illa virtus continentiae vix a paucis sapientiae praeceptoribus, tamen aliquando servata, propter te, Constantine, omnium hominum est facta communis, nec solum hi quos ratio litterae vitae quies mitigavit, sed etiam ille militarium ardor animorum respectu tui lucra contempsit. (4) Fuerint aliqui exercitus alacritate ac viribus tui similes: tibi uni contigit exercitum habere sapientem. (5) Multi olim fortasse pravi duces, armis impares, largitione certarunt, sed brevis eorum fuit et caduca popularitas, quos facile vicit quisquis imitatus est.

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ohne Vorteil und Annehmlichkeit, gegenwärtige Güter nicht nutzen, während sie auf künftige warten. (4) Jener göttliche Mann hingegen, der als erster die kaiserliche Macht geteilt und auch niedergelegt hat, empfindet keine Reue über seinen Entschluss und seine Tat und glaubt nicht, verloren zu haben, was er aus freien Stücken übertragen hat, – glücklich und wahrhaft glückselig er, den auch als Privatperson so mächtige Herrscher wie ihr noch mit Gehorsam ehren! (5) Er aber birgt sich, gestützt auf das Gespann der Vielherrschaft, zugleich froh in eurem Schatten – er weiß ja, dass ihr aus seinem Stamm hervorgewachsen seid – und rechnet sich mit Recht euren Ruhm als eigenes Verdienst an. (6) Jener Mann also, der von diesem als Bruder angenommen war, scheute sich, es diesem gleichzutun, und es reute ihn, diesem im Tempel des Iuppiter Capitolinus einen derartigen Eid geleistet zu haben. Ich wundere mich nicht, dass er auch gegenüber seinem Schwiegersohn seinen Eid gebrochen hat. 16 (1) So sieht also Treue aus, so heilige Verpflichtung, als Gelübde dargebracht im innersten Raum des Heiligtums, des Palastes: dass er – natürlich schon mit jenen Kriegsplänen befasst – die Reise nur langsam und zögernd durchführte, alle Vorräte in den Raststationen verbrauchte, damit ihn kein Heer einholen könne; dass er sich dann unerwartet innerhalb von vier Wänden niedersetzte, in Purpur gehüllt, und die zweimal niedergelegte Herrschaft ein drittes Mal an sich riss, Briefe zur Aufwiegelung der Armeen entsandte, die Treue der Soldaten durch die Aussicht auf Belohnungen ins Wanken zu bringen suchte, – um sich künftig offenbar ohne Sorgen eines Heeres zu bedienen, das er gelehrt hätte, käufliche Hände zu haben! (2) Die Verirrung jenes Mannes hat indessen deutlich erwiesen, o Imperator, wie groß die Liebe ist, mit der deine Soldaten dich umarmen: sie haben dich allen Geschenken, die jener ihnen versprochen hatte, und jeglichem Anerbieten von Auszeichnungen vorgezogen. (3) Jene seltene Tugend des Maß-Haltens, die kaum noch von einigen Lehrern der Philosophie (zuweilen aber doch) beobachtet wird, ist deinetwegen, Konstantin, Gemeingut aller Menschen geworden, und es haben nicht nur diejenigen, denen Vernunft, Studien und Bildung, und ein Leben in Zurückgezogenheit einen milden Charakter verliehen haben, sondern auch die Soldaten trotz ihres bekannt feurigen Mutes in Rücksicht auf dich materiellen Gewinn gering zu schätzen gelernt. (4) Mag es einige Heere gegeben haben, die an Kampfeseifer und Stärke deinem ähnlich waren: dir allein wurde es zuteil, eine Armee von Weisen zu haben! (5) Vielleicht haben früher viele schlechte Heerführer, die an Waffengewalt unterlegen waren, den Kampf mit Bestechungsgeldern geführt; ihre Beliebtheit war jedoch von kurzer Dauer und vergänglich; jeder, der sie nachahmte, konnte sie leicht besiegen!

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(6) Hic firmus, hic aeternus est rei publicae custos quem ipsum per se milites amant, cui non blandita nec vendita servit adulatio sed simplex et sincera devotio. (7) Dona tua, Constantine, manifeste sunt grata militibus, sed hoc gratiora quod tua sunt. (8) Quaecumque porrigis manu tua fiunt acceptiora. Quam nemo tecum potest hac ambitione contendere! Insuperabile genus est largitionis, cum ipse militi praemium est imperator. (9) Itaque tribuis tu quidem exercitibus tuis etiam plura quam cupiunt, sed tuum te magis nomen, tua de memoria patris auctoritas, tua aetatis gratia, tua denique ista venerabilis forma commendat. 17 (1) Pulchrum enim, di boni, et caeleste miraculum imperator adulescens, in quo illa quae iam summa est fortitudo adhuc tamen crescit, in quo hic fulgor oculorum, haec veneranda pariter et grata maiestas praestringit simul et invitat adspectus. (2) Talem Magnum illum regem, talem Thessalum virum mente concipio, quorum summa virtus pulchritudini coniuncta celebratur. (3) Non frustra enim doctissimi viri dicunt Naturam ipsam magnis mentibus domicilia corporum digna metari, et ex vultu hominis ac decore membrorum colligi posse quantus illos caelestis spiritus intrarit habitator. (4) Itaque te cum ingredientem milites vident, admirantur et diligunt, sequuntur oculis, animo tenent, deo se obsequi putant, cuius tam pulchra forma est quam certa divinitas. 18 (1) Statim igitur ut foedum illud facinus audierant, ultro a te proficiscendi signum petiverunt; cum viatica dares, id ipsum sibi moram facere plusque iam se quam sufficeret ex largitionibus tuis habere dixerunt. (2) Inde arreptis armis portas petiverunt, tot dierum iter a Rheno usque ad Ararim sine ulla requie peregerunt indefessis corporibus, animis flagrantibus, crescente in dies ardore vindictae quanto propius accederent. (3) Tum quidem tua, imperator, cura, qua refovendis eorum viribus

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(6) Der ist ein unerschütterlicher, der ein dauerhafter Wächter des Staates, den die Soldaten um seiner selbst willen lieben, dem nicht durch Schmeichelei erbetene oder erkaufte Kriecherei, sondern natürliche und aufrichtige Ehrerbietung dienstbar ist. (7) Deine Geschenke, Konstantin, finden bei den Soldaten offenkundig Gefallen, doch sie gefallen ihnen umso mehr, weil sie von dir kommen. (8) Alles, was du gibst, wird durch den Empfang aus deiner Hand noch willkommener. Wie unmöglich ist es für jemand anderen, mit dir in diesem Werben um die Gunst zu wetteifern! Unübertrefflich ist solche Art freigebigen Schenkens, wenn der Lohn für die Soldaten der Imperator selbst ist! (9) Also gibst du gewiss deinen Heeren sogar über das hinaus, was sie begehren, aber was sie noch mehr für dich einnimmt, sind dein Name, dein Ansehen, das von der Erinnerung an deinen Vater herrührt, der Reiz deiner Jugend und schließlich eben deine verehrungswürdig schöne Gestalt. 17 (1) Denn ein herrliches Wunderbild des Himmels ist der junge Imperator, ihr guten Götter: in ihm ist jene Tapferkeit, die schon den höchsten Grad erreicht hat und doch noch weiterwächst; an ihm sind dieser strahlende Glanz der Augen, diese ebenso verehrungswürdige wie anziehende Hoheit, welche die Blicke zugleich blenden und auf sich ziehen. (2) So stelle ich mir jenen „Großen“ König, so den thessalischen Helden vor, bei dem man die Verbindung von höchster Mannhaftigkeit und Schönheit rühmt. (3) Denn nicht ohne Grund sagen die größten Gelehrten, die Natur selbst weise großen Geistern angemessene Körper als Wohnsitze zu, und man könne aus dem Antlitz des Menschen und der Wohlgestalt seiner Glieder erkennen, welch bedeutender Geist von himmlischem Rang in ihnen Wohnung genommen hat. (4) Daher bewundern und lieben dich die Soldaten, wenn sie dich dahinschreiten sehen, folgen dir mit ihren Blicken, bewahren dich im Herzen, glauben, einem Gott Gehorsam zu leisten, dessen Gestalt ebenso schön wie seine Göttlichkeit unzweifelhaft ist. 18 (1) Daher forderten sie sogleich, als sie von jener schändlichen Tat gehört hatten, aus eigenem Antrieb von dir das Zeichen zum Aufbruch; als du ihnen Vorräte für unterwegs geben ließest, sagten sie, eben dies schaffe ihnen nur Verzögerung, und sie hätten schon mehr als genug aufgrund deiner freigebigen Spenden. (2) Daraufhin griffen sie hastig zu den Waffen, drängten zu den Toren, marschierten ohne jede Ruhepause eine Strecke von so vielen Tagen vom Rhein bis zum Arar (Saône), ohne müde zu werden, mit brennendem Herzen, wobei die leidenschaftliche Begierde nach Rache von Tag zu Tag wuchs, je näher sie heranrückten. (3) Damals hat ihnen in ihrer Eile deine Sorge ja beinahe missfallen, Imperator, da du ihnen zur Wiederherstel-

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a Cabillonensi portu navigia provideras, festinantibus paene non placuit. Segnis ille et cunctabundus amnis nunquam fuisse tardior videbatur; carinis tacite labentibus et ripis lente recedentibus stare se, non ire clamabant. (4) Tum vero usum pedum manibus aggressi incubuere remigiis et naturam fluminis urguendo vicerunt, et tandem eluctati Araris moras vix ipso Rhodano fuere contenti; parum illis videbatur concitus ruere, minus solito Arelate properare. (5) Quid multa? Confitendum est, imperator: cum hoc tuo vigore corporis, hoc mentis ardore laborasti interdum ut quem ducebas sequereris exercitum. (6) Tanto enim omnes impetu ferebantur ut, cum illum Arelate deserto comperissent abisse Massiliam, confestim navibus evolarent effusoque cursu non iam Rhodani curricula sed ipsa quodammodo ventorum flabra praeverterent. (7) Tantus illos incenderat amor numinis tui ut, quamvis scirent oppugnandam esse munitissimam civitatem, sufficere sibi crederent pervenire. 19 (1) Massilia enim, ut audio, in profundum mare prominens et munitissimo accincta portu, in quem angusto aditu meridianus refluit sinus, solis mille quingentis passibus terrae cohaeret, qua firmissimus et turribus frequens murus opponitur. (2) Quippe olim Graecos Italosque illuc convenas, cum artibus ingenioque pollerent, etiam ipse docuit locus omnia quae bello usui forent largius in eam partem quae adiri posset impendere, cum Natura in ceteris sumptum operis remisisset. (3) Itaque illam tum gravi fato Caesari portas pro duce seniore claudentem terra marique admotis machinis, aggeribus exstructis, navalibus proeliis saepius oppugnatam quam territam vix obsessio diuturna patefecit, cum tamen Graeculi magistratus et ipsum Caesarem et mox duces eius et copias non tam viribus suis quam moenibus reppulissent. (4) At enim nunc primo tuo, imperator, adventu primoque impetu exercitus tui nihil eiusdem Massiliae altitudo murorum,

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lung ihrer Kräfte im voraus Schiffe vom Hafen von Cabillonum (Chalonsur-Saône) aus besorgt hattest. Jener träge und zögernd dahinfließende Strom schien nie langsamer gewesen zu sein; da die Schiffe still dahinglitten und die Ufer nur langsam hinter ihnen zurückwichen, riefen sie laut, sie stünden still und kämen nicht voran. (4) Dann aber bedienten sie sich ihrer Hände statt der Füße und legten sich in die Ruder; so siegte ihre Anstrengung über die Natur des Flusses, und sie waren schließlich, nach ihrem mühevollen Sieg über die Trägheit des Arar sogar kaum mit dem Rhodanus (Rhône) zufrieden, ohne rechte Bewegung schien er ihnen dahinzuströmen, weniger rasch als gewohnt nach Arelate (Arles) zu eilen. (5) Was weiter? Man muss es zugestehen, Imperator: trotz dieser deiner körperlichen Kraft, trotz deines leidenschaftlich glühenden Sinnes musstest du dich zuweilen abmühen, dem Heer, das du anführtest, zu folgen! (6) Denn ein solch ungestümer Drang riss alle mit, dass sie auf die Nachricht, jener habe Arelate verlassen und sei fort nach Massilia (Marseille) gezogen, unverzüglich von den Schiffen sprangen und in stürmischer Eile nicht mehr den Lauf des Rhodanus, sondern gewissermaßen sogar das Wehen des Windes hinter sich ließen. (7) Eine so große Liebe zu deiner göttlichen Majestät hatte sie entflammt, dass sie, obgleich sie wussten, sie hätten eine außerordentlich stark befestigte Stadt zu bestürmen, der Meinung waren, ihre bloße Ankunft reiche bereits aus. 19 (1) Massilia springt nämlich, wie ich höre, ins tiefe Meer vor und verfügt über einen sehr stark befestigten Hafen, in den das südlich davon liegende Meer durch eine enge Zufahrt einströmt; mit dem Festland ist sie nur über eine 1500 Schritt breite Landenge verbunden, auf der zur Abwehr eine sehr starke und vielfach turmbewehrte Mauer errichtet ist. (2) Einst lehrte ja die dorthin gezogenen Griechen und Italer – obwohl sie selbst in hohem Maße über Fertigkeiten und Begabung verfügten – auch die Beschaffenheit des Geländes selbst, alle für den Krieg nützlichen Aufwendungen in reichlicherem Umfang auf den zugänglichen Teil zu verwenden, da die Natur ihnen andernorts den Aufwand einer Befestigungsanlage erlassen hatte. (3) Daher konnte damals auch nur mit Mühe eine langandauernde Belagerung zu ihr Zutritt verschaffen, als sie, zum eigenen schlimmen Verhängnis, Caesar zugunsten eines älteren Feldherrn die Tore verschloss und mit Maschinen, zu Land und zur See herbeigebracht, mit aufgeschichteten Dämmen, mit Seegefechten öfters bestürmt als in Schrecken versetzt war; und dies, obwohl doch ihre Magistrate, diese Griechlein, Caesar selbst und bald auch seine Anführer und Truppen nicht so sehr mit eigenen Kräften als vielmehr durch ihre Festungsmauern abgewehrt hatten. (4) Aber jetzt, sogleich bei deiner Ankunft, Imperator, und beim ersten Ansturm deines Heeres, konnten freilich weder die Mauerhöhe

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nihil creberrimae turres, nihil loci natura remorata est, quominus et portum caperes et urbem continuo, si velles. (5) Quippe tanta fiducia murum omnem milites invaserant, ut statim sine dubio ascensuri fuissent, nisi in parandis quas admoverant scalis coniecturam oculorum sublimitas fefellisset. (6) Sic quoque multi scalarum brevitate decepti, quod supererat ascensui, extentis corporibus aequabant, et succedentium humeris sublevati iam intervalla pinnarum uncis manibus invaserant. Adeo nihil periculi in vindictae exsecutione metuebant, ut sibi non murum scandere sed ex aequo congredi viderentur. 20 (1) Sed o singularem tuam, Constantine, pietatem et sua semper officia etiam inter arma servantem! Signum receptui dedisti et victoriam distulisti, ut omnibus tibi liceret ignoscere, ne quid atrocius faceret miles iratus quam clementiae tuae natura pateretur. (2) In quo licet optimi imperatoris sollicitudine caveris ut inducti in fraudem milites paenitendi tempus acciperent atque ultro veniam precarentur, nos tamen qui mitissimos tuos sensus intuemur (nihil est enim tam perspicuum quam in pectore tuo bonitas) illi te intellegimus pepercisse, quem, si prima copiam habuisset inruptio, eripere ferro nemo potuisset. (3) Ita quod ad pietatem tuam pertinet, imperator, et illum et omnes quos receperat reservasti. Sibi imputet quisquis uti noluit beneficio tuo nec se dignum vita iudicavit, cum per te liceret ut viveret; tu, quod sufficit conscientiae tuae, etiam non merentibus pepercisti. (4) Sed (ignosce dicto) non omnia potes: di te vindicant et invitum. 21 (1) Quod quidem nobis semper optandum est ut prosperos habeas etiam ultra tua vota successus, qui omnem spem in gremio maiestatis tuae ponimus et tuam ubique praesentiam, quasi dari possit, expetimus. (2) Ecce enim, dum a limite paulisper abscesseras,

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derselben Massilia noch die so dicht beieinander stehenden Türme noch die natürliche Lage des Ortes dich im geringsten davon abhalten, Hafen und Stadt auf der Stelle einzunehmen, wenn du es nur gewollt hättest. (5) Ja, die Soldaten waren mit solcher Zuversicht gegen die ganze Mauer vorgedrungen, dass sie sie ohne Zweifel sogleich danach erklommen hätten, wenn sie nicht bei der Beschaffung der Leitern, die angestellt werden sollten, das Augenmaß hinsichtlich der Höhe getrogen hätte. (6) Aber auch in dieser Lage suchten viele, die sich von der Kürze der Leitern hatten täuschen lassen, die für den Aufstieg noch verbleibende Mauerhöhe mit ausgestreckten Körpern auszugleichen, und waren schon, auf den Schultern der Nachfolgenden in die Höhe gehoben und indem sie die Hände als Haken gebrauchten, in die Zwischenräume zwischen den Zinnen vorgedrungen. Bei der Verfolgung ihrer Rache fürchteten sie die Gefahr so wenig, dass sie nicht glaubten, eine Mauer zu erklimmen, sondern vom ebenen Boden aus in den Kampf zu ziehen. 20 (1) Doch wie einzigartig, Konstantin, ist dein treues Pflichtgefühl, das auch mitten im Kampf immer an seinen Verpflichtungen festhält! Du hast das Zeichen zum Rückzug gegeben und den Sieg verschoben, um die Möglichkeit zu haben, allen zu verzeihen, und damit die Soldaten im Zorn nicht grausamer handelten, als die angeborene Milde deiner Natur es zuließe. (2) Magst du dabei auch mit der Besorgnis eines ganz vortrefflichen Imperators sichergestellt haben, dass die zu einer Verirrung verleiteten Soldaten Gelegenheit zur Reue erhielten und von sich aus um Verzeihung bitten konnten: wir jedoch, die wir deine so milde Sinnesart sehen (denn nichts ist so deutlich zu erfassen wie deine Herzensgüte), sehen ein, dass du jenen geschont hast, den niemand dem Schwert hätte entreißen können, hätten die Soldaten beim ersten Sturmangriff Gelegenheit dazu erhalten. (3) Auf diese Weise hast du, soweit es dein treues Pflichtgefühl anlangt, Imperator, jenen und alle, die er auf seine Seite gebracht hatte, gerettet. Jeder soll es sich selbst zuschreiben, der von deiner Gnade keinen Gebrauch machen wollte und sich des Lebens nicht für wert hielt, da er mit deiner Erlaubnis doch hätte weiterleben können. Du – und dies leistet deinem Gewissensanspruch Genüge – hast auch solche geschont, die es nicht verdienten. (4) Doch, verzeihe meinem Wort, du vermagst nicht alles: die Götter rächen dich auch gegen deinen Willen! 21 (1) Was wir uns jedenfalls immer wünschen müssen, ist, dass du Glück und Erfolg selbst über deine eigenen Wünsche hinaus haben mögest, – wir, die wir jegliche Hoffnung in den Schoß deiner Majestät legen und nach deiner allgegenwärtigen Anwesenheit verlangen, als ob uns dies geschenkt werden könne. (2) Denn siehe, in der Zeit, als du nur eine kleine Weile die Grenze

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quibus se terroribus barbarorum perfidia iactaverat, scilicet dum sibi illa proponunt: quando perveniet? quando vincet? quando fessum reducet exercitum? cum repente audito reditu tuo velut attoniti conciderunt, ne tuum pro re publica votum amplius quam unius noctis cura tetigisset. (3) Postridie enim quam accepto illo nuntio geminatum itineris laborem susceperas, omnes fluctus resedisse, omnem quam reliqueras tranquillitatem redisse didicisti, ipsa hoc sic ordinante Fortuna ut te ibi rerum tuarum felicitas admoneret dis immortalibus ferre quae voveras, ubi deflexisses ad templum toto orbe pulcherrimum, immo ad praesentem, ut vidisti, deum. (4) Vidisti enim, credo, Constantine, Apollinem tuum comitante Victoria coronas tibi laureas offerentem, quae tricenum singulae ferunt omen annorum. Hic est enim humanarum numerus aetatum quae tibi utique debentur ultra Pyliam senectutem. (5) Et – immo quid dico ‘credo’? – vidisti teque in illius specie recognovisti, cui totius mundi regna deberi vatum carmina divina cecinerunt. (6) Quod ego nunc demum arbitror contigisse, cum tu sis, ut ille, iuvenis et laetus et salutifer et pulcherrimus, imperator. (7) Merito igitur augustissima illa delubra tantis donariis honestasti, ut iam vetera non quaerant. Iam omnia te vocare ad se templa videantur praecipueque Apollo noster, cuius ferventibus aquis periuria puniuntur, quae te maxime oportet odisse. 22 (1) Di immortales, quando illum dabitis diem, quo praesentissimus hic deus omni pace composita illos quoque Apollinis lucos et sacras aedes et anhela fontium ora circumeat? Quorum scaturigines leni tepore nebulosae adridere, Constantine, oculis tuis et osculis sese inserere velle videantur. (2) Miraberis profecto illam quoque numinis tui sedem et calentes aquas sine ullo soli ardentis indicio, quarum nulla tristitia est saporis aut halitus, sed talis haustu et odore sinceritas qualis fontium frigidorum. (3) Dabis et

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verlassen hattest, mit welchen Schrecknissen hatte sich da die Treulosigkeit der Barbaren gebrüstet, als sie – natürlich – folgende Überlegungen anstellten: „Wann wird er dort ankommen? Wann den Sieg erringen? Wann das erschöpfte Heer zurückführen?“ Da brachen sie bei der unerwarteten Nachricht von deiner Rückkehr wie vom Donner gerührt zusammen, – damit dich nicht in deinem Gelöbnis und Wunsch für das Gemeinwesen mehr als die Sorge einer einzigen Nacht angerührt hätte. (3) Einen Tag, nachdem du aufgrund jener Nachricht die Strapaze einer doppelten Tagesstrecke auf dich genommen hattest, hast du erfahren, dass sich alle Sturmfluten beruhigt hatten und die Ruhe, die du hinterlassen hattest, gänzlich zurückgekehrt war: da hat das Schicksal es selbst so gefügt, dass dich das Glück in deinen Unternehmungen dort daran erinnerte, den unsterblichen Göttern das, was du ihnen gelobt hattest, darzubringen, wo du (von der Hauptroute) abgebogen warst, den Weg zum schönsten Heiligtum auf dem ganzen Erdkreis einzuschlagen, ja vielmehr zu dem, wie du gesehen hast, gegenwärtigen Gott. (4) Du hast nämlich, wie ich glaube, Konstantin, deinen Apollon gesehen, der dir in Begleitung der Victoria Lorbeerkränze darreichte, deren jeder das Zeichen für dreißig Jahre bedeutet; dies ist nämlich die Zahl der menschlichen Generationen, – wie sie dir ganz gewiss bestimmt sind, über das Greisenalter Nestors hinaus. (5) Und wieso sage ich überhaupt ‚ich glaube’? Du hast ihn gesehen und hast dich in der Gestalt dessen wiedererkannt, dem die Herrschaft über die ganze Welt gebührt, wie es die göttlich inspirierten Lieder der Dichter sangen; (6) dies ist, wie ich meine, erst jetzt eingetreten, da du wie jener jung, froh, heilbringend und strahlend schön bist, Imperator! (7) Zu Recht also hast du jene so ehrwürdigen Heiligtümer mit solch bedeutenden Weihegaben geehrt, dass sie die alten nicht mehr vermissen. Schon mag es den Anschein erwecken, als riefen dich alle Tempel zu sich, und besonders unser Apollon, in dessen aufwallenden Wasserquellen Meineid bestraft wird, den du ja am meisten hassen musst! 22 (1) Ihr unsterblichen Götter, wann werdet ihr jenen Tag schenken, an dem dieser so sichtbar waltende Gott überall Frieden geschaffen hat und auch die dortigen Haine Apollons, seine Heiligtümer und dunstatmenden Quellen an ihrem Ursprung besucht? Ihre sprudelnden Wasser, dunstig von sanfter Wärme, mögen dann den Eindruck erwecken, als wollten sie deinen Augen, Konstantin, zulächeln und deine Lippen netzen. (2) Gewiss wirst du auch jenen Wohnsitz deiner Gottheit bewundern und jene Wasser, die ohne jede Spur brennenden Erdreiches warm sind, die keinerlei Bitterkeit in Geschmack und Geruch aufweisen, sondern so klar zu trinken und deren Hauch so rein zu atmen ist wie das Wasser kalter Quellen. (3) Auch dort wirst du Geschenke

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illic munera, constitues privilegia, ipsam denique patriam meam ipsius loci veneratione restitues. (4) Cuius civitatis antiqua nobilitas et quondam fraterno populi Romani nomine gloriata opem tuae maiestatis exspectat, ut illic quoque loca publica et templa pulcherrima tua liberalitate reparentur, sicut hic video hanc fortunatissimam civitatem, cuius natalis dies tua pietate celebratur, ita cunctis moenibus resurgentem ut se quodammodo gaudeat olim corruisse, auctior tuis facta beneficiis. (5) Video circum maximum aemulum, credo, Romano, video basilicas et forum, opera regia, sedemque iustitiae in tantam altitudinem suscitari ut se sideribus et caelo digna et vicina promittant. Quae certe omnia sunt praesentiae munera. (6) Quaecumque enim loca frequentissime tuum numen inlustrat, in his omnia et hominibus et moenibus et muneribus augentur; nec magis Iovi Iunonique recubantibus novos flores terra summisit quam circa tua, Constantine, vestigia urbes et templa consurgunt. (7) Ideoque hoc votis meis sufficit ut patriam meam videas ducente pietate, quia statim erit restituta si videris. 23 (1) Sed enim ista felicitas viderit an adhuc meae debeatur aetati. Interim quoniam ad summam votorum meorum tua dignatione perveni, ut hanc meam qualemcumque vocem diversis otii et palatii officiis exercitam in tuis auribus consecrarem, maximas numini tuo gratias ago tibique, quod superest, commendo liberos meos praecipueque illum iam summa fisci patrocinia tractantem, in quem me totum transtulit pietas, cuius felix servitus, si quando respexeris, maxime tuae conveniet aetati. (2) Ceterum quod de omnibus liberis dixi, lata est, imperator, ambitio; praeter illos enim quinque quos genui, etiam illos quasi meos numero quos provexi ad tutelam fori, ad officia palatii.

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gewähren, Sonderrechte festsetzen und schließlich meiner Heimatstadt durch deine hohe Wertschätzung für den Ort selbst die frühere Geltung wiedergeben. (4) Das Volk dieser Stadt von altem Adel, einstmals stolz auf den Titel ‚Bruder des römischen Volkes’, hofft auf die Hilfe deiner Majestät, damit auch dort die öffentlichen Bauwerke und die schönsten Tempel aufgrund deiner Freigebigkeit wiederhergestellt werden können – so, wie ich auch hier diese Stadt in ihrem ganzen Glück sehe, deren Geburtstag du in anhänglicher Liebe feierlich begehst, wie sie in all ihren Mauern so wieder aufblüht, dass sie gewissermaßen über ihren einstigen Ruin Freude empfinden mag, da sie nun durch deine Gunsterweise noch größer geworden ist. (5) Ich sehe den riesigen Circus, konkurrierend mit dem römischen, wie ich glaube, ich sehe Basiliken und das Forum, königliche Bauwerke, sowie den Thron der Gerechtigkeit sich in solche Höhe erheben, dass sie würdig der Gestirne und des Himmels und ihre Nachbarn zu sein verheißen. Dies alles sind gewiss Gaben, die deiner Anwesenheit zu verdanken sind. (6) Denn an all den Orten, die deine göttliche Hoheit durch sehr häufigen Besuch auszeichnet, erfahren alle Bereiche Wachstum an Bevölkerung, Bauwerken und Gunsterweisen; und an der Lagerstatt von Jupiter und Juno lässt die Erde nicht mehr neue Blumen hervorsprießen als in deinen Spuren, Konstantin, Städte und Tempel emporwachsen! (7) Und daher ist meinen Wünschen damit Genüge getan, dass du meine Heimatstadt besuchst – mit deiner fürsorglichen Liebe als Führerin, da sie sogleich im alten Glanz wiederhergestellt sein wird, wenn deine Augen auf ihr ruhen. 23 (1) Doch mag dieses Glück freilich zusehen, ob sein Erscheinen meiner Lebensfrist noch bestimmt ist. Da ich indessen durch deine Auszeichnung am höchsten Ziel meiner Wünsche angelangt bin, nämlich diese meine Stimme vor deinen Ohren zu Gehör bringen und dir weihen zu dürfen (mag sie auch noch so gering sein, jedenfalls geübt in verschiedenen Aufgaben privater Betätigung wie auch des Hofdienstes), sage ich deiner göttlichen Hoheit hierfür den größten Dank; es bleibt mir noch, dir meine Kinder anzuempfehlen, und besonders jenen (Sohn), der schon höchste Aufgaben als Anwalt des Fiskus wahrnimmt, dem sich meine väterliche Liebe so gänzlich zugewendet hat: wenn du ihn einmal berücksichtigst, wird sich sein dann glücklicher Dienst für dich in besonders harmonischer Weise zu deinem Lebensalter fügen. (2) Im übrigen, da ich von allen Kindern gesprochen habe, Imperator, so ist mein Ehrgeiz weitgespannt: denn außer jenen fünf, die meine leiblichen Nachkommen sind, zähle ich gewissermaßen auch jene zu den meinigen, die ich zur Sorge für die Aufgaben des Forums und zum Dienst für den Hof herangebildet habe. Denn

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Multi quippe ex me rivi non ignobiles fluunt, multi sectatores mei etiam provincias tuas administrant. Quorum successibus laetor omniumque honorem pro meo duco et, si forte hodie infra exspectationem mei dixero, in illis me confido placuisse. (3) Si tamen hoc quoque mihi tuum numen indulserit, ut ex hac oratione non eloquentiae, quod nimium est, sed quantulaecumque prudentiae et devotae tibi mentis testimonium referam, cedant privatorum studiorum ignobiles curae; perpetua mihi erit materia dicendi, qui me probaverit, imperator.

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viele Bäche, die nicht unbedeutend sind, haben in mir ihren Ursprung, viele meiner Schüler verwalten sogar deine Provinzen. Ich freue mich an ihren Erfolgen und sehe die Ehre, die ihnen allen zuteil wird, als meine eigene an; und sollte ich heute möglicherweise hinter den Erwartungen zurückgeblieben sein, die man in mich gesetzt hatte, so hoffe ich doch zuversichtlich, durch sie Gefallen gefunden zu haben. (3) Falls jedoch deine göttliche Hoheit mir auch darin gewogen sein sollte, dass ich aufgrund dieser Rede zwar nicht das Zeugnis der Beredsamkeit (was zu viel wäre), aber einer – wenn auch noch so begrenzten – Klugheit und eines dir treu ergebenen Geistes mitnehmen darf, dann mögen die unbedeutenden Sorgen privater Studien zurücktreten: unerschöpflicher Stoff meiner Reden wird mir dann er sein, dessen Beifall ich gefunden habe – der Imperator!

PANEGYRICUS LATINUS V (VIII)

1 (1) Si Flavia Aeduorum tandem aeterno nomine nuncupata, sacratissime imperator, commovere se funditus atque huc venire potuisset, tota profecto coram de tuis in se maximis pulcherrimisque beneficiis una voce loqueretur, tibique restitutori suo, immo (ut verius fatear) conditori, in ea potissimum civitate gratias ageret, cuius eam similem facere coepisti. (2) Sed quoniam id non potest (gestit animo quod natura non patitur), clamoresque suos, quibus cotidie laudes tuas tollit in caelum, exaudiri a te non sinit interiecta longinquitas sua, id quod fieri decebat, gaudiorum patriae meae nuntium sponte suscepi, ut essem iam non privati studii litterarum sed publicae gratulationis orator. (3) Volui enim, sacratissime imperator, cum in illo aditu palatii tui stratum ante pedes tuos ordinem indulgentiae tuae voce divina porrectaque hac invicta dextera sublevasti, numini tuo gratias agere. (4) Nec mihi verba quamvis imparato defuissent; quis enim aut praeparare se ad beneficia tam insperata potuisset, aut ab tanta gratulatione cohiberet? (5) Sed habui rationem loci ac temporis, ne meus ille ardor animi studiumque dicendi tibi quidem (quod mihi ad immortalitatem sufficeret) probaretur, sed propter adsistentium paucitatem minus quam te dignum esset iret in populos, et te uno die de salute nostra multa tractantem moraretur oratio, quae pro magnitudine meritorum tuorum festinare non posset. 2 (1) Nunc itaque cum in hac urbe, quae adhuc adsiduitate praesentiae tuae prae ceteris fruitur (habebit enim felicitatis aemulam Flaviam nostram), totus

PANEGYRICUS DES JAHRES 311/12 DANKREDE FÜR CONSTANTINUS AUGUSTUS 1 (1) Wenn Flavia, die Stadt der Aeduer, die nun endlich, heiligster Imperator, einen unvergänglichen Namen trägt, sich aus ihren Grundmauern fortbewegen und hierher hätte kommen können, so würde sie gewiss in ihrer Gesamtheit persönlich vor dir mit einer einzigen Stimme von deinen Gunsterweisen sprechen, die du ihr in so bedeutendem und vorzüglichem Maß hast zuteil werden lassen, und sie würde dir als ihrem Erneuerer, mehr noch, um es der Wahrheit eher angemessen auszudrücken, als ihrem Begründer gerade in dieser Stadt Dank sagen, nach deren Vorbild du begonnen hast, sie aufzubauen. (2) Doch da sie dies ja nicht vermag (ihr Sinn begehrt voll Sehnsucht, was die Natur ihr nicht gestattet) und da die weite Entfernung, die zwischen ihr und dir liegt, es nicht zulässt, dass du ihre Rufe vernimmst, mit denen sie alle Tage das Lob deiner Taten bis zum Himmel erhebt, habe ich das, was angemessenerweise zu geschehen hatte, nämlich die Übermittlung des glücklichen Jubels meiner Heimatstadt, aus eigenem Antrieb übernommen, so dass ich jetzt nicht als ein Redner hier stehe, der sich privat mit dem Studium von Sprache und Literatur befasst, sondern als jemand, der seine Dankesworte im Namen der Allgemeinheit vorträgt. (3) Ich war nämlich fest entschlossen, heiligster Imperator, deiner göttlichen Hoheit damals unseren Dank auszusprechen, als du den Rat der Stadt, der in der Eingangshalle deines Palais dort vor deinen Füßen niedergeworfen lag, mit der göttlichen Stimme deiner Huld und mit dieser unbesiegbaren rechten Hand, die du ihm entgegenstrecktest, wieder zu dir erhoben hast. (4) Und es hätte mir nicht an Worten gefehlt, wie unvorbereitet ich auch war: wer hätte sich denn entweder vorbereiten können in Hinsicht auf Gunsterweise, die so unverhofft kamen, oder hätte sich einer so wichtigen Freuden- und Dankbezeigung entzogen? (5) Doch ich habe auf Ort und Zeit Rücksicht genommen –, auf dass nicht die bekannte Begeisterung meines Herzens und mein eifriger Wunsch zu reden zwar deine Zustimmung fänden (was mir für meine Unsterblichkeit genügen würde), meine Rede sich jedoch wegen der kleinen Zahl der dort dabeistehenden Zuhörer in geringerem Maß unter den Völkern verbreiten würde, als es deiner würdig wäre, und damit du, der du dich an einem einzigen Tag mit einer Vielzahl von Fragen zur Sicherung unseres Daseins befasstest, nicht durch eine Rede aufgehalten würdest, die, entsprechend der Größe deiner Verdienste, nicht hastig dahineilen dürfte. 2 (1) Jetzt also, da in dieser Stadt hier, die, bis heute, gegenüber den anderen den Vorzug deiner ständigen Anwesenheit genießt (sie wird nämlich als Konkurrentin ihres Glückes unsere Flavia haben!) – da hier also das gesamte Ge-

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tibi amicorum tuorum comitatus et omnis imperii apparatus adsistat, cum omnes homines omnium fere civitatum aut publice missi aut pro se tibi supplices adsint, dicam, imperator, ea quae libenter agnoscas, et ceteri nobis indulta non crederent nisi te agnoscente dixissem. (2) Primum est autem, sacratissime imperator, in agendis gratiis ostendere id quod indultum sit non fortuitae felicitatis sed iustae fuisse clementiae. Nam cum omnes homines etiam non indigentes iuvare boni sit principis, tum praecipue bene meritis et graviter adfectis subvenire sapientis est. (3) Quod cum ostendero non tam studio praedicandae patriae meae quam officio demonstrandae providentiae tuae, tum potissime beneficiorum tuorum magnitudinem prosequar maiore voto quam ingenio. (4) Quaenam igitur gens toto orbe terrarum in amore Romani nominis Aeduis se postulet anteponi? Qui primi omnium inter illas immanes et barbaras Galliae gentes plurimis senatus consultis fratres populi Romani appellati sunt et, cum a ceteris Rhodano ad Rhenum usque populis ne pax quidem posset nisi suspecta sperari, soli etiam consanguinitatis nomine gloriati sunt; (5) et nuper, ut media praeteream, divum Claudium parentem tuum ad recuperandas Gallias soli vocaverunt et ante paucissimos annos, quod maxime praedicandum, plurima patris tui beneficia partim rebus effecta perceperunt, partim animo significata laetantur. 3 (1) Fuit olim Sagyntos foederata, sed cum iam taedio Punici belli novare imperium omnis cuperet Hispania. Fuit amica Massilia; protegi se maiestate Romani gratulabatur. Imputavere se origine fabulosa in Sicilia Mamertini, in Asia Ilienses. Soli Aedui non metu territi, non adulatione compulsi, sed ingenua et simplici caritate fratres populi Romani

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folge deiner Freunde wie auch der ganze Apparat der kaiserlichen Herrschaft an deiner Seite steht, da sich alle Menschen aus fast allen Gemeinwesen hier befinden, entweder in öffentlichem Auftrag entsandt oder in persönlichem Anliegen demütig deinen Beistand erbittend, will ich, o Imperator, deine Gunsterweise anführen, die du gerne bestätigen magst und von denen die anderen nicht glauben würden, dass du sie uns gewährt hast, hätte ich sie nicht mit deiner Bestätigung angeführt. (2) Die erste Aufgabe bei der Abstattung des Dankes, heiligster Imperator, besteht aber darin aufzuzeigen, dass das, was uns eingeräumt wurde, nicht das Resultat einer Zufallslaune des Glücks, sondern Zeugnis einer zu Recht erwiesenen Milde ist. Denn wenn schon die Unterstützung aller Menschen, auch der nicht bedürftigen, Aufgabe eines guten Herrschers ist, so ist ganz besonders die Hilfe für solche, die sich verdient gemacht und zugleich schweres Ungemach erlitten haben, Aufgabe eines weisen Herrschers. (3) Wenn ich dies aufgezeigt habe – nicht so sehr aus eifrigem Bestreben, meine Heimatstadt zu rühmen, als aus der Verpflichtung heraus, deine vorausschauende Fürsorge darzulegen –, dann werde ich ganz besonders die Größe deiner Wohltaten darstellen, und dies mit mehr gutem Willen als Begabung. (4) Welches Volk auf dem gesamten Erdkreis mag also den Anspruch erheben, in seiner Liebe zu dem Namen Roms vor den Aeduern eine Vorrangstellung einzunehmen? Sie sind es, die als erste von allen im Kreis jener wilden und barbarischen Volksstämme Galliens in sehr vielen Senatsbeschlüssen als Brüder des römischen Volkes bezeichnet wurden und die sich, während seitens der übrigen Völker von der Rhône bis zum Rhein selbst ein Frieden nur mit Misstrauen erhofft werden konnte, als einzige sogar des Ehrentitels der Blutsverwandtschaft gerühmt haben; (5) und in neuerer Zeit, um die dazwischenliegenden Ereignisse zu übergehen, haben sie als einzige den vergöttlichten Claudius, deinen Ahnherrn, zur Wiedergewinnung Galliens herbeigerufen, und vor ganz wenigen Jahren haben sie, was in höchstem Maß zu rühmen ist, sehr viele Wohltaten seitens deines Vaters empfangen, die teils bereits in die Tat umgesetzt sind, teils freuen sie sich über solche, deren Verwirklichung ihnen noch zugesichert ist. 3 (1) Einst war Sagunt (mit Rom) verbündet: doch zu einer Zeit, als bereits ganz Spanien voll Überdruss über den punischen Krieg danach trachtete, die Machtverhältnisse neu zu gestalten. Massilia war Freundin (Roms): die Stadt beglückwünschte sich dazu, im Schutz der Hoheit des römischen Namens zu stehen. In erdichteter Abkunft haben auf Sizilien die Mamertiner, in Asien die Bewohner von Ilion sich (Rom) zugerechnet. Allein bei den Aeduern waren nicht Furcht und Schrecken, nicht Schmeichelei, sondern aufrichtige und natürliche Verehrung die Grundlage, und so galten sie als „Brüder des

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crediti sunt appellarique meruerunt; quo nomine praeter cetera necessitudinum vocabula et communitas amoris apparet et dignitatis aequalitas. (2) Deinde cum finitimae nationes ipsi illi Romanae fraternitatis novae gloriae invidentes et usque in perniciem sui odiis incitatae Germanos sibi auxiliarios dominos invocassent, princeps Aeduus ad senatum venit, rem docuit, cumque idem oblato consessu minus sibi vindicasset quam dabatur, scuto innixus peroravit; (3) impetrata ope Romanum exercitum Caesaremque cis Rhodanum primus induxit. Semita enim Galliae usque ad id temporis Transalpina Gallia nominabatur; sed enim Aedui totum istud quod Rheno Oceano Pyrenaeis montibus Cottiis Alpibus continetur Romano imperio tradiderunt, hibernis hospitaliter praebitis, suppeditatis largiter commeatibus, armis fabricandis pedestribus, equitum copiis auxiliantibus. (4) Ita in unam pacem sociatis omnibus Celtarum Belgarumque populis eripuere barbaris quidquid iunxere Romanis. 4 (1) Dicet aliquis ‘Vetera ista’. Sunt, et quidem hoc sanctiora quod vetera. Bonis enim meritis cum aetate dignitas et pondus accedit; atque ut magno natu parentes magis magisque in dies veneramur et colimus, fratrum vero aequalitas et liberorum suboles blandiore licet leviore tamen animos tangit adfectu, ita beneficia antiqua graviora sunt, quamvis praesentia suaviora videantur. (2) Sed tamen si illa vetustate obsoleverunt, quid haec recentia quae pueri vidimus? Attende, quaeso, quantum sit, imperator, quod divum Claudium parentem tuum ad recuperandas Gallias primi sollicitaverunt, exspectantesque eius auxilium septem mensibus clausi, et omnia inopiae miseranda perpessi, tum demum inrumpendas rebellibus Gallicanis portas reliquerunt, cum fessi observare non possent. (3) Quod si votis et conatibus Aeduorum fortuna favisset atque ille rei publicae restitutor

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römischen Volkes“ und haben es verdient, so benannt zu werden; in diesem Titel wird mehr als bei den übrigen Bezeichnungen für verwandtschaftliche Bande die Gegenseitigkeit der Zuneigung wie auch die Ebenbürtigkeit des Rangs deutlich. (2) Sodann, als die benachbarten Völker, voll Neid auf eben jenen neuen Ruhm, Brüder des römischen Volkes zu sein, und bis zu ihrer eigenen Vernichtung hin von Hassgefühlen aufgestachelt, sich die Germanen als Helfer und Herren ins Land gerufen hatten, kam der Aeduerfürst zum Senat, setzte ihn von der Sachlage in Kenntnis, und da derselbe, trotz des Angebots, sich niederzusetzen, weniger für sich in Anspruch genommen hatte, als ihm gestattet wurde, führte er seine Rede (stehend) auf seinen Schild gestützt zu Ende; (3) und als er Hilfe erhalten hatte, führte er als erster ein römisches Heer und Caesar in das Land diesseits der Rhône. Nur ein Wegstreifen Galliens trug nämlich bis zu diesem Zeitpunkt den Namen Transalpines Gallien. Doch die Aeduer haben ja dieses ganze Land, das vom Rhein, dem Ozean, den Pyrenäen und den Cottischen Alpen begrenzt wird, an die Herrschaft Roms übergeben, wobei sie gastlich Winterlager zur Verfügung stellten, reichlich Nachschub lieferten, Waffen für die Fußtruppen herstellten und Reitertruppen als Hilfskontingente im Einsatz waren. (4) So haben sie, mit dem Zusammenschluss aller Völker der Kelten und Belger zu einem einzigen Friedensbündnis, den Barbaren all das entrissen, was durch ihr Eingreifen den Anschluss an Rom vollzogen hat. 4 (1) „Das sind alte Geschichten“ wird einer sagen: ja gewiss, und zwar sind sie umso ehrwürdiger, eben weil sie alt sind: trefflichen Verdiensten wächst nämlich mit dem Alter Würde und Gewicht hinzu. Und wie wir die alt gewordenen Eltern von Tag zu Tag stets mehr achten und ehren, die Gleichaltrigkeit der Brüder und die Nachkommenschaft der Kinder unser Herz mit zwar lockenderem, jedoch weniger tiefem Gefühl anrührt, so sind die Wohltaten der Vergangenheit von größerem Gewicht, mögen die der Gegenwart auch anziehender erscheinen. (2) Aber wenn jene durch ihr Alter an Glanz verloren haben, was ist dann hier mit den Ereignissen der neueren Zeit, deren Augenzeugen wir in unserer Kindheit gewesen sind? Lenke deine Aufmerksamkeit – darum bitte ich dich, Imperator – darauf, wie bedeutend der Vorgang ist, dass sie als erste den vergöttlichten Claudius, deinen Ahnherrn, dazu bewegt haben, die gallischen Länder wiederzugewinnen, und nachdem sie in Erwartung seiner Hilfe sieben Monate lang abgeschnitten waren und alles Elend des Mangels erduldet hatten, ihre Tore erst dann den gallischen Aufrührern zum Sturm überlassen haben, als sie diese vor Erschöpfung nicht mehr bewachen konnten. (3) Wenn also das Schicksal die Wünsche und Bemühungen der Aeduer begünstigt hätte und jener Erneuerer des Staates uns in unserem

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implorantibus nobis subvenire potuisset, sine ullo detrimento Romanarum virium, sine clade Catalaunica compendium pacis reconciliatis provinciis attulisset fraternitas Aeduorum. (4) Ob haec igitur merita et prisca divus pater tuus civitatem Aeduorum voluit iacentem erigere perditamque recreare, non solum pecuniis ad caldaria largiendis et lavacris quae corruerant exstruendis sed etiam metycis undique transferendis, ut esset illa civitas provinciarum velut una mater, quae reliquas urbes quodammodo Romanas prima fecisset. 5 (1) Dixi quam bene meritis Aeduis subveneris, imperator; sequitur ut dicam quam graviter adflictis. Qui locus nimium quantum plus mihi suppeditaret orationis, si fas esset audiente te rebus tristioribus immorari. (2) Ut igitur in praedicandis patriae meae verecundia modum fecit ne adroganter insurgerem, ita in commemorandis eiusdem malis et meus dolor et tuarum aurium consuetudo cohibebit. Nihil enim libenter audis, nisi quo pro tuis gratuleris. (3) Sed tamen quaeso, imperator, iniunge patientiam sensibus tuis ut, quemadmodum praestantes scientia medici non aspernantur vulnera inspicere quae sanant, ita nunc tu paulisper audias Aeduorum labores quos sustulisti. Neque enim potes sine experimento misericordiae ad laudem clementiae pervenire. (4) Iacebat illa civitas non tam moenium ruinis quam virium defectione prostrata, ex quo eam novi census exanimarat acerbitas. (5) Nec tamen iuste queri poterat, cum et agros qui discripti fuerant haberemus et Gallicani census communi formula teneremur, qui fortunis nemini possumus comparari. (6) Quo magis, imperator, clementiae tuae gratias agimus, qui remediis sponte concessis fecisti ut, quod non poteramus iure petere, iuste obtinuisse videamur.

