Literaturkritiken: Mit einem Anhang: Aufsätze zum Saint-Simonismus [Reprint 2012 ed.] 9783110964868, 9783484190412


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German Pages 165 [168] Year 1977

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Inhaltsverzeichnis
Einleitung
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Literaturkritiken
Anhang
Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
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Literaturkritiken: Mit einem Anhang: Aufsätze zum Saint-Simonismus [Reprint 2012 ed.]
 9783110964868, 9783484190412

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Deutsche Texte

Herausgegeben von GOTTHART WUNBERG

42

Karl August Varnhagen von Ense

Literaturkritiken Mit einem Anhang: Aufsätze zum Saint-Simonismus

Herausgegeben von KLAUS F . GILLE

Max Niemeyer Verlag Tübingen

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Varnhagen von Ense, Karl August [Sammlung] Literaturkritiken. Mit e. Anh. : Aufsätze zum Saint-Simonismus / hrsg. von Klaus F. Gille. - i. Aufl. - Tübingen : Niemeyer, 1977. (Deutsche Texte ; 42) I S B N 3-484-19041-8 Ense ; Karl August Varnhagen von

I S B N 3-484-19041-8 © Max Niemeyer Verlag Tübingen 1977 Satz und Druck: Bücherdruck Wenzlaff, Kempten Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrücklidie Genehmigung des Verlages ist es audi nicht gestattet, dieses Budi oder Teile daraus auf photomedianisdiem Wege zu vervielfältigen. Printed in Germany.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

VII

Literaturkritiken I . Ü b e r d i e S c h r i f t e n d e r BARONINN DE LA M O T T E FOUQUÉ. E i n G e -

spräch beym Theetisdie

ι

II. Isabella von Ägypten, Kaiser Karl's des Fünften erste Jugendliebe; eine Erzählung. Melück Maria Blainville, die Hausprophetin aus Arabien; eine Anekdote. Die drei liebreichen Schwestern und der glückliche Färber; ein Sittengemählde. Angelica die Genueserin und Cosmus der Seilspringer; eine Novelle. Von LUDWIG ACHIM VON ARNIM. B e r l i n , 1 8 1 2

4

III. Versuch einer Buchhändler-Anzeige

8

I V . Kriegsgesänge aus den Jahren 1806 bis 1814. (Von [FRIEDRICH A U G U S T V O N ] STÄGEMANN). 1 8 1 4

10

V . GOETHE'S neuestes Werk. [Wilhelm Meisters Wanderjahre oder Die Entsagenden, Th. 1, Stuttgart/Tübingen 1821]

18

V I . Trauerspiele von KARL IMMERMANN. (Hamm und Münster, bei Schultz und Wundermann, 1822)

22

V I I . Brief an einen Freund über [Friedrich Wilhelm Pustkuchens Roman] die falschen Wanderjahre Wilhelm Meisters. Von KARL IMMERMANN. (Münster, 1823)

25

V I I I . Cardenio und Celinde. Trauerspiel in fünf Aufzügen von KARL IMMERMANN. (Berlin, bei Laue, 1826)

28

I X . Gedichte von H . HEINE (Berlin, in der Maurerschen Buchhandlung, 1822)

31

X . Tragödien nebst einem lyrischen Intermezzo, von H. HEINE (Berlin, bei Dümmler, 1823)

33

X I . R e i s e b i l d e r v o n Η . HEINE

1. Erster Theil. (Hamburg, bei Hoffmann und Campe, 1826.) . . . 2. Zweiter Theil. (Hamburg, bei Hoffmann und Campe, 1827.) . . 3. Dritter Theil. Hamburg, Hoffmann und Campe. 1830 4. Nachträge zu den Reisebildern. Hamburg, Hoffmann und Campe. 1831 j . Erster Theil. Zweite Auflage. (Hamburg, bei Hoff mann und Campe, 1830)

3$ 38 41 43 46

V

X I I . Buch der Lieder von H . HEINE. (Hamburg, bei Hoffmann und Campe, 1827.)

48

X I I I . L a n d h a u s l e b e n . E r z ä h l u n g e n v o n LUDWIG A C H I M VON A R N I M .

Erster Theil. (Leipzig, 1826)

51

X I V . Tag- und Jahreshefte als Ergänzung meiner sonstigen Bekenntnisse. Von GOETHE. (Goethe's Werke. Vollständige Ausgabe letzter Hand. Band 3 1 . und 32. Stuttgart und Tübingen, in der J . G. Cotta'sdien Buchhandlung, 1830.)

$5

X V . »Im Sinne der Wanderer.« [Wilhelm Meisters Wanderjahre oder Die Entsagenden, 2. Fassung, 1829]

64

X V I . Das Büchlein von Goethe. Andeutungen· zum bessern Verständniss seines Lebens und Wirkens. Herausgegeben von Mehreren, d i e i n s e i n e r N ä h e l e b t e n [ i . e. O S C A R LUDWIG BERNHARD WOLFF] .

Penig, bei Sieghart, 1832

71

X V I I . [Denkschrift an den Fürsten Metternich über das Junge Deutschland] X V I I I . R e i s e n o v e l l e n v o n HEINRICH LAUBE. E r s t e r und

77

zweiter

Band, Leipzig, 1834. Dritter und vierter Band, Mannheim, 1836. Fünfter und sechster Band, Mannheim, 1837

8j

X I X . Erinnerungen aus dem äusseren Leben von ERNST MORITZ ARNDT. Leipzig, 1840. Weidmann'sche Buchhandlung

89

X X . Leben und Schriften des Freiherrn Adolf v. Knigge. [Knigge's Leben und Schriften. Von KARL GÖDEKE. Hannover. Hahn'sche Buchhandlung, 1844.]

100

X X I . Erläuterungen zu den deutschen Klassikern. [Erste Abtheilung. Goethe's Hermann und Dorothea, Erläutert von HEINRICH DÜNTZER.] Jena, Karl Hochhausen, [I85 J ]

106

X X I I . Der grüne Heinrich. Ein Roman von GOTTFRIED KELLER. Braunschweig. Vier Bände. [ I 8 J 4 - I 8 J J ]

109

Anhang X X I I I . Über den Saint-Simonismus. (Aus dem Briefe eines Deutschen vom Rhein, Februar 1832.)

III

X X I V . Politische Stimmen in Frankreich. Vom Rheine, März 1832.

nj

X X V . Noch ein Wort über den Saint-Simonismus. Vom Rheine, Mai 1832

121

Quellenverzeichnis Literaturverzeichnis Namenregister

124 127 132

VI

Einleitung

Das Bild, das sich die Nachwelt von Karl August Varnhagen von Ense gemacht hat, ist von der Besprechung der ersten sechs Bände seiner posthum erschienenen Tagebücher bestimmt, die Rudolf Haym 1863 in den >Preußischen Jahrbüchern< veröffentlichte. Diese umfangreiche Rezension - im Nachdruck fast 100 Seiten! - , die über ihren konkreten Anlaß weit hinausgeht, ist eine gehässige Nachzeichnung von Varnhagens Lebensgang, seinem Charakter und seiner vielseitigen schriftstellerischen und diplomatischen Tätigkeit. Varnhagen wird als ästhetisierendes, letztlich unproduktives, da nur »formales« Talent beschrieben,, dessen Lebensgang von charakterlosem Opportunismus bestimmt gewesen sei. Hayms Charakterzeichnung gipfelt in dem kursiv gedruckten Aperçu: »Es wird ihm herzlich sauer, eine konsequenter Charakter sein zu sollen.« 1 Die Auswirkungen dieser angeblichen inneren Substanzlosigkeit Varnhagens auf seine verschiedenen Tätigkeitsgebiete nachzuweisen ist das Hauptanliegen Hayms. Auf dem Entwurf Hayms fußt sowohl Heinrich von Treitschkes Zeichnung des eitel intrigierenden politischen und schriftstellerischen Dilettanten Varnhagen in der >Deutschen Geschichte im Neunzehnten Jahrhundertf.; Revolution: Tb. IV, S. 2 J 2 ; V, S. 3 1 2 ; VII, S. ι. « Tb. VI, S. 3 3 8 ; Denkw. V, S. 19«. 7 Tb. IV, S. 2 7 2 f . ; V , S. 1 2 2 . 8 Tb. V, S. 2 3 3 . » T b . V, S. 3 2 1 . 1 0 Zum Folgenden vgl. Hans Rosenberg: Rudolf H a y m und die Anfänge des klassischen Liberalismus, Köln 1 9 3 3 ( = Hist. Zeitschrift, Beiheft 3 1 ) , bes. S. n6ß.

VIII

Zentrum des Frankfurter Parlaments angehörig, stellte den Einheitsgedanken über alles, zu dessen Durchsetzung er eine politische Linie vertrat, die er als Ausgleich deklarierte, die aber faktisch eine Kooperation mit der reaktionären preußischen Politik bedeutete; dagegen grenzte er sich scharf nach links ab und erklärte den »Kampf gegen den Radikalismus der Freiheit, gegen die ultrademokratische Agitation und deren Ziel, die Republik« zu seinem politischen Ziel. 1 1 Hayms politisches Scheitern i 8 j o wurde von Varnhagen mitleidlos kommentiert. 12 A u f diesem Hintergrund erscheint Hayms Besprechung der >Tagebiicher< als Racheakt und Apologie der eigenen politischen Haltung. Wie sehr die inzwischen etablierte Bourgeoisie 1862, in der Konfliktszeit, die politische Brisanz der Varnhagenschen T a g e bücher« fürchtete, zeigt eine Auslassung Treitschkes gegenüber seinem Vater: »Das Buch ist v o n großem Werthe für den Kundigen, aber Gift, geradezu Gift für das unwissende Publicum. Die Herausgabe im gegenw ä r t i g e n Augenblicke ist eine Gemeinheit: zu so viel gerechter Erbitterung nodi eine solche Fluth ungerechten Grimms unter die gährenden Massen z u gießen!« 1 3

Das allgemeine Verdammungsurteil hat dafür gesorgt, daß Varnhagen, eine der literarischen Berühmtheiten seiner Zeit, allmählich in Vergessenheit geriet. Die wenigen Forscher, die sich mit ihm in diesem Jahrhundert beschäftigt haben, mußten sich noch immer mit dem früh entworfenen Bild Hayms auseinandersetzen. Erst die Aufdeckung des historischen Kontextes der frühen Wirkungsgeschichte Varnhagens kann den Weg zu seiner vorurteilslosen Einschätzung frei machen. K a r l August Varnhagen 1 4 wurde am 21. Februar 178$ in Düsseldorf als Sohn eines Arztes geboren. Seine Kindheit verlief teilweise 11

12 13 14

Zustimmend als bisherige, »von Sieg und E r f o l g gekrönte« Haltung der Nationalversammlung bezeichnet (ibid., S. 137). Tb. V I I , S. 432. 436, 439f· Treitschke: Briefe (vgl. A n m . 2) II, S. iz6i. Varnhagen führte seit 1811, offenbar aus Karrieregründen, zu Unrecht den Adelszusatz »von Ense«. Einer seiner Vorfahren, Johann V a r n hagen (gest. 1582) w a r natürlicher Sohn des ritterbürtigen katholischen Geistlichen C o n r a d von Ense, genannt Varnhagen; Johann Varnhagen stand der Adelstitel seines Vaters nicht zu. A l s 1826 Varnhagens Adels-

IX

als unruhiges Wanderleben und ohne Geborgenheit, nachdem der aufklärerisch gesinnte Vater, von den Ideen der Französischen Revolution angezogen, sidi nach Straßburg gewandt hatte, und von dort auf der Flucht vor der revolutionären Praxis erst nach jahrelangem Umherziehen 1794 in Hamburg wieder seßhaft wurde. Diese Lebensumstände haben Varnhagen früh geprägt: die Liberalität des Vaters in politischen und religiösen Fragen; die durch Einsamkeit und unregelmäßigen Schulbesuch begünstigte Lesewut, die schon aus dem Kind einen kleinen Polyhistor machte; die durch mannigfaltige Eindrücke geschärfte Rezeptivität, die später die minuziös genaue Schilderung von Personen und Ereignissen ermöglichte. Der Arztberuf schien dem jungen Varnhagen, der schon als Zwölfjähriger die Anatomie besucht hatte, vorherbestimmt. Nach dem Tode des Vaters 1799 wurde ihm durch Protektion der Besuch der medizinisch-chirurgischen Pepinière, einer Schule für Militärärzte in Berlin ermöglicht. Abgestoßen von dem dürren Kommißgeist der Anstalt wandte er sich den Berliner literarischen Kreisen der Romantik zu. Mit Gleichgesinnten, u. a. Chamisso, Wilhelm Neumann und Ludwig Robert, gründete er den literarischen »Polarsternbund«. Leitbilder waren Goethe und Schiller, die Schlegels, Tieck, Novalis und Schleiermacher. Die eigene literarische Produktion schlug sich u. a. in drei Jahrgängen des »grünen« Musenalmanachs (1804-1806), einer Diatribe gegen den romantikfeindlichen Garlieb Merkel und dem satirischen »Doppelroman« >Die Versuche und Hindernisse Karls< nieder. Nach seinem Ausscheiden aus der Pepinière (1803) war er in Berlin und Hamburg als schriftstellernder Hauslehrer tätig und nahm 1806 einen Anlauf zum Medizinstudium in Halle. Seit 1808 trat er in enge Beziehung zu Rahel Levin, die er 1 8 1 4 heiratete. Diese dreizehn Jahre ältere, ungewöhnliche Frau, Mittelpunkt eines Berliner literarischen Salons und kultische Interpretin Goethes, prädikat von der preußischen Regierung angezweifelt wurde, erlangte er nachträglich und ohne öffentliches Aufsehen die Legitimierung. Für ein Fortkommen im diplomatischen Dienst war das Adelsprädikat wohl förderlich, aber Heinrich Laube bezeugt: »Zu seinem Charakter gehörte Adelseitelkeit gar nicht.« (Laube [Houben X ] [ L V ] , V I I I , S. 2 3 1 ) . Vgl. Friedrich von Klocke: Karl August Varnhagen von Ense als Adelsusurpator, in: Westf. Adelsblatt V , 1928, S. 242ÎÏ. Ferner Carl Misch: Varnhagen von Ense und sein Adelsprädikat, in: Forschungen z. Brandenburg, u. Preuß. Gesch. X X X V I I I , 1926, S. i o i f f .

X

faszinierte den unfertigen Varnhagen. Seine weihevolle Verehrung f ü r Raheis Persönlichkeit und Nadilaß, das stilisierte Bild, das er von ihr unter Verkennung ihrer hypochondrischen und selbstquälerischen Natur entwarf, hat zur Überschätzung ihrer Persönlichkeit und zur Unterschätzung der seinen durch Mit- und Nachwelt beigetragen. 15 Zunächst machte ihm die Beziehung zu Rahel die Unabgesdilossenheit der eigenen Ausbildung peinlich bewußt; schwankend zwischen dem ungeliebten Arztberuf und militärischer, diplomatischer oder schriftstellerischer Tätigkeit ging er 1808 nach Tübingen, um das Medizinstudium abzuschließen, begab sich aber schon bald darauf unter dem Eindruck von Napoleons Niederlage in Aspern (1809) in den Kriegsdienst - ein Entschluß, der durch den Kauf des Doktordiploms an der sterbenden Erfurter Universität erleichtert wurde. In den kommenden Jahren finden wir Varnhagen erst in österreichischem, dann in russischem Dienst, als Adjutant wohlmeinender Gönner u. a. in Wien, Prag, Paris und Hamburg, mit publizistischen und diplomatischen Tätigkeiten betraut, in Kontakt mit den einflußreichsten politischen und gesellschaftlichen Kreisen. Ausgerüstet mit Empfehlungsschreiben Metternichs, Wilhelm von Humboldts und des preußischen Staatsmannes Justus von Gruner an Hardenberg wurde Varnhagen 1 8 1 j nach langem Antidiambrieren in den preußischen Staatsdienst übernommen. Als Legationsrat betätigte er seine gewandte Feder während des Wiener Kongresses im Dienste der Ansprüche Preußens auf Sachsen. Seine Ernennung als Geschäftsträger am badisdien Hof fiel mit einer beginnenden Entfremdung zu Hardenberg und den Anfängen der Reaktion in Preußen zusammen. Sein Engagement im Sinne des südwestdeutschen Liberalismus, das weit über das in Berlin Wünsdibare hinausging - Mitarbeit im badischen Verfassungsausschuß, Parteinahme im Kampf um Badens Bestand, publizistische Stellungnahmen »für das Bürgerthum, gegen die Vorrechte des Adels, gegen die Willkür der Behörden, f ü r die Erfüllung des dreizehnten Artikels der Bundesakte« 16 - maditen ihn der preußischen Regierung verdächtig. Im Klima der Karlsbader Beschlüsse geriet Varnhagen auch bei der badischen Regierung, die ihn früher hoch geehrt hatte, in den »Verdacht demokratischer und pflichtwidriger " Vgl. Rahel, Ein Buch des Andenkens (LV) I, S. iff. Denkw. V, S. 93. Artikel 13: »In allen Bundesstaaten wird eine landständische Verfassung stattfinden.«

14

XI

Verbindungen«, 17 wobei auch angebliche Beziehungen zur liberalen Opposition in der badischen Zweiten Kammer eine Rolle spielten. Die Abberufung (1819) erfuhr er als »Katastrophe«. 18 Aus dem Mangel an Beweismaterial und Metternichs Forderung, Varnhagen in Deutschland nicht mehr zu verwenden, entstand in Berlin der Plan, Varnhagen als Ministerresidenten nach Nordamerika zu schicken und ihn dort auf ehrenvollem Posten politisch zu neutralisieren. Varnhagens Weigerung führte zur Versetzung in den Wartestand, seit 1824 in den Ruhestand. Dies bedeutete keine Kaltstellung; auch weiterhin verwandte die preußische Regierung Varnhagen zur Abfassung interner Aktenstücke, aber auch zur publizistischen Beeinflussung der öffentlichen Meinung, sowie zu diplomatischen Gelegenheitsmissionen. Bis zu seinem Tod am 10. Oktober 1858 wohnte er in Berlin. Die Amtsenthebung stieß ihn keineswegs in die Einsamkeit; vielmehr intensivierte und erweiterte er die Beziehungen zu zahlreichen Persönlichkeiten des politischen und literarischen Lebens in ganz Deutschland und wurde, nach Heinrich Laubes Urteil, zu »eine[r] Instanz, welche man oben höchst mißtrauisch ansah«. 19 Die umfangreichen Briefwechsel, die vielbändigen Denkwürdigkeiten, Tagebücher, die sehr freimütigen anonymen Korrespondentenberichte in der Augsburger Allgemeinen ZeitungMorgenblattBlätter für literarische Unterhaltung< am wichtigsten waren. Seit 1827 schuf er sich in den zusammen mit Hegel und Eduard Gans gegründeten »Jahrbüchern für wissenschaftliche KritikJahrbüchern< finden sich von Varnhagen zahlreiche, z . T . sehr umfangreiche Besprechungen. Seit Ende 1839 geriet das Blatt in Konflikt mit der preußischen Zensur, wodurch Varnhagens Beiträge mehr und mehr zurückgingen. Varnhagens Stil ist an Goethe und den Erfordernissen der Diplomatie geschult. Der Jungdeutsche Gustav Kühne spricht von der »ionische [n] Eleganz und [ . . . ] saubere [n] Nettigkeit dieses Memoirenstyls... Dieser Styl ist wesentlich diplomatiseli. Varnhagen berichtet und ergänzt, aber er widerspricht nie; wo gänzlidier Widerwille und Anfeindung eintreten sollten, genügt Ignoriren.«20 Varnhagen selbst hat diese Haltung als Überwindung einer ungünstigen Veranlagung »zum scharfen Tadeln, zum streitsüchtigen Angreifen« interpretiert, 21 der er in den Tagebüchern und im vertrauten Gespräch, 22 höchst selten aber in seiner literarischen Tätigkeit freien Lauf ließ (vgl. die Rezension des >Büchleins von GoetheErinnerungen aus dem äusseren Leben< (1840) ist von einem Ton leichter Distanziertheit geprägt, die nicht nur aus der Bemühung um historische Objektivität, sondern vor allem aus dem Gegensatz beider Persönlichkeiten und ihrer politischen Anschauungen zu erklären ist. Der verfeinerte, europäisch orientierte, von den Ideen der Französischen Revolution geprägte Diplomat und der derb-vierschrötige, deutschtümelnde, antiaufklärerische Franzosenfresser stehen einander, trotz punktueller Übereinstimmung in konkreten politischen Zielen (Preßfreiheit, Verfassung) und dem gemeinsamen Schicksal des Amtsverlustes in der Atmosphäre der Karlsbader Beschlüsse mit Reserve gegenüber. Arndt seinerseits spielt in seinen >Erinnerungen< auf dieses Verhältnis polemisch an, wenn er fragt: »Es heißt im Sprichwort: fulmine, non grandine, wie soll aber ein sogenannter geistreicher armer Teufel begreifen, daß man mit einem tüchtigen Keulenkopf viel wirksamer schlägt und trifft, als wenn man ihn in hundert kleine Speerspitzen ausgeschnitzelt hätte?« 25

Im Zuge der Verschärfung seines politischen Denkens hat? Varnhagen später die Haltung Arndts, ähnlich wie die Hayms, im Frankfurter Parlament als deutschtümelnden Größenwahn und Verrat an der »Freiheits- und Volkssache« scharf verurteilt, ohne seine Verdienste während der Befreiungskriege zu verkennen. 28 Bei aller Distanz zu jedem engstirnigen Nationalismus hat sich Varnhagen in der Zeit napoleonischer Bedrückung von der Vaterlandsbegeisterung mitreißen lassen, die ihm neben Fichtes >Reden an die deutsche Nation< die Kriegslieder Friedrich August von Stäge25

Ernst Moritz Arndt: Erinnerungen aus dem äußeren Leben, 3. Aufl., Leipzig 1842, S. 233. a e T b . I , S . 2 9 9 f . ; V , S. 136, i j j , 3 2 1 ; V I , S. 1 1 ; V I I , S. 98f.; V I I I , S. 2 2 2 ; I X , S. 442Í.; X I , S. ι if., 394; X I I I , S. 1 3 2 ; X I V , S. 375.

XIV

manns vermittelten. Stägemann war als Geheimer Rat Mitarbeiter Steins und Hardenbergs bei den preußischen Reformen und mit Varnhagen lange Zeit befreundet. Mehrfach hat Varnhagen »die zwiefachen Sdiauer der poetischen Macht und der politischen Kühnheit« beschrieben,27 die Stägemanns ungelenke antikisierende Oden 1807 in ihm erregten. Doch hat er sich auch in dieser Zeit von jeder Deutschtümelei freigehalten. Bei Varnhagen konkurrierten vaterländische Gefühle immer mit der Bewunderung für die Ideen der Französischen Revolution, für die französische Kultur und selbst für Napoleon, in dem er zeitweise den Befreier Europas und Zerstörer des Feudalismus sah. »Eine Hand Napoleons ficht doch am Ende für uns, während die Andere uns schlägt, obwohl er mit beiden für sich streitet.«28 Aus dieser weltbürgerlichen Haltung rühmt Varnhagen das Vermeiden »unwürdigefr] und gemeine[r] Feindschaft« gegen Napoleon und die »erhabene allgemeine Menschenliebe« in Stägemanns Gedichten. Der >Versuch einer BuchhändlerAnzeige«, in dem Varnhagen die Schriften der französischen Aufklärung gegen die Deutschtümler propagiert und dies mit der Forderung nach »stets erneuerter Prüfung und [ . . . ] Abwehren jedes einseitigen Vorurteils« begründet, steht in einem komplementären Verhältnis zu der gleichzeitigen Stägemann-Rezension. In diese Grundpositionen von Varnhagens politischem Denken fügt sich auch die Propagierung der frühsozialistischen Lehre des Saint-Simonismus. Die Briefzeugnisse des Varnhagenschen Kreises dokumentieren eine enthusiastische Rezeption der neuen Lehre. 29 Rahel sah in ihr »das neue, großerfundene Instrument, welches die große alte Wunde, die Geschichte der Menschen auf der Erde, endlich berührt«. 30 Varnhagen selbst hat sich am deutlichsten in einem 27

Denkw. II, S. jif.; Literatur-Blatt zum Morgenblatt, N o . 99, 9. Dec. 1828, S. 393; vgl. auch Morgenblatt f. geb. Stände, 3 0 . N o v . 1 8 1 4 , N r . 286; ibid., 24. Juli 1822, N r . 176, S. 703Í.; Der Deutsche Beobachter, 30. April 1 8 1 3 , Nr. 12. 2 ® Briefwechsel zwischen Varnhagen und Rahel (LV) II, S. 40; vgl. ibid. I, S. 279, 3 i ^ f . ; III, S. 3 1 7 L ; Denkw. I, S. 5 1 , 1 6 7 L , 208, 3 1 5 ; II, S. 50; III, S. 7 i f f . 2

» Vgl. Rahel, Ein Buch des Andenkens ( L V ) III, S. 5$of., j j j f f - , j68ff.; Briefwechsel zwischen Püctler und Varnhagen von Ense (LV), hg. v. Ludmilla Assing-Grimelli, Bd. III, Berlin 1874, S. 91, 96, io2Îï., 1 1 0 . 80 Heinrich Heines Briefwechsel, hg. v. Friedrich Hirth, Bd. II, München, Berlin 1 9 1 7 , S. 23.

XV

bisher unveröffentlichten Brief vom 18. April 1 8 3 2 an Cotta geäußert: »Im Vertrauen sag' idi Ihnen, daß midi seit langer Zeit kein Gegenstand so angezogen und beschäftigt hat, als die Erscheinung des St. Simonismus, der vor vielen anderen Erscheinungen wenigstens das voraus hat, ganz neu und ganz einzig zu sein, was man sogar von den meisten Tollheiten, die einem sonst begegnen, nicht sagen kann. Aber es ist hier große Tiefe und Ernst, und manche der ausgesprochenen Wahrheiten können nicht mehr untergehen, wenn auch, was idi dodi gar nicht glaube, die jetzige St. Simonistische Gesellschaft gesprengt würde. « 8 0 a Neben diese Briefzeugnisse treten als exoterische Äußerungen die drei in diese Auswahl aufgenommenen anonymen Artikel aus der einflußreichen und angesehenen Augsburger Allgemeinen ZeitungLe Globe< unter Hinweis auf die Bedeutung der >Allgemeinen Zeitung< und mit der Überschrift »Du Saint-Simonisme. Extrait d'une lettre écrite par un Allemand des bords du Rhin« in Übersetzung erschien. Das Manuskript des gleichen Artikels könnte - wie Eisner vermutet - zusammen mit einem Brief Varnhagens, Heinrich Heine zu »eine[r] Art Hymnus auf den Saint-Simonismus« (Eisner) in >Le Globe< vom 26. Februar 1832 veranlaßt haben. Inwieweit den anderen Jungdeutschen der Saint-Simonismus durch Varnhagens Artikel (mit)vermittelt worden ist, muß offen bleiben; Raheis Salon hat hierbei jedenfalls überhaupt keine, ihr Nachlasswerk wenigstens keine primäre Rolle gespielt. 32 Varnhagens Literaturkritik hat ihren Schwerpunkt in der Interpretation und Vermittlung Goethesdier Werke. Nachdem Rahel Levin bereits seit 1795 in dem noch von der Spätaufklärung beherrschten Berlin in ihrem Salon als Hohepriesterin des Goethekultes auf getreten war und Varnhagen selbst 1808 in den >Verkeit zu suggerieren, ein Verfahren, dessen sich Varnhagen in seinen Zeitungsberichten öfter bedient. Feststeht Varnhagens Unterrichtung über den Saint-Simonismus durch >Le GlobeGlobe< wieder [zu] geben, oder dodi darauf hin [zu] weisen« (vgl. ferner den in A n m . 30 genannten Brief). A u f die Unterrichtung V a r n hagens durch den amerikanischen Augenzeugen A l b e r t Brisbane hat Glander ( L V ) , S. ioof. hingewiesen. 32 E . M . Butler ( L V ) , S. 69fr.

XVII

suchen und Hindernissen Karls< die negativen Züge des zeitgenössischen >Wilhelm-MeisterMorgenblatt< Bruchstücke aus seinem Briefwechsel mit Rahel über Goethe, die bereits überrasdiende Einsichten in Erzähltechnik, Komposition und Stil der >Lehrjahre< verraten. Von nun an begleiten Varnhagens Besprechungen die wesentlichen Alterswerke des Weimarer Dichters und, nach dessen Tod, auch die einsetzende Flut der Goetheliteratur. Heines spöttische Kontrafaktur des 106. >BlütenstaubDas Büchlein von Goethe< und Immermanns >Brief an einen Freund über die falschen Wanderjahre Wilhelm Meister'sTagund Jahres-Hefte< ( 1 8 3 1 ) ist repräsentativ für Varnhagens Goethebild. Die von den Zeitgenossen ambivalent bewertete Vorstellung von Goethe als proteischem Dichter 36 und seiner Objektivität und Plastizität erscheint bei Varnhagen eindeutig unter positivem Vorzeichen und richtet sich gegen die Angriffe Pustkuchens und Menzels.38 Die gleiche Intention liegt in der Aufnahme von Heinroths Wort vom »gegenständlichen Denken« 37 und der Popularisierung des kurz vorher von Humboldt entworfenen ganzheitlichen Goethebildes, bei dem insbesondere auf die Zusammengehörigkeit und wechselseitige Bedingtheit von Goethes dichterischem Schaffen und seiner naturwissenschaftlichen Bemühungen hingewiesen worden war. 38 33 34 35

38 37

Heine: Briefe (Hirth) ( L V ) II, S. 258 = S A X X I , S. 272. Tb. I, S. 68. Vgl. Karl Robert Mandelkow: Der proteische Dichter. Ein Leitmotiv in der Geschichte und Wirkung Goethes, Groningen 1962. Nicht gegen Börne, dessen Angriffe erst Ende 1 8 3 1 einsetzten. Briefe an Goethe, hg. v. Karl Robert Mandelkow, Hamburger Ausg.,

Bd. II, 1969, S. 34if. u. Komm. 38

Rezension des Zweiten Römischen Aufenthalts. Neudrude: Goethe und seine Kritiker, hg. v. Oscar Fambach, Berlin 1 9 J J , S. 372fr.

XVIII

Besondere Bemühungen widmete Varnhagen der Propagierung des >Wilhelm Meisters der zu Goethes Lebzeiten als sein repräsentatives Werk galt. 39 Neben die oben erwähnte Beschäftigung mit den >Lehrjahren< tritt der rührige Einsatz für die >WanderjahreGesellschafter< (1821) und die (bei Fambadi leicht zugänglichen) >Bruchstücke aus wirklich gewechselten Briefen, Bemerkungen, aus geselligem Verkehr hervor gerufen< (1821) beziehen sich auf die fragmentarische Erstfassung des Altersromans; der Aufsatz >Im Sinne der Wanderer< erschien 1832 im letzten Heft von >Über Kunst und Alterthum< nach Goethes Tod und behandelt die abgerundetere Zweitfassung. Kennzeichnend für Varnhagens Rezeption der >Wanderjahre< ist die Akzentuierung des gedanklichen Gehaltes, während die unstreitig vorhandenen formalen Mängel, vor allem der ersten Fassung, geleugnet oder entschuldigt werden. Ausgehend von den zuerst von Rahel herausgegehobenen Textstellen über Entsagung im individuellen und mondialen Bereich deutet Varnhagen das Werk als Sozialroman, als zeitkritisches und programmatisches Werk und leitet damit die spätere, sogenannte sozialistische Deutung des >Wilhelm Meister< ein. Er erkennt die Übereinstimmungen zwischen den Soziallehren der >Wanderjahre< und des Saint-Simonismus und sieht Goethes Utopie als Ergebnis der von Saint-Simon verkündeten Vervollkommnung und Harmonisierung der menschlichen Gesellschaft. Die Deutung von Goethes geistiger Existenz und seiner Dichtung als »das Bild der Zerrüttungen einer mit sich selber in Zwiespalt gerathenen Welt« (>Im Sinne der WandererWanderjahre< ist der Versuch, Goethe von dem Stigma eines gesellschaftsfremden und reaktionären »Sektirer[s] für das Alterthum« (Formulierung Ludwig Tiecks, 1828) und Ästheten zu befreien. Der kritische Weitblick Varnhagens kann vor allem ermessen werden, wenn man ihn mit s

* Zum Folgenden vgl. Klaus F. Gille: Wilhelm Meister im Urteil der Zeitgenossen. Ein Beitrag zur Wirkungsgeschichte Goethes, Assen 1971, bes. S. 200ÎÎ., 2j7Íf., 3o6ff. 40 Briefe an Goethe (vgl. Anm. 37), S. 597. XIX

der Verständnislosigkeit eines Jungdeutschen wie Theodor Mündt vergleicht, der, von einem letztlich romantischen Poesiebegriff ausgehend, urteilte, »die ökonomischen, technischen, und landwirthschaftlichen, haushälterischen und handwerkszünftigen Darstellungen« hätten die >Wanderjahre< »zu tief und rettungslos in die Prosa hineingestürzt« . 41 Dieser Weitblick erhebt Varnhagen auch über die anempfindende Mittelmäßigkeit von Interpreten wie Schubarth, Zauper und, in gewissem Sinne auch Eckermann. Es ist mehr als konventionelle Höflichkeit, wenn Goethe öffentlich von Varnhagen als einem Mann sprach, »der, meinen Lebensgang schon längst aufmerksam beobachtend, midi über mich selbst seit Jahren belehrte«. 42 A u d i nach Goethes Tod blieb der Dichter für Varnhagen »ein wahrer Lehrer, ein starker, kundiger Mensdienführer«, 43 der ihm mehr und mehr zur Fluchtmöglichkeit »gegen die widrigen Einflüsse, die auf mich eindringen«, wurde. 44 Die Rezension von Düntzers >Erläuterungen< zu Goethes >Hermann und Dorothea< dokumentiert Varnhagens lebhaftes Interesse an der materialmäßigen Aufarbeitung und Erforschung der Goethezeit, wenngleich Tagebuchnotizen Einwände gegen Düntzers philologischen »Übereifer« bekunden. 45 Düntzers archivarische Faktenhuberei bedeutete für Varnhagen den Versuch einer möglichst vollständigen und unverfälschten Überlieferung der Goethezeit, während ihm Gervinus' ideologisch verzerrte Kritik das Ende eben dieser Epoche signalisierte.46 Spricht Varnhagen von Goethe nie anders als im Ton tiefster Verehrung, in den sich nur selten ein Ansatz zu kritischer Stellungnahme einsdileidit, so sind seine Besprechungen von Romantikern und Jungdeutschen zumeist auf den pädagogischen Ton von Kritik, Rat und Zuspruch gestimmt, eine Haltung, die audi meistens noch von persönlidier Bekanntschaft oder Freundschaft mitbestimmt wird. Bei Immermann, den Varnhagen nicht persönlich kannte, fällt denn audi der aufmunternde Ton dem literarischen Neuling gegenüber besonders auf. 47 Zit. Gille (vgl. Anm. 39), S. 300. 44 Tb. X, S. 46. « Goethe WA I, 41,1, S. 366. « Tb. I, S. 7. 4« Tb. II, S. 97I « Tb. IX, S. 18zf., vgl. S. 177. 47 Vgl. Immermanns entsprechende Reaktion bei Dorow: Denkschriften u. Briefe z. Charakteristik der Welt u. Litteratur, N.F. V, Berlin 1841, S. 133fr. 41

XX

Von Varnhagens Beziehungen zu den Romantikern ist die zu Arnim am wichtigsten. Der »wohlthätige Eindruck« 48 der persönlichen Bekanntschaft wurde auch durch gewisse Charakterdefekte Arnims 49 nicht ernsthaft berührt. Trotz der persönlichen Verfeindung mit Brentano kurz nach ihrer persönlichen Bekanntschaft in Prag ( 1 8 1 1 ) kam es nach Varnhagens Rezension des >Landhauslebens< (1826) zu einer jahrzehntelangen, in der Forschung allerdings nicht unumstrittenen literarischen Zusammenarbeit mit Bettina, die u. a. auch in Varnhagens Teilnahme an ihrer Ausgabe von Arnims Werken ihren Ausdruck fand. 50 Auch die Beziehung zu Caroline von Fouqué fällt noch in Varnhagens Studienzeit. Die formale Gestaltung der Besprechung verrät nicht nur Varnhagens jugendliche Verehrung für Friedrich Schlegel (>Gespräch über die PoesieGesprächs< nicht ausspricht - in der kritiklosen Nachahmung des letztlich schwächeren Talents ihres Gatten. 54 Der kunstkritische Standpunkt Varnhagens den Romantikern gegenüber ist von der klassischen Ästhetik Goethes beeinflußt und kommt besonders in den Arnim- und Immermann-Rezensionen zum Ausdruck. Er bestimmt etwa die Ablehnung der »Überfülle« und der »wuchernde[n] Üppigkeit« in der Sammlung von 1 8 1 2 48

Denkw. I, S. 340, vgl. S. 316. Vgl. Achim v. Arnim und die ihm nahestanden, hg. v. Reinhold Steig u. Herman Grimm, Bd. I, Stuttgart 1894, S. 184. 4 » Vgl. Varnhagen: Ausgew. Schriften (LV) X V I I I , S. 112ÍÍ. 50 Zusammenfassend Glander (LV), S. i 7 i f f . 51 A n Cotta, 1. Juli 1 8 1 1 , unveröffentlicht (Cotta-Archiv, Marbach). «2 Biogr. Porträts (LV), S. 1 1 9 ; vgl. Denkw. II, S. 28ÍÍ. 53 Biogr. Porträts (LV), S. I40ff. 54 Ibid., S. 122ÎÏ.

XXI

und des »übertriebenen Wohlgefallens an dem Wunderlichen, Mißarteten, Verzwängten, Unheimlichen, Gespenstischen«, das auf Abwege führe. Gegenüber Immermann beruft sich Varnhagen auf die klassischen Kategorien von Maß- und Gattungsreinheit und die Dramendefinition in >Wilhelm Meisters LehrjahrenLandhauslebens< (1826) ist von der Anerkennung der eigenständigen Dichterpersönlichkeit und der eigentümlichen Weiterentwicklung Arnims geprägt, einer Anerkennung, die angesichts der Isolation des Dichters, der »auffallenden Sonderbarkeit gegen das Publikum«56 von besonderer Bedeutung ist und von diesem auch dankbar vermerkt wurde. 57 Da für Varnhagen die klassische Strenge der Form ein Desiderat bleibt, das er auch 1826 Arnim nur für die Zukunft kreditiert, ist das Urteil über den Dichter von einer Ambivalenz geprägt, die sich bis in die fünfziger Jahre (anläßlich der Arbeit an der Werkausgabe) nachweisen läßt.58 Die inhaltliche Bestimmung der Poesie am Ende der Rezension des >LandhauslebensBrief< zeigt dagegen eine deutliche Diskrepanz zur klassischen Ästhetik. Diese Formulierung erweist sich als weit genug für eine gerechte Einschätzung sowohl der jungromantischen Gesellschaftsnovelle als auch des Goetheschen Altersromans und präludiert schließlich das 85

58

57 68

Goethes Briefe, hg. v. Bodo Morawe, Hamburger Ausg., Bd. III, 1965, S. 92, vgl. S. 138. Formulierung Varnhagens in seinem Nekrolog für Arnim (Ausgew. Sehr. [ L V ] X V I I I , S. io8f.). Vortriede: Achim u. Bettina in ihren Briefen II, S. 6 3 1 . Tb. X , S. 414Í.; X I I , S . 2 2 3 ; X I I I , S. 13 j . Vgl. Hermann F. Weiss: Achim von Arnims »Metamorphosen der Gesellschaft, in: ZfdPh. X C I , 1972, S. 2 3 4 f f .

XXII

bekannte jungdeutsche Postulat von der Verbindung zwischen Kunst und Leben. Für das Junge Deutschland engagierte sich Varnhagen nicht nur in Rezensionen und als Beiträger ihrer Zeitschriften, sondern auch persönlich als Mentor und einflußreiche Schutzinstanz. Theodor Mündt hat 1 8 4 0 rückblickend diese Rolle wie folgt beschrieben: »Ein in sich selbst vollendeter und abgerundeter Geist, aber durch Welterfahrungen vom größten Umfange etwas überreif geworden, hatte er nach dem Tode seiner Rahel noch die Lebensaufgabe übrig behalten, als Wächter der goethe'sdien Classicität zugleich der Hort der von einem neuen Streben erfüllten Jugend zu werden.« 69 Die Gegensätzlichkeit zwischen Varnhagen und dem Jungen Deutschland in Alter, sozialer Stellung und geistigem Habitus wurde nicht nur durch die liberale politische Überzeugung, sondern auch gerade durch Varnhagens Rolle als »Goetheaner« überbrückt. Letztere verbürgte zumindest einzelnen Jungdeutschen eine literarische Kontinuität, nach der sie, trotz polemischer Auseinandersetzung mit der »Kunstperiode«, doch strebten. Varnhagen seinerseits, der engere Beziehungen zu Heinrich Heine, Heinrich Laube und Theodor Mündt unterhielt, hat 1 8 3 4 dieses nicht unproblematische Verhältnis in einem Brief an den Fürsten Pückler wie folgt charakterisiert: »Ich selber stehe seltsam zu der jungen Brut. Ich erkenne sie als tapfere Streiter, idi nehme mir sogar mein Theil von ihrer Siegesbeute, und lasse mir wohl auch den Ertrag ihrer Plünderungen nicht entgehen; aber ich gehöre doch nimmermehr zu ihrer Fahne. Wo sie mich gelten lassen, bin idi mißtrauisch, und wo sie mich tadeln, oft sehr fest und stolz. Sie neigen Alle ein wenig zu dem Frevel hin, Goethe'n lästern zu wollen, ihn zu verkleinern, zu mißachten; und darin verwerf' ich sie unbedingt. Dann freut es midi wieder, daß ich die Freien und Wilden auch wieder so zahm und ehrerbietig einlenken sehe, und ihre Huldigung hat dann freilich doppelten Werth. Diese junge Litteratur kommt mir vor wie reitende Artillerie; da sie einmal da ist, möchte man sie nicht wieder missen, obgleich unser altes schweres Geschütz, zu dem wir geschworen, dabei gar sehr außer Acht kommt.« 60 69

80

Th. Mündt: Heine, Börne, und das sogenannte junge Deutschland. In: Der Freihafen, 3. Jg., 1840, 4. H., S. 221. Briefwechsel zwischen Pückler und Varnhagen von Ense (LV), S. 2 1 3 f.

XXIII

Das bedeutendste Zeugnis von Varnhagens Eintreten für das Junge Deutschland ist seine erst 1906 von Ludwig Geiger veröffentlichte Denkschrift an den Fürsten Metternich. Varnhagen kannte Metternich seit seinem Pariser Aufenthalt 181 o und schätzte ihn persönlich, ohne freilich seine politischen Ansichten zu teilen. Im Anschluß an einen mündlichen Gedankenaustausch 1834 in Baden bei Wien und auf Ersuchen Metternichs zustande gekommen 6 1 , trägt sie einerseits den Charakter einer persönlichen Rechtfertigung, nachdem Varnhagen auf Grund einer Ankündigung Gutzkows in den Verdacht der Mitarbeiterschaft an der geplanten d e u t schen Revue< geraten war und sich unter Druck des preußischen Außenministers öffentlich von dem Unternehmen distanzieren mußte; andererseits enthält sie eine wagemutige und geschickt formulierte Fürsprache für die Jungdeutschen, die tait einem emanzipatorischen Literaturbegriff begründet wird, dem jeder Anspruch staatlicher Zensur unter dem Blickwinkel historischen Fortschritts als fragwürdig erscheint. Daß die Denkschrift in Wien nicht günstig aufgenommen wurde, beweist die giftige Begutachtung, die sie von offizieller Seite (nach Geigers Vermutung vom Chef der Oberzensurbehörde) erfuhr, ohne daß sich übrigens für den Verfasser daraus nachteilige Folgen ergaben. Von besonderer Bedeutung war das Verhältnis Heinrich Heines zu Varnhagen, dem - nach Friedrich Hirths Urteil - »treuestefn] Freund, dem Heine auf seinem Lebenspfade begegnete«.62 Die Varnhagens erkannten Heines poetisches Talent früh; seit 1821 wirkten sie erzieherisch auf den brauseköpfigen Studiosus ein, indem sie versuchten, ihm Goethe nahezubringen und »seinen Ernst zu stärken und seine Scherzausbrüche zu mäßigen«.63 Varnhagen betätigte sich wiederholt publizistisch und diplomatisch für Heine, wobei er sich mäßigend und beratend verhielt. Die hier abgedruckten Rezensionen sind als publizistische Schützenhilfe anzusehen, die der auf eine gute Presse bedachte Diditer dankbar akzeptierte.64 61

Vgl. Ludwig Geiger, Dt. Revue 1906, S. 183fr.; H . H . Houben: Jungdeutscher Sturm und Drang (LV), S. 577fr.; Denkw. V I , S. 327fr. es Heine: Briefe (Hirth) (LV), I V , S. 40. 63 Tb. X , S. 298. 64 Heine: Briefe (Hirth) ( L V ) I, 8 . 2 9 4 , 347, 354, 4 2 1 , 4 2 3 ^ , 478 = S A X X , S. 2 7 1 f., 323, 324, 384, 387, 4 3 J . Auch auf andere Weise machte Varnhagen Propaganda für Heines Werke: Briefe (Hirth) I, S. 260, 4 1 3 , 425, 4 J 4 u. Komm. = S A X X , S. 242, 3 7 8 L , 389, 4 1 4 . Vgl. weiter

XXIV

Wie bei Goethe erlaubt audi bei Heine das Vorliegen einer Reihe von zeitgenössischen Besprechungen eine genauere Einschätzung von Varnhagens Rezensententätigkeit. Sein Bild von Heine aus den zwanziger und dreißiger Jahren muß auf dem Hintergrund einer schulmeisterlich-nörgelnden Heinerezeption gesehen werden, deren sittliche, religiöse und poetologische Anstände im weiteren Verlauf der Wirkungsgeschichte des Dichters zu bekannten Klischees erstarrt sind. Willibald Alexis, der hier beispielhaft angeführt sei, charakterisierte 1 8 2 5 Heine in den Wiener >Jahrbüchern der Literatur^ indem er ihn mit Byron verglich, als »ein zerstörtes Gemüth, das weder im höheren sittlichen Aufschwünge, noch beim Rückblick auf das Leben Ruhe und Aussicht gewinnt, das sich deßhalb in den energischen Genüssen der Sinnlichkeit berauscht, und hier Vergessenheit für alle Zweifel sucht [ . . . ] «. V o n einem gehaltsästhetisch fundierten Standpunkt her, wie ihn unlängst Pustkuchen formuliert hatte, urteilte Alexis, Heine sei »von einem künstlerischen Standpunkte der Poesie noch weit entfernt« und habe sich nur als »subjectiv begeisterter Producent gezeigt«; wegen der vorwaltenden Reflexion »möchten w i r diesen Dichtungen den eigentlich lyrischen Charakter absprechen«. Heines L y r i k wird als unzüchtig und antireligiös gekennzeichnet, wobei der Rezensent auf Heines Judentum genüßlidi anspielt. 65

85

Manfred Windfuhr: H . H e i n e zwischen den progressiven Gruppen seiner Zeit, in: ZfdPh. X C I , 1972, Sonderheft, S. iff., bes. S. γβ. Rezension der »Tragödien, nebst einem lyrischen Intermezzos in: [Wiener] Jahrbücher der Literatur X X X I , 1 8 2 J , S. 157ÎÎ. Mit ähnlicher Tendenz, wenngleich anerkennender und differenzierter: Gustav Schwab: Rezension des >Buchs der LiederWilhelm Meisters Lehrjahre< mit großem Eindruck und wachsendem Fortwirken die Geister seiner Nation ergriffen hat, erscheinen gegenwärtig, von derselben Diditerhand geschaffen und gegeben, die »Wanderjahre Wilhelm MeistersWanderjahrenLehrjahrenMorgenblatt< Jahrg. 1812. Nr. 176. und >Sdiweizerisdies Museum« Jahrg. 1816. S. 360.

21

theils schon in Besitz genommen, das Land, die Flüsse, die Wege, und jeder Besitz befestigt sey; und die andere Stelle, w o Meister in die Betrachtung ausbricht: »O wie sonderbar ist es, daß dem Menschen nicht allein so manches Unmögliche, sondern auch so manches Mögliche versagt ist!« Es wurde nicht voraus gesetzt, daß der Dichter diese Texte mit Absicht gewählt und ausgeführt habe; nur daß die Sadie wirklich so sey, wurde geradezu behauptet, und übrigens gefragt: ob Goethe selbst wohl diese Stellen in solcher Bedeutung kenne und nehme? N u n aber werden jene Behauptung und diese Frage durch >Wilhelm Meisters Wanderjahre< auf höchst merkwürdige und glänzende Art beleuchtet, indem die bezugreiche Stelle auf den drei ersten Seiten des letzten Capitels dieses Bandes, den einen jener Texte nur noch bedeutungsvoller, und gleichsam zum Text des neuen Werkes gesteigert, mit großartigem Ausspruche, der den eigenthümlichen Inhalt unserer Zeit in seiner Tiefe berührt, ausdrücklich wiederholt und neuer Beherzigung übergiebt. Berlin, den 4. Juni 1821. C.A. Varnhagen von Ense

VL

Trauerspiele von

K A R L IMMERMANÑ

(Hamm und Münster, bei Schultz und Wundermann, 1822.) Dieser Trauerspiele sind drei: >das Thal von RoncevalEdwinPetrarcaPetrarca< zu, worin das Geschick eines Dichters, nach Goethe's >Tasso< wahrlich kühn und neu und glücklich genug in dieser Gestalt, mit tragischer Lebensfülle dargestellt wird. >Das Thal von Ronceval< steht diesem zunächst an dramatischem Verdienst, zuletzt >EdwinPetrarca< das vorzüglichste unter den gegebenen Stücken. Möge der Verfasser auf diesem Wege fortfahren! - Wir dürfen bei dieser Gelegenheit mit als einen Umstand, der Aufmerksamkeit verdient, hier anführen, daß Westphalen, diese Provinz unseres Vaterlandes, die seit langer Zeit ohne haftenden Dichter-Ruhm geblieben, nun auf einmal das Versäumte reichlich nach zu holen verspricht, und kräftige Schwingen zu regen beginnt, wie davon in diesen Tagen fast zu gleicher Zeit die ausgezeichneten Talente Heine's und Immermann's den erfreulichsten Beweis geben. E. VII.

Brief an einen Freund über [Friedrich Wilhelm Pustkuchens Roman] die falschen Wanderjahre Wilhelm Meisters Von K A R L IMMERMANN. (Münster, 1 8 2 3 . ) Diese Erscheinung ist in einer Zeit, wo das Bedürfniß äditer Kritik auf allen Seiten so dringend gefühlt, und ihre Einwirkung in allen Zweigen der Literatur doch so ängstlich vermißt wird, als kein geringer Gewinn zu redinen. In der That ist der Mangel an ächter Kritik auffallend; bei sattsamen Reidithümern in allen übrigen, sind wir in diesem Fache verwaist und verarmt. Wenn wir die gelegentlichen Sprüche Goethe's - die goldenen Worte z. B. über Calderón und Shakspeare, über Lukrez, Byron, Manzoni, in den kleinen Heften - nicht ausdrücklich anrechnen, so bleibt im weiten Umfange deutscher Lande jetzt, nachdem die bedeutenden Stimmen von A. W. und Fr. Schlegel, von Tieck, von Humboldt, und einigen Anderen dieses Ranges, verstummt sind, nur der einzige Börne zu nennen, welcher Einsicht, Geist, Witz und Kraft in dem Maaße vereint, um ein Kritiker im höheren Sinne zu heißen. Als würdiger Genösse tritt

jetzt Immermann auf. Aus dieser ersten kleinen Schrift ist sein ganzer Beruf zu erkennen. Audi hat er sich gleich einen Gegenstand von großem Inhalt erwählt, um seine erste Kraft daran zu versuchen. Dieser Gegenstand fordert nicht weniger, als die muthige Erörterung des auch in der Ästhetik waltenden Urstreites zwischen Licht und Finsterniß, die entschiedene Sonderung des Guten und Schlechten, der Wahrheit und der Lüge; alle Täuschung, Heuchelei, Verlarvung und Entartung des ästhetischen Sinnes mußte zur Sprache kommen. Der Verfasser hat seine Aufgabe treflich gelöst. Das frevle Beginnen, welches von dem Trosse der Literatur mit Jubelgeschrei empfangen wurde, auch hin und wieder einige bessere, doch schwachmüthige Seelen verwirrte, hat bei den Einsichtigen durch seine Geringfügigkeit* nur Mitleid, durch seinen schlechten Zweck nur Entrüstung, durch seine sittlich-ästhetische Verkehrtheit nur Ekel erwecken können. In solchem Falle war es schwer, inmitten der gerechten Empörung nicht leidenschaftlich zu werden, und da nur immer aus Gründen fort zu sprechen, wo diesen im voraus bösliche Willkühr entgegen tritt. Desto lobenswerther ist hier Immermann's Verfahren. Er sagt zwar selbst im Verfolge seines Briefes, er verlasse den Standpunkt der Unparteilichkeit, und schlage sich ganz auf die Seite Goethe's: aber welcher Richter thut dies nicht am Ende durch seinen Urtheilsspruchi Die Untersuchung aber führt er völlig parteilos; er verleugnet sich sein voraus geahnetes Ergebniß so lange, bis er es auch auf dem Wege der Erörterung wirklich gefunden hat. Er theilt sich seine Sache ordentlich ein, und nimmt sie Punkt für Punkt vor; kein Scheingrund ist ihm zu gering, um ihn ungehört zu verwerfen, keine Ausflucht zu abschweifend, um sie unverfolgt zu lassen. Er ist dabei weder pedantisch ausgesponnen, noch vornehm breit, sondern gedrängt und fest beisammen, und obwohl in abkürzender Zeitersparung, giebt er die Untersuchung dodi vollständig und mit allen Belegen. Er hat eben so klare als * Nicht einmal die geringe Erfindung der ganzen Unterlage seines Buches gehört dem Verfasser der »falschen Wanderjahre< eigen an. Der Einfall, Wilhelm Meister'n mit dem Markese auf Wanderschaft zu schicken und über Goethe'n schwatzen zu lassen, kommt schon in dem Buche: »Die Versuche und Hindernisse Karls, Berlin i8o8SommernaditstraumSturm< u.s.w., sondern von >HamletMacbeth< u.s.w. Aber in der That ist in dem Immermann'schen Trauerspiele die Zauberei nicht nur störend, sondern auch überflüssig, und es müßte dem Dichter ein Leichtes seyn, durch wenige Züge die Hexe Tyche aus dem novellenartigen Charakter in den echt dramatischen herüber zu führen. Die Gesichtspunkte, aus welchen dieser Tadel sich ergiebt, lassen sich hier nicht ausführlich 3°

begründen. Gehen wir von dem Ganzen auf das Einzelne zurück, so finden wir in diesem neuen Stücke Immermann's den reichsten Schmudt poetischer Züge, den wir sdion seinen früheren Erzeugnissen nachrühmen konnten, in nur noch größerer Gediegenheit wieder. Nicht nur einzelne Stellen in großer Anzahl, sondern ganze Auftritte ließen sich zum Beweis anführen. Meisterhaft ist ζ. B. das Gespräch Cardenio's mit Celinde'n, wo diese ihren Widerwillen gegen die Ehe, selbst gegen die Ehe mit dem Geliebten, kund giebt, und wo der Dichter das größte Lob verdient, diesen zum vollen Laufe so verführenden Stoff in dem Maaße weniger festen Schritte gehalten zu haben. Wir schließen unsere Anzeige mit lebhaftem Dank für den Dichter, mit neuen Erwartungen von ihm, und mit dem guten Vertrauen, daß seine dramatischen Erzeugnisse künftig nicht nur dem Leser aus dem Buche, sondern auch dem Zuschauer und Hörer von der Bühne herab zum Genüsse gereichen werden. E.

IX. Gedichte von H . HEINE (Berlin, in der Maurerschen Buchhandlung, 1822) Die Verlagshandlung hätte von dem schönen Lobe, mit dem sie die Anzeige dieser Gedichte begleitet, immerhin ein gut Theil dem Kritiker zurück lassen können, ohne zu befürchten, daß er es würde umkommen lassen. Er ist wirklich in dem seltenen Falle, seine Anzeige dieser Erstlings-Lieder mit der des Buchhändlers in Übereinstimmung zu halten. Der hier auftretende Dichter - denn so müssen wir ihn doch wohl nennen - hat ausgezeichnete Anlagen. Seine Lieder kommen aus einer ächten Quelle, es ist Anschauung und Gefühl darin. Nachahmung, bewußte und absichtliche, ist auch dem gereiften Dichter noch erlaubt, die unwillkürliche aber dem anfangenden, bei der Masse von Gebildetem, fast unvermeidlich; in ihr selber jedoch kann sich das Selbstständige zeigen. So möchte hier allerdings Einiges an Uhland, Anderes an Rückert erinnern; aber dies gilt mehr von der Tonart, als von dem Gehalt, und muß vielleicht auf eine höhere, gemeinschaftliche Quelle, die allen deutschen Dichtern gehört, nämlich die Quelle unseres deutschen Volksliedes überhaupt, zurückgeführt werden. Das Eigentümliche

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arbeitet sich aus diesem Überlieferten hier überall mit Kraft empor, und bloß Nachgemachtes ist uns nirgends vorgekommen. Besonders glücklich erscheint uns Hr. Heine in seiner dichterischen Auffassung der Gegenstände; es zeigt sidi darin oft ein höchst sinnreicher und anziehender Humor, wie ζ. B. in den >Traumbildern< und mehreren andern Gedichten. Kein Schwall von Worten, kein herkömmliches Füllwerk. Die Sprache ist kraftvoll und gedrungen, auch zart und lieblich, wo es seyn soll. Doch ist beiderlei Ausdruck, sowohl des Kräftigen als des Weichen, auch zuweilen verfehlt; das ausgebildetere Selbstgefühl wird dem Dichter schon anzeigen, welche Bahn er strenger ein zu halten habe. Die Verse, von sehr mannigfacher Gattung, sind mit Kunde und Gewandtheit gearbeitet; schwierige Reime sind jedoch eine Klippe, an der selbst W. Schlegel und Tieck nicht immer glücklich vorbei schiffen; wo sie gerathen und wo sie mißlingen, muß kein zu großes Gewicht auf sie gelegt seyn; das Beste in dieser Art haben noch stets Goethe (besonders im >westöstlichen Divan< und neueren Gastgeschenken) und Rückert geleistet. - Wir geben von Hrn. Heine's Gedichten hier einige der kleineren zur Probe. Zueignung. Mir träumte einst von wildem Minneglühn, Von hübschen Locken, Myrthen und Resede, Von süßen Lippen und von bitt'rer Rede, Von düst'rer Lieder düstern Melodien. Verblichen und verweht sind längst die Träume, Verweht ist auch mein liebstes Traumgebild! Geblieben ist mir nur, was glutherfüllt Idi einst gegossen hab' in weiche Reime. Du bliebst, verwaistes Lied! Verweh' jetzt auch, Und such' das Traumbild, das mir längst entschwunden, Und grüße mir's, wenn du es aufgefunden Dem luft'gen Schatten send' ich luft'gen Hauch.

An meine Mutter. Idi bin's gewohnt, den Kopf recht hodi zu tragen, Mein Sinn ist audi ein bisdien starr und zähe; Wenn selbst der König mir in's Antlitz sähe, Ich würde nicht die Augen niederschlagen.

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Doch, liebe Mutter, offen will ich's sagen: Wie mäditig audi mein stolzer Muth sich blähe, In deiner selig-süßen, trauten Nähe Ergreift mich oft ein demuthsvolles Zagen. Ist es dein Geist, der heimlich mich bezwinget, Dein hoher Geist, der Alles kühn durchdringet, Und blitzend sich zum Himmelslichte schwinget? Quält mich Erinnerung, daß idi verübet So manche That, die dir das Herz betrübet, Das schöne Herz, das mich so sehr geliebet? An Str. Wenn der Frühling kommt mit dem Sonnenschein, Dann knospen und blühen die Blümlein auf; Wenn der Mond beginnt seinen Strahlenlauf, Dann schwimmen die Sternlein hinterdrein; Wenn der Sänger zwei süße Äuglein sieht, Dann quellen ihm Lieder aus tiefem Gemüth; Doch Lieder und Sterne und Blümelein, Und Äuglein und Mondglanz und Sonnenschein, Wie sehr das Zeug audi gefällt, So macht's doch noch lang keine Welt! 4

W i r hätten nodi Vieles hervor zu heben; begnügen uns aber hier, außer den schon erwähnten >TraumbildernDon Ramiro< und unter den Sonetten die >Fresko-Sonette< namhaft zu machen. D i e beigefügten Übersetzungen aus Byron's Gedichten sind wohlgelungen, und versprechen uns das Beste von den ferneren Übersetzungen aus dem Englischen, die H r . Heine am Schlüsse ankündigt. E.

X. Tragödien nebst einem lyrischen Intermezzo, v o n H . HEINE (Berlin, bei Dümmler, 1 8 2 3 ) Dieses Buch, poetischen Inhalts, tritt in ganz besonderer Weise neu und eigenthümlich auf. Eine Tragödie, eine Reihe lyrischer G e dichte, und wieder eine T r a g ö d i e : das sind die merkbaren H a u p t -

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stücke, wie sie in dem Buche auf einander folgen. Nun könnte die Kritik, sorgsam und fleißig, getreu und aufrichtig, jede einzelne dieser Abtheilungen prüfend durchgehn, Verdienstliches und Mangelhaftes darin bezeichnen und abwägen, und zuletzt mit Unparteilichkeit ihren richterlichen Spruch verkünden. Sie könnte darthun, wie der Charakter der nördlich-modernen Tragödie >Ratkliff< ungemein glücklich mit dem der südlich-romantischen Tragödie >A1mansor< contrastirt; wie in jener das Schroffe und Herbe, in dieser das Sanfte und Liebliche vorherrscht; wie die Catastrophe in beiden aus Untergang und Verklärung, in ungleicher Zusammensetzung dem besonderen Charakter jedesmal angemessen, den gehörigen Schluß erzielt; wie die Zeichnung und das Colorit der Figuren dem historischen Hintergrund und Boden gemäß, und dodi in originaler Laune sowohl dieser als jene modificirt erscheinen; wie die Sprache theils überwallend üppig, theils eingezogen trocken mit Erfolg behandelt, die Anordnung fortschreitend und erregend, der Stoff in eigenthümlichen Geist erhoben, das Einzelne der Behandlung oft von größter Schönheit ist. Sie könnte sich darüber verbreiten, wie es dem Dichter eben so gelungen, in den Dramen wahrhaft dramatisch, wie in den Liedern ächt lyrisch zu seyn; von diesen letzteren ließe sich insbesondere hervor heben, wie gedrungen, frei, reizend und kraftvoll die Tonart des alten deutschen Volksliedes hier in dem neuesten Stoffe vom heutigen Tage sich bewegt; wie kühn und gewagt, und wie glücklich im Wagen, hier Bilder und Ausdruck einer Stimmung folgen, deren widersprechende Bestandtheile in dem wunderbarsten Bittersüß gesteigert vereinigt sind. Sie dürfte ausdrücklich anmerken, daß der Dichter Niemanden nachahmt, am wenigsten den Lord Byron (wie man ihm vielfältig nachgerühmt), sondern daß er selbst da, wo er bekannte Anklänge, seyen sie dieses Engländers oder anderer Kunstverwandten, zu geben scheint, diese nicht sowohl sucht, als nur nicht eben vermeidet. Endlich dürfte sie wohl zum Ueberfluß erinnern, daß auch bei dem entschiedensten Talent und glücklichsten Genie der Dichter sich diesen Gaben nicht unbedingt überlassen, sondern ein ethisches Bewußtseyn über jenen behaupten möge, damit er vor dem Abwege des Willkührlichen und Abstrusen bewahrt bleibe, dessen gespenstische Schemen so gern den Dichtergeist umschleichen, sich mit ihm verbinden und ihn dann betäubend niederziehen, wie wir solches noch nicht längst an bedeutenden Beispielen schon zu oft traurig erlebt haben, an dem gegenwärtigen aber hoffentlich nicht erleben werden !

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Alles dieses, und noch viel mehr Lobendes, Anerkennendes, Wohlmeinendes, könnte die Kritik bei dieser Gelegenheit mit aller Gerechtigkeit aussprechen und darlegen, und mit den besten Hoffnungen und Wünschen für den jungen Dichter schließen, der nach seiner im vorigen Jahre erschienenen ausgezeichneten Erstlings-Sammlung von Gedichten jetzt durch gegenwärtiges Buch so würdigen Fortschritt auf einer Bahn bekundet, die ihm mannigfache Kränze schon gewährt, andere verheißt, und keinen als unerreichbar im voraus abspricht. Und hätte nun die Kritik dies Alles, und noch viel mehr in dieser Art, gesagt und ausgeführt, so wäre gleichwohl in Bezug auf das vorliegende Buch ihr Geschäft höchst unvollkommen, ihr Standpunkt ungenügend. Sie hätte noch immer nur das Einzelne beachtet, und, getäuscht durch die eigenthümliche Anordnung und Verwaltung dieses poetischen Stoffes, das Ganze übersehen. Denn diese scheinbar getrennten Stücke, in Costüm und Form so verschieden, sind deshalb nicht für sich bestehende Gebilde; sie sind vielmehr, die beiden Dramen und die verbindende Lyrik, nur Glieder eines Ganzen, Facetten einer Dichtung, das ganze Buch nur ein Gedicht. Von diesem Standpunkt aus, von welchem allein dem Dichter sein volles Recht werden kann, beginnt eine neue und höhere Betrachtung, aus welcher die eigentlichen Resultate der Kritik, für Dichter und Publikum gleich ersprießlich, erst erfolgen müssen. Wir begnügen uns hier, diesen Standpunkt angegeben zu haben, und zweifeln nicht, daß derselbe zu ausführlichen Betrachtungen da werde benutzt werden, wo mehr, als hier und uns für diesmal, zu solchem Geschäfte Raum und Muße gegeben sind. E.

XL Reisebilder von H. HEINE. Erster Theil (Hamburg, bei Hoffmann und Campe, 1826.) Will ich aufrichtig seyn, so muß ich, bei mancher Mißempfindung, die mir der Verfasser bereitet, doch bekennen, daß mir sein Buch von Anfang bis zu Ende Unterhaltung gewährt, mich in Spannung und Eifer versetzt, überrascht, zuweilen besänftigt und gerührt, und sehr oft, was vielleicht nicht das Schlimmste ist, laut lachen gemacht 35

hat. Der Humor unseres Autors hat in Wahrheit viel Eignes und Einziges; wenn die Tiefe und das Licht seiner Gedankenbilder oft an die Vorzüge Jean Paul's erinnern, manches Dunkel und manche Verwilderung seiner Gefühlsart an die glänzenden Fehler Byron's, so gehört dagegen anderes Ausgezeichnete nur ihm allein, und läßt sich nur mit dem, was er selbst früher in solcher Art gegeben, in Vergleich stellen; dahin rechnen wir die ganz eigenthümliche Mischung von zartestem Gefühl und bitterstem Hohn, die einzige Verbindung von unbarmherzigem, sdiarf einbohrendem, ja giftigem Witz und von einschmeichelnder Süßigkeit des Vortrags, lebhaftem zugleich und mildem Redefluß, der durch nichts gehemmt, durch nichts getrieben scheint, und gleichmüthig über Alles, was ihm in die Quere kommt, leicht dahin wallt. Auch dürfen wir als eine Eigenheit unseres Autors nicht übersehen, daß er mit gleicher Natürlichkeit - oder Fertigkeit, wenn man will - sich in beiden Formen, in Prosa und in Versen, bewegt, was bisher noch von keinem Geisteskinde seiner Art gesagt werden konnte. Er ist in der That nidit bloß ein Dichter, wie jeder Humorist im Allgemeinen es heißen kann, sondern auch in dem engeren Wortsinne, in welchem die meisten Humoristen es nicht sind. Dies ist ein Vorzug, der noch sehr weit führen kann. Aber wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten, pflegt man zu sagen, will man vom Lobe zum Tadel übergehen, und so möchten audi wir gern das Sprüchwort uns zur Brücke machen, wenn sie uns nicht gleich unhaltbar würde! Denn das ist eben das Eigne, die Kunst, das Glück, oder auch der Nachtheil jedes Autors dieser Art, daß die Elemente seiner Darstellungsweise nicht neben einander zum Sortiren, Auswählen und Absondern da liegen, sondern unter einander verflochten und verwachsen, in einander gemischt und gebunden sind, und ihre Scheidung nicht ohne Zerstörung des Vorhandenen geschehen kann. Der Schatten, welchen wir nachweisen möchten, steht hier ganz im Lichte, das Licht, von dem wir geredet, ganz im Schatten, wenn wir so reden dürfen! Ohne Frage, die Wagnisse des Verfassers gehen bis zum Frevelhaften, seine Freiheiten bis zur Frechheit - die zwar selbst schon längst in unserer Literatur die göttliche heißt, seit Friedrich Schlegel in der >Lucinde< und im >Athenäum< sie so getauft und geweiht!! - sein Muthwille wird Ausgelassenheit, seine Willkühr verschmäht auch das Gemeine nicht, wenn sie unerwartet damit die Erwartung nekken, durch einen Satz dorthin die gespannte Einbildungskraft plötzlich kann abschnappen lassen. Allein gerade in diese Wendun36

gen und Sprünge windet sich der Gedanke mit ein, springt der Witz mit, und wir müssen - gleich dem Indier, der in dem unreinsten Gethier, das vom geweihten Tempelbrodte genascht, nun den Behälter des Geweihten verehrt - noch in der unangenehmsten Gestalt den darin verkörperten Geist anerkennen. Dies gilt jedoch einzig nur dann, wenn wirklich die Vereinigung eine wahre ist; zeigt sie sich als eine scheinbare, treffen wir die Frevelhaftigkeit und Frechheit, die im Geleit der höheren Macht höchstens unser Achselzucken erfahren dürfen, einmal für sich allein, ohne jenes Geleit, dann kennen wir auch keine Schonung, sondern fallen darüber grimmig her, und reißen die Ungebühr in Stücken. Einige der Gebilde unseres Autors können durchaus kein besseres Schicksal erwarten, sie überschreiten jedes Maaß, und ohne alle Noth; er wird selbst am besten wissen, was er sich selber zu Ehren und seinem Buche zum Frommen aus demselben hätte weglassen sollen. - Die >Reisebilder< bestehen aus viererlei Mittheilungen. Die >Heimkehr< in 88 Liedern - die Lieder Heine's, hat man bemerkt, dividiren sich immer durch die schlimme Zahl Eilf - madit den Anfang. Hier ist noch ganz die alte trübsinnig-bittere, schmerzlich-höhnische Stimmung, die wir aus den Tragödien und dem lyrischen Intermezzo unseres Dichters kennen, aber weil es mit diesem Eingebrockten doch endlich zu Ende kommen muß, so ist hier gleichsam die Grundsuppe vorgesetzt, in der die schwersten und schlimmsten Brocken liegen. Da zeigt sich denn Mancherlei, was man bedenklich ansieht, wobei man den Kopf schüttelt, was man auf keine Weise rechtfertigen kann; die Beispiele überlassen wir Andern anzuführen. Dann folgen einige Gedichte, welche einen etwas größeren Schwung nehmen, und mannigfaltigere Welt behandeln. Die Romanze vom Sohne des schriftgelehrten Rabbi Israel von Saragossa, im schönsten spanisdien Tone, dürfte auch im Treiben der heutigen Welt für manches Alkalden-Fräulein recht wohl passen; den drei stark mahometanischen Romanzen >Almansor< hält die echt christlich-katholische >Wallfahrt nach Kevlaar< die Wage, und der Verfasser, der unseres Wissens selber Katholik ist, hätte nicht nöthig gehabt, sich wegen der Deutung zu rechtfertigen, die aus dem Stoffe dieser Romanzen irrig auf seine Denkweise gemacht werden könnte. Die dritte Abtheilung enthält die >Harzreisedie Nordsee< überschrieben. Diese Abtheilung dünkt uns die gehaltvollste, und, nach Ausscheidung einiges Frevels, die würdigste. Hier beurkundet sich noch mehr als in der >Harzreise< das bis zum Genie gesteigerte Talent des Autors. Weldie Naturschilderungen in wenigen, aber markigen, für immer bezeichnenden Worten! Welche tief geschaute Eigentümlichkeiten, reiche Beziehungen, leichtbewegte Gestalten! Hier zeigt der Dichter seine echte Verbindung mit dem Ursprünglichen, der Natur sowohl als des Geistes; sein wahres DichterTalent zu sehen, zu bezeichnen! Wir empfehlen besonders Nr. 1 , 3 , 4, 5, 9, 10, und würden auch Nr. 1 2 empfehlen, wenn dieses nicht durch völlig unstatthafte, tadelnswerthe, schwer zu rügende Beimischung entstellt wäre. Diese Dichtungsart, des kolossalen Epigramms möchten wir sie nennen, eignet ganz besonders dem Genius unseres Autors, und daß er aus dem epigrammatischen Liede zu ihr übergegangen, kann uns ein entscheidendes Zeichen seines innern und äußern Fortschrittes seyn. - Ein zweiter Theil des pikanten Buches soll nächstens nachfolgen. Unsere Neugier kann nur mit Verlangen dessen Erscheinung entgegen sehen. W.

Reisebilder v o n H . HEINE. Z w e i t e r Theil (Hamburg, bei Hoffmann und Campe, 1827.) Was ich in diesen Blättern im vorigen Jahr von dem ersten Theile der Heine'schen >Reisebilder< preisend und tadelnd gesagt, gilt in vollen, ja noch erhöhten Maaßen auch von diesem zweiten. Der Leser findet stets seine Rechnung, sey es nun im angenehmen Erstaunen, in heiterer Befriedigung, in großartiger Erhebung, in unwiderstehlichem Lachen, oder in heimlichem Ärger, in heftiger Un-

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geduld, in empörtem Unwillen; denn zu Allem diesen ist reichlich Anlaß, nur nicht zur Langeweile, für welche, bei dem Reichthum und Wechsel der Gegenstände, dem raschen Witz, den beweglichen Gedanken und Bildern, der Leser keine Zeit behält. Was zuerst auffällt, ist die Überdreistigkeit, mit der das Buch alles Persönliche des Lebens nach Belieben hervorzieht, das Persönliche des Dichters selbst, seiner Umgebung in Freunden und Feinden, in örtlichkeiten ganzer Städte und Länder; diese Dreistigkeit steigt bis zum Wagniß, ist in Deutschland kaum jemals in dieser Art vorgekommen, und um ihr ein Gleichniß auf zu finden, müßte man fast an die berühmten Junius-Briefe in England erinnern, mit dem Unterschiede, den die politische Richtung und der englische Maaßstab für diese letztern bedingt. Aber neben und mit dieser Dreistigkeit und Ungebühr, die in ihren oft rohen und geradezu frechen Äußerungen auch der beste Freund des Dichters durchaus nicht zu entschuldigen unternehmen kann, entfaltet sich eine Innigkeit, Kraft und Zartheit der Empfindung, eine Schärfe und Größe der Anschauung, eine Fülle und Macht der Phantasie, welche auch der erklärteste Feind nicht weg zu leugnen vermag! In diesem zweiten Theile seines Buches hat der Verfasser zugleich einen ganz neuen Schwung genommen. Seine poetische Welt, anhebend von der Betrachtung seiner individuellen Zustände, breitet sich mehr und mehr aus, sie ergreift Allgemeineres, wird endlich universell; und dies nicht nur in den Stoffen, die nothwendig so erscheinen müssen, sondern auch in denjenigen, welche sich recht gut in einer gewissen Besonderheit behandeln lassen, und fast immer nur so behandelt werden, in Allem nämlich, was die Gefühlsstimmung überhaupt und alles Gesellsdiaftsverhältniß im Allgemeinen betrifft. Es ist, als ob nach einem großen Sturme, der den Ozean aufgewühlt, die Sonne mit ihren glänzenden Strahlen die Küsten beleuchtete, wo die Trümmer der jüngsten Schiffbrüche umherliegen, Kostbares mit Unwerthem vermischt, des Dichters eigener ehemaliger Besitz und die Güter eines geistigen Gemeinwesens, dem er selber angehört, Alles untereinander. Das Talent unsres Dichters ist wirklich ein beleuchtendes; die Gegenstände, mögen sie noch so dunkel liegen, weiß er mit seinen Strahlen plötzlich zu treffen, und sie, wenigstens im Fluge, wenigstens von einer Seite, hell glänzen zu lassen. Der Lebensgehalt europäischer Menschen, wie er sich als Wunsch, als Seufzer, als Verfehltes, Unerreichtes, als Genuß und Besitz, als Treiben und Richtung aller Art darstellt, ist hier in gediegenen Auszügen an's Licht 39

gebracht. Die Ironie, die Satyre, die Grausamkeit und Rohheit, mit welchen jener Lebensgehalt behandelt wird, sind selbst ein Theil desselben, so gut wie die Süßigkeit, die Feinheit und Anmuth, welche sich dazwischen durchwinden, und so haben jene Härten, die man dem Dichter so gern wegwünscht, in ihm dennoch zuletzt eine größere Notwendigkeit, als man ihnen anfangs zugesteht. - Das Buch hat verschiedene Abtheilungen. In der ersten werden die Bilder des See- und Küstenlebens fortgesetzt, welche schon im ersten Bande unter der Überschrift >die Nordsee« begonnen haben; zwölf Gedichte, colossale Epigramme, wie schon die früheren genannt worden, stehen voran, reich an überraschenden, witzigen, aber auch an erhabenen, tiefergreif enden Wendungen; von hinreißendem, melodischen Zauber sind besonders zwei, >der Phönix< und >Echodie Götter Griechenlands« und >der Gesang der Okeaniden< sind in andrer Art außerordentlich; sodann folgt in Prosa eine Schilderung des Seebades Norderney, voll beißender, scherzhafter und zum Theil auch sehr ernster Laune, in welcher eine tiefe Gesinnung sich nicht verkennen läßt; vor Allem anziehend und geistreich sind einige Blätter über Napoleon und seine Geschichtschreiber. Den Besdiluß dieser Abtheilung machen Xenien von Immermann und Heine; sie zu loben wäre hier unangemessen, sie werden ohnehin schon von selbst sich durchbeißen, denn scharfe Zähne haben sie, mit denen sie auch zuweilen den Unrechten fassen mögen! Die zweite Abtheilung ist der eigentliche Kern des Buches, sie ist überschrieben >Ideen. Das Buch Le Grand«. Davon eine Vorstellung in der Kürze zu geben, ist ganz unmöglich. Bei vielen und sehr großen Ungezogenheiten enthält dieser Aufsatz die tiefsten und wahrhaftesten Geschichtsbilder, und Napoleon ist darin mit den seltsamsten Mitteln, so rührenden und erhabenen, als possenhaften und polemischen, höchst originell vor Augen und Seele geführt. Durch die Zuschrift dieses Buches an eine Dame, und die zwischen den Vortrag unaufhörlich sich durchdrängende Anrede: »Madame!« erhält das Ganze, in welchem sich Liebesgeschichte und Volks- und Weltgeschichte und wissenschaftliches und bürgerliches Treiben mit unerschöpflicher Wunderlichkeit der Formen und Übergänge verschränkt, eine noch seltsamere Farbe. Man muß das selbst lesen, um einen Begriff davon zu haben. Die dritte Abtheilung giebt >Briefe aus Berlin« vom Jahre 1822, welche gleichfalls im Scherz manchen Ernst andeuten, im Ganzen jedoch 40

milder und sanfter sind, als die vorangegangenen Aufsätze. Wollte man aus dem Buche einige Proben mittheilen, so müßte man sich bald in Verlegenheit befinden, denn fast jedes Blatt bietet die außerordentlichsten Züge, deren gedrängte Fülle gerade den Charakter des Buches ausmacht; dasselbe ist gleichsam eine Sammlung von Einfällen, deren jeder, wie in einem Pandämonium, sich auf den kleinsten Raum zu beschränken sucht, um dem Nachbar, der sich aber eben so wenig breit macht, Raum zu lassen. Mögen die Kritiker des Tages immerhin vorzugsweise die skurrile Außenseite beschreien und anklagen, dem sinnigen Leser kann nicht verborgen bleiben, welch heller, echter Geisteseinblick, welch starke, schmerzliche Gefühlsgluth, mit einem Worte, welch edle und tiefe Menschlichkeit hier in Wahrheit zum Grunde liegt! - Die Ausstattung des Buches in Druck und Papier ist von der Art, daß auch von dieser Seite dasselbe sich mit Behagen lesen läßt. W.

Reisebilder von H . HEINE. Dritter Theil Hamburg, Hoffmann und Campe. 1830. 8. 2 Thlr.* Der Graf v. Maistre, berühmter Verf. der >Soirées de St.-PétersbourgXenienDie » Vgl. Nr. 3 j d.Bl.

D. Red. 43

Stadt Lucca< und »Englische FragmenteDonna Clara< nicht wieder aufgenommen worden, sehen wir nicht ein; wie sie auch sey, diese Donna, sie — und den Sohn des vielbelobten schriftgelehrten Rabbi Israel von Saragossa lassen wir uns nicht rauben, und reklamiren sie für den nächsten Theil aus allen Kräften. - Übrigens glaube man ja nicht, daß der Dichter in Nachgiebigkeit und Schonung zu weit gegangen sey, und seines Charakters dabei zu sehr vergessen habe; o nein! keine Gefahr! Er ist schon der geblieben, der er einmal seyn muß und wer ihm deshalb in der ersten Auflage gewogen war, der kann es auch bei der zweiten ganz gehörig bleiben. In der >Harzreise< z . B . ist nichts Wesentliches verändert worden, und sogar in einigen neu hinzugekommenen Liedern sind Stellen, die einigen weggelassenen alten wenig nachgeben. Die empfindsame, auf ihre Weiblichkeit sich viel einbildende Dame mag auch fernerhin das Buch ihren Töchtern nicht vorlesen; der blöde keusche Jüngling, der jedes Buch verabscheut, was er nicht in seinem Theecirkel vorlesen oder auf die Toilette seiner süßen Angebeteten legen darf, lasse nach wie vor von diesen Reisebildern ab. Ein frischer klarer Sinn aber, eine gesunde und starke Unschuld, ein heitres und gefühlvolles Herz, gleichviel ob sie dem einen oder dem andern Geschlecht angehören, werden sich, das behaupten wir, getrost und Wohlgemuth noch oft und weithin an diesen Blättern ergötzen und zugleich manchen ernsten Gewinn daraus erndten! - D a ß nicht Eines sich für Alle schickt, ist längst gesagt, und das Thema durch Friedrich Schlegel - den, der die Lucinde geschrieben - reich glossirt worden. Es giebt Leute, denen man nur

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immer wieder Gellerts Fabeln und Erzählungen zu lesen geben möchte, wären nicht auch darin leider einige, an denen sie Ärgerniß nehmen könnten ! Hier ist es wohl gelegen, daß wir audi eines andern Büchleins mit Ehren gedenken, das in Poesie und Prosa sich den Heine'schen Produktionen als nah verwandt anschließt. Wir meinen das artige Bänddien: >Erato. Von Franz Freiherrn von Gaudy.< (Glogau, 1830.) Dasselbe ist sehr in der Geistesstimmung und Ausdrucksweise von Heine, ohne daß man sagen könnte, es sey eine Nachahmung. In der That scheint diese Stimmung und Richtung sehr verbreitet in den Gemüthern unsrer Zeitgenossen zu liegen, und nur des Rufes zu bedürfen, der sie aufweckt. Wenn auch durch eine Zueignung an Heine sich Hr. v. Gaudy willig dazu bekennt, durch die Schriften dieses Dichters lebhaft angeregt worden zu seyn, so hat er doch ein selbstständiges, schönes Talent, das nur hauptsächlich aller vorgefaßten Meinungen sich freien Geistes zu entschlagen hat, um gewiß seine rühmliche Bahn mit Erfolg zu durchwandeln. - n.

XII. Buch der Lieder von H. HEINE (Hamburg, bei Hoffmann und Campe, 1827.) Höchst willkommen erscheint uns von dem Dichter zu rechter Zeit eine Sammlung der reichen lyrischen Produktionen, die er seither in mehreren Büchern zustreut gegeben hatte. Nicht nur darf uns erfreuen, jetzt bequem beisammen zu haben, was nun dodi einmal innig zusammen gehört, sondern wir finden auch unsern Besitz in sich selbst vergrößert, schon durch die bloße Vereinigung; denn der Strauß ist noch etwas mehr, als die Blumen alle, aus denen er besteht! Wie jedes Lied einzeln nur für sich spricht, so spridit es in einer Folge aufgereiht zugleich seinen Theil eines höheren Ganzen aus. Augenblicke, Stunden, Tage der Empfindung werden so zu einer Herzensgesdiichte, die in den mannigfachsten Scenen ihren fast dramatischen Verlauf hat; die Einheit des Gefühls, welches diesen Liedern zum Grunde liegt, läßt sich nicht leugnen, sie ist die reine, ursprüngliche Quelle, aus der jede Ausdrucksweise hier fließt; die Nadiahmung von Kunstformen, das Begehren etwas zu scheinen, 48

waren hier keine Antriebe. Die Ursprünglichkeit und Selbstständigkeit dieser lyrischen Ergüsse zeigt sich schon dadurch offenbar, daß es vor Heine in unsrer Literatur nichts dieser Art gegeben, und seit seinem Auftreten schon mehrere Nachahmungen seiner Weise, dodi mit geringem Glüdk, versucht worden. Der allgemeine Charakter dieser Gedichte ist tiefstes Gefühl mit höchster Ironie verbunden, von dem zartesten Seelengebilde bis zur kecksten Sinnlichkeit, von dem schärfsten Gedankenreize bis zur derbsten Willkühr, derselbe Schmerz, dieselbe Lust, in allen Gebilden abgespiegelt, welche Leben und Welt dem Sinne des Dichters aufdrängen. - Zuweilen treten die Elemente dieser Dichtung mehr einzeln hervor, das Süße, Wehmüthige; das Herbe, Schmerzliche. Und so das Grimme, Verzweiflungsvolle, das Gespenstische; das Höhnische, Freche, öfter jedoch spielen alle diese Elemente in demselben Gedicht vereint, unter unzähligen Mischungen, die demselben Gehalt immer neue Gestalt und Farbe geben. - Unser Dichter hat den in unsrer Zeit wahrlich ungeheuern Vorzug, daß er keine Phrasen macht; nirgends ist bei ihm bloßes Füll werk, müßiges Ausdehnen; überall Kürze, Gediegenheit, und bei aller oft absichtlichen Härte des Ausdrucks immer Feinheit des Sinnes und süße Melodie der Sprache. Dieser Zauber der Sprache macht, daß manches Lied schon in Musik gesetzt scheint, weil es unendliche Musik in dem Leser aufregt. Der >Gesellschafter< hat die ersten und dann fortgesetzt reichliche Mittheilungen von Heine's Gedichten gebracht, und darf dieselben bei seinen Lesern noch in zu gutem Andenken glauben, um die Beispiele zum Beleg nöthig zu haben. Eines aber sey uns doch erlaubt, hier wegen seiner ungemeinen Anmuth wörtlich ein zu schalten; es gehört in die Reihe der >SeebilderReisebilderHolländische Liebhabereien< war uns die anziehendste, und scheint uns am glücklichsten ausgeführt. Wie in der erstem die höhere Staatswelt in Cultus-Minister und Polizei-Direktor, so spricht in dieser die Gelehrtenwelt in Philologen und Dichtern uns an. »Rembrandt's Versteigerung< ist billig einem Kunstfreunde als Dienstagserzählung beigelegt; eine wahre Anekdote von dem berühmten Maler ist hier in leichten Reimen anmuthig ausgeführt. »Wunder über Wunden heißt die Mittwochserzählung des Direktors der Theaterschule. Wer dabei den Kopf schütteln will, der mag es thun; die Sache ist wirklich bedenklich; wir werden in die pädagogische Provinz der Wanderjahre Meisters eingeführt, finden diesen, Natalien, den Abbé, Jarno'n und andre Bekannte wieder, aber auch einige neue Personen und ganz neue Verhältnisse. Wie sehr der Verfasser audi seine Verehrung für Goethe'n in der Einleitung darlegt und betheuert, immer hat er zugleich eine Nahrung für die Schadenfreude derjenigen gebracht, weldie nie begreifen können, daß der Scherz den Ernst oft nur angreift, um zu zeigen, daß er ihm nicht schade. Unstreitig aber ist diese Erzählung die wildeste der ganzen Sammlung. Der Theaterdichter giebt hierauf als Donnerstagserzählung »Marino CabogaLandhausleben< haben wir nodi einen zweiten, vielleicht auch einen dritten Theil zu hoffen. Daß uns der Verfasser bald mit dieser Fortsetzung beschenken wolle, wünschen wir eifrigst. Möge er dabei auch, den angefangenen größeren Roman: >Die KronenwächterHermann und Dorotheas Das Gedicht ist obsdion im Gewände des griechischen Epos dodi der deutschesten Deutschheit entsprossen; das wahre Herzblut der Nation pulsirt darin. Düntzer hat seine Erklärungsweise den besondern Erfordernissen, welche in dem angezeigten Zwecke liegen, mit gutem Takt anbequemt. Das schönste Zeugniß für seine das herrliche Gedicht Schritt für Schritt begleitenden Erläuterungen dürfte wol sein, daß das Lesen derselben unmittelbar nach der Goethe'schen Dichtung den Sinn und Geist von dieser auch im Abglanze der Wiederholung erweckend und befriedigend empfinden läßt. - Seither sind noch die Erläuterungen über Goethe's >WertherWilhelm Meister< und >die Wahlverwandtschaften wie über Schiller's >GeistesgangRäuber< und >Fiesko< erschienen.

XXII.

Der grüne Heinrich. Ein Roman von

GOTTFRIED KELLER

Braunschweig. Vier Bände. [1854—185$] Der von den Lesern der drei ersten Bände dieses ausgezeichneten Romans sehnlichst erwartete vierte Band ist endlich erschienen, und somit das schöne dichterische Werk zum Abschlüsse gebracht. Der Verzug, müssen wir gleich sagen, hat dem Buche keineswegs geschadet, weder Unsicherheit noch Ermüdung, noch Übereilung des Autors werden sichtbar, die Geschichte geht im begonnenen Schritt und in gleichmäßiger Entwicklung weiter, das Ende verknüpft sich in ungezwungener Weise dem Anfang, und ungeachtet des großen Zwischenraums in der Abfassung ist alles wie aus Einem Guß und Fluß; ein Vorzug, der wie von selbst aus dem höhern sich ergibt, daß hier überall ein leitender Gedanke waltet und die Phantasien ohne Irrung demselben Ziele zuführt. Die lebhafte Theilnahme, mit 109

der wir dem Lebenswege des Helden folgen, beruht auf dessen eigenthümlidien Innern, das uns dargelegt wird, auf den ewigen Räthseln des menschlichen Herzens und Geistes, die erforscht und offenbart werden, weniger auf raschem Wechsel von Abentheuern und auf künstlichen Verschränkungen, die schon der biographische Zuschnitt des Romans einigermaßen ausschließt, wiewohl es auch an spannenden Auftritten, überraschenden Wendungen und kühnen Schilderungen nidit fehlt; doch diese bleiben stets dem höheren Geist untergeordnet, der über dem Ganzen schwebt und es durchdringt. Selbst einige scheinbare Auswüchse, z.B. die prächtige Ausmalung des Künstlerfestes in München und das gewagte Hinabsteigen in den Zwiespalt der menschlichen Freiheit und Nothwendigkeit, sind nicht willkürliche Episoden, sondern hülfreiche Glieder des gebotenen Entwicklungsganges. Überhaupt ist diese Dichtung in jedem Sinn eine ungemeine zu nennen, eine zwar der Unterhaltung gewidmete, aber nicht für gewöhnliche Romanleser, sie fordert Leser von Gemüth, von höherem Geist, von edlem Kunstsinn. Auf solche Leser auch rechnete der Autor, als er in der Vorrede das - wir dürfen wohl sagen unnöthige - Bekenntniß ablegte, er habe sidi in der Ausarbeitung bisweilen vergriffen; der gemeine Leser möchte hiebei vielleicht den Dichter thöricht beim Worte nehmen und festhalten wollen, der einsichtige wird den Tadel ablehnen, und nur das hohe Maß künstlerischer Forderungen erkennen, welche der Dichter an sich selber macht, und wahrlich auch erfüllt. - Das Werk ist ein durchaus ursprüngliches, aus kräftiger Eigenheit natürlich hervorgewachsen, reich an neuen, kernhaften Gestalten, in denen frisches Leben sprudelt, fern von aller Nachahmung, von aller Ziererei. Es weht ächte Schweizerluft darin, der Geist allgemeiner Freiheit und persönlicher Selbstständigkeit. Einem solchen Ursprung und einer solchen Freigestalt dürfen wir auch einige landschaftliche Ausdrücke nicht als Flecken anrechnen; sie werden kaum störend in der sonst klaren und gewandten Schreibart, die nicht selten an die helle Festigkeit des >Wilhelm MeisterHeinrigrünen Heinrich< nicht einen so frühen Tod beschieden zu sehen, er soll mit seinen schönen Gaben und Kräften weiterleben, sich selber und uns zur Freude! Möge er als ein glücklicher redivivus uns fernerhin begegnen! no

Anhang

XXIII. Uber den Saint-Simonismus (Aus dem Briefe eines Deutschen vom Rhein, Februar 1832.) »Allerdings habe ich midi in Paris nadi den Saint-Simonisten umgesehen, und einige von diesen Leuten selbst kennen gelernt; doch waren während meines Aufenthalts in Paris ihre Säle geschlossen, und ich habe ihren Predigten nicht beiwohnen können. Eine nähere Kenntniß ihres Wesens, der Zweke auf die sie hinarbeiten, der Mittel die sie anwenden, habe ich erst seit meiner Rükkehr nach Deutschland aus den verschiedenen Schriften geschöpft, die mir mitgegeben wurden, und aus dem fortgesezten Lesen des Globe, den ich täglich unentgeldlidi zugesandt erhalte. Aus eigener Anschauung kan ich Ihnen also nichts Neues über die Sache mittheilen, meine ungefähre Kenntniß derselben ist Ihnen aber eben so wie mir aus jener Quelle zugänglich. Dennoch bin ich gern bereit, Ihnen wenigstens zu sagen, wie es mir ergangen ist, und was ich von der Sache augurire. Ich hatte längst von dem verstorbenen Grafen SaintSimon als einem besondern Tiefdenker und großen Menschenfreunde reden gehört, ich glaube sogar, daß ich ihn einmal persönlich gesehen habe; von allen Seiten ergab sich für sein Denken und Wollen nur löbliches und ehrenvolles Zeugniß. Erst nach seinem Tode heftete sich etwas Sektenartiges an seinen Namen. Das war mir gleich zuwider, und nur einige staatswirthsdiaftliche und gewerbliche Lehren, denen man Neuheit und Bedeutung zugestehen mußte, hielten meine Aufmerksamkeit noch fest. Menschenfreundliche Wünsche und Hofnungen mit gewaltiger Einbildungskraft aufgestellt, zogen meine Neigung stärker an, und ich suchte einiges Unangenehme der Form zu überwinden; als aber diese Form geradezu den Charakter einer neuen Religion ansprach, und die mannichfaltigen Glieder einer neuen Hierarchie zu entwikeln begann, wurde mir die Sache zu bunt, und ich wollte mich nicht mehr darum bekümmern. Ich bekümmerte mich aber, wie ich jezt weiß, heimlich doch noch darum, und manches Blatt des Globe, das ich zufällig in die Hand bekam, ließ mir einen starken Eindruck im Gemüth. So stand es mit mir, als ich in

nach Paris kam, wo die geistigen und sittlichen Eigenschaften der leitenden Personen mir große Ehrerbietung einflößten, und ich mir verspradi, nun auch die Lehre genauer kennen zu lernen. Hier am heimischen Rheine las ich ruhig und einsam einen Theil der mitgebrachten Sdiriften. Idi las und las, und ich lese noch, und überdenke das Gelesene mehr und mehr. Auf keine Weise bin idi reif und darf ich midi dafür ausgeben, über die Sache gründlichen Bericht abzustatten. So viel aber kan ich sagen, eine ganze Welt neuer Ideen ist in mir aufgegangen, und idi sehe eine Geschichtserscheinung vor mir, die idi nur mit den größten der Welt vergleichen darf. Der Saint-Simonismus ist wirklich eine neue Religion, die das so vielfach gesuchte und immer wieder verfehlte Heil der Menschheit zu begründen verspricht. Sie will die geistige Welt des Christenthums und die materielle Welt zugleich umfassen ; sie will beide versöhnen und vereinen. Ihre Mittel sind rein und edel, von Zwang und Gewalt fern, Liebe, Einsicht, Überzeugung. Die Fülle der Ideen, die in dieser Bahn ausströmen, ist wunderbar; alles, was bisher in der Welt vereinzelt gewirkt und geleuchtet hatte, wird hier ein richtiges Glied in einem großen Organismus; Philosophie, Frömmigkeit, Philanthropie, Kunstbildung, Mathematik, Gewerbfleiß, Erziehung, alles bietet sich hier die Hand. Die ganze geistige Rüstkammer der modernen Welt, die spekulative Demonstration, die historische Nachweisung, der finanzielle Kalkül, die dichterische Hymne und die noch sibyilinische Prophetensprache, alles ist hier beisammen, und zeigt sich in unveräditlicher Bedeutung, zum Theil in unwiderstehlicher Meisterschaft. Die Ideen und Talente sind da, und wirken, das ist unläugbar, und in solchem Vereine haben sie selten in der Welt zusammengestanden. Auch ist die Sache schon kein Hirngespinst mehr, sie ist eine Realität; und wenn St. Simon sterbend ausrief : finde ich nur Einen Schüler, so ist die Welt mein ! dann kan der jezige Bestand der Gesellschaft ihr mit Recht das größte Vertrauen einflößen, denn sie zählt, den neuesten Nachrichten zufolge, schon über 600 eingeweihte Mitglieder, und über 8000 Arbeiter, die von ihr geleitet werden, und die durdi ihr bloßes Daseyn einen ungeheuern moralischen Einfluß auf die gesamte Volksklasse der Handwerker und Taglöhner ausüben. Bis jezt hat sich den praktischen Zweken und angewandten Mitteln der Saint-Simonisten nichts Böses nachweisen lassen. Aber man ersdirikt vor ihren Grundsäzen, vor der Größe und Seltsamkeit ihrer Formen. Nun wahrlich, die Noth der Welt und ihre Stürme, nur seit den lezten vierzig 112

Jahren her zu rechnen, sind nicht so klein, als daß mit kleinen Hülfsmitteln etwas auszurichten wäre, und weil das Alte, nach allseitig übereinstimmenden Urtheilen, ja so grundschlecht und verderbt ist, so muß das Helfende freilich etwas ganz Neues seyn. Die Abschaffung des erblichen Eigenthums, dessen Daseyn die SaintSimonisten als ein Haupthinderniß des allgemeinen Gedeihens, als den fortglimmenden Herd des Egoismus ansehen, erregt den größten Anstoß, verlezt unsre gewohnte Denk- und Empfindungsart. Doch ist es damit so arg nidit gemeynt. Die Saint-Simonisten nehmen Niemandem sein Eigenthum, sie haben es einstweilen nur mit Eigenthumslosen zu thun, und schaffen für diese, nach eines jeden Fähigkeit, Arbeitsörter und Geschäftsdienste, mit denen Wohlstand verknüpft ist, und die dann freilich nicht auf die Kinder der Inhaber, sondern wieder auf die Fähigen der Gesellschaft übertragen werden. Die Zurücksezung des Christenthums ist ein zweiter Anstoß. Hier nun muß ich gestehn, daß ich allerdings glaube, der Saint-Simonismus vermag als Religion nur da aufzutreten, wo das Christenthum schon dem Unglauben und der Freigeisterei gewichen ist; wie sehr das in Frankreich, wie sehr das überhaupt in der europäischen großen und kleinen Welt der Fall ist, weiß leider Jedermann. In diesem Gebiete ist aber der Saint-Simonismus auch gewissermaaßen eine neue Erwekung christlicher Gedanken und Empfindungen, eine Wiederherstellung, denn die Saint-Simonisten sind von der Göttlichkeit der Sendung Christi durchdrungen, und idi habe über zwanzig Franzosen gesprochen, die von leichtsinnigen Spöttern durch die Ansichten der Saint-Simonisten zu warmen Verehrern des Christenthums umgeformt worden waren. Audi die Eheverhältnisse will die neue Lehre anders ordnen; und daß in dieser Hinsicht die Welt die traurigsten Gebrechen, Lügen und Gemeinheiten zeigt, wird Niemand läugnen; doch ist dieser ganze Theil der Lehre noch als unreif einer spätem Bearbeitung vorbehalten. Was wird nun aus diesen Anfängen werden, wie weit werden sie gehen? Das weiß ich nicht, aber gewiß so weit als möglich, und diese Möglichkeit scheint mir sehr groß. Was soll aus unsern jezigen Gesellschaftszuständen werden? Das weiß ich eben so wenig, aber idi glaube, sie werden sich fürerst nodi behaupten, und nur manche Verbesserung aus dem Saint-Simonismus herübernehmen, was denn wieder diesem zur Empfehlung gereichen wird, und so dürften sich beide wechselseitig nach einander fügen. Besonders scheint die Politik, die ja schon ganz andere Hülfsmittel sich gefallen ließ, z. B. die Jesuiten, deren 113

stilles Reich in Paraguay gewiß nicht die schlechteste Frucht des Ordens war, von dem Saint-Simonismus in unserer Zeit ganz außerordentliche Vortheile entlehnen zu können. Seit vierzig Jahren wüthen Revolutionen und Aufstände in Europa, zerreißen Parteiungen die Völker und Staaten, wollen die großen und kleinen Monarchien repräsentative Staaten werden, diese zu Republiken sich umgestalten; denn das Repräsentativsystem, auf Uneinigkeit und Hader gegründet, und die Regierungen aufreibend, ist längst nicht mehr der Gipfel der politischen Weisheit, wofür es so lange Zeit hat gelten sollen. In dieser Zerrüttung findet sich nirgends ein wahrer Halt, eine gründliche Lösung des Verworrenen, außer in dem Saint-Simonismus, der zuerst ein radikales Heilmittel gegen jene Übel anbietet, und wirklich, das zeigt sich in Paris täglich an neuen Beispielen, in den Gemüthern die politische Parteiung aufhebt und die politische Unruhe tilgt. Die Saint-Simonisten huldigen und gehorchen der Obrigkeit, auch derjenigen, die sie verfolgt; das ist eine Thatsache, und jede Regierung muß ihnen das anrechnen. Eine zweite Thatsache ist, daß die Saint-Simonisten mit einer Kraft auf die Gemüther wirken, wie man sie höchst selten in der Welt wahrnimmt. Der Glaube, die Zuversicht, die Hingebung, der Fleiß und die Liebe, welche sie ihrem Werke widmen, müssen Bewunderung erregen; sie zeigen unwidersprechlich, daß etwas Tiefes und Achtes in der Sache sey. Ein Blendwerk, eine Einbildung, ein Lügen- und Trugwesen, vermödite nicht zwei Monate nur ein Zehntheil dieser Menschen in soldier Einigkeit zusammenzuhalten. Und zerfiele die Sache dennoch bald wieder in sich selbst, löste sich die Gesellschaft in Unfrieden auf, würde zulezt doch Eitelkeit und Herrschsucht im Hintergrunde entdekt, so bestände doch in den Ideen das angeregte Wahre und Neue wirksam fort, und selbst die vorübergegangene Erscheinung der Gesellschaft bliebe die größte geschichtliche Merkwürdigkeit, denn auch eine so große, tiefgreifende und selbstkräftige Täuscherei hätte es noch niemals gegeben. Indeß bekenne idi gern, daß mir bis jezt noch nicht der geringste Anlaß begegnet ist, die Redlichkeit der Gesinnungen derer, die an der Spitze stehen, in Zweifel zu ziehen. Weit eher will mir zweifelhaft erscheinen, ob diese Männer nicht ihrer Kraft zu sehr vertrauen, und sich am Ende einem so unerhörten Werke nicht gewachsen bekennen müssen. Sie machen Forderungen an sich selbst, die gefährlich sind, und in denen sie durch mystischen Wahn und Dünkel zu Grunde gehen können. Sie sehen, daß idi bei einer im Ganzen nicht geringen Meynung von 114

dem Inhalt und den möglichen Leistungen des Saint-Simonismus dodi weit entfernt bin, ein Saint-Simonist zu seyn; ja mir ist es sogar eine ausgemachte Unmöglichkeit, daß ich jemals einer werden könne. Aber das wundervolle Wesen hat einen großen Reiz der Erforschung für mich, und ich bin sehr neugierig, das System ferner zu studiren, und die praktische Entwiklung der Sache mit anzusehen. Sie werden, wenn Sie ernstliche Forschung darauf verwenden, in jedem Falle großen Gewinn davon haben. Mit einer kurzen, oberflächlichen Verwerfung ist es nicht abgethan. Sehen wir daher ferner dem Schauspiele zu, und versparen wir das Urtheil, bis wir klarer seine Wendung sehen.«

XXIV. Politische Stimmen in Frankreich Vom Rheine, März 1832. In der ungeheuren Bewegung, von der wir die politische Welt ergriffen sehen, und die besonders durch den aufgeregten Zustand Frankreichs rastlos unterhalten wird, schwinden mehr und mehr die Halt- und Stüzpunkte, von denen man ausgehen und auf die man zurükkommen könnte, und die Parteien selbst erkennen mit Schreken und Bestürzung, daß sie zum Zerstören alle Mittel und Kräfte reichlich haben, aber zum Aufbauen wenig oder keine Macht besizen. Der Absolutismus ist in Frankreich faktisch besiegt, und wäre seine Herstellung auch als möglich anzusehen, so sezte diese doch in ihm ein völlig neues Lebensprinzip voraus, von dem wir bis jezt keine Spur entdeken. Der Liberalismus hat die Herrschaft an sich gerissen, er verfügt in die Augenblike unbedingt über Frankreich, das aber voll Staunen wahrnimmt, wie wenig ihm dieser neue Führer zu sagen hat, wie wenig es durch ihn gewinnt. Die konstitutionellen Einrichtungen bestehen jezt in aller Freiheit; sie haben sich bis zur republikanischen Gränze hin völlig entfaltet, und wirken ungehindert; aber das Heil und der Segen, die man einzig von ihnen hofte, sind ausgeblieben. Das Repräsentativsystem zeigt sich in der Blöße seiner Unfruchtbarkeit, und selbst das Interesse der Nation, die sich bisher als an den Anker der Rettung daran festgeklammert hatte, läßt mehr und mehr nach, und verspricht sich kaum Besseres von einer Republik, die im Grunde nur die äußer-

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lidie Fortsezung von jenem seyn könnte, ohne irgend einen neuen Inhalt darzubieten. In dieser Verwirrung und Unruhe, deren Elemente und Folgen verhältnißmäßig in allen Ländern fühlbar sind, deren Fortschritte schon in mehreren Staaten Volk und Regierung zu geregeltem Widerstreite gebracht haben, und die den weitersehenden Beobachter mit gerechten Besorgnissen einer noch schlimmem Zukunft erfüllen, in dieser allgemeinen innern Gährung und Zerwürfniß fehlte bisher nur noch, daß auch gegen Außen hin die Völker und Staaten in förmlichen Krieg fortgerissen würden, um auf lange Zeiten hinaus die europäische Menschheit in furchtbaren Wahnsinn und rettungsloses Elend zu stürzen. Dieser Gipfel des Unheils ist bisher glüklich vermieden worden durch die kräftigen Bemühungen und die weise Mäßigung des französischen Ministeriums; und welche Anklagen auch sonst die Franzosen aller Parteien gegen das Benehmen desselben haben mögen, dieses Hauptverdienst bleibt ihm ungeschmälert, und wird im Verlaufe der Zeiten immer richtiger anerkannt werden, so wie auch nicht geläugnet werden kan, daß die Kabinette der übrigen europäischen Staaten an solchem Verdienste wesentlich Theil haben. Allein man wird bei näherm Hinblike dennoch nur allzu sehr gewahr, daß der große Gewinn, auf den so Vieles ankommt, leider nur eine unsichere Grundlage hat, daß die Abwehr des Übels nur auf Fristen gestellt ist, die jeden Augenblik zu Ende seyn können, und daß in den vorhandenen Richtungen und Anstalten der tiefe positive Gehalt fehlt, der einen wahrhaften Friedenszustand nach Innen wie nach Außen begründen, und ihm Dauer und Gedeihen sichern kan. In dieser politischen Bedrängniß und Angst erhebt sich unsern Augen von einer Seite her, wo man es am wenigsten erwartete, ein verheißendes Licht, das sich als Mittelpunkt eines wahren und gründlichen Heils anbietet, und durch seine nächsten Erscheinungen diesem Berufe einer vereinigenden und belebenden Mitte wirklich entsprechen will. Wir reden, wie man schon aus dieser Bezeichnung erkannt haben wird, von der Lehre und den Bestrebungen der SaintSimonisten, die aus dem bewegten, revolutionairen und frivolen Leben der heutigen Welt wie ein Wunder hervorgestiegen sind, weder den alten noch den neuen Zuständen angehören, einen durchaus reinen Ursprung und keinen Theil an irgend einer Parteiung haben, und, wir mögen uns noch so sehr umsehen und abmühen, am Ende doch wirklich die einzigen sind, die unsren Übeln und Sorgen eine wahrhafte Hülfe bieten, die etwas Gründliches und Achtes Ii 6

vorschlagen und bringen! Die Darstellung und Prüfung ihres Systems im Ganzen, ihrer neuen und auffallenden Lehrsäze, ihrer religieusen und bürgerlichen Einrichtungen inBetref des Eigenthums, der Stellung der Frauen, der allgemeinen Hierarchie u.s.w. erforderte tiefere Untersuchungen, als an diesem Orte zulässig sind, und wir wollen auch gar nicht alles dieses, wie es jezt aufgestellt ist, vertheidigen. Auch schadet es nicht, daß die rohe und gemeine Welt in ihrem eitlen Wahne und Dünkel sich gegen das Unverstandene noch eine Weile erbost oder sich darüber mit wohlfeilem Wize lustig macht; wir glauben, die Folgezeit wird dis Alles schon sichten und an seinen Ort stellen. Was uns hier dismal beschäftigt, ist nur allein die politische Seite der Saint-Simonisten, ihre Ansicht und ihre Rathschläge für die Politik des Tages in unmittelbarer Anwendung; und da müssen wir wiederholt gestehen, daß wir außer ihnen auf dem weiten Schauplaze der politischen Welt nicht ersehen, was eine wirkliche Aufhebung des Parteistreites, eine wahre politische Aussöhnung, eine gehaltvolle und Kraft und Dauer in sich tragende Vereinbarung der Völker und Staaten verkündigte und thatsächlich darböte; ja wir ersehen nichts, was auch nur von fern mit ihnen in dieser Aufgabe und Lösung wetteifern könnte. Der Absolutismus findet hier seine Sühne und Befriedigung, der Liberalismus seine heilsamste Umwandlung, und es ist keine leere Angabe, wenn wir versichern, daß heftige Absolutisten und Liberale, auf deren Gemüth keine andre Macht jemals zu wirken im Stande gewesen, auf dem von dem Saint-Simonismus eröfneten Gebiete aufrichtig und vollständig ihrer Parteimeynungen erledigt worden sind, nicht nur in Frankreich, sondern auch schon in Deutschland! Zur nähern Kenntniß theilen wir aus den zahlreichen politischen Artikeln des Globe auszugsweise einen der neuesten mit, in welchem die Saint-Simonistische Ansicht der heutigen Staatenverhältnisse mit Geist und Wärme ausgesprochen ist. Der Aufsaz ist von Hrn. Michael Chevalier, und wir dürfen beim Lesen nicht vergessen, daß es eine französische Stimme ist, eine Stimme aus dem revolutionirten und revolutionirenden Frankreich, die sich mit diesen Friedensgesinnungen und billigen Anerkenntnissen nur um so wunderbarer vernehmen läßt. »Unsere Politik. Der unterscheidende Charakter unsrer Politik, von den ersten Arbeiten der Schüler SaintSimons an, besteht darin, daß sie immer weniger ausschließt, immer mehr jedes Volk, jede Partei aufzunehmen bereit ist, und sie zulezt alle umfassen wird. Der Liberalismus macht unter allen Parteien "7

den meisten Anspruch auf Weltbürgerthum; in der Wirklichkeit jedoch zeigt er sich selten frei von befehdendem Patriotismus. Die französischen Liberalen haben in ihren politischen Kombinationen stets die Richtung gehabt, Frankreich als die Herrscherin der Welt aufzustellen. Mehr noch als in dieser äußern Politik haben sie in der innern ihre Ausschließlichkeit unverhohlen dargelegt; hierin ist der Liberalismus den andern Parteien gleich, er verwirft durchaus, was nicht er selbst ist; er hält sich für die Grundform des Guten; er verdammt die richtige Mitte, und die Legitimisten als die Verkörperung des Bösen. Wir gingen aus den Reihen des Liberalismus hervor, und waren daher Anfangs auch ausschließlich. Aber gleich zu Anfang war unsere Politik reicher an Sympathie für das Volk. Denn während die Liberalen für die Massen metaphysische Rechte, allgemeines Stimmrecht u. dgl. forderten, erhoben wir uns, um für sie moralische, intellektuelle und physische Verbesserungen anzusprechen. Später stellten wir im Allgemeinen die Lehre auf, daß jede Partei einen legitimen Grund ihrer Existenz habe, daß jede die Personifizirung eines der Bedürfnisse der Civilisation sey; das Bedürfniß des Friedens und der Beständigkeit fanden wir in der richtigen Mitte, das Bedürfniß der Ordnung und der Hierarchie in den Legitimisten ausgedrükt. Wir haben den Mann, der als der Träger der richtigen Mitte gelten kan, oftmals tadeln dürfen; aber wir haben seinen festen Willen für die Erhaltung des Friedens gelobt, und wir haben ihn gepriesen, daß durch seine erfolgreichen Anstrengungen die Welt vor einer entsezlichen Zerrüttung glüklich bewahrt worden. Wir erstrekten unsere Politik fürerst nur auf die Verbindung der drei Nationen, welche die drei Hauptseiten des menschlichen Daseyns am vollkommensten darstellen, der Franzosen, eines theilnahmvollen, gesellig vereinenden Volkes, der Engländer, eines gewerbfleißigen, den Stoffen zugewandten, und der Deutschen, eines tiefdenkenden, gelehrten Volkes; die meisten andern Völker Europa's entgingen unserm Blike. Der katholische Süden schien uns einer strengen Vormundschaft bedürftig, der Orient in stumpfes und abgeschwächtes Sklaventhum versunken. Wir glaubten Rußland berufen, Asien mit der Gewalt der Waffen aufzuweken und in die Bahn der Civilisation zu bringen. Allein als Männer des Fortschreitens, als Verkündiger der allgemeinen Verbindung, konnten wir nicht lange bei diesen vorläufigen Schranken stehen bleiben; wir durften keinen Theil des allgemeinen Lebens außerhalb unseres Zwekes lassen, und selbst sogenannte rükschreitende Tendenzen mußten wir als von 118

großer gesellschaftlicher Energie beseelte anerkennen. Gleichwie die neue, von unserm obersten Vater Enfantin geoffenbarte Moral allen Arten von Individualitäten und Charakteren einen richtigen Plaz anweist, jede nach ihrem besondern Ansprüche entwikelt, und alle zu einer gemeinsamen Bestimmung verbindet, eben so erkennt unsere neue Politik den eigenthümlichen Genius eines jeden Volkes an. Das System des mittelländischen Meeres, wie ich dasselbe in frühern Aufsäzen entwikelt habe, diese materielle Übersezung jener Moral, dieses Nez von Eisenbahnen, welche Europa, Asien und Afrika in die rascheste und innigste Gemeinschaft sezen sollen, gibt östreich, den beiden Halbinseln, Irland und den nordischen Ländern, so gut wie der großen Dreieinheit Frankreichs, Preußens und Englands, einen hohen Beruf zu erfüllen, und der Orient selbst soll nicht mehr dienend sich anschließen, sondern frei theilnehmen und beitragen zu dem großen Werke. Betrachten wir jezt unsere Politik in ihren Bezügen auf das innere Frankreich! Wir wollen allen Parteien in ihrem Vergangenen gleiche Gerechtigkeit widerfahren lassen, wir bezeichnen ihnen in der Zukunft die Befriedigung derjenigen Gesinnungen, welche ihr wahres Leben sind, und wir bieten uns allen in der Gegenwart mit versöhnlicher Anziehung dar. Von allen Parteien wird uns diejenige am meisten beschäftigen müssen, mit der wir jezt am wenigsten Berührungspunkte haben, die Partei der Männer der Vergangenheit, Legitimisten in der Politik, Katholische in der Religion. Das Gefühl der Hierarchie, das in uns ist und sich mehr und mehr nach Außen darthun muß, wird zwischen uns und den Legitimisten das nächste Band werden. Niemand gleich uns, die wir ein Oberhaupt verehren und ihm voll Ergebenheit und Freude folgen, vermag es anerkennend auszusprechen, wie viel Großherziges in der Ehrfurcht ist, die dem Schatten eines ehemals glänzenden und von Ruhm und Volksliebe umgebenen Königthums gezollt wird. Wir, die wir einer wilden Unabhängigkeit abgeschworen und eine völlige Freiheit erobert haben, indem wir mit folgsamer Liebe einen hohen edeln Mann verehren, der strahlend in Kraft und Ruhe an unsrer Spize steht, wir haben das Recht allen Andern zu sagen, ohne deshalb als leichtgläubige Schwärmer angesehen zu werden, daß man bei dem Schauspiele des Sturzes eines Königthums, in welchem während vierzehn Jahrhunderten die Größe Frankreichs personifizirt war, tief bewegt seyn, und über das Unglük der Tochter der Könige und über das Exil des königlichen Kindes Thränen vergießen darf. Keine der Parteien hat gleich den Legitimisten das Gefühl der Ii 9

Majestät. Nur vor der Sonne selbst können sie sich beugen. Das neue Königthum, welches noch kein großer Gedanke den Völkern zur Bewunderung macht, und dem weder eine Zaubermacht der Erinnerungen, noch die eines neuen Wirkens dient, hat deshalb jene Männer kalt und abstoßend gefunden. Wir wollen dieses Gefühl der Größe und Pracht wiederherstellen, dessen die andern Parteien sich mit Eifer zu entledigen suchen, ohne zum Glüke es dodi ganz zu können. Wir wollen überall diese Verehrung auferweken, deren die Legitimisten für denjenigen erfüllt sind, in welchem die gesellschaftliche Einheit sich darstellt, diese Sorgfalt, ihn mit allen Vorzügen des Lebens und Wundern der Kunst auszustatten, worin sogenannte positive Männer nur einen habsüchtigen Servilismus erbliken wollen. Denn dis sind nur verschiedenartige Formen des Gefühls der Hierarchie, in dessen Entbehrung die modernen Völker entzweit, erschöpft und unstät umherirren. Ein Band der Sympathie wird unfehlbar und bald sich knüpfen zwischen den unmittelbaren Erben der ritterlichen Gesinnungen, und den Männern, welche unter tausend Hindernissen, Anklagen und Schmähungen stets gelassen und kräftig zur Erfüllung der riesenhaftesten aller Sendungen fortarbeiten, zwischen den Bewunderern der alten Herrlichkeit und denen, welche eine neue Herrlichkeit anstreben, die Herrlichkeit des Friedens und der Arbeit; zwischen denen, deren durch die Stürme der Revolution zerrissenes Banner noch den Spruch trägt: »Mein Gott, mein König, meine Dame,« und denen, welche den Plaz des ehemaligen Altars und Throns nidit leer lassen, sondern beide nur inniger vereinbaren wollen, und welche durch das Weib der Zukunft zu vollenden versprechen, was durch die Dame des Mittelalters angedeutet war.« Nachdem der Verfasser noch ferner zu den Legitimisten, dann zu den Kriegsmännern u.s.w. ausführlich gesprochen, und auch das Ausland billig und günstig berüksichtigt hat, wendet er sich zu der Nothwendigkeit, welche die Welt empfinde, neue politische Formeln aufzustellen, und er verfehlt nicht, die des SaintSimonismus anzubieten. - Gemeinsamkeit und Arbeit sind die Losungsworte derselben; die Verwandlung der Kriegsheere in Arbeitsheere wird als erster Vorschlag in diesem Systeme dringend empfohlen; die zur Ausführung eines, nur dem oberflächlichen Blike abenteuerlich dünkenden Werkes bereits in den Armeen vorhandenen Elemente wurden schon in frühern Aufsäzen nachgewiesen. Zulezt spricht der Verfasser von den bisherigen Leistungen und den fernem Aussichten der Saint-Simonisten. Er macht zuvörderst 120

auf das Wunder aufmerksam, daß einige hundert Männer aus den obern und gebildeten Ständen, Männer von Geist, Kenntnissen, Muth und Thätigkeit seit zwei Jahren beharrlich unter Schmach und Hohn, und mit jeder Selbstverläugnung an dem begonnenen Werke fortarbeiten. Hierauf spricht er von dem schnellen und tiefen Eingange ihrer Ideen und Vorschläge in den vorhandenen Weltlauf. Er sagt in diesem Betreffe: »Nach den Ereignissen des Julius, mitten unter dem Geschrei nach Krieg, waren wir die Ersten, die da behauptet und fast jeden Tag wiederholt haben, das Wichtigste sey Frieden und Bündniß zwischen Frankreich und England (und späterhin ebenso mit Preußen, als der Hauptmacht von Deutschland). Diese Aufgabe ist zu ihrer Lösung weit gediehen, und wenn wir Hrn. v. Talleyrand gern jede diplomatische Ehre davon zugestehen, so sprechen wir uns das Verdienst zu, die Sache durch die Presse vorbereitet und popularisirt zu haben. Einige Monate hindurch haben wir das Amortissement in seiner Blöße gezeigt, und gleich darauf, bei der Verhandlung des Budgets, war die Abschaffung nah, sie wird in dem nächsten Jahre unfehlbar stattfinden. Wir haben fest und beharrlich auf Einführung einer steigenden Erbsteuer gedrungen, und alsbald hat die Kommission der Deputirtenkammer den Grundsaz anerkannt. Vor vierzehn Tagen erst haben wir, in Folge unsers großen, weitverzweigten Systems, auf die Wichtigkeit einer Eisenbahn von Havre nach Marseille und auf die unermeßlichen Vortheile aufmerksam gemacht, die Frankreich daraus gewinnen würde, und schon verkündigt das Ministerium von der Rednerbühne herab, daß ihm Anträge zu diesen großen Unternehmungen vorgelegt sind.« Eines größern Erfolges nodi, als die angeführten, könnten sich die Saint-Simonisten in ihrer Mitwirkung zur Abwendung von Volksunruhen rühmen; sie rathen durchaus zum Frieden und zur Ruhe, und in Paris besonders üben sie in dieser Hinsicht auf die untere Klasse einen dankenswerthen Einfluß.

XXV. Noch ein Wort über den Saint-Simonismus. Vom Rheine, Mai 1832 Eine Reise nach Holland, von der ich eben heimkehre, hat mich verhindert, früher als jezt die Blätter die Allgemeinen Zeitung zu lesen, worin mein Aufsaz über einige politische Ideen der Saint121

Simonisten beleuchtet und widerlegt werden soll. Ein Wort der Verteidigung wird dem Angegriffenen wohl erlaubt seyn, und um so mehr, als derselbe diese Kontrevers alsdann beruhen zu lassen wünscht. Der Gegner macht es sich übrigens allzu bequem; er borgt das Stümpfchen Licht seines Nachbars, des französischen Gerichtschreibers, und beleuchtet damit den bekannten, in allen französischen und in den meisten deutschen Blättern schon beleuchteten Prozeß der Saint-Simonisten nochmals, den Doppelprozeß über ihre Moral und über ihre Entzweiung, wobei er nicht ermangelt, auch die Grundsäze, worüber dieser Prozeß entstanden, ebenfalls in den hundertmal wiederholten, durch den Globe selbst zuerst gelieferten, bis zum Überdruß verspotteten und verschrienen Ausdrüken, nochmals aufzutischen. Bei dergleichen Andeutungen, wie die SaintSimonisten sie bisher nur dunkel, und selber auf künftige Entwikelung und Gestaltung vertrauend, ausgesprochen haben, hat es der müßige Zuschauer sehr leicht, sich als völlig unterrichtet hinzustellen, über das noch Unentwikelte einstweilen tüchtig abzusprechen, den Maaßstab aller hergebrachten Gewöhnlichkeit in die Hand zu nehmen, gerade gegen das, was diesen Maaßstab in Frage stellt, und mit Herbeirufung der beschränkten, gedankenlosen Menge sein »Anathema!« auszuschreien. Das haben die Sachführer jedes absterbenden Zeitalters und jeder abgethanen Meynung immer gethan, so oft ein neues Licht aufging, und Galilei, Luther, Columbus, so gut wie Kant und Fichte, fanden von Seite der Welt keine andre erste Begegnung, als diese. Was wird nun bewiesen durch die Wiederkäuung jenes Prozesses, als die Thatsache, daß es den Saint-Simonisten wie jenen andern Stiftern ergeht? Weit gründlicher wäre das Verfahren, den geistigen Gehalt der neuen Lehre geistig zu prüfen, das Licht philosophischer Dialektik in das Innere strahlen zu lassen, die tiefern Quellen zu untersuchen, und das Phänomen, ja man kan sagen das Wunder ihres gesellschaftlichen Auftretens und Wirkens zu erklären. Denn ein Wunder ist diese Macht der Association in unsrer Zeit, wo fast Alles sich löst und auseinander geht; ein Wunder ist es gewiß, daß mehrere hundert anerkannt geistvolle, wissenschaftlich gebildete und auch sonst ausgezeichnete Männer in der Art zusammenhalten und zusammenwirken, wie die Saint-Simonisten es thun, und daß sie Ideen handhaben und ausbreiten, die in allen Zweigen des Wissens und Lebens, in der Vergangenheit und Zukunft, in den Ländern des Südens und des Nordens - aus Florenz und aus Upsala bezeugen es gleichzeitige Stimmen - überall Wurzeln haben und Keime 122

treiben! Die Entzweiung selbst, auf die man so pochen will, ist nur eine Bestätigung der tiefen Einheit, denn es liegt als Thatsadie vor Augen, daß jeder Theil des Ganzen, die kleinern Theile, wie der größere unter Enfantin zusammengebliebene, in der Hauptsache getreu nach übereinstimmender Richtung und in gleichem Sinne fortarbeiten. Die >Revue encyclopédique< gibt das frappanteste Beispiel, selbst indem sie den Gang der Globisten mit Ernst bestreiten will. - Doch mein Beruf ist hier nicht, den Saint-Simonismus darzustellen oder zu vertreten, ich bin weder befähigt noch gemüssigt, mich einer solchen Aufgabe zu unterziehen. Möge er sidi wie er kan gegen Vorwürfe und Mißverstehen aller Art durch seine eigne Kraft durchbringen! N u r midi selbst habe ich hier gegen den Vorwurf vertheidigen wollen, daß ich in meinen frühern Äußerungen leichthin zu Werke gegangen sey, und wohl keine Gelegenheit gehabt habe, den Mittelpunkt dieser Dinge näher kennen zu lernen, wie der Gegner sagt. Ich erklärte aber gerade schon früher, daß ich, wenn auch ein Ungeweihter in der Doktrin, am meisten von der Lebensseite her mit der Sache bekannt sey. Ich wiederhole jezt, daß gerade aus persönlichen Beziehungen her diese Männer, wie Enfantin, Chevalier, Lagarmitte, Eichthal, mir Zutrauen einflößen, und daß idi, ohne sie für unfehlbarer als Andre zu halten, von ihrem Geiste und ihrer Redlichkeit nur das Beste denken muß. An Gelegenheit zum Kennenlernen jenes Mittelpunkts hat es mir also nicht gefehlt. Mein lezter Aufenthalt in Paris war in dieser Hinsicht fruchtbar genug. Um aber hier noch andern Mißverstand abzuwenden, will ich gleich das Bekenntniß hinzufügen, daß ich ganz und gar nicht zur Fahne Enfantins geschworen habe, noch überhaupt zu der Fahne Saint-Simons schwöre, daß ich aber den großen Ideen huldige, die im Saint-Simonismus liegen, und die idi von dem Fortbestehen des jezigen Kollegiums ganz unabhängig glaube, so wie er auch von Saint-Simons Leben schon unabhängig war. Denn dieser Stifter starb, ohne die geringste Wirkung erlebt zu haben, und jetzt ist die halbe Welt mit seinen Ideen und seinem Namen erfüllt.

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Quellenverzeichnis

E : Erstdruck

D : Druckvorlage

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3· Dritter Theil [ . . . ] 1830 E = D : Blätter für literarische Unterhaltung, 13. Februar 1830, N r . 44, S. 176. 4. Nachträge zu den Reisebildern [ . . . ] 1 8 3 1 E = D : Blätter für literarische Unterhaltung, 14. Februar 1 8 3 1 , N r . 4$, 5. i „ f . j . Erster Theil. Zweite Auflage [ . . . ] 1830 E = D : Der Gesellschafter, 6. Oktober 1830, i62stes Blatt, S. 800. X I I . Buch der Lieder von H . HEINE [ . . . ] 1827 E = D : Zeitung der Ereignisse und Ansichten, Beilage zum 186. Blatte des Gesellschafters 1827 (21. November), S. 9 3 i f . XIII.

L a n d h a u s l e b e n [ . . . ] v o n LUDWIG A C H I M VON A R N I M [ . . . ]

1826

E = D : Zeitung der Ereignisse und Ansichten, Beilage zum i68sten Blatte des Gesellschafters 1826 (21. Oktober), S. 849^ X I V . T a g - und J a h r e s - H e f t e [ . . . ] V o n GOETHE [ . . . ] 1 8 3 0

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[...]

1832 E = D : Jahrbücher f ü r wissenschaftlidie Kritik, September 1832, Nro. 50, Sp. 397fr. X V I I . [Denkschrift an den Fürsten Metternich über das Junge Deutschland] E = D : Varnhagens Denkschrift an den Fürsten Metternich über das junge Deutschland 1836, Mitgetheilt und erläutert von Ludwig Geiger. In: Deutsche Revue X X X I , 1, 1906, S. 1 8 3 f r . XVIII.

R e i s e n o v e l l e n v o n HEINRICH LAUBE [ . . . ] 1 8 3 4 [ . . . ] 1 8 3 6

[...]

1837 E : nicht ermittelt. D : K . A . Varnhagen von Ense: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften, 2. Aufl., 5. Bd. ( = Vermischte Schriften, 2. Th.), Leipzig 1843, S. 5 3 8 f r . X I X . Erinnerungen aus dem äusseren Leben v o n ERNST MORITZ ARNDT

[ . . . ] 1840 E = D : Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik, October 1840, No. 69fr., Sp.$68ff. IZ

S

X X . Leben und Schriften des Freiherrn Adolf v. Knigge

[Knigge's

Leben u n d Schriften. V o n KARL GÖDEKE . . . I 844]

E = D : Beilage zur [Augsburger] Allgemeinen Zeitung, 23. October 1844, N r o . 297, S p . 2369Í.

X X I . Erläuterungen zu den deutschen Klassikern. [Erste Abtheilung, Goethe's Hermann und Dorothea, Erläutert von HEINRICH DÜNTZER] [...]I8JJ

E = D : Album des litterarischen Vereins in Bern, herausgegeben zu Gunsten der Blinden- und Mädchentaubstummen-Anstalt in Bern, Bern 1858, S. 11 iff. XXII.

D e r grüne Heinrich

[ . . . ] v o n GOTTFRIED KELLER

[...]

[18J5]

E = D : Album des litterarischen Vereins in Bern, herausgegeben zu Gunsten der Blinden- und Mädchentaubstummen-Anstalt in Bern, Bern 1858, S. n 3 f .

Anhang X X I I I . Über den Saint-Simonismus [ . . . ] E = D : Außerordentliche Beilage zur [Augsburger] Allgemeinen Zeitung, 6. März 1832, Nro. 87, S. 34$f. X X I V . Politische Stimmen in Frankreich [ . . . ] E = D : Außerordentliche Beilage zur [Augsburger] Allgemeinen Zeitung, 17. und 18. April 1832, Nro. i 4 j f . X X V . Noch ein Wort über den Saint-Simonismus [ . . . ] E = D : Außerordentliche Beilage zur [Augsburger] Allgemeinen Zeitung, 21. Mai 1832, Nro. 196 und 197, S. 78if.

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Literaturverzeichnis

Aufgenommen wurden solche von Varnhagen verfaßten, herausgegebenen oder nachgelassenen Schriften und Briefe sowie weitere Zeugnisse zu Varnhagens Lebenskreis, die für eine germanistische Beschäftigung mit ihm grundlegend sind. Die Auswahl der Sekundärliteratur enthält Texte zur frühen Wirkungsgeschichte sowie Spezialuntersuchungen, die auf die in der Einleitung angeschnittenen Probleme eingehen. Weiterführende bibliographische Angaben sind bei Goedeke (Bd. V I , S. ij6ñ.; Bd. X I V , S. 793$.) sowie in den unten genannten Arbeiten von Feilchenfeld, Houben (Zeitschriften des Jungen Deutschlands) und Stern zu finden.

I. Von Varnhagen verfaßte,

herausgegebene

oder nachgelassene

Schriften

Blätter aus der preußischen Geschichte, Leipzig i S 68 ff., j Bde. [ = Tagebuchaufzeichnungen 1819-1830]. Briefe von Chamisso, Gneisenau, H a u g w i t z , W . v. Humboldt, Prinz Louis Ferdinand, Rahel, Rückert, L.Tieck u.a., nebst Briefen, Anmerkungen und N o t i z e n von Varnhagen von Ense, Leipzig 1867, 2 Bde. Briefwechsel zwischen Karoline von Humboldt, Rahel und Varnhagen, hg. v. Albert Leitzmann, Weimar 1896. Briefe von Stägemann, Metternich, Heine und Bettina v o n Arnim, nebst Briefen, Anmerkungen und N o t i z e n von Varnhagen v o n Ense, Leipzig 1865. Briefe Varnhagens an Goethe. In: GJb. X I V , 1893, S. 6off. Briefwechsel zwischen Varnhagen und Rahel, Leipzig 1874^, 6 Bde. Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. [Die verschiedenen A u f l a g e n sind unterschiedlich zusammengestellt!] 1 . A u f l a g e , Bd. I - I V , Mannheim 1837^ Bd. V - I X , Leipzig i84off. mit einem zweiten Titel, der den Zusatz hat: Neue Folge, Erster bis Fünfter Band. [Inhaltlicher A u f b a u bei Goedeke V I , S. i8of.] 2. A u f l a g e , Leipzig 1843ÍF. 3. A u f l a g e unter dem Titel: Ausgewählte Schriften s.d. Denkwürdigkeiten des eigenen Lebens, hg. v . K a r l W o l f g a n g Becker, Berlin(-Ost) 1971, 2 Bde. [Auswahl], Galerie v o n Bildnissen aus Rahel's Umgang und Briefwechsel, Leipzig 1836. Z u r Geschichtschreibung und Litteratur, Berichte und Beurtheilungen. A u s den Jahrbüdiern für wissenschaftliche Kritik und anderen Zeitschriften gesammelt, Hamburg 1833. 127

Über Goethe, Bruchstücke aus Briefen, hg. ν . Κ . A . Varnhagen von Ense. In: Morgenblatt für gebildete Stände 1 8 1 2 , N r . 1 6 i f f . , S. 641fr. [Rezension:] Aus meinem Leben, Dichtung und Wahrheit, Von Göthe. 1 . T h e i l : Die Musen, Berlin 1 8 1 2 (Reprint Neudeln 1971), 3.Quart., S. 2 0 l f f . 2. Theil: Ibid., 4. Quart., S. 174ÎÎ. 3. Theil: Ibid., Berlin 1 8 1 4 , 3. u. letztes Stüde, S. 43yfF. 1 . - 3 . Theil auch in: Zur Geschichtschreibung und Litteratur (s. d.) 4. Theil: Jahrbüdier f. wiss. Kritik, Juli 1833, No. 1 , Sp. i f f . [Rezension:] Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe in den Jahren 1794 bis 1805. 1 . - 2 . Theil: Jahrbücher f. wiss. Kritik, Mai 1829, Nro. 8$ff. 3.-6. Theil: Ibid., Mai 1830, Nro. 86ff. Auch in: Zur Gesdiichtschreibung und Litteratur (s. d.). Goethe in den Zeugnissen der Mitlebenden, Beilage zu allen Ausgaben von Goethe's Werken, Berlin 1823. Aus dem Varnhagen-Chamissoschen Kreise, Mitgetheilt von Ludwig Geiger. In: G Jb. X X I V , 1903, S. 9 7 f f . Some unpublished letters [Varnhagens] to Thomas Carlyle, [mitgeteilt von] Rodger L . T a r r . In: M L R L X V I I I , 1973, S. 22ff. Biographische Portraits, Nebst Briefen von Koreff, Clemens Brentano, Frau von Fouqué, Henri Campan und Scholz, Leipzig 1 8 7 1 . Rahel, Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde, Berlin 1834 (Reprint Bern 1971), 3 Bde. Ausgewählte Schriften, Leipzig i 8 7 i f f . Erste Abth. (Bd. I - V I ) : Denkwürdigkeiten des eigenen Lebens. Zweite Abth. (Bd. V I I - X V I ) : Biographische Denkmale. Dritte Abth. (Bd. X V I I - X I X ) : Vermischte Schriften. [Weitere Aufschlüsselung bei Goedeke V I , S. i82f.]. Tagebücher, Leipzig i86iff., 14 Bde. Register ( = Bd. X V ) , hg. v. H . H . Houben, Berlin 190$ (Reprint Bern 1972) ( = Veröff. d. Dt. Bibliogr. Gesellschaft 3). Auswahl: Varnhagen von Ense / Friedrich Fürst Schwarzenberg: Europäische Zeitenwende, Tagebücher 1835-1860, ausgew., hg., eingel. v. Joachim Schondorff, München i960. Die Versuche und Hindernisse Karl's. Eine Deutsche Geschichte aus neuerer Zeit, Erster Theil, Berlin u. Leipzig [1809]. Neudruck unter dem Titel: Der Doppelroman der Berliner Romantik, Zum ersten Male hg. u. mit Erl. dargest. v. Helmuth Rogge, Berlin 1926, 2 Bde. Ueber »Wilhelm Meisters Wanderjahre