Licht- Und Farbenzauber: Glasmalerei Im Thurgau (Denkmalpflege Im Thurgau, 23) 3796545807, 9783796545801

Im Blickpunkt dieses Bandes steht die Glasmalerei. Im ersten Teil werden Bildwerke von der Hochgotik bis in den Jugendst

131 84

German Pages 276 [268] Year 2022

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Glasmalerei von der Gotikbis in die Moderne
« Ausserdem trieb die Glasmalereinoch in der Schweiz achtungswerte Blüten » – Einführung
Revival und Stilpluralismus – Sakrale und profane Glasmalereienim Thurgau 1865 bis 1930
Ex situ – Die Sammlung Vincentund ihre Glasgemälde aus dem Thurgau
Bares für Rares – Die letzte Äbtissin des Klosters Tänikonund der Verkauf von Glasmalereien 1832
Die Glasgemälde im Kreuzgangdes Klosters Tänikon – Bilderkatalog
Das Chorfenster von St. Laurentius in Frauenfeld-Oberkirch – Eine aussergewöhnlich gut erhaltene Glasmalerei
Dicke Mauern, dünne Gläser – Untersuchungen an der Kapelle Frauenfeld-Oberkirch und der Stadtkirche Wil SG
Orientrezeption zwischen Kopieund Imagination – Die neo-maurischen Glasmalereien im Schloss Castell in Tägerwilen
Das Glasmaleratelier Heinrich Stäubli – Zwischen St. Galler Werkstatt und Glaskunst am Bau im Thurgau
Archive und archivalische Quellen
Literaturverzeichnis
Highlights der modernen Glasmalerei
Augusto Giacometti (1877–1947)
Carl Roesch (1884–1979)
August Wanner (1886–1970)
Heinrich Danioth (1896–1953) und Edy Renggli (1922–2017)
Ferdinand Gehr (1896–1996)
Gian Casty (1914–1979)
Walter Burger (1923–2010)
Jacques Schedler (1927–1989)
Köbi Lämmler (1934–1989)
Ursula Fehr (*1940)
Rudolf Küenzi (1943–2010)
Aus der Denkmalkultur des Thurgaus
Blick in die Kunstdenkmälerforschung
Oh Mann, Grubenmann! – Vom Scheitern eines berühmten Baumeisters in Weinfelden 1769
In den Jahren 2019 bis 2020 abgeschlossene Restaurierungen
Amlikon-Bissegg, Griesenberg
Amriswil, Wasserschloss Hagenwil
Diessenhofen, St. Katharinental, Klosterkirche Westfassade
Egnach, Lengwil, «Späämüli»
Eschenz, Schloss Freudenfels, Glockentürmchen
Kradolf-Schönenberg, Neukirch an der Thur, Poststrasse 6
Romanshorn, Schulhaus Spitz
Romanshorn, Verwaltungsgebäude des Wasser- und Elektrizitätswerks
Aus dem wechselvollen denkmalpflegerischen Alltag
Amriswil, Notkirche Stefanshöfli
Kreuzlingen, ehemalige Fabrikantenvilla des Schuhherstellers Louis Raichle
Kulturgüterschutz Thurgau, ein Blick auf eine wenig bekannte Aufgabe der Denkmalpflege
Bildnachweis
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Licht- Und Farbenzauber: Glasmalerei Im Thurgau (Denkmalpflege Im Thurgau, 23)
 3796545807, 9783796545801

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Denkmalpflege im Thurgau 23

Licht- und Farbenzauber Glasmalerei im Thurgau

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Denkmalpflege im Thurgau 23

Farbige Verglasungen verzaubern Räume. Sie schaffen Atmosphäre und erzeugen mit ihrer Brechung des Sonnenlichts Reflexe auf Wänden und Böden. Ob figurativ, ornamental oder abstrakt gestaltet, ob farblich zurückhaltend oder als flirrender Farbenteppich : Glasmalereien prägen den Charakter eines Innenraums. Seit dem Mittelalter sind farbige Fenster wesentliche Architekturelemente in Kirchen und Klöstern. Im 16. Jahrhundert entwickelten Glasmaler in der Schweiz die Kabinettscheibe. Diese kleinformatigen Wappen-, Figuren- und Standesscheiben erfreuten sich bis weit ins 19. Jahrhundert hinein grosser Beliebtheit und schmückten sakrale Bauten wie auch private Wohnräume. Als zu Beginn des 19. Jahrhunderts europaweit ein neues Interesse für kirchliche Glasmalerei erwachte, erlebte die Kunstgattung ein Revival, das zu Restaurierungen von vorhandenen Glasbildern wie auch zu Neuverglasungen von Kirchen geführt hat. Bunte Fenster und Einzelscheiben zieren auch Schulhäuser, Verwaltungsgebäude und Wohnbauten. Aus dem reichen Schatz an Glasmalereien im Thurgau stellt der vorliegende Band eine Auswahl von Werken aus dem frühen 14. bis ins 20. Jahrhundert vor. In Kooperation mit dem Vitrocentre Romont, das 2022 den Corpus Vitrearum Thurgau herausgibt, und in Zusammenarbeit mit Kennern von Highlights der modernen Glasmalerei ist ein bebilderter Führer entstanden, der die reiche thurgauische Kulturlandschaft im Licht der Glaskunst betrachtet.

Bisher erschienen in der Reihe « Denkmalpflege im Thurgau » : Band 1 : Kloster Fischingen. Die Restaurierung der barocken Prälatur, 2000 Band 2 : Scheunen ungenutzt – umgenutzt, 2001 Band 3 : Kartause Ittingen – von einst zu jetzt, 2002 Band 4 : Ein Blick ins Paradies. Bau- und Restaurierungsgeschichte der Klosterkirche St. Michael in Paradies, 2003 Band 5 : Albert Knoepfli – erster Denkmalpfleger des Kantons Thurgau, 2003 Band 6 : Sie bauten den Thurgau: Die Architekten Brenner, 2004 Band 7 : Bauerngärten im Thurgau, 2005 Band 8 : Glanzstücke. Gold- und Silberschmiedekunst aus Thurgauer Werkstätten, 2006 Band 9 : Die Alte Thurbrücke von Bischofszell und ihre Instandsetzung 1999–2006, 2007 Band 10 : Neues Licht auf Fischingen. Die Restaurierung der Klosterkirche 2000–2008, 2008 Band 11 : wie bist du so schön. 50 Jahre Thurgauer Siedlung und Landschaft im Wandel, 2010 Band 12 : Max Burkhardt. Vom Dekorationsmaler zum Fotograf, 2010 Band 13 : Höher bauen im Thurgau. Ein Blick zurück für die Zukunft, 2011 Band 14 : Ein Fall für... Die Denkmal Stiftung Thurgau, 2012 Band 15 : Farbkultur im Thurgau pflegen und gestalten, 2013 Band 16 : Die neubarocke Stadtkirche St. Nikolaus in Frauenfeld (1904–1906), 2014 Band 17 : modern bauen – Thurgauer Nachkriegsmoderne 1940–1980, 2015 Band 18 : Baudenkmäler im « Dichtestress »? – Grundlagen und kreative Lösungswege, 2016 Band 19 : Bungalow – Thurgauer Experimente im Systembau, 2017 Band 20 : Innere Werte – Historische Ausstattungen im Denkmal, 2018 Band 21 : Kirchenbau 1869 –2019 – 150 Jahre Landeskirchen im Kanton Thurgau, 2019 Band 22 : Oase im Alltag – Gärten und Freiräume im Thurgau, 2021

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Das Signet des 1488 gegründeten Druck- und Verlagshauses Schwabe reicht zurück in die Anfänge der Buchdruckerkunst und stammt aus dem Umkreis von Hans Holbein. Es ist die Druckermarke der Petri; sie illustriert die Bibelstelle Jeremia 23,29: «Ist nicht mein Wort wie Feuer, spricht der Herr, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmettert?»

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Denkmalpflege im Thurgau | 23

Licht- und Farbenzauber Glasmalerei im Thurgau

Herausgegeben vom Amt für Denkmalpflege des Kantons Thurgau

Schwabe Verlag https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http  : //dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Schwabe Verlag, Schwabe Verlagsgruppe AG, Basel, Schweiz und Amt für Denkmalpflege des Kantons Thurgau. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Das Werk einschliesslich seiner Teile darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in keiner Form reproduziert oder elektronisch verarbeitet, vervielfältigt, zugänglich gemacht oder verbreitet werden. Schriftleitung  : Ruedi Elser Redaktion und Lektorat : Silvia Volkart Lektorat : Kerstin Köpping, Berlin Abbildung Umschlag : Christoph Gysin, icona basel, Basel Umschlaggestaltung : icona basel, Basel Layout und Satz : icona basel, Basel Schriften : Berthold Akzidenz Grotesk und Sabon Papier : Tatami Natural mattgestrichen naturweiss 135 g/m² Lithos : bido-graphic GmbH, Muttenz Druck : blo.ch, Druckerei Bloch AG, Arlesheim Printed in Switzerland ISBN Printausgabe 978-3-7965-4580-1 ISBN eBook ( PDF ) 978-3-7965-4625-9 DOI 10.24894/978-3-7965-4625-9 Das eBook ist seitenidentisch mit der gedruckten Ausgabe und erlaubt Volltextsuche. Zudem sind Inhaltsverzeichnis und Überschriften verlinkt. [email protected] www.schwabe.ch https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

5 Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Giovanni Menghini

Licht- und Farbenzauber Glasmalerei im Thurgau Glasmalerei von der Gotik bis in die Moderne Reto Nussbaumer « Ausserdem trieb die Glasmalerei noch in der Schweiz achtungswerte Blüten » – Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Katrin Kaufmann Revival und Stilpluralismus – Sakrale und profane Glasmalereien im Thurgau 1865 bis 1930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Sarah Keller Ex situ – Die Sammlung Vincent und ihre Glasgemälde aus dem Thurgau . . . . . . . . . . . 47

Michael Mente Bares für Rares – Die letzte Äbtissin des Klosters Tänikon und der Verkauf von Glasmalereien 1832 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

Silvia Volkart und Ruedi Elser Die Glasgemälde im Kreuzgang des Klosters Tänikon – Bilderkatalog . . . . . . . . . . . . . . . . 79

Sophie Wolf Das Chorfenster von St. Laurentius in Frauenfeld-Oberkirch – Eine aussergewöhnlich gut erhaltene Glasmalerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

Ernst Baumann Dicke Mauern, dünne Gläser – Untersuchungen an der Kapelle Frauenfeld-Oberkirch und der Stadtkirche Wil SG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

Francine Giese und Sarah Keller Orientrezeption zwischen Kopie und Imagination – Die neo-maurischen Glasmalereien im Schloss Castell in Tägerwilen . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

Laura Hindelang Das Glasmaleratelier Heinrich Stäubli – Zwischen St. Galler Werkstatt und Glaskunst am Bau im Thurgau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Archive und archivalische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

6 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Highlights der modernen Glasmalerei Michael Egli und Christina Snopko Augusto Giacometti (1877–1947) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Lucia Angela Cavegn Carl Roesch (1884–1979) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

Nora Guggenbühler August Wanner (1886–1970) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

Silvia Volkart Heinrich Danioth (1896 –1953) und Edy Renggli (1922–2017) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

Dorothee Messmer Ferdinand Gehr (1896–1996) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

Ulrich Wismer Gian Casty (1914–1979) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

Sandra Gimmel Walter Burger (1923–2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

Markus Landert Jacques Schedler (1927–1989) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

Sandra Gimmel Köbi Lämmler (1934–1989) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

Stefanie Hoch Ursula Fehr (* 1940) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

Stefanie Hoch Rudolf Küenzi (1943–2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

7 Inhaltsverzeichnis

Aus der Denkmalkultur des Thurgaus Blick in die Kunstdenkmälerforschung

Peter Erni Oh Mann, Grubenmann ! – Vom Scheitern eines berühmten Baumeisters in Weinfelden 1769 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 In den Jahren 2019 bis 2020 abgeschlossene Restaurierungen

Annina De Carli-Lanfranconi Ruedi Elser Bettina Hedinger Denise Hug Stephan Kraus Felicitas Meile Monika Zutter Amlikon-Bissegg, Griesenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Amriswil, Wasserschloss Hagenwil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Diessenhofen, St. Katharinental, Klosterkirche Westfassade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Egnach, Lengwil, « Späämüli » . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Eschenz, Schloss Freudenfels, Glockentürmchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Kradolf-Schönenberg, Neukirch an der Thur, Poststrasse 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Romanshorn, Schulhaus Spitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Romanshorn, Verwaltungsgebäude des Wasser- und Elektrizitätswerks . . . . . . . . 249 Aus dem wechselvollen denkmalpflegerischen Alltag

Daniel Häberli Bettina Hedinger Denise Hug Amriswil, Notkirche Stefanshöfli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Kreuzlingen, ehemalige Fabrikantenvilla des Schuhherstellers Louis Raichle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Kulturgüterschutz Thurgau, ein Blick auf eine wenig bekannte Aufgabe der Denkmalpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

9 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Vorwort

(  linke Seite  )  Glasbilderzyklus

von Köbi Lämmler 1964, evangelische Kirche Oberaach ( Ausschnitt ).

Wir möchten Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, mit dem Band 23 der Schriftreihe « Denkmalpflege im Thurgau » Einblicke in einen ganz besonderen Schatz unseres Kulturguts verschaffen : die Glasmalerei. Ihr ist nicht etwa Unscheinbarkeit eigen, im Gegenteil ! Die seit dem Mittelalter bis in die Moderne geschaffenen Glasmalereien sind leuchtende, sinnfällige Kunstwerke, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und mit ihrem täglich wiederkehrenden Licht- und Farbenzauber den Innenraum mitprägen und ihn im Verlauf eines Tages beständig verändern. Nachdem farbiges Glas über Jahrhunderte hinweg gezielt und prominent eingesetzt wurde, ist es als Gestaltungsmittel in der zeitgenössischen Architektur etwas in Vergessenheit geraten. Bezogen auf Vielfalt, Kunstfertigkeit, Traditionen und Ikonografie vom Mittelalter bis in die neueste Zeit eröffnet sich bei näherer Betrachtung ein breites Spektrum von hohem kunst-, technologie- und sozialgeschichtlichem Wert. Der vorliegende Band versteht sich darum als eine Hommage an dieses fragile Kulturgut, das auch im Thurgau mit eindrücklichen Werken vertreten ist, und er verschafft Zugang zur aktuellen Forschung und bietet Anknüpfungspunkte für weitere Untersuchungen. Farbige Scheiben waren – nicht zuletzt bedingt durch die eingeschränkten Produktionsmöglichkeiten des Fensterglases – bis in das 19. Jahrhundert vornehmlich ( semi- ) transparente Bestandteile der den Raum umschliessenden und gegen aussen abschirmenden Wände. Erst allmählich, mit dem Aufkommen neuer Fertigungstechniken, wurde das Durchbrechen des umschlossenen Innenraums und der gerahmte Blick nach draussen möglich, was im optischen Verfliessen von Innen und Aussen in der Moderne gipfelt. Glasmalereien kamen zunächst in sakralen Räumen zum Einsatz, in denen das ­eintretende Licht über Farbigkeit und konkrete Darstellungen zum Träger visueller ­Botschaften wurde. Der Bogen spannt sich dabei von der Jahrhunderte währenden Tradition farbig gestalteter Kirchenfenster, die es unter Berücksichtigung der Zersetzungsprozesse für kommende Generationen zu bewahren gilt, bis zu der bald einmal als Relikt der Vorgängergeneration aus der Zeit gefallenen und als Ballast empfundenen Schützenfestscheibe, vom kostspieligen Einzelstück bis zum kommerziellen Massenprodukt. ­Farbige Scheiben können als symbolische Kommunikationsträger dienen, Macht und Prestige ihrer Auftraggeber demonstrieren oder Allianzen und Freundschaften bildhaft bezeugen. Im Laufe der Geschichte lässt sich in unserem Kulturgebiet eine « Profanisierung » der Glasmalerei feststellen. Nachdem der Adel und zunehmend auch prestige­ bewusste Bürger seit der Renaissance Scheiben in grosser Zahl herstellen liessen, verlor diese Kunstgattung schliesslich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts generell an Bedeutung. Ein Grund dafür liegt wohl im Ausbleiben der Auftraggeber : Es werden kaum mehr Kirchen gebaut, für die farbige Verglasungen benötigt werden, und die öffentliche Hand sieht andere Prioritäten. Letztlich aber bleibt die Frage offen und interessant, warum die zeitgenössische Architektur dem Gestaltungsmittel des farbigen Glases kaum mehr Raum gibt. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

10 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Der Werdegang dieses Buchs war ein herausforderungsreiches Unterfangen, das zu einem guten Zeitpunkt realisiert werden konnte: Umfang und Kosten, erforderliche Tiefe der Recherchen in dem von der aktuellen Kunstgeschichtsforschung kaum mehr berührten Gebiet, die Aussicht auf die anstehende Publikation Corpus Vitrearum Thurgau ( ein Katalog mit rund 1’200 Objekteinträgen aus dem Thurgau ), die Ausstellung des Schweizerischen Nationalmuseums « Farben im Licht » 2021/22 und die Koinzidenz mit dem internationalen Jahr des Glases 2022 führten dazu, den bisherigen Erscheinungsrhythmus unserer Jahrespublikation zu durchbrechen und mit der Veröffentlichung des grossen Werks aus Romont zeitlich gleichzuziehen. Unsere Publikation setzt denn neben historischen Betrachtungen, etwa einem umfangreichen Katalog des Renaissance­ zyklus aus Tänikon, auch einen eigenen Schwerpunkt dort, wo die jahrelange Forschung und Aufarbeitung des Vitrocentre endet, nämlich mit dem Schaffen im 19., besonders aber im 20. Jahrhundert. So ergänzen sich die beiden Publikationen und runden das Thema bis hin zum farbigen Glas als abstraktes Element zur Gestaltung räumlicher Wirkung ab. Damit nicht genug; wie immer vermittelt der vorliegende Band Einblicke in das Schaffen rund um die Denkmalpflege im Kanton Thurgau. Neben Restaurierungsberichten erhält der im Jahr 2019 als kantonale Fachstelle in unserem Amt angesiedelte Kulturgüterschutz erstmals eine Plattform. Und auch dieses Jahr veröffentlicht die Kunstdenkmälerforschung eine ihrer Trouvaillen, auf die sie im Rahmen ihrer Recherchen gestossen ist. Nebst der Wirkung nach aussen auf das interessierte Fachpublikum und auf die Forschung hat die Publikation auch für uns als Herausgeber einen besonderen Wert. So bietet sie die einzigartige Möglichkeit, das breite Spektrum der im Amt für Denkmalpflege vereinigten, ganz unterschiedlichen Abteilungen durch informative Beiträge zu deren spezifischen Tätigkeiten zu präsentieren. Unser Amt steht vor namhaften Herausforderungen hinsichtlich der Revision unserer Grundlagen und angesichts der baulichen Verdichtung im wertvollen historischen Ortsbild. Dies erfordert zusätzliche Priorisierungen des Einsatzes unserer Ressourcen und setzt damit diese Publikationsreihe unter Druck. Es ist uns allen aber ein grosses Anliegen, die Reihe « Denkmalpflege im Thurgau » als bleibendes hochwertiges Zeitdokument, als Beitrag zu Forschung und Vermittlung wie auch zur Offenlegung unserer Arbeit gegenüber der Politik und der Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Giovanni Menghini, Amtsleiter / Kantonaler Denkmalpfleger

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Glasmalerei von der Gotik bis in die Moderne

Ernst Baumann Ruedi Elser Francine Giese Laura Hindelang Katrin Kaufmann Sarah Keller Michael Mente Reto Nussbaumer Silvia Volkart Sophie Wolf https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

13 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Reto Nussbaumer

« Ausserdem trieb die Glasmalerei noch in der Schweiz achtungswerte Blüten » – Einführung Wie kommt das bekannte Meyers Konversations-Lexikon 1890 dazu, so explizit von der Schweizer Glasmalerei und deren « Blüten » zu sprechen ? Es kommt nicht von ungefähr. Die Bezeichnung « Schweizer Scheibe » galt lange als Fachbegriff, als speziell zu betrachtende Form der Kabinettscheiben-Glasmalerei. In der Fachliteratur wurde darüber oft doppeldeutig geschrieben : « Wer kennt und liebt sie nicht, die eigenartige und reizvolle Schweizer Scheibe, die in keiner Sammlung fehlt, die immer wieder auf dem Kunstmarkt erscheint ? Mag sie auch manchmal mehr durch ihre frischen Farben, als durch Gediegenheit der Zeichnung erfreuen, mag das Gebiet des Sujets und ihrer Technik eng umschrieben sein, stets ist sie ein Zeichen merkwürdiger und ausserhalb der Schweiz nirgends vorkommender Nationalsitte. [ … ] In ihrer schlichten Eigenart ist sie nicht zu verkennen oder zu verwechseln. » ( Fischer 1914, S. 172 )

Viele von uns kennen Glasmalereien, nicht zuletzt aus dem familiären Umfeld. Bei Grosseltern, Tanten und Onkeln hängen oder hingen an den Wohnzimmerfenstern die Wappenscheiben mit den Familienwappen – bei den Schützen zuhause gern auch die Scheiben der besuchten Schützenfeste.  Abbildungen 1 und 2 Von diesen – bei vielen Glasmalern oft noch letzten Auftragsarbeiten und eigentlich späten Vertretern der « Schweizer Scheibe » – soll aber nicht die Rede sein. Vielmehr soll 1 (  links  )  Kabinettscheibe

«  Familien­wappen Hürlimann 1337 », Glasmalerei, signiert WL., 32 × 23 Zentimeter, circa 1960er-Jahre. 2 (  rechts  )  Kabinettscheibe «  Eidgenös­sisches Schützenfest 1924 in Aarau ». Glasmalerei H. Meyer, 30.5 × 23  Zentimeter, Zürich1924.

(  linke Seite  )  Der

Stadt Frauenfeld gewidmete Glasmalerei von Friedrich Berbig 1888, Rathaus Frauenfeld, Bürgersaal ( Ausschnitt ). https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

14 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

es um die Glasmalereien der vergangenen Jahrhunderte gehen, seit Beginn der Glasmalerei bis zu heutigen Varianten, deren Erforschung und deren Erhaltung. Dabei spielt der Kanton Thurgau für die Schweiz – nicht nur wegen der schweizweit einzigartigen Chorfenster der Kirche Frauenfeld-Oberkirch – eine bedeutende Rolle. Unter anderem ist eine wegweisende Studie zu den Schweizer Kabinettscheiben in Frauenfeld herausgegeben worden ( Meyer 1884 ). Die vorliegende Publikation vom Amt für Denkmalpflege des Kantons Thurgau beleuchtet den Stellenwert der Thurgauer Glasmalereibestände. Dies ist aber beileibe nicht die erste Publikation zur Schweizer Glasmalerei. Es gab und gibt davon und alle referieren aufeinander. Was jedoch kaum in den Anmerkungen erscheint, ist das kleine Werk eines damals 21-jährigen Studenten der Jurisprudenz mit Namen Josef Zemp in München ( Zemp 1890 ). Es handelt sich um denselben Josef Zemp, der nach seiner ersten Studienzeit in München an die Universität Zürich wechselte, beim Kunsthistoriker Johann Rudolf Rahn studierte und selber ein bedeutender Schweizer Kunsthistoriker wurde. Seine « Skizze » fasst die bis 1890 bekannte Literatur zur Glasmalerei und deren Bestände in der Schweiz auf etwas mehr als 60 Seiten zusammen – nicht nur aufzählend, sondern immer wieder auch bewertend. Selbstverständlich orientiert er sich an den damaligen Leitgrössen der Glasmalerei- und Kunstgeschichtsliteratur, auf Lübke ( 1866 ) und Rahn ( 1876 ). Zemps Schrift ist eine auch heute noch gut zu lesende Einführung zur Glasmalerei in der Schweiz, wenn er im letzten Absatz auch klarmacht, dass er vieles nur andeuten, nur streifen konnte und die grossen Inventare, Übersichten und Besprechungen noch zu machen sind : « Einem Anderen bleibt es vorbehalten, den schönen Stoff auch im Einzelnen mit der individuellen Zeichnung, mit dem Formenreiz und Farbenschmelz der Cabinetscheibe aus der ‹ goldenen Zeit des XVI. Jahrhunderts › auszustatten. Möge der Berufene uns recht bald überraschen ! » ( Zemp 1890, S. 62 ) Mit dem jetzt abgeschlossenen Corpus Vitrearum-Projekt für den Kanton Thurgau haben sich verschiedene « Berufene », wie Zemp schreibt, zusammengefunden und die Glasmalereibestände des Thurgaus nach fachlichen Kriterien inventarisiert, dokumentiert und beschrieben. All dies ist unter vitrosearch.ch online zugänglich und bietet eine Fülle an Informationen – und vor allem beeindruckendes Bildmaterial von rund 1’200 Objekteinträgen. Das Corpus Vitrearum – im vollständigen Namen Corpus Vitrearum Medii Aevi – geht auf den Schweizer Kunsthistoriker Hans R. Hahnloser zurück, der nicht zuletzt unter dem Eindruck der Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs 1952 dieses internationale Forschungsprojekt zur Glasmalerei begründete. In der Schweiz laufen die Aktivitäten des Corpus Vitrearum im Vitrocentre in Romont zusammen, dem Schweizer Kompetenzzentrum zur Glasmalerei. Zurück zur Glasmalerei : Von der handwerklich-technischen Seite der Glasmalerei schreibt der Student Zemp nichts – dazu findet sich an unerwarteter Stelle in der Belletristik bei Emile Zola weitaus mehr : In seinem Monumentalwerk zur Familie Rougon-­ Maquart erscheint 1888 als Teil des 20-teiligen Romanzyklus im Band Der Traum, folgende Stelle :

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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3  Schulwandbild « Glasmalerwerkstätte » von Werner Schaad 1964.

« Das war tatsächlich eine Werkstatt, die Laune eines reichen jungen Mannes, der am Handwerk, an der Glasmalerei, Vergnügen fand. Er hatte die alten Verfahren aus dem dreizehnten Jahrhundert wiedergefunden, er konnte sich für einen jener ursprünglichen Glasmacher halten, die mit den armseligen Mitteln ihrer Zeit Meisterwerke hervorbrachten. Ihm genügte die alte, mit geschmolzener Kreide überzogene Tafel, auf der er mit Rot zeichnete und das Glas mit dem heissen Eisen zurechtschnitt, weil er dazu den Diamanten verschmähte. Gerade war die Muffel, ein kleiner, einer Zeichnung nachgebildeter Ofen, beschickt ; das Einbrennen für die Ausbesserung eines anderen Fensters der Kathedrale wurde dort beendet ; und in Kisten lagen da noch Gläser in allen Farben, die er wohl für sich anfertigen liess, blaue, gelbe, grüne, rote, fahle, jaspisartige, angerauchte, dunkle, perlmuttfarbene, leuchtende. [ … ] wie er sich nach dem Beispiel der alten Meister begnügte, bereits in der Glasmasse gefärbte Gläser zu verwenden, die er einfach mit Schwarz schattierte ; weshalb er sich an die kleinen scharf umrissenen Figuren hielt und deren Gesten und Gewandungen hervorhob ; uns seine Gedanken über die Kunst des Glasmachers, die im Niedergang begriffen war, seit man begonnen hatte, das Glas zu bemalen, es zu emaillieren, weil man so besser zeichnen konnte ; und seine abschliessende Meinung, dass ein Kirchenfenster einzig und allein ein durchsichtiges Mosaik sein dürfe, in dem die lebhaftesten Farbtöne in der harmonischsten Anordnung verteilt seien, ein ganzer köstlicher und strahlender Farbenstrauss. » ( Emile Zola, Der Traum, München 1977, S. 192–194 )

In dieser kurzen Stelle erscheinen knapp die alten Glasmalereitechniken – wie übrigens auch der in der Fachliteratur nicht wegzubringende Topos des « Niedergangs der Glasmalerei » ab dem 16. Jahrhundert. Tatsächlich haben sich die Einrichtung, die Werkzeuge und die Arbeitsabläufe in den Glasmalerwerkstätten, so wie sie der Schriftsteller Zola beschreibt, über die Jahrhunderte kaum verändert und sind doch nur Wenigen bekannt. Ein den älteren Generationen noch vertrautes Schulwandbild – quasi das Wikipedia des Vor-Internet-Zeitalters – vermittelt einen guten Einblick in ein Atelier. Der bekannte Schweizer Maler – und Glasmaler (  ! ) – Werner Schaad ( 1905 –1979 ) hat die Vorlage 1964 für den Schweizer Lehrerverein beigesteuert. Es hing als grossformatiger Druck wohl in hunderten von Schulzimmern.  Abbildung 3 https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

16 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Das Wandbild zeigt in einem lichtdurchfluteten Atelier in übersichtlicher Anordnung die verschiedenen Arbeitsschritte der Glasmalerei vom Entwurf über das Zuschneiden und Bemalen/Brennen des Glases bis zum Zusammenfügen der einzelnen Gläser zum grossen Fenster. Links im Bildvordergrund sieht man den auf der Werkbank montierten sogenannten Bleizug, mit dem die Bleiruten gezogen werden, in der Mitte im Vordergrund das Montagebrett mit dem Lötkolben, auf dem die Gläser in die Bleiruten gefasst werden und nicht zuletzt rechts im Vordergrund den sogenannten Muffelofen, in dem vor dem Zusammenfügen der einzelnen Gläser die jeweiligen Bemalungen eingebrannt werden. Nicht viel anders präsentierte 1878, fast hundert Jahre früher, Franz Xaver Zettler mit seiner Königlichen Bayerischen Glasmalerei-Hofanstalt in bester historistischer Manier eine Glasmalerwerkstatt : Auf dem Titelblatt seines « Programmes » – eigentlich eine Verkaufs- und Werbebroschüre – zeigt er in den unteren Feldern eine Gruppe Mönche, welche der Glasmalerei in einer komplett mit Montierbrett und Muffelofen eingerichteten Werkstatt nachgehen. Rechts davon ein Mönch, der auf einem wohl in einer Klosterkirche aufgestellten Baugerüst eine Scheibe in eine dekorative Rahmung einsetzt.  Abbildung 4 Abschliessend soll die denkmalpflegerische Beschäftigung mit der Glasmalerei kurz beleuchtet werden. Nachdem die sehr fragilen Werke der Glasmalerei die Jahrhunderte erstaunlicherweise recht gut überstanden hatten, war im 19. Jahrhundert der Umgang mit dem anspruchsvollen Kulturgut nicht immer gleich sorgfältig. Oft wurden umfangreiche mittelalterliche und frühneuzeitliche Bestände durch historistische Neuschöpfungen ersetzt und über den Kunsthandel in die halbe Welt verstreut oder gingen ganz verloren. Aber ebenso oft haben falsch verstandene Restaurierungen zu viel ersetzt, ergänzt und rekonstruiert. Heute haben wir einen anderen Wissensstand, und wir begegnen den Glasmalereien aller Jahrhunderte – auch denen des 20. Jahrhunderts – mit der gleichen Umsicht und Sorgfalt. Die Konservierung und Restaurierung dieser Bestände stellt die Denkmalpflege und Restaurierungsateliers vor neue Herausforderungen. So sind beispielsweise bei Schutzverglasungen von besonders kostbaren Glasmalereien bauphysikalische Probleme zu meistern. Oder es sind neue Fragestellungen zu beantworten bei der Restaurierung von « modernen » Glasmalereien, die nicht mehr wie in den vorangegangenen Jahrhunderten in Blei gefasst wurden, sondern beispielsweise in Beton. Schutz und Erhalt der Glasmalerei wird somit zur Generationenaufgabe und soll nach der bewährten Maxime vollzogen werden, die schon vor mehr als hundert Jahren kaum treffender hätte formuliert werden können : « Das Eigene des alten Meisters bleibe unter allen Umständen unangetastet ! » ( Fischer 1914, S. 296 )

4  Titelseitenausschnitt

« Programm der Königlich Bayerischen Hofglasmalerei-Anstalt F. X. Zettler München » 1878.

(   rechte Seite  )  « Turnfest »

von Gian Casty, Glasmalerei 1968   gestiftet von der Studentenverbindung Concordia in die Turnhalle der Kantons­ schule Frauenfeld, 2014 in den Ersatzneubau versetzt. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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Katrin Kaufmann

Revival und Stilpluralismus – Sakrale und profane Glasmalereien im Thurgau 1865 bis 1930 In den Bauten des Thurgaus ist ein reicher Schatz an Glasmalereien aus der Zeit des Historismus erhalten. 2016 bis 2021 wurde dieses Kulturgut durch das Vitrocentre Romont erfasst und erforscht. In diesem vielgestaltigen Bestand ­widerspiegeln sich die künstlerischen Entwicklungen der Epoche und die Fülle der je nach Auftraggeber und Bauaufgabe gewählten Themen und Motive.

Um 1800 löste das mit der Romantik verstärkte Interesse für Traditionen und Kulturen der Vergangenheit eine neue Blüte der Glasmalerei in Europa aus. Dies zeigt sich zum einen darin, dass etwa die Kunstform der Wappenscheibe wieder aufgenommen wurde ; zum anderen richtete sich der Blick vermehrt auf die mittelalterliche Kunst. Man begann, vorhandene Glasmalereien zu restaurieren und stellte Ende der 1820er-Jahre erstmals neue Glasmalereien für gotische Kathedralen her. Nicht zuletzt sollten auch zeitgenössische Gebäude im Stil der Neugotik mit passenden Glasmalereien ausgestattet werden. Im Rahmen dieses Revivals wurden zuerst in Frankreich und Deutschland die im Mittelalter entwickelten Technologien der Glasmalerei und Glasproduktion wiederbelebt und weiterverbreitet. Auch in der Schweiz kam es in der Folge zu einem Wiederaufblühen der kirchlichen Glasmalerei. Zwischen 1835 und 1865 wurden etwa in Genf, Zürich, St. Gallen und Basel mehrere prestigeträchtige Aufträge für sakrale Glasmalereien vergeben ( Kaufmann 2020, S. 53–54 ). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewann die Glasmalkunst auch im Thurgau an Bedeutung. Im Zuge einer regen Bautätigkeit wurden Kirchen zunehmend mit farbigen Fensterverglasungen ausgestattet, für deren Gestaltung dem Phänomen des Historismus entsprechend Stilrichtungen vergangener Jahrhunderte aufgegriffen wurden. Noch heute zeugen in über 50 Sakralbauten solche historistischen Glasmalereien von der neuen Wertschätzung dieser Kunstgattung. Sakrale Glasmalereien

(  linke Seite  )  Vogeldarstellungen,

Glasmalerei von Carl Roesch 1   910, Schulhaus Diessenhofen.

Die wahrscheinlich ältesten in einem Thurgauer Gebäude erhaltenen Glasmalereien aus dem 19. Jahrhundert befinden sich in der katholischen Pfarrkirche St. Pelagius in Bischofszell. Die bis 1968 paritätisch genutzte Kirche wurde in den Jahren 1864 bis 1867 neugotisch überformt und erhielt damals unter anderem eine neue Westfassade sowie neue spitzbogige Masswerkfenster in Schiff und Chor. Die Masswerkfüllungen der sieben Chorfenster stellte 1866 die bayerische Werkstatt Mittermaier her ( Knoepfli 1962, S.  163 ).  Abbildungen 5 und 6 Sie ähneln denen der Reformatorenfenster in der evangelischen Stadtkirche Ravensburg, die 1860 bis 1862 ebenfalls in der Werkstatt Mittermaier hergestellt wurden und zeichnen sich durch die Vielfalt der verwendeten Ornamente und https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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5 (  links  )  Katholische

( ehemals paritätische ) Pfarrkirche St. Pelagius in Bischofszell. Fotografie der neugotischen Westfassade von 1960, vor ihrer erneuten Umgestaltung ab 1968.

6 (  rechts  )  Katholische

Pfarrkirche St. Pelagius in Bischofszell. Masswerk­ füllungen aus der Werkstatt Mittermaier 1866.

Malfarben aus. Dadurch heben sie sich von späteren, oft schematisch ausgeführten neugotischen Glasmalereien des 19. Jahrhunderts ab. Verhältnismässig früh datieren auch die Bildscheiben in der katholischen Kirche St. Sebastian in Herdern.  Abbildungen 7 und 8 Sie wurden 1875/76 von dem bekannten, aus Nürnberg stammenden Glasmaler Johann Jakob Röttinger ( 1817–1877 ) geschaffen, der ab 1848 bis zu seinem Tod ein Atelier in Zürich betrieb. Die Scheiben wurden anlässlich der Umgestaltung des Chors und der Neuerrichtung des Kirchenschiffs eingesetzt ( Scheiwiller-Lorber 2014, S. 324 ). Die drei Rundfenster im Chor kosteten insgesamt 325 Franken und wurden vom damaligen Pfarrer Joseph Ignaz Kurz ( 1837–1891 ) und seiner Schwester Anna gestiftet ( vitrosearch.ch, TG_1314 ). Das mittlere Fenster zeigt das Auge Gottes in einem Dreieck, umgeben von einem Strahlenkranz in achtzackigem Stern, links dargestellt ist das Lamm Gottes auf dem Buch mit den sieben Siegeln und rechts der Heilige Geist, verkörpert durch eine Taube. Die Fenster im Kirchenschiff sind einfahttps://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

21 Revival und Stilpluralismus – Sakrale und profane Glasmalereien im Thurgau 1865 bis 1930

7 und 8  Katholische Kirche St. Sebastian in Herdern. Glasmalereien von Johann Jakob Röttinger 1875/76. Im Altaraufsatz vor dem Auge-­ Gottes-Fenster ist eine zweite Glasscheibe integriert, die das Licht bricht und dadurch die Illusion erzeugt, dass das Auge auf den Betrachter hinunterschaut.

cher gestaltet und nur mit kleinen Medaillons versehen. In diesen sind christliche Symbole wie das Herz-Mariens und die Dornenkrone abgebildet sowie verschiedene Buchstabenfolgen, die für Jesus, Maria und Josef stehen. Mit Schwarzlot bemalt und hauptsächlich in den Farben Blau, Rot und Gelb gehalten, zeichnen sich die Medaillons in Herdern durch kräftige Farbkontraste aus. Christliche Symbole in katholischen und evangelischen Kirchen Ähnliche Fenster mit der Darstellung von Symbolen der christlichen Lehre waren im dritten Viertel des 19. Jahrhunderts in katholischen Kirchen weitverbreitet – wohl nicht zuletzt, weil es sich um eine Variante der Fenstergestaltung handelte, die mit einem nicht allzu grossen finanziellen Aufwand verbunden war ( Scheiwiller-Lorber 2014, S. 168 –172 ). In evangelischen Kirchen wurden bildliche Glasmalereien nur sehr sparsam eingesetzt. Es finden sich aber auch hier Glasmalereien mit christlichen Symbolen wie etwa Kelchdarstellungen, die sowohl in evangelischen wie auch in katholischen Kirchen beliebt waren. Darstellungen des Herz-Jesu und des Herz-Mariens findet man als spezifischen Ausdruck römisch-katholischer Spiritualität hingegen nur in Kirchen dieser Konfession. Eher ungewöhnlich gestaltet sind einzelne Medaillons der Zierrahmenfenster in der evangelischen Kirche St. Andreas in Hüttlingen. Im Bogenfeld der rautenverglasten und mit einem Rahmen aus Blatt- und Blütenornamenten geschmückten Spitzbogenfenster sind zwar auch hier Symbole wie Kelch und Taufbecken oder etwa Kreuz, Herz und Anker dargestellt, die für die christlichen Tugenden stehen. Auf weiteren Medaillons werden aber auch Landschaften gezeigt, die mit Bibelsprüchen ergänzt sind, beispielsweise mit dem Vers aus Matthäus 22,37 : « Du sollst den Herrn deinen Gott lieben / von deinem ganzen Herzen ». Ein letztes Medaillon sticht besonders hervor : Auf ihm sind die Tellskapelle und die Inschrift « Für Gott und Vaterland » unter einem Schweizerkreuz abgebildet.  Abbildung 9 Dieses Fenster mit ungewohnt profaner Thematik https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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9 (  links  )  Evangelische

Kirche St. Andreas in Hüttlingen. Zierrahmenfenster von Karl Wehrli 1891/92 mit der für einen Kirchenraum ungewohnten Darstellung der 1879/80 am Vierwaldstättersee erbauten Tellskapelle.

10 (  rechts  )  Evangelische

Kirche in Wigoltingen. Zeittypisches neugotisches Zierrahmenfenster von Karl Wehrli, nach 1878.

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wurde wohl zum 600-Jahre-Jubiläum des Bundesbriefs von 1291 gestiftet. Den Akten im Kirchgemeindearchiv ist zu entnehmen, dass sämtliche Glasmalereien der Kirche zwischen 1891 und 1894 von Karl Andreas Wehrli ( 1843 –1902 ) aus Zürich geliefert wurden ( vitrosearch.ch, TG_1133 ). Wehrli hatte 1865 sein eigenes Atelier gegründet und war einer der ersten Konkurrenten Röttingers in Zürich. Nach Röttingers Tod übernahm er dessen Werkstatt, bis diese zehn Jahre später durch die inzwischen erwachsenen Söhne Röttingers weitergeführt werden konnte. Nebst den Medaillonfenstern waren auch Zierrahmenfenster beliebt, wie etwa die von Wehrli gestalteten und ab 1878 gelieferten Glasmalereien mit neugotischen Zierformen in der mittelalterlichen Kirche Wigoltingen.  Abbildung 10 Zierrahmenfenster waren ebenfalls verbreitet, weil sie verhältnismässig kostengünstig waren, zudem konnten die Bogenfelder je nach Bedarf reicher oder schlichter ausgeführt werden. Um dem Verdikt der Massenware zu entgehen und für Abwechselung im Kirchenraum zu sorgen, wurden oft mehrere Rahmenarten in verschiedenen Farbvarianten alternierend eingesetzt. Neugotische Bildfenster und Bildzyklen Die in Zürich etablierten Glasmaler dominierten lange den Markt in der deutschsprachigen Schweiz. Nebst Wehrli und Röttinger sowie dessen Nachfahren gehörte zu diesem Kreis auch Friedrich Berbig ( 1854 –1923 ). Zuerst Mitarbeiter in Röttingers Werkstatt machte er sich nach dessen Tod 1877 selbstständig. Der versierte Glasmaler lieferte zahlreiche Werke in den Thurgau und war mit den unterschiedlichen, historisierenden Stilen vertraut, die im 19. Jahrhundert aufkamen. 1887 konnte Berbig einen Auftrag umsetzen, der in Konzeption und Ausführung aufwendiger war als die bisher beschriebenen Glasmalereien. Für die mittelalterlichen Masswerkfenster im Chor der damals von beiden Konfessionen genutzten Kirche St. Mauritius in Sommeri gestaltete er zwei 4 Meter hohe Bildfenster. Der zuständige Dekan hatte als Bildinhalte die Verkündigung sowie die Heiligen Mauritius und Wendelin bestimmt, die Entwurfszeichnungen lieferte der Maler Joseph Balmer ( 1828–1918 ) aus Luzern ( vitrosearch.ch, TG_1060 und TG_1061 ). Das Fenster mit den beiden Heiligen zeigt links Mauritius in stahlblauer Rüstung mit Schild und Lanzenfahne, während Wendelin auf der rechten Seite als Hirte mit einem Schaf erscheint.  Abbildung 11 Die Figuren sind von einer architektonischen Rahmung im Stil der Gotik mit Fialen und Krabben und zwei kleinen Engeln in der Bekrönung umfasst. Nicht nur das Bildmotiv ist detailreich, Berbig verwendete auch unterschiedliche Glasarten und Maltechniken. Nebst einfarbigem Glas verarbeitete er, zum Beispiel für den Schild des Heiligen Mauritius, sogenanntes Überfangglas, das aus einer farblosen ( weissen ) und einer farbigen Glasschicht aufgebaut ist. Durch Herauskratzen oder -ätzen der gefärbten Schicht kann daraus ein zweifarbiges Glasstück erstellt werden, das nach Belieben zusätzlich bemalt werden kann. Als Malfarben benutzte Berbig die bereits im Mittelalter gängigen Farben Schwarzlot und Silbergelb sowie, beispielsweise für die blaue Partie der Engelsflügel, Schmelzfarben aus farbigem pulverisiertem Glas. Die Konturzeichnungen und Schattierungen trug er mit Pinseln auf. Um etwa das Damaststoff-imitierende Muster in Wenhttps://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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11 (  linke Seite, links  )  Katholische Kirche St. Mauritius in Sommeri. Im Kanton Thurgau eher frühes Figurenfenster mit einer Darstellung der beiden Heiligen Mauritius und Wendelin. Glasmalerei von Friedrich Berbig 1887 nach einem Entwurf von Joseph Balmer. 12 (  linke Seite, rechts  )  Katholische Marienkirche Maria Lourdes in Dussnang. Rechts die Geburt Mariens, links Maria als « Immaculata ». Typisch für die Darstellung als Unbefleckte ist Maria auf einer Mondsichel, eine Schlange zertretend gezeigt. Glasmalerei von Karl Wehrli 1890 –1895.

delins Oberkleid zu schaffen, verwendete er wieder eine andere Technik und trug Teile von Schwarzlotschichten mit Radierwerkzeugen ab. Das grosse Format der Fenster und der Aufwand schlugen sich im Preis nieder. Für die Ausführung, Lieferung und das Einsetzen der Bildfenster sowie zweier weiterer Ornamentfenster im Chor erhielt Berbig am 30. Januar 1888 ein Honorar von insgesamt 1855 Franken. Bis in das frühe 20. Jahrhundert wurden im Thurgau ausführliche Bildzyklen nur in katholischen Kirchen eingesetzt. Einen solchen schuf Wehrli für die neugotische Marien­ kirche Maria Lourdes in Dussnang, die 1889/90 unter der Leitung des Architekten August Hardegger ( 1858 –1927 ) in Anlehnung an die Rosenkranz-Basilika in Lourdes erbaut worden war. Die acht Chorfenster der Kirche sind hauptsächlich mit Szenen aus dem Marienleben geschmückt. Im nördlichen zweibahnigen Spitzbogenfenster mit schlichtem Masswerk ist rechts die Geburt Mariens und links Maria als Unbefleckte gezeigt.  Abbildung 12 Die gemalte architektonische Rahmung der Bildszenen – unten ein Sockel und oben ein gotischer Wimperg – sowie die daran anschliessenden Ornamente sind kleinteilig und flächig gestaltet und erinnern in ihrer Ästhetik entfernt an Beispiele gotischer Glasmalereien. Stilpluralität um 1900 und konfessionelle Unterschiede bei der Motivwahl Gegen Ende des 19. Jahrhunderts rückten nebst der Gotik weitere Stilepochen in den Fokus von Architekten und Künstlern. So wurde etwa die 1901/02 durch Albert Rimli ( 1871–1954 ) in Emmishofen ( heute Kreuzlingen ) erbaute neubarocke katholische Kirche St. Stephan auch mit stilistisch passenden Glasmalereien ausgestattet. Insgesamt elf Ateliers aus der deutschsprachigen Schweiz und Deutschland bewarben sich um den Auftrag, der schliesslich der 1895 von Carl Elmpt ( 1867–1939 ) und Paul Lütz ( 1866– 1941 ) in Konstanz gegründeten Firma übertragen wurde. Offenbar gefielen die Skizzen von Lütz & Elmpt am besten, weil hier Motive aus den Stuckaturen aufgenommen wurden, zudem fiel die Offerte preisgünstig aus ( Mathis 1994, S. 24 ). Möglicherweise s­ pielte auch eine Rolle, dass die Firma mit dem in Emmishofen ansässigen Elmpt lokal ver­ ankert war. Die Glasmalereien für die 16 Segmentbogenfenster der Kirche mit darüberliegenden Okuli wurden insgesamt sehr hell und hauptsächlich in farblosem Glas ausgeführt. Alle Fenster zeigen eine mit Schwarzlot und Silbergelb gemalte vegetabile Umrahmung, die sechs Fenster in Chor und Querhaus sind zudem mit monumentalen Darstellungen von Heiligen auf Podesten geschmückt.  Abbildung 13 Die Heilige Katharina ist zum Beispiel mit den typischen Attributen Krone, Buch und Rad gezeigt. Im reich gestalteten Sockel sind eine Kartusche mit Schwert und Palmzweig, der Namenszug der Heiligen und die Stifterinschrift untergebracht. Die Art der Fenstergestaltung entspricht dem neubarocken Baustil der Kirche. Durch die blankverglasten Partien und die in gelblichen Tönen transparent gehaltene Ornamentik bleibt der Innenraum dem Lichtempfinden der Barockzeit entsprechend hell. Im vorgängig zwischen der Kirchenbaukommission und den Glasmalern abgeschlossenen Vertrag wurden nicht nur der Liefertermin und der Gesamtpreis von 6308.45 Franken festgelegt, sondern auch technische und künstlerische Vorgaben im Detail definiert. In kleinen Zeichnungen am Blattrand https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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13 (  linke Seite, links  )  Katholische

Kirche St. Stephan in Kreuzlingen-­Emmishofen. Heilige Katharina, Glasmalerei von Lütz & Elmpt 1902. Die Gläubigen sassen ursprünglich wohl nach Geschlechtern getrennt im Kirchenschiff – auf der Nordseite sind weibliche, auf der Südseite männliche Heilige dargestellt. 14 (  linke Seite, rechts  )  Evangelische Kirche in Hugelshofen. Glasmalerei von Friedrich Berbig 1   900 im Stil des Neurokoko mit einem Brustbild Ulrich Zwinglis.

sind die geplante Form der eisernen Sprossenwerke und die zwei für die innere geometrische Verbleiung der Fenster vorgesehenen Muster skizziert. Die Figuren sollten nach dem Vorbild der Glasmalereien in der Basler St. Josephskirche oder der Kathedrale in St. Gallen gestaltet werden, die nur wenig früher in Berbigs Werkstatt entstanden waren ( vitrosearch.ch, TG_625 ). Wie die Glasmalereien in Emmishofen bezeugen, ist der Auftrag von Lütz & Elmpt im gewünschten Stil und in der entsprechenden Technik nach dem Basler Vorbild im Sinne einer stilgerechten Gesamtausstattung der Kirche ausgeführt worden ( siehe Nagel und von Roda 1998, S. 110 –116 und 343 –344 ). Dass die Glasmaler im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts in unterschiedlichsten Stilen arbeiteten, kann wiederum an einem Beispiel aus Berbigs Werk verdeutlicht werden. Für die Rundbogenfenster der evangelischen Kirche in Hugelshofen schuf er 1900 elf Ornamentfenster mit einer Rahmung aus Rocaillen, Blatt- und Blütenmotiven, auf die am ehesten die Stilbezeichnung Neurokoko zutrifft. Eines dieser Fenster ist zudem mit dem Brustbild des Reformators Zwingli in einer Kartusche versehen.  Abbildung 14 In evangelischen Kirchen im Thurgau waren Porträts der Reformatoren nebst den erwähnten christlichen Symbolen und einzelnen Schriftmedaillons bis um 1900 der einzige zusätzliche Schmuck von ansonsten nur mit Rahmenverzierungen gestalteten ­Glasmalereien. Offenbar blieb man hier in evangelischen Kreisen Bildwerken gegenüber weiterhin zurückhaltend, anders als etwa im Kanton Zürich, dessen reformierte Landkirchen auch mit Figurenfenstern ausgestattet wurden. Als Vorbild herangezogen wurden dort oft Röttingers frühe Darstellungen des lehrenden Christus und der Apostel Petrus und ­Paulus im Zürcher Grossmünster von 1853 ( Scheiwiller-Lorber 2014, S. 139–141 ). Eine Besonderheit im Thurgau sind bis heute die paritätischen Kirchen, die von beiden Konfessionen genutzt werden, und von denen um 1900 noch weit mehr existierten, nämlich etwa dreissig. Es ist davon auszugehen, dass die Vertreter beider Konfes­ sionen sich vor der Bestellung von Glasmalereien über deren Inhalt absprachen. Zwei Brustbilder von Jakobus und Johannes in Medaillons sind der einzige zusätzliche Schmuck der circa 1875 angeschafften Ornamentfenster in der paritätischen Kirche St. Peter und Paul in Uesslingen ( vitrosearch.ch, TG_920 und TG_921 ). Die zwei 1894 entstandenen Figurenfenster im Chor der paritätischen Kirche in Basadingen wurden zwar von den Katholiken bestellt, dass hier aber – wie im Zürcher Grossmünster – die Apostel Petrus und Paulus gezeigt sind, könnte auf eine Absprache mit der evangelischen Gemeinde hindeuten ( vitrosearch.ch, TG_1135 und TG_1136 ). Zwei Hinweise auf ­Kompromisse bezüglich der Glasmalereimotive sind beispielsweise für die bis 1967 paritätisch genutzte Kirche St. Dionysius in Diessenhofen überliefert. Hier wurde um 1895 ein Glasgemälde von Adolf Kreuzer ( 1843–1915 ) mit der Darstellung von Christus als gutem Hirten in der Rosette des Chorhaupts eingesetzt. Der aus dem Schwarzwald stammende Kreuzer war von Röttinger in Zürich ausgebildet worden und zeitweise in dessen wie auch in Wehrlis Werkstatt tätig, bevor er 1883 eine eigene Werkstatt in ­Zürich eröffnete. In der Diessenhofener Kirche sind heute die drei mittleren Felder des Christus-Fensters als hinterleuchtetes Fragment ausgestellt – 1968 war nämlich im Zuge eines Umbaus die Chorrosette zugemauert und das Glasgemälde von Kreuzer entfernt https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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worden ( vitrosearch.ch, TG_1140 ).  Abbildung 15 Die links und rechts beschnittene Glasmalerei zeigt die Ganzfigur Christi mit dem verlorenen Schaf auf den Schultern und dem Hirtenstock in der linken Hand. Die dazugehörige, in der Zentralbibliothek Solothurn aufbewahrte Entwurfszeichnung Kreuzers zeigt nicht nur die ursprüngliche Konzeption des Glasgemäldes als eine in einem Vierpass dargestellte Bildszene, sondern macht auch deutlich, dass diese in der Umsetzung eine Abänderung erfahren hat.  Abbildung 16 So wurde die ­Darstellung des Mantels angepasst, ebenso die Blickrichtung der Schafe. Am augen­ fälligsten ist jedoch, dass der im Entwurf vorhandene Heiligenschein im Glasgemälde fehlt. Die paritätische Nutzung der Kirche könnte hierfür ausschlaggebend gewesen sein. Als Symbol für das Heilige wurde der Nimbus mit der Heiligenverehrung in der katholischen Kirche in Verbindung gebracht, weshalb seine Darstellung von der evangelischen Gemeinde möglicherweise abgelehnt wurde. Nicht geklärt ist bisher, ob das Gemälde im Zusammenhang mit einem anderen Entwurf Kreuzers für ein Nikolaus-von-der-Flüehttps://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

15 und 16  Evangelische Kirche St. Dionysius in Diessenhofen. Fragment einer Glasmalerei von Adolf Kreuzer um 1895 sowie der zugehörige Entwurf Kreuzers.

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17 (  links  )  Evangelische Kirche in Mammern. Standbild Martin Luthers, Glasmalerei von Carl Roesch 1911. 18 (  rechts  )  Katholische

Kirche St. Blasius in Mammern. Glasmalerei von Lütz & Elmpt 1  913 mit der in Thurgauer Kirchen oft dargestellten Heiligen Idda von Toggenburg.

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30 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Fenster entstand, den die katholische Kirchenpflege der evangelischen Kirchenvorsteherschaft 1895 unterbreitete. Das für die Nordseite des Schiffs vorgesehene Glasgemälde wurde von der Kirchenvorsteherschaft nicht genehmigt, weil eine Ausführung der Zeichnung « hauptsächlich wegen der Embleme ‹ Rosenkranz und Heiligenschein › [ … ] bei manchen Mitgliedern unserer Confession scharfem Widerspruch begegnen würde », ­weshalb eine Bewilligung eventuell « die Annullierung durch die evang. Kirchgemeinde u. jedenfalls die Gefährdung, Störung des Friedens unter sich selbst zur Folge hätte » ( Katholisches Kirchgemeindearchiv Diessenhofen, B 13.4.05.09 ; Protokoll der katholischen Kirchenpflege vom 19. Januar 1896 ). Mit dem Vorschlag, das Fenster an einem den Katholiken vorbehaltenen Ort in der Kirche anzubringen, oder aber eine Darstellung aus dem Leben Christi zu wählen, die « beidseitig sicherlich erfreuen würde », zeigte die evangelische Kirchenvorsteherschaft jedoch ihre Bereitschaft zur Einigung. Gleichzeitigkeit von Neuem und Bewährtem In der Gemeinde Mammern wurden nach dem Brand der alten paritätischen Kirche und der Auflösung des paritätischen Verhältnisses fast zeitgleich eine katholische und eine evangelische Kirche erbaut. Ein kurzer Blick auf die beiden Gotteshäuser und ihre Glasmalereiausstattung macht deutlich, dass Architekten und Glasmaler nach der Wende zum 20. Jahrhundert an Bewährtem festhalten und gleichzeitig neue Wege beschreiten konnten. Reformbestrebungen in der Architektur hatten unterdessen den Heimatstil hervorgebracht, der auf regionale Bautraditionen Bezug nahm, während für die Glasmalerei mit dem Jugendstil in ästhetischer und technischer Hinsicht eine neue Ära angebrochen war ( vgl. Michel 1986 ). Die 1910/11 im Heimatstil errichtete Kirche der Evangelischen wurde mit Glasmalereien des jungen Thurgauer Künstlers Carl Roesch ( 1884 –1979 ) aus Diessenhofen ausgestattet ( siehe auch den Beitrag von Lucia Angela Cavegn, S. 161–165 ). Nebst mehreren zeittypischen Ornamentfenstern entwarf Roesch zwei Glasmalereien mit den Standbildern Martin Luthers und Ulrich Zwinglis, die sich insgesamt durch eine moderne Bildsprache auszeichnen, die vor allem in der Gestaltung der Talare und der farbenfrohen Rahmung augenscheinlich wird.  Abbildung 17 Die Katholiken ihrerseits liessen durch den Architekten Rimli bis 1913 eine neugotische Kirche erstellen, die mit einem Heiligenzyklus von Lütz & Elmpt ausgestattet wurde. Die Figuren sind auf Sockeln und Konsolen stehend gezeigt, und weil ein heller Innenraum ­gewünscht war, blieben die restlichen Partien der spitzbogigen Fenster blankverglast ( vitrosearch.ch, TG_944 ).  Abbildung 18 Zusammen mit dem rippenbesetzten und mit ­Malereien ausgestalteten Innenraum der Kirche sowie der Möblierung bilden die Glasmalereien ein stimmiges, noch ganz dem Historismus verpflichtetes Ensemble. Gänzlich losgelöst von der Bildwelt des 19. Jahrhunderts sind die Jugendstilverglasungen der evangelischen Kirche in Weinfelden, die 1902 bis 1904 durch Pfleghard & Haefeli in den Formen der Neuromanik und des frühen Jugendstils erbaut wurde. In diesem Gebäude kam den Glasmalereien – erstmals im Thurgau – auch in einer evangelischen Kirche eine prägende Rolle zu. So sind sie ein wichtiges Element der bis ins Detail durchkomponierten Ausstattung, die zusammen mit der Architektur eine Einheit https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

19 (  oben  )  Evangelische

Kirche in Weinfelden. Emporenfenster mit den Symbolen der Evangelisten Johannes und Matthäus, gefertigt aus neuartigem amerikanischen Opaleszentglas. Entwurf Friedrich Christian Schmidt, Ausführung Jakob Georg Röttinger 1903.

20 (  unten  )  Evangelische Kirche in Weinfelden. Friedrich Christian Schmidt entwarf auch die Ornamentfenster im Erdgeschoss der Kirche, ausgeführt wurden sie 1903 von Heinrich Huber Stutz.

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32 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

im Sinne eines Gesamtkunstwerks bilden sollten. Unter den eingereichten Skizzen hatten diejenigen des Dekorationsmalers Christian Jakob Schmidt ( 1862–1937 ) von Schmidt & Söhne in Zürich überzeugt, die Ausführung der Glasmalereien war aus Zeitgründen auf zwei Firmen aufgeteilt worden ( vitrosearch.ch, TG_366 ). Die zwei grossen halbkreisförmigen Emporenfenster der West- und Südfassade zeigen ein Ornament mit grünen Blättern und weissen Blüten sowie je zwei Evangelistensymbole.  Abbildung 19 Umgesetzt wurden sie von der Glasmalereifirma Jakob Georg Röttingers ( 1862–1913 ) in Zürich. Georg hatte 1887 zusammen mit seinem Bruder Heinrich ( 1866–1948 ) das väterliche Geschäft übernommen, in dem er während der zwischenzeitlichen Leitung unter Wehrli ausgebildet worden war ( zu Georg Röttinger siehe Zangger Hausherr 2016 ). Die Fenster im Erdgeschoss der Kirche wurden in der 1887 gegründeten Mousseline- und Dessinglas­fabrik von Heinrich Huber-Stutz ( † 1908 ) ebenfalls in Zürich ausgeführt und weisen in den Bogenfeldern für den Jugendstil typische, stilisierte Pflanzenmuster auf.  Abbildung 20 Der umfassendste Glasmalereizyklus im Thurgau befindet sich in der katholischen Kirche in Romanshorn, die in den Jahren 1911 bis 1913 durch den Architekten Adolf https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

21 (  links  )  Katholische Kirche in Romanshorn. Das zentrale Fenster im Chor zeigt den ­ auferstandenen Christus. Glas­malerei aus der Königlichen Bayerischen Hofglasmalerei München 1912 nach einem Entwurf von Fritz Kunz. 22 (  rechts  )  Katholische

Kirche in Romanshorn. Glasgemälde der Heiligen Idda und zugehörige Entwurfszeichnung von ­ Fritz Kunz 1912. Die im Kirchgemeindearchiv erhaltenen historischen Fotografien der Entwürfe zeigen, wie getreu der Charakter der Zeichnungen in Glas übertragen wurde.

33 Revival und Stilpluralismus – Sakrale und profane Glasmalereien im Thurgau 1865 bis 1930

23  Katholische Kirche in Romanshorn. Das südliche Rundfenster vergegenwärtigt den aus der Asche steigenden Phoenix als Symbol für die Auferstehung Christi. Glasmalerei aus der Königlichen Bayerischen Hofglasmalerei München nach einem Entwurf 1912   von Fritz Kunz.

Gaudy ( 1872 –1956 ) in neuromanischem Stil errichtet wurde. Für die Ausführung der Glasmalereien berücksichtigte man für einmal weder eine der zahlreichen Zürcher Firmen noch ein anderes Schweizer Atelier, sondern betraute die Königlich Bayerische Hofglasmalerei Franz Xaver Zettlers ( 1841–1916 ) in München mit dem Auftrag ( siehe Vaassen 2013 ). Die Entwürfe lieferte der damals in München lebende Innerschweizer Künstler Fritz Kunz ( 1868 –1947 ), der auch die figurale Bemalung der Chorwände übernahm. Die insgesamt 34 Glasgemälde zeigen unterschiedliche Motive : Die Fenster im Chor sind der Heiligen Familie sowie der Auferstehung Christi und der Heiligen Kommunion gewidmet, die durch das Lamm Gottes mit der Siegesfahne und vier kelchtragende Engel verkörpert werden.  Abbildung 21 Auf den Fenstern der Langhauswände sind im Norden sechs weibliche und im Süden sechs männliche Heilige mit ihren Attributen gezeigt, auf den Obergadenfenstern des Langhauses die sieben Sakramente und die ­Arche Noah.  Abbildung 22 Die drei grossen, ornamentgeschmückten Rundfenster im Westen, Norden und Süden der Kirche tragen im Zentrum die Christussymbole Pelikan und Phoenix sowie einen Engel.  Abbildung 23 Die Fenster der Taufkapelle sind mit Motiven zum Paradies und zur Taufe Christi geschmückt. Die Glasmalereien sind – passend zum https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

34 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

24 und 25  Das

Glasgemälde « Christus am Ölberg » in der evangelischen Kirche Altnau wurde 1921 in der Werkstatt Heinrich Röttingers nach derselben Vorlage geschaffen wie Friedrich Berbigs Darstellung derselben Szene in der evangelischen Kirche in Erlen von 1911/12.

Baustil der Kirche – von der Ornamentik des Jugendstils ebenso geprägt wie von der Farben- und Formenmystik der Beuroner Kunstschule ( Ducret 1999, S. 214 ). Diese hatte sich im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts in Süddeutschland für eine Erneuerung der katholisch-kirchlichen Kunst eingesetzt, wobei sie sich unter anderem an altchristlichen und byzantinischen Werken orientierte. Die Glasmalereien in Romans­ horn sind ein herausragendes Beispiel für die vielgestaltigen stilistischen Tendenzen, die im frühen 20. Jahrhundert neu aufkommen und teilweise gleichzeitig in Erscheinung treten. Wenn auch seit der Jahrhundertwende von verschiedener Seite nicht ohne Erfolg eine Abkehr von veralteten Formen und dem süsslich-malerischen Ausdruck des 19. Jahrhunderts eingefordert wurde ( siehe zum Beispiel Fischer 1913 ), blieb die Herstellung von historistisch gestalteten Glasmalereien noch bis in die 1920er-Jahre wichtig. Zu ihnen zählen etwa die Glasgemälde mit Szenen aus dem Leben Christi in der evangelischen Kirche Altnau aus der Werkstatt Röttinger.  Abbildung 24 Die Bildszenen waren ursprünglich von einer mit Ornamenten geschmückten Fensterverglasung umfasst, die 1957 durch eine Blankverglasung ersetzt wurde ( Abegg/Erni 2018, S. 55 ). Die Darstellung des betenden Christus, der die Jünger am Ölberg zurückgelassen hat, wurde nach dem Gemälde « Christus in Gethsemane » ( 1890 ) des einflussreichen deutschen Malers Heinrich Ferdinand Hofmann ( 1824 –1911 ) geschaffen ( vitrosearch.ch, TG_2341 ). Das in Stahlstichen und Fotografien vielfach reproduzierte Werk diente in mehreren Werkstätten als Vorlage und dürfte auch von Berbig für die etwas frühere und stärker abgewandelte Ölbergszene in der evangelischen Kirche in Erlen herangezogen worden https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

35 Revival und Stilpluralismus – Sakrale und profane Glasmalereien im Thurgau 1865 bis 1930

26 und 27  Die

geforderte Erneuerung der kirchlichen Kunst nimmt Gestalt an : Christusdarstellungen in moderner Bildsprache von Carl Roesch in der evangelischen Kirche Amriswil 1923 und von Albin Schweri in der evangelischen Kirche Arbon 1925. Schweris Werk wurde durch Oskar Berbig ( 1884 –1930 ) umgesetzt, der 1  916 die Werkstatt seines Vaters Friedrich Berbig übernommen hatte. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

36 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

sein.  Abbildung 25 Die Verwendung gleicher Vorlagensammlungen und der Wunsch von Auftraggebern, nach bestimmten bereits existierenden Glasmalereien zu arbeiten, hatte zur Folge, dass in unterschiedlichen Werkstätten teils sehr ähnliche Werke entstanden. Es war mitunter dieser Umstand, welcher der kommerziellen Glasmalereiproduktion im 20. Jahrhundert den Ruf der wertlosen Massenware, Imitation und Kopie einbrachte. In den 1920er-Jahren brachte die von Künstlern, Architekten und Intellektuellen geforderte Erneuerung der Kirchenkunst der Gattung neuen Aufschwung. Die zwölf monumentalen Glasmalereien nach Entwürfen Roeschs, die 1923 anlässlich eines Innenumbaus in der evangelischen Kirche Amriswil eingesetzt wurden, sind Ausdruck einer neuen Freiheit in der künstlerischen Gestaltung und Umsetzung theologischer Inhalte. Die meisten der in die neugotischen dreilanzettigen Masswerkrahmen eingesetzten Fenster sind mit Bildszenen geschmückt, acht davon zeigen Szenen aus dem Leben Christi, darunter die Darstellung der Kreuzigung.  Abbildung 26 Im klar begrenzten zentralen Bildfeld sind in expressiver Art der mit weit geöffneten Augen am Kreuz hängende Jesus sowie Maria, Magdalena, Johannes und der Soldat, der Jesus den Essigschwamm reichte, gezeigt. Der Querbalken des Kreuzes übergreift die drei Lanzetten und fasst das Bild zu einer Einheit zusammen. Die übrigen Fensterflächen sind mit kleinteiligen geometrischen Mustern geschmückt. In Form- und Bildsprache modern, erinnert die Glasmalerei gleichzeitig auch an mittelalterliche monumentale Beispiele, die mosaikartig aus einzelnen, vorwiegend farbigen Glasstücken zusammengesetzt und nur mit Schwarzlot bemalt wurden. Vergleicht man Roeschs Fenster in Amriswil mit den Röttinger-Fenstern in Altnau, erstaunt es auf den ersten Blick, dass sie fast gleichzeitig entstanden sind. Es sind aber gerade diese Widersprüche und diese Vielseitigkeit, die die Glasmalerei des ersten Viertels des 20. Jahrhunderts auszeichnen. Eine andere originelle und eindrückliche Christusdarstellung entwarf 1925 der Berner Maler und Glasmaler Albin Schweri ( 1885 –1946 ) für die evangelische Kirche Arbon, die 1920 bis 1924 durch Klauser & Streit im neuklassizistischen Stil errichtet wurde.  Abbildung 27 Das Rundbogenfenster der Chorempore zeigt Christus, umrahmt von einer Ornamentbordüre, wie er mit erhobenen Händen auf einer von roten Wolken umgebenen Erdkugel steht. Durch die satt leuchtenden Farben der Glasstücke und den dunkel­ blauen Hintergrund entwickelt die Figur bei richtigem Lichteinfall eine beeindruckende Strahlkraft. Mit solch unterschiedlichen Darstellungen von Christus und Szenen aus seinem Leben fanden figürliche Bildzyklen um 1920 also auch Eingang in die evangelischen Kirchen des Thurgaus. In ihnen spielte die Glasmalerei nun eine gleichwertige, wenn nicht sogar bald wichtigere Rolle als in katholischen Kirchen. Verluste historistischer Glasmalereien im 20. Jahrhundert Längst nicht alle sakralen Glasmalereien des Historismus im Thurgau sind uns heute noch bekannt. Als Folge der schwindenden Wertschätzung für die Glasmalereien des 19. und frühen 20. Jahrhunderts mussten viele von ihnen ab den 1920er-Jahren Neuverglasungen weichen. Ihrer Aufgabe verlustig gegangen, aber immerhin vor Ort in der Fensterlaibung erhalten geblieben, sind die beiden Figurenfenster Wehrlis von 1887 https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

37 Revival und Stilpluralismus – Sakrale und profane Glasmalereien im Thurgau 1865 bis 1930

28  Ehemalige Kloster­kirche Tänikon. Von innen zugemauertes Chorfenster mit einer Glasmalerei von Karl Wehrli  1887.

im Chor der ehemaligen Klosterkirche Tänikon.  Abbildung 28 1930 wurden die Fensteröffnungen, in denen Christus auf sein brennendes Herz und Maria auf ihr mit Rosen umwundenes Herz zeigt, von innen vermauert ( Zehnder 1992, S. 83, Anm. 139 ). Ein prominentes Beispiel für die gänzliche Entfernung historistischer Glasmalereien ist der umfangreiche Scheibenzyklus der 1906 geweihten, durch den jungen Rimli erbauten neubarocken katholischen Stadtkirche St. Nikolaus in Frauenfeld.  Abbildung 29 Die beabsichtigte Ausstattung der Kirche mit bemalten Fenstern hatte damals Anlass zu Diskussionen gegeben. Erst nachdem der in ähnlichen Fragen im Thurgau oft herangezogene Kunsthistoriker Pater Albert Kuhn ( 1839 –1929 ) aus Einsiedeln sich in einem Gutachten dazu geäussert hatte, wurde die Bestellung ausgelöst ( Hux 2004, S. 140 –141 ). Beide Chorfenster erhielten Glasmalereien mit Bibelszenen, die zwölf Schifffenster hauptsächlich Heiligendarstellungen und die kleineren Obergadenfenster ornamentale Verglasungen mit christlichen Symbolen. Der damalige Frauenfelder Pfarrer Lötscher erwähnte mehrfach die ausgewogene und festliche Lichtstimmung in der neuen Kirche, zu der die Glasmalereien entscheidend beitrugen ( siehe Die neubarocke Stadtkirche St. Nikolaus 2014, S. 72 und 77 ). Sechzig Jahre später wurde im Zuge einer geplanten Renovation und Restaurierung der Kirche ( 1967–1969 ) diese positive Einschätzung revidiert. Der damals zuständige erste Denkmalpfleger des Kantons, Albert Knoepfli ( 1909 – 2002 ), fand keine lobenden Worte für die Glasgemälde : « Wenn sie, wie in der St. Nikolauskirche, so unangenehm farbig herausplatzen und das von ­ungleich leiseren Licht- und Schatten-Nuancen lebende Spiel der übrigen Formen, hauptsächlich der Stuckaturen, übertönen, dann werden sie als asoziale Glieder der neubarock-jugend-stil­artigen Formengemeinschaft zum grossen Problem. Natürlich kann man diese ihre ‹ asoziale › Stellung als Merkmal des Ganzen positiv werten. Wenn

29  Katholische Stadt­kirche St. Nikolaus in Frauenfeld. Postkartenansicht des Innenraums von 1909. Die Glasmalereien im Chor zeigen rechts eine Szene aus dem Alten und links eine Szene aus dem Neuen Testament. Sie bilden ein Ensemble mit den Gemälden im Hauptaltar.

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30  Katholische Stadtkirche St. Nikolaus in Frauenfeld. In Farbe die erhaltenen Fragmente des mehrteiligen Fensters über dem nördlichen Seitenportal. Gezeigt sind der über der Stadt schwebende Kirchenpatron, der Heilige Laurentius und der Erzengel Michael. Glasmalerei von Friedrich Berbig 1906.

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dann aber noch ihre katastrophale Unterqualität sich dazugesellt, dann kommt man doch zum Schluss, dass sie ausgeglast und durch helle Bienenwaben ersetzt werden sollten » ( Katholisches Pfarr­archiv Frauenfeld, III Bh 4, 10 ; Gutachten von Knoepfli zur Renovation und Restaurierung der St. Nikolauskirche Frauenfeld vom 18. September 1964 ). Obwohl sich ­Knoepfli in seinem Gutachten dafür aussprach, das historistische Bauwerk « aus seiner Zeit heraus zu verstehen und es als Kind seiner Zeit anzuerkennen », lehnte er es offenbar ab, diese Meinung auch für die Glasmalereien gelten zu lassen. Sämtliche von Berbig sowie vom Freiburger Atelier Kirsch und Fleckner nach Entwürfen von Augustin Müller hergestellten Scheiben wurden 1968 durch eine Blankverglasung ersetzt. Die Glasmalereien von St. Nikolaus wurden zwar nicht entsorgt, sondern im Estrich eingelagert, sie sind heute aber in einem schlechten Zustand : Nur wenige Felder sind ganz erhalten, die meisten sind beschädigt, viele fehlen. Aufgrund der Dokumentationsaufnahmen der Fragmente sowie historischer Fotografien liess sich der Zyklus, von dem noch circa 25 Prozent vorhanden sind, teilweise rekonstruieren.  Abbildungen 30 und 31 Da im 20. Jahrhundert nicht nur die Glasmalerei des Historismus, sondern auch die künstlerische Qualität der Epoche an sich in Zweifel gezogen wurde, war es in noch älteren Gebäuden oft der Rückbau historistischer Zeitschichten, der zum Verlust von Glasmalereien führte. Profane Glasmalereien 31  Katholische

Stadtkirche St. Nikolaus in Frauenfeld. Fragmente des ehemaligen Chorfensters mit der Darstellung von Moses, der Wasser aus dem Felsen schlägt. In den 1960er-Jahren wurde die Glasmalerei Friedrich Berbigs von 1906 ausgebaut und eingelagert.

Ein kleinerer Teil des Thurgauer Glasmalereibestands befindet sich in profanen Gebäuden und in Privathäusern. Bereits über 130 Jahre alt sind die drei grossformatigen Glasmalereien Berbigs im Erdgeschoss des grossen Bürgersaals im Rathaus Frauenfeld. Die Wahl des Motivs für das mittlere Fenster hatte Anlass zu Auseinandersetzungen gegeben. Berbig sah ursprünglich eine Wappenpyramide mit dem Stadt- und Kantonswappen, überhöht mit einem eidgenössischen Kreuz, vor. Der Verwaltungsrat der Bürgergemeinde Frauenfeld wollte anstelle des eidgenössischen Wappens einen Helm mit Federbusch setzen. Dies veranlasste Berbig dazu, Johann Rudolf Rahn ( 1841–1912 ), Professor für Kunstgeschichte am Polytechnikum Zürich, beizuziehen. Dieser empfahl, hinter dem eidgenössischen Wappen den Knaben des Tell mit dem vom Pfeil durchbohrten Apfel anzubringen ( vitrosearch.ch, TG_2105 ; Gysel 2020 ). Obwohl Rahns Empfehlung mit grösstem Dank für gut befunden wurde, entschied man schliesslich zugunsten einer anderen Ausführung.  Abbildung 32 Die Glasmalerei zeigt, in Trachten des 16. Jahrhunderts vor blanken Butzen stehend, einen Bannerträger mit der Schweizerfahne und einen Hellebardier als sogenannte Schildhalter der Wappen des Thurgaus und der Stadt Frauenfeld. Hinter den Figuren erhebt sich eine majestätische Rahmen­architektur, in deren Gebälk die Allegorien für den Ackerbau und die Industrie als Frauen­figuren dargestellt sind. Berbig folgte in dieser Darstellung einem Typus von Wappenscheiben, der im 16. und 17. Jahrhundert weitverbreitet war. Sehr ähnlich komponiert ist etwa die Freiburger Standesscheibe von Josias Murer aus dem Jahr 1608 ( vitrosearch.ch, FR_226 ). Die beiden Fenster links und rechts des oben beschriebenen Fensters zeigen in einer Rahhttps://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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mung, die das blankverglaste Mittelfeld umschliesst, weitere in Medaillons gefasste Kantonswappen.  Abbildung 33 Auch Kreuzer schuf mehrere Entwürfe für die Fenster des Bürgersaals, die aber nicht zur Ausführung gelangten. Eine seiner Zeichnungen ist ähnlich aufgebaut wie Berbigs Fenster, die Kantonswappen sind aber nicht in der Rahmung, sondern im zentralen Bildfeld an einem Baum befestigt.  Abbildung 34 Um 1900 wurden im Thurgau auch verschiedene bürgerliche Villen mit Glasmalereien ausgestattet, die Auftraggeber waren dabei in der Themenwahl völlig frei. Im Erker eines 1898 in Weinfelden errichteten Wohnhauses ist auf zwei Glasgemälden Berbigs eine romantische Szene aus dem 1853 von Joseph Victor von Scheffel verfassten Vers­ epos Der Trompeter von Säckingen dargestellt ( Michel 1986, S. 57 ). Der Bürgersohn Werner steht am Rhein und spielt der adeligen Margaretha das Ständchen Behüt Dich Gott zum Abschied, nachdem deren Vater einer Heirat der beiden Liebenden nicht ­zugestimmt hat.  Abbildung 35 Margaretha steht ihrerseits den Klängen lauschend auf dem Balkon des Schlosses über dem Rhein. Wie im Rathaus Frauenfeld sind beide Gemälde von einer sonst für Wappenscheiben üblichen architektonischen Rahmung gefasst. Die profane Glasmalerei erlebte insbesondere mit dem Jugendstil einen Aufschwung. In einer Frauenfelder Villa ist ein einzigartiges Glasgemälde Berbigs erhalten, das zu den wichtigsten Jugendstilverglasungen der Schweiz gezählt werden kann.  Abbildung 36 Das breit gelagerte Verandenfenster zeigt in einem annähernd symmetrisch aufgebauten Bild drei tanzende Japanerinnen mit traditionellen Kimonos und Frisuren vor einer ovalen Fensteröffnung. Hier ist ein klarer Bezug zum Lebenslauf des Auftraggebers Arnold https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

32 (  links  )  Rathaus

Frauenfeld, Bürgersaal. Der Stadt Frauenfeld gewidmete Glasmalerei von Friedrich Berbig 1888. Am Scheibenfuss halten zwei Putti die Kartusche mit der Inschrift. 33 (  Mitte  )  Rathaus

Frauenfeld, Bürgersaal. Kantonswappenfenster von Friedrich Berbig 1  888. Im unteren Scheibendrittel ist eine Kartusche mit einer historischen Abbildung der Stadt Frauenfeld nach der Vorlage der Chronik von Johannes Stumpf aus dem Jahr 1548 angebracht. 34 (  rechts  )  Nicht durchsetzen konnte sich Adolf Kreuzer mit seinem Entwurf um 1888 für ein Kantonswappenfenster im Rathaus Frauenfeld.

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35  Weinfelden, Erkerver­ glasung eines Wohnhauses. Nicht mit Minnesang, sondern Trompetenspiel wendet sich ein Mann an die von ihm angebetete Frau. Glasmalereien von Friedrich Berbig circa 1898.

Dumelin ( 1844 –1905 ) gegeben. Der Frauenfelder Dumelin lebte ab 1866 in Yokohama, wo er als Kaufmann und später als Konsul für die Schweiz tätig war, bevor er Ende des 19. Jahrhunderts wieder an seinen Geburtsort zurückkehrte. Typische Werke des Jugendstils sind auch die drei in einer anderen Frauenfelder Villa erhaltenen Glasmalereien, die im unteren Bereich Mohnblumen, Schwertlilien und Seerosen zeigen.  Abbildung 37 Zum Schluss lohnt sich ein kurzer Blick in das 1910/11 von den Architekten Brenner & Stutz erbaute Schulhaus Diessenhofen. Auf allen Etagen sind hier in den Bereichen vor den Schulzimmern kleinformatige Glasmalereien in die ansonsten blankverglasten Sprossenfenster eingelassen. Im Erdgeschoss fallen zwei Glasscheiben mit Vogeldarstellungen auf.  Abbildung 38 Die Bilder des ortsansässigen Künstlers Carl Roesch bestechen durch die elegante Zeichnung und die Fülle der verwendeten Malfarben. Ebenso charmant sind die unterschiedlich gestalteten neun Märchenfenster Roeschs im ersten Obergeschoss, in denen das zeichnerische, erzählerische Moment betont ist.  Abbildung 39 Die für die Diessenhofer Schülerinnen und Schüler geschaffenen Glasgemälde sind ein wenig bekanntes Bijou der Thurgauer Glasmalerei. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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36 (  oben  )  Erinnert

an ein Leben in Japan : Das Verandenfenster im Haus Meyashiki in ­Frauenfeld. Glasmalerei von Friedrich Berbig 1903.

37 (  unten  )  Seerosenfenster in der Villa Arâm Mahal in Frauenfeld. Glasmalerei wohl von Friedrich Berbig 1907. 38 (  rechte Seite  )  Schulhaus

Diessen­hofen, Glasmalerei « Märchen erzählen » von Carl Roesch 1910.

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39a und b  Schulhaus Diessen­ hofen. Glasgemälde mit kunstvollen Vogeldarstellungen von Carl Roesch 1910.

Wertschätzung eines lange vernachlässigten Kulturguts

Die Forschung zur Glasmalerei des Historismus in der Schweiz hat in der Schweiz erst spät eingesetzt ( siehe Kaufmann 2020, S. 60 – 62 ). Die erste Pionierarbeit zum Thema, eine umfassende Monografie zur historistischen Glasmalerei in Basel, erschien erst 1998 ( siehe Nagel/von Roda 1998 ). Seit der Jahrtausendwende wurde die Glasmalerei des Historismus insbesondere am Vitrocentre Romont im Rahmen von Projekten zur Glasmalerei im Kanton Genf und zur Glasmalereiwerkstatt Röttinger in Zürich erforscht ( siehe Lapaire et al. 2008 ; Scheiwiller-Lorber 2014 ; Zangger Hausherr 2016 ). Das nun für den Kanton Thurgau vorliegende, auf ausführlichen Archivrecherchen basierende Inventar ist bisher das umfangreichste seiner Art. Im gesamtschweizerischen Kontext sind vertiefte Informationen bisher nur punktuell vorhanden, was eine Einordnung des Thurgauer Bestands historistischer Glasmalereien erschwert. Dennoch lassen sich einige generelle Aussagen machen. Die frühen, wegweisenden Werke des 19. Jahrhunderts, welche der sakralen Glasmalerei hierzulande zu neuer Blüte verhalfen, sind in anderen Kantonen zu finden. Nichtdestotrotz sind im Kanton Thurgau die wichtigsten Glasmaler der Zeit mit Werken in unterschiedlichsten Stilen vertreten. Anhand des reichen Bestands lassen sich nicht nur die konfessionell verschiedenen Bildtraditionen aufzeigen, sondern auch die künstlerischen Entwicklungen der Zeit. Grundlegend für die Glasmalerei des 19. Jahrhunderts waren Transfers von Wissen, von Techniken, aber auch ästhetischer Formfindungen. Die Wege eines entscheidenden Kulturtransfers führten teilweise wohl auch über den unweit von Zürich und in der Grenzregion am Bodensee gelegenen Thurgau. Es waren nämlich die Werkstätten in München und die aus dem heutigen Süddeutschland stammenden Künstler, welche die Glasmalerei in der https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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Deutschschweiz prägten. Wie beispielsweise Röttinger liessen sich verschiedene Meister in Zürich nieder, wo sich das Gewerbe schliesslich erfolgreich etablierte. In den Werkstätten wurden nicht nur Glasmalereien produziert, auch die Weitervermittlung von Wissen und Know-how zur Glasmalkunst war für die Entwicklung dieses Kunsthandwerks wertvoll. Das Thurgauer Inventar soll dazu beitragen, die Glasmalereien des Historismus als Zeugen ihrer Zeit und als integraler Teil von Kirchenausstattungen weiter bekannt zu machen. Die bessere Kenntnis über diese lange vernachlässigte Epoche erlaubt es auch, dem vielseitigen Bestand die nötige Wertschätzung entgegenzubringen. Im Zuge von Restaurierungen und Umbauten gilt es, Glasmalereien im Gesamtkontext des jeweiligen Gebäudes und seiner Zeitschichten sorgfältig zu prüfen und sie in ihrem künstlerischen und zeitgeschichtlichen Wert anzuerkennen.

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Sarah Keller

Ex situ – Die Sammlung Vincent und ihre Glasgemälde aus dem Thurgau Der Konstanzer Seidenhändler Johann Nikolaus Vincent ( 1785–1865 ) war für seine riesige Sammlung schweizerischer Glasgemälde auch im Thurgau unterwegs : Der anlässlich der Versteigerung der Sammlung im Jahr 1891 verfasste Katalog verzeichnet über hundert Scheiben thurgauischer Herkunft. Mit den heute in ­verschiedenen Museen bewahrten Glasmalereien aus der Kirche von Aadorf ( 1517 ) und dem Kloster Tänikon ( 16.–17. Jahrhundert ) gehören zwei in ihrer historischen Bedeutung herausragende Scheibengruppen dazu.

40  Der Seidenhändler Johann Nikolaus Vincent ( 1785 –1865 ) besass die grösste Sammlung thurgauischer Glasgemälde.

(  linke Seite  )  Krönung

Mariä, Doppelscheibe der Landvogtei Thurgau 1517 (Ausschnitt), Schweizerisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. Dep. 5.

Jede Kirche und jedes Rathaus, jedes Schützenhaus und jedes Gerichtshaus hatte einst einen farbigen Fensterschmuck in Form von Wappenscheiben. Schon seit dem späten 15. Jahrhundert schenkten sich Stände und Städte, Klerus, Zünfte und Räte, aber auch Bürgerinnen und Bürger untereinander Fenster und Wappenscheiben für ihre neu errichteten oder umgebauten Gebäude. Die meisten dieser hunderten einst in Thurgauer Bauwerken befindlichen Glasgemälde gingen im Laufe der Jahrhunderte verloren. Umso bedeutsamer sind die knapp 350 in Thurgauer Gebäuden und Sammlungen erhaltenen Scheiben aus der Zeit des 16. bis 18. Jahrhunderts. In einem mehrjährigen, vom Thurgauer Lotteriefonds unterstützten Projekt untersuchte ein Team des Vitrocentre Romont diese Objekte im Hinblick auf Technik, Zustand und bildlichen Gehalt und ordnete sie  – soweit möglich – in ihrem ( kunst )historischen Umfeld ein. Seit 2020 sind sie auf ­vitrosearch.ch publiziert. Im Folgenden wird anhand der grössten ehemaligen Sammlung thurgauischer Glasgemälde, derjenigen des Konstanzer Kaufmanns Johann Nikolaus Vincent, die Provenienzgeschichte dieser einst baugebundenen Werke exemplarisch beleuchtet.  Abbildung 40 Im Fokus stehen dabei zwei Bauwerke : die Kirche St. Alexander in Aadorf und das Zisterzienserinnenkloster Tänikon. Zum 1517 gestifteten Zyklus aus Aadorf gehört die aussergewöhnliche Doppelscheibe der « Gemein Lantvogtÿ zuo frowenfeld ». Tänikon nimmt mit über 70 dokumentierten Glasgemälden ( rund 40 davon erhalten ) nicht nur im thurgauischen, sondern auch im gesamtschweizerischen Vergleich eine herausragende Stellung ein. Aus dem Kloster erwarb Vincent 1832 mehr als 50 Scheiben, aus Aadorf 1846 mindestens fünf Glasgemälde. Die nach Auflösung der Sammlung auf acht respektive drei Institutionen verteilten erhaltenen Tänikoner und Aadorfer Scheiben konnten erst im Laufe der Zeit durch die kunsthistorische Forschung wieder identifiziert werden. Heute lässt sich in groben Zügen eine Rekonstruktion dieser bedeutenden Verglasungen aus dem 16. und 17. Jahrhundert bewerkstelligen.

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48 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Die Sammlung Vincent

Ende des 18. Jahrhunderts begannen vereinzelte Kunstliebhaber die weitverbreiteten kleinformatigen Glasgemälde – die sogenannten Schweizer Scheiben – zu sammeln. Deren Besitzer verkauften sie oft gern, denn in dieser Zeit wurde helles Tageslicht in den Kirchen und Wohnhäusern bevorzugt. Zudem war die Glasmalerei aus der Mode geraten. Zu den ältesten Sammlungen gehörten jene des Fürsten Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau ( 1740 –1817 ), des Berner Schultheissen Niklaus Friedrich von Mülinen ( 1760–1833 ), des Dichters Johann Martin Usteri ( 1763 –1827 ) oder jene des englischen Adligen Charles Winn ( 1795–1874 ). Sie kauften hunderte der bunten Scheiben und setzten sie in die Fenster ihrer Besitzungen ein, etwa in das Gotische Haus zu Wörlitz, in die Chartreuse in Hilterfingen bei Thun und in die Nostell Church in Wragby. Der Seidenhändler Johann Nikolaus Vincent war somit nicht der erste und einzige Liebhaber dieser Objekte. Er besass aber, neben zahlreichen anderen Kunstgegenständen, die umfangreichste Sammlung thurgauischer Glasgemälde. Geboren in Gressoney-­ Saint-Jean im Aostatal, machte Vincent seine Studien in Italien und Süddeutschland und trat 1807 in das Seidenwarengeschäft Zumstein & Cie. in Konstanz ein, in dem auch sein Bruder Joseph Anton Teilhaber war ( Rahn 1890, S. 180 ). Zunächst als Angestellter, später als Selbstständiger und Teilhaber der Handelsgesellschaft Zumstein hatte Vincent seinen Sitz in Konstanz, das im Schnittpunkt mehrerer Handelsrouten lag. Die Ostschweiz war zu dieser Zeit das Zentrum der Schweizer Textilindustrie. Die Reisen zu den damaligen Textilproduktionswerkstätten liessen den Seidenhändler die ganze Ostschweiz durchqueren. Bei dieser Gelegenheit kaufte er 1816 sein erstes Glasgemälde und setzte damit den Grundstein zu einer Sammlung, die im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einer der bedeutendsten ihrer Art in Europa wurde. Der Kunsthistoriker Johann Rudolf Rahn beschrieb 1890 ( S. 182 ) die Entstehung der Sammlung mit folgenden Worten : « Der unlängst verstorbene Herr Joseph Vincent hat mir öfters erzählt, wie seines Vaters Geschäftsgänge durch das Fahnden nach solchen Erwerbungen unterbrochen wurden und wie er als unermüdlicher Fussgänger die entlegensten Höfe nach verschollenen Dingen abzusuchen pflegte ». Am 2. April 1833 mietete Vincent den neben dem Münster in Konstanz gelegenen Kapitelsaal, um seine Sammlungsstücke in einer permanenten und immer grösser werdenden Ausstellung dem interessierten Publikum zugänglich zu machen ( Reiners-Ernst 1956, S. 150–151 ).  Abbildung 41 Rahn schrieb 1869 ( S. 95 ) : « Eine wahre Mannigfaltigkeit von Alterthumsgegenständen aus allen Gebieten der spätmittelalterlichen Kunst, der Renaissance und der Barockzeit überrascht hier den Eintretenden, dessen Auge aber sogleich höher schaut, wo in vier Parallelwänden des Saals und in den Fenstern der Nordseite eine Sammlung von mehreren Hundert Glasgemälden grösstentheils schweizerischen Ursprunges angebracht ist. » Wie etwa die « Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst » 1858 ( S. 292 ) berichtete, war die Ausstellung nicht öffentlich zugänglich, aber « aus Gefälligkeit » zeigte sie Vincent bei Interesse persönlich. Ein grosser Teil der Sammlung befand sich ausserdem in Vincents Wohnhaus an der Kanzleistrasse 20 ( Kraus 1887, S.  282 ). https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

49 Ex situ – Die Sammlung Vincent und ihre Glasgemälde aus dem Thurgau

41  Johann Nikolaus Vincent mietete 1833 den Kapitelsaal des Konstanzer Münsters, um seine Sammlung dort auszustellen. Die Fotografie von 1949/64 zeigt den nach der Versteigerung wieder leeren Raum.

Nach Vincents Tod erweiterte sein Sohn Joseph ( 1826 –1888 ) die fast 500 Glasgemälde umfassende Sammlung um einige wenige Stücke. Er trug zu ihrer Bekanntmachung bei, indem er ausgewählte Stücke an der Wiener Weltausstellung 1873 sowie an der Schweizerischen Landesausstellung 1883 in Zürich zeigte. Rahn verfasste in der Folge einen Katalog mit 491 verzeichneten schweizerischen Glasgemälden, der 1890 in den « Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich » erschien. Sowohl bereits Johann Nikolaus als auch Joseph waren darauf bedacht, die Glasgemälde unverändert zu bewahren und sie nicht restaurieren oder ergänzen zu lassen. So wurden auch unvollständige, fragmentarische Scheiben in diesem Zustand belassen ( Rahn 1890, S. 182 ). Beim Tod Joseph Vincents im Jahr 1888 gelangte die Sammlung an seinen Sohn Constantino ( † 1916 ) und seinen Enkel Paolo Nicola ( 1861–1941 ), welche die Sammlung zwecks Erbteilung verkaufen wollten. Die Erbengemeinschaft beauftragte den Zürcher Kunsthändler Alphons Meyer mit der Auktion, die auf den 1. September 1890 in Konstanz angesetzt wurde ( Catalog Meyer 1890 ). Die schweizerischen Museen, darunter das Landesmuseum sowie die historischen Museen von Thurgau, St. Gallen, Basel, Luzern, Bern, Neuenburg und Genf, sowie die Eidgenössische Kommission für die Erhaltung schweizerischer Altertümer organisierten sich und versuchten, eine möglichst grosse Anzahl der Glasgemälde für ihre Sammlungen zu erwerben. Die Erben wider­ riefen aber die Versteigerung, weil sie hofften, die schweizerischen Glasgemälde als Gesamtbestand an den Bund verkaufen zu können. Der Preis war jedoch aus Sicht des https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

50 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Bundes zu hoch angesetzt. Die Auktion wurde um ein Jahr verschoben und fand schliesslich am 11. September 1891 im Kapitelsaal des Konstanzer Münsters statt. Unter grosser Aufmerksamkeit privater und im öffentlichen Auftrag tätiger Sammler aus dem In- und Ausland brachte das bekannte Kölner Auktionshaus Heberle & Lempertz die Sammlung unter den Hammer ( Katalog Heberle 1891 ; Durrer 1948, S. 126 und 164 –165 ). Von den über hundert versteigerten Scheiben thurgauischer Herkunft konnten sieben für das Historische Museum Thurgau erworben werden, eine kaufte die Bürger­ gemeinde Frauenfeld und zwei gelangten ins Schweizerische Landesmuseum ( vgl. Büchi 1892, S. 6 ). Bis heute konnte das Historische Museum Thurgau weitere 20 ursprünglich aus der Sammlung Vincent stammende Glasgemälde erwerben. Die Bestände der ehemaligen Sammlung Vincent sind inzwischen weit verstreut. So befinden sich heute thurgauische Scheiben in der Stiftung Kartause Ittingen, im Besitz des Vereins Kloster Fischingen, in der Fideikommiss Zollikofer auf Schloss Altenklingen, im Musée Ariana in Genf, im Schweizerischen Nationalmuseum, im Rosgartenmuseum in Konstanz und in weiteren Sammlungen in Deutschland. Rund dreissig Objekte sind verschollen. Die Doppelscheibe der Landvogtei Thurgau und die Kirche St. Alexander in Aadorf

Eine der ältesten und interessantesten Scheiben der Sammlung Vincent ist eine im Schweizerischen Nationalmuseum bewahrte Doppelscheibe aus dem Thurgau : die Glasmalerei mit der Inschrift « Die gemein Lantvogtÿ zuo frowenfeld 1517 ». Sie ist die einzige bekannte Stiftung der Landvogtei Thurgau.  Abbildungen 42 und 43 Auf grossen Stein­ sockeln ist links die Krönung Marias, rechts der gekreuzigte Christus zwischen seiner Mutter und Johannes dem Evangelisten dargestellt. Die über der Inschrift angebrachten Wappen des Reichs und der sieben Orte stehen für die Stände, denen die Vogtei seit 1460 unterstand. Ab 1504 hatten die eidgenössischen Orte ihren Verwaltungssitz in Frauenfeld ( ab 1534 im dortigen Schloss ). Während diese systematisch in ihr Gebiet und an andere Orte innerhalb der Eidgenossenschaft stifteten, ist die Scheibe der Landvogtei als Stiftung einer gemeinen Herrschaft aussergewöhnlich. So ist weder aus den gemeinen Herrschaften der Grafschaft Baden, aus den Freien Ämtern, noch aus Sargans oder dem Rheintal eine vergleichbare Stiftung bekannt. Die Stiftung der Doppelscheibe der Landvogtei Thurgau muss auf eine Initiative des damaligen Landvogts, Bernhard Schiesser aus Glarus, zurückgehen. Doch in welches Gebäude gelangte die Glasmalerei ursprünglich ? Albert Knoepfli, der die Doppelscheibe fälschlicherweise als Stiftung der Eidgenossen in eine der Frauenfelder Kirchen interpretierte, vermutete die 1862 abgebrochene Kapelle St. Leonhard im Algi als ursprünglichen Bestimmungsort ( Knoepfli 1950, S. 121, Anm. 3 ). Gewichtige, im Folgenden auszuführende Gründe sprechen jedoch dafür, dass die Doppelscheibe die Chorfenster der Kirche St. Alexander schmückte. Die alte Kirche von Aadorf wurde in den Jahren 1863 bis 1865 fast gänzlich neu erbaut. Einige Jahre zuvor, 1846, hatte die Kirchgemeinde die im Chor befindlichen Glasmalereien aus dem Jahr 1517 an Johann Nikolaus Vincent verkauft ( Katholisches https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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42 und 43  Die

Doppelscheibe der Landvogtei Thurgau zeigt links die Krönung Mariä, rechts Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes. Über der Stifterinschrift sind die Wappen des Reichs und der sieben Orte angebracht, denen die Vogtei seit 1460 unterstand. Schweizerisches National­ museum, Inv.-Nr. Dep. 5 und 6.

Kirchgemeindearchiv, Protokolle der Kirchenvorsteherschaft vom 22. November 1845 und 8. März 1846 ). Johann Nater berichtete 1898 ( S. 216 ), dass sich im südlichen Chorfenster ein Glasgemälde des Abts des Prämonstratenserklosters Rüti Felix Klauser ( † 1530 ) mit der Muttergottes und im Nordfenster ein zugehöriges Glasgemälde mit dem Ordensgründer der Prämonstratenser, dem Heiligen Norbert, befunden haben sollen, die nun verschollen seien. Seit 1349 besass das Kloster Rüti den Kirchensatz der Kirche von Aadorf. Hundert Jahre nach dem Verkauf der Scheiben aus Aadorf identifizierte Knoepfli eine in Rheinfelder Privatbesitz befindliche Scheibe mit der Nummer 27 in Rahns Katalog der Sammlung Vincent.  Abbildung 44 Damit hatte er die Scheibe des Abts Felix Klauser mit der Muttergottes wiedergefunden, und der Kanton Thurgau kaufte sie 1966 für das Historische Museum an ( Knoepfli 1950, S. 21 und 1966, S. 283 ; vitrosearch.ch, TG_13 ). https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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Die verschollene Scheibe mit dem Heiligen Norbert war hingegen schon in Rahns Katalog nicht mehr verzeichnet. Unter den Nummern 30 und 31 des Katalogs sind zwei ebenfalls aus dem Jahr 1517 stammende Doppelscheiben aufgeführt. Es handelt sich um die genannte Stiftung der Landvogtei zu Frauenfeld und, wie sich jüngst herausgestellt hat, die im Germanischen Nationalmuseum bewahrte Doppelscheibe der Stadt Zürich.  Abbildungen 45 und 46 Die zwei gleich grossen Doppelscheiben sind stilistisch und kompositorisch eng verwandt und gehören eindeutig zusammen. Nun bestehen auch zu der aus Aadorf stammenden Scheibe des Felix Klauser enge stilistische Parallelen. So entsprechen einander die pausbäckigen Engel, die runden Gesichter der Figuren – insbesondere das Gesicht der Maria auf der Scheibe der Landvogtei – sowie die Schreibweise der Jahreszahl 1517. Eine enge Verwandtschaft lässt sich auch in den Rahmungen mit ihrem Blattwerk sowie in den eingerollten Blättern an der Säulenbasis der Scheibe Felix Klausers respektive an den Sockeln der Doppelscheibe der Landvogtei feststellen. Sowohl bei der Stiftung Klausers https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

44  Zu Füssen der Strahlenkranzmadonna sind die Wappen des Klosters Rüti und dessen Abts Felix Klauser angebracht. Die beiden Posaunen blasenden Engel sind nach einem Scheibenriss von Hans Leu d. J. geschaffen. Historisches Museum Thurgau, Frauenfeld, T 3145.

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45 und 46  Auf der Doppelscheibe des Standes Zürich segnet Christus die drei Stadtheiligen Regula, Felix und Exuperantius. Ihr Martyrium ist in den Oberbildern dargestellt. Die Stiftung Zürichs war vermutlich für die Kirche St. Alexander in Aadorf ­ bestimmt. Nürnberg, Germa­ nisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. MM260.

als auch bei derjenigen Zürichs dienten Scheibenrisse des Zürcher Malers und Zeichners Hans Leu d. J. ( 1490 –1531 ) als Vorlagen. So beruht das Oberbild der Scheibe Klausers mit den beiden Engeln auf einem Scheibenriss von 1516 ( SNM Zürich, Inv. LM 24738 ; Knoepfli 1966 ), die Heiligenfiguren der Zürcher Scheibe auf einem in der Zentral­ bibliothek Zürich bewahrten Riss ( vgl. Hugelshofer 1924, S. 28 ).  Abbildung 47 Die Doppel­ scheiben Zürichs und der Landvogtei Thurgau sind zwar etwas höher, jedoch mit 40 Zentimetern von derselben Breite wie die Scheibe Klausers. Die im Vincent-Katalog hintereinander aufgeführten Scheiben gehören demnach zusammen und waren für Aadorf bestimmt. Doch warum stifteten Zürich und die Landvogtei in diese Kirche ? Mitten durch die Pfarrei Aadorf verlief ab 1427 die Hoheitsgrenze zwischen den Grafschaften Kyburg und Thurgau ( heute die Kantone Zürich und Thurgau ). Zürich war es auch, das nach der Reformation und der Aufhebung des Klosters Rüti den Kir­ chensatz in Aadorf übernahm. Beide Herrschaften hatten demnach Interesse, ihre Besit­ zansprüche in der Kirche von Aadorf zu repräsentieren. Die Kirche in Aadorf erhielt https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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47  Der Scheibenriss entstand um 1515   und trägt das Monogramm des Malers und Zeichners Hans Leu d. J. Er diente dem unbekannten Glasmaler der Zürcher Standesscheibe als Vorlage. Zentralbibliothek Zürich, Scheibenrisse A II 104.

demnach zum Neubau 1516/17 mindestens drei Doppelscheiben der verschiedenen Herrschaftsinhaber – Kloster Rüti, Stand Zürich und Landvogtei Thurgau. Die drei Stadtheiligen Zürichs, Regula, Felix und Exuperantius, der gekreuzigte Christus mit Maria und Johannes dem Evangelisten zur Seite, die von Gottvater und Christus gekrönte Maria, der Heilige Norbert sowie die Madonna mit dem Kind bildeten ein Ensemble zum Schmuck des dreiseitigen Chors von St. Alexander. Das Zisterzienserinnenkloster Tänikon

Einige Jahrzehnte nach der Verglasung des Aadorfer Chors begann im benachbarten Kloster Tänikon das ambitionierteste Glasmalerei-Ausstattungsprogramm im Thurgau. Die von dort stammenden Scheiben bilden das bedeutendste Ensemble in der Sammlung Vincent. Schon 1869 pries Rahn ( S. 99 ) den Zyklus von ungewöhnlichem Format, noch ohne dass er seine Herkunft verorten konnte, als « erste und beste Arbeiten » der Sammlung. Vincent hatte die Glasgemälde 1832 von der Äbtissin Maria Johanna Baptista Rutz ( im Amt 1827–1848 ) erworben. Über den Verkauf der Scheiben aus Tänikon und von einem anderen leidenschaftlichen Glasgemäldesammler, dem Freiherrn Joseph von Lassberg ( 1770 –1855 ), berichtete der thurgauische Staatsarchivar Johann Adam Pupikofer ( 1797–1882 ) : « Auf 1. Mai [ 1827 ] lud ich den Freiherrn [ v. Lassberg ] ein, nach Tänikon zu kommen, wohin ich [ … ] mich begeben wollte, weil der Abt von Wettingen zur Einweihung der neuen Äbtissin [ … ] dort anlangen und nach Herkommen die Klausur für einige Tage öffnen würde und man somit Gelegenheit hätte, in die verhttps://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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48  Der

Grundriss zeigt die Anordnung der Klostergebäude von Tänikon mit dem zentralen Kreuzgang, dem im Osten anschliessenden Refektorium und dem im Westen befindlichen Äbtissinnenhaus.

schlossnen 75 Zimmer und Gänge zu gelangen und sogar gemalte Scheiben zu kaufen. Der Glaser von Ettenhausen hatte mir erzählt, dass er schon oft gemalte Scheiben im Kloster als alte Waare weggenommen und nach Winterthur verkauft habe, woraus sich ergab, dass man im Kloster Tänikon keinen sehr hohen Werth darauf legte. » ( Meyer 1899, S. 156 ). Pupikofers Bericht veranschaulicht, wie sich unter Kennern und Kunstliebhabern das Wissen um die Erwerbsmöglichkeiten der Tänikoner Schätze verbreitete. Nachdem der Verkauf an Vincent bereits beschlossen war, erfuhr die Kantonsregierung davon und stellte die Äbtissin Johanna Rutz zur Rede. In einem Schreiben vom 1. April 1833 rechtfertigte die Äbtissin ihr Handeln, schilderte den schlechten Zustand der Glasgemälde und begründete den Verkauf mit dem Erlös, der dem Kloster zugutekommen solle. Nur sieben der verkauften Scheiben sollen dabei unbeschädigt gewesen sein ( siehe die Transkription des Briefs der Äbtissin im Beitrag von Michael Mente, S. 75 ). Dank des Katalogs der Sammlung Vincent von 1890 lässt sich weitgehend rekonstruieren, welche Scheiben der Händler damals erwarb. Siebenunddreissig Glasgemälde stammten aus dem Kreuzgang, sieben aus dem Refektorium und vermutlich fünf aus dem Äbtissinnenhaus. Vier oder fünf weitere Scheiben der Sammlung stammen ebenfalls aus einem nicht genauer bestimmbaren Klostergebäude in Tänikon ( Rahn 1890, Nrn. 267, 278, 279, 284, 437 ; vgl. Boesch 1943, S. 64 – 65 ).  Abbildung 48 https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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Die Verglasung des Kreuzgangs Nach der Reformation war das klösterliche Leben in Tänikon fast gänzlich erloschen. Viele « altgläubige » Familien konnten aber über die Reformationswirren hinaus ihren Einfluss wahren und eines ihrer Ziele war die Wiederbelebung der verwahrlosten Klöster. In Tänikon nahm die Magdenauer Klosterfrau Sophia von Grüt ( † 1579 ) diese Aufgabe in Angriff. Die Tochter des Zürcher Ratschreibers Joachim von Grüt ( † 1527 ) und der Veronika Schwarzmurer ( † 1564 ) aus Zug übernahm 1548 das Amt der Schaffnerin und hatte damit die Klosterfinanzen in der Hand. 1550 wurde sie durch die Tagsatzung der eidgenössischen Orte bestätigt und zur Äbtissin erhoben. Der Gottesdienst wurde wieder aufgenommen und bald lebte wieder eine ansehnliche Anzahl von Klosterfrauen in Tänikon. Sophia von Grüt führte den Klosterhaushalt sehr sorgfältig und effektiv und konnte ein ambitioniertes Bau- und Ausstattungsprogramm entwickeln. Eine der grössten Aufgaben, die sich die Äbtissin zum Ziel setzte und ausführte, war die Verglasung des 1508 errichteten Kreuzgangs mit seinen 22 zweibahnigen Rundbogenfenstern.  Abbildungen 49 bis 51, Bilderkatalog Wie die Kreuzgänge der Klöster von Wettingen, dem Tänikon unterstellt war, und Muri, dessen Abt Christoph von Grüt ( † 1564 ) der Bruder Sophia von Grüts war, sollte auch derjenige von Tänikon mit prachtvollen farbigen Glasgemälden geschmückt werden. Die ersten Scheiben für den neuen Kreuzgang entstanden in den Jahren 1558 und 1559. 49 (  linke Seite  )  Blick

auf die Klosterkirche und den wieder aufgebauten Teil des Kreuzgangnordflügels. Der Dachreiter sitzt seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr in der Mitte der Kirche, sondern nach Norden verschoben über der Sakristei.

50 (  rechts  )  1853

wurde eine Strasse mitten durch den Kreuzgang von Tänikon gebaut und dieser bis auf den Südflügel abgebrochen. Die aus dem Jahr 1957 stammende Fotografie zeigt die Südostecke des Kreuzgangs kurz bevor auch dieser Teil in den 1960erJahren zerstört wurde.

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51 (  linke Seite  )  1985 wurden im wieder aufgebauten Nordflügel des ehemaligen Kreuzgangs vier Masswerkfenster nach alten Vorlagen rekonstruiert. Vorgehängte Kopien der alten Glasgemälde lassen die Wirkung der ursprünglichen Ausstattung erahnen.

Die Äbtissin schenkte selber zwei der kostspieligen Fensterscheiben : eine in ihrem Namen, die andere als Gedenkscheibe für den Klostergründer Eberhard von Bichelsee ( 1209 –1259 ). Abbildungen 52 und 53 Sophia von Grüt gelang es, zu ihren Lebzeiten fast 30 Stifterinnen und Stifter für ihren Kreuzgang zu gewinnen. An der künstlerischen Ausstattung beteiligten sich nicht nur ihre Geschwister und ihre Mutter sowie die Verwandten der damals in Tänikon lebenden Konventfrauen  Abbildungen 54, 55, 59 und 61, sondern auch die Klöster Magdenau, Feldbach, Wettingen, Muri und die Johanniterkommende Tobel samt den in Tänikon wirkenden Beichtigern.  Abbildungen 56 und 57 Adelige Häuser der Umgebung sowie die in politischer Funktion mit Tänikon in Verbindung stehenden Körperschaften und Persönlichkeiten, darunter die Stände Zug und Luzern, gehörten ebenfalls zum Kreis der Stifter.  Abbildung 58 Die Wappenscheiben widerspiegeln anschaulich das Beziehungsgeflecht des Klosters. Aus diesem Netz rekrutierte Sophia von Grüt die Glasmaler für ihren grossen Auftrag : Die beiden Hauptglasmaler Niklaus Bluntschli ( vor 1525 –1605 ) und Jos Murer ( 1530 –1580 ) aus Zürich hatten davor Standes- und Wappenscheiben für den Kreuzgang von Wettingen geliefert.  Abbildung 60 Der dritte Glasmaler der ältesten Scheiben war Hans Füchslin ( † nach 1586 ).  Abbildung 59 Der in Bremgarten tätige Glasmaler hatte bereits für das Benediktinerinnenkloster Hermetschwil, in dem Sophia von Grüts Schwester Meliora ( † 1599 ) Meisterin war, gearbeitet ( Hasler 2002, S. 36 –37 ; Hoegger 2002, S. 268– 269 ). Die Glasmaler schufen charakteristische, längsrechteckige Wappenscheiben ( je c­ i­ rca 30 × 50 Zentimeter gross ), die den Klosterfrauen sowie auch den Besuchern in Tänikon in farbigen Bildern biblische Szenen erzählen. Eine Scheibenserie ist dem Marienleben gewidmet mit Darstellungen der Verkündigung der Geburt Jesu an Maria, mit der Anbetung der Heiligen Drei Könige, der Beschneidung Jesu, dem zwölfjährigen ­Jesus im Tempel und mit Jesu Abschied von seiner Mutter. Eine zweite Bilderreihe zeigt

52  Die Äbtissin Sophia von Grüt stiftete diese Scheibe zum Gedenken an Eberhard von Bichelsee (1   209 –1259  ), der um 1249 zusammen mit seinem Sohn Eberhard das Zisterzienserinnenkloster Tänikon gegründet hatte. Historisches Museum Thurgau, Frauenfeld, Inv.-Nr. T 6454.

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60 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

53  Sophia von Grüt stiftete selber ein Glasgemälde in den Kreuzgang mit einer Darstellung der Verkündigung nach Albrecht Dürers « Marienleben ». Historisches Museum Thurgau, Frauenfeld, Inv.-Nr. T 6453.

54  Benedikt von Hertenstein ( 1514 –1565 ) war der Vater der späteren Äbtissin Barbara von Hertenstein ( † 1610 ). Seine Scheibe zeigt, wie die Sünderin Jesus die Füsse salbt ( Lukas 7,36–50 ). Nürnberg, Germanisches National­ museum, Inv.-Nr. MM280.

55  Hans Jakob Fleckenstein war Schultheiss von Brem­ garten und der Bruder der Konventualin Euphrosina Fleckenstein ( †1607 ). Dargestellt ist die Himmelfahrt Christi. Historisches Museum Thurgau, Frauenfeld, Inv.-Nr. T 6457.

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61 Ex situ – Die Sammlung Vincent und ihre Glasgemälde aus dem Thurgau

56  Die unvollständige Inschrift der Scheibe weist auf eine Doppelscheibe hin : [ Hieronymus, Abt des ] Gotzhus Mury Anno Domini MDLXXXV. Hieronymus I. Frei war von 1564–1585 Abt des Benediktinerklosters Muri. Genf, Musée Ariana, Inv.-Nr. AD 8604.

57  Rudolf Guggenbühl ( 1568 – 1628    ) war Beichtiger in Tänikon. Seine Scheibe zeigt in der Bildmitte die Befreiung der Gerechten aus dem Limbus, links den Heiligen Bernhard als Ordenspatron der Zisterzienser, rechts den Heiligen Rudolf als Namenspatron des Stifters. Auf den Rand der Inschrift­ kartusche setzte der Winterthurer Glasmaler Tobias Erhart sein Monogramm. Genf, Musée Ariana, Inv.-Nr. AD 8594.

58  Der thurgauische Land­ schreiber Hans Locher ( um 1500 –1586 ) heiratete vor 1524 Verena Engelhart. Hinter den neben ihren Wappen knienden Stiftern stehen als Namenspatrone Johannes der Täufer und die Heilige Verena. Historisches Museum Thurgau, Frauenfeld, Inv.-Nr. T 6451.

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62 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

59  Albrecht von Segesser ( 1534 –1605 ) war der Bruder der Konventualin Marta Segesser. Die Bildscheibe mit der Kreuzigung Christi trägt das Monogramm des Bremgartner Glasmalers Hans Füchslin. Schweizerisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. Dep. 3464/LM 56894.

60  Melchior Gallati war  1544 –1546 und 1558 –1560 eidgenössischer Landvogt im Thurgau. Seine Scheibe mit der Anbetung der Heiligen Drei Könige trägt das Monogramm des Zürcher Glasmalers Jos Murer. Schweizerisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. Dep. 3409.

Ereignisse aus der Passion Christi. Die Glasmaler griffen für die Komposition auf grafische Vorlagen zurück : So orientierten sie sich für die figurenreichen Darstellungen bei Albrecht Dürers Holzschnittfolgen Kleine Passion ( 1508 –1511 ) und Marienleben ( 1502–1511 ) ( vgl. Boesch 1943, S. 6–7 ). Bluntschli und Murer übernahmen die Figuren Dürers fast unverändert. Das Hochformat der Holzschnitte zogen sie aber in die Breite und sie wandelten die Kompositionen durch die Ergänzung von landschaftlichen und architektonischen Elementen sowie durch das Einsetzen von Stifterwappen auf gekonnte Weise um.  Abbildungen 61 und 62 Noch Ende des 16. Jahrhunderts arbeiteten Glasmaler nach denselben Vorlagen.  Abbildungen 63 und 64 Vermutlich gab die chronologische Abfolge der biblischen Gegebenheiten die Reihenfolge der Glasgemälde im Kreuzgang vor. Anders als in Wettingen und Muri stehen die biblischen Szenen im Vordergrund und nicht die Wappen. Ältere narrative Kreuzgangverglasungen sind in Deutschland dokumentiert oder erhalten, so etwa diejenigen der Benediktinerabtei Hirsau ( um 1490/1510 ), des Zisterzienserklosters Mariawald ( um 1510/20 ) oder des Karmeliterklosters in Nürnberg https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

63 Ex situ – Die Sammlung Vincent und ihre Glasgemälde aus dem Thurgau

61  Christoph Giel von Gielsberg, Gerichtsherr zu Wängi, war der Vater der Konventualin Ursula. Rechts ist die Verspottung Christi nach Albrecht Dürer dargestellt. Die sitzende Christusfigur erlitt jedoch einen Schaden und in die Leerstelle sind Flickstücke eingesetzt. Genf, Musée Ariana, Inv.-Nr. AD 8609.

62  Der Holzschnitt mit der Darstellung der Verspottung Christi stammt aus Albrecht Dürers « Kleiner Passion » ( 1508 –1511 ) und diente der Scheibe des Christoph Giel als Vorlage. Der Glasmaler Niklaus Bluntschli setzte die Szene in eine architektonische Rahmung und fügte das Vollwappen Giels hinzu.

63  Um 1590 von einem unbekannten Glasmaler geschaffene Scheibe des Johanniterkomturs Arbogast von Andlau ( 1550–1612 ). Johannes der Täufer als Patron des Ordens der Johanniter steht zur rechten Seite des Stifterwappens. Genf, Musée Ariana, Inv.-Nr. AD 8606.

64  Der Holzschnitt mit der Darstellung des ungläubigen Thomas aus Albrecht Dürers « Kleiner Passion » diente als Vorlage für die Wappenscheibe des Arbogast von Andlau. Der Glasmaler orientierte sich aber nur in groben Zügen am Vorbild und gestaltete Gesichter und Gewänder nach eigenen Vorstellungen. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

64 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

( 1504–1511 ) ( Siart 2008, S. 98 ; Scholz 2002, Band 2, S. 540–541 ). In der Alten Eidgenossenschaft weist eine Nachricht zum Kreuzgang von Ittingen auf eine ebensolche ­erzählende Scheibenfolge hin : Unter den im Ittinger Sturm von 1524 zerstörten Glas­ malereien der Kartause befanden sich ein Marienleben sowie ein Zyklus zu Leben und Passion Christi ( Früh 1983, S. 191 ). Das unmittelbare Vorbild für die Zyklen in Tänikon liegt aber wohl in Muri. Im Masswerk der dortigen Kreuzgangfenster hatten in den Jahren 1557/58 Heinrich Leu eine Folge zur Genesis und Carl von Egeri eine Folge zur Jugendgeschichte Christi geschaffen.  Abbildung 65 Wie in Tänikon beruhen die beiden Zyklen auf einer grafischen Vorlage, nämlich auf den kurz zuvor erschienenen Holzschnitten aus Bernard Salomons Bilderbibel ( Hasler 2002, S. 16 –20 ). Glasmalereien im Refektorium und im Äbtissinnenhaus Nicht nur der Kreuzgang, sondern auch andere Gebäude des Klosters erhielten ­einen farbigen Fensterschmuck. Für das 1626 erbaute Refektorium – den Speisesaal – schuf der Zuger Glasmaler Paul Müller einen Zyklus von mindestens acht Scheiben, der https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

65  Für

den Ostflügel des Kreuzgangs des Klosters Muri schuf Carl von Egeri  1557 Glasmalereien, die im Masswerk der Fenster die Jugendgeschichte Christi erzählen, beginnend mit der Verkündigung.

65 Ex situ – Die Sammlung Vincent und ihre Glasgemälde aus dem Thurgau

Die Glasgemälde, ihre StifterInnen und das dargestellte Bildthema

Bemerkung zu den StifterInnen

Datierung Kat. Vincent