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Bitten hätte zu Hilfe kommen können, dann hätte die brüderliche Verwandtschaft der Aeduer ohne jeglichen Verlust für die römischen Kräfte, ohne die katalaunische Niederlage den wiedergewonnenen Provinzen einen kürzeren Weg zum Frieden verschafft. (4) Wegen dieser neuen wie auch alten Verdienste hat also dein vergöttlichter Vater das daniederliegende Gemeinwesen der Aeduer aufrichten und das vernichtete wieder beleben wollen, und zwar nicht nur, indem er Gelder für Thermen stiftete und Bäder, die zusammengestürzt waren, wieder aufbauen ließ, sondern auch, indem er den Zuzug neuer Einwohner von überall her veranlasste, damit dasjenige Gemeinwesen gleichsam die eine Mutter der Provinzen sei, welches als erstes die übrigen Städte gewissermaßen zu römischen gemacht hatte. 5 (1) Ich habe dargelegt, wie sehr sich die Aeduer verdient gemacht hatten, denen du zu Hilfe gekommen bist, Imperator; in der Folge will ich darlegen, wie schwer sie geschlagen waren. Dieses Thema würde Stoff für eine sehr viel längere Rede ergeben, wenn es gestattet wäre, vor deinen Ohren bei so schmerzlichen Gegenständen zu verweilen. (2) Wie mir also beim Lobpreis der Verdienste meiner Heimatstadt Bescheidenheit eine Grenze gesetzt hat, mich nicht in anmaßender Weise zu erheben, so werden mich bei der Vergegenwärtigung der Leiden derselben mein Schmerz wie auch der vor deinen Ohren zu wahrende Respekt in Schranken halten. Du vernimmst ja nur gerne, wofür du dich im Interesse der Deinen beglückwünschen kannst. (3) Dennoch bitte ich dich, Imperator, erlege deinen Empfindungen Geduld auf, damit, ebenso wie Ärzte, die in ihrer Wissenschaft eine hervorragende Stellung einnehmen, es nicht von sich weisen, die Wunden zu betrachten, die sie heilen, auch du jetzt ein wenig von der Not der Aeduer vernimmst, der du ein Ende gesetzt hast. Denn ohne die Erfahrung eigenen Mitleidens kannst du den Lobpreis deiner Milde nicht erlangen. (4) Jenes Gemeinwesen lag nicht so sehr durch den Einsturz seiner Mauern am Boden daniedergestreckt als durch die Auszehrung seiner Kräfte, seit die bittere Bedrängnis der neuen Steuerveranlagung ihm ganz den Lebensatem genommen hatte. (5) Doch konnte niemand berechtigte Klage erheben, da wir sowohl das Ackerland in Besitz hatten, das registriert gewesen war, als auch an die allgemeingültige Norm des Zensus in Gallien gebunden waren, die wir an Schicksalsschlägen mit niemandem zu vergleichen sind. (6) Desto mehr sagen wir, Imperator, dir in deiner Milde Dank, der du durch die Mittel zur Abhilfe, die du aus freien Stücken zugestanden hattest, bewirkt hast, dass es den Anschein hat, wir hätten zu Recht erhalten, was wir ja nicht mit Rechtsanspruch einfordern konnten.

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6 (1) Habemus enim, ut dixi, et hominum numerum qui delati sunt et agrorum modum, sed utrumque nequam, hominum segnitia terraeque perfidia. Unde enim nobis Remus aut Nervius aut ipse ille de proximo Tricassinus ager aut arator, quorum reditus cum labore contendunt? (2) Quamquam merito quivis ignoscat ipsis cultoribus, quos piget laborare sine fructu. Siquidem ager qui numquam respondet impendiis ex necessitate deseritur, etiam inopia rusticanorum, quibus in aere alieno vacillantibus nec aquas deducere nec silvas licuit excidere. (3) Ita quidquid olim fuerat tolerabilis soli aut corruptum est paludibus aut sentibus impeditum. (4) Quin etiam ipse ille pagus Arebrignus inani fertur invidia, cuius in uno loco vitium cultura perspicua est; nam retro cetera silvis et rupibus invia securarum sunt cubilia bestiarum. (5) Illa autem quae subiecta et usque Ararim porrecta planities fuit quidem, ut audio, aliquando iucunda, cum per singulorum fines continua cultura procursus fontium fossis patentibus evehebat; nunc autem interclusis vastitate meatibus, quidquid humilitate sua fuerat uberius, in voragines stagna conversum. (6) Ipsae denique vineae, quas mirantur ignari, ita vetustate senuerunt ut culturam iam paene non sentiant. (7) Radices enim vitium, quarum iam nescimus aetatem, milies replicando congestae altitudinem debitam scrobibus excludunt, et ipsam propaginem non abditam sed obtectam produnt imbribus eluendam et solibus perurendam. (8) Nec possumus, ut Aquitanis aliisque provinciis familiare est, novis vitibus locum ubique metari, cum supra saxa perpetua sint, infra humilitas pruinosa. 7 (1) Nam quid ego de ceteris civitatis illius regionibus loquar, quibus inlacrimasse te ipse confessus es?

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6 (1) Wir haben ja, wie ich gesagt habe, sowohl die Zahl der Menschen, die (in Listen) erfasst sind, sowie die Größe des Ackerlandes, beides jedoch ohne Wert, aufgrund der Ermattung der Menschen und der Unzuverlässigkeit des Bodens. Denn woher hätten wir Ackerland oder einen Ackerbauern nach Art der Remer oder Nervier zur Verfügung oder eben jener Trikassen aus unserer unmittelbaren Nachbarschaft, deren Erträge mit ihrem Arbeitseinsatz wetteifern? (2) Indessen kann es wohl jedermann mit gutem Grund den Bauern selbst nachsehen, die es verdrießt, sich ohne Erfolg abzumühen. Denn ein Acker, der niemals den Aufwendungen entsprechenden Ertrag erbringt, wird unausweichlich aufgegeben, auch durch die Notlage der Leute auf dem Lande, denen es in ihrer tiefen Verschuldung weder möglich war, Wasserzuläufe abzuleiten noch Waldstücke zu roden. (3) So ist denn alles, was es einst an passablem Boden gegeben hatte, durch Sumpfgelände verdorben oder durch Dornengestrüpp unzugänglich geworden. (4) Ja sogar jener bekannte Arebrignus-Gau wird in grundloser Eifersucht allenthalben herausgestellt: seine Rebenkultur ist noch an einer einzigen Stelle zu sehen. Das übrige Terrain im Hinterland ist durch Wälder und felsiges Gelände unpassierbar und ungefährdete Behausung wilder Tiere. (5) Jene Ebene aber, die sich unterhalb dieses Gebietes anschließt und bis zum Arar (Saône) hin erstreckt, bot einst zwar, wie ich höre, einen erfreulichen Anblick, als durchgehende Kultivierung des Landes den Lauf der Quellwasser in offenen Gräben durch das Terrain der einzelnen Besitzer leitete; jetzt aber, da die Wasserläufe in Wüstnis verwildert und ihre Abflüsse versperrt sind, hat sich alles Gebiet, das einmal aufgrund seiner Lage im Tiefland recht fruchtbar war, in Morastschlünde und stehendes Sumpfland verwandelt. (6) Schließlich sind selbst die Weinberge, die bei Leuten ohne Sachkenntnis Bewunderung finden, durch Überalterung so ausgelaugt, dass sie von ihrer Kultivierung kaum mehr (selbst) etwas verspüren. (7) Denn die Wurzeln der Reben, deren Alter wir nicht mehr kennen, sind durch das unendlich wuchernde Geflecht der Wurzelstöcke so aufgetürmt, dass sie es nicht mehr zulassen, die Gräben in der für die Kultur notwendigen Tiefe anzulegen, und sie geben die Ableger selbst, die nicht in Erde eingegraben, sondern nur von ihr bedeckt sind, der Erosion durch die Regengüsse und der sengenden Hitze der Sonnenstrahlen preis. (8) Wir können auch nicht, wie es in Aquitanien und anderen Provinzen üblich ist, allerorten Gelände für neue Rebenpflanzungen abmessen, da in der Höhe durchgehend Fels ansteht, in der Region darunter Tiefland liegt, das Reif und Frost ausgesetzt ist. 7 (1) Denn wozu soll ich von den übrigen Gebieten jener Stadtgemeinde sprechen, über die du nach eigenem Eingeständnis Tränen vergossen hast?

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(2) Vidisti enim non, ut per agros aliarum urbium, omnia fere culta aperta florentia, vias faciles, navigera flumina ipsas oppidorum portas adluentia, sed statim ab eo flexu, e quo retrorsum via ducit in Belgicam, vasta omnia, inculta squalentia muta tenebrosa, etiam militaris vias ita confragosas et alternis montibus arduas atque praecipites, ut vix semiplena carpenta, interdum vacua transmittant. (3) Ex quo saepe accidit ut obsequia nostra tarda sint, cum parvarum frugum nobis difficilior sit evectio quam ceteris plurimarum. (4) Quo magis, imperator, pietati tuae gratias agimus, qui cum scires internum regionum nostrarum habitum atque adspectum tam foedum tamque asperum, tamen illo deflectere et urbem illam sola opis tuae exspectatione viventem inlustrare dignatus es. (5) Boni principis est libenter suos videre felices, sed melioris invisere etiam laborantes. (6) Di immortales! Quisnam ille tum nobis inluxit dies (iam enim ad praedicanda remedia numinis tui ordine suo pervenit oratio), cum tu, quod primum nobis signum salutis fuit, portas istius urbis intrasti! – quae te habitu illo in sinum reducto et procurrentibus utrimque turribus amplexu quodam videbantur accipere. 8 (1) Miratus es, imperator, unde se tibi tanta obviam effunderet multitudo, cum solitudinem ex vicino monte vidisses. Omnes enim ex agris omnium aetatum homines convolaverunt, ut viderent quem superstitem sibi libenter optarent. (2) Quod enim ad propagandos aliorum principum sollemni verborum more iuratur, tibi, Constantine, soli ultra omnium nostrum fata victuro securi vovemus, cui tam longa aetas propria debetur. (3) Magna est profecto vis post diuturnam aegritudinem atque maestitiam surgentium gaudiorum. Caluit in nobis ultra vires animus ad laetitiam, et quodam praesagio venturae felicitatis elati tanta exsultatione suscepimus, quasi iam indulgentiam

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(2) Du hast nämlich nicht, wie bei dem zugehörigen Land anderer Städte, fast alle Teile kultiviert, offen zugänglich und in Blüte gesehen, die Wege mühelos begehbar, die Flüsse schiffetragend und die Tore der Städte unmittelbar mit ihren Wellen bespülend: sondern du hast sogleich von der Biegung an, von der aus rückwärts gewendet der Weg in die Belgica führt, alles verödet und unbebaut liegen sehen, starrend in Wüstnis, Stummheit und Finsternis, sogar die Heeresstraßen derartig holprig und im wechselnden Auf und Ab der Berge so steil und abschüssig, dass sie halbbeladene, zuweilen sogar leere Wagen nur mit Mühe passieren lassen. (3) Aus diesem Grunde geschieht es häufig, dass die Beweise unseres Gehorsams sich verzögern, da der Abtransport unserer geringen Erträge für uns schwieriger ist als für die anderen die Ausfuhr ihrer höchst üppigen Ernten. (4) Umso mehr sagen wir dir, Imperator, in deiner liebevollen Fürsorge Dank, der du, wiewohl du um den so hässlichen und so unwirtlichen inneren Zustand und Anblick unserer Gebiete Bescheid wusstest, es dennoch nicht verschmäht hast, dorthin abzubiegen und jene Stadt, die einzig in der Erwartung deiner Hilfe lebte, in deinem Licht erstrahlen zu lassen. (5) Einen trefflichen Herrscher kennzeichnet es, die Seinen gerne im Glück anzuschauen, einen trefflicheren indessen, ihnen auch Besuche abzustatten, wenn sie sich in Not befinden. (6) Ihr unsterblichen Götter! Was für ein Tag nur ließ damals sein Licht über uns erstrahlen (denn jetzt ist meine Rede in ihrem Gang beim Lobpreis der Mittel angelangt, die deine göttliche Hoheit uns zur Abhilfe geschaffen hat) – damals also, da du, was für uns das erste Zeichen unserer Rettung war, durch die Tore dieser Stadt getreten bist, die dich mit jener bogenförmigen Gestalt ihrer Bauanlage und ihren beidseits vorspringenden Türmen wie mit einer Umarmung zu empfangen schienen. 8 (1) Voll Verwunderung hast du, Imperator, dich gefragt, von wo dir denn solch eine große Menge entgegenströmen konnte, da du von dem benachbarten Berge aus nur menschenleere Einsamkeit gesehen hattest. Es sind nämlich alle Menschen aller Altersstufen vom Land herbeigeeilt, den anzuschauen, dem sie gerne ein längeres Leben wünschten als sich selbst. (2) Denn was zur Verlängerung der Lebensjahre anderer Herrscher mit feierlicher Formel der Worte beschworen wird, das wünschen wir dir, Konstantin, allein in sicherer Gewissheit, da dir über unser aller Geschicke hinaus zu leben bestimmt ist, dir, dem eine so lange Lebenszeit ganz persönlich geschuldet ist. (3) Wahrhaftig, gewaltig ist nach langer Krankheit und Niedergeschlagenheit die Tatkraft wieder erstarkender Freuden. Unsere Herzen erglühten zu freudigem Jubel über unsere Kräfte hinaus, und gleichsam von einem Vorauswissen künftigen Glücks emporgetragen, haben wir dich mit solcher Begeisterung empfangen, als hielten wir den Beweis deiner Gunst, die du zu gestatten gewillt warst,

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quam daturus eras haberemus. (4) Exornavimus vias quibus in palatium pervenitur, paupere quidem supellectili, sed omnium signa collegiorum, omnium deorum nostrorum simulacra protulimus, paucissima clarorum instrumenta modulorum per compendia saepius tibi occursura pro. (5) Divites nos crederet qui veritatem studio aestimaret. Sed enim providentiam tuam latere non potuit quamvis bene dissimulata paupertas: intellexisti officiosam et honestam inopum vanitatem. 9 (1) Sponte nos ad numinis tui aditum vocare, sponte adfari, sponte quid opis desideraremus interrogare dignatus es. (2) Haec sunt, imperator, vera beneficia quae non precibus efflagitata sed ex voluntaria tua bonitate proveniunt et citra ullam petendi molestiam adipiscendi voluptatem dederunt. (3) Neque enim parvi negotii est imperatorem totius orbis pro se peculiariter rogare, sub tantae maiestatis adspectu perfricare frontem, vultum componere, confirmare animum, verba concipere, intrepidanter dicere, apte desinere, exspectare responsum. (4) Has omnes difficultates, imperator, verecundiae nostrae remisisti, non solum ultro percontando quid remedii posceremus sed etiam tibi ipsi suggerendo quae nos tacebamus, dum nos iacentes ad pedes tuos clementissimo attollis adfatu. (5) Vidimus misericordiam tuam umentibus oculis eminentem. (6) Ibant per haec ora lacrimae nobis salutares, tibi gloriosae; et nos invicem iam dolore discusso flebamus gaudio. Nam sicut agros diuturno ardore sitientes expetitus votis imber ubertat, ita lacrimae tuae pectora nostra gaudiis inrigabant ut, quamvis nefas esset te flente laetari, vinceret tamen gratulatio religionem, cum lacrimae illae pietatis essent indices non doloris.

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schon in Händen. (4) Wir haben die Straßen, durch die man zum Palastgebäude gelangt, zwar mit bescheidenen Mitteln geschmückt, doch haben wir die Standarten aller Korporationen, die Bildnisse all unserer Götter zum Vorschein gebracht, wir haben eine nur ganz geringe Zahl an Instrumenten mit hell erklingenden Weisen vorgeführt, die dir, durch die Nutzung von Abkürzungen, mehrmals begegnen sollten. (5) Für reich hätte uns wohl halten können, wer die Wahrheit nach dem Eifer bemessen wollte. Doch konnte ja unsere Armut, wie gut sie auch kaschiert war, der Klarheit deines Blickes nicht verborgen bleiben. Du hast erkannt: es war bloßer Schein, was dir die Armut in ihrem Streben nach Pflichterfüllung und Schicklichkeit vorgeführt hat. 9 (1) Aus eigenem Antrieb hast du geruht, uns einzuladen, deiner göttlichen Hoheit zu nahen, aus eigenem Antrieb, uns anzusprechen, aus eigenem Antrieb, uns zu befragen, welcher Art Hilfe wir bedürften. (2) Dies, Imperator, sind die wahren Beweise deiner Gunst, die nicht durch dringende Bittgesuche veranlasst sind, sondern deiner freiwillig erwiesenen Güte entspringen und ohne jegliche Unannehmlichkeit des Ersuchens die Freude des Erlangens geschenkt haben. (3) Denn es ist eine nicht eben geringe Aufgabe, dem Herrscher über den gesamten Erdkreis für sich selbst in einer besonderen Angelegenheit eine Bitte vorzutragen, unter dem Blick einer so hohen Majestät die Schamröte auf der Stirn zu verreiben, sein Antlitz zu glätten, sein Herz zu ermutigen, Worte in Form zu bringen, sie furchtlos vorzutragen, im passenden Moment zu enden, und dann auf Antwort zu warten. (4) Alle diese Schwierigkeiten, Imperator, hast du unserer Schüchternheit erlassen, nicht nur dadurch, dass du dich von dir aus erkundigt hast, nach welcher Abhilfe wir verlangten, sondern auch, indem du dir darüber hinaus selbst einen Begriff von dem gemacht hast, was wir verschwiegen, und dabei hast du uns, die wir zu deinen Füßen lagen, mit Worten höchster Huld wieder emporgerichtet. (5) Wir haben gesehen, wie sich dein Mitgefühl in deinen tränennassen Augen offenbarte. (6) Tränen strömten über dieses Antlitz, die uns Segen brachten, dir Ruhm; wir dagegen weinten, da der Schmerz bereits vertrieben war, vor Freude. Denn wie der Regen, in Gebeten erfleht, die Felder, die in langer Sonnenglut dürsten, fruchtbar werden lässt, so haben deine Tränen unsere Herzen mit Freude und Jubel überflutet, so dass, wenn es auch nicht rechtens war, angesichts deiner Tränen Freude zu empfinden, dennoch dankbarer Jubel über unsere fromme Scheu den Sieg davongetragen hat, da jene Tränen Zeichen liebevoller Verbundenheit, nicht des Schmerzes gewesen sind.

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10 (1) Et haec quidem nobis ad summam gratulationem sufficere potuissent, etiamsi remediorum nostrorum spem distulisses et, quibus nos opibus levaturus esses, dubium reliquisses. Sed tam prompta in te est natura bonitatis, ut quod pia mente conceperis statim voce declares. (2) Sic ingenui largique fontes ut ubique prosint ire festinant; sic celeriter in terras caelo missa perveniunt; sic denique divina illa mens, quae totum mundum hunc gubernat, quidquid cogitavit ilico fecit. (3) In quo tamen, imperator, si consilium alicuius amici callidioris admitteres, esset quod fortasse reprehenderet: nimium te scilicet facile ea quae sis tributurus aperire, et sine ullo artificio cito promere quae sperari diu debeant. Nescis, imperator, tua commendare beneficia; praestandi celeritate occupas tempus optandi. (4) Sed enim indulgentiae celeritate vicisti, imperator, ipsa elementa quibus animamur et vivimus. Diu venturi hominis partus optatur; diu vagitus inconditi locuturam differunt vocem; diu fruges hiemps cohibet, ver elicit, aestas rore solidat calore maturat: tu nobis vitam pariter totam dedisti, tu fructus meritorum tuorum statim nos metere et in conditis referre iussisti. (5) Relevaturus censum definisti numerum, reliqua [debita] remissurus quantum deberemus interrogasti. Quae interrogatio manifesta promissio fuit; nam cum is qui omnia potest quid sibi debeatur interrogat, non curiose percontatur ut sciat, sed liberaliter cupit audire quantum remittat. 11 (1) Separate igitur utrumque dicam; neque enim quasi per saturam confundenda sunt tanta beneficia. Septem milia capitum remisisti, quintam amplius partem nostrorum censuum, et tamen an sufficeret hoc nobis saepius requisisti. (2) O nos utrumne verecundos nimium dicam an satis gratos, qui reticuimus, haesimus, indulgentiae tuae ample fluenti modum fecimus? Plus adhuc praestare cupiebas, si ausi fuissemus exposcere.

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10 (1) Und diese Zeichen hätten uns gewiss genügen können, größten Dank und Freude zu empfinden, selbst wenn du die Hoffnung auf Abhilfe für uns verschoben und offengelassen hättest, mit welchen Mitteln du uns aufrichten wolltest. Doch ist die natürliche Anlage deiner Herzensgüte so unmittelbar in dir wirksam, dass du unverzüglich in Worten kundtust, was für einen Plan du in deinem fürsorglichem Sinn entwickelt hast. (2) So eilen Quellen in natürlichem Fluss reichlich strömend dahin, an allen Orten ihren Segen zu spenden; so gelangen Botschaften vom Himmel geschwind auf die Erde; so setzt schließlich jener göttliche Geist, der diese ganze Welt lenkt, sogleich in die Tat um, was immer er erdacht hat. (3) Dennoch, Imperator, gäbe es hierbei etwas – so du den Rat eines lebenserfahreneren Freundes zuließest –, was er möglicherweise tadeln könnte: dass du allzu leicht offenlegst, was du zu geben bereit bist, und dass du ohne jeden Kunstkniff rasch zur Sprache bringst, was erst lange Zeit Gegenstand der Hoffnung sein soll. Du verstehst es nicht, Imperator, deine Gunsterweise vorteilhaft vorzustellen; mit der Geschwindigkeit des Gewährens nimmst du der Zeit des Wünschens ihren Raum. (4) Doch hast du freilich mit der Geschwindigkeit (der Gewährung) deiner Güte, Imperator, sogar über die Elemente, denen wir Atem und Leben verdanken, den Sieg davongetragen. Lange wird die Geburt eines Menschen, der zur Welt kommen soll, herbeigesehnt; lange zögert unartikuliertes Wimmern die Entwicklung der Stimme hinaus, die einmal Worte sprechen soll; lange hält der Winter die Früchte fest verschlossen, lockt der Frühling sie hervor, kräftigt der Sommer sie mit Tau, lässt er sie reifen in der Sonnenglut: du hast uns das gesamte Leben auf einmal geschenkt, du hast uns geheißen, die Früchte deiner Verdienste sogleich zu ernten und in die Scheunen einzubringen. (5) Um uns den Zensus zu erleichtern, hast du die Steuerzahl begrenzt; um uns für noch ausstehende Schulden Nachlass zu gewähren, hast du gefragt, auf welche Höhe sich unsere Schuld belaufe. Diese Frage war ein deutliches Versprechen: denn wenn derjenige, der alles vermag, die Frage stellt, was man ihm schulde, forscht er nicht voll Neugier, es zu wissen, sondern begehrt in seiner Großzügigkeit zu hören, welche Summe es zu erlassen gilt. 11 (1) Ich will also die beiden Punkte jeweils einzeln darlegen; denn so große Gunsterweise darf man nicht wie in einem bunt gemischten Eintopf miteinander vermengen. Du hast uns 7.000 Steuereinheiten (capita) erlassen, mehr als ein Fünftel unserer Veranlagungszahlen, und uns trotzdem mehrfach gefragt, ob dies denn ausreichend für uns sei. (2) Nun, soll ich uns allzu schüchtern nennen oder dankbar genug, uns, die wir stumm geblieben, in Zögern verharrten, dem großzügigen Strom deiner Gnade eine Grenze setzten? Du warst gewillt, uns noch mehr zu gewähren, hätten wir gewagt, es zu erbitten.

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(3) Quantum sit hoc, imperator, beneficium, quam necessarium nobis, quam utile etiam devotionis officiis, non queo satis dicere. Remissione ista septem milium capitum viginti quinque milibus dedisti vires, dedisti opem, dedisti salutem, plusque in eo consecutus es quod roborasti quam recidisti in eo quod remisisti. (4) Quater tantum tibi firmum certumque redditum est, id quod irrito petebatur, siquidem desperatio perferendi debiti etiam id quod dari poterat inhibebat, nec erat ratio conandi, cum non esset spes ulla complendi. (5) O divinam, imperator, tuam in sananda civitate medicinam! Sicut aegra corpora et onerata stupentium torpore membrorum resecata aliqua sui parte sanantur, ut imminuta vigeant quae exaggerata torpebant, ita nos nimia mole depressi levato onere consurgimus. 12 (1) Nescit taxare indulgentiam tuam qui te putat septem milia capitum sola donasse: donasti omnia quae stare fecisti. (2) Quamquam enim adhuc sub pristina sarcina vacillemus, tamen levior videtur quia vicina ope fertur; exonerandi praesumptio dat patientiam sustinendi. (3) Certe et nunc liberi parentes suos cariores habent et mariti coniuges non gravate tuentur et parentes adultorum non paenitet filiorum, quorum onera sibi remissa laetantur. Ita omnium pietas olim fessa respirat, et suos quemque iuvat numerare securum, cum plures adiuvant obsequia paucorum. (4) Quo magis spe futuri temporis elevamur, recreatur animus securitate praeteriti, remissisque reliquis nihil est quod respectandum timendumque sit, quod aliquid virium venturis pensitationibus neget. (5) Ita duorum temporum, quae sunt maxima, molestia liberati sumus; unum atque id minimum brevi labore transigimus. (6) Nam cum praeteritum tempus pro modo suo longum, futurum autem infinitum sit, praesens tempus breve et semper in partem utramque

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(3) Wie groß dieser Gunsterweis ist, Imperator, wie unentbehrlich für uns, wie dienlich auch für die Erfüllung schuldiger Pflichten unserer Ergebenheit, dies hinreichend zu schildern bin ich nicht imstande! Durch diesen Verzicht auf 7.000 capita hast du 25 Tausenden Kräfte verliehen, Unterstützung gewährt, Rettung der Existenz geschenkt und mehr bei dem erlangt, was du gefestigt hast, als du beschnitten hast bei dem, was du erlassen hast. (4) Viermal so viel ist dir zuverlässig und sicher ausgehändigt, was zuvor vergeblich verlangt wurde, da ja die Hoffnungslosigkeit, die Schuld tilgen zu können, selbst das, was man hätte geben können, zurückgehalten hat; es gab ja nicht einmal einen inneren Ansporn, es nur zu versuchen, da ja keinerlei Hoffnung bestand, die Schuld ganz abzustatten. (5) O, göttlicher Herkunft, Imperator, ist deine Medizin, mit der du dem Gemeinwesen Heilung geschenkt hast! Wie kranke Leiber, niedergedrückt von der Erstarrung steif gewordener Glieder, durch Amputation an einem ihrer Teile Heilung finden, so dass beschnitten voller Lebenskraft sich regt, was, vom Übermaß belastet, in Erstarrung lag: ebenso waren wir von allzu großem Gewicht zu Boden gedrückt und stehen nun, da unsere Last leichter geworden ist, gemeinsam auf. 12 (1) Deine Gnade richtig einzuschätzen vermag nicht, wer der Meinung ist, du habest nur 7.000 Häupter geschenkt: du hast all das geschenkt, dem du festen Stand verliehen hast. (2) Denn wenn auch unser Gang noch unter der alten Bürde schwankt, so erscheint sie doch leichter, da sie getragen wird, wo Hilfe nahe ist. Die Erwartung, sie abzulegen, verleiht die Geduld, sie noch zu tragen. (3) Gewiss haben jetzt auch die Kinder ihre Eltern lieber, und die Männer sehen ihre Frauen nicht mit bedrückter Sorge an, und die Eltern empfinden keinen Kummer über herangewachsene Söhne, denn sie freuen sich, dass lastende Verpflichtungen für diese ihnen erlassen sind. So schöpft die liebende Sorge aller füreinander, einst ermattet, wieder Atem, und es macht einem jeden Freude, frei von Sorgenlast die Häupter der Seinen zu zählen, da eine größere Zahl an Familienmitgliedern mithilft, die Gehorsamspflichten der wenigen zu erfüllen. (4) Umso mehr lassen wir uns von der Hoffnung auf die Zukunft emporrichten, erquickt sich unser Geist an der Sicherheit, was die Vergangenheit angeht, und da der Schuldenrückstand erlassen ist, gibt es nichts, das einen Blick zurück erfordert und zu fürchten ist, nichts, das irgendetwas an Kräften zum Einsatz für künftige Zahlungen verhindern kann. (5) So sind wir von der Beschwernis der beiden Zeiträume, welche die größten sind, befreit, den einen noch verbleibenden, und zwar den kleinsten, verbringen wir mit Anstrengung von kurzer Dauer. (6) Denn da die Vergangenheit nach ihrem eigenen Maßstab lang, die Zukunft aber von unbegrenzter Dauer ist, sowie die Gegenwart kurz und stets nach beiden Seiten hin verän-

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mutabile, cum et praeterito relinquatur et transeat in futurum, unus hic annus prope sensum non habet difficultatis duorum temporum indulgentiis coartatus et quasi terminus quidam positus felicitati utriusque confini, quae nos et praeterito liberos facit et in futuro securos. 13 (1) Quinque annorum nobis reliqua remisisti! O lustrum omnibus lustris felicius! O lustrum quod merito hanc imperii tui aequavit aetatem! Nobis ergo praecipue te principem di immortales creaverunt, quibus singulis haec est nata felicitas, ex quo tu imperare coepisti. (2) Quinquennalia tua nobis, etiam perfecta, celebranda sunt. Illa enim quinto incipiente suscepta omnibus populis iure communia, nobis haec propria quae plena sunt. (3) Praeclara fertur Catonis oratio de lustri sui felicitate. Iam tunc enim in illa vetere re publica ad censorum laudem pertinebat, si lustrum felix condidissent, si horrea messis implesset, si vindemia redundasset, si oliveta larga fluxissent. (4) Quid ergo nos convenit gratulari de hoc indulgentiae tuae lustro? – lustro quo, licet illa frugum cessarit ubertas, fecisti tamen ut omnia largiora videantur fuisse quam fuerint. (5) Valet enim nos tantum habuisse quantum debere desivimus, valet plena fuisse horrea, plenas cellas, cum in nullis reliquis haereamus. (6) Hoc nobis est ista largitio, quod Terra mater frugum, quod Iuppiter moderator aurarum; quidquid illi parcius dederant, nobis tamen ex beneficio tuo natum est. 14 (1) Quaenam toto orbe terrarum auri argentique metalla tam larga sunt, quis Tagus quisve Pactolus tanto fluxit auro, quantum liberalitate tua consecuti sumus? Non enim maioris esset muneris abs te accepisse. (2) Quin immo quanto est durius extorqueri quod proprium fuerit quam non adquirere quod fuerit alienum, tanto dulcior est remissa solvendi necessitas

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derlich, – da sie einerseits in der Vergangenheit zurückbleibt, andererseits in die Zukunft übergeht –, kennt dieses eine Jahr nahezu keinerlei Empfindung von Schwierigkeit, weil es durch die Gnadenerweise der beiden Zeiträume zusammengedrängt und sozusagen als eine Art Grenzmarke gesetzt ist für den Zustand des Glückes, an beide angrenzend, der uns von der Vergangenheit frei und in der Zukunft sicher macht. 13 (1) Die Rückstände von fünf Jahren hast du uns erlassen! O Lustrum, glücklicher als alle Lustren! O Lustrum, das so passend den gleichen Zeitraum umschließt, wie es der Dauer deiner Herrschaft heute entspricht! Besonders für uns also haben die unsterblichen Götter dich zum Herrscher erwählt, denn für jeden einzelnen von uns war das die Geburtsstunde dieses Glücks, als du begonnen hast, die Herrschaft auszuüben. (2) Deine Quinquennalien haben wir zu feiern, auch ihr Abschlussfest: denn jene Feiern, die zu Beginn des fünften Jahres veranstaltet wurden, sind zu Recht allen Völkern gemeinsam, doch unser spezielles Vorrecht sind diejenigen, die anlässlich der Vollendung dieses Zeitraums stattfinden. (3) Als herausragend wird eine Rede Catos über Glück und Segen seines Lustrums überliefert. Denn schon damals, in jenem alten Gemeinwesen, brachte es den Zensoren Ruhm, wenn sie ein segenreiches Lustrum begründet hatten, wenn die Ernte die Speicher gefüllt hatte, wenn die Weinlese üppig ausgefallen war, wenn die Olivenhaine reichen Strom an Öl gespendet hatten. (4) Wie könnten wir dir also in rechter Weise für dieses Lustrum deiner Huld freudig danken? Ein Lustrum, in dem du, mag auch jene (einstmals) reiche Fülle des Ertrags ausgeblieben sein, es doch fertiggebracht hast, dass alles in noch reichlicherem Maß vorhanden gewesen zu sein schien, als es gewesen ist. (5) Denn es bedeutet ja, dass wir auch soviel besaßen, wie wir dann aufgehört haben, dir schuldig zu sein, es bedeutet, dass die Speicher voll gewesen sind, voll die Vorratskammern, da wir in keinerlei Restschulden mehr verhaftet sind. (6) Diese Freigebigkeit ist für uns das, was uns die Erde ist, die Mutter der Früchte des Bodens, was uns Jupiter ist, der Herr der Lüfte; alles, was jene uns zu knapp bemessen überlassen hatten, ist dennoch aus deiner Gunst für uns entstanden. 14 (1) Welche Gold- und Silberadern auf dem ganzen Erdenrund sind denn so reich, welcher Tagus oder welcher Paktolus hat solche Ströme an Gold mit sich geführt, wie wir durch deine Großzügigkeit erlangt haben? Es könnte nämlich kein größeres Geschenk sein, all dies von dir bekommen zu haben. (2) Im Gegenteil: wie es umso schlimmer ist, dessen gewaltsam beraubt zu werden, was eigener Besitz gewesen ist, als sich nicht zu verschaffen, was fremdes Eigentum gewesen ist, so ist umso süßer eine erlassene Verpflichtung

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quam lucrandi optata commoditas. (3) Quam multi, imperator auguste, quos inopia latitare per saltus aut etiam in exsilium ire compulerat, ista remissione reliquorum in lucem exeunt, in patriam revertuntur, desinunt pristinam accusare pauperiem, desinunt odisse agrorum suorum sterilitatem, resumunt animos, operi praeparantur, culturam melioribus adnituntur auspiciis, revisunt domos, referunt vota templis! (4) Praesertim cum tu omnium nostrorum conservator adveneris et ille quasi maiestatis tuae comes et socius, flagrabit tota civitas, gaudiis perstrepet et, cum proficisceris, fortasse retinebit. Dabis enim veniam, amoris nostri contumeliam feres. (5) Omnium sis licet dominus urbium, omnium nationum, nos tamen etiam nomen accepimus tuum: iam non antiquum Bibracte, quod hucusque dicta est Iulia Polia Florentia, sed Flavia est civitas Aeduorum.

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zur Zahlung als ein erwünschter günstiger Umstand, Gewinn zu machen. (3) Wie viele Menschen, erhabener Imperator, welche die Not gezwungen hatte, sich in Bergwäldern verborgen zu halten oder sogar in die Fremde hinaus zu ziehen, kommen durch diesen Schuldenerlass wieder ans Licht hervor, kehren in die Heimat zurück, hören auf, die einstige Armut zu beklagen, hören auf, die Unfruchtbarkeit ihrer Felder zu hassen, schöpfen wieder Mut, treffen ihre Vorbereitungen zur Arbeit, verwenden ihre Mühe unter besseren Vorzeichen auf die Landwirtschaft, suchen ihre Häuser wieder auf, tragen ihre Opfergaben in die Tempel. (4) Und dann zumal, wenn du, Retter all unserer Güter, uns einen Besuch abstattest, und auch jener, gewissermaßen der Begleiter und Gefährte deiner herrscherlichen Würde, dann wird die ganze Stadt von Begeisterung entflammt sein, von Freudenrufen widerhallen und dich vielleicht, wenn du aufbrechen willst, zurückhalten können. Du wirst ja Nachsicht mit uns haben, wirst diese Missachtung, die unserer Zuneigung entspringt, zu tragen wissen. (5) Magst du Herr aller Städte, aller Völker sein, so haben wir doch sogar deinen Namen angenommen: es ist nicht mehr das alte Bibrakte, das bis zu diesen Tagen Iulia Polia Florentia geheißen hat, sondern jetzt ist FLAVIA die Stadt der Aeduer!

PANEGYRICUS LATINUS XII (IX) DICTUS CONSTANTINO FILIO CONSTANTII 1 (1) Unde mihi tantum confidentiae, sacratissime imperator, ut post tot homines disertissimos, quos et in Urbe sacra et hic rursus audisti, dicere auderem, nisi nefas esse ducerem et commissi cuiusdam sacrilegii religionem vererer si is, qui semper res a numine tuo gestas praedicare solitus essem, haec tanto maiora pristinis silentio praeterirem, per quae non pars aliqua servata sed universa sibi est res publica restituta? (2) Neque enim ignoro quanto inferiora nostra sint ingenia Romanis, siquidem latine et diserte loqui illis ingeneratum est, nobis elaboratum et, si quid forte commode dicimus, ex illo fonte et capite facundiae imitatio nostra derivat. (3) Sed quamvis conscius mihi infirmitatis ingenitae et inchoati potius studii quam eruditi, cohibere me silentio nequeo, quominus de recuperata Urbe imperioque Romano tandem ex diuturna convulsione solidato et ipse aliquid coner effari, ut inter tantos sonitus disertorum mea quoque vox tenuis exaudita videatur. (4) Etenim si in rebus bellicis ipsisque proeliis non solum tubae ac litui sed etiam Spartanae tibiae incentivum aliquod feruntur habuisse (credo quia magnos animos parvo licet modulo sufficit incitari), cur ego in me de tuo favore diffidam, ut sermonem meum studio potius tui cultus quam suis viribus metiaris? (5) Experiar igitur, ut possum, quamquam oppletis auribus tuis, ut sic dixerim, insusurrare, sine aemulandi fiducia cupidus imitandi.

PANEGYRICUS DES JAHRES 313 LOBREDE ZU EHREN KONSTANTINS, DES SOHNES DES CONSTANTIUS 1 (1) Woher könnte ich so großes Selbstvertrauen nehmen, heiligster Imperator, nach so vielen ganz und gar hervorragenden Rednern, denen du in der heiligen Stadt und auch hier wiederum Gehör geschenkt hast, das Wagnis einer Rede einzugehen, – wäre ich nicht der Ansicht, es sei ein Unrecht, und scheute ich nicht Gewissensbedenken, eine Verletzung des Heiligen zu begehen, wenn ich, der ich ja stets die von deiner göttlichen Hoheit vollbrachten Taten zu preisen gewohnt war, deine, gemessen an der Vergangenheit, soviel bedeutenderen Taten der Gegenwart in Stillschweigen überginge: durch sie ist ja nicht irgendein Teil des Staates gerettet, sondern der Staat in seiner Gesamtheit wieder an sich selbst zurückgegeben worden. (2) Es ist mir ja recht wohl bekannt, wie sehr die Talente bei uns den römischen unterlegen sind: sich in lateinischer Sprache und wohlgesetzter Rede auszudrücken ist letzteren ja von Natur aus mitgegeben, bei uns erst ein Ergebnis sorgsamer Bemühung, und wenn wir etwa einen Gegenstand in angemessener Weise darstellen, so nimmt unsere Nachahmung von jenem Quell und Ursprung der Beredsamkeit ihren Ausgang. (3) Doch wie sehr ich mir auch über diese von Natur aus bestehende Unzulänglichkeit im Klaren bin und genau weiß, dass ich in diesem Fach eher ein Anfänger als ein Meister bin, so vermag ich mich doch nicht auf bloßes Stillschweigen zu beschränken, ohne den Versuch zu unternehmen, auch meinerseits ein Wort zu verkünden von der Wiedergewinnung der Stadt und der endlich erfolgten Festigung der Herrschaft Roms nach langer Zerrissenheit – damit deutlich werde, dass unter all dem klingenden Tönen trefflicher Redner auch meine schwache Stimme Gehör gefunden hat. (4) Denn wenn tatsächlich bei kriegerischen Unternehmungen und in den Gefechten selbst nicht nur Trompeten und Signalhörner, sondern auch die Schalmeien der Spartaner irgendwie einen Anreiz gegeben haben sollen (hochgesinnte Herzen finden ja, wie ich glaube, auch bei einer Weise von nur bescheidenem Klang genügend Ansporn): warum soll ich dann bei meiner Person kein Zutrauen haben hinsichtlich deiner Gewogenheit, dass du meine Rede doch eher an dem Eifer meiner Verehrung für dich als an ihrer eigenen Macht und Bedeutung bemisst? (5) Ich will also nach Kräften versuchen, deinem Ohr, obgleich es von Reden schon ganz erfüllt ist, mein Wort sozusagen zuzuraunen, ohne das Zutrauen, in der Konkurrenz bestehen zu können, doch eifrig bestrebt, in der Nachahmung erfolgreich zu sein.

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Panegyricus Latinus XII/IX

2 (1) Ac primum illud adripiam quod credo adhuc neminem ausum fuisse, ut ante de constantia expeditionis tuae dicam quam de laude victoriae. (2) Transacto enim motu adversi hominis et offensione revocata, utar libertate erga te nostri amoris, quem tunc inter metus et rei publicae vota suspendimus. (3) Tene, imperator, tantum animo potuisse praesumere, ut bellum tantis opibus, tanto consensu avaritiae, tanta scelerum contagione, tanta veniae desperatione conflatum quiescentibus cunctantibusque tunc imperii tui sociis primus invaderes! (4) Quisnam te deus, quae tam praesens hortata est maiestas ut, omnibus fere tuis comitibus et ducibus non solum tacite mussantibus sed etiam aperte timentibus, contra consilia hominum, contra haruspicum monita ipse per temet liberandae Urbis tempus venisse sentires? (5) Habes profecto aliquod cum illa mente divina, Constantine, secretum, quae delegata nostri diis minoribus cura uni se tibi dignatur ostendere. Alioquin, fortissime imperator, sic quoque cum viceris redde rationem. (6) Rhenum tu quidem toto limite dispositis exercitibus tutum reliqueras, sed hoc maiores pro te suscepimus metus quod nobis potius quam tibi consulebas, nostramque pacem magis quam bellum quod aggrediebare firmaveras. 3 (1) Ne tu, imperator, nimio nostri amore nescisti ad securitatem nobis vere providere, qui non omnia tecum arma movisti, cum tua conservatio salus nostra sit. (2) Et quid opus erat ipsi Rheno instructis et militibus et classibus, quem iam pridem barbaris nationibus virtutis tuae terror obstruxerat? An ostentare voluisti diligentiam tuam, divisis copiis inter custodiam pacis et belli? Aut etiam iactanter et gloriose probare liberandae Urbi te sufficere cum paucis? (3) Vix enim quarta parte exercitus

Panegyricus des Jahres 313

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2 (1) Und zuerst will ich denjenigen Punkt aufgreifen, den nach meiner Ansicht bisher noch niemand anzugehen gewagt hat, dass ich nämlich von deiner entschlossenen Beharrlichkeit bei diesem Feldzug spreche, bevor ich deinen Sieg preise. (2) Da nämlich die Erhebung dieses Gegners beendigt und der Anstoß beseitigt ist, will ich nunmehr freimütig unsere Zuneigung dir gegenüber zum Ausdruck bringen, welche wir damals zwischen unseren Befürchtungen und Wünschen für den Staat in der Schwebe halten mussten. (3) War es denn möglich, dass du, Imperator, so viel in deinem Geist im Vorhinein ermessen konntest, dass du als erster einen Krieg in Angriff nahmst, der unter Einsatz so gewaltiger Mittel, mit solcher Einmütigkeit in der Habsucht, solcher Ansteckung in den Verbrechen, solcher Hoffnungslosigkeit gegenüber einer (Aussicht auf) Verzeihung entbrannt war, zumal diejenigen, die mit dir in der Herrschaft verbunden waren, damals in Tatenlosigkeit und Zaudern verharrten? (4) Denn welcher Gott, welche göttliche Macht hat, dir hilfreich gegenwärtig, dich ermuntert, dass du, da doch fast alle deine Begleiter und Befehlshaber nicht nur insgeheim murrend Bedenken trugen, sondern sogar offen ihre Befürchtungen äußerten, – dass du also entgegen den Ratschlägen der Menschen, entgegen den Prophezeiungen der Wahrsager ganz von dir aus der Auffassung warst, es sei die Zeit gekommen, Rom zu befreien. (5) Du verfügst ja in der Tat irgendwie über eine geheime Verbindung mit jenem göttlichen Geist, Konstantin, welcher sich – da die Sorge um uns minderen Göttern übertragen ist – allein dir zu offenbaren geruht. Doch übrigens, tapferster Imperator: auch so, da du Sieger bist, gib uns Rechenschaft! (6) Du hattest zwar, mit der Verteilung von Truppenverbänden an der gesamten Grenze, den Rhein in Sicherheit zurückgelassen, doch haben wir deinetwegen umso größere Furcht und Kümmernis auf uns genommen, da du eher auf uns als auf dich bedacht warst und unserem Frieden mehr Sicherheit geschaffen hattest als dem Krieg, den du gerade in Angriff nahmst. 3 (1) Ja, Imperator, du hast, in deiner übergroßen Liebe zu uns, es nicht verstanden, in Hinsicht auf unsere Sicherheit wahrhaft für uns Vorsorge zu treffen – der du nicht die gesamte Heeresmacht mit dir genommen hast: denn deine Unversehrtheit ist unsere Existenz. (2) Und wozu brauchte gerade der Rhein kampfbereit stationierte Soldaten und dazu Flottenkontingente, er, den schon seit langer Zeit der Schrecken vor deiner Kriegstüchtigkeit für die Barbarenvölker zum unüberwindlichen Hindernis gemacht hatte? Oder wolltest du deine Umsicht vor Augen führen, indem du die Truppen zwischen dem Schutz des Friedens und des Krieges aufteilen ließest? Oder sogar in ruhmrediger Prahlerei dartun, Rom zu befreien sei es an dir im Verein mit einigen Wenigen genug? (3) Mit kaum einem Viertel deines Heeres bist du nämlich

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contra centum milia armatorum hostium Alpes transgressus es, ut appareret penitus considerantibus (id quod nos fugit tui amore trepidantes) non dubiam te sed promissam divinitus petere victoriam. (4) Duxerat magnum Severus exercitum, et hostem suum perfidia desertus armaverat; maiores postea copias Maximianus admoverat, et ipse transfugis circumcisus videbatur prospere refugisse. Ipse denique qui pater illius credebatur discissam ab umeris purpuram detrahere conatus senserat in illud dedecus sua fata transisse. (5) Mille et sexaginta annis contractas ex toto orbe divitias monstrum illud redemptis ad civile latrocinium manibus ingesserat. (6) Ad hoc aliena matrimonia, innocentium capita cum bonis passim donando usque ad mortis devotionem obstrinxerat parricidas; omnes aut insidiatos sibi aut palam aliquid pro libertate conatos poenis adfecerat, armis oppresserat. (7) Et inter haec utebatur eius urbis maiestate quam ceperat, totam Italiam conductis ad omne facinus satellitibus oppleverat. 4 (1) Haec omnia, imperator, cum cogitares scires videres, nec te paterna gravitas nec tua natura temerarium esse pateretur, dic, quaeso, quid in consilio nisi divinum numen habuisti? (2) An illa te ratio ducebat (sua enim cuique prudentia deus est), quod in tam dispari contentione non poterat melior causa non superare et, innumerabiles licet ille copias pro se obiceret, pro te tamen Iustitia pugnabat? (3) Ut enim omittam illa quae non decet comparari, quod erat ille Maximiani suppositus tu Constantii Pii filius; ille despectissimae parvitatis, detortis solutisque membris, nomine ipso abusiva appellatione mutilato, tu (quod sufficit dicere) tantus ac talis; (4) ut haec, inquam, omittam, te, Constantine, paterna pietas sequebatur, illum,

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gegen 100.000 bewaffnete Feinde über die Alpen gezogen, um es gründlichen Betrachtern deutlich werden zu lassen (was uns, die wir uns in Liebe zu dir ängstigten, verborgen blieb), dass du nicht einen noch in Zweifel stehenden Sieg zu erlangen suchtest, sondern einen, der dir von göttlicher Seite verheißen war. (4) Severus war der Führer eines großen Heeres gewesen und hatte, durch Verrat im Stich gelassen, seinen eigenen Gegner zum Kampf gerüstet. Noch größere Truppenkontingente hatte später (Galerius) Maximianus herangeführt; gleichfalls durch Überläufer von Verderben rings bedroht, ist ihm mit Glück der Rückzug noch gelungen, wie es schien. Derjenige schließlich, der als Vater jenes Mannes galt, hatte bei seinem Versuch, ihm den – schon zerrissenen – Purpur von den Schultern zu zerren, zu spüren bekommen, dass sein eigenes Geschick in die Macht jenes schändlichen Subjekts geraten war. (5) Schätze, die im Lauf von eintausendundsechzig Jahren aus dem gesamten Erdkreis zusammengetragen worden waren, hatte jenes Ungeheuer in die Hände von Räuberbanden gehäuft, die es zum Bürgerkrieg angeheuert hatte. (6) Ferner hatte es Frauen, die schon anderweitig verheiratet waren, und die Häupter Unschuldiger mitsamt ihrem Vermögen nach allen Seiten hin verschenkt und die Mörder so bis zur Verpflichtung in den Tod an sich gebunden. Alle, die ihm entweder Nachstellungen bereitet oder öffentlich einen Versuch für die Freiheit gewagt hatten, hatte es mit Strafen belegt, mit Waffengewalt niedergeworfen. (7) Und im Verlauf all dieser Geschehnisse zog es fortwährend seinen Nutzen aus der erhabnen Größe dieser Stadt, deren es sich bemächtigt hatte, und ganz Italien hatte es mit Helfershelfern angefüllt, in Sold genommen für Verbrechen jeder Art. 4 (1) Da du all dies, Imperator, bedachtest, wusstest, sahst, und da dich weder der vom Vater ererbte charakterliche Ernst noch deine eigene Natur unüberlegt sein ließen, sage bitte: wen hattest du als Berater wenn nicht eine göttliche Macht? (2) Oder hat dich jener Gedanke geleitet (denn für jeden ist seine eigene Klugheit Gott), dass bei einer so ungleichen Auseinandersetzung unmöglich die bessere Sache nicht den Sieg davontragen konnte, ferner dass, mochte jener auch Truppen in endloser Zahl zu seinem persönlichen Schutz entgegenwerfen, für dich doch die Gerechtigkeit im Kampf stand? (3) Um nämlich jene Dinge zu übergehen, bei denen ein Vergleich sich nicht ziemt: dass jener ein untergeschobener Sprössling des Maximian war, du des Constantius Pius Sohn; jener von verächtlichst kleinem Wuchs, verkrüppelt, haltlos schwach an Gliedern, an seinem Namen selbst in ungebührlicher Benennung verstümmelt, du – dies auszusprechen ist genug – so stattlich und von solcher Art, wie du es bist; (4) um derlei also, ich wiederhole es, zu übergehen: dich, Konstantin, geleitete die Liebe des Sohns zu seinem Vater, ihn

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ut falso generi non invideamus, impietas; te clementia, illum crudelitas; te pudicitia soli dicata coniugio, illum libido stupris omnibus contaminata; te divina praecepta, illum superstitiosa maleficia; illum denique spoliatorum templorum, trucidati senatus, plebis Romanae fame necatae piacula, te abolitarum calumniarum, te prohibitarum delationum, te conservati usque homicidarum sanguinis gratulatio. (5) In tam diversa causarum ratione divino consilio, imperator, (hoc est, tuo) non militum multitudinem sed partium merita numerasti. 5 (1) Magnus Alexander, cum praeter Macedonas suos cunctae Graeciae universo Illyrico innumerabilem dilectum posset indicere, numquam tamen maiores quadraginta milium copias duxit, inhabile regenti ratus quidquid excederet, et turbam potius quam exercitum. (2) Tu vero etiam minoribus copiis bellum multo maius aggressus es, tanto scilicet propria tua virtute potior quanto ille numero instructior. (3) Et ille quidem contra leves Medos et imbelles Syros et Parthorum arma volatica et Asiaticos optantes mutare servitium rem gessit proelii unius eventu: tibi vincendi erant milites (pro nefas!) paulo ante Romani, armis omnibus more primae classis armati et pro facinorum conscientia numquam nisi morte cessuri. (4) Probavit hoc prima obstinatio eorum qui, sub ipsis Alpium iugis munitissimum licet muro ac situ tenentes oppidum, ausi fuerunt te imminente resistere ac portas claudere; non credentes illi quidem, ut audio, ipsum te adesse (5) (quis enim crederet tam cito a Rheno ad Alpes imperatorem cum exercitu pervolasse?), sed tamen qui non solum praesenti numini tuo verum etiam nuntiato nomini cedere debuissent.

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(damit wir ihm seine falsche Abkunft nicht missgönnen) die Pflichtvergessenheit; dich die Milde, ihn die Grausamkeit; dich züchtige Gesittung, einem einzigen Ehebund geweiht, ihn Ausschweifung der Sinne, befleckt von Unzucht jeder Art; dich göttliche Weisungen, ihn üble Praktiken des Aberglaubens; ihn schließlich die Sühneschuld an Tempelraub, an der Niedermetzelung des Senats, am Hungertod des Volks von Rom, dich die Danksagung für das Ende der falschen Anklagen, das Verbot von Denunziationen, für die Rettung sogar des Bluts der Mörder. (5) Und da die Abwägung beider Positionen so gegensätzlich ausgefallen ist, hast du, Imperator, nach göttlichem Ratschluss (d.h. nach deinem eigenen) nicht die Menge der Soldaten, sondern die Verdienste beider Seiten aufgerechnet. 5 (1) Alexander der Große hat, obwohl er imstande war, abgesehen von seinen eigenen Makedonen eine Truppenaushebung von ungemessen großer Zahl für ganz Griechenland und das gesamte Illyricum anzusetzen, dennoch niemals Streitkräfte angeführt, die mehr als 40.000 Mann umfassten, in der Überzeugung, was darüber hinausgehe, sei für einen Heerführer nicht mehr lenkbar und eher ein ungeordneter Haufe als eine Armee. (2) Du aber bist sogar mit noch geringerer Truppenstärke in einen viel bedeutenderen Krieg gezogen, wobei du freilich durch deine eigene Vortrefflichkeit ebenso sehr im Vorteil warst wie jener dir überlegen an Zahl. (3) Und jenem ist es zwar gelungen, im Kampf gegen die unbeständigen Meder, die unkriegerischen Syrer, gegen die Pfeilgeschosse der Parther, die Bewohner von Asia, die für ihren Sklavenstand einen neuen Herrn einzutauschen wünschten, seine Unternehmung mit dem Ausgang einer einzigen Schlacht zu Ende zu bringen: du musstest über Soldaten den Sieg erringen, die (welch ein Frevel!) kurz zuvor noch Römer waren, mit allen Waffen nach Art der ersten Bürgerklasse ausgerüstet und, entsprechend dem Bewusstsein um ihre Verbrechen, entschlossen, niemals zu weichen, es sei denn, im Tod. (4) Den ersten Beweis dafür hat die hartnäckige Entschlossenheit derjenigen erbracht, die unmittelbar am Fuß der Gebirgszüge der Alpen eine Stadt in ihrem Besitz hatten, welche zugegebenermaßen durch ihre Mauern und natürliche Lage außerordentlich geschützt war, und die es dann trotz deiner bedrohlichen Nähe gewagt haben, dir Widerstand zu leisten und die Stadttore zu verschließen; sie glaubten freilich nicht, wie ich höre, dass du selbst anwesend seist, (5) (wer hätte denn glauben können, der Imperator habe zusammen mit seinem Heer die Strecke vom Rhein zu den Alpen so raschen Flugs zurückgelegt?), aber dennoch wäre es ihre Pflicht gewesen, nicht erst vor der Gegenwart deiner göttlichen Majestät (numen), sondern bereits bei der bloßen Ankündigung deines Namens (nomen) das Feld zu räumen.

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(6) Luerunt igitur ilico dementiae suae poenas, cum oblatam sibi a clementia tua veniam recusassent. Neque enim vallo fossaque obsessio inchoata est, nec cuniculis agendis nec machinis admovendis nec incutiendo ariete temptati quassatique sunt muri, sed statim iniectae faces portis, scalae propugnaculis, nec solum fundis eminus telisque missilibus sed hastis gladiis. Ita res simul coepta et patrata, iunctusque rebellibus fuit conatus et exitus. 6 (1) Gomphos, urbem Thessaliae, quoniam abnueret obsequium, C. Caesar uno die sustulit. Sed ille Graeculos homines adortus est, tu Subalpinos; ille solos incolas, tu etiam militare praesidium; ille non potuit captos a direptione defendere, tibi licuit clementiam tuis victoribus imperare. (2) Sed illa quidem Gomphensium clades documento ceteris fuit; tibi paulo post alia in Taurinatibus campis pugna pugnata est, non trepidantibus ex victoria tua rebellibus sed iratis, incensisque ad ulciscendum animis quos fortunae inclinatio restringere debuisset, nec vero temere ac passim vagis hostibus ut facile palantes caederentur, (3) sed acie in cunei modum structa, descendentibus retro in altitudinem lateribus quae, si cum prima avide confligeres, reflexa impeditos certamine circumirent. (4) Sed tu id providens praemissis utrimque qui obviam irent et simul, si quid insidiarum lateret, excuterent, ipse offirmato illo capite deiecto totaque acie in fugam versa tanto maiorem in processu stragem edidisti quanto amplioribus subsidiis instructa constiterat. (5) Ita usque ad Taurinatium muros fusi caesique obseratasque nancti portas ab incolis etiam corporum suorum mole clauserunt.

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(6) Die Strafe für ihren Unverstand erlitten sie daher auf der Stelle, da sie die Vergebung abgelehnt hatten, die du ihnen in deiner Gnade angeboten hattest. Denn man begann weder eine Belagerung mit Wall und Graben, noch wurden die Mauern durch die Anlage unterirdischer Gänge, den Aufzug von Belagerungsmaschinen oder den Einsatz des Rammbocks attackiert und zum Einsturz gebracht, sondern es wurden sogleich Brandfackeln auf die Tore geschleudert und Sturmleitern an das Bollwerk der Mauern gelegt, und dies nicht aus der Ferne mit Steinschleudern und Wurfgeschossen, sondern mit Speeren und Schwertern. So wurde die Aktion in einem Zug begonnen und abgeschlossen, und in ein Joch gespannt war für die Rebellen ihr Wagnis und ihr Ende. 6 (1) Weil Gomphi, eine Stadt in Thessalien, C. Caesar den Gehorsam verweigerte, hat er sie an einem einzigen Tage vernichtet. Doch er hat seinen Angriff gegen Griechlein gerichtet, du gegen die Bevölkerung am Fuß der Alpen; er nur gegen die Einwohnerschaft, du auch gegen eine militärische Schutztruppe; er konnte die Einwohner der eroberten Stadt nicht vor Plünderung schützen, dir stand es frei, deinen Soldaten auch im Sieg Milde zu gebieten. (2) Doch jene Niederlage der Bewohner von Gomphi ist den übrigen (Städten) ein warnendes Beispiel gewesen; du aber hast wenig später auf den Taurinatischen Feldern einen anderen Kampf ausgefochten: da waren die Rebellen nicht auf Grund deines Sieges in Verwirrung, sondern voll Zorn, und die Herzen zur Rache entflammt, sie, denen die Neigung der Schale des Glücks hätte Einhalt gebieten müssen; und da waren wahrhaftig keine Gegner, die aufs Geratewohl und unstet überall umherzogen, so dass sie leicht bei ihren Streifzügen zu töten gewesen wären, (3) sondern da war keilförmig eine Schlachtordnung aufgestellt, bei der die Seitenflügel nach rückwärts in die Tiefe ausgerichtet waren, welche dann, wenn du voll Kampfbegier mit der vordersten Linie im Streite lägest, sich nach vorne kehren und die ins Gefecht Verwickelten umzingeln sollten. (4) Doch du hast dies im Voraus bedacht und daher auf beiden Seiten Soldaten vorausgeschickt, die ihnen begegnen und sie, falls sich ein verborgener Hinterhalt fände, zugleich heraustreiben sollten; und dann, nachdem jenes hartnäckig entschlossene Haupt des Feindes niedergestreckt sowie die gesamte Schlachtordnung zur Flucht gekehrt war, hast du selbst beim Vorrücken eine Vernichtung verursacht, die umso größer war, je umfangreicher die gegnerische Linie mit Reservetruppen ausgestattet Stellung bezogen hatte. (5) So wurden sie bis zu den Mauern von Turin in wilde Flucht gejagt und niedergemetzelt und haben die Tore, da sie diese von den Einwohnern verriegelt fanden, noch dazu mit der Masse ihrer eigenen Leiber versperrt.

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7 (1) Quid tibi aliud sperare potuisti, miles infelix, turpissimo illi tunc devote prodigio? Iam enim non insulto sed doleo. (2) Constantinum tu tantum sanguinis fundere coegisti, cui, quia salutem vestram a vobis impetrare non licuit, paene displicuit ipsa victoria. (3) At non Taurinatibus neque ceteris Italiae civitatibus idem animus fuit, qui te, imperator, exsultantes gaudio certatim ad se vocaverunt. (4) Missae ab omnibus legationes, oblati undique commeatus, ut appareret quam diu desiderassent cui se tam prompte bello adhuc restante committerent. (5) Qui fuit dies ille quo Mediolanum ingressus ! Quae gratulatio principum civitatis, qui plausus populi! Quae securitas intuentium te matrum te virginum, quae duplici fructu fruebantur, cum pulcherrimi imperatoris formam viderent et licentiam non timerent! (6) Ostentare se omnes et tripudiare sine ullo de reliquiis belli metu, et auspicium victoriae tuae pro consummatione metiebantur: (7) non Transpadana provincia videbatur recepta, sed Roma. Quis enim crederet tantis successibus tuis ullum obstaculum fore, quominus omnes exercitus se clementiae tuae traderent, cum virtutis experimentum novissent? (8) Muros vi ceperas, acie palam viceras; quis tam demens videbatur ut aut obsideri auderet aut congredi, praesertim cum tu dies aliquot Mediolani resistens tempus omnibus sibi consulendi dedisses, ut de te sperarent? 8 (1) Sed enim aerumnosa illa et iam pridem media aetate nostra civili sanguine maculata Verona maximo hostium exercitu tenebatur, acerrimis ducibus pertinacissimoque praefecto, scilicet ut, quam coloniam Cn. Pompeius aliquando deduxerat, Pompeianus everteret. (2) O miserabilem Veronensium calamitatem, quos non tam tua quam intestina satellitum pressit obsidio! Quippe Athesis ille saxis asper et gurgitibus verticosus et impetu ferox oppugnatione prohibebat, omnemque

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7 (1) Was für ein anderes Schicksal hast du dir erhoffen können, unglücklicher Soldat, der du dich damals jenem schändlichsten Ungeheuer ausgeliefert hattest? Denn ich treibe jetzt keinen Spott, sondern bin voller Schmerz. (2) Du bist es ja, der Konstantin gezwungen hat, soviel Blut zu vergießen, ihn, dem der Sieg selbst fast schon missfallen hat, da es ihm nicht möglich war, eure Rettung von euch zu erwirken. (3) Doch weder die Einwohner von Turin noch die übrigen Städte Italiens hatten eine ebensolche Gesinnung: vielmehr riefen sie dich, Imperator, in ausgelassenem Jubel miteinander wetteifernd zu sich. (4) Von allen wurden Gesandtschaften entboten, von allen Seiten Proviant zur Verfügung gestellt, so dass klar ersichtlich war, wie lange sie dich herbeigesehnt hatten, da sie sich so bereitwillig in deine Hand begaben, obgleich der Krieg noch im Gang war. (5) Was für ein Tag war das, als du in Mailand Einzug gehalten hast! Was für eine dankbare Freudenbezeugung seitens der führenden Männer der Stadt, was für ein Beifall des Volkes! Unter den Müttern und Mädchen – welches Gefühl der Sicherheit bei deinem Anblick: sie erfreuten sich doppelten Gewinns, da sie die Gestalt des Imperators in seiner ganzen Schönheit betrachten konnten und keinerlei Willkür zu fürchten hatten! (6) Alle ließen sich in der Öffentlichkeit sehen und tanzten ausgelassen ohne jede Furcht vor dem Rest des Krieges umher und beurteilten den Anfang deines Sieges schon als dessen Vollendung: (7) nicht die Transpadanische Provinz, sondern Rom schien wiedergewonnen. Wer hätte denn geglaubt, deinen so glänzenden Erfolgen könne irgendein Hindernis in den Weg treten, dass sich nicht sämtliche Heere in die Hand deiner Gnade begäben, da sie doch eine Probe deiner Tapferkeit kennengelernt hatten? (8) Mauern hattest du im Sturm genommen, in offener Feldschlacht vor aller Welt gesiegt; wer schien so wahnsinnig, das Wagnis entweder einer Belagerung durch dich oder einer Schlacht mit dir auf sich zu nehmen, zumal du durch deinen mehrtägigen Aufenthalt in Mailand allen Zeit gegeben hattest, sich in ihrem eigenen Interesse zu beraten, um dann auf dich ihre Hoffnung setzen zu können? 8 (1) Doch es wurde ja jenes leidgeprüfte Verona, das schon vor langer Zeit (ich stand in mittlerem Alter) besudelt worden war vom Blut des Bürgerkriegs, vom größten Heer der Feinde besetzt gehalten, den entschlossensten Führern und einem höchst hartnäckigen Präfekten, offensichtlich, damit die Stadt, die Cn. Pompeius einst als Kolonie gegründet hatte, Pompeianus der Vernichtung preisgeben konnte. (2) Weh über das beklagenswerte Unglück der Einwohner von Verona: hat die Belagerung durch dich sie doch weniger in Bedrängnis gebracht als der interne Druck seitens der Spießgesellen! Denn jene Etsch, starrend von Felsen, an Strudeln und an Wirbeln reich und

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retro regionem invehendis copiis tutam defensamque praestabat. (3) Quod tamen ne diutius hostem iuvaret providentia tua factum est, cum superioribus in locis, qua lenior amnis et ignari hostes erant, exercitus parte proiecta, ancipiti periculo clausos obsessosque omissa spe morae experiri armis coegisti, adeoque omnes eruptionem temptaverant cecidisti, ut ipse dux cum parte copiarum ad arcessenda auxilia muris excesserit, maiorem miser adducturus exercitum ut maiore comitatu cladis occideret. (4) Quo quidem tempore praecipua apparuit tua, imperator, cura simul et animi magnitudo, qui redeunti illi minore exercitu congredi quam obsidionem intermittere maluisti, ne respirare clausis aut effugere aut imminere tergo liceret. 9 (1) Et primo quidem, ut audio, aciem instruxeras duplicem; mox proviso adversarium numero explicari statim in frontem ordines et extendi latius arma iussisti, ex tuo animo nimirum animos tuorum omnium metiens, quamvis gravius inde pondus infringi posse impetu pauciorum. (2) Laudare me existimas, imperator, cuncta quae in illo proelio feceris? Ego vero iterum queror. (3) Prospexeras omnia, disposueras universa, summi imperatoris officia compleveras: cur ipse pugnasti, cur te densissimis hostium globis miscuisti, cur salutem rei publicae in pericula tanta misisti? (4) An nescire nos putas quod, dum nimio raperis ardore, in media hostium tela deveneris et, nisi viam tibi caedibus aperuisses, spem totius generis humani et vota deceperas? (5) Toto quippe impetu ferebare, torrenti similis amni quem abruptae radicitus silvae et convulsa funditus saxa sequerentur. (6) Quid tibi est, imperator, cum inferiore fortuna? Illos pugnare fas est quibus suo cuiusque fato aut vincendum est aut

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wild in ungestümem Lauf, machte einen Sturmangriff unmöglich und verlieh dem ganzen Land dahinter gegen das Vordringen von Truppen Sicherheit und Schutz. (3) Dass dies dem Feind trotzdem längerfristig keinen Nutzen brachte, ist deiner Vorausplanung zu verdanken: denn an weiter oberhalb gelegenen Stellen, wo die Strömung des Flusses sanfter war und die Feinde keinerlei Argwohn hegten, hast du einen Teil des Heeres übersetzen lassen und in verdoppelter Gefahr die von der Blockade ringsum Eingeschlossenen gezwungen, die Hoffnung auf einen Aufschub preiszugeben und ihr Glück im Kampf zu erproben; und alle, die den Versuch eines Ausbruchs unternommen hatten, hast du in solch ein Gemetzel verstrickt, dass der Führer selbst mit einem Teil seiner Truppen die Stadt verlassen hat, um Hilfstruppen herbeizuschaffen – der Elende, er sollte ein größeres Heer heranführen, um mit größerer Begleitmannschaft in seiner Niederlage unterzugehen! (4) Gerade in dieser Situation wurden, Imperator, deine Sorge und zugleich die Größe deines Mutes besonders deutlich sichtbar, da du gegen jenen bei seiner Rückkehr lieber mit einem kleineren Heer kämpfen als die Belagerung unterbrechen wolltest, um nicht den Eingeschlossenen Gelegenheit zu bieten, Atem zu schöpfen oder die Flucht zu ergreifen oder deine Soldaten im Rücken zu bedrohen. 9 (1) Und zunächst hattest du ja, wie ich höre, die Schlachtreihe in doppelter Linie aufgestellt; bald darauf, als du die Zahl der Feinde vor dir sahest, hast du den Befehl erteilt, die Reihen sollten sogleich in Frontstellung auseinander treten und die Waffenmacht in breiterer Linie ausgedehnt werden – dabei hast du natürlich den Mut all deiner Leute nach deinem eigenen bemessen und warst überzeugt, eine noch so überlegene Masse könne dann durch den Ansturm auch einer relativ geringen Zahl zerschlagen werden. (2) Glaubst du, Imperator, ich lobe alles, was du in jenem Kampf getan hast? In Wahrheit erhebe ich ein weiteres Mal Klage. (3) Du hattest alle Dinge im Voraus bedacht, die Gesamteinteilung vorgenommen, die Aufgaben des obersten Befehlshabers erfüllt: Warum hast du selbst gekämpft? Warum dich unter die dichtesten Haufen der Feinde gemischt? Warum das Wohl des Staates in so große Gefahren gebracht? (4) Oder glaubst du, wir wüssten nicht, dass du, als dich allzu feurige Leidenschaft dahinriss, mitten unter die Waffen der Feinde geraten bist und, wenn du dir nicht durch Mord und Gemetzel einen Weg eröffnet hättest, Hoffnung und Wünsche des gesamten Menschengeschlechtes betrogen hättest? (5) Du hast dich ja ganz von deinem Ungestüm forttragen lassen, gleich einem reißenden Strom, dem die Wälder, die er vom Grunde entwurzelt, und die Felsen, die er aus der Tiefe losgerissen hat, das Geleit geben. (6) Was hast denn du, Imperator, mit dem Schicksal des geringeren Standes zu tun? Für diejenigen ist es angemessen zu kämpfen, die,

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cadendum: tu, cuius ex vita omnium fata pendent, ad ullum discrimen accedas? Inter tot tela gladiosque versere? Quis hoc a te exigit? Aut quis pati possit ut quidquam in te belli casibus liceat? Deceat te, imperator, hostem ferire? Immo non decet laborare. 10 (1) Spectavit ex edito monte Xerses navale certamen; Augustus aliud agens vicit apud Actium; fuit etiam qui sublatus in scalas invicem nexas concurrentes eminus vidit exercitus, ut nec interesset periculo et adesset eventui. (2) Ignava, inquies, sunt haec exempla – sed tuta, graviorque metus est periculi tui quam laetitia victoriae. (3) An non ipsi te, caesis fugatisque hostibus interfectoque etiam ipso eorum duce, comites et tribuni corripuere lacrimantes, amplexique illud tuum anhelum pectus, cruentas manus et quidquid de sanguine profundae caedis emerserat hinc atque inde clamarunt: ‘Quid egeras, imperator? In quae nos fata proieceras, nisi te divina virtus tua vindicasset? Quae haec est impatientia? Aut quo tibi manus nostras, si versa vice pugnas ipse pro nobis?’ (4) Haec ego non dicerem, imperator, neque ab aliis dicta memorarem, nisi beneficio tuae lenitatis tutior esset nostra in verbis quam tua in armis audacia. (5) Nova enim quadam varietate naturae confusoque virtutum temperamento, idem es et in proeliis ferocissimus et parta securitate mitissimus. 11 (1) Cum enim dato obsessis tempore paenitendi Aquileiam quoque de legatis eorum supplicibus recepisses, cunctique se tibi dedissent quos obsidendo servaveras, ignovisti omnibus et vitam quam desperaverant reddidisti. (2) Et quidem iussisti arma deponere ut multo tutius victoris pietate tegerentur; ut tamen pertinaciae suae merita sentirent,

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wie es jedem einzelnen vom Geschick beschieden ist, entweder siegen oder fallen müssen: du, von dessen Leben die Geschicke aller abhängen, solltest irgendein Risiko eingehen? Dich inmitten so vieler Geschosse und Schwerter bewegen? Wer verlangt so etwas von dir? Oder wer könnte es zulassen, dass den Wechselfällen des Kriegs irgendein Zugriff auf dich zustünde? Schickt es sich etwa für dich, Imperator, den Feind niederzustechen? Im Gegenteil, es schickt sich nicht einmal, dich anzustrengen. 10 (1) Von einem hohen Berg hat Xerxes seiner Seeschlacht zugeschaut. Augustus, selbst mit etwas anderem befasst, hat den Sieg bei Actium errungen. Es gab auch einen, der, auf aneinandergebundene Leitern emporgestiegen, aus der Ferne den Kampf der Heere sah, um zum einen nicht an der Gefahr beteiligt und zum anderen bei der Entscheidung doch zugegen zu sein. (2) „Beispiele der Feigheit sind das“, wirst du sagen. – Doch Beispiele der Sicherheit, und die Furcht um deine Gefährdung wiegt schwerer als die Freude über deinen Sieg. (3) Als dann die Feinde niedergemetzelt und in die Flucht geschlagen waren und auch ihr Führer selbst getötet war: haben da nicht deine Begleiter und Tribunen unter Tränen selbst hastig nach dir gegriffen, haben sie nicht dich umarmt, deine keuchende Brust, die blutbespritzten Hände und was von dir aus dem Blutbad abgründigen Mordens emporgetaucht war, und dazu von dieser Seite und von dorther gerufen: „Was hattest du getan, o Imperator! Welchem Verhängnis hattest du uns preisgegeben, hätte dich nicht deine göttliche Tapferkeit geschützt! Was ist denn das für eine Ungeduld? Oder wozu sind unsere Hände dir denn nütze, wenn du, die Rollen tauschend, selber für uns kämpfst?“ (4) Diese Dinge würde ich nicht sagen, Imperator, und ich würde nicht die Äußerungen anderer anführen, wäre nicht, dank der Gunst deiner Milde, unsere Kühnheit in den Worten in größerer Sicherheit geborgen als deine Kühnheit im Gebrauch der Waffen. (5) Denn es rührt von einer Vielseitigkeit natürlicher Veranlagung, wie sie bisher nicht bekannt war, und von einer ausgewogenen Mischung der Tugenden her, dass du im Kampf der Streitbarste bist und auch, ist erst Sicherheit geschaffen, der Gütigste zugleich. 11 (1) Als du nämlich den Belagerten Zeit zur Reue gegeben, von ihren Gesandten auf ihr flehentliches Bitten hin auch Aquileia wiederaufgenommen hattest und sich dir alle zusammen ergeben hatten, die du durch Belagerung gerettet hattest, da hast du allen Verzeihung gewährt und das Leben wiedergeschenkt, das sie schon verloren geglaubt hatten. (2) Und zwar hast du ihnen den Befehl erteilt, die Waffen niederzulegen, damit sie in noch viel größerer Sicherheit von der Milde des Siegers Schutz erhielten; um ihnen dennoch

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corripi eos vincirique iussisti non ad supplicium sed vitam, ne conscientiae timore diffugerent graviterque delinquerent conservarique iterum non mererentur, si servati non fuissent. (3) Sed unde tanto hominum numero tot vincula quae continere militares et paulo ante armatas manus possent? (4) Stupere milites qui perducendos susceperant et custodiae curam abnuere et prorsus nescire quid facerent; ipsi etiam qui tibi in consilio erant, ipse etiam praefectus haerere, cum tu divino monitus instinctu de gladiis eorum gemina manibus aptari claustra iussisti, ut servarent deditos gladii sui quos non defenderant repugnantes. 12 (1) O pulcherrimum et qui omnium oculis subici debuisset triumphum virtutis et clementiae tuae! Cuius enim potentiae fuit hostibus arma deripere, eius humanitatis deditos ad impunitatem sui adligare atque ita vincire ut eos ferri illius quod contra te gesserant cotidie paeniteret. (2) Gladius ille, quem in te distrinxerat hostis infestus, ipse domini sui manus tenuit, et paratus ad caedem custos factus est ad salutem. (3) Magnus poeta, dum bellorum toto orbe surgentium discursum apparatumque describit, ‘Et curvae’ inquit ‘rigidum falces .’ Triste nimium tempus illud, cum instrumenta cultui pecudum praeparata in caedem hominum verterentur. (4) At nunc rigidi illi mortiferique mucrones in salutaria vincla curvantur, et exarmatum hominem non interimunt sed coercent, deditosque hostes gladii sui conlisi obtunsique tutantur, qui nihil illis prodesse integri acutique potuerunt. 13 (1) Omnium ergo armorum ministeria ad diversos effectus arbitrio tuo serviunt, imperator. Tibi vincunt gladii, tibi servant; te pugnante feriunt,

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eine Vorstellung vom eigentlichen Lohn für ihren Starrsinn zu vermitteln, hast du Befehl gegeben, sie zu ergreifen und in Fesseln zu legen, nicht zur Hinrichtung, sondern zur Bewahrung ihres Lebens: damit sie nicht, aus der Furcht heraus, die ihrem Schuldbewusstsein entsprang, die Flucht ergreifen, somit schwere Schuld auf sich laden und keine neuerliche Rettung verdienen würden, wenn sie nicht bereits gerettet wären. (3) Doch woher sollte man für eine so gewaltige Menschenmenge entsprechend viele Fesseln nehmen, welche die Hände von Soldaten, die zudem kurz zuvor noch Waffen getragen hatten, in Banden halten könnten? (4) Die Soldaten, die sie zur Überführung in Empfang genommen hatten, waren entgeistert, lehnten den Auftrag, sie zu bewachen, ab und wussten überhaupt nicht, was sie anfangen sollten; auch gerade diejenigen, die deinem Rat angehörten, sogar der Praefectus selbst, wussten nicht weiter – als du, auf den Rat einer göttlichen Eingebung hin, Anweisung erteilt hast, ihren Händen Fesselpaare anzulegen, aus ihren Schwertern angefertigt – damit die eigenen Schwerter nach der Kapitulation diejenigen retteten, die sie beim Kampf gegen dich nicht geschützt hatten. 12 (1) O schönster Triumph deiner Tapferkeit und deiner Milde, der es verdient hätte, aller Welt vor Augen geführt zu werden! Denn der, in dessen Macht es stand, den Feinden die Waffen zu entreißen, besaß die Menschlichkeit, diejenigen, die sich ihm, in Erwartung eigener Straffreiheit, ergeben hatten, zu fesseln und so in Bande zu legen, dass sie über jenes Eisen täglich Reue empfinden konnten, das sie gegen dich in Händen gehalten hatten. (2) Gerade jenes Schwert, das der Feind in seiner Erbitterung gegen dich gezückt hatte, hielt die Hände seines eigenen Herrn gebunden und, zur Mordtat bestimmt, wurde es zum Wächter für das Leben. (3) Bei der Beschreibung von Ausbreitung und Rüstung der auf dem ganzen Erdkreis entbrennenden Kriege hat ein großer Dichter gesagt: „und man schmilzt die gebogenen Sicheln zum starrenden Schwerte.“ Ungemein leidvoll jene Zeit, da Gerätschaften, die man zur Haltung des Viehs geschaffen hatte, in Werkzeuge zur Tötung der Menschen verwandelt wurden. (4) Doch jetzt biegen sich jene starrenden, tödlichen Klingen zu rettenden Fesseln um und töten nicht den Menschen, der entwaffnet ist, sondern halten ihn in Banden, und es gewähren nach der Kapitulation den Feinden ihre eigenen Schwerter Schutz, verbogen und stumpf geworden, sie, die ihnen, unversehrt und mit geschärfter Schneide, keinen Nutzen bringen konnten. 13 (1) Also sind die Tätigkeiten aller Waffen deinem Urteil, Imperator, dienstbar für ganz entgegengesetzte Wirkungen. Für dich erringen die Schwerter den Sieg, für dich retten sie Leben; kämpfst du, so stoßen sie zu, lässt du

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te ignoscente custodiunt. (2) Ut deus ille mundi creator et dominus eodem fulmine suo nunc tristes nunc laetos nuntios mittit, ita eadem sub numine tuo tela inimicos aut supplices tuos pernicie aut conservatione discernunt. (3) Eripuisti, imperator, adversariis tuis gladios ne quis incumberet dolore superatus; et eosdem suis manibus innoxios reddidisti, ut et clementiae et vindictae tuae satisfaceres; quorum sanguini peperceras, arma fregisti. (4) Vita enim hominum diu parta semper servanda est, si liceat: ferrum inventu facile, usu mutabile. Ideo quae erant reparabilia conflasti, quod redivivum non erat reservasti. (5) Quid simile ad laetitiam fabulae ferunt? Conversa esse humana corpora in fontes aut pecudes aut aves: foeda et degener talis conversio. Gladius mutatus in manicas: hoc est quod securitas post timorem, quod umbraculum post calorem. Splendorem mutatio perdidit, sed aciem retudit. 14 (1) Studium et humanitas tua hortata est, imperator, ut huc usque exsultatio nostra verbis eluderet; sed iam ad potiora redeamus. (2) Recuperata omni cis Padum Italia ipsa iam ad te supplices manus Roma tendebat, cui portentum illud insederat nihil conari ausum ad tot nuntios suarum cladium. Quippe ipsa se vilissimi hominis obsidebat ignavia et degeneris, ut dictum est, animos timor arguebat. (3) Stultum et nequam animal nusquam extra parietes egredi audebat. Ita enim aut prodigiis aut metus sui praesagiis monebatur. (4) Pro pudor, intra parietum custodias imperator! Non ille adspirare in campum, non exerceri armis, non pulverem pati; astutus quidem, ne virorum officia temptantem contemnerent qui viderent deambulantem tantum in illo palatio marmoratis parietibus incedere, nam in Salustianos hortos ire peregrinatio et expeditio putabatur. (5) Et hae quidem deliciae toto illo tempore quo Urbem obsederat, semet

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Gnade walten, verleihen sie Schutz. (2) Wie jener Gott, Schöpfer und Herr der Welt, mit demselben Blitz bald traurige, bald frohe Botschaften entsendet, so scheiden dieselben Waffen unter deinem göttlichen Gebot deine Feinde und die zu dir Flehenden nach Vernichtung oder Rettung. (3) Du hast deinen Gegnern, Imperator, das Schwert aus der Hand gerissen, damit sich keiner, von Schmerz überwältigt, hineinstürze; und du hast dieselben, unfähig, Schaden zuzufügen, den Händen ihrer Besitzer wiedergegeben, um deiner Milde ebenso wie deiner Rache Genüge zu leisten: deren Leben du geschont hattest, deren Waffen hast du zerbrochen. (4) Menschliches Leben, das zu seiner Geburt lange Zeit braucht, ist ja stets zu erhalten, wenn die Möglichkeit besteht; Eisen ist leicht zu finden, in seiner Verwendung wandelbar. Deswegen hast du umgeschmolzen, was wieder herzustellen war, was nicht wieder zu einem neuen Leben hätte erstehen können, hast du erhalten. (5) Was wäre vergleichbar, wovon die Sagengeschichten zu freudiger Erbauung erzählen? Verwandelt worden seien Menschenleiber in Quellen, Tiere des Landes oder Vögel: abstoßend und entartet ist Verwandlung solcher Art. Ein Schwert zu Fesseln für die Hände umgestaltet: dies ist wie Sicherheit nach Furcht, wie leichter Schatten nach der Hitze. Die Umgestaltung hat den Glanz beseitigt, doch die Schärfe stumpf gemacht. 14 (1) Deine Teilnahme und menschliche Milde, Imperator, haben mich dazu ermuntert, unserem Jubel bis jetzt in Worten spielerisch seinen Lauf zu lassen. Doch kehren wir jetzt zu wichtigeren Dingen zurück! (2) Als ganz Italien diesseits des Po wiedergewonnen war, streckte schon Rom selbst seine Hände flehend nach dir aus, die Stadt, in der sich jenes Ungeheuer festgesetzt hatte, ohne es zu wagen, auf die so zahlreichen Meldungen seiner Niederlagen hin etwas zu unternehmen. Ja, genau die eigene Feigheit dieser Elendsgestalt hielt sie eingeschlossen fest, und, wie das Wort (des Dichters) sagt, unedle Herzen entlarvte die Furcht. (3) Das törichte und nichtswürdige Geschöpf hatte bei keiner Gelegenheit den Mut, die eignen Wände zu verlassen. Solchen Rat erhielt es nämlich durch Wunderzeichen oder auch durch die Prophezeiungen seiner eigenen Besorgnis. (4) Welche Schande: ein Imperator im Gewahrsam seiner eigenen Wände! Es zog ihn nicht zum (Mars-)Feld hin, er trainierte nicht in Waffen, den Staub hielt er nicht aus. Schlau war er freilich hierin: wenn er sich in den Taten von Männern versuchte, sollten ihm nicht diejenigen mit Verachtung zuschauen, die ihn (ansonsten) nur beim Spaziergang in jenem Palast mit seinen Marmorwänden einherschreiten sahen – denn in die Gärten des Sallust zu gehen galt schon als Reise in die Fremde und kriegerische Unternehmung! (5) Und derlei Lustbarkeiten gewährten ihm jedenfalls in jener ganzen Zeit, da er die Stadt besetzt gehalten

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incluserat, turpissimam hanc eius formidinem protegebant. Non enim se imbellem sed beatum, non inertem sed securum videri volebat. (6) Quotiens milites in contionem vocabat, se solum cum illis imperare, alios per limites pro se militare iactabat. ‘Fruimini’ aiebat, ‘dissipate, prodigite.’ Haec erat miserorum brevis et caduca felicitas. 15 (1) Ac ne tum quidem, cum tot adversa suorum proelia comperisset, obviam ire conatus est ad resistendum Padi limite aut Appennini iugis uteretur, sed litteras calamitatum suarum indices supprimebat; interdum etiam palam ut usque ad portas veniretur optabat, non intellegens maiestatem illam Urbis, quae pridem admotos exercitus sollicitaverat, iam flagitiis ipsius deformatam et sedibus suis pulsam ad tua auxilia transisse, nec ullis praemiis posse corrumpi quos tibi praeter liberalitatem tuam et sacramenti fidem tot victoriarum gloriae dicavissent. (2) Quis enim miles, qui ductu atque auspiciis tuis totiens felicissime dimicasset, vulnera illi sua venderet, belli iam paene confecti summam concederet? (3) At enim tu id ipsum de ardore totius exercitus sentiens sine ulla haesitandi mora, qua brevissimum per Venetos iter est, rapto agmine advolasti, celeritatem illam in re gerenda Scipionis et Caesaris tunc maxime cupienti Romae repraesentans. (4) Haec est fiducia imperatoris invicti et suorum mentibus freti, non dubitare nec trahere bellum, sed proximum quodque pugnae tempus putare victoriae. (5) Non enim res erat tibi ut Q. Maximo cum Hannibale victore, ut post res asperas locum tempusque captares, sed urgere te successus tuos et continuare victorias et quam primum subvenire Urbi decebat. (6) Sapientis enim est imperatoris fractis rebus cunctando consulere, secundis non deesse Fortunae.

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und sich in ihr eingesperrt hatte, in seiner so ganz ehrlosen Furchtsamkeit Schutz. Denn er wollte nicht als kriegsuntüchtig, sondern als glücklich, nicht als tatenlos, sondern als sorgenfrei gelten. (6) Sooft er die Soldaten zur Versammlung einberief, erging er sich in Prahlereien, er allein führe, mit ihnen gemeinsam, das Regiment; andere führten für ihn den Krieg an den Grenzen: „Gebt euch dem Genuss, der Zerstreuung, der Verschwendung hin!“ pflegte er zu sagen. Das war das kurze und vergängliche Glück der Elenden. 15 (1) Und er unternahm sogar nicht einmal damals, als er von so zahlreichen unglücklich verlaufenen Kämpfen seiner Soldaten Kenntnis erhalten hatte, den Versuch, dir entgegenzuziehen, um die Grenzlinie des Po oder die Bergkette des Apennin zur Gegenwehr zu nutzen, sondern er unterschlug die Schreiben, die von seinen Unglücksschlägen kündeten. Zuweilen äußerte er sogar öffentlich den Wunsch, man möge doch bis zu den Toren heranrücken – ohne zu begreifen dass die erhabene Größe dieser Stadt, welche in früherer Zeit angerückte Heere zum Abfall aufgewiegelt hatte, jetzt durch seine eigenen Schandtaten entehrt und von ihrem Wohnsitz vertrieben, zu deinen Streitkräften übergegangen war, und dass durch keinerlei Belohnungen Männer zu bestechen waren, die – ganz abgesehen von deiner Großzügigkeit und der Treue zu ihrem Fahneneid – so viele ruhmreiche Siege zu dir ergebenen Anhängern gemacht hatten. (2) Denn welcher Soldat, der unter deiner Führung und deinen Auspizien so viele Male höchst erfolgreich gekämpft hatte, würde jenem die eigenen Wunden zum Kauf anbieten und den Höhepunkt eines schon fast zu Ende geführten Krieges abtreten? (3) Aber du bist ja, da du eben diese Begeisterung des ganzen Heeres spürtest, ohne irgendein Zögern, ohne einen Aufschub auf der kürzesten Strecke durchs Land der Veneter in schleunigem Zug herbeigeeilt und hast so der Stadt Rom, die damals ganz besonders nach deiner Anwesenheit verlangte, die berühmte Schnelligkeit eines Scipio und eines Caesar in der Durchführung einer Aktion vor Augen geführt. (4) Das ist das Selbstvertrauen eines unbesiegbaren Imperators, der auf die Gesinnung seiner Soldaten bauen darf: weder zu zaudern noch einen Krieg in die Länge zu ziehen, sondern jede nächste Gelegenheit zum Kampf für eine Gelegenheit zum Sieg zu halten! (5) Du hattest ja keinen Krieg zu führen wie Q. Maximus gegen den siegreichen Hannibal, dass du nach Misserfolgen Ort und Zeitpunkt suchtest, sondern du musstest eifrig deine Erfolge weitertreiben, Sieg an Sieg reihen und, so rasch es ging, der Stadt zu Hilfe eilen. (6) Es zeugt von weiser Einsicht eines Imperators, in der Katastrophe durch Zurückhaltung Rat zu schaffen, sich aber beim Erfolg dem Glück nicht zu entziehen.

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16 (1) Itaque unum iam illud timebatur, ne ille conterritus, his viribus graviter adflictus et in artum redactus, boni consuleret et debitas rei publicae poenas obsidione differret. Quippe omni Africa quam delere statuerat exhausta, omnibus insulis exinanitis, infiniti temporis annonam congesserat. (2) Sed divina mens et ipsius Urbis aeterna maiestas nefario homini eripuere consilium, ut ex inveterato illo torpore ac foedissimis latebris subito prorumperet et consumpto per desidias sexennio ipsum diem natalis sui ultima sua caede signaret, ne septenarium illum numerum sacrum et religiosum vel inchoando violaret. (3) At quomodo instruxit aciem tot annorum vernula purpuratus? Ita prorsus ne quis evadere, ne quis, ut fit, loco motus referre gradum et instaurare proelium posset, cum a fronte armis, a tergo Tiberi amne premeretur. (4) In quo ille non mehercule cogitavit necessitatem resistendi sed propinquitatem refugiendi, nisi forte iam sentiens diem sibi venisse fatalem ad solacium suae mortis voluit secum trahere quam plurimos, ut omnes essent exitus sui comites qui scelerum participes exstitissent. (5) Quid enim aliud illum sperasse credendum est, qui iam ante biduum palatio emigraverat, cum uxore ac filio in privatam domum sponte concesserat, ut res est, somniis terribilibus agitatus et nocturnis pulsus Ultricibus, ut tu iam olim exspectatus habitator sacris illis aedibus diu exalatis expiatisque succederes? (6) Adeo ipse verum sibi dixerat et venturo tibi cesserat, quamvis in proelium ingrederetur armatus, cum excedendo palatio iam se abdicasset imperio. 17 (1) Ad primum igitur adspectum maiestatis tuae primumque impetum toties tui victoris exercitus hostes territi fugatique et angustiis Mulvii pontis exclusi, exceptis latrocinii illius primis auctoribus qui desperata venia locum quem pugnae sumpserant texere corporibus, ceteri omnes in fluvium

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16 (1) Und so hatte man jetzt nur diese eine Befürchtung, jener könne in seinem Schrecken, durch dieses Aufgebot an Macht ganz niedergeschmettert und in die Enge getrieben, sich damit begnügen und für die dem Staat geschuldete Bestrafung durch eine Belagerung Aufschub erwirken. Denn da ganz Afrika, zu dessen Vernichtung er entschlossen war, von ihm ausgesogen und alle Inseln ausgeplündert waren, hatte er Lebensmittelvorräte für eine unbegrenzte Zeit aufgehäuft. (2) Doch der göttliche Geist und die unvergängliche Majestät der Stadt selbst haben den Verbrecher seiner Klugheit beraubt, so dass er aus jener alten Erstarrung und dem so schändlichen Schlupfwinkel unversehens hervorbrach und am Ende von sechs Jahren bloßen Nichtstuns eben den Jahrestag seines Herrschaftsantritts mit seinem eigenen letzten Blutvergießen besiegelte, um nicht jene heilige und verehrungswürdige Siebenzahl auch nur durch den Beginn des neuen Jahres zu beflecken. (3) Doch wie hat er sein Heer zur Schlacht aufgestellt, der Sklavenwicht, der so viele Jahre schon den Purpur trug? Ganz und gar so, dass niemand entkommen konnte und niemand, der, wie es geschieht, vom Platz gedrängt ist, einen Schritt zurücksetzen und den Kampf von neuem beginnen konnte, da er von vorn durch deine Kriegsmacht bedrängt, im Rücken durch den Tiber festgehalten wurde. (4) Dabei dachte jener, beim Herkules, nicht an die Notwendigkeit des Widerstandes, sondern an die Nähe eines Fluchtortes; es sei denn, er spürte bereits, dass sein Schicksalstag gekommen war, und wollte daher zum Trost für seinen eigenen Tod möglichst viele mit sich hinwegreißen, um alle diejenigen als Gefährten seines Untergangs zu haben, die bei seinen Verbrechen als Mitbeteiligte aufgetreten waren. (5) Was für eine andere Hoffnung soll man ihm denn zuschreiben, ihm, der schon zwei Tage zuvor den Palast verlassen hatte, der aus eignem Antrieb mit Frau und Sohn in ein Privathaus gezogen war, – von Schreckensträumen (dies ist wahr) verfolgt und gehetzt von den Rächerinnen der Nacht, damit du, lange schon erwartet, ihm als Bewohner in dieses heilige Haus folgen könntest, wenn es in langer Prozedur gereinigt und entsühnt wäre? (6) So deutlich hatte er sich selbst die Wahrheit vorausgesagt und dir für deine Ankunft seinen Platz eingeräumt, da er – mochte er auch gerüstet in den Kampf ziehen – bereits mit dem Verlassen des Palastes sein Regiment niedergelegt hatte. 17 (1) Beim ersten Anblick deiner Majestät also und beim ersten Angriff deines so viele Male siegreichen Heeres gerieten die Feinde in Schrecken und wurden in die Flucht geschlagen und durch die Engstelle des Pons Mulvius von ihrem Fluchtweg abgeschnitten: mit Ausnahme der ersten Anstifter jenes Räuberbandenkriegs, die, ohne Hoffnung auf Gnade, den Platz, den sie für den Kampf gewählt hatten, mit ihren Leibern bedeckten, stürzten sich die üb-

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abiere praecipites, ut tandem aliquod caedis compendium fessis tuorum dexteris eveniret. (2) Cum impios Tiberis hausisset, ipsum etiam illum cum equo et armis insignibus frustra conatum per abrupta ripae ulterioris evadere, idem Tiberis correptum gurgite devoravit, ne tam deforme prodigium vel hanc obitus sui relinqueret famam, quod alicuius viri fortis gladio telove cecidisset. (3) Et aliorum quidem hostium corpora et arma praeceps fluvius volvendo devexit; illum autem eodem quo exstinxerat loco tenuit, ne diu populus Romanus dubitaret si putaretur aliquo profugisse cuius mortis probatio quaereretur. 18 (1) Sancte Thybri, quondam hospitis monitor Aeneae, mox Romuli conservator expositi, tu nec falsum Romulum diu vivere nec parricidam Urbis passus es enatare. Tu Romae tuae altor copiis subvehendis, tu munitor moenibus ambiendis, merito Constantini victoriae particeps esse voluisti, ut ille hostem in te propelleret, tu necares. (2) Neque enim semper es rapidus et torrens, sed pro temporum ratione moderatus. Tu quietus armatum Coclitem revexisti, tibi se placido Cloelia virgo commisit; at nunc violentus et turbidus hostem rei publicae sorbuisti et, ne tuum lateret obsequium, eructato cadavere prodidisti. (3) Reperto igitur et trucidato corpore universus in gaudia et vindictam populus Romanus exarsit, nec desiit a tota Urbe, qua suffixum hasta ferebatur, caput illud piaculare foedari, cum interim, ut sunt ioci triumphales, rideretur gestantis iniuria, cum alieni capitis merita pateretur. 19 (1) Sed quid ego huc usque iocularia? Tecta ipsa, ut audio, commoveri et altitudo culminum videbatur attolli, quacumque numen tuum tardo molimine currus inveheretur: tanta te populi densitas, tanta senatus stipatio provehebat simul et attinebat.

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rigen alle jählings in den Fluss, so dass es schließlich zu einer Verkürzung des Gemetzels für die erschöpften Hände deiner Soldaten kam. (2) Als der Tiber die Frevler verschlungen hatte, riss eben dieser Tiber auch jenen selbst, auf seinen vergeblichen Versuch hin, mit seinem Ross und seinen auffallenden Waffen über die Steilhänge des jenseitigen Ufers zu entkommen, in einen Strudel und zog ihn in die Tiefe hinab: ein so scheußliches Ungeheuer sollte nicht auch noch einen solchen Nachruhm von seinem Ende hinterlassen, dass es durch Schwert und Speer eines tapferen Mannes gefallen sei. (3) Und die Leichen der anderen Feinde und ihre Waffen trug der Fluss zwar in eiligem Lauf davon, jenen aber hielt er an eben dem Platz fest, wo er ihn getötet hatte, damit das römische Volk nicht lange im Zweifel sei, falls man mutmaße, es sei derjenige irgendwohin entkommen, für dessen Tod man noch nach einer Bestätigung suchte. 18 (1) Heiliger Tiber, einst Ratgeber des Gastes aus der Fremde, Aeneas, bald darauf Retter des ausgesetzten Romulus, du hast weder zugelassen, dass ein falscher Romulus lange am Leben bleiben, noch dass der Mörder der Stadt sich schwimmend retten konnte. Du Nährer deiner Stadt Rom, da du ihr Lebensmittel herbeischaffst, du ihr Schützer, da du ihre Mauern umströmst, hattest zu Recht den Wunsch, am Sieg Konstantins mitbeteiligt zu sein, so dass er den Feind in deine Fluten jagte, du ihn zu Tode brachtest. (2) Du bist ja nicht in einem fort reißend und wild, sondern lenkst maßvoll deinen Lauf, wie es die Umstände erfordern: du hast in ruhigen Fluten Cocles mitsamt seiner Rüstung zurückgebracht, dir hat sich bei sanftem Wellengang die Jungfrau Cloelia anvertraut. Doch jetzt hast du in wilder, aufgewühlter Flut den Feind des Staats hinabgezogen und dann, um deine Dienstbeflissenheit nicht unbemerkt bleiben zu lassen, den Kadaver wieder ausgespieen und herausgegeben. (3) Nachdem der Leichnam also aufgefunden und in Stücke zerhackt war, brach das gesamte römische Volk in Jubel aus und entbrannte in Rache, und es ließ die ganze Stadt, in der jenes verbrecherische Haupt auf einer Lanze aufgespießt umhergetragen wurde, nicht davon ab, es zu schänden, wobei man unterdessen, wie es bei den Späßen der Triumphzüge üblich ist, auf Kosten des Trägers seinen Spott trieb, da er Attacken zu erdulden hatte, die dem Haupt eines anderen gebührten. 19 (1) Doch wozu gebe ich diesen Späßen hier so großen Raum? Die Häuser schienen sich von selbst zu bewegen, wie ich höre, und die Höhe der Dächer noch zu wachsen überall dort, wo deine göttliche Hoheit in langsamer Wagenfahrt dahinzog: so dichtgedrängt war die Menge des Volkes, so dicht das Geleit des Senates, das dich zugleich vorantrieb wie auch festhielt.

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(2) Felices, qui te propius adspicerent, longius positi nominabant; quos praeterieras, loci quem occupaverant paenitebat. Vicissim omnes inde accedere, hinc sequi; certare innumerabilis multitudo et impulsu vario fluctuare; et tantum ibi hominum [animi] post illam sexennii cladem superesse mirabantur. (3) Ausi etiam quidam ut resisteres poscere et queri tam cito accessisse palatium et, cum ingressus esses, non solum oculis sequi sed paene etiam sacrum limen inrumpere. (4) Inde omnibus circumfusi viis, dum excederes, opperiri prospicere optare sperare, ut viderentur eum a quo obsidione liberati fuerant obsidere. (5) Gloriatus sit licet, et vere, summus orator humeris se Italiae in patriam reportatum: te, Constantine, senatus populusque Romanus et illo die et aliis, quacumque progressus es, et oculis ferre gestivit. (6) Nec quidquam aliud homines diebus munerum aeternorumque ludorum quam te ipsum spectare potuerunt, qui tuus esset fulgor oculorum, quae totius corporis circumfusa maiestas, quae oris dignitas. Gaudere cuncti spectaculorum mora et familiaribus sibi artificibus ob hoc solum favere quod te praesente certarent. 20 (1) Nam quid ego de tuis in curia sententiis atque actis loquar, quibus senatui auctoritatem pristinam reddidisti, salutem quam per te receperant non imputasti, memoriam eius in pectore tuo sempiternam fore spopondisti? (2) Dicerem plura de divinis orationibus tuis, de oblata potius quam impetrata benignitate, nisi mallem dicta reticere dum propero facta laudare. Quamlibet verba tua in senatu habita nobis ignota sint, tamen qualia fuerint clementiae tuae gloria nuntiavit. (3) O tandem felix civili, Roma, victoria! Inrupit olim te Cinna furiosus et Marius iratus, qui non solo se Octavi consulis capite satiarunt sed luminibus civitatis exstinctis exempla, quae nunc

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(2) Glücklich nannten die weiter entfernt Platzierten diejenigen, die dich aus größerer Nähe anschauen konnten; die, an denen du vorbeigezogen warst, reute der Platz, den sie eingenommen hatten; alle strömten im Wechsel – von der einen Seite, dir zu nahen, von der anderen, dir nachzufolgen; eine zahllose Menge kämpfte um die Wette und wogte in vielfachem Gedränge hin und her; und man wunderte sich, dass nach jenem sechs Jahre währenden Unheil noch so viele Menschen hier am Leben waren. (3) Einige waren sogar so kühn, zu verlangen, du sollest anhalten, und zu klagen, du habest den Palast schon so rasch erreicht, dann, als du hineingegangen warst, dir nicht nur mit den Augen zu folgen, sondern beinahe gar die heilige Schwelle zu stürmen. (4) Dann warteten sie, in alle Straßen ringsum verteilt, auf dein Erscheinen, hielten Ausschau, wünschten, hofften, so dass es den Anschein hatte, sie hielten denjenigen belagert, von dem sie von ihrer Belagerung befreit worden waren. (5) Mag sich der größte Redner (und zwar zu Recht) gerühmt haben, er sei auf den Schultern Italiens in sein Vaterland zurückgetragen worden: bei dir, Konstantin, hatten Senat und Volk an jenem Tag wie auch an anderen den Wunsch, dich überall dort, wo du dich in der Öffentlichkeit zeigtest, sogar mit ihren Augen umherzutragen. (6) Und nichts anderes vermochten die Menschen an jenen Tagen der Gladiatorenkämpfe und der unvergänglichen Spiele zu tun als dich in eigener Person zu betrachten: von welchem Glanz deine Augen erstrahlten, welche Hoheit über deine ganze Gestalt ausgegossen war, welche Würde deinem Antlitz zueigen war. Alle hatten ihre Freude an der Dauer der Schauspiele und zollten den ihnen vertrauten Akteuren allein aus dem Grund Beifall, weil sie ihren Wettstreit in deiner Gegenwart austrugen. 20 (1) Denn wozu soll ich von deinen Worten und Amtshandlungen in der Kurie sprechen? Durch sie hast du ja dem Senat sein altes Ansehen wiedergegeben; und dabei hast du die Rettung, die sie durch dich empfangen hatten, nicht dir als Verdienst angerechnet, und hast ferner feierlich versprochen, sein Andenken auf ewig in deinem Herzen zu tragen. (2) Ich würde weiteres von deinen göttlichen Reden kundtun, von deiner Güte, die ja vielmehr freiwillig dargeboten als durch Bitten erlangt war, wollte ich nicht lieber deine Worte unerwähnt lassen, während ich mich beeile, deine Taten zu preisen. Obgleich uns deine im Senat vorgetragenen Worte unbekannt sind, so hat doch der Ruhm deiner Milde die Kunde verbreitet, von welcher Art sie gewesen sind. (3) O Rom, endlich nun glücklich – wegen eines Sieges in einem Bürgerkrieg! Im Sturm genommen haben dich einst Cinna in seiner Raserei und Marius in seinem Zorn: sie waren nicht mit dem Haupt des Konsuls Octavius allein zufriedenzustellen, sondern sie hinterließen mit der Auslöschung der glänzendsten Häupter des Gemeinwesens Beispiele, wie du sie jetzt in dem

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toto sexennio passa es, reliquerunt. (4) Vicit iterum tibi ante portam Collinam Sulla, felix si se parcius vindicasset; etenim multis capitibus rostra complevit. Constantinus victoriae licentiam fine proelii terminavit; gladios ne in eorum quidem sanguinem distringi passus est quos ad supplicia poscebas. 21 (1) Deditam sibi idem Sulla exarmatamque legionem in villa publica trucidavit, perculsumque morientium gemitu senatum monuit ne timeret quod ipse iussisset. (2) At iste victor non modo hostium sed etiam victoriae suae, quidquid militum bello superfuit, tibi reservavit. Tibi enim iam militant quos exutos armis impiis adversus hostes barbaros rursus armavit. (3) Iam obliti deliciarum Circi maximi et Pompeiani theatri et nobilium lavacrorum Rheno Danubioque praetendunt, excubias agunt, latrocinia compescunt, certant denique cum victoribus ut civili bello victi hostibus comparentur. (4) Nec tamen id mirum videri potest, cum qualemcumque militem fortissimum facias tuo, imperator, exemplo. (5) Non enim fessus proeliis et expletus victoriis, ut Natura fert, otio te et quieti dedisti, sed eodem impetu quo redieras in Gallias tuas perrexisti ad inferiorem Germaniae limitem, magna scilicet intercapedine temporis ac brevi locorum distantia post annuam expeditionem statim bellum auspicatus a Tiberi ad Rhenum, immo (ut omen et similitudo nominis, sic et tua, imperator, magnitudo animi pollicetur) a Tusco Albula ad Germanicum Albam prolaturus imperium. 22 (1) Quisnam iste est tam continuus ardor? Quae divinitas perpetuo vigens motu? (2) Omnium rerum intervalla sunt: cessat terra novalibus, dicuntur interdum flumina resistere, sol ipse noctibus adquiescit. Tu, Constantine, solus infatigabilis bellis bella continuas, victorias victoriis cumulas. Quasi praeterita sint obliterata si

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gesamten Zeitraum von sechs Jahren erduldet hast. (4) Ein anderes Mal hat Sulla dir den Sieg vor der Porta Collina errungen – „der Glückliche“, hätte er in maßvollerer Weise Rache genommen: mit Massen von Häuptern nämlich hat er die Rostra überhäuft. Konstantin hat zugleich mit dem Abschluss des Kampfes auch der Willkür des Sieges ein Ende gesetzt: er hat es nicht einmal zugelassen, die Schwerter gegen das Blut derjenigen zu zücken, die du zur Hinrichtung eingefordert hast. 21 (1) Derselbe Sulla ließ die Legion, die sich ihm schon ergeben hatte und entwaffnet war, im Areal der Villa Publica niedermetzeln, und ermahnte den Senat, der von dem Stöhnen der Sterbenden erschüttert war, sich nicht vor seinem eigenen Befehl zu fürchten. (2) Doch dieser hier, Sieger nicht bloß über seine Feinde, sondern sogar über seinen eigenen Sieg, hat für dich alle Soldaten am Leben erhalten, die den Krieg überlebt hatten. Dir nämlich leisten ihren Kriegsdienst jetzt diejenigen, denen er ihre gottlosen Waffen hat wegnehmen lassen und die er dann gegen feindliche Barbaren von neuem mit Waffen ausgerüstet hat. (3) Schon haben sie die Vergnügungen des Circus Maximus, des Pompeius-Theaters und der berühmten Bäder vergessen, schon lagern sie an Rhein und Donau, stehen Wache, halten räuberische Banden im Zaum und liegen schließlich mit den einstigen Siegern im Wettstreit, sich, im Bürgerkrieg besiegt, jetzt mit den Feinden dort im Kampf zu messen. (4) Trotzdem kann das nicht erstaunlich erscheinen, da du durch dein eigenes Beispiel, Imperator, jeden beliebigen Soldaten zu einem außerordentlichen Helden machst. (5) Denn du hast dich nicht, erschöpft von deinen Schlachten und gesättigt von deinen Siegen, wie die Natur es mit sich bringt, der Muße und der Ruhe hingegeben, sondern bist mit demselben Elan, mit dem du in deine gallischen Länder zurückgekehrt warst, zur Grenzregion des unteren Germanien weitergezogen; du hast, natürlich mit ausgesprochen großer zeitlicher Unterbrechung und kurzer räumlicher Distanz, nach deinem einjährigen Feldzug sogleich einen Krieg begonnen, um das Reich vom Tiber zum Rhein, oder vielmehr (wie das Omen und die Namensähnlichkeit, so verspricht das auch deine hohe Gesinnung, Imperator) vom tuskischen Albula bis zum germanischen Alba weiter vorrücken zu lassen. 22 (1) Was ist dies denn nur für ein Eifer, so tätig ohne Unterlass? Was für eine Gottheit, lebendig wirkend in unendlicher Bewegung? (2) Bei allen Dingen gibt es doch Zwischenzeiten: das Erdreich ruht in den Zeiten der Brache, zuweilen halten, wie es heißt, die Flüsse inne in ihrem Lauf, die Sonne selbst ruht in den Nächten aus. Du, Konstantin, allein reihst unermüdlich Krieg an Krieg, häufst Sieg auf Sieg. Als ob Vergangenes, falls du eine Pause

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desinas, non putas te vicisse nisi vincas. (3) Ruperat fidem gens levis et lubrica barbarorum et, robore atque audacia lectis eruptionis auctoribus, institisse Rheno nuntiabantur. Ilico obvius adfuisti et praesentia tua, ne auderent transitum, terruisti. (4) Et iam videbaris rem votis tuis fecisse contrariam, quod inhibita eruptione non foret materia victoriae; (5) sed inopinato consilio usus abeundi, simulato enim nuntio maioris in superiore limite tumultus, occasionem stolidis ac feris mentibus obtulisti in nostra veniendi, relictis in occulto ducibus qui securos adorerentur. (6) Quo cum venissent, consilium tuum sequitur fortuna. Toto Rheni alveo oppleto navibus devectus terras eorum ac domos maestas lugentesque populatus es, tantamque cladem vastitatemque periurae genti intulisti ut post vix ullum nomen habitura sit. 23 (1) Ite nunc omnes, si placet, barbarae nationes et exitiales vobis movete conatus: habetis exemplum. (2) Quamvis enim imperator noster amicorum regum admittat obsequia idque ipsum valeat ad laudem victoriae quod a nobilissimis regibus timetur et colitur, augeri tamen gloriam virtutis suae gaudet quotiens provocatur. (3) Nam quid hoc triumpho pulchrius, quo caedibus hostium utitur etiam ad nostrum omnium voluptatem, et pompam munerum de reliquiis barbaricae cladis exaggerat? Tantam captivorum multitudinem bestiis obicit, ut ingrati et perfidi non minus doloris ex ludibrio sui quam ex ipsa morte patiantur. (4) Inde est quod, cum exitum differre liceat, perire festinant seseque letalibus vulneribus et mortibus offerunt. Ex quo ipso apparet quam magnum sit vicisse tam prodigos sui.

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machen solltest, aus der Erinnerung entschwunden sei, glaubst du, du habest nicht gesiegt, wenn du nicht siegst. (3) Ein leichtfertiger und wankelmütiger Barbarenstamm hatte seinen Treueid gebrochen, und es kam die Nachricht, sie hätten nach Stärke und nach Verwegenheit Anführer für den Vorstoß ausgewählt und jetzt Stellung am Rhein bezogen. Du bist ihnen unverzüglich entgegengetreten und hast sie durch deine Anwesenheit davon abgeschreckt, den Übergang zu wagen. (4) Und es hatte schon den Anschein, als habest du etwas vollbracht, was deinen eigenen Wünschen zuwiderlief, weil es durch die Verhinderung der Invasion ja keinen Gegenstand für einen Sieg mehr geben könne. (5) Doch mit deinem überraschenden Entschluss abzurücken (es wurde nämlich die Nachricht von einem größeren Aufruhr an der Grenze Obergermaniens fingiert), hast du den törichten und wilden Gemütern Gelegenheit gegeben, in unser Land zu gelangen; doch hattest du im Verborgenen Anführer zurückbehalten, die sie in ihrer Sorglosigkeit angreifen sollten. (6) Als sie nun dort angelangt waren, folgte das Glück deinem Plan: da das ganze Flussbett des Rheins voller Schiffe war, fuhrst du mit ihnen stromabwärts, verwüstetest ihre Länder und Behausungen, die von Trauer und Klage erfüllt waren, und richtetest unter dem eidbrüchigen Stamm eine so gewaltige Niederlage und Verwüstung an, dass er in Zukunft kaum überhaupt noch einen Namen tragen wird. 23 (1) Geht nun alle hin, ihr Barbarenvölker, wenn es euch gefällt, und setzt Unternehmungen ins Werk, die euch den Untergang bringen werden: ein Beispiel dafür habt ihr ja. (2) Denn obgleich unser Imperator Gehorsamsbekundungen befreundeter Könige gestattet und eben dies zu seinem Siegesruhm beiträgt, dass er von vornehmsten Königen gefürchtet und geehrt wird, so findet er doch jedes Mal, wenn man ihn herausfordert, Gefallen daran, dass der Ruhm seiner Tapferkeit sich vergrößert. (3) Denn was gibt es Schöneres als einen derartigen Triumph, bei dem er das Gemetzel an den Feinden sogar zu unser aller Vergnügen dienen lässt, den Prunk der Spiele noch vergrößert mit denjenigen, welche die Niederlage der Barbaren überlebt haben? Den wilden Tieren lässt er eine so gewaltige Menge an Gefangenen vorwerfen, dass die Undankbaren und Treulosen ebenso sehr unter der Verhöhnung ihres Schmerzes leiden wie unter ihrem Tod selbst. (4) Daher kommt es, dass sie trotz der Möglichkeit, das Ende noch hinauszuschieben, ihren Untergang beschleunigen und sich tödlicher Verwundung und vielfältigem Tod selbst anbieten. Eben von daher wird sichtbar, wie bedeutend der Sieg über Menschen ist, die so verschwenderisch mit ihrem eigenen Leben umgehen.

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Panegyricus Latinus XII/IX

24 (1) Facile est vincere timidos et imbelles, quales amoena Graeciae et deliciae Orientis educunt, vix leve pallium et sericos sinus vitando sole tolerantes et, si quando in periculum venerint, libertatis immemores, ut servire liceat orantes. (2) Romanum vero militem, quem qualemque ordinat disciplina et sacramenti religio confirmat, aut trucem Francum ferina sola carne distentum, qui vitam pro victus sui vilitate contemnat, quantae molis sit superare vel capere! Quod tu, imperator, et nuper in Italia et in ipso conspectu barbariae paulo ante fecisti. (3) Ita sine ullo discrimine omnia genera bellorum armorum hostium uni tibi cedunt, cedunt ex omni etiam memoria condita litteris monimenta virtutum. (4) Nec vero tantummodo vetera illa dictatorum et consulum ac deinceps magnorum principum, sed etiam recentissima et pulcherrima divi patris tui facta superasti (sordet enim alios ex proximo tempore comparare); ipsum, inquam, divum Constantium iam primis imperii tui lustris rerum gestarum laude cumulasti. 25 (1) Invitus hoc forte accipis, imperator, sed ille dum dicimus gaudet e caelo, et iam pridem vocatus ad sidera adhuc crescit in filio et gloriarum tuarum gradibus adscendit. (2) Purgavit ille Bataviam advena hoste depulso, tibi se ex ultima barbaria indigenae populi dedidere. Ille Oceanum classe transmisit, tu et Alpes gradu et classibus portus Italicos occupasti. Recuperavit ille Britanniam, tu nobilissimas Africi maris insulas, quae populi Romani fuere provinciae. (3) Ignoscat, inquam, divus ipse Constantius: quid habeo quod comparem Italiae Africae Romae? (4) Merito igitur tibi, Constantine, et nuper senatus signum dei et paulo ante Italia scutum et coronam, cuncta aurea, dedicarunt, ut conscientiae debitum aliqua ex parte relevarent. Debetur enim et saepe

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24 (1) Leicht ist es, einen Sieg zu erringen über furchtsame und unkriegerische Menschen, wie sie die lieblichen Gefilde Griechenlands und die Üppigkeit des Orients hervorbringen, die, um sich vor der Sonne zu schützen, kaum einen leichten Überwurf und seidene Gewänder ertragen und, sind sie einmal in Gefahr geraten, die Freiheit vergessen und um die Erlaubnis bitten, Sklavendienst leisten zu dürfen. (2) Was aber den römischen Soldaten angeht, wie ihn und mit welchen Eigenschaften die Heereszucht ihn in ein festes Reglement stellt und die heilige Verpflichtung des Fahneneids ihn in seiner Gesinnung stärkt, oder den trutzigen Franken, der, vollgestopft allein mit dem Fleisch wilder Tiere, der Dürftigkeit seiner eigenen Lebensweise entsprechend, dem Leben nur geringen Wert beimisst: welch gewaltige Aufgabe mag es sein, über solche Männer den Sieg zu erringen oder sie zu Gefangenen zu machen? Das hast du, Imperator, unlängst in Italien wie auch kurz zuvor direkt unter den Augen der Barbarenwelt vollbracht. (3) So treten ohne jeden Unterschied sämtliche Arten von Krieg, Waffen und Feinden einzig vor dir zurück, und vor dir treten sogar die Denkmäler der Tapferkeit zurück, wie sie, aus dem Gedächtnis aller Zeit, schriftlich bewahrt sind. (4) Doch hast du nicht nur jene einstigen Taten von Diktatoren, Konsuln und dann die der großen Herrscher, sondern sogar die ganz nahe zurückliegenden und schönsten Taten deines vergöttlichten Vaters übertroffen (verächtlich wäre es, andere Personen aus jüngster Zeit zum Vergleich heranzuziehen): sogar den vergöttlichten Constantius, ich wiederhole es, hast du schon in den ersten Jahren deiner Herrschaft mit dem Ruhm deiner Taten überhäuft. 25 (1) Vielleicht vernimmst du das nicht gern, Imperator, doch findet jener, während wir hier sprechen, vom Himmel her(schauend) seine Freude daran und wächst, schon lange zu den Sternen berufen, noch jetzt in seinem Sohn, und auf den Stufen deiner Ruhmestaten steigt er weiter noch empor. (2) Er hat das Bataverland durch die Vertreibung eines dort als Fremdling eingedrungenen Feindes gesäubert; dir haben sich die angestammten Völker aus dem entferntesten Barbarenland ergeben. Er hat den Ozean mit seiner Flotte überquert; du hast zu Fuß die Alpen und mit deinen Flottenkontingenten Italiens Häfen in Besitz genommen. Er hat Britannien zurückgewonnen, du die berühmtesten Inseln des afrikanischen Meeres, die Provinzen des römischen Volkes gewesen sind. (3) Möge mir der vergöttlichte Constantius selbst, so sage ich, Verzeihung gewähren. Was habe ich, es zu vergleichen mit Italien, Afrika und Rom? (4) Ganz nach Verdienst hat also unlängst der Senat dir, Konstantin, ein Götterbild geweiht, wie kurz zuvor auch Italien einen Schild und Kranz, alles aus Gold gefertigt, um die Dankesschuld ihres Gewissens doch zu einem gewissen Teil abzutragen. Man schuldet ja – und wird es noch

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Panegyricus Latinus XII/IX

debebitur et divinitati simulacrum et virtuti scutum et corona pietati. 26 (1) Quamobrem te, summe rerum sator, cuius tot nomina sunt quot gentium linguas esse voluisti (quem enim te ipse dici velis, scire non possumus), sive tute quaedam vis mensque divina es, quae toto infusa mundo omnibus miscearis elementis, et sine ullo extrinsecus accedente vigoris impulsu per te ipse movearis, sive aliqua supra omne caelum potestas es quae hoc opus tuum ex altiore Naturae arce despicias: te, inquam, oramus et quaesumus ut hunc in omnia saecula principem serves. (2) Parum est enim optare tantae virtuti tantaeque pietati quem longissimum habet vita processum. (3) Et certe summa in te bonitas est potestas, et ideo quae iusta sunt velle debes, nec abnuendi est causa cum possis; nam si est aliquid quod a te bene meritis denegetur, aut potestas cessavit aut bonitas. (4) Fac igitur ut, quod optimum humano generi dedisti, permaneat aeternum, omnesque Constantinus in terris degat aetates. (5) Quamvis enim, imperator invicte, iam divina suboles tua ad rei publicae vota successerit et adhuc speretur futura numerosior, illa tamen erit vere beata posteritas ut, cum liberos tuos gubernaculis orbis admoveris, tu sis omnium maximus imperator.

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oft schuldig sein – der Gottheit ein Bildnis, der Tapferkeit einen Schild und einen Kranz der pflichtgetreuen Liebe. 26 (1) Dich also, höchster Schöpfer der Welt, dessen Namen so zahlreich sind wie nach deinem Willen die Sprachen der Völker (denn wie dein eigner Wille ist, dass man dich nenne, können wir nicht wissen), sei es dass du eine göttliche Kraft und ein göttlicher Geist bist, der du dich in die gesamte Welt ergießt und dich mit allen Elementen vermischst und dich ohne jeglichen von außen hinzutretenden Anstoß einer Kraft durch dich selbst bewegst, sei es dass du als eine Macht über allem Himmel thronst, die du auf dein Werk hier von einem noch höher gelegenen Gipfelpunkt der Natur herabschaust: dich, sage ich, bitten wir und flehen dich an, dass du diesen Herrscher für alle Zeitalter erhältst. (2) Es ist ja zuwenig, für so große Tapferkeit und so große Liebe den Wunsch nach einer Fortdauer auszusprechen, wie sie ein Menschenleben in seiner größten Ausdehnung haben kann. (3) Und gewiss sind Güte und Macht in dir von höchster Vollkommenheit: und also muss das, was gerecht ist, Gegenstand deines Wollens sein, und es gibt keinen Grund, es zu verwehren, da du es ja zu tun vermagst. Denn wenn es etwas gibt, was du den Wohlverdienten versagst, hat sich entweder deine Macht oder deine Güte eine Weile der Ruhe hingegeben. (4) Bewirke also, dass dasjenige, was du als höchstes Gut dem menschlichen Geschlecht verliehen hast, in alle Ewigkeit besteht und Konstantin alle Zeiten auf Erden weilt. (5) Denn obgleich, unbesiegbarer Imperator, ein göttlicher Spross von dir bereits entsprechend den Wünschen des Staates in deine Nachfolge geboren ist und man in Zukunft noch zahlreichere Nachkommenschaft erhofft, wird doch jene Nachwelt erst wahrhaft glücklich sein, wenn du, nachdem du deine Kinder zur Lenkung des Erdkreises hingeführt hast, der größte Imperator von allen bist.

Anmerkungen Die Anmerkungen beschränken sich auf eine erste Information zu Eigennamen, Exempla oder Realien. Eine historische Übersicht über die Jahre 289–389 befindet sich in Band II. Für die Details ist der unverzichtbare Kommentar von Nixon/Saylor Rodgers 1994 (= N/SR) sowie die im Anhang zu Band II angeführte Fachliteratur als Basis und Anregung zu weitergehender Lektüre zu empfehlen. – Im Anmerkungsteil werden die Panegyrici verkürzt zitiert: Pan. Lat. X/II (a. 289) 1,1 = X 1,1.

Zwei Reden an Maximianus Herculius Die ersten beiden Reden (X/II, XI/III) sind an Maximianus Herculius gerichtet und gehören in die Anfangsphase der diokletianischen Reichserneuerung, das heißt in die Zeit der Dyarchie (Zweierherrschaft). Maximian, vom Augustus Diokletian seit Herbst 285 als Caesar, im folgenden Jahr als zweiter Augustus im Westen eingesetzt, hat die Aufgabe der Wiederherstellung der Ordnung im Innern und an den Grenzen des Reichs, primär im Nordwesten, in den gallischen und germanischen Provinzen. Die Herrscher nehmen göttliche Cognomina an: Diokletian nennt sich Iovius, Maximian Herculius. Tenor der Reden sind Lob und Appell: Die Lösung der Fülle kaiserlicher Aufgaben erfolgt jetzt in nuanciert brüderlicher Harmonie und effizienter Arbeitsteilung; Krisen und Bedrohungen des Reiches finden ihr Ende, Frieden und Sicherheit ermöglichen Wiederaufbau und Wohlstand.

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Anmerkungen

Zum Panegyricus des Jahres 289 (X/II) Zu Redeort (Trier) und Datierung (289) s. N/SR 42f. Redeanlass ist die Geburtstagsfeier der Stadt Rom am 21. April. Bezogen auf den Adressaten der Rede Maximian rückt dazu ein älterer, herkulischer Gründungstag Roms in den Vordergrund. Die Kriegsleistungen des Herculius und der Segen imperialer Herrschaftsteilung mit Diokletian sind gedeutet in den Koordinaten der Jupiter-Herkules-Ideologie und gewürdigt als Folge neidloser Eintracht und brüderlicher Wesensähnlichkeit, die menschliche Blutsverwandtschaft übertrifft. Folie für diese Ideologie sind „historische“ Zwillingspaare wie etwa die Herakliden in Sparta oder Romulus und Remus in Rom. 1–3

Einleitung: „Geburtstage“ Roms; Herkules-Maximian; Thema: Tatenlob Maximians 4–12 Hauptteil: – Bagauden, Germanenzüge, Transrhenanien; Maximian und Diokletian – Idealharmonie: Ebenbürtigkeit und Arbeitsteilung der Herrscher; Größe des Imperiums – bisherige und künftige Erfolge (Piraten) 13–14 Schluss: Roma felix – et Iovia et Herculia: Segen brüderlicher Herrschaft Zukunftshoffnungen (Besuche in Rom und Provinz, Erbfolge) 1.1 Geburtstag Roms: Romulus hat das Hirtenfest Parilia zu Ehren der Pales im Frühling ausgewählt, um mit dem Pflug die Grenzlinie des pomerium (13,2) für die neue Stadt zu ziehen (Fest und Mythos: Ovid, fast. 4,721–862; Cicero, div. 2,98). – Heilige Stadt: Kultehren und Feste der Theá Rhóme gab es in der griechischen Welt seit dem 2. Jh. v. Chr. Seit dem Baubeginn des gewaltigen Venus-et-Roma-Tempels unter Hadrian im Jahr 121 wurde der Gründungstag Roms unter dem Namen Natalis Urbis bzw. Rhomaia gefeiert. Vgl. das Lob der Dea Roma und Königin der Welt im rombegeisterten Reisegedicht des Galliers Rutilius Namatianus (frühes 5. Jh.; 1,47ff.). – Zur Heiligkeit/Göttlichkeit des Kaisers s. Rodgers 1986, 69ff. 1.2f. Der Mons Palatinus (Palatium), ältester bewohnter Teil Roms, wurde seit Augustus mit zunehmend prächtigeren Wohn- und Repräsentationsbauten, den ‚Palästen’ der Kaiser, bebaut. – Der arkadische Heros Euander wandert nach Italien aus, wirkt dort als Kulturbringer und gilt als Gründer der ersten Siedlung auf dem Palatin, dem Pallanteum. Er nimmt Herkules auf: Dieser hat den am Aventin hausenden, menschenfressenden Cacus getötet, der ihm die Rinder des Geryon geraubt hatte. Das Fest (12. 8.) ist

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begründet von Euander und Herakles, gefeiert an der Ara Maxima (am Forum Boarium, dem Zentrum der Mythen und Kulte des Herkules in Rom). – Die patrizischen Pinarii übten (mit den Potitii) einen Herkules-Kult an der Ara Maxima aus, der ab 312 v. Chr. Staatskult war. – Ursprung und Ritus schildert eindrucksvoll Vergil in seiner Aeneis (8,190–305). 1.5 Panegyrische Formeln wie conditor(es) / restitutor(es) imperii Romani (orbis u. a.) propagieren in Inschriften, Münzen und literarischen Quellen Hoffnung oder frohen Dank für neues Leben nach Krieg und allgemeinem Niedergang. 2.1 Herakles hat auf der Insel Erytheia im Westen die Rinder des dreiköpfigen Geryon geraubt und den Riesen getötet; der Weg zurück führt über Spanien und Südfrankreich zunächst ins Land der Etrusker (Tyrrhenoi). – Das Ungeheuer des Westens für den Herkulier Maximian, den hilfreich gegenwärtigen Gott, ist der Menapier Carausius, früherer Flottenbefehlshaber in Diensten Roms, seit 286 zum Usurpator Britanniens und gallischer Küstenregionen ‚avanciert’ (endgültig besiegt erst 293). – „hier“: Residenzstadt Trier. 2.2 Pannonien, seit Mitte des 1. Jhs. strategisch wichtige Grenzprovinz (ab Ostalpen-Donau-Drau-Save), steht als Chiffre für (wilde) Tapferkeit; Heimat mehrerer Kaiser: Maximian und Probus (276–282) stammen aus Sirmium, aus der Nähe Decius (249–251). 2.4f. Das Waffengeklirr der Kureten in der Dikte-Höhle (Kreta) muss das Kindergeschrei des kleinen Zeus übertönen, um Kronos abzulenken und davon abzuhalten, auch dieses Kind aus Furcht vor seiner Entmachtung zu verschlingen (Apollodor 1,5). 2.6 (H)Ister/Istros – (ursprünglich thrakische) Bezeichnung der Griechen für die (untere) Donau, in Rom dann ebenso für den Gesamtlauf des Danuvius (kelt./lat.) verwendet. 3.2 Der göttliche Lichtglanz als eines der Ehrenzeichen der Herrschaft ist wohl der goldene Lorbeerkranz. 4.2f. Die Erdgeborenen sind die Giganten, Kinder von Gaia und Uranos (Blutstropfen), schlangenschwanzfüßige Mischwesen, die den Olymp zu stürmen drohten; analog dazu hier die gallischen Mischwesen, die Bagauden, halb Bauern und Hirten, halb Krieger und Aufrührer, deren wirtschaftlich und sozial motivierte Aufstandsbewegung 285/86 durch den Herculius Maximian niedergeschlagen wurde. Zu Bagauden (3.–5. Jh.) s. Demandt 2007, 370f. 4.4 Militärische Siege bei reichsinternen Konflikten werden traditionell nicht triumphal gefeiert. – Der Gigantenkampf ist seit dem 5. Jh. v. Chr. auch Chiffre für Barbarensiege in der Kunst (Perser, Gallier; Pergamon-

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Anmerkungen

altar; vgl. die Jupiter-Giganten-Säulen in den Germaniae und der Belgica, besonders im 2./3. Jh. n. Chr.). 5.1 Hier wird, wie oft in diesen Reden, auf großangelegte Germanenzüge und -invasionen (Suche nach neuen Wohngebieten) hingewiesen: Die Burgunder, ein ostgermanischer Stamm (Hinterpommern), dringen über Weichsel und Oder nach Südwesten vor, werden um 280 mit den Vandalen von Probus besiegt, sind im Maingebiet ansässig. – Die Alamannen, ein suebischer Westgermanenverband an der mittleren Elbe, stoßen über die Reichsgrenze seit 233/4 vor, brechen um 260 über die Alpes nach Arelate und Italien durch, besetzen das Dekumatland (Rhein-Neckar-obere Donau) und West-Rätien, die römische Grenzlinie wird an Rhein und Donau zurückverlegt. – Die Chaibonen sind nur hier und in XI 7,2 genannt. – Die Heruler (Eruler), ein ostgermanischer Stamm, teilen sich: Die WestHeruler ziehen zum Niederrhein und unternehmen Raubzüge bis Gallien und Spanien, die östliche Gruppe greift in besonders verheerenden Zügen (267) über Asowsches/Schwarzes Meer, Athen und Peloponnes aus. 6.2ff. 1. 1. 287 Germanenüberfall: Trier (Mainz, Köln ?) 6.4 Die purpurverbrämte Toga war Konsulstracht der Republik: Der Kaiser trug als Consul jetzt die goldbestickte Purpurtoga, die identisch war mit dem Triumphalgewand. 7 Germanen-Kampagnen 287/288. Transrhenanische Propaganda §7; s. auch Caesar, b.G.4,16). 7.5 Zum Status des Zweistromlandes nach dem Zug des Carus 283 und einem persischen Arrangement (sponte) mit Diokletian s. N/SR 64f. 8.1 P. Cornelius Scipio der Ältere leitete die Invasion von Sizilien nach Utica bei Karthago (204) und führte mit der Schlacht von Zama (202) das Ende des Zweiten Punischen Kriegs herbei (Polybios 15,5–16; Livius 30,29ff.). 9.1 Raetien: Provinz seit dem 1. Jh., umfasst das Gebiet vom Alpenraum bis zur Donau, mehrfach erweitert; im 3. Jh. zunehmend unter Germanendruck. Treffen der Herrscher wohl 288 in Pannonien: Anreise von Persien und Germanien her (Donaugrenze, Carausiusfrage). 9.4f. Eurysthenes und Prokles, Urururenkel des Herakles, gelten als erste Doppelkönige in Sparta und Stammväter der beiden Königshäuser dort (später verfeindet! Vgl. Herodot 6,52). 10.3 Alexander gibt Poros, dem 326 v. Chr. am Hydaspes besiegten Inderkönig im Pandschab, aus Bewunderung für dessen virtus sein Reich zurück; dieser bleibt ihm stets treuer Vasall. – Gennoboudes ist römischer Klientelherrscher der Franken, um 288; s. XI 5,4.

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10.6 Sogar der Perser-(Sasaniden-)König Bahram II. vollzieht vor Diokletian die sonst ihm selbst zustehende Proskynese. Der orientalische Gestus hat sich über lange Zeit in verschiedenen Formen in Rom eingebürgert; zur adoratio purpurae des Kaisers vgl. XI 11,1ff., V 1,3. 9,4. 11.3 Dichter: z. B. Hesiod, op.225ff. Fülle an Ernte und Vieh für Gerechte; 171ff. dreifache Ernte für Gerechte der Inseln der Seligen; Homer, Od.19,109ff. Segensfülle für gerechten Herrscher. 11.4f. Meist wird Constantius (Caesar seit 293) in Betracht gezogen: eventuell war der erfahrene Militär praefectus praetorio und 289 schon Schwiegersohn Maximians (Stieftochter Theodora); dazu N/SR 70f.; Demandt 2007,60. 11.5–7 Der lateinische Text Ende §6 ist unsicher; der Kontext erfordert etwa folgenden Sinn: An der Spitze der Befehlskette stehen ein Götter-, analog ein Kaiserpaar; nachgeordnete Gottheiten bzw. Menschen führen die Befehle aus; die Leistung ist den Befehlsgebern anzurechnen. Erfolge der Soldaten gehen also auf das Konto der Kaiser (und der Ozeansieg ist schon vorweggenommen!). 12.1 Der angeblich schon chancenlose Pirat ist – wie immer ungenannt – Carausius. 12.6 Der Fluss hier ist die Mosel (Trier). Liburnerschiffe: schnelle und leichte zweireihige Kriegsschiffe der Römer (ursprünglich dalmatinische Piratenschiffe!). 13.1ff. Gratulation an Rom zum größeren Glück der Gegenwart: Kontrast vom Namensstreit der Gründerzwillinge mit den bekannten Folgen (Livius 1,6f.; Cicero, div.1,107f.) zu heute: ein (göttlicher) CognomenDoppelname nach beiden Erneuerern der Stadt ist möglich; Iovia und Herculia hießen z. B. die langen Porticus des Pompeiustheaters. 13.2 Pomerium: ehrwürdige, offizielle Stadtgrenze Roms (und der coloniae), ritu Etrusco festgelegt mit der ersten Furchenziehung durch Romulus auf dem Palatin; später auch weiter ausgedehnt; politisch wichtig als Grenze zwischen imperium domi und imperium militiae. – Kaiserbesuch: Visualisierung des traditionellen Zeremoniells und der concordia in symbolträchtigen, politisch und menschlich bedeutsamen Szenen in Rom. Besuche beider in Rom sind in Wirklichkeit selten (sicher 303: gemeinsame Vicennalienfeier, 20 Jahre). 13.4 Dem Iuppiter Optimus Maximus Capitolinus galten traditionell erster Besuch und Dankopfer des Herrschers bei seinem offiziellen Einzug in Rom, im eigentlichen Triumphzug oder beim Adventus, in feierlicher Angleichung des Zeremoniells. – Die Beinamen (I.) Stator (bringt die Feinde zum Stehen / lässt die Römer standhalten) und (H.) Victor gelten schon im

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Anmerkungen

3./2. Jh. v. Chr. diversen Siegen (Italien, Hellas, Afrika) und deren Gedenkbauten in Rom. 13.5 Gemeint ist M. Octavius Herrenus (Ende 2. Jh. v. Chr.): als frommer Kaufmann hat er Herkules den Zehnten des Ertrags geweiht; ferner weiht er nach einem sehr tapferen Piratenabwehrkampf in Rom einen Herkulestempel mit Standbild und Victor-Inschrift, zum Gedenken an dessen alte und neue Verdienste, den Rundtempel südlich des Portunus-Tempels am Tiberufer, vor der Porta Trigemina (Macrobius, sat.3,6,10f.). – Victor (Sieger) wie auch Invictus (Unbesiegter und Unbesiegbarer Gott) sind häufige Beinamen von Jupiter und Herkules und betonen Aspekte ihrer zentralen, in Krisenzeiten des Staates elementar wichtigen göttlichen Siegeskraft. 14.1 Der Sohn von Maximian (und Eutropia) ist Maxentius (geb. wohl um 280). Der Redner, vielleicht selbst einen solchen Lehrerposten erhoffend, präsentiert den leiblichen Sohn ganz selbstverständlich als göttlichen, unsterblichen Spross des Herrschers – tetrarchische Nachfolgeregelungen sind hier noch nicht im Blick. 14.2 Traditionell gerühmte virtus-Exempla republikanischer Familien: M. Furius Camillus ist der legendäre „Zweite Romulus, pater patriae, conditor“, der 396 v. Chr. Veji erobert und 390 Rom nach dem Galliersturm unter Brennus verteidigt; die Fabii Maximi sind eine weitverzweigte Patrizierfamilie mit diversen berühmten Vertretern, darunter Fabius Maximus Cunctator (2. Punischer Krieg); M’. Curius Dentatus siegte über Samniten, Sabiner, Senonen und (275) Pyrrhus; berühmteste Catones sind M. Porcius Cato (Censorius 184 v. Chr., 2. Punischer Krieg) und sein gleichnamiger Urenkel (Uticensis, † 46 v. Chr.).

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Zum Panegyricus des Jahres 291 (XI/III) Zu Redeort (Trier) und Datierung (291) s. N/SR 76ff. Diese Geburtstagsrede für Maximian ist zugleich ein Glückwunsch für fünf Jahre gelungenen Zweier-Regiments; das Zusammenwirken von Ebenbürtigen unter den Leitmotiven pietas/felicitas in völliger Harmonie bildet gedanklich den Hauptteil. Göttliche Mitgift und Patronage von Geburt an sind die Basis hervorragender Herrschertaten. Die Propagierung der Dyarchie des Iovius und Herculius wird fortgeführt: der Segen einer gleichberechtigten, von gegenseitigem Respekt getragenen Herrschersymbiose für das gesamte Imperium wird militärisch, innenpolitisch, privat sichtbar gemacht; ihre Wirksamkeit entfaltet sich in Analogie zur jovisch-herkulischen Lenkung des Kosmos. – Zum üblichen Redetypus Genethliakos s. Menander, rhet.412f. 1–5

Einleitung: Der Redner; Rolle der Geburt; Vater-Götter; Vita, bisherige Kriegstaten 6–18 Hauptteil: Innenansicht des Reichs, Herrscherharmonie a. pietas (Treffen von Mailand); b. felicitas : intern – Kontakt, Gedeihen; extern – Furcht, Selbstvernichtung der Feinde (13ff.) 19 Schluss: Vorzug der angeborenen Tugenden vor denen der Praxis und des Lernens. 1.1 Der Geburtstag: geminus oder genuinus (natalis) (1,1; 2,2; 19,1.3): die gute Handschrift Harleianus H und 2 weitere von 7 der bedeutenderen Manuskripte haben die (hier gewählte) Lesart genuinus, betont als Tag der leiblichen Geburt (etwa gegenüber einem natalis/dies imperii, Geburts-Tag des Herrschaftsantritts). – Die Lesart geminus als Doppelgeburtstag hat viele kontrovers diskutierte Deutungsvorschläge hervorgebracht; dazu (mit Forschungsüberblick) Kolb 1987,52–67 und N/SR 77f.,81. – Quinquennalien sind Fünfjahresfeiern: Jedes 5. Regierungsjahr wird mit besonderen Festlichkeiten begangen. 1.3 Vorschau auf die Decennalien (10 J.): Lustrum ist ein Zeitraum periodischer Wiederkehr, hier von 5 Jahren; s. zu V 13,1). – Vgl. etwa Feiern zu den Quinquennalien der Konstantinsöhne (321, Rede des Nazarius), zu den Vicennalien Diokletians mit Maximian (20 J., 303, Rom) und den Tricennalien Konstantins (30 J., 336, Rede des Eusebius). – Name und Identität des Trierer Redners von X (289), Mamertinus, und XI (291), wie sie die Bezeichnungen in den Handschriften zu ergeben scheinen, sind (mit open end) erörtert bei N/SR 9f.,41f.,87f. und Rees 2002,193–204 (mit Tabellen):

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Anmerkungen

bei Skepsis gegen eine Übereinstimmung der Rednerperson ist jedenfalls von deutlicher Kenntnis der Rede X in Rede XI und/oder Bekanntschaft beider Redner auszugehen . – Der Passus wirft ein interessantes Schlaglicht auf die Produktions- und Verwertungspraxis der Reden. 2 Die Geburt gilt als Beginn göttlich verliehener Herrscher- und Menschentugend, der Herrschaftsantritt ist das Debüt für die Öffentlichkeit; die Eltern sind von unbedeutender Herkunft, bleiben also ungenannt und gehören festrhetorisch zur Rubrik „Kaschieren“ (Menander, rhet.370,30ff.). 2.3 numina hier: die göttlichen Wirkungskräfte der Kaiser oder ihre Gottheiten 2.4 Wintersonnenwende des Jahres 290; zu den Reiserouten über die Alpen s. 9,3 3.2f. Oberster Begründer und Vater/parens ist Jupiter §2; Jupiter und der Jupitersohn Herkules sind die Väter/parentes §3. – Zum Motiv der unaufhörlichen Bewegung als Merkmal des Göttlichen: Seneca, cons. ad Helv. 6,7f. (zur Unsterblichkeit des sich selbst Bewegenden vgl. grundsätzlich Platon, Phdr.245c, Cicero, rep.6,27). 3.4 Die Etablierung der Zeusherrschaft erforderte die Besiegung urweltlicher Mächte wie Titanen (Hesiod, Theog.617ff.), (biformer) Giganten (Apollodor 1,34ff.; s. X 4,3) und Einzel-monstra (Typhon, Hesiod, Theog.820ff.). – Zur Unermüdlichkeit vgl. den stoischen deus laboriosissimus als Lenker des Kosmos (Cicero, nat.deor.1,52) sowie §8f. 3.5 Die schwierige Bahn des Sonnenwagens am unaufhörlich wirbelnden, die Sterne in der Höhe mitreißenden Himmel beschreibt Ovid, met.2,70–73; zu Rasanz und Schwung der Himmelsbewegung vgl. Cicero, nat.deor.2,97, zu den Himmelskugelschalen rep.6,15.17f. 3.6f. Tatenassoziationen: an Tierabenteuer, an Frevler wie den Thraker Diomedes, den Ägypter Busiris, an die stymphalischen Vögel, den Hadeshund Kerberos; berühmt ist die Darstellung Ovids zum Ende des Herkules (met.9): Scheiterhaufen-Rede, Apotheose (als Metamorphose mit Wesenserhalt, 269f.), Entführung mit Jupiters Quadriga in den Olymp. – Motive wie Adoption und Heirat (mit der „Jugend“, Iuventa(s)/Hebe, der Tochter der Iuno/Hera) sowie unermüdlicher Tatenbeistand bieten Analogien zum Kaisertum. 3.7 Als „Geburt der Unsterblichkeit“ des Herkules wird die Aufnahme des Jupitersohns unter die Götter gefeiert (sein Sterbliches hat das Feuer verzehrt). – Agone: H. gilt als Stifter der ersten Olympiade mit ihren Spielen sowie des Heiligen Hains für seinen Vater (Pindar, O.10,45ff.). – Zur Frage des aktuellen Festes in Trier s. Kolb 1987,60ff.

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3.8f. Heimatprovinzen: Diokletian stammt aus Dalmatien, Maximian aus Pannonien; vgl. X 2,2ff. – Frauenvirtus als Element der Überbietungsrhetorik: das traditionelle Tugendspektrum der Römerin heißt häuslich, züchtig, sparsam, fromm (ILS 8402); militärisch aktiv und effizient eingreifende Einzelfälle (Fulvia, die Agrippinen) werden eher beargwöhnt als bewundert; Amazonen sind das älteste (Barbaren-)Beispiel für Tapferkeit und Kampfkraft. 4.2 Aufenthalte Diokletians in Syrien: Februar – Ende Mai 290; in Sirmium, Pannonien: 17.7.–18.12. (s. Barnes, NE, 51f.). – Hercules Monoecus: h. Monaco; Gründung durch Herkules auf der Rückkehr vom GeryonAbenteuer (Vergil, Aen.6,830); arx Monoeci bezeichnet ein Kap/Vorgebirge der Seealpen, westlich der ligurischen Küste; dazu gehörte der portus Herculis mit Tempel. – ‚mitten in Italien’: gemeint ist das Treffen von Mailand: c.11f. 4.3 Kollektive Triumphfeiern beider Augusti (Eutrop 9,27,2) finden erst 303 in Rom statt. 5.3f. Bezug auf Ereignisse z. T. wie in X. Der Redner schaltet frei mit Begriff (Tyrannei) und Fakten: Carinus, älterer Sohn des Carus, offiziell Augustus seit 283, siegt im Juli 285 in Moesien über Diokletian, wird aber verraten und ermordet; zur Taktik des Redners s. N/SR 88. – Provinzen: zum Bagaudenerfolg des Maximian in den Galliae s. X 4,3. – Anlässe für Siegesfeiern: z.B. X 5,2; 6,2ff. – Erfolge in Germanien rechts des Rheins: X 7,2–8,6. 5.4 Zu Raetien s. X 9,1 – Kampagnen 289/290 (nach X): Sarmaten (urspr. iran. Reitervolk): aktuell an der Donaugrenze aktiv; Sarazenen (arab. Beduinen): Einfall nach Syrien (Ammian 14,4); Frankenkönig: Gennoboudes, s. X 10,3–5; Parther-Gaben s. X 9,2;10,6f. 6 pietas – felicitas: praktizierte pietas schafft Glück und gutes Gelingen als Verdienst (Fazit: c.18,5;19,6): das i.e.S. pflichtgemäße, angemessene Verhalten gilt Göttern (Frömmigkeit), Menschen, bes. Familie, Eltern, Freunden (Liebe, Ergebenheit, Anhänglichkeit) und Staat (Loyalität). pius felix ist (seit Commodus) Bestandteil kaiserlicher Standardtitulatur und im Katalog der Herrschertugenden enthalten (PF auf Münzen; Inschriften). 6.4 Rhetorisch zugespitzte Antithese zweier Seelenklassen. Die sterbliche Einzelseele hat, so die Stoa, je nach Lebensführung, nach ihrer Trennung vom Körper noch eine unterschiedliche Fortdauer (Grenze ist der Weltenbrand); Platon gilt demgegenüber als Gewährsmann für die Unsterblichkeit der Seele (Phaidros). Vgl. noch Cicero, rep.6,25ff. mit N/SR 91. 7.1f. Zu den Triumphen Diokletians s. o. c.5, zu den Erfolgen Maximians s. X 5; 7; 10,4f.

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Anmerkungen

7.6 Real besteht kaum eine Altersdifferenz zwischen ihnen; zum Sprichwort vgl. Platon, Phdr.240c, Cicero, sen.3,7. 8 Topos Schnelligkeit: (positive) Fama ebenso in VII 1,3; IV 32,4; Reisewagen: vgl. VI 7,5 Konstantins Reise zum Vater mit einem divinum curriculum. – Sol fährt auf einer Quadriga (Ovid, met.2,153f.), Luna und Aurora auf Zweigespannen (Tertullian, spect.9). – pietas ist der Motor ihres immateriell gedankenschnellen Flugs (Cicero, Tusc.1,43 nihil animo velocius). 9.3 Diokletian reist via Julier-Pass (W-Raetien) an, Maximian von Gallien via Mt. Genèvre. 9.4 Hannibals Alpenübergang (Mont Cenis, Mont Genèvre?) mit ca. 38 000 Mann Fußtruppen, 8000 Reitern und Elefanten kostete ihn fast die Hälfte seiner Streitmacht (Oktober 218 in Oberitalien). 9.5 Herkules zog alleine mit den Rindern des Geryon über die Pyrenäen und die Küstenroute der Seealpen nach Italien. 10.3 Ebensolche tumultuarischen Reaktionen auf Hannibals Nahen beschreibt Livius 26,9,6–8 (211 Marsch nach Capua). Schlimmste Niederlagen in Italien erlebte Rom 217 am Trasimenus-See (Umbrien) und 216 bei Cannae (Apulien). 10.4 Lichtmetaphorik (vgl. Menander, rhet.381,12.16–18 Stern, Sonne, Tageslicht) und Aura einer Götter-Epiphanie an Berg- und Himmelssaum erhöhen Rang und Wirkung des Besuchs. 10.5 Das beliebte Motiv „Herrscher als sichtbar gegenwärtige Gottheit“ ist gesteigert: beide erscheinen als ihre eigenen Schutzgötter. – advena: Herkules zog von Spanien/Gallien her. 11.1 Mediolanum ist wichtiger Verkehrsknotenpunkt der Transpadana am Ausgang mehrerer Alpentäler und an der Via Aemilia (ab Rimini); es ist seit Ende 3. Jh. Münzstätte und wird von Maximian als Residenzstadt bevorzugt und künftig prächtig ausgebaut (Ausonius, urb.35ff., 41). 11.2 Zum Zeremoniell (Adventus / Adoratio) s. Kolb 2001, 38ff. – ordo numinum bezeichnet den Rang der Herrscher/Rangfolge, ggf. nach Anciennität; der Redner ehrt Maximian ansonsten durchgehend betont als Gleichen. – ordines dignitatum: der Stadtrat sowie Würden- und Amtsträger sind, nach sozialem Ansehen und Rang hierarchisch gegliedert, zur adoratio im Palast zugelassen. 11.3 Sakral- und Mysterien-Vokabular wird nicht selten für Palast-Architektur verwendet: VIII 1,4 adyta palatii vestri; VI 16,1 religio Palatini sacrarii devota penetralibus. 12.1 Kaiserbesuche in Rom werden seltener, veränderte Strukturen, Aufgaben, Vorlieben erfordern andere Präsenzen, neue Metropolen; die Senats-

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abordnung reist also von Rom nach Mailand, in die aktuelle sedes imperii: „Rom ist dort, wo der Kaiser ist.“ (Herodian 1,6,5; Mayer 2002,31ff.) 13.2 Bedeutsam in der kosmischen Zeitrechnung ist die Apokatastasis, die Rückkehr von Sonne, Mond und 5 Planeten zum gemeinsamen Ausgangspunkt nach einem Großen Jahr (Cicero, rep.6,24; Vergil, ecl.4,5.12; Censorinus 18,11; Macrobius, somn.2,11,11: 15.000 J.). 14.2 Berühmt sind Passagen aus Vergil (Ab Iove principium, Musae, Iovis omnia plena, ecl. 3,60; ferner Aen.6,726f.), nach Arat, phaen.2f. (hellenistischer Dichter, stoisch geprägt). 14.4 Gleiche Allgegenwart beider Götter (Herkules / Jupiter) – gilt auch für beide Kaiser. 15.2 Zum Rat des Lehrbuchs s. Menander, rhet.377,10ff. (für eigentliche Epilogoi). 15.3 Seuchen und wirtschaftlichen Niedergang erfuhr Gallien besonders ca. 250–265. 16.1f. Externer Garant imperialen Friedens ist die gegenseitige Selbstvernichtungswut der Barbaren (vgl. schon die Bitte um weiteres odium sui bei Tacitus, Germ.33), die den oft beschworenen Horror römischer Erfahrung mit Bürgerkrieg, Aufstand, Usurpation (XII 8,1; 20,3–21,2; V 4,3; II 46,1–3) jetzt selbst durchleben. 16.3f. Das Zitat (auch bei Cicero, Tusc.5,49, zum Lob Scipios) stammt aus einem Epigramm des Vaters Ennius (3./2. Jh.); dessen Annales waren das Nationalepos der Römer vor Vergil, von den Anfängen Roms bis zur Gegenwart. – Maeotissee (Asowsches Meer) ist Chiffre für den Norden; vgl. Scythiae gentes – Maeotia unda – Hister – Rhodope-Gebirge bei Vergil, georg.3,349ff. 16.5 Der spanische Kalpe (Felsen von Gibraltar) bildet mit dem afrikanischen Abila (Djebel Musa) an der tingitanischen Küste (Tanger) die Säulen des Herakles (so der Spanier Pomponius Mela 2,95; 1,27 H. habe überhaupt erst den Durchbruch zum Ozean geschaffen). 17 Die Fülle der Namen potentieller Gegner Roms betont Detailkenntnisse und steigert das Ausmaß des Siegerglücks (die Größe der einzelnen Gegner darf dann auch kleiner sein ...). 17.1 Zu den Mauren vgl. IX 21,2 den Kampf Maximians in Nord-Afrika; Donaugrenze: Goten an dakischer Grenze (und Don); Tervingen sind Westgoten, Taifalen ein ostgerman. Reitervolk, Mitte 3. Jh. in Dakien (erste literarische Erwähnung beider, auch der Gepiden); die Vandalen sind eine ostgerman. Völkergruppe; sie fallen um 270 in Pannonien ein, werden zurückgedrängt von Aurelian, siedeln im 3. Jh. an der Theiß, westlich von

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Anmerkungen

den Westgoten; die Gepiden sind mit den Goten verwandt, ab Mitte 3. Jh. finden Kämpfe im dakischen Raum statt. 17.2 Osten: Allianzen mit Hormisdas gegen den (siegreichen) SasanidenGroßkönig Bahram (Vararanes) II. (276–93): die Saken sind ein Skythenvolk nördlich des Kaspischen Meeres, die Rufier leben im Iran (Kousan), die Geler südlich des Kaspischen Meeres. 17.3 Burgunder gegen Alamannen: 286 noch gemeinsam gegen Gallien agierend (X 5,1). 17.4 Süden: Die Blem(m)yer, ein Nomadenvolk in Unternubien, unternehmen ab dem 3. Jh. mehrfach Ausgriffe gegen Ägypten. – Zu c.17: N/SR 100f. 19.2f. Die vier Kardinaltugenden entfalten sich allmählich mit der Praxis, Charakter gilt als Ausdruck gelebter Gewohnheit, eingeübten Verhaltens; pietas/felicitas dagegen sind hier als „angeborene Güter der Seele“ Ausdruck kaiserlicher Privilegiertheit; die Konstellation der Sterne bei der Geburt wird in der Antike traditionell als entscheidend für den Verlauf des Lebens angesehen (vgl. z.B. VI 14,4 Konstantin). 19.4f. Erwartung des Seesiegs (zu Carausius s. VIII 12,1); Reminiszenz an große Seekämpfe und Schiffsaktionen der Römer im 1. (und 2.) Punischen Krieg, an Antiochos III. (223–187) von Syrien, an Mithridates VI. (132–63) v. Pontos; vgl. Cicero, Man.55: Seeschlachten gegen Karthager, Makedonen (Perseus), Antiochos von Syrien (N/SR 103). – Rostra meint die Rednertribüne am Comitium auf dem Forum Romanum; sie wurde von C. Maenius (cos. 338 v. Chr.) mit Schiffsschnäbeln (rostra) von erbeuteten Kriegsschiffen von Antium geschmückt; es gab Umgestaltungen, Neubauten unter Caesar, Augustus, der Tetrarchie (renovatio urbis-Programm). – Campus Romanus (eigtl. das Marsfeld) meint hier das Forum, einst so bedeutsame Stätte politischer Informations- und Diskussionsveranstaltungen (contiones) wie auch beschlussfassender Volksversammlungen. – Quiriten (nur hier in Pan.Lat.): populus Romanus Quirites/Quiritium war offizielle Bezeichnung für die Bürgerschaft von Rom. Die Antike betont den Bezug zu Quirinus und Quirinal: Sabiner(kriegs)gott und Zusammenschluss von Siedlungen auf Quirinal und Palatin. Jupiter-Mars-Quirinus ist die vorkapitolinische Trias. Romulus Divus wird als Quirinus verehrt. – Der ganze Passus lebt in altrömischen Reminiszenzen.

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Zwei Reden für den Caesar Constantius – Anfangsjahre der Tetrarchie Die beiden Reden VIII/V und IX/IV (297/8) geben ein Bild der ersten Jahre tetrarchischer Herrschaft: Constantius, seit 293 zum Caesar für Gallien (und Britannien) erhoben, sollte Maximian, den Augustus des Westens, zugleich seinen Adoptiv- und Schwiegervater, bei der Wiedergewinnung der nordwestgallischen Küstenregionen und Britanniens unterstützen. Diese Aufgabe hatte sich, trotz der bisherigen Erfolge der Zweierherrschaft seit 285/6 an verschiedenen Brennpunkten, wegen neuer Krisenherde noch nicht verwirklichen lassen. Zugleich galt es, als Basis des Zivillebens Wirtschaft und Wiederaufbau, aber auch die kulturelle Romanitas der Provinzen zu fördern (Eumenius-Rede).

Panegyricus des Jahres 297 (VIII/V) Zu Redeort (Trier) und Datierung (297) s. N/SR 105ff. Der Redner, entsandt von der Stadt Autun, hält vor Constantius eine Glückwunschrede: Hauptthema ist die Wiedergewinnung von Britannien (296) nach einem Jahrzehnt britannischer Sonderherrschaft, Küstenpiraterie, Usurpation (Carausius, Allectus), dazu die Folgen: Sicherheit des Reiches, Rekultivierung, Siedlungsprojekte in den Provinzen. Im Kontext des Jahrestags der Ernennung des Constantius zum Caesar (1. März 293) wird die Tetrarchie als ingeniöses Herrschaftsmodell von universalgültiger Struktur gepriesen. Sie agiert reichsweit in großer Effizienz; Constantius selbst ist Caesar Invictus und Redditor lucis aeternae. Die Rede hat weithin narrativen Charakter, viele reichsgeschichtliche Bezüge sowie Tableaus und Schilderungen von hoher visueller, auch metaphorischer Eindringlichkeit. 1 2 3–5

Redner (Details zur Vita) Thema: Dyarchie und Tetrarchie (gesamt; Constantius) Lob der Tetrarchie: Caesarat, kosmische Vier, Omnipräsenz, Tatenpercursio 6–19 Taten des Constantius: Gesoriacum (Carausius), Bataver, Rekultivierung (6–9) Britannien: Bedeutung des Kriegs; Operationen (Flotte, Allectus, Londinium) (10–19) 20-21 Dank, Gelöbnis auf ewig; reichsweiter Wiederaufbau; C. als Neugründer von Autun.

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Anmerkungen

1.1–2.1 Vita des Anonymus: Redelehrer, Hofamt, frühere Redeauftritte vor Maximian, Feldzugsbegleiter (N/SR 110f.), Ruhestand, Landleben, Reaktivierung für Rede heute. 1.1 Die häufige Anrede C. invicte betont die erbrachte Siegesleistung und Unbesiegbarkeit. 1.3 Die Tetrarchen bilden nebeneinander eine göttliche (Jovier / Herkulier, Adoption) und menschliche Familie (Vater-Sohn qua Vermittlung kaiserlicher Herrschgewalt; Schwiegersöhne): Vater des Constantius ist Maximian, sein Onkel (Vater-Bruder) Diokletian. 1.4 Das Hofamt wird nicht weiter präzisiert. – Zu Umsiedlungsprojekten s. u. 9,1–4; 21,1. 2.1 Zu offenen Fragen der genauen Zuordnung der Aktionen (Anzahl, Datierung, Bezüge in X und XI?) s. N/SR 110f. – Brücke: wohl Mainz. Guntia/Günzburg, an der Mündung der Günz in die Donau, ist wichtiger Verkehrs- und Handelsplatz in Raetien (2./3. Jh.), nach Preisgabe des Limes 259/60 wieder Grenzstadt. – Alamannia als Gesamtname erstmals literarisch belegt, s. u. 10,4. 2.2f. Kosmische Lichtmetaphorik: Konkurrenz im Aufgang von Herrscherstern und Sonnenlicht; Milde der Natur bei der Genesis der Welt: Lucrez 5,818f.; Vergil, georg.2,336. 3.1f. Kalenden des März (1.3.293): das Fest des Frühlingsbeginns (bis 153 v. Chr. auch des Jahres) ist Chiffre aller Genesis: Es begründet mit dem Caesarat die Tetrarchie und damit eine neue ewige/lange Ära nach Zeit und Raum (Galerius, der Caesar Diokletians, ist, ungenannt, im Plural Caesares miteinbezogen). 3.3 Militäraktionen und Pläne bis 293, auch über X (289) und XI (291) hinaus; Details s. N/SR 113. – Batavia, Britannia: (alte) Projekte für den neuen „Sohn“ Constantius. Die Expansion des Reiches (nicht etwa die Vielzahl der Krisenregionen) liefern die Begründung der Vergrößerung der Herrscherzahl: aucta atque augenda res publica (vgl. die alte Formel im Staatsgebet des Zensors bis 142 v. Chr.). 4.1f. Tetras – die Vier als kosmische Universalstruktur: auch der Iovius Diokletian und der Herculius Maximian sollten eine analoge Vierheit bilden. – Sechs Exempla: Elemente; Jahreszeiten; Räume: der Erdkreis/Orbis (vgl. die Erdkugel des Stoikers Krates v. Mallos mit zwei Gürtelozeanen und 4 Erdvierteln, 2. Jh. v. Chr.); Jahre (Lustrum als vollendeter 4-Jahreszyklus); mythologisch (Viergespann als Chiffre der Herrschaft, vgl. VI 15,5 multiiugum); astronomisch: Sol mit Lucifer (auch Stern des Divus Caesar), Luna mit Vesper analog zu Augusti und Caesares. Die Identität von Abendund Morgenstern war seit den Babyloniern bekannt; doch die traditionelle

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Doppel-Wahrnehmung des Planeten Venus nützt hier dem Exemplum (Cicero, nat.deor.2,53). 4.4 Üblicherweise empfängt und lauscht der Herrscher sitzend, das Publikum steht (vgl. auch consistorium). Aufstehen oder Entgegengehen sind andererseits Gesten kaiserlicher civilitas und menschlicher Reverenz, und Constantius ist stets als freundlich und zugänglich charakterisiert (der Tyrann bleibt sitzen, z.B. HA Maxim.duo 28,1; weitere Beispiele und Situationen s. Alföldi 31980, 44f.). 5 Militäraktionen der Tetrarchie ab 293 (N/SR 114–117; Daten z. T. strittig): – Sarmaten (s. 10,4): 294 Druck auf Pannonien, dort agiert Diokletian mit Hauptquartier in Sirmium/Mitrovica. – Nil: 293/4 Aufstände in Busiris und Koptos, Galerius; 296/97 ägyptischer Aufstand des Domitius Domitianus und Achilleus: Diokletian; Aethioper (und Inder): südliches Ägypten. – Carpen (295/7?) dakischer Stamm an der unteren Donau, Ansiedlungen in Pannonien und Moesien. – Mauren: 297 aktueller Feldzug Maximians gegen den Aufstand der berberischen Quinquegentanei (Mauretania Caesariensis, h. Algerien) und den Usurpator Iulianus. 6.1 Gesoriacum / ab 4. Jh. nur Bononia (Boulogne-s.-M.): die Hafenstadt der Moriner an der Mündung der Liane war seit 1. Jh. Flottenstützpunkt (classis Britannica) für die Überfahrt nach Britannien; sie wurde nach einem Brand (um 270) von Carausius wiederaufgebaut, besetzt gehalten („Piratenrotte“) und 293 von Constantius belagert und zurückerobert. 6.4 Gezeitenphänomene an den Küsten des Weltmeeres wurden im 4. Jh. mit Alexanderzug (Indus, Ganges) und Fahrten des Pytheas (Nord-Atlantik, Britannien) bestaunt und diskutiert; es gab physikalische (Rückprall) und spekulativ-theoretische Erklärungen (Sympatheia der Sonnenwinde, Aristoteles), auch mythisch-phantastische (Platon, Phaidon). Erst der Stoiker und Universalgelehrte Poseidonios (135–51) studierte sie eigens systematisch in Cádiz/Gades am Atlantik, erkannte den Zusammenhang mit den Mondphasen (auch Sonne), erklärte Rhythmik und Periodizität nach Tag, Monat, Jahr mit dem allumfassenden Wirken der kosmischen Sympatheia, das atmende Meer als Teil der lebendig beseelten Gesamtnatur. Die Römer verbreiteten detaillierte Beobachtungen ihrer Atlantik-Erfahrung (Caesar, Tacitus, Plinius). 7.1ff. Das Exemplum der Elementargewalten kontrastiert den Idealherrscher mit dem. orientalischen (Muster-)Despoten (und Religionsfrevler): hier Sklavenstrafen für Neptun wegen „Unbotmäßigkeit“ – der Hellespont hatte das erste Brückenpaar für den Hellas-Feldzug des Xerxes 480 im Sturm vernichtet (Herodot 7,34f.); dort Anerkennung des überlegenen,

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Anmerkungen

göttlich klugen Herrschers und freiwillige Dienstbarkeit des Oceanus, Constantius also Herr des Elements und Sieger zur See. 7.3 Der Flottenbau für den Britannienzug 296 deutet auf neuerlichen größeren Bedarf (Fehlschlag von Maximians Plan, X 12,1ff.? N/SR 107f.; Küstenschutz und Seeblockade). 8.1f. Eindrucksvolle Visualisierung des amphibischen Charakters des Bataver-Landes. §3 Constantius unterwarf die von Franken und Friesen besetzte Region (s. 9,3). Zum Mündungsgebiet des Rheins s. Mela 3,24 (Flevo-Ijsselmeer, Vahalis-Waal), Plinius, n.h.4,98ff.; 16,2 zum Wattenmeer. 9 Tableau der wartenden Gefangenen und Vertriebenen, die zur Rekultivierung vieler Gebiete in Gallien, auch zu späterem Militärdienst bestimmt waren.– Chamaven, ein Teil-Stamm im Verband der Franken, siedelten südlich der Friesen zwischen Ijsselmeer (Flevo) und Emsmündung. 10.1–3 Höhepunkt der Angriffe von außen und Revolten im Innern unter den Kaisern Valerian (253–60) und Gallienus (253–68): Parther: Gefangenschaft und Tod Valerians unter dem Sasaniden Sapor I. – Palmyra (Syrien): Expansion eines Sonderreichs (260–72) unter Königin Zenobia bis Ägypten und Kleinasien, 272 Annahme des Kaisertitels mit ihrem Sohn. – Abfall Ägyptens 261/2 unter dem pr.pr. L. Mussius Aemilianus. – Das 6. Jahrzehnt brachte in Europa diverse Bedrohungen für Raetien und Noricum, durch die Alamannen, deren Vorstoß nach Italien bis Ravenna und Rom gelangte (259/60), ferner Verwüstungen von Pannonien (und Noricum?) durch Sarmaten und Quaden. – N/SR 122f. 10.4 Alamannia: 2,1; Sarmatia 5,1; Iuthungen nördlich der Donau, unternahmen mehrfach Züge mit Alamannen nach Gallien, Raetien, Norditalien; Quaden an der mittleren Donau, einst Klientelkönige Roms; Carpen s. zu 5,2; Goten: Bezug unsicher; Perserkönig s. 3,3; X 10,6. – N/SR 124f. 11.1 Das gedrängte Britannienlob betont die ideale ökonomische und territoriale Relevanz für Rom (s. VI 9 mit A.). – Stationen römischen Ausgreifens: frühe Hoffnungen (Caesar 55/54), Provinzialausbau vom Süden her (Claudius 43), Vorstoß bis NO-Schottland (Agricola 83), ca. 122 Hadrianswall (Reichsgrenze), dann Antoninuswall in Zentralschottland (nur bis 165; s.u. 14,2). 259–68 ist es Teil des Gallischen Sonderreichs unter Postumus, 286–96 ein eigenes Britannisches (Sonder-)Reich unter Carausius/Allectus. In der Folge erlebt die Provinz am Rand eine friedliche Blütezeit (bis 2. H. 4. Jh.). – S. besonders Brodersen 1998. Britannia (der „eine“ Name) umfasste seit 197 zwei Provinzen (ca. 50 insgesamt), im Zuge der Reformen Diokletians, als eine Dioicesis, vier Provinzen (gesamt zunächst ca. 100). – Als Zinnlieferant (bes. Devon, Cornwall) hatte es große Bedeutung seit den Phöniziern.

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11.2 C.Iulius Caesar erstattete dem Senat brieflich Bericht von seinen Unternehmungen (b.G. 4,38,5). Bei aller Eigenpropaganda erbrachten sie, so auch das antike Urteil (z. B. Tacitus, Agr.13,1), eher begrenzten Erfolg: Informationen, Handelsinteresse, Tributzahlungen an Rom. 11.3 Kriege der Republik: drei Punische Kriege in der Zeit von 264 bis 146; in Asia gegen Antiochos III., den König des Seleukidenreichs (192– 188); gegen Piraten im östlichen Mittelmeer (67/66); drei Kriege gegen Mithridates VI. von Pontos zwischen 88 und 64. – „unlängst“ aus Caesars Perspektive. 11.4 Pikten (die Bemalten/Tätowierten?): Volksstamm in Ost-Schottland nördlich des Forth, hier erstmals literarisch erwähnt; s. VI 7,2. – Hiberni / Iren: Interesse an imperialem Zugriff auf die Insel Irland bekundet Agricola, Statthalter von Britannien (77–84): Tacitus, Agr.24. 12(ff.) M. Aurelius Maus. Carausius, ein Menapier (Batavia), diente Maximian zunächst im Bagaudenkrieg und bekämpfte dann als seekundiger Flottenbefehlshaber von Bononia aus erfolgreich die Küstenpiraterie der Franken und Sachsen beidseits des Ärmelkanals; um einer Strafverfolgung wegen Unterschlagung zu entgehen, ließ er sich 286 zum Kaiser ausrufen, übernahm die Macht in Britannien und brachte Bononia und weitere Gebiete in Gallien unter seine Kontrolle; Maximians Strafexpedition von 289 scheiterte (§2; X 12), es kam zu einem Arrangement mit Maximian, nach dem Verlust von Bononia (293) wurde er von seinem Finanzchef Allectus beseitigt (§2), der seinerseits den Augustustitel annahm; dieser unterlag 296 Asklepiodotos, dem praefectus praetorio des Constantius in Britannien. – Casey 1994; Brodersen 1998, 217ff. – §1 rhetorisches Stakkato gefährlicher, kluger, effizienter Aktionen des abtrünnigen Carausius ab 286; dazu und zu (§2) Mordmotiven des Allectus: N/SR 127ff. 13.3 Aufbruchsort und Route Maximians sind unsicher (Italien, Donauregion, Spanien?). 13.4 Flottenkontingente: Asklepiodotos via Seine, Constantius von Bononia aus (14,4). 14.1f. Zwei Ideal-Topoi stehen in Konkurrenz: Der Herrscher ist Urheber des Sieges, sei es aus der Ferne oder selbst vor Ort: die Unternehmungen in Britannien (S-Schottland) leitete der dortige Statthalter Q. Lollius Urbicus, legatus des (allgemein hochgeschätzten) Antoninus Pius (imp. II a.142; Münzen); Constantius war in Britannien vor Ort (doch der Redner verschweigt den Sieger über den Usurpator, s. zu c.12). – M. Cornelius Fronto war ein sehr angesehener Redner und Anwalt des 2. Jh. in Rom, Prinzenerzieher unter Antoninus Pius; er verfasste mehrere (nicht erhaltene) Panegyrici; der Redner preist ihn hochgreifend als das Äquivalent zu Cicero.

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Anmerkungen

14.5 Unkommentiert bleibt, ob dieser Versuch gelingt; die Bemerkung VI 5,4 (310) bei ruhiger See kann auf eine zweite Abfahrt hindeuten oder „geglättete“ spätere Propaganda sein. – Vgl. C. Iulius Caesar: „Du trägst Caesar und sein Glück.“ (Florus, epit.4,2,37 quid times? Caesarem vehis!); die Elemente konnte er an der illyrischen Küste im Jahr 48 nicht überzeugen und musste umkehren. 15f. Möglicher Ablauf der Ereignisse: Die Flotte des Asklepiodotos passiert im Nebel unerkannt die Wachtposten der Isle of Wight; die Schiffe sollen offenbar den Feinden nicht in die Hände fallen; Allectus erfährt davon, verlässt eilig seine Warte (den erwarteten Landeort des Constantius an der Direktpassage?) und stößt, in anderer Truppenausstattung als geplant, mit westlich gelandeten Truppen der zweiten Flotte zusammen, verliert eine blutige Schlacht und findet den Tod. – Truppenanteile und Lokalisierung im Einzelnen schwierig, dazu Casey 1994,136ff.; N/SR 135ff. – Rhetorisch effektvoll gestaltet sind der „Anteil“ des Constantius sowie die Tableaus von Barbarenflucht, Leichenbergen und Identitätskaschierung des Usurpators (vs. Britannia Romana). 17 Akt II: Soldaten der römischen Truppen (welcher Flotte?) entsetzen die durch den Handel und als Verwaltungssitz früh zu Reichtum gelangte Provinzhauptstadt der Britannia superior. §1 spectaculum kann sich auf das unmittelbare Gemetzel in der Stadt oder auf Spiele im Amphitheater beziehen (so in VI 12,3, XII 23,3 Trier). 17.3–18.2 Steigerung zu 11,2 (Caesar): Constantius hat Rom wahrhaft neue territoriale (alium orbem) und maritime Macht und reichsweit Friedenssicherung von der See her ermöglicht. 18.3 Der Raubzug der ans Schwarzmeer umgesiedelten Franken unter Probus (276-82) überfiel die mediterranen Innen- und atlantischen Außenküsten des Imperiums, alle Erdteile waren betroffen: Europa-Asien-Afrika (= Libya)-Gibraltar-Europa; Syrakus steht als frühe Seemacht für Siege gegen die Karthager (480 v. Chr.) und die Etrusker (474). 18.5 Lage Britanniens: im Westen (spez. Wales) gegenüber von Spanien (!), im Süden sei Gallien direkt zu sehen – so Tacitus, Agr.10f.; vgl. gestreckte Verkehrskartenprojektionen wie bei der Tabula Peutingeriana (4./2. Jh.; s. zu IX 20,2) – Maeotis-See: s. zu XI 16,3f 19 Der triumphale Einzug des Constantius verbindet das Zeremoniell seines ersten Adventus hier und die Wiederaufnahme der geschundenen Britannia ins „wahre Licht“ Roms. Der Gestus ihrer Proskynese ist ganz Ehrerbietung, Devotion. Das Goldmedaillon von Arras zu diesem Ereignis zeigt Constantius, vom Kriegsschiff an Land reitend, wo ihn eine Personifikation der Stadt vor den Mauern kniend mit erhobenen Händen empfängt,

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mit der Umschrift Redditor Lucis Aeternae – Rückerstatter des Ewigen Lichts (Münze Trier; Kolb 2001,191ff. M11). 19.3 Der Ausdruck des Wesens prägt das gesamte äußere Erscheinungsbild, bes. den Ausdruck von Gesicht und Augen: Die antike Physiognomik entwickelt hierzu diagnostische Verfahren u. a. für Medizin und Psychologie (Corpus Hippocraticum, Peripatos, Galen, Spezialschrifttum); in Rom gab es „Stirnbeschauer“ (metopóskopoi) für Charakter- und Schicksalsdeutung. – Vgl. zu Constantius und Konstantin bes. VII 3f., VI 4,4. 20.1f. Hier wird der traditionelle Wunsch nach Kontinuität des erreichten Segens durch (leibliche) Nachkommen der Kaiser – in einmütig kooperierender Mehrherrschaft – offenbar. 21.1 Nach Thrakien hatte Probus erfolgreich Bastarner umgesiedelt; zu Diokletians Thrakerprojekt s. N/SR 141f.; bei Arviern / Aremorica (Küstenregion Loire-Seine) und Treverern werden erstmals Laeti (Früh-MA: liti; german.„Leute“?) erwähnt: Sie sind als feste Institution deutlich ab Mitte 4. bis 7. Jh. bezeugt; meist germanischer Herkunft, werden sie nach Dedition oder Gefangennahme als Grundhörige zur Rekultivierung des Landes und zum Heeresdienst eingesetzt (Demandt 2007, 382f. mit Quellen). – Das post-liminium (Rückkehr über die Schwelle) ist das Privileg, nach Rückkehr aus einer Gefangenschaft wieder den alten Rechtsstatus zurückzuerhalten. Zu Geschichte und Begriff s. N/SR 142f.; Demandt 2007, 380ff. allgemein zur den römischen Reichsgermanen seit Caesar/Augustus. – Die Siedlungsgebiete des Constantius liegen nördlich des Seinelaufs (NW-SO): Ambianer-Amiens, Bellovaker-Beauvais, Trikassen-Troyes, Lingonen-Langres. 21.2 Die Erneuerung von Augustodunum/Autun, der Stadt der alten Blutsbrüder Roms, der Aeduer, steht im Mittelpunkt der Panegyrici V und IX (s. dort).

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Anmerkungen

Zum Panegyricus des Jahres 297/98 (IX/IV) Zu Redeort (Lugdunum) und Datierung (297/98) s. N/SR 146ff. Rede IX ist panegyrisch i. e. S. ein Sonderfall im Corpus: Rahmen und Anlass ist eine Bitte, (wohl) an den Provinzstatthalter der Lugdunensis, ein Gesuch des Redners am Hof zu überbringen und befürworten; es geht um ein Wiederaufbauprojekt der Schulen von Augustodunum/Autun, das argumentativ und rhetorisch nach den Regeln der Kunst vorgetragen wird, mit Herrscherlob in Fülle. – Der Redner ist Eumenius, an den das in c.14. zitierte Schreiben des Constantius Caesar gerichtet ist: zunächst Rhetor und Redelehrer, dann magister memoriae am Hof (Trier), ist er jetzt mit doppeltem Gehalt von Constantius zum Lehrer und Leiter der Schulen von Autun ernannt. Sein Großvater stammt aus Athen, unterrichtete in Rom, dann, bis über das 80. Lebensjahr, ebenfalls in Autun, als griechischer grammaticus oder Rhetor (c.17). Sprache, Bilder, Exempla, Tenor der Rede des Enkels zeigen oft deutlich hellenisches Gepräge; sein Herz schlägt patriotisch für Autun, Gallien, das Imperium Romanum. Mit reichlichem Kaiserlob für das große zivile Restituierungsprogramm in Wirtschaft und Wiederaufbau und die engagierte Patronage in Sachen Bildung und Unterricht verknüpft Eumenius ein privates Finanzierungsangebot zur Wiederherstellung der Schulbauten: seine Stadt soll dafür sein Gehalt verwenden. – Die Rede ist auch ein Panegyricus auf Bildung (litterae), kaiserliche Bildungsliebe und propagiert symbiotische Gegenseitigkeit von Macht und Kultur. 1–3 Einleitung: Besonderheit der Redesituation und des Themas 4–10 Hauptteil A: Nutzen und Pflicht der Wiederherstellung der Schulbauten 11–19 Hauptteil B: Finanzierung und Gründe des Eumenius 20–21 Schluss: Dank an die Herrscher, Größe des Reiches; Bitte um Weiterleitung 1.1 perfectissimi sind (u. a.) die praesides aus dem Ritterstand; sie bilden nach den senatorischen consulares (clarissimi) den 2. Rang der Provinzstatthalter; Administration und Rechtsprechung, Steuern und Postwesen, aber auch Aufsicht über öffentliche Arbeiten und die Selbstverwaltung der Städte u. a. liegen in ihrer Hand. Benennung und Differenzierung der Rangabstufungen nehmen in der Kaiserzeit inflationär zu; s. Demandt 2007, 326ff. 2.1 Maeniana ist der Name der Rhetorenschule – nach einem speziellen Architekturelement? C. Maenius ließ 318 v. Chr. als Censor über

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den tabernae des Forums erstmals „maeniana“, säulengestützte Holzbalkone (Aussichtsplätze für die Zuschauer) erbauen; derartige zweistöckige Randbebauung eines Forums verbreitete sich; Ränge, Galerien, Balkone, Tribünen verschiedener Arten öffentlicher Bauten (Amphitheater, Circus) und Privathäuser hießen maeniana. – Erwogen wird auch ein Bezug zum Gebäudezweck (Maenius und rostra, s. zu XI 19,5) oder personeller Art (Stiftername ?). 2.3f. Beliebt sind Gegenüberstellungen von Leben in „realer“ Bewährung und Sphären von Studium / Kunst, hier Gericht vs. Schule / Krieg vs. Bühnenauftritt (Exempla s. N/SR 152). 4.1 Die mächtigen, angesehenen Aeduer waren seit dem 2. Jh. v. Chr. Bundesgenossen Roms; sie wurden früh und oft als Brüder und Blutsverwandte des römischen Volkes bezeichnet (Caesar, b.G.1,33,2); nach Bibrakte war die augusteische Gründung Augustodunum neuer Hauptort, ein Zentrum der Romanisierung, blühend an Wirtschaft und Bildung, 269 durch den Sonderkaiser Victorinus zerstört. Weiteres s. auch VI 22,4 mit M-R 295; bes. V 2,4;3,1ff.; VIII 21,2. – Batavische „Rebellion“: Truppen aus Niedergermanien, die während des Gallischen Sonderreiches dessen Kaiser unterstützten und hier als Belagerer (sieben Monate) und Zerstörer von Autun apostrophiert sind. Der Hilferuf der romtreuen Stadt an den legitimen Kaiser Claudius II. (Gothicus), blieb erfolglos (s. V 4 und N/SR 154). 4.2f. Handwerker aus „Übersee“ stammen aus Britannien, nach der Rückeroberung durch Constantius (296; VIII 21,2); der Umfang des Zuzugs an Neusiedlern und weiterer Hilfsmaßnahmen macht die Stadt zu einer speziellen multiprovinziellen colonia (s. u. 5,1). 5.3f. Der Name des Verstorbenen ist nicht bekannt. Zu Karrierechancen künftiger ziviler Eliten bes. im differenzierten Justizwesen und Hofämtern s. VI 23,2; Ausonius, prof.Burd.1,9f. 6.1 princeps iuventutis war von Augustus bis Ende 4. Jh. ein Ehrentitel für junge Nachfolgeprätendenten (eigtl.: Anführer ihrer Altersklasse), ab 3. Jh. auch für amtierende Herrscher; Münzlegenden für die Caesares Constantius und Galerius; hier ist der Titel umgedeutet im Sinne fürstlicher Fürsorge-Tat des (ca. 50jährigen) Constantius für die Jugend. 6.2 Die Redner verweisen öfters stolz und hoffnungsvoll auf Söhne (und Schüler; VI 23,2). – Der Palast des Vaters ist die Residenz Maximians in Trier (dann: Mailand); als Augustus Maximianus Herculius ist er der Tetrarchie-Vater des Constantius (s. 8,1). – Beide Wirkungsstätten, Hof und Schule, werden mit Begriff und Aura des Sakralen und des Mysteriums überhöht.

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Anmerkungen

7.1 Der Altar des Mitleids (Bomós Eléou) wird meist mit dem zentralen 12-Götteraltar (6. Jh.) auf der Agora in Verbindung gebracht. Der Antike gilt er als altehrwürdige Asylstätte (Adrast, Herakliden, Oedipus, Orest) mythischer oder göttlicher Gründung, ausführlich beschrieben bei Statius (Theb.12,481–511); Eumenius betont Institution und Gründung durch die Athener. – M. Claudius Marcellus († 208) hatte anlässlich seines Keltenzugs bei Clastidium (Sieg 222) einen Tempel für Virtus und Honos gelobt: dafür wurde der Honos-Tempel des Q. Fabius Maximus (cos. 234) außerhalb der Porta Capena am Fuß des Caelius zu einem Doppeltempel erweitert. Dort wurden auch die Kunstschätze präsentiert, die Marcellus aus Syrakus (212 erobert) ‚mitgebracht’ hatte. Sein Sohn weihte den Tempel ein (Kolb, Rom 2 2002, 182f.). 7.3 Nach dem Zug gegen den Aitolerbund (189) feierte M. Fulvius Nobilior einen Triumph. Die aedes Herculis Musarum war ein Neubau oder ein Tempelumbau (in der Censur 179?) beim Circus Flaminius am Marsfeld; das Terrain war beliebt für Triumphatorenbauten, auch der Triumphzug stellte sich hier auf. Aus Ambrakia, der früheren prachtvoll ausgebauten Residenz des Pyrrhos von Epirus und „Stadt des Herkules“, brachte er u. a. 1000 Statuen nach Rom, darunter die der 9 Musen; die Eroberung dieser Stadt feierte sein Freund und Begleiter auf dem Feldzug, der Dichter Ennius, in der offenbar ersten Praetexta, d. h. römischen Tragödie, zum Ruhm eines Lebenden. – Zensoren hatten in der Republik das vornehmste Amt des cursus honorum inne, führten u. a. die staatliche Finanzaufsicht und vergaben neben vielen anderen Pachtlizenzen auch Großaufträge für Neubauten und Reparaturen. Fulvius war 179 selbst Zensor; Cicero bezeichnet die Kriegsbeute des Fulvius als Finanzbasis des Baus (Arch.27). – Camenen sind römische weissagende Quellnymphen, verehrt seit König Numa in einem Hain an der Porta Capena: ihr Name wird zur Entsprechung der griechischen Musen (Plutarch, Num.13; Horaz, c.saec.62; s. u. 9,4). – Die Musen, Töchter des Zeus und der Mnemosyne/Erinnerung, verfügen über das Wissen aller Zeit und spenden poetische Inspiration zum Künden von Wahrheit; ihre angestammten Bereiche Tanz, Musik (Gesang, Instrumente), Dichtung erweitern sich dann auf alle intellektuellen Betätigungen in Künsten und Wissenschaften. Festlegungen von Einzelfunktionen erfolgen spät (Hellenismus/Rom). – Herkules erlaubt hier zwei Assoziationen: als Herrschervorbild (seit Alexander) steht er für militärische Stärke und Sieghaftigkeit; ab der frühen griechischen Bildkunst erscheint er musizierend mit Leier, Kithara, Flöte, auch (seit hellenistischer Zeit) zusammen mit den Musen als mousagetes/Musenführer (meist ist ja Apollon so dargestellt). Vgl. aus Rom die HERCULES MUSARUM-Münzen des

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Pomponius Musa (66 v. Chr.): Herkules mit Löwenfell, Keule (virtus!) und Leier sowie Musenbilder. Als Absolvent eines umfassenden Bildungsgangs ist Herakles selbst musenkundig/mousikós (Der tödliche Affekt gegen seinen Musiklehrer Linos gehört zu einem dunkleren Part seines Wesens). Er ist Schirmherr der Jugend (wie Hermes) und Weihinschriften auf Chios und Teos verbinden ihn mit den Musen; vgl. Statuen von Apollon-Musen-Herakles in Messene: Pausanias 4,31,10. – Novum für Rom ist die hiermit kultisch sinnfällig gemachte Zusammenführung von großer Leistung und ihrer Würdigung in der Poesie, in den Schutzgottheiten Herkules (einem auch in Rom schon etablierten Vorbild herausragender Taten) und den Musen. Analog dazu die Menschen, einst: Fulvius und Ennius – Machtinhaber und Poet: sie wollten die Macht Roms der hellenischen Kultur öffnen; heute: Kaiser und Rhetoriklehrer – sie sichern aufs neue die Früchte der Synergie. 8 Die herkulische Ahnen-Linie der Tetrarchie dient als Argument zur Unterstützung des Bildungsschirmherrn Herkules durch die herkulischen Herrscher; Herkules und die Musen werden hier heimischer sein als in Rom. – §2 Zur These „Bildung in/an den litterae als Basis aller zivilen und militärischen Tugenden“ vgl. Cicero, Arch.14ff.; Quintilian (2,20) plädiert für den virtus-Charakter einer ethisch fundierten Rhetorik (Zitate: Crassus, Cicero). 9f. Die zentrale und exponierte Lage der Maeniana (Antlitz-Metapher) ist vom Erbauer (unbekannt) bewusst gewählt; ein infektiöser Schandfleck auf Dauer verbietet sich gerade im sakralen Ambiente. Der Unterricht fand offenbar zwischenzeitlich (auch) in Privatgebäuden statt. – §3 Die drei Bauten lagen am Cardo maximus, von der Porte de Rome (S) her Richtung Porte d’Arroux (N) zur Linken; sie sind nicht erhalten. – Kapitolia nach dem Vorbild Roms wurden in der Kaiserzeit bes. in weströmischen Städten errichtet (Gallien, Afrika), sowie im Zweiten Rom. 10.1f. Apollon und Minerva~Athena Parthenos stehen als Inbegriffe für Wissen, Bildung, Geist, Kultur dem Studium schützend zur Seite, die kapitolinische Trias (Athene/Minerva also in Doppelfunktion) vernimmt unmittelbar Ergebnisse und Ziel: das Lob der ganzen Tetrarchie: der Jovier Diokletian und Galerius, der Herkulier Maximian und Constantius. 11.2 Das neue großzügige Jahressalär des Eumenius, 300 000 x 2 Sesterzen/Nummi (200 aurei), stammt aus Mitteln dieses Staates (s. 3,4; 11,1), d. h. es ist kaiserlicher largitio des hiesigen Reichsteiles zu verdanken: durch die (zweckgebundene) Übertragung an seine Heimatstadt ist nun die Kasse der Stadt Autun doppelt verschont; §3 die Nutzung ist verlängerbar. Zur Bezahlung der Lehrer s. Demandt 2007, 476, Klein 2006, 148f.; zu den

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Anmerkungen

Wertrelationen der Münzen: Kuhoff 542ff. Die höchste Gehaltsstufe des Finanzprokurators war 300 000 Sesterzen! magister memoriae ist der Amtsleiter des Büros a memoria; für die zentrale Administration bildeten sich ab dem 1. Jh. und im Lauf des Prinzipats verschiedene Büros heraus; ihre Zuständigkeiten sind nicht immer genau abzugrenzen und überschneiden sich teilweise; das Ressort a memoria bearbeitete u. a. kaiserliche Personalverwaltung, Ernennungsurkunden (codicilli), Gnadenerweise, Bescheide, kurzfristige Entscheidungen; im Zuge der großen Verwaltungsreformen ab Diokletian verlor es dann etwas an Nähe zum Kaiser und Bedeutung. – Schon seit dem 1. Jh. gibt es auch die Abteilungen a libellis, für administrative, juristische Anfragen, und ab epistulis für persönliche Schreiben des Kaisers auf Anfragen, Bitten (s. Briefwechsel Plinius-Trajan, ep.10). 12 f. Der Verdienst vs. das Verdienst. – Der Orient ist wichtigster Fernund Außenhandelspartner und liefert die Palette des Luxus, wie Edelsteine, Gewürze, Seide, Pelze, Elfenbein, Tiere. Mehrere Seewege führen von Indien her; das Umschlagland Syrien verdient am Karawanenhandel über Palmyra; Delos steht als Kaufmannsinsel vor allem für den boomenden Sklavenhandel der Republik. 13.1 Eumenius, hellenisch verwurzelt, nutzt Ideal-Reminiszenzen an Agone, deren Sieger nur Heroldruf und Siegeskranz (etwa panhellenischen Lorbeer, Ölbaum, Fichte, Eppich) als Lohn ihrer Leistung erstreben (vgl. Perser-Griechen-Antithese bei Herodot 8,26,2f.). 14 Die Verlesung als Heroldruf dient als besonderes Argument und Zeugnis der Haltung des Constantius. – Er kehrte wohl 293 aus Mailand (Caesar-Ernennung) zu seinen Aufgaben in Gallien zurück (zu Besuchen vgl. noch 9,2). – comitatus meint hier nicht das höfische Gefolge des Kaisers, sondern das städtische Besuchsgeleit für ihn. – §2–4 Der Kaiser sichert eine Fortuna-unabhängige Ideal-Paideia: ein nach Können und Integrität erprobter Lehrer soll zum Ziel führen, d. h. Bildung und Charaktererziehung der Jugend zu einem besseren Leben (hier klingt auch ein philosophischer Tenor an). – §4 dignitas ist Grundbegriff von Anerkennung und politischgesellschaftlichem Status: die Versetzung des Eumenius soll an Rang und Ehre nichts ändern: 6,3; 15,4; 16,4 (der Status der Lehramtes war geringer); zu den Privilegien für Hofämter s. Demandt 2007, 296; Jones 586. – Eine wichtige Quelle für die formale Hierarchie ist die Notitia dignitatum, ein Verwaltungs-Handbuch beider Reichsteile (5. Jh.), das Militär- und Zivilämter detailliert auflistet. 15.1 Amphion, ein Sohn des Zeus, ließ die Mauern Thebens alleine durch sein Leierspiel erstehen, sein Zwillingsbruder Zethos hatte den Part

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des Praktikers am Bau (vgl. Horaz, ars 391ff.: Orpheus, Amphion). – §3 Das unwiderrufliche Zunicken des Zeus erschüttert Olymp und Welt: Homer, Il.1,524ff. 16.1 Der Phrygerkönig Midas verwandelte durch seine Berührung alles in Gold; Dionysos befreite ihn durch das Bad im Paktolus bei Sardes von den Folgen der unseligen Gabe: Aition für den Gold- und Elektron (= Goldsilber)-Gehalt des Flusses und Reichtum der Region (Ovid, met.11,85ff.). Der in Sardes residierende, sprichwörtlich reiche Lyderkönig Kroisos verlor sein Reich an die Perser (vgl. Solons Dialog mit ihm über das Glück: Herodot 1,30ff.). 16.2 Die Pythia, Apollons Seherin in Delphi, beantwortete die Anfrage des Freundes Chairephon mit dem berühmten Satz, niemand sei weiser als Sokrates (Platon, apol.21a). Für Eumenius hält das jovisch-herkulische Kaiserwort selbst neben hohem Götterspruch durchaus Stand. 17.3 Der Schulbetrieb war offenbar schon vor der Verwüstung von Autun (269/70) unterbrochen, evtl. früher (259 Alamannen; Postumus); Geburtsdatum des Eumenius: wohl bis ca. 250 s. N/SR 158A.25. 17.4 Der anwesende alte Glaucus, Freund des Toten, (sein Name verweist auf griechische Wurzeln) ist vielleicht ein Fachkollege („attische Redekunst“). Als hier anvisierte Mithilfe wird z. B. eine Art „senior praeceptor“-Rolle vermutet. 18.2 Delos – hier die Götterinsel: selbst das weite Meer durchirrend, hatte sie Leto, der Umherirrenden, einen Platz für die Geburt von Apollon und Artemis gewährt; zum Dank erhielt sie einen festen Platz im Kykladenrund: unübertrefflich der Delos-Hymnos des Kallimachos (n.4; Wortspiel dêlos ~ deutlich, klar); vgl. noch Ovid, met. 6,189ff.,332ff. 18.3 Britannien 296 und (haec ipsa ~ näherliegend) das amphibische Batavia (? VIII 8). 18.4f. Zu Truppen, Kastellen, Limesbauten, strata Diocletiana an den Außengrenzen in der Spätantike s. Demandt 2007, 306f., N/SR 169f.; zur Prinzipatszeit s. Klee 2006 (Bildmaterial). – Das Goldene Zeitalter (unter dem von Jupiter abgelösten Saturn) und seine Wiederkehr ist von Augustus (Vergil ecl.4,6; Aen.8,319ff.;6,791ff.) bis in die Spätantike in Kunst und Politik ein vielbehandeltes Motiv imperialer Segenshoffnung und Herrscherpanegyrik; Auxesis hier: Golden ist jetzt die Ära der Tetrarchengötter, und sie hat ewigen Bestand. 19 Das Interesse des Kaisers an Bildung und ihre Förderung war in den Krisenjahrzehnten unter den Soldatenkaisern kein Gegenstand der Lobrede mehr (auch nicht ihre Herkunft): jetzt ist es ein Zeichen der neuen Friedens-

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Anmerkungen

zeit (und dient dem Redezweck); dazu Mause 85–99. – §4 1. Jh. v.–2. Jh. n. Chr. größte Machtausdehnung zu Land und See. 20.2 Die Weltkarte des Orbis Romanus in den porticus dient visualisierter Information zu Geographie und Geschichte und erzeugt Bewunderung und Einsicht in die Dimension und Effizienz des Mehrkaisertums. Erdkarten sind für Wissenschaft und Praxis seit der Frühzeit bezeugt; sie bieten Orientierung zur See und zu Land; für einen transportablen Gesamtüberblick scheint lineare Streckung der Wiedergabe zweckmäßig, etwa für Handel, Privatreisen, Verwaltung, Militär (?). Die Tabula Peutingeriana: (Britannien-Indien ca. 690 × 30 cm) enthält als tabula picta Farben und standardisierte Bildsymbole. Wandkarten (Länder, Welt), literarisch auch sonst erwähnt, sind für N/S-Dimensionen des Orbis prinzipiell realistischer gestaltbar; Wandgemälde in Wandelgalerien kann man sich aber auch imposant gestreckt vorstellen. – Brodersen 1995; Talbert, DNP 6, 1999, 302ff. (Kartographie); Ausonius, grat.act.2,9. – du: Auf einer Reise durch die Provinz hatte die Exzellenz auch Augustodunum besucht. – Die größere Glaubhaftigkeit visueller Wahrnehmung für den Menschen wird oft konstatiert: Herodot 1,8,2; Horaz, ars 180ff.; Seneca, ep.1,6,5. 21.1–3 Dieser Redeschluss ist ein vielbewundertes Exemplum rhetorischen Raffinements mit subtiler Hörerlenkung: §1 allgemeiner Blick: 4 Regionen (Mesopotamien, Afrika, Gallien, Ägypten), gereiht et-et, Standardattribute, ankommende Siegesmeldungen. - §2 spezielle Aktionen von aktuellem Interesse, separate Anrede der 4 Herrscher nach Anciennität: Augustus O/W, Caesar W/O; Palette politischer Verfahrenstypen, szenisch und sprachlich abwechselnde Tableaus: Diokletian 1 / Constantius 3: aut sub friedliche Szenen, statisch; Maximian 2 / Galerius 4: aut te kriegerische Szenen, lineares Partizip. – §3 Fazit: Der gesamte Orbis ist römisch. – Bildszenen dieser Art haben viele Parallelen in Reliefs, Münzen, unmittelbar sinnfällig für das anvisierte Publikum jetzt und später (nicht auf der Wandkarte selbst). – Präzise Chronologie und tatsächlicher Ereignisstand zur Zeit der Rede bleiben im Einzelnen schwierig, Panegyrik und Historie haben verschiedene Prioritäten; im Detail zu diesem Kapitel s. N/SR 172–77. – Die Ereignisse: Diokletian, Unterägypten: Aufstand des Domitius Domitianus; Maximian, NW-Afrika, Mauren/Quinquegentanei; Constantius, Batavia, Britannia; Galerius (Maximianus), Krieg gegen Perserkönig Narses in Armenien, nach Niederlage in Mesopotamien.

Zum Panegyricus des Jahres 307

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Vier Panegyrici auf Konstantin (307–313) 305–307: Nach der Abdankung Diokletians (Nikomedien) und Maximians (Mailand) am 1. Mai 305 trat, wie vereinbart, die 2. Tetrarchie die Nachfolge an: als Augusti Galerius/O und Constantius/W, als Caesares Severus/W und Maximinus Daia/O. Im Juli 306 starb Constantius in Eboracum, die Truppen riefen Konstantin, seinen dort anwesenden Sohn, zum Imperator aus; Galerius erkannte ihn als Caesar an, zum Augustus/W erhob er Severus (3. Tetrarchie). Im Oktober 306 usurpierte aber Maxentius, der Sohn Maximians, in Rom die Herrschaft. 307 kehrte ferner Maximian aus dem Ruhestand eines Senior Augustus in die Politik zurück und ging nach Rom. Severus, der offizielle Augustus/W, zog nach Italien, um seinen Reichsteil zu übernehmen, doch zahlreiche Truppen, einst im Heer Maximians, desertierten zu Maxentius, Severus kapitulierte in Ravenna (er wurde später in der Haft erdrosselt). Galerius rüstete zum Italienzug: Er erkannte weder Vater noch Sohn als Augustus an; er forderte auch Konstantin, Caesar/W, nicht zur Mitwirkung bei diesem Feldzug auf. Maximian gewann Konstantin in Gallien als Verbündeten: Mit einer komplexen Legitimierungsstrategie wollte jeder der beiden die eigene Machtstellung voranbringen.

Zum Panegyricus des Jahres 307 (VII/VI) Zu Redeort (Trier) und Datum (307) s. N/SR 179ff. Das Doppelfest der Heirat Konstantins mit der noch sehr jungen Fausta, Maximians Tochter, und seiner Ernennung zum Augustus in Trier 307 (2. Jahreshälfte) ist der Anlass für den Doppel-Panegyricus auf Maximian und Konstantin. Deutlich steht der politische Aspekt des Festes im Vordergrund (es ist keine traditionelle Hochzeitsrede / Epithalamios). Der Lobredner hat in Gegenwart der Adressaten sensible Themen zu traktieren: die Rückkehr des Emeritus von 305 in die Politik, den Sonderaufstieg Konstantins, neualte Dynastie-Fragen (ganz ausgeblendet: Maximians Sohn Maxentius), das differenzierte Verhältnis zu den bisherigen Phasen der Tetrarchie. – Beide Kaiser werden separat gewürdigt. Die Trias Maximian, (jetzt: Divus) Constantius, Konstantin ist ein Erfolgsmodell an Verbundenheit und Effizienz mit Zukunft. Das Herrscheramt ist als göttlich verliehene Herrschgewalt ohne Ruhestand legitimiert (imperium aeternum), gestattet ist eine Pause, solange die Reichslage es erlaubt. 1–2

Einleitung: Kaiser verheiratet seine Tochter einem Kaiser: Segen für das Imperium

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Anmerkungen

3–6/7 Lob Konstantins: Abbild des Vaters; Kardinaltugenden; 7 Lob der Entscheidung 8–12 Lob Maximians: frühere Taten des Herculius; jetzige Pflicht; imperium aeternum 13–14 Schluss: Synergie beider Augusti; Verflochtenheit der Drei. 1.1 Die unvergängliche Gültigkeit des imperialen Amtes (semper, aeternus) wird gerade in der Anrede hier oft legitimierend hervorgehoben: neben Augustus, imperator, princeps, imperium 8,9; 11,5; 12,1.6; 13,3; 2,2.5. – Der kaiserliche Titel (nomen imperii) ist der Augustus-Titel. 1.2 Das Bild der beflügelten, jeden Ort erreichenden Fama, ihre unendliche Potenz an Auge, Zunge, Mund, Ohr ist Thema der Dichtung, dort meist als ungeheure oder ambivalente Macht (Vergil, Aen.4,173ff.; ihr ehernes Haus: Ovid, met.12,39ff.); hier ist sie Künderin puren Lobes. 1.5 Äußere und innere Verbundenheit: noch intensiver als XI 7 (Diokletian und Maximian). 2 Lob der Ehe und Familie: Sie garantieren allgemein unsterblichen Fortbestand des Staates, das aktuelle Vorbild der Herrscher erhält Sicherheit und Wohlergehen. Hintergrund der Unsicherheit ist das 3. Jh. mit ständigem Herrscherwechsel, Aufruhr, Kampfgeschehen, fern ruhiger Nachfolgeregelung für einen Idealherrscher nach Blut oder Adoption, einer bewährten Alternative. Vgl. den freundlichen Himmelsdisput zwischen Nerva und Trajans Vater um den Vorzug des Blutes oder der Adoption (Plinius I 89,2 genuisse talem aut elegisse). 2.4 Ehegesetze des Augustus gelten (modifiziert) bis ins 6. Jh. weiter: 18 v. Chr. Lex Iulia de maritandis ordinibus –Verbot standeswidriger Ehen; 9 n. Chr. Lex Papia Poppaea – Ehepflicht für Bürger im heiratsfähigen Alter, Einschränkungen im Erbrecht für Unverheiratete und Kinderlose; bei Nachwuchs: Kinderprivileg. – Belege aus juristischen Codices: N/SR 192. 2.5 Philippus Arabs gab 248, im Jahr der Milleniumfeier zur Gründung Roms (753 v. Chr.) seinem kleinen Sohn den Augustustitel; beide starben schon 249. – Eher ist, bei gelockerter Chronologie, an die seit der 1. Tetrarchie propagierte Heiratspolitik zu denken, aber hier in c.2 primär als eigene Familiendynastie der Herkulier apostrophiert, ohne Jovier. – N/SR 193. 3.3 Maximian hat Constantius zu seinem Caesar (293) erhoben und adoptiert, Konstantin ist also Adoptivenkel; als neuer Augustus ist er Sohn des Senior Augustus, ferner Schwiegersohn. 3.3f. Der Sohn ist Abbild des Vaters in Aussehen und Tugenden; die Kardinaltugenden gehören zur Grundausstattung des idealen Herrschers (Platon), es folgen die Exempla.

Zum Panegyricus des Jahres 307

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4.1 Konstantins jugendlicher Gattensinn (gedeutet als Selbstbeherrschung) bezieht sich wohl auf seine erste Frau Minervina (um 300), die ihm den Sohn Crispus geboren hat und vielleicht gestorben war; jedenfalls wäre ein Konkubinat mit ihr oder die Trennung von ihr für die Ehe mit Fausta kein zu diesem Anlass passendes Thema, ggf. also Retouche. – Die Analogie der Verbindungen des Vaters (1. Helena, 2. Theodora, Halbschwester Faustas) ist deutlich. 4.2ff. Erfolge a. des Vaters gegen die Franken vgl. VIII 8; VI 5,3; b. des Sohnes über die Franken-Könige vgl. VI 10,2ff.; IV 16,5f. (Ascaricus und Merogaises) – §3 in Britannien: a. Befreiung durch Constantius 296 s. VIII; b. Nobilitierung durch Konstantins Herrschaftsantritt nach dem Tod des Vaters in Eboracum (25.7.306). – §4 Barbarensiege: s. VI 6,2ff. (Franken, u.a. Germanen) – terror nominis als beliebter Sicherheitstopos der Stärke. 5.2 Beispiele für frühe Karrieren (vgl. Mindestaltergrenzen der lex Villia annalis, 180 v. Chr.): Scipio erhielt, noch vor der Praetur (Regel: ab 40 J.), ein imperium proconsulare für Spanien mit 26, und war im Jahr 205 Consul mit 31 Jahren (Regel: ab 42 J.). – Pompeius unterstützte im Alter von 23 Jahren Sulla mit drei Legionen auf eigene Kosten; noch ohne senatorischen Rang erhielt er mit 26 einen Triumph. 5.3 Konstantins militärische Karriere begann im Osten, wo er im Rang eines tribunus primi ordinis unter Diokletian und Galerius genannt ist: Es werden Einsätze und Aufenthalte in Mesopotamien, Ägypten, Palästina, am Hof in Nikomedien und gegen die Sarmaten genannt (insgesamt ca. ein Jahrzehnt). – Nach der Erhebung durch die Truppen in Britannien zum Imperator (~ Augustus) war die Meldung Konstantins an Galerius mit dem Caesartitel bestätigt worden: Hier aber fungiert der Vater und Augustus Constantius als dynastischer Erblasser und auctor imperii, doch über ihm der summus imperator Maximian als oberster Garant des Titels: „Leistungsaufstieg trotz (Augustus-)Erbanspruch des Blutes“ (vgl. VI 3,3). 6.2 Das wohlhabende, kunstliebende, einwohnerreiche Aquileia (Venetien) war militärstrategisch und wirtschaftlich auch in der späteren Kaiserzeit von großer Bedeutung (Alpenstraßenkreuz, bedeutender Flusshafen für Mittelmeer- und Orienthandel), mit Münze, Sitz von Statthalter, Flottenbefehlshaber, Bischof (Basilika, Mosaiken). – palatium heißen nicht nur die Paläste der neuen Residenzstädte, sondern auch temporäre kaiserliche Quartiere, z. B. an Verkehrsknotenpunkten (vgl. Cassius Dio 53,16,5f.). – Der Redner führt (ohne Autopsie) die Ekphrasis eines Bildes im Speisesaal des Stadtpalais vor und deutet die Überreichung des kostbaren und prächtigen Helms als Verlöbnisszene von Fausta und Konstantin im Kindesalter (als Erweis kaiserlicher Vorausplanung – providentia für „heute“).

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Anmerkungen

6.3 Apelles v. Kolophon (4. Jh. v. Chr.) galt als berühmtester Maler des Altertums, war Hofporträtist Philipps und Alexanders, malte Allegorien (Verleumdung), Götterbilder (Aphrodite Anadyomene). – Parrhasius von Ephesus (5./4. Jh. v. Chr.) lebte eine exklusive Künstlerexistenz in Athen, war bewundert für Bilder von Göttern, Heroen, Menschen, Mythendarstellungen. Xenophon lässt Sokrates ein Gespräch mit Parrhasius um die Darstellung von seelischer Regung und Wesenszügen in der Kunst führen (mem.3,10). 7.2 providentia beinhaltet Weitblick und Fürsorge, oft im Zusammenhang mit dynastischen Zukunftsregelungen (s. 2.2); Maximian hatte Constantius seine Tochter Theodora zur Frau gegeben und ihn zum Caesar erhoben (der Caesar Galerius heiratete die Tochter Diokletians). 7.6 Okeanos speist alle Wasser der Erde (Homer, Il.21,196f.), nährt Sonne und Sterne (Stoa, Cicero, nat.deor.2,40), ist Ursprung und Vater von allem (Homer, Il.14,246; Vergil, georg.4,382). – Das einmal verliehene Kaisertum / imperium ist unerschöpflich und unvergänglich, auch nach der Abdankung beider Augusti (305): Thema des 2. Hauptteils. 8.2 Die Herkulier-Tradition dient als Chiffre der Leistung Maximians und zur Legitimierung (s. 11,3). 8.3 Taten ab der Ernennung zum Caesar (ortus numinis): Bagauden, Germanen, s. X 4f.; XI 5,3: Unruhen durch Lasten der Krisenjahrzehnte des 3. Jh.s (Barbarenbedrohung, Steuerlasten, Landverfall, Sonderreiche). 8.4 Propagandathesen vom Erstübergang (vgl. auch X 7,2) wurden im Wechsel bis ins 4. Jh. wiederholt, trotz der Vorstöße über den Rhein (seit Caesar), Feldzüge, ins Dekumatland und des Limesbaus. 8.5 Bruder in der Tetrarchie ist Diokletian; s. 11,4. 8.6 Die Natur des nordafrikanischen Atlasgebirges entspricht der traditionellen Vorstellung von extremer Barbarenwildheit der Mauren (Aufstand der Quinquegentanei); s. VIII 5,2; IX 21,2. 8.7 Erster Besuch in Rom 298/9: jeder Ingressus war für den Kaiser triumphal gestaltet. – Im Schoß der Sitzstatue Jupiters legte der Triumphator zum Abschluss den Lorbeerkranz nieder. 8.8 Alles gemeinsam mit Diokletian (hier ungenannt!): 303/4 Vicennalienfeier, Triumph und cos. VIII für 304; die Antrittsdaten der Vier sind symmetrisch angeglichen: Diokletian (284), Maximian (Caesar 285, Augustus 286), Constantius, Galerius (Caesares 293: 10 Jahre). 9.2ff. Aspekte der Legitimierung einer Rückkehr Maximians: „triftige“ Gründe für den Ruhestand Diokletians (Alter 60+, schwache Gesundheit), für weiteres Amtieren Maximians (Vitalität, Erfahrung), Mit-Abdankung 305 nur als Akt der Loyalität, Staatsraison.

Zum Panegyricus des Jahres 307

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9.6 Rhetorische Nebelspekulation: Diokletian wollte ja keinen Augustus unicus hinterlassen. 10.2 In Konstantins Provinzen (‚hier’) herrscht Ruhe, Unruhen aber gab es in Rom wegen des Statusverfalls der Hauptstadt, des Plans des Galerius zur Beseitigung von Steuerprivilegien und der Reduktion der Prätorianerkohorten. 10.5 Gemeint ist der Italienzug des Augustus Severus und die Desertion der einstigen Truppen Maximians von ihrem neuen Herrn. – Personifikation (gern bei Kollektiven: Städte; Italia, patria in Cicero-Reden; Nomoi – Gesetze der Polis in Platons Kriton): Roma, Herrin der Völker, bittet, klagt und gebietet hier als Mutter in bewegtem catilinarischem Pathos die offizielle Rückkehr (quousque). – auctoritas principis privati, eine neuartige Formel aus alten Grund- und Wertbegriffen, bezeichnet hier die weiterhin gültige Ansehensmacht des Ersten Mannes/Herrschers im Privat-/Ruhestand. 11.2 Zahlen gerundet: Augustus starb im Alter von knapp 76, regierte allein ca. 45 Jahre; Maximian ist ca. 250 geboren, dankte also Mitte 50, nach 20 Jahren Mitkaisertum, ab. 11.3 Als Aufenthaltsort Maximians sind Lukanien und Kampanien genannt, evtl. eine Grenzregion um Salernum (Grenzänderung im 4. Jh.); Maxentius wohnte 6 Meilen von Rom entfernt. 11.4 Das „Unrecht“ (bis Rededatum) könnte die Ablehnung Maximians durch die offiziell amtierenden Augusti Severus / Galerius sein. 12.3 Der Sonnengott allein rettet den Erdkreis, den sein Sohn Phaethon (‚eine andere Hand’) als Lenker des Sonnenwagens in Brand gesetzt hat (Ovid, met. 2,19ff.): Maximian nimmt die Position des Gottes ein (Lichtsymbolik §7f.); beim Part des Sohnes kann man an Maxentius, (maiestatis ordine) an Severus, ferner an Galerius denken. 12.4–6 Fazit der Legitimierung Maximians (Höhepunkt: Jupiterrede): Das imperium ist von Jupiter, dem auctor imperii Maximians (!), auf ewig (aeternum) verliehen, Ruhe(stand) eines Senior Augustus ist ggf. also nur ein Pausieren politischer Aktivität. – Dazu Kolb 1987, 151ff. 13.4 Tiberius Gracchus heiratet die junge Cornelia (ca. 176/5 v. Chr.), eine Tochter des älteren Scipio Africanus, die berühmte „Mutter der Gracchen“. 21 v. Chr. heiratet M. Vipsanius Agrippa die junge Julia, Tochter des Augustus und der Scribonia, ist also Schwiegersohn erst 10 Jahre nach seinem Seesieg von Aktium. – Auxesis: Der Ehebund (mit Fausta) wird übertroffen durch die Verleihung des Augustus-Titels = politisches VaterSohn-Verhältnis (s. o. 3,3). 13.5 Jugendtaten: Karthagersiege Scipios (~ 236–183) in Spanien (s. o. 5,2) und Afrika (202 Zama); Alterstaten: Marius (157–86) kehrte 87 unter

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Anmerkungen

Cinna nach Rom zurück. – Auxesis: Die gemeinsame Herrschaft beider Altersstufen vereint in umfassender Kompetenz alle Vorzüge (virtus, Praxis). 14.1f. Tableau idealer Arbeitsteilung und Einheit der Herrschaft (vgl. auch Diokletian-Maximian X 3,3–4,2.; 11,6). Zum Kosmokrator-Blick aus der Höhe s. das Tetrarchenrelief des Galeriusbogens von Thessaloniki (Baubeginn vor 303): die Augusti thronen auf der Himmelskugel, die Caesares stehen zu den Seiten (Kolb 2001, M5, 158ff.). 14.3(ff.) Die Apotheose des Kaisers als Lenker der Quadriga ist ein geläufiges Motiv. Sol, den Constantius als Sol Invictus besonders verehrt hat, erweist ihm besondere Ehre als Wagenlenker (s. 12,3; zu seinem Ableben an den Küsten des Lichts in Britannien s. VI 7,2; 9,3). Eine Trierer Konsekrationsmünze (310/313) greift eine traditionelle Darstellung wieder auf: (Divus) Constantius fährt auf der Quadriga vom Scheiterhaufen direkt in den Himmel empor (McCormack 1990, pl. 35). – Vgl. noch die Auffahrt des Romulus mit Gespann des Vaters Mars (Ovid, fast. 2,496), sowie des Herkules, von Minerva in Empfang genommen, auf der Igeler Grabsäule der Secundinier (Trevererland, Anfang 3. Jh. n. Chr., Heinen 1985,198f.). 14.4–6 Mit Adresse an Constantius und aus seinem Blickwinkel vom Himmel her preist der Redner abschließend die diversen Beziehungs-Stemmata von Divus, Senior Augustus und Iunior Imperator; Maximian und Konstantin ist größtmögliche Legitimität zugesprochen.

Zum Panegyricus des Jahres 310 (VI/VII) Zu Redeort (Trier) und Datum (310) s. N/SR 212ff. 307–310: Nach der Hochzeit Konstantins mit Maximians Tochter Fausta (307) ging Maximian nach Italien, überwarf sich mit seinem (erfolgreichen) Sohn und suchte in Gallien Zuflucht. Auf Ersuchen des Galerius fand im November 308 in Carnuntum an der Donau unter Vorsitz Diokletians eine Konferenz zur Regelung der sich zunehmend komplizierenden Nachfolgefragen statt. Ernannt wurde die 4. Tetrarchie (308–311) mit den Augusti Galerius (O) und Licinius (W), und den Caesares Maximinus Daia (O) und (immer noch) Konstantin (W): unberücksichtigt blieb sein 307 von Maximian verliehener Augustustitel; die Caesares durften sich Filii Augustorum nennen, wurden ab 310 beide auch als Augusti anerkannt. Maximian, unzufrieden mit seinem neuerlichen Ruhestand als Senior Augustus, versuchte von Gallien (Arelate) aus ein drittes Comeback, musste aber, von Konstantin bekämpft, in Massilia kapitulieren

Zum Panegyricus des Jahres 310

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und fand den Tod. Militärisch war Konstantin in seinen ersten Regierungsjahren vorrangig am Rhein gefordert. Ein erfahrener Redner mittleren Alters aus Autun trägt, bald nach den Quinquennalien Konstantins, diese Rede im Rahmen der Geburtstagsfeierlichkeiten der Stadt Trier vor. Das politische und herrschaftsideologische Auf und Ab bis hin zur jüngsten Eskalation erfordern eine Überdenkung der Grundlagen des konstantinischen Herrschaftsanspruchs: 306 Erhebung Konstantins beim Tod des Vaters in Eboracum; Caesar der 3.Tetrarchie; 307 Anschluss an Maximian (Hochzeit, Augustustitel), 308 Caesar der 4. Tetrarchie – ohne Aufstieg in Carnuntum, 310 Putsch, Feldzug und Tod Maximians, eines langjährig erfolgreichen, angesehenen (Senior-)Kaisers der Tetrarchie. Zeitnah hierzu wird der Öffentlichkeit ein komplexes Legitimierungskonzept vorgetragen: dynastische Aspekte wie die erstmals öffentlich propagierte Claudius Gothicus-Linie und das Lob des Vaters Constantius Divus (Wesen, Leistungen) sowie sein Vermächtnis; Erwählung durch einen Göttersenat; Erhebung durch das Heer; Anerkennung durch die Tetrarchie (Caesartitel); eigene Bewährung in den ersten Jahren (Germanensiege, Grenzsicherung); das prekäre Kernstück – die Beseitigung des unerwarteten Gegenspielers im eigenen Haus; zuletzt die göttliche Legitimierung mit Herrschaftsgarantie, im Bild der Apollon-Victoria-KranzSzene, mit Interpretationsspielraum zur Alleinherrschaft. – Eine Einladung nach Autun und Bitte um weitere Aufbauhilfe sowie eine Empfehlung seiner Kinder bilden den Schluss. 1 Einleitung: Rahmen (Stadtgeburtstag); Methode und Auswahl 2–20 Hauptteil: A. Konstantin als rechtmäßiger Erbe der Kaiserherrschaft: Abstammung, Lob des Vaters, Erwählung des Nachfolgers (2–9) B. Konstantins Taten und Tugenden als Erweis der Herrscherqualifikation: Außenpolitik; Erhebung Maximians und Sieg Konstantins (10–20) 21–23 Schlussteil: Vision – Segen der Kaiserherrschaft; Einladung, Empfehlung der Söhne 1.1 Geburtstag der Stadt Trier, s. zu c. 22,4ff. – Redeeinstieg mit gedrechselten Methodengedanken zu Redesituation und Themenfestlegung; nach betonter Adresse an die offiziellen Mitherrscher (Galerius, Licinius, Maximinus Daia) mit Herausstellung ihrer kollegialen Eintracht wird das Thema auf Konstantin allein eingegrenzt.

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Anmerkungen

2.1f. Die neue dynastische Trias: als Insiderwissen der Umgebung des Kaisers wird die (fiktive) Abstammung von Claudius II. präsentiert, einem militärisch potenten Kurzregenten (268–270) unruhiger Krisenzeiten, dessen Eltern und Geburtsort unbekannt sind. Ruhm brachte ihm der Alamannensieg am Gardasee (268) und besonders der Sieg über Goten und Heruler bei Naissos/Niš (269), dem Geburtsort Konstantins: Diese germanischen Oststämme stießen in der 2. Hälfte des 3. Jh.s vom Asowschen und Schwarzen Meer zu verheerenden Flottenzügen ins Mittelmeer vor, auf dem Balkan fielen seit 238 über Jahrzehnte Goten ein und kassierten Jahrgelder; vgl. XI 17,1. 2.3 Der 25. Juli (306) war Todestag seines Vaters, Tag der Truppenproklamation in Eboracum und dies imperii Konstantins. – Claudius ist Ahnherr (avita cognatio), ohne wirkliche Präzisierung; die Abstammungslinie wird literarisch (HA, Historiker, Reden), numismatisch, epigraphisch aufgenommen, weiterhin vage oder mit differierenden Details. 2.4 Dynastie der drei Kaiser: Claudius II., Constantius (I. Chlorus), Konstantin. 2.5–3.1 Bestechung, Stimmenfang, Klüngelwesen sind Schlagworte der Schwachstellen des Wahl- und Ernennungsprinzips in Republik und Kaiserzeit (aus Konstantins Sicht z. B. der homo novus Licinius als Augustus, Maximian jüngst in Gallien, Maxentius 306); M-R 67f. 3.3 Spiegel des gewachsenen Bedarfs an militärischer Kompetenz und Effizienz des Kaisertums im 3. Jh. sind die sog. Soldatenkaiser (235–284) und die Herrscher der Tetrarchie. Konstantin hält auch in virtus-Streben und Leistung mit (Satzbau §3f.!); vgl. VII 5,3. – Zu seinen frühen Jahren unter Diokletian und Galerius im Osten sind später mancherlei Geschichten im Umlauf, wie der Sarmaten(zwei)kampf (exc.Val.1,2,3) oder (vom „missgünstigen“ Galerius initiierte) legendäre Kämpfe mit wilden Tieren. 4.2 Das Erbrecht des Erstgeborenen wird betont, denn der Sohn des Constantius aus der frühen Verbindung mit Helena (ungenannt !) ist weder echtbürtig noch im Purpur geboren. Aus der offiziellen Ehe des Constantius mit Maximians Tochter Theodora waren 3 Söhne und 3 Töchter hervorgegangen. – Zur Alamannenschlacht von Vindonissa/Windisch s. u. 6,3. 4.3ff. Constantius: VIII 19,3; Ähnlichkeit beider: VII 3,3; M-R 84ff. – Ähnlichkeit als Zeichen der Echtbürtigkeit schon bei Hesiod, Theog.234. – Vgl. auch die Formen der Angleichung (similitudo) der Tetrarchenporträts.

Zum Panegyricus des Jahres 310

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5.2 Die Rückeroberung von Bononia (293) war die erste Großtat des Caesars Constantius auf dem Weg zur Beendigung des Sonderreiches unter Carausius / Allectus (s. VIII 6 Gesoriacum). 5.3 Bataverkampagne: VIII 8. – Landeskind: Menapier Carausius, s. zu VIII 12. 5.4 Britannienzug: VIII 11ff. – Kooperierend ruhige See; das Gegenteil: VIII 14,4f. mit Anm. 6.2f. Zu Siegen des Constantius am Niederrhein und Behandlung der Besiegten s. VIII 8f. – Das Plateau von Andematu(n)num (Langres) liegt im Land der Lingonen an einem Knotenpunkt von Routen zu Rhein, Rhône, Kanalküste; der Zusammenstoß mit den Alamannen war offenbar überraschend. Die Verwundung ist nur hier erwähnt (vgl. noch das Husarenstück: Eutrop 9,23). – Bei der Kreuzung des neu befestigten (ab 260) Vindonissa (Windisch) kam es zur Großschlacht; von dort führt die Route nach Norden ins mittlerweile alamannisch dominierte Dekumatland. Statt übersteigerter Zahlen (60 000 Tote) ein düster-spektakuläres Tableau: Feld der Leichen und Gebeine. – Zu Datierungsfragen: N/SR 225f. 6.4 Stämme, Datum, Ort nicht gesichert; zu Frostmotiv, Bataver-, Rheininseln s. M-R 108ff. 7.1 Idealisierte und religiös-überhöhte Version des letzten Unternehmens des Constantius in Britannien. Konstantin traf den Vater in Bononia (noch 305) zur Überfahrt und Feldzug. 7.2 Kaledonier: Bewohner Schottlands nördlich der Forth-Clyde-Linie (Tacitus, Agr.25), bekannt durch die Schlacht am Mons Graupius (Sieg des Agricola, 84). – Pikten: s. zu VIII 11,4; der Feldzug 305/6 war erfolgreich: Siegerbeiname Britannicus max.II am 7.1.306. – Zu Hibernia/Irland gab es trotz der „Nähe“ nur geringe Kontakte, es wurde nie von Römern erobert. –Thule, Insel/Land im nördlichen Ozean, eine äußerste Grenzregion, am Rand der Welt, ist stets eine Chiffre der Ferne: Den Namen erwähnt erstmals im 4. Jh. v. Chr. der Seefahrer Pytheas von Massilia (sie sei 6 Schiffstage von Britannien entfernt); die Antike identifiziert es mit den Shetlands oder Skandinavien (heute meist: Mittelnorwegen). – Mit den Inseln der Seligen ist eine uralte Vorstellung von einem idealen Ort glücklichen Daseins in segensreicher Fülle assoziiert, auch als Lohn für ein gutes und gerechtes Leben (III 23,1), die letzte vorstellbare „irdische“ Region. – Der Okeanos wird oft als Ursprung allen Werdens, Erzeuger von Göttern und Menschen (Homer, Il.14,246; Orph.h. 83) bezeichnet; Helios, Eos u. a. Sterne werden in seinem Bad zu neuen Spendern von Wärme und Licht regeneriert. – Todestag des Constantius 25. Juli 306: Das schier unendliche Licht der Mittsommerzeit im Norden ist in der Antike vielgerühmt, hier zugleich

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Anmerkungen

als Startpunkt der Reise ins Licht göttlicher Unsterblichkeit (vgl. 9,3; VII 14,3). – Zu 7.2 insgesamt mit Quellen: M-R 116–122. 7.3 Die göttliche Hand, die den Herrscher in den Himmel aufnimmt: s. Konsekrationsmünzen Konstantins (a. 337 Kaiser auf Quadriga, von oben Hand Gottes: RIC 8,142f.; 446f.; dazu Eusebius, VC 4,73; Constantius s. zu VII 14,3; M-R 124). – Höchste Legitimierung Konstantins durch Votum 1. des Vaters als des neuen Divus, 2. des gesamten Göttersenats unter Leitung Jupiters, 3. im Rückblick schon manifest in der Präsenz des Sohnes bei der Abreise des Vaters nach Britannien. – Zur späteren Dramatisierung und Legendenbildung (Laktanz, Eusebius u. a.) gehören Nachstellungen des Galerius, Taten und Listen Konstantins, seine Ankunft erst am Sterbebett des Vaters. 8.1 Perser und Kreter sind seit ältester Zeit berühmt als Bogenschützen, Letztere auch als Söldnereinheiten; der Heros Kydon ziert als Bogenschütze Münzen seiner Gründung Kydonia (heute Chania). Es sind auch beliebte poetische Exempla (Vergil, ecl.10,59f.; Aen.12,856ff. M-R 130f.). 8.2ff. Unmittelbare Heeresakklamation für den „Erben“ (implizit: den irdisch designierten) vor Ort, Purpur-Investitur beim ersten Ausritt: Tränen der pietas und (zunächst) Ablehnung der Würde (recusatio): Präsentiert wird eine ganze Palette an Ritualen und Topoi zum Herrschaftswechsel. – Die Anfrage bei den rangälteren Herrschern signalisiert das Streben nach Einhaltung tetrarchisch-hierarchischer Prinzipien. Adressaten: die Emeriti Diokletian und Maximian sowie Galerius (ranghöchster Tetrarch im Amt) oder der Augustus mit beiden Caesares, alle drei so amtierend seit 305. Severus rückt nach, Konstantin wird Caesar (VII 5,3). 8.4 Pointiert im Kontext eingefügt ist jeweils die Invictus-Anrede: Auftritt der Victoria in §5 (5,4; 21,4), Sieghaftigkeit 12,1 (Germanensiege). 8.5 Berühmte Rosse des Mythos, schnell, weithin eilend, in der Poesie beliebt: Kyllaros ist eine Gabe des Poseidon an Hera, die ihn den Dioskuren schenkt (meist gehört er Kastor); Ar(e)ion, dunkelmähniger Spross von Poseidon und Demeter, hilft Herakles, Elis zu erobern und rettet Adrast als einzigen aus dem Kampf um Theben. – Iris, windschnelle Götterbotin (oft für Hera), tritt in den Hintergrund vor dem Paar, das Macht und Sieg unüberbietbar wirksam und gültig repräsentiert: Jupiter mit der Siegesgöttin als flügelschneller Botin. 9.1 Konstantin als Caesar: vgl. 8,2 und VII 5,3; Lactanz, DMP 25. 9.1–3 Lob Britanniens als einer paradiesisch idealen Welt, mit großer Nähe der Motive zum Italienlob Vergils (georg.2,136–76). Vgl. auch Tacitus, Agr.12; andere Akzente in VIII 11. – Ceres schenkt Getreide, Liber den Wein.

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9.4 Stätten des Lichts an den Grenzen der Welt: Konstantins Epiphanie im Norden. – Süden: Merkur/Hermes entspricht dem ägyptischen Gott der Weisheit, Wissenschaft, Schreibkunst, Thoth/Hermes Trismegistos (Der 5. Merkur: Cicero, nat.deor.3,56). – Die vielgesuchten Quellen des Nil wahren ihr Geheimnis bis ins 19. Jh. – Osten: Liber (Pater) entspricht Dionysos-Bakchos; das Toponym „Nysa“ bezeichnet den Ort der Geburt/Kindheit des Gottes, viele Städte wetteifern um die Lokalisierung: auch Indien wird, zunächst nur Eroberungsziel des Gottes, schließlich als Stätte seiner Epiphanie vorstellbar (Alexanderzug). 10.1f. Die Politik der Härte des neuen Caesars, zurück am Rhein, wird gerühmt, dabei eigens und immer wieder die Tötung der Frankenkönige Ascaricus und Merogaises (VII 4,2; VI 11,3.5; IV 16,5f.). 10.4 oderint dum metuant: Zitat aus Tragödie des Accius (2. Jh. v. Chr.) bei Cicero, Sest.102; sonst als Devise von Tyrannen getadelt, hier als Ausdruck gerechtfertigter Strenge gegen Barbaren. 10.6 Der Triumphzug führt vom Marsfeld durch die Porta Triumphalis zu den Märkten am Tiber, durch den Circus Maximus, umrundet den Palatin, zieht weiter über die Via Sacra (Forum) zum Saturntempel: an dessen Fassade biegt der Triumphator nach links zum Kapitolshügel, die Gefangenen werden nach rechts in den Carcer Mamertinus (Tullianum) abgeführt, die Führer hingerichtet (erdrosselt). 10.7 Perseus, letzter Makedonenkönig und Verlierer von Pydna (168), ergibt sich dem Sieger L. Aemilius Paullus; nach dem Triumphzug wird er in Alba Fucens interniert und stirbt wenige Jahre später. – Angeregt durch den Sieger, findet in Rom eine rege öffentliche clementia/humanitas-Debatte statt. – M-R 159–63. 11 Rheinpropaganda: s. auch X 7(,7). – §3 Bau einer Rheinbrücke (Köln-Deutz): s. c.13. 11.5 Zu den Befestigungsanlagen an Rhein und Hinterland ab der Tetrarchie s. Kuhoff 670ff.; Zierde = eher ein Euphemismus. – bicornis-zwiegehörnt: Gemeint sind die beiden Mündungsarme Rhein und Waal (13,2); vgl. Vergil, Aen.8,727, sowie das Rheinlob des Ausonius, Mos.428–37. 12 Drei Militäraktionen Konstantins am Rhein bis 310: 306/7 gegen Franken am Niederrhein mit der Tötung zweier Könige; 308 gegen die Brukterer §2ff.; 310 Frankenzug, abgebrochen wegen Maximian. – Die Brukterer sind um die Zeitenwende zwischen Lippe und Ems ansässig, haben allmählich ihre Wohngebiete nach Süden, bis zur Wupper-Sieg-Region verlagert (Tabula Peutingeriana; M-R 172–4). Der Blitzangriff über den Rhein inszeniert eine exemplarisch offensive, krasse Machtdemonstration. – Zum Amphitheater: M-R 177–80.

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Anmerkungen

13.1 Die erste steinerne Rheinbrücke (Köln-Deutz) trägt den Namen der Stadtgründerin von Köln, Agrippina d. J., der Mutter Neros, die 50 n. Chr. ihren Geburtsort (oppidum Ubiorum) zu einer großzügig angelegten Veteranenkolonie erheben ließ: Colonia Claudia Ara Agrippinensium. 13.2 Unser Fluss = Mosel (Redeort: Trier); Neckar, Main = rechtsrheinisch, nichtrömisch. 13.3 Die Ingenieursleistung: Brücke ca. 420 × 10 m; ca. 19 Pfahlrostfundamente mit je ca. 80 Eichenpfählen in eisernen Pfahlschuhen; darauf Steinpfeiler; Oberbau in Holzkonstruktion. Der Brückenbau ist begonnen, als Brückenkopf entsteht rechtsrheinisch das Kastell Divitia. 13.4 Das erste Flotten-Brückenpaar des Xerxes bei Abydos zu Beginn des Perserzugs (480 v. Chr.) vernichtet ein Sturm nach Bauende (Herodot 7,34f.); vgl. VIII 7,1 Hybris des Königs. Auch das zweite fällt vor dem Rückzug der Perser Stürmen zum Opfer (Herodot 8,117,1). – Caligula (37–41) lässt eine ca. 5 km lange Schiffs-Brücke à la „Via Appia“ von Puteoli nach Baiae bauen. Bautechnik, Ziele, kaiserliche Divertissements bei Sueton, Cal.19. – Caesar ist ab Claudius Bestandteil des Herrschernamens, vorher Familien-Cognomen; der Redner von 310 zählt seine Cäsaren ~ Kaiser ab Augustus und Tiberius. 14.1f. Der Redner verbalisiert filigran differenzierend seinen aktuellen Konflikt zur Strategie der öffentlichen Verlautbarung vor Kaiser und Publikum, Emotion und Politik erfordern einen Seilakt der Diplomatie und Psychologie: Kontrast der bis vor kurzem zu propagierenden familiären und politischen Vertrautheit zu Undank, Verrat, Eklat, krassem Ausgang jüngst. 14.3–5 Ostentative Suche im philosophisch-religiösen Deutungs-Repertoire: Das Fatum der Stoiker ist Rechtfertigungs-Topos schicksalhafter Unabänderlichkeit, Fortuna (nur hier auch negativ assoziiert) führt das Böse selbst aus. – Platonisches Gedankengut ist das Gute als Gabe der Götter, ebenso das Bild einer selbstverantworteten Lebenswahl im Schlussmythos der Politeia. – Der Freitod ist stoische Freiheitslizenz bei unentrinnbarer Lage; s. u. 20,3. 14.6 Nach Maximians Rückkehr von der Hochzeit in Gallien (307) eskaliert im Frühjahr 308 die Rivalität von Vater und Sohn in Rom zu offenem Machtkampf; vertrieben, wendet sich Maximian erneut nach Trier. – Illyricum (Balkanpräfektur): Diokletian, in Spalatum/Split im Ruhestand, lehnt die offizielle Rückkehr aus dem Ruhestand auf der Konferenz in Carnuntum endgültig ab (308); Konstantin nimmt den Schwiegervater wiederum

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auf, in umfassendem Entgegenkommen. – Details zu Quellen und Ablauf: N/SR 238f. 15.1 Ringe als Ausdruck von Treue und Verbundenheit, Auszeichnung und Verpflichtung (vgl. auch den Ring des Familienoberhauptes und die Praxis der Fides-Ringe). – In der hier suggerierten Rollenteilung billigt Konstantin dem Altkaiser hohe Ehre und konkreten Einfluss und Machtspielraum zu: Damit ist das Unrechtsverhalten besonders betont, oder es ist ein Indiz für eine Entwicklung der Rolle Maximians von der Aufnahme als Gast bis zum aktiven Einsatz. – N/SR 240. 15.2 VII 9,5 betont Maximians Fitness im Jahr 307; jetzt soll Altersdemenz des ca. 60-Jährigen seine Taten als entschuldbares Fehlverhalten (error/hamartia) erklären. 15.3 Genussunfähigkeit und rastlose Unersättlichkeit tadelt ebenso der Epikureer Lukrez (3, 935ff., 956ff.), rechtes menschliches Verhalten gegenüber Leben, Alter, Tod reflektierend. 15.4f. Neuorganisation von Herrschaft durch Teilung und Zeitbegrenzung sind Verdienste Diokletians (285 Dyarchie, 293 Tetrarchie, 305 Rücktritt, 2.Tetrarchie, 308 Carnuntum) – Die Bilder von Gespann, Stamm, Adoption, Familie rufen die Ideale der Tetrarchie in Erinnerung, im Kontrast dazu der Eidbruch Maximians. 15.6 Der römische Eid fand wohl beim Vicennalientreffen statt (303), der Loyalitätseid im Kaiserpalast zu Trier. 16.1 Konstantin ist mit Truppen am Rhein (Franken), Maximian zieht mit Truppen gen Süden. Die „Usurpation“ erfolgt in Arles (Geldgeschenke). Die Abdankungen fanden 305 in Mailand und 308 in Carnuntum statt. 16.2ff. (–18) Die langen Elogien zum Verhältnis Konstantin/Soldaten dienen auch der Legitimation: Konstantins Charisma und Vorbild erzeugt ein Heer in treuer Liebe und philosophischer Haltung, seine Unbestechlichkeit ist der Kontrapunkt zu Maximians Donativen (Münzstätten in Lyon, Arles). 17.2 Der Makedonenkönig Alexander der Große und der thessalische Held Achilleus, Herrscher der Myrmidonen: Ihre Virtus und Schönheit wurden allgemein bewundert und waren Vorbild vieler Herrscher zur Stilisierung der eigenen Person. 17.3 Der Zusammenklang von geistiger und körperlicher Schönheit und Vortrefflichkeit ist ein Vollkommenheitsideal, das in Poesie und historiographisch-biographischer, medizinischer Literatur, Physiognomik und Philosophie viel erörtert ist. – M-R 239f. 17.4 Die göttliche Schönheit Konstantins ist ebenso Zeichen seines wahren Herrschertums.

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Anmerkungen

18 Die Marschroute führt wohl von Köln rheinaufwärts abbiegend nach Trier, dann über Metz-Toul-Langres bis Chalon (ca. 500 km); ab dort geht die Fahrt zu Schiff über die träge Saône bis zur Einmündung in die rasch fließende Rhône bei Lyon und weiter nach Arles (ca. 350 km); dann wieder Fußmarsch bis Marseille. Die Strömungsunterschiede sind in der Antike oft betont. – §6 Der Mistral weht im Rhônetal mit ca. 50–75 km/h – hübsche Auxesis. 18.4 Der Verkehrsknotenpunkt Arelate/Arles (Italien-Gallien-Spanien) erhielt durch die Kanäle des Marius (fossae Marianae) für den Schiffsverkehr im (verlandenden) Rhône-Delta neue Bedeutung und diente Caesar als Kriegshafen für seine Belagerung von Massilia (49 v. Chr.); Colonia ab 46, erlebte die Stadt ihre wirtschaftliche und architektonische Blüte in der Kaiserzeit (ab Augustus; Konstantin; Palast am Decumanus, gegenüber Forum) und war in der Spätantike Sitz der gallischen Präfektur und christliche Metropole. 19.1 Die Topographie von Massilia zeigt die Größe der Belagerungsaufgabe: Der natürliche Hafen Lakydon (heute Vieux Port) mit seiner ca. 100 m breiten Einfahrt; Mauern und Türme wurden zerstört von Caesar, unter Nero wiederaufgebaut; der Isthmus ist ca. 800 m breit (~ 500 Schritte, nicht 1500: Redner ist ohne eigene Ortskenntnis, Abschreibfehler?). 19.2 Gegründet als Handelskolonie des ionischen Phokaia (um 600), stand sie in Konkurrenz zu Etrurien und Karthago; im Hannibalkrieg waren die Massilioten auf Seiten der Römer und überhaupt deren treue Freunde und Verbündete, ab 125/120 ein Teil der Gallia Narbonensis; nach 49 hatten sie zunächst freilich Territorialverlust und Niedergang hinzunehmen. 19.3 Aufwendige Belagerung und Eroberung im Bürgerkrieg: Die Massilioten hatten vor Caesar (geb. 100), der gegen Pompeius (geb. 106) auf dem Durchzug nach Spanien war, die Tore verschlossen. Der Redner kannte Caesars Bericht (s. b.c.1,34ff. 56ff.; 2,1–16. 22; dazu das SeeschlachtenGroßgemälde in Lukans Epos zum Bürgerkrieg (3,509–762). 19.4–6 Konstantin konnte („wollte“) die Festung nicht im Sturm einnehmen; stattdessen führt der Redner dramatische poliorketische Einzelszenen des Soldateneifers vor. – M-R 251-60. 20 Gegenbild: Konstantins pietas und clementia: als Pflichtgefühl (innerer Friede statt Bürgerkrieg, Verzeihung für reuige Irregeleitete, s. 16,1), dazu der familiäre pietas-Aspekt, also (vergebliche) Schonung Maximians. – Die genauen Ereignisse und Umstände der Übergabe der Festung (Verhandlungen etc.) und des Lebensendes Maximians sind auch mit den späteren Quellen nicht sicher zu ermitteln. Der Freitod (14,5) wird z. B. tendenziös ein schmähliches Sich-Erhängen – nach Begnadigung und neuer-

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lichem Komplott, das die Tochter Fausta verrät (Lactanz, DMP 29,8–30): eine Story mit Zukunft in den Quellen! – N/SR 246f. 21.2–4 Auf dem Rückweg von Südgallien Kunde von neuen Barbarenunruhen am Rhein: Hier komprimiert zur Eintagesirritation, werden sie Grund für eine zweite Dankadresse an die Götter ob neuerlicher Rettung des Staates. – §3 Den Abstecher zum schönsten Heiligtum im Erdenrund (s. u.§7) gestaltet der Redner dann als dritten und höchsten Gunsterweis der Gottheit: Seine Klimax gipfelt in einer Epiphanie und sicheren Verheißung dessen, was das Volk dem Herrscher an den bevorstehenden ersten Quinquennalien wünschen wird, – vorab, betont in persönlicher Zuwendung (praesentem; 3 x vidisti): dein Apollo und die Siegesgöttin, mit Lorbeerkränzen, die ihm eine Lebens- und Regierungszeit, über das sprichwörtliche Alter des weisen Nestor von Pylos hinaus, zusagen, der selbst drei Generationen (à 30) bzw. noch darüber hinaus gelebt hat (120–125 Jahre galten als Höchstalter): Der Hörer assoziiert Siegeskränze und Jubiläums-Vota(schilde, -schalen), Münzbilder mit solchen Zahlen, hier sind sie addiert gedacht, also 3(–4) Kränze. 21.5f. Literarisch-politische Deutung: Das in den sibyllinischen Büchern lange prophezeite goldene Zeitalter der Weltherrschaft (!) Apollons ist jetzt erst wirklich eingetreten (vgl. Vergil, ecl.4,10.). Konstantin trägt selbst die (seit augusteischer Zeit bes. herausgestellten) Züge strahlend schöner, heilbringender Gestalt dieses Gottes und ist also auf Erden sichtbares Zeichen. – Zur Vielzahl der Anknüpfungsmöglichkeiten für eine apollinische Schutzgottheit im Jahr 310, aktuell und generell, s. M-R 334ff. Neben den Aspekten von Mantik und Katharsis ist in Gallien Apollon als Heilgott (z. B. als Grannus) und reichsweit die Verbindung zum Sonnengott/Sol/ Helios (traditionell und auch mit weiteren Kultzuordnungen, bes. im Osten: Mithras, Sarapis u. a.) sowie die besondere Vorliebe für ihn im 3. Jh. zu nennen. Grégoire vertrat 1930f. die These von einer gemeinsamen Grundlage (und bedarfsorientierten Adaption) der konstantinischen, paganen und christlichen Visionsberichte; ein wetterbedingtes Naturphänomen, sog. Ring-Halos, Lichtkreise und Nebensonnen mit der Sonne in der Mitte, das längere Zeit andauern kann und seit der Antike als spektakuläres Faszinosum oft beschrieben wurde, wird seit einigen Jahren für eine solche Interpretation genauer untersucht: dazu zuletzt Girardet 2007, 32ff. mit Photos und Literatur. Eine solche Lichterscheinung würde zu den Sol Invictus-/Comes AugustiMünzen ab 310 passen. Sonne als Metapher für Licht, Gerechtigkeit erleichtert eine christliche Deutung. – Zur Fülle der Deutungsversuche der

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Anmerkungen

Apollo-Vision s. N/SR 248ff.; zu Beispielen und Funktionen kaiserlicher Träume und Visionen s. Demandt 2006, 49ff.; s. auch zu IV 14. 21.7 Der heutige Ort Grand (Dept.Vosges) am Rand des Leukerlandes zu den Lingonen hin wird seit Jullian 1926 als Ziel des Besuches vermutet und seit den 60er Jahren systematisch erforscht: Es war ein zentrales Heiligtum (mit großem Theaterkomplex) zu Kult- und Heilzwecken unter der Obhut des Apollo Grannus mit Zeugnissen zu Inkubation und Traumoffenbarung: Die geologischen Besonderheiten des karstigen Kalkplateaus und ein Kanalsystem der Römer (ca. 15 km) führen in einer Konvergenzzone an der Pfarrkirche die Wasser des Plateaus zusammen, hier war offenbar das Zentrum. Vgl. die Bädervignette ?Andesina der Tab. Peutingeriana. (Übergang Segment II5 zu III). – Zu Anlage und Besonderheiten des Heiligtums s. M-R 1993,41–66. 21.7–22.1 Gemeint ist der Apollon der Stadt Augustodunum (22,4): Apollontempel und Kapitol im Zentrum (IX 9,3). Der Wesensbereich Apollons ist vielschichtig, Wahrheit, im Orakel verhüllt kundgetan, und strafende Gerechtigkeit gehören dazu: Der Meineid spielt auf Maximians Treubruch an (15,6). Einige nie gefrierende Quellen und eine Fontaine chaude sind in der Umgebung von Autun bezeugt; zweithäufigste Epiklese Apollons ist Borvo (Herr der sprudelnden/heißen Quellen). Ferner gibt es antike Zeugnisse für die Nutzung heiliger Wasser (dampfender Quellen, Flüsse, Kraterseen) zu Strafriten für religiöse Vergehen in Gallien und anderswo (s. M-R 288). 22.1 deus praesentissimus: Gemeint ist der Kaiser in seinem überaus segensreichen Wirken für die Menschen. 22.3 Der Kaiser besuchte die Stadt innerhalb des nächsten Jahres, vgl. die Dankrede V. 22.4f. Zum vielzitierten Ehrentitel seit den Tagen der Republik s. V 4,1 (c.2–4 mit Anm.). Für das Datum des Stadtgeburtstags der Augusta Treverorum/Treveris setzt man Anfang August an (die 2000-Jahrfeier fand 1984 statt). Unter Augustus Militärposten am Moselübergang, dann unbefestigte Zivilstadt, am Straßenkreuz Lyon-Köln und Reims-Mainz gelegen, wurde die Stadt Sitz des Finanzprokurators (Belgica, Germaniae), war Colonia wohl ab Claudius und erlebte eine wirtschaftliche Blüte bis Mitte des 3. Jh.s; sie war wohl Hauptresidenz im gallischen Sonderreich; sie wurde verwüstet von Franken und Alamannen (275/6), dann von den Tetrarchen (Constantius) und bes. Konstantin als Kaiserresidenz und Hauptstadt der Dioicesis Galliarum großzügig ausgebaut, auch als kulturelles Zentrum Galliens. – Bauten: Amphitheater (um 100; über 18 000 Plätze; Teil der Stadtmauer 2./3. Jh.) und Circus (ca. 50 000–100 000 Plätze: restauriert, Rom über 200 000); verschiedene Bauten basilikalen Zuschnitts sowie das

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Forum im Zentrum; Sitz der Gerechtigkeit: urspr. Sitz des Finanzprokurators (mit gewisser Rechtsprechungsbefugnis), jetzt Neubau einer großen Audienzhalle als Palastaula und dann Amtssitz des praefectus praetorio (PPO) der Galliae (Zivilverwaltung, Rechtsprechung); vgl. auch Eumenius in Lyon (IX 1,2). – Zu weiteren Trierer Bauten s. Heinen 1985, Cüppers 1990, Weber 2007, 65ff., v. Hesberg 2006,133ff. 22.6 Hera (Juno), die listige, und Zeus (Jupiter) auf dem Ida in liebender Zweisamkeit, geborgen in goldener Wolke, auf duftendem, farbenfrohem Blumenpolster der fürsorglichen Erde (Homer, Il.14,346–351) – die allbekannte Szene liefert einen hübschen, poetischen Vergleichspunkt für den deus praesens Konstantin und seine Blumen (vgl. V 13,6). 23.1 otium / private Betätigung steht hier als Gegenbegriff zu Hofämtern, ansonsten auch gegenüber öffentlichen Ämtern (Forum), und bezeichnet den nicht-öffentlichen Raum der (Hoch-)Schultätigkeit. Vgl. sacer–privatus: kaiserlich–nichtkaiserlich. – Der advocatus fisci (Amt seit Hadrian) ist ein fest besoldeter höherer Justizbeamter der Finanzverwaltung des Prokurators, der in Prozessen den Staat gegenüber dem privaten Steuerzahler vertritt. 23.2 Zu der Vielzahl an Aufgaben am Hof und in der Staatsverwaltung, die unter Konstantin weiter differenziert und hierarchisiert werden, s. Demandt 2007, 275ff., 292ff.; IX 5,4.

Zum Panegyricus des Jahres 311/12 (V/VIII) Zu Redeort (Trier) und Datum (311/12) s. N/SR 255f. Nach dem gescheiterten Usurpationsversuch und Tod Maximians (310, Rede VI) galt es für Konstantin, seine Herrschaft zunächst innerhalb seines bisherigen Reichsteils (Galliae, Britanniae, Hispaniae) zu festigen. Nach dem Tod des Galerius (Mai 311) waren von der 4. Tetrarchie (Carnuntum 308) weiterhin Maximinus Daia, Licinius und Konstantin im Amt (seit 310 alle als Augusti). Konstantin hatte den nunmehr geplanten Feldzug nach Italien gegen Maximians Sohn, den (nicht als Augustus anerkannten) Maxentius, vorzubereiten: Sorge für Grenzen (Rhein), Straßennetz, Wirtschaft war zu treffen, vieles direkt vor Ort zu erledigen. Noch im Jahr 310 unternahm er eine Reise nach Britannien, spätestens im Frühjahr 311 den kurzen, aber folgenreichen Besuch in Autun. Im Rahmen der Abschlussfeierlichkeiten von Konstantins Quinquennalienjahr (Antrittsdatum 25.7.306) hält der Redner, offenbar Redelehrer und Rhetor in Augustodunum, in Trier vor großem Festpublikum im Namen

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Anmerkungen

seiner Stadt eine Dankrede (gratiarum actio) für den Besuch des Kaisers und seine Segenstaten zur Wiederherstellung der Aeduer-Kapitale nach der Belagerung und Plünderung durch den Sonderkaiser Victorinus (269/70). Die traditionsreichen Beziehungen der Aeduer zu Rom, ihre politische, kulturelle, wirtschaftliche Bedeutung für die Romanisierung Galliens bilden die Folie für den unverdienten und krassen Absturz. Neu- und Sonderregeln Konstantins zur Besteuerung der civitas schaffen sofortige und nachhaltige Abhilfe. Mit den Erneuerungsmaßnahmen sieht sich die Stadt den (2.) Flaviern, Vater Constantius und bes. Sohn Konstantin, existentiell verpflichtet, will zum Zeichen nun auf ewig Flavia Aeduorum heißen und propagiert freundlichst den Wettbewerb mit der Residenzstadt Augusta Treverorum (1,1). Anreise und Aufenthalt des Kaisers in der Stadt sind für das geistige Auge zu nahem Miterleben durch den Hörer integriert. 1–2.3 Einleitung: Dankrede in Trier für Besuch Konstantins in Autun und Gunsterweise dort 2.4–7 Hauptteil I: Die Stadt a. Alte Verdienste b. Verfall nach Eroberung 269 (Victorinus) 8–13 Hauptteil II: Gunsterweise Konstantins a. Steuerreduktion b. Erlass der Altschulden 14 Schluss: Das neue Leben, Glück, Kaiserbesuch, neuer Name: Flavia Aeduorum 1.1 Flavia Aeduorum (s. 2,1; 14,5): Eigentlich sollte die ganze Stadt (Personifikation, Irrealis) in Trier auftreten, um Dank zu sagen. Ein neuer Stadtname gebührt einem neuen Gründer – gemäß den Dimensionen der Erneuerung, erhofft ist Residenz-Format, der Wettbewerb zu Trier das Leitmotiv, s. 2.1 – aemula: Konkurrenz auf höchstem Niveau (s. VI 22,4f.). – Die sog. 2. Flavier umfassen die Zeit 293–395 (Constantius I.–Theodosius I.), Dynastie bis Julian; Bürgerrechtsverleihungen unter der ersten Flavierdynastie (68–96) hatten den Gentilnamen Flavius weit verbreitet. – Fortgeführt wurde der Name Augusto-dunum, bis heute: Autun. 1.2 Der Redner (s. o.), Mitglied des Dekurionenrats seiner Stadt, hat die Kaiseraudienz dort miterlebt (§3ff.); der eigene Antrieb zur Übernahme der offiziellen Dankrede beweist sein Berufsethos, und die Stadt kann mit ihm, mit dem Glanz einheimischer Redekunst dem Kaiser Reverenz erweisen. – privatus: meint hier die (zurückgezogene) Tätigkeit von Unterricht und Schulrhetorik im Gegensatz zu öffentlichen Redeauftritten, zur Fülle an Realsituationen epideiktischen Bedarfs (Stadt, Hof; sowie bei anderer beruflicher Gelegenheit, z. B. Gericht).

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1.3 Proskynese findet in verschiedenem Zusammenhang statt: z. B. als Geste der Selbstunterwerfung des Besiegten, als Ritual des offiziösen höfischen Zeremoniells der Ehrerbietung oder der Preisgabe des Hilfe Erflehenden, den der Kaiser aufhebt, rettet. 1.4f. Die so direkt vor Ort verfügten Maßnahmen des Kaisers verschoben, nach Einzug und Begrüßung, alles weitere Zeremoniell: statt kurzem Dankeswort vor kleinem Publikum mit geringer Breitenwirkung heute das Gegenteil, mit breiter Schilderung des „Tages von Autun.“ 2–7 Verdienste und Schicksalsschläge der Aeduer: evtl. Partie urspr. vorgesehener Bittrede. 2.1 Präsentation des Festpublikums der Quinquennalien: Es hat nach Zusammensetzung, Rang und Zahl größten und prunkvollen Umfang: vom innersten Kreis der persönlichen Entourage und der zentralen Bürokratie zu den offiziell entsandten Vertretern der Provinzen und Städte bis hin zu einzelnen Bittstellern: Dieser vielschichtige Kreis der Gäste ist Basis der Multiplikation von Wort und Ereignis im Land – ‚fama volat´. 2.2f. Auxesis: Der gute Herrscher sorgt für alle; der weise wägt Verdienst und unverdientes Unglück, stiftet mit Zukunftsblick (providentia) eine verdiente neue Lebensbasis; vgl. 7,5. 2.4 Die Aeduer waren von jeher ein mächtiger, reicher Stamm der Celtica zwischen Saône und Loire mit Handelsverbindungen in alle Richtungen, im 2. Jh. v. Chr. als Verbündete Roms bezeugt. Caesar betont Größe und Ansehen (b.G.1,23,1 Bibracte) und verweist auf die häufigen Ehrenadressen durch den Senat als Bruder und Blutsverwandte der Römer (b.G.1,33,2; Tacitus, ann.11,25,1): Die mächtigen Arverner erhoben Anspruch auf trojanische Abkunft (Lucan 1,427f.) – hatte die „anerkannte“ Stammverwandtschaft der Aeduer mit Rom auch eine derartige trojanische Basis (à la Aeneassage)? S. aber 2,4. – Zu nachantiken Trojagründungsmythen von Völkern – Franken, Türken, Briten, Herrscher – und Adelsdynastien, Städten s. Pistorius, DNP 15,3 (2003), 615ff. – IX 4,1; VI 22,4. 2.5 Konstantins Familie und Autun: Claudius II. Gothicus, Konstantins (fiktiver) Ahnherr von 310, war 269 noch andernorts verhindert; s. 4,2; VI 2,2. – Der aktuelle Stand der Maßnahmen des Constantius wird gewürdigt; s. 4,4 und die Liste des Eumenius (297/98 – IX 4). 3.1 amici/Freunde und socii/Bündnispartner aus Furcht und Nutzerwägung: Der Ebrovertrag der Römer mit Hasdrubal (226 v. Chr.) sollte den Expansionsdrang der Karthager in Spanien (seit 237) bremsen; die römische Überlieferung macht den Angriff Hannibals auf Sagunt (Status unklar, wohl nur amicus; hier aber mit foedus//Bündnis) zum Anlass für ein bellum iustum, den 2. Punischen Krieg (218–201). – Massilia, blühendes Handelszent-

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Anmerkungen

rum im westlichen Mittelmeer und an karthagischer Expansion wenig interessiert, war socius Roms in der Vorkriegszeit (Livius 21,20,8) und treuer Verbündeter im Krieg. – Fiktive Verwandtschaft: Der Name Mamertiner ist von oskisch Mamers (Mars) abgeleitet: Marssöhne; Mars ist auch der Vater von Romulus und Remus. Die Mamertiner, kampanische Söldner des Agathokles v. Syrakus, hatten nach dessen Tod (289) Messana (Sizilien) besetzt; der Hilferuf an Rom gegen eine Besatzung der Karthager führte zum Eingreifen Roms und Beginn des 1. Punischen Krieges (264–241). – Überraschende Pointe: Fiktion und Schmeichelei sei das Band Ilion/Troja-Rom! (Die Aeneas-Latium-Tradition ist seit dem 5. Jh. v. Chr. bezeugt). 3.2 Arverner und Sequaner hatten die Germanen unter Ariovist gegen die Aeduer ins Land gerufen; nach der Schlacht von Magetobriga wurden die Aeduer weitgehend entmachtet. Der Druide Diviciacus kam 61 v. Chr. nach Rom, den Senat um Hilfe für die Aeduer zu bitten (unerwähnt sein Misserfolg; Ariovist schloß 59 sogar einen Freundschaftsvertrag mit Rom.). Mit Antritt seines Prokonsulats (58) vertrat Caesar in Gallien, von der Basis der Gallia Narbonensis aus, erweiterte Interessen: Kampf gegen die Helvetier und Ariovist, dann die sukzessive Eroberung der Tres Galliae (b.G.1,1); die Unterstützung durch die Brüder und Blutsverwandten stellt Caesar in seinen Commentarii vielfach heraus. Panegyrisches Schweigen zu den Konflikten am Anfang, beim Aufstand des Vercingetorix (Wahl in Bibracte) sowie des Iulius Sacrovir (21 n. Chr. Besetzung von Autun; Tacitus, ann. 3,40ff.). 3.4 Stolzes Selbstbild: die Aeduer als Haupt der Einigung und Romanisierung Galliens. 4.2 Belagerung von Autun (269/70) durch Victorinus. Motive der Aeduer für das Abrücken vom Sonderreich: geschwächte Einheit nach dem Tod des Postumus, Rheinkonkurrenz, Siege des Claudius über Alamannen 268, Goten 269. – König 1981, 148ff.; N/SR 270f.; 2,5; VI 2,2. 4.3 Als restitutor r.p. eröffnet Claudius auch die Linie ConstantiusKonstantin – Kaiser Aurelian errang 274 bei Châlons-sur-Marne, dem Hauptort der Katalauner, den Sieg über die Truppen des letzten Gegenkaisers Tetricus (271–74); dieser hatte sich zuvor ergeben. Das Ende des Gallischen Sonderreichs war besiegelt (260–74). 4.4 Zu Maßnahmen unter Constantius vgl. IX 4,2f.; VIII 21,1. – metyci (metoikoi), griech. Fremdwort, hier für neu zugezogene Einwohner: Es fehlte an Handwerkern, Landbevölkerung und Bürgern gehobenen Standes (vgl. die Vertreibung der Arborii, adliger Vorfahren des Ausonius mütterlicherseits, aus dem Aeduerland während des Sonderreichs: Ausonius, par.4).

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5.4 Die Maßnahmen des Constantius (297ff.) galten den Folgen der Eroberung 269/70; der Sohn setzt das Engagement fort, es waren jetzt in erster Linie die Folgen des neuen, von Diokletian inaugurierten reichsweiten Steuersystems (Zensus von 306) zu mildern: Die Steuereinheiten bemaßen sich nach Menschen / Arbeitskräften, Viehbestand, Größe und Güte des Grundbesitzes: Auf die Gesamtzahl der Steuereinheiten einer Provinz wurde dann der jeweilige Jahresbedarf des Fiskus für militärische und zivile Kosten verteilt und eingezogen. Aktualisierungen waren zyklisch geplant (Ägypten: 5 Jahre, 15 ab 312/3), die erste 311; Konstantin setzt eine Doppel-Sonderregelung für Autun fest, c.11–13; Demandt 2007, 294ff. 6–7: Düsterstes Gemälde von krasser Eindringlichkeit: Wüstnis und Verfall aller Ökonomie und Infrastruktur als Folie für das rettende Licht des kaiserlichen Besuchs. 6.1 Blühende Wirtschaft der Kaiserzeit bei Stämmen der Belgica: Remer, zwischen Marne und Aisne (Durocortorum/Reims), frühe Freunde Roms; Nervier, zwischen Schelde-Maas-Ardennen (Bagacum/Bavai), erbitterte Gegner Caesars. – Trikassen: Stamm in der Lugdunensis, zwischen Seine und Aube (Augustobona /Troyes), vgl. VIII 21,1. 6.4–8 Eindrückliche Schilderung der Lage im Arebrignus-Gau: es ist das heute bedeutendste Weinbaugebiet Burgunds, die Côte d’Or (heute DijonSantenay, 60 km, ca. 7000 ha) mit den berühmten Regionen von NuitsSt.-Georges und Beaune; an den steil nach Osten abfallenden Hängen der Montagne (Kalkstein, ca. 200 m) und den südwärts ausgerichteten Hängen der Quertäler wachsen beste Reben. – Zum Weinbau in der Antike, Anbau, Arbeiten (Verjüngung durch Absenker oder Stecklinge) s. Ruffing, DNP 12,2 (2002), 423ff., bes. 428 (Karte 425f.); weitere wichtige Anbaugebiete der Galliae sind Massilia, Aquitanien; Mosel, Rhein. 7.1 Das Territorium von Autun umfasst ca. 1,336 Mio.ha inkl. Matisco/ Mâcon und Cabillonum/Chalon: dazu N/SR 276. 7.2 Konstantin biegt wohl, von der Route Trier-Lugdunum her, bei Cabillonum, dem „Hafen“ von Autun, ab und nimmt den Weg vom Saône-Tal durch die schroffen Ketten der Montagne; die Biegung ist eng, d. h. der Blick zurück meint a. Trier (östliche Belgica) oder b. Reims (zentrale Belgica), a./b. via Langres; b. via Autun-Auxerre-Troyes. 7.6 Der Einzug durch die Porte-de-Rome (SO), im MA noch Porte des Marbres genannt; erhalten ist, mit landseits vorspringenden Halbrundtürmen, die P. St. André (Richtung Langres); zu Stadtmauer-Toranlagen in Halbkreisform (Aix, Fréjus) s. N/SR 277. 8.1f. Konstantins Aussichtspunkt könnte der Mt. d’Arcy gewesen sein, s. N/SR 277. – Bes. feierlich sind Jubiläumsvota für den neuen Zeitabschnitt

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Anmerkungen

(hier: Quinquennium); üblich sind überhaupt Akklamationen für lange, saekulare oder ewige Regierungs- bzw. Lebenszeit. Vgl. VIII 20,1; VI 21,4; XII 26,1ff. 8.4 Das in der Spätantike bes. verbreitete Körperschaftswesen (corpora, collegia) umfasste staatliche, soziale, religiöse und Berufscollegia (Händler, Gewerbetreibende); sie hatten Privilegien und Pflichten, der Aufbau war klar strukturiert; öffentliche Auftritte bei Stadt-Feierlichkeiten u. a. waren repräsentativ und identitätsstiftend. – Demandt 2007, 328f., 418ff. 9.1f. Der Kaiser ergreift spontan die Initiative (Anapher) – ohne Klagen und Bittreden des Stadtrats, ohne Verweis auf Vorgespräche und Pläne: der Redner zielt ganz auf den unmittelbaren Mitleid-Reflex Konstantins von Sehen, Einsicht, Handeln ab (9,5f.). 9.3 Psychologie des öffentlichen Vortrags – Bittrede vor dem Kaiser – in Mimik und Gestus: das Reiben der Stirn ist hier Zeichen der Konzentration und Selbstermutigung (Schamröte verjagen), nicht kritisierter Ausdruck arroganter Inszenierung (Quintilian 11,3,160; Martial 11,27,7). 9.5f. Die kaiserlichen Tränen des Mitleids und die Freudentränen der Aeduer sind primär Ausdruck menschlicher Nähe; der Gestus der Aufrichtung aus der Proskynese ist Zeichen der Tat: das Mitgefühl erweist sich als handlungswirksamer Gerechtigkeitsaffekt des Herrschers. – Tränen beglückter Rührung Trajans über Zuneigung des Volkes: Plin. paneg.73,4ff. 10 Das Motiv der Schnelligkeit des Kaisers bezeichnet hier die Direktheit zivilen Handelns; das übliche Zeremoniell zwischen Herrscher und Mensch weicht freundlichem Kolloquium, Gedanke und Tat sind zeitidentisch, außerkraftgesetzt das Naturgesetz zeitlichen Werdens. 11.1 Die „Steuer-Häupter“/capita beziffern die Berechnungseinheiten der Steuerveranlagung, nicht Zahlen von Personen/Köpfen: Es geht hier um die Frage gerechter Verhältnismäßigkeit in der Umrechnung von Menschenzahlen und Grundstücksflächen zu Leistungseinheiten/hier: capita. – Zu verschiedenen Steuertermini (mit z.T. regional differenziertem Bedeutungsinhalt der Begriffe) und Kombinationen (capita, iuga) s. N/SR 256ff. sowie oben zu 5,4. 11.3f. Der Erlass der 7 000 capita p.a. (~ 21,87 % – „mehr als ein Fünftel“) hat die nunmehr von 32 000 auf 25 000 reduzierte Gesamtzahl an die aktuelle Lage realistisch angepasst: Die Aeduer sind wieder lebens- und steuerfähig. Die Zahlung von 4/5 der geforderten capita ist sicher, das eigentliche bisherige (seit 306) jährliche Defizit (5. Fünftel) entspricht somit der künftigen Steuerzahlreduktion; beendet ist damit ferner die bisherige Ausweitung zu einer Art generellem Zahlungsfatalismus: Die Dauerüberforderung hatte auch Teilleistungen blockiert.

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11.5 Der Kaiser als Arzt, als Chirurg: s. o. 5,3; 7,6. – Vgl. 6,7 das Bild der unbehandelten Rebenwurzel-Wucherungen. 12.3 Die 25 000 verbliebenen Pflicht-capita sind von den Aeduern neu abzustimmen, mehr Menschen, mehr Land u.a. Datenelemente stehen jetzt pro caput als Zahlungsbasis zur Verfügung. – Zu Festsetzungen und Änderungen: Beispiele aus dem Imperium mit Lit. s. N/SR 283f. – Der Fiskus braucht freilich, innerhalb des Gallischen Gesamtzensus, auch seinen Ausgleich (z.B. Zahlen-Umschichtung oder erhöhte caput-Raten). – iusta clementia (2,2), den angereisten Festgästen die Hintergründe des Sonderfalls zu erklären, und dies mit der Bestätigung des Kaisers, ist auch ein Ziel dieser Dankrede. 12.5f. Das aktuelle Jahr bildet eine Scheidemarke: Der Vergangenheit ab 306 gilt der Schuldenerlass, die Zukunft bringt die Reduktion der Steuerzahl, die Gegenwart, in der das alte Steuerrecht noch gilt, ist (zum Redezeitpunkt) vom Beginn des nächsten Fiskaljahrs (1. September) nur kurze Zeit entfernt. 13.1 Lustrum bezeichnet hier, hymnisch 7mal herausgestellt, einen Zeitraum von fünf Jahren, mit Bezug auf das Regierungsjubiläum Konstantins und das Jahrfünft seines Schuldenerlasses für Autun (vgl. noch XI 1,3; VIII 4,2; XII 24,4; III 9,3). – lustrum ist das alte Reinigungsfest der Republik als Abschluss des (ca. Ende 4.– Ende 2. Jh. v. Chr. alle fünf Jahre stattfindenden) Bürger-Census mit Suovetaurilien/Schweinschafstier-Umgang und Opfer für Mars (Campus Martius): Der Censor spricht Dank und Votum (Bitte/Gebet mit Gelöbnis) für ein gutes neues Jahrfünft (s.u. §3). 13.2 Die Aeduer haben an der Vollendung dieser Fünf ja ihren speziellen Grund zur Freude. 13.3 M.Porcius Cato (234-149) galt ob seiner Sittenstrenge sowie Finanz- und Steuerpolitik (Bauwesen) als Roms bedeutendster Censor (184); von seinen über 150 Reden sind wenige Fragmente erhalten; zu Leben und Denken s. Ciceros Cato maior und die Vita Plutarchs. 13.5f. Vgl. Horazens Lied zur Saecularfeier (17 v. Chr.) mit der Bitte für die Zukunft um (u.a.) weitere Fruchtbarkeit und Segen unter Tellus, Ceres, Iuppiter (c.saec. 29ff.) 14.1 Flussgold klingt nach Fülle und Leichtigkeit (statt Berg- und Tagebau): Der Tajo/Tejo Iberiens steht für Gold und Edelsteine (Mela 3,8); zum lydischen Paktolus s. zu IX 16,1. 14.4 quasi … comes et socius: Zwei Deutungen werden diskutiert: Crispus, der Sohn Konstantins von Minervina, jetzt (311) noch ein Knabe, 317 zum Caesar ernannt; oder (eher) Apollon, in der Rede von 310 als persönliche Schutzgottheit Konstantins benannt, bald auch auf Münzen im

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Anmerkungen

Bild des Sol Invictus Comes synkretistisch adaptiert: Der aktuelle Hörerkreis kann dies als Reverenz an die neue Orientierung wohl bereits verstehen. – N/SR 286f. 14.5 Städte tragen oft schmückende, ehrende Beinamen, bei Neugründung, Wiederaufbau, Herrscherehrung etc., additiv oder im Wechsel, ephemer oder bleibend. – Bibrakte heißt das alte oppidum auf dem Mt. Beuvray und Zentrum der Aeduer; Augustodunum, der Name der neuen Siedlung im Tal des Arroux (ca. 27 km entfernt), bleibt hier ungenannt; der Name Iulia Polia Florentia ist nur hier bezeugt, zur Namensbildung vgl. Colonia Iulia Augusta Florentia – die Allobrogerstadt Vienna; Flavia Aeduorum – die ehrende Schlussadresse der Rede an Konstantin (und Constantius) mit der neupropagierten (fiktiven) Flavier-Linie von Claudius II. (VI 2,2; HA Claud. 13,2) schließt den Kreis zum Anfang der Rede. Zu Autun: Rebourg/Goudineau 2002; Bibracte: Goudineau/Peyre 1993.

Zum Panegyricus des Jahres 313

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Zum Panegyricus des Jahres 313 (XII/IX) Zu Redeort (Trier) und Datum (313) s. N/SR 289f. Nach dem Tod des Galerius 311 kam es zu einer neuen Aufteilung der Regionen des Imperiums: Maximinus Daia, jetzt amtsältester der drei Augusti, verfügte von Kleinasien aus über den östlichen Mittelmeerraum, Licinius, verlobt mit Konstantins Schwester Constantia, über die gesamte Balkanhalbinsel (Sicherung der Donaugrenze), Konstantin über den Westen (Britannien-Gallien-Spanien): Maxentius, nicht als Augustus anerkannt, suchte Kontakte zu Maximinus Daia und behauptete Italien und Nordafrika. Stimmen brachten ihm seine Rompolitik (Brot, Spiele, Bauprogramm, Steuervergünstigungen) und seine militärische Unangefochtenheit (Severus, Galerius erfolglos; starke Festung Rom), zumal mit dem Sieg seines Prätorianerpräfekten über den Usurpator Domitius Alexander in Afrika (Getreide; 310). Hauptthema der Rede sind Verlauf und Ergebnis des Italienfeldzugs Konstantins im Jahr 312, mit dem Rom und das Reich vom Usurpator Maxentius befreit werden: rasche Entschlusskraft und Beharrlichkeit Konstantins, Vorbereitung am Rhein und Eilmarsch über die Alpen, variationsreicher Siegeszug gegen Städte und Truppen des Maxentius in Oberitalien, rascher Vorstoß durch Mittelitalien, Kampf vor den Toren Roms (Saxa Rubra, Milvische Brücke) und Tod des Maxentius, der Einzug des Siegers in die Stadt und das Ende des Konflikts. Milde und Amnestie nach innen, konsequenter Kampf und militärische Vernichtungsstrategie nach außen (Franken am Rhein): Konstantin als erfolgreicher Idealherrscher verdient alle Ehren der Menschen und Schutz des höchsten Schöpfergottes für ein imperium aeternum auf Erden. Dynastisches Prinzip (Vater Constantius, Nachkommen Konstantins) und Naheverhältnis zur Sphäre des Göttlichen sind deutlich akzentuiert. – Die Rede von 313 ist das zeitnächste literarische Zeugnis zu diesen Ereignissen. Innerhalb des Corpus behandelt die Rede des Nazarius (IV / 321) dieselben Themen. Dezidiert christliche Deutung des Geschehens findet sich bei Laktanz (de mortibus persecutorum, 314/5), später im Werk des Eusebios. – Für die Festrhetorik der Provinz strebt der Redner nach imitatio in den Spuren Roms. 1

Einleitung: Thema: res publica restituta. – Eloquenz des Nichtrömers 2–5,3 Vorbereitungen zum Krieg gegen Maxentius

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Anmerkungen

5,4–21,4 Verlauf in Italien: a. Cisalpina (5,4–13) – b. Rom (14–21,4) 21,5–23 Feldzug gegen die Franken 24–26 Schluss: Gesamtwürdigung Konstantins – Bitte um göttlichen Segen auf ewig 1.1 Heilige Stadt: s. zu X 1,1. – Festreden: nach Sieg und Einzug dort. – Redeort hier: Trier. 1.2 Muttersprache Latein und die imitatio der „Gelernten“: vgl. Pacatus in Rom (389 / II 1,3–5). – Das Kapitelende kontrastiert zwei traditionsreiche literarisch-rhetorische Kernbegriffe: Nachahmung des Vorbilds in der imitatio, Überbietung in der aemulatio. 1.4 Rhetorik Roms vs. Provinz: die Kampf-Metapher in der Orchestrierung des Kriegs in Rom und Sparta: hier metallische Überwältigung durch scharfen, rauen Tubaklang (Fußtruppen) und hell-durchdringenden Lituus (Reiterei); dort in wohlgeordnetem Gleichmaß das marsch-anapästische Rhythmus-Spiel der Aulos-Chöre (~ tibiae); vgl. das hohe Ethos idealer frühspartanischer paideia: Tapferkeit (heiter, gelassen) und Musenkunst nach Plutarch, Lyc.21f. (hier: magnos animos). 2.3 Zaudern der socii imperii: Licinius (Balkan) und Maximinus Daia (Orient): nur hier noch Bezug auf Amtskollegen der Tetrarchie. – Zur Vorgeschichte s. N/SR 295. 2.4f. Konstantins persönlicher Kontakt mit der Gottheit ist Leitmotiv: 3,3; 26. – Traum/Vision in christlicher Deutung: Lactanz, DMP 44,5 (Nacht vor der Schlacht); Eusebius, VC 1,28,2 Lichtkreuz am Mittagshimmel; 29 Traumgesicht der Nacht. – Die urspr. etruskische Kunst der Eingeweideschau wurde traditionell in privaten und politischen Belangen zu Rate gezogen, Manipulation war möglich, Auslegung und Umsetzung der responsa (Gutachten) lagen in der Hand des Empfängers. Konstantins Ablehnung betont hier den Verzicht auf die letzte irdische Mittler-Instanz zum Göttlichen. – Aufgabenteilung oberste Gottheit – mindere Götter: vgl. das proportionale Seelenlos in XI 6,4. 3.2 Unverzichtbarer Topos: Grenzsicherheit am Rhein (X 7,7; VIII 13,3); Realität fordert stete Präsenz: 21,5–23. 3.3 Konstantins Heer habe weniger als 40 000 umfasst (s. 5,1). – Vgl. N/SR 297. 3.4 Zahlreiche Truppen des Severus, z.T. ehemalige Soldaten Maximians, waren 307 beim Zug gegen Maxentius desertiert; er hatte sich ergeben, wurde aber später in der Haft getötet (Einleitung zu VII und zu 10,5). – Im selben Jahr hatte sich Galerius unter ähnlichen Umständen rechtzeitig aus Italien zurückgezogen. – Maxentius, in X 14,1 (289) noch der echtbür-

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tige Sohn Maximians von der Syrerin Eutropia, ist hier verunglimpft als suppositus / Bastard, s. 4,3f. (Topos, Fiktion, Propaganda). Nach der Rückkehr Maximians aus Gallien (Hochzeit Konstantin-Fausta) kam es in Rom zu Rangrivalitäten und endgültiger Entzweiung zwischen den Augusti Vater und Sohn; der Angriff auf den Herrscherpurpur des Sohnes vor Soldaten und Volk endete mit Maximians Vertreibung (s. zu VI 14,6; M-R 205). 3.5 Die Zahl 1060 führt zum traditionell angeführten Gründungsdatum Roms, 753 v. Chr. 3.5–7 Pauschale Tyrannentopik gegen den innenpolitischen Gegner (Name nie genannt). – Kein Wort natürlich zum gewaltigen zivilen Bauprogramm des Maxentius für seine und des Reiches Hauptstadt, mit Großprojekten wie Maxentiusbasilika, Erneuerung des Venus-Roma-Tempels, Thermenund Substruktionsanlagen am SO-Palatin, dazu außerhalb an der Via Appia eine große Villenanlage mit Palast, Mausoleum, Circus. – Leppin/Ziemssen 2007. 4.2 Der kluge Entschluss Konstantins erweist seine göttliche Natur (s. auch §5); der Angriff gegen Maxentius ist eine gerechte Sache, Iustitia in Person steht im Kampf für Konstantin. – Spätere Propaganda macht Maxentius zum Angreifer (Lactanz, DMP 43,4; IV 9,1ff.; 12,1f.). 4.3f. Krasse Antithese Konstantin – Maxentius: Abkunft, Aussehen, Tugenden (Vaterliebe, Milde, Sittsamkeit und Gegenteil), Frömmigkeit. – Verstümmelung des Namens: der Sinn ist unsicher, Vorschläge z.B.: Wortbildung Maxentius vs. Maximus, Maximianus; kleine Statur minime maximus – Maximian wird (nach 310) wieder namentlich genannt, als „Vater“ des Bastards. Die Getreideversorgung aus Afrika war bis zur Niederschlagung des Aufstandes dort gefährdet (s. Einleitung); viel Topik in krassen Farben. Dazu mit weiteren Quellen N/SR 301f. 5 Vergleich Alexander-Konstantin: Zahlen und Mentalität der jeweiligen Gegner §1 f. Beispiele zu Alexanders Heeresgröße s. N/SR 303. 5.3 Topoi orientalischer Wesensmerkmale: leichtfertig, unzuverlässig, verweichlicht, aus der Ferne kämpfend; Sklavenmentalität (nur Kleinasiens Griechenstädte wurden frei). – Ein Erfolg: nach großen Schlachten am Granikos 334, bei Issos 333 und Tyros 332 brachte Gaugamela jenseits des oberen Tigris 331 die Entscheidung: Flucht Dareios’ III. und Einzug Alexanders in Susa. – Die Soldaten des Maxentius verlieren durch den Kampf gegen Konstantin ihr Römertum und sind, hochgerüstet, gefährliche Gegner. Als Begründer der timokratisch gegliederten comitia centuriata (Bürger-Heeres-Versammlung) gilt König Servius Tullius (6. Jh. v. Chr.); im 2./1. Jh. v. Chr. umfassen sie 18 Ritter- und 175 Infanterie-Centurien, 70

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Anmerkungen

davon in der – hier hervorgehobenen – prima classis (Schwerbewaffnete), Leichtbewaffnete in Klasse 2–5. (Livius 1,43; Polybios 6,21,7ff.). 5.4–6 Ungenannt der Name: Segusio (heute Susa), die erste Stadt nach dem Alpenübergang am Mont Genèvre und Riegel (IV 17,3) vor der Route in die Poebene, wird im Sturm genommen (IV 21); schnell und effizient eröffnet der Kaiser seinen Siegeszug in Italien. 6.1f. Gomphi, von Epirus her die erste Stadt in Thessalien, ist einer von Caesars veni-vidi-vici-Erfolgen (Bürgerkrieg, Juli 49 v. Chr.): Beginn der Bestürmung nach 9. Stunde, Kapitulation vor Sonnenuntergang: Das Exempel löst kluge Kettenreaktion der Unterwerfung thessalischer Städte aus (Caesar, b.c.3,80f.). – Graeculi: desavouierend vs. Subalpini und heroische Lebenswelt. 6.2 Der vernichtende Sieg in offener Feldschlacht: Konstantin überwindet List und Masse der feindlichen Kampflinien in der Nähe der Stadt Augusta Taurinorum (alter Hauptort Taurasia durch Hannibal im Jahr 218 zerstört). – Nazarius führt hierzu ein gewaltiges Schlachtengemälde mit dem besonderen Kolorit der gegnerischen Panzerreiter auf: IV 22–24. 7.1 Das Ungeheuer ist Maxentius, dessen Soldat ist der adressierte Urheber des Blutbades: Städte, Zivilisten stehen auf Konstantins Seite und heißen ihn willkommen (nicht alle). 7.5 Besondere Akzente: Schönheit und Sittsamkeit des Kaisers (VII 4). Ähnlich begeistert ist der Empfang des Theodosius in Emona (II 37), im Hintergrund auch da ein Tyrann: Maximus. – Der Einzug und Aufenthalt in der Residenzstadt Mailand, die Erfolge in der Transpadana suggerieren schon den Gesamtsieg für Italien! 8.1 Bei Verona hat Carinus 285 den Gegenkaiser Sabinus Iulianus besiegt; zeitlich passt der Altershinweis des Redners: Damals war er mittleren Alters, ist also jetzt ein betagter Herr. – Cn.Pompeius Strabo hat als Consul 89 v. Chr. den Gemeinden der Gallia citerior das latinische Bürgerrecht verliehen, somit auch der Stadt Verona (keine Gründung als colonia); Wortspiel zum „Gründer“ Pompeius: Ruricius Pompeianus (IV 25,4), der praefectus praetorio des Maxentius, ist der Vernichter. – Titularkolonie wurde Verona wohl erstmals unter Claudius; unter Gallienus 265 erhielt sie einen festen Mauerring. Die Stadt war reich; sie hatte eine strategisch und handelspolitisch wichtige Lage am Schnittpunkt zahlreicher N/S- und O/WVerbindungen und war berühmt für Obst- und Weinbau; aus Konstantins Blickrichtung lag sie (damals) jenseits der wilden Etsch (Atesis). – Nazarius berichtet zuvor noch von Ereignissen bei Brescia und der Flucht des Reiterheers nach Verona: IV 25. 8.3 Die Stelle des Übergangs flussaufwärts ist nicht genau bekannt.

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271

8.3–9.1 Die Zahl der mit Verstärkung zurückgekehrten Gegner zwingt Konstantin zu verdoppeltem Einsatz, Ausdünnung der Linien; IV 26 gewaltiges Schlachtgemälde der Nacht. 9.2–10.3 Emotionsvarianten zum Topos des persönlichen kaiserlichen Kampfeinsatzes: hier besorgte Grundsatzklage zum Risiko, dort (IV 26) schiere Bewunderung seines wilden Mutes. 10.1 Drei Exempla positiv gewerteter Kampfdistanz: Der Perserkönig verfolgt die Seeschlacht in der Straße von Salamis (480) vom Bergmassiv des Aigaleos (Attika) aus: Herodot 8,90,4; Xerxes dient sonst als negative Folie (am Hellespont VIII 7,1; VI 13,4). – Agrippa leitet das Schiffskommando gegen M. Antonius bei Actium 31 v. Chr (vgl. VII 13,4); Augustus erscheint als oberster Kriegsherr sonst in antiken Quellen unterschiedlich an Actium beteiligt: s. N/SR 310. – Die Identität des Spähers auf den Leitern ist unsicher (N/SR 311). 11.1 Zur strategisch wichtigen Stadt Aquileia: s. zu VII 6,2. – Auch Mutina (heute Modena) und andere Städte ergeben sich (IV 27). – N/SR 311f. 11.2–13 Die Soldaten des Maxentius werden in Fesseln am Leben, aber kampfunfähig gelassen: Das Motiv Schwerter zu Handfesseln wird als Novität ausgiebig und preziös traktiert und ist zugleich retardierende Digression vor dem Hauptziel (Rom, Maxentius). 11.4 divino monitus instinctu: vgl. instinctu divinitatis am Konstantinsbogen (ILS 694). 12.3 Das Wort Vergils gehört in die Schilderung von Zeichen des Unheils, von Unrecht und Krieg nach Caesars Tod (georg.1, 508). Konstantins Fesseln sind eine Art Vorstufe der Pflugschar: Vermeidung neuer Gefahr reichsinterner Kriegsausweitung. 13.2 Der namenlose, überlegene Schöpfergott und Demiurg des Weltganzen scheidet und ordnet die Dinge der Welt zugleich mit Jupiters – klärendem oder vernichtendem – Blitz: einerseits Bildanalogie zum Wirken des irdischen Regenten, andererseits Konvention und Allegorese der Gottesvorstellung; vgl. etwa den Hymnos des Stoikers Kleanthes (3. Jh. v. Chr.) auf die Allgottheit der vielen Namen (Zeus und sein Blitz). 13.5 Metamorphosenbeispiele: die Nymphe Arethusa wird zur Quelle (Ovid, met.5,577ff.), der Jäger Aktaion ein Hirsch (3,143ff.), Philomela eine Schwalbe / Nachtigall (6,424ff.). 14.2 Italia cis Padum: „diesseits“ meint den Blick von Trier/Norden her, transpadana in 7,7 den Blick von Rom aus. – Vergilzitat (Aen. 4,13): Dido preist Aeneas und nimmt sein Wesen als Indiz edler Herkunft: Mut verweist auf Götterabkunft, Feigheit auf Standesdefizit: genus esse deorum/degeneres animos timor arguit; s.o. 4,4 falso generi Vorwurf gegen Maxentius.

272

Anmerkungen

14.4 Maxentius’ „Marmorhaft“: Kaiserpalast auf dem Palatin, s. 16,5. – Sallust erwarb nach seinem Proconsulat in Africa am Ostteil des Mons Pincius („Hügel der Gärten“) zum Quirinal hin Gelände aus Caesars Besitz; die Horti Sallustiani galten als die schönsten und prächtigsten Gärten der Stadt; seit Tiberius waren sie kaiserlicher Besitz, mehrfach umgebaut und erweitert. Die Aurelianische Mauer bildete dann, Roms Hügel umgreifend, den Nordabschluss der Gärten. 14.6 In Rom war die Prätorianergarde für Maxentius Basis der Ergreifung und des Erhalts der Macht, er wiederum garantierte ihr (zuvor gefährdetes) Fortbestehen. 15.1 „Warnung“: Die Zeit der Desertionen unter Severus und Galerius ist passé; die Soldaten Konstantins sind ihm menschlich und kriegerisch verbunden: Sie werden kommen. 15.3 Der Weg aus der Transpadana nach Süden zur Via Flaminia (Ariminium–Rom) führt die Truppen entweder von Aquileia durchs Veneterland nach Ravenna oder via Mutina (IV 27,1). – Die Schnelligkeit Scipios rühmt Cicero (Verr.2,5,25), Caesar schreibt selbst das Veni-vidi-vici zum Sieg von Zela/Pontos über Pharnakes (47 v.Chr.). 15.5f. Kontrastierung militärischer Erfolgsstrategien: Hinhaltetaktik des Hannibalgegners gegenüber Konstantins Siegeslauf; Fortunas Gunst als Pflicht, vgl. Scipio (Liv. 28,44,8). 16.1 Nach dem Sieg des Rufius Volusianus, praefectus praetorio des Maxentius, über den Usurpator Domitius Alexander gab es Strafaktionen in der Kornkammer Afrika (Karthago, Cirta u.a.); die Inseln sind Sizilien, Sardinien, s. u. 25,2. 16.2 Der Redner betont ein „tagesgenaues“ Sexennium: 28.10.306– 28.10.312 (19,2; 20,3) – Heilige Siebenzahl s. Cicero, rep.6,17ff. (Planeten, Sphärenharmonie), Macrobius, somn.1,6. 16.3 Sklavenwicht / vernula, s. 4,3 Bastard / suppositus: Maxentius’ „unwürdige Abkunft“. 16.5f. Kaiserpalast auf dem Palatin: s.19.3. – Die Frau des Maxentius ist Valeria Maximilla, Tochter des Galerius, Enkelin Diokletians; der ältere Sohn Romulus, geb. ca. 294 (?), ist bereits 309 gestorben (Mausoleum an der Via Appia), der Name des Jüngeren ist unbekannt. 17 „Schlacht vor der Milvischen Brücke“: Der Ablauf der Ereignisse ist in den Quellen je nach Informationsstand und Interessenlage unterschiedlich dargestellt und gewichtet. Eine Skizze (s. Bleckmann 53ff.; Brandt 42ff.; zu den Quellen N/SR 319f.; IV 28–30): Konstantins Feldlager befand sich inzwischen kaum einen Tagesmarsch nördlich von Rom ca. 20 km vor der Porta Flaminia bei Casal Malbor-

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ghetto; erste Einheiten des Maxentius waren Konstantin entgegengezogen und verloren einige Kilometer südlich des Lagers, bei den Saxa Rubra am rechten Tiberufer, den ersten Kampf; der Vorstoß konstantinischer Soldaten weiter nach Süden führte zu sehr bedrängten Raum- und Nahkampfsituationen: Von Rom her rückten weitere Truppen des Maxentius nach; am Pons Milvius, ca.10 km südlich der Saxa Rubra, hatte Maxentius schon zuvor einen Bogen herausbrechen lassen, um den Zugang nach Rom zu unterbrechen (ersetzt durch eine im Bedarfsfall flexible Holzkonstruktion?); nördlich davon war für die Truppen eine zusätzliche Schiffsbrücke installiert; hier eskalierten die Kampfgeschehnisse, in deren Verlauf auch Maxentius mit Waffen und Ross in den Tiber stürzte und ertrank (vgl. Dramatik der Tiberszene am Konstantinsbogen). – Von alledem gestaltet der Redner von 313 nur das Ende des Maxentius. 18.1 Tiberinus kündet Aeneas im Traum das Sauprodigium (Gründungsort für Alba) und rät zur Fahrt nach Pallanteum (Rom) und Bündnis mit Euander als künftigem Helfer gegen Turnus (Vergil, Aen.8,31ff.). Das Körbchen mit Romulus (und Remus) lässt der Tiber sanft in flachem Überflutungsgelände stranden (Livius 1,4). – Als falscher Romulus ist Maxentius nicht Gründer, sondern Mörder der Urbs und verdient den Tod im Tiber. – Die aurelianische Stadtmauer folgte dem Tiberlauf großenteils zur Linken, bezog aber auch Trastevere mit ein. 18.2 Horatius Cocles verteidigte eine Tiberbrücke (pons sublicius) gegen Porsenna und die Etrusker, bis sie zusammenbrach, und schwamm an Land (so Livius 2,10; anders Polybios 6,55). – Cloelia rettete sich und 11 Geiseln in erfolgreicher Flucht durch den Tiber vor Porsenna, der sie bewunderte und, zurückerstattet, wieder freiließ. (Livius 2,13; Reiterstatue an der Via sacra). 18.3 Das aufgespießte Haupt des Maxentius wird im Festzug mitgeführt, später auch in Afrika gezeigt, Beweis und Exempel: IV 32,4ff.; 31 Verderbtheit der Gesichtszüge im Tod. 19 Der 29. Oktober 312: Einzug des Kaisers in Rom, mit IV 30f.; zur Stilisierung s. XI 11. 1–3 Emotionale Hochstimmung, langsame Wagenfahrt durch die Stadt, viel zu rasche Ankunft im Palast – 4 Totaler innerer Belagerungszustand der Schaulust – 5–6 Umfassende Präsenz des Kaisers an den Folgetagen: Volk und Spiele, Senat und Politik der Güte und Milde (c.20). – Ein Besuch des Kapitols durch den Kaiser ist nicht erwähnt. Die moderne Forschung diskutiert eine Reihe möglicher Gründe, darunter bes. rhetorische (andere Rednerinteressen hier), politische (Ende eines Bürgerkriegs habe variiertes Zeremoniell; Einzugsrelief des Konstantinbogens 315) und religiöse: Es sei

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Anmerkungen

bereits Ausdruck der veränderten Haltung Konstantins zur alten Religion: dazu ausführlich mit vielen Belegen Girardet 2006,57ff. 19.5 Cicero kehrt 57 aus dem Exil zurück, auf den Schultern fast ganz Italiens (p.red.in sen.39); zur Auxesis liebender Dienstbarkeit hier (Blick und Auge der Zuschauer) vgl. VII 8,7. 20f. Arrangement und Pragmatismus Konstantins: Milde im Senat (Erhalt administrativer Kompetenz) und Fronteinsatz für Prätorianer u. a. Soldaten des Maxentius. 20.3 87 v. Chr. Marsch auf Rom und Eroberung durch die Führer der Popularen, M.Cornelius Cinna und C.Marius, im Kampf gegen L.Cornelius Sulla und die Optimaten; im Anschluss ein 10-tägiges Blutbad unter der Nobilität und Tötung des Consuls Cn.Octavius (Appian, civ. 1,286ff.) 20.4 Sulla siegt in besonders blutiger Schlacht 82 an der Porta Collina über ein Samnitenheer, das von weiteren Sulla-Gegnern unterstützt wird; Überlebende werden massenhaft getötet. 21.1 Berüchtigtes Massaker Sullas auf dem Marsfeld an Tausenden, die sich bereits ergeben hatten. Die Villa Publica i. e. S. umfasste das Amtsgebäude der Censoren, zugleich Staatsgasthaus für Gesandte und Aufenthaltsort der Feldherrn bis zum Triumphentscheid des Senats. Daran schlossen sich die Saepta an, ein großer, eingefriedigter Platz für die Centuriatkomitien. – Es war die Zeit der Proskriptionen, Massentötungen und Vermögenseinziehungen; s. auch die Exempla prägnanter Bluttaten des Schlächters Sulla Felix bei Valerius Maximus 9,2,1; Strabon 5,4,11 p. 249; ferner Seneca, clem.1,12,1f.; Plutarch, Sull.30; 34 zu Selbstbild, cognomen. 21.3 Auswahl an Prunkbauten Roms: Circus Maximus: (Anfänge: Königszeit) Wagen-, Pferderennen (u.a. Spiele); Pompeiustheater (55 v. Chr, Marsfeld) mächtiger Baukomplex: erstes Steintheater, mit Tempel, Porticus; Diokletiansthermen: gewaltiger Neubau (306, NO). 21.5 Anfang 313 Abreise aus Rom, Treffen mit Licinius in Mailand (Hochzeit Constantia – Licinius, Einigung zum Toleranzedikt); dann Rückkehr an die Rheinfront. – Tuskischer Albula: Tiber (Vergil, Aen.8,332) als Grenzfluss Latium-Etrurien. – Alba: Elbe (s. XI 16,4). 22.3ff. Zu den Kämpfen am Rhein (Franken) s. N/SR 328f. 23.3 Nicht das alte Ritual der Gladiatur oder übliche Formen von Tierkampf, doch der akzentuierte Genuß (voluptas / ludibrium) der Zuschauer solcher spectacula und enthemmte Mitleidlosigkeit rufen auch Kritik hervor, grundsätzlich und speziell, nicht nur bei Christen wie Tertullian (2./3. Jh.), spect.19–22 und Salvian (5. Jh.), gub.87f. (Bezug auf Trier). – Der Redner lässt den Hintergrund der Furcht vor allfälliger Bedrohung, der

Zum Panegyricus des Jahres 313

275

Erleichterung und Befriedigung über das Ende und die Größe des gerechtfertigten Sieges über die „materia vincendi“ sichtbar werden (s. VI 12,3). 24.1f. Griechen, Orientalen als Krieger vs. Römer (im Bürgerkrieg!): s. 5,3; trutzige Franken essen nur gejagtes Wild (sie werden selbst erlegtes Wild in der Arena – ad bestias/venatio s. 23,3) – eigentliche Liebe zum Leben setzt hier einen Kontext verfeinerter Lebenskultur voraus. 24,5 Der Tatenruhm des Sohnes übersteigt, ehrt und mehrt zugleich den Ruhm des Vaters. 25.2 Bataverland ab 293: s. VIII 6–8; VI 5,3. – Häfen: als Begleitprojekt zum Italienzug nur hier; s. auch IV 17; N/SR 331. – Britannien 296: s. VIII 14–17. – Inseln: Sizilien, Sardinien. 25.4 Vielerörtert ist das signum dee (so der Codex Moguntinus), Vorschläge z. B. 1. dei: Apollon, Sol, ein anderer Gott, Konstantin selbst, oder eher 2. deae: Victoria; s. dazu N/SR 331f.. Das befreite Italien ehrt ferner virtus und pietas des Kaisers mit Tugendschild und Bürgerkrone. 26 Das ehrfürchtige, feierliche Schlussgebet des Panegyristen ist gerichtet an einen universalen, auf Erden überall anders benannten, höchsten Schöpfer der Welt, dessen Namen wir in Wahrheit nicht wissen, den wir in Beinamen zu beschreiben, dessen Wesen und Wirken wir in Bildern zu verstehen suchen: Er durchwaltet die Welt, ist in jedem Teil zugegen, oder er lenkt sie, in höchster Warte über allem thronend: Macht und Gutsein (Platon) zeichnen ihn in höchstem Maße aus, konkret: Gute Tat wird belohnt (mitunter etwas später). – Anklänge aus Stoa (Kleanthes, Zeushymnos) und Neuplatonismus. – Vgl. Epitheta-Fülle und synkretistische Implikationen im Gebet des Lucius-Esels und in der Selbstvorstellung der Allgöttin Isis bei Apuleius, met.11,2.5. – Zum Unterschied eines vom Redner propagierten höchsten Gottes (henotheistischer Prägung: s.o. 2,5) zum exklusiv monotheistischen Christengott als dem Inbegriff des Höchsten überhaupt, wie Konstantin seinen Sieghelfer zu verstehen lernt, s. Girardet 2006, 93ff., bes. 96f. – Die Bitte um ewigen Schutz gilt Konstantin (maximus imperator) und seinen eigenen Nachkommen: bisher Crispus, Sohn der Minervina (Kinder von Fausta erst ab 316). Amtierende Kaiserkollegen sind unerwähnt; maximus Augustus wird in der Folge Bestandteil der Kaisertitulatur.

Zur Textgestaltung Diese Ausgabe umfasst die Reden von 289–389 in chronologischer Reihenfolge. Die doppelte Nummerierung in der Edition von R. A. B. Mynors, Oxford 1964 (u. ö.) ist beibehalten: zunächst die Zählung der zeitlich rückläufigen Anordnung der Handschriften, dann die fortschreitende Abfolge nach E. Bährens, Leipzig 1874 (eine Konkordanz der Editionen seit E. Bährens befindet sich in Band II). Der lateinische Text der Reden II–XII folgt im Wortlaut in der Edition Mynors; daneben werden herangezogen die Ausgaben von É. Galletier (Paris 1949–55), V. Paladini / P. Fedeli (Rom 1976), D. Lassandro (Turin 1992), C. E. V. Nixon / B. Saylor Rodgers (Berkeley 1994; Einzelabweichungen von der im Anhang abgedruckten Mynors-Ausgabe werden bei N/SR in Kommentar und Übersetzung vermerkt). Die linke Spalte enthält den Text von Mynors (u. a.), die rechte Abweichungen der anderen Ausgaben. Rechts entspricht die erste Nennung zugleich der hier gewählten Version, weitere Varianten der Ausgaben folgen; beginnt die rechte Rubrik mit cf., sind alle Lesarten der oben angegebenen Ausgaben zur Orientierung mit angeführt, es gilt für die vorliegende Ausgabe dann aber die Version von Mynors. Die von Mynors übernommenen Athetesen sind im Text nicht mehr abgedruckt, hier aber jeweils am Ende angeführt; einige andere Athetesen bleiben markiert im Text stehen.

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Zur Textgestaltung

Panegyricus von 289 (X/II) 4,2

subivisti Myn.

subisti Gall., Pal./Fed., Lass.

5,2

pestifera Myn.

pestifera t Gall., Pal./ Fed., Lass.

5,2

pestilentiam Myn., Pal./Fed.

pestilentiam Gall., Lass,

6,4

auris Myn., Pal./Fed.

aris Gall.; Lass.

11,6

Diocletianus † facit Myn.

cf. D. initium facit Gall.; D. facem Lass.; D. facit … tu tribuis Pal./Fed. (Lücke)

14,3

in Gallis Myn.

in Galliis Gall., Pal./Fed., Lass.

Athetesen bei Mynors: 6,4 odoribus [et]; 8,2 liberos [suos]; 12,6 redundavit [Oceanus] Panegyricus von 291 (XI/III) 1,1

gemini Myn., Gall., Pal./Fed., Lass.

genuini N/SR 81f.

2,2

gemini Myn., Gall, Pal./Fed., Lass.

genuini N/SR 83

3,6

Herculis tus Myn., Pal./Fed.

Hercules tuus Gall., Lass.

6,2

intellegunt … ac potestas Myn., Pal./Fed. (lacuna)

i. quae sit potestas Gall. i. quae potestas Lass.

7,6

sed electa … fraternitatis est Myn., Pal./Fed., Lass.

Zu den „Plusstellen“ des Cuspinianus und der glossemaDebatte der Herausgeber in den App.: W. Schetter, Gnomon 39, 1967, 502f.

7,6

ut iam illum Myn.

u.i. illud Gall., Pal./Fed., Lass.

10,5

totis visa Myn.

cf. t.v. Gall., Pal./ Fed., Lass.

11,3

limina Myn.

lumina Gall., Pal./Fed., Lass.

Zur Textgestaltung

279

12,3

dextras Myn. (‚iubentibus numeris’)

dexteras Gall., Pal./Fed., Lass.

17,1

Tervingi; alia pars Gothorum Myn., Pal./Fed., Lass.

Tervingi, alia pars Gothorum, Gall., N/SR 101; n.82.

18,3

circumfert Myn.

circumfert Gall., Pal./ Fed., Lass.

19,1

gemino Myn., Gall., Pal./Fed., Lass.

genuino N/SR 102

19,3

gemini Myn., Gall., Pal./Fed., Lass.

genuini N/SR 102

Athetese bei Mynors: 1,1 a me [hoc] Panegyricus von 297 (VIII/V) 1,3

quaevis Myn. (‚dubitanter scripsi’)

quamvis Gall., Pal./Fed.(cf. app.ad loc.), Lass.

3,1

luce reserata Myn., Lass.

cf. serenata Gall., Pal./Fed.

6,1

veniendo vicisti Myn.

vindicasti Lass., cf. Schetter, Gnomon 1967, 506f. mit A.3; vindicavisti Pal./Fed.; fecisti Gall. ‚fortasse recte’ Pal./Fed., cf. N/SR 118

6,1

Gesorigiacensibus Myn.

Gesoriacensibus Gall., Pal./ Fed., Lass. (cf. app.ad loc.)

8,3

subiacentibus Myn., Gall., Pal./Fed.

subiacentibus Lass.

9,4

obsequîs Myn.

obsequiis Gall., Pal./Fed., Lass.

10,4

obstricta Sarmatia Myn., Gall.

cf. obtrita Pal./Fed., Lass.

13,4

invicte Caesar Myn., Gall.,

Caesar invicte Pal./Fed., Lass.; cf. 9,5 Caesar Myn., Gall., Pal./Fed.; Caesar Lass.

14,4

a Gesorigiacensi Myn.

a Gesoriacensi Gall., Pal./ Fed., Lass.

280

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14,4

quae iam minacia videbantur Myn., Lass.

cf. quaedam minacia quae videbantur Gall., Pal./Fed.

16,4

strata Myn.

cf. tracta Gall., Pal./Fed., Lass.

18,6

dempti periculi merito Myn., Pal./Fed., Lass.

dempto periculi metu Gall., N/SR 140

21,1

Arviorum Myn., N/SR 143 n.76

cf. Nerviorum Gall., Pal./ Fed., Lass.

Athetesen bei Mynors: 1,4 [et] cum et; 5,1 [cum] paene cum; 5,4 sunt maxime [sunt]; 11,4 [Brittanni] Pictis; 14,1 [re publica] laude; 18,6 [vel] providentiae Panegyricus von 297/98 (IX/IV) 2,4.

quaedam triumphi Myn., Gall., Lass.

cf. qu. tr. †quaedam† Pal./ Fed.

4,1

Batavicae Gall., Pal./Fed., N/SR 154

cf. Bagaudicae Myn. (per errorem, cf. N/SR 154 n.12), Lass.

5,2

doctrina Gall., Myn., Pal./Fed. cf. doctrinae Lass.

6,1

Constanti Myn., Pal./Fed.

Constantii Gall. Lass.

8,1

Herculi patris Myn.

Herculii p. Gall., Pal./Fed., Lass.

11,1

secundum eundemque locum Myn., Gall.

cf. [eundemque] locum Lass. eundemque …. locum Pal./ Fed. (‚ipse lacunam indicare malui)

12,1

ego maximos censeo fructus Myn. (‚censeo haesitabundus scripsi’), Lass.

cf. ego …. maximos Pal./Fed. (‚ipse lacunam …. indicare malui’)

14,1

Constanti Caesaris Myn., Pal./Fed.

Constantii C. Gall., Lass.

16,2

Iovi Herculique Myn.

Iovii Herculiique Gall., Pal./ Fed., Lass.

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281

17,1

rerum omnium ad cultum Myn.

cf. rerum omnium ad cultum Gall. r.o. Pal./Fed., Lass.

17,3

exercendis studiis Myn., Gall.

cf. exercendi studii Pal./Fed., Lass.

20,2

terrore devinciunt Myn., Lass.

cf. defigunt Gall. †devincunt† Pal./Fed.

Athetesen bei Mynors: 3,1 scio [haec]; 7,3 [et] voce; 9,4 utriusque [late] Panegyricus von 307 (VII/VI) 1,4

quid Myn., Gall., Pal./Fed.

quid Lass.

2,5

qui non plebeio germine sed imperatoria stirpe rem publicam propagatis Myn.

qui non plebeia germina sed imperatoria stirpem rei publicae propagatis Pal./Fed., Lass. qui non plebeia, gemina sed imperatoria stirpe rem publicam propagatis Gall. qui non plebeia germina, sed imperatoriam stirpem rei publicae propagatis cf. Janson, ClPh 79,1984,22

2,5

id ex omnibus Myn., Gall.

idem o. Pal./Fed., Lass.

3,4

praesentant Myn. (‚suadentibus numeris’), sed cf. Pal./Fed. ad loc.

praesentant Gall., Pal./Fed., Lass.

4,2

consecutus [est] Myn.

consecutus es Gall., Pal./ Fed., Lass.

5,1

praestitisse Myn., Gall., Pal./Fed.

cf. praestitisti Lass.

6,3

Apellen ipsum Parrhasium Myn., Pal./Fed.

A. ipsum P. Lass.(coll. II 1,4) Apellen, ipsum Parrhasium Gall.

282

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7,1

praestinabas Myn.

praedestinabas Gall., Pal./ Fed., Lass.

8,1

quanti Myn.

quam te Gall., Pal./Fed., Lass.

8,2

nomen acceptum Myn.

nomen accepit Gall., Pan./Fed., Lass.

11,8

desiderant Myn., Gall., Pal./ Fed.

cf. desiderat Lass. (cf. ad loc.)

12,8

et sicubi Myn.

cf. et iam sicubi Gall., Pal./ Fed., Lass.

14,4

quanto nunc gaudio poteris Myn., Pal./Fed.

cf. potiris Gall., Lass.(cf. ad loc.)

Athetesen bei Mynors: 9,1 [hauriuntur] volentibus; 10,2 [ut] tu; 12,7 [ut] rem; 14,3 curru [et] Panegyricus von 310 (VI/VII) 1,3

ex laudum tuarum Myn.

vestrarum Gall, Pal./Fed., Lass.

2,5

quod imperator es Myn.

cf. imperator ortus es Gall., Pal./Fed., Lass.

3,3

in ordinem meritis Myn., Lass. cf. in ordine meritis Gall.; ordine emeritis Pal./Fed.

3,4

petere plano Myn.

cf. petere e plano Gall., Pal./ Fed., Lass.

5,4

victoria Myn., Pal./Fed., Lass.

Victoria Gall., Übs. N/SR 224

6,4

ut insulam Myn., Lass.

cf. insulam Gall., Pal./Fed.

10,1

temeritatis? Myn., Pal./Fed. Lass.

temeritatis. Gall.

10,4

tuta clementia Myn., Pal./ Fed., Lass.

stulta c. Gall.

11,5

inermis Myn.

cf. inermus Gall., Pal./Fed., Lass.

11,5

toto nostri greges bicorne Myn., Gall., Pal./Fed.

cf. toto. n.g. bicorni Lass.

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283

15,1

ad anulos sederas Myn.(‚quid sibi velit nescimus’) †ad anulos sederas† Pal./Fed.

anulos tradideras Lolli, MH 54, 1997, 226-9 aulicos mulos et raedas Gall., Lass.

19,1

meridianus refluit sinus Myn., Gall., Pal./Fed.

cf. mediterraneus Lass.

21,7

puniantur Myn., Pal./Fed.

cf. puniuntur Gall., Lass.

23,1

in tuis auribus Myn., Pal./ Fed.,

cf. tuis auribus Gall. [in] t.a. Lass.

Athetese bei Mynors: 1,1 facultatem [dicendi] Panegyricus von 311/12 (V/VIII) 1,2

longiquitas [sua] Myn. (‚suadentibus et sententia et numeris seclusi.’)

sua Gall., Pal./Fed. (cf. ad loc.), Lass.

2,2

etiam non indigentes Myn., Gall.

cf. cura [non] indigentes Pal./ Fed., Lass.

3,1

maiestate Romani Myn., Pal./Fed.

m. Romani Lass.; m. Romana Gall.

5,4

enormitas Myn.

acerbitas Gall., Pal./Fed.(cf. ad loc.), Lass.

6,1

nequam Myn., nequaquam Lass.

nequam Pal./Fed. (cf. ad loc.) nequam Gall.

6,5

voraginum stagna Myn.

voragines stagna Gall., Pal./Fed., Lass.

7,3

parvarum Myn., Gall., Pal./ Fed.

cf. paucarum Lass.

7,4

internum regionum nostrarum habitum Myn., Lass.

cf. [itinerum] r. n. aditum Gall. [itinerum] r. n. habitum Pal./ Fed.

8,4

simulacra protulimus, …. instrumenta …. pro Myn.

cf. s.[protulimus], …. i. …. protulimus Gall., Pal./Fed., Lass.

284

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8,5

imperium: illa … perveniunt? Myn., Pal./Fed., Lass.

imperium? Illa … perveniunt. Gall., Lass./Mic.

10,1

temeritatis? Myn., Pal./Fed., Lass.

temeritatis. Gall.

10,5

reliqua debita Myn., Gall.

[debita] Lass. Pal./Fed. (cf. app. ad loc.)

12,2

vicino perfertur Myn.

vicina ope fertur Pal./Fed., Lass. ad vicinum perfertur Gall.

12,4

neget Myn.

cf. necet Gall., Lass. †necet† Pal./Fed.

12,6

felicitati utriusque confini Myn., Pal./Fed.

cf. f. in utriusque confinio Gall. f. utriusque confinii Lass.

13,2

sed iam perfecta Myn.

etiam perfecta Gall., Pal./ Fed., Lass., Nixon/S. Rodgers 285 n. 56

13,4

nulla frugum ubertas Myn., Pal./Fed. (cf. app. ad loc.)

illa f. u. Gall.; Nixon/ S.Rodgers 286 n.58 [nulla] f. u. Lass.;

Athetesen bei Mynors: 2,1 adsistat [ac]; 2,3 magnitudinem [tuam]; 6,2 quivis [si] Panegyricus von 313 (XII/IX) 2,2

transacto … metu … ominis Myn.

t. … motu … hominis Pal./ Fed., Lass. t. … nutu … ominis Gall.

2,4

hortata [est] Myn.

hortata est Gall., Pal./Fed., Lass.

3,6

ad mortem devotionis Myn.

ad mortis devotionem Gall., Pal./Fed., Lass.

4,4

te conservati usque homicida- cf. te reorum conservationis rum sanguinis gratulatio Myn.) atque h.s.g. Gall. te †conservatio absque† h.s.g. Pal./Fed., Lass.

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285

6,2

restringere Myn., Pal./Fed.

cf. restinguere Gall., Lass.

6,4

praemissis Myn., Lass.

cf. praemisisti Gall., Pal./Fed.

7,5

virginum, quamque duplici fructu fruebantur Myn.(‚quamque scripsi’)

quae d.f.f. Gall., Pal./Fed., Lass.

7,8

ut de te sperare Myn. (‚ex.gr. scripsi’ - numeri!)

sperarent Gall., Pal./Fed., Lass.

8,2

impeditu ferox Myn.

impetu f. Gall., Pal./Fed., Lass.

14,4

deambulantem in illo palatio Myn.

deambulantem tantum i.i.p. Pal./Fed. deambulare et tantum Gall., Lass.

15,4

pugnae tempus putare victoriae Myn.

cf. p.t.p.victoriam Gall., Lass. pugnae tempus putare victoriae Pal./Fed.

19,1

provehebat simul et detinebat Myn.

p.s.e. attinebat Gall., Pal./ Fed., Lass.

19,2

tantum sibi hominum animi … superesse memorabant Myn.

tantum ibi hominum [animi] … s. mirabantur Pal./Fed., Lass.; tantum ibi hominum insani … sexennii … superesse mirabantur Gall.

22,2

quasi praeterita sunt Myn.

sint Gall., Pal./Fed., Lass.

22,5

abeundi, enim simulato Myn.

simulato enim Gall., Pal./ Fed., Lass.

26,1

sive tute …. es Myn., Gall., Lass.

cf. sive in te …. est Pal./Fed.

26,1

es, quae hoc opus Myn., Gall., Lass.

cf. est, qua Pal./Fed.

Athetesen bei Mynors: 1,2 capite [et]; 1,3 [et] tandem; 16,5 succederes? [et]; 19,2 inde [dico]; 21,3 [et] Danubioque; 25,4 simulacrum [aureum]

Über die Reihe Edition Antike Herausgegeben von Thomas Baier, Kai Brodersen und Martin Hose Die neue Reihe zweisprachiger Textausgaben bei der WBG bietet wichtige Texte der antiken Literatur mit modernen Übersetzungen und in einer zeitgemäßen Ausstattung. Es sind Leseausgaben – auf einen umfangreichen kritischen Apparat wurde bewusst verzichtet. Die Einleitung stellt jeweils Autor und Werk in ihrer Zeit vor und gibt auch einen kurzen Überblick über das Nachwirken des Textes. Thomas Baier ist Professor für Klassische Philologie (Latinistik) an der Universität Bamberg Kai Brodersen ist Professor für Alte Geschichte an der Universität Mannheim Martin Hose ist Professor für Klassische Philologie (Gräzistik) an der Ludwig- Maximilians-Universität München

Über den Inhalt Zwölf Lobreden auf römische Kaiser sind im Corpus der Panegyrici Latini überliefert. Die in der Spätantike zusammengestellte Sammlung enthält neben dem berühmten Panegyricus des jüngeren Plinius an Kaiser Trajan elf Lobreden auf römische Kaiser der Spätantike – unter anderem auf Konstantin den Großen –, die zwischen den Jahren 289 und 389 n. Chr. von verschiedenen Autoren zu unterschiedlichen Anlässen verfasst wurden. Diese elf Lobreden auf römische Kaiser werden in der Edition Antike erstmals in einer zweisprachigen Edition vorgelegt.

Eingeleitet, übersetzt und kommentiert Brigitte Müller-Rettig ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am HeinrichSchliemann-Institut für Altertumswissenschaften der Universität Rostock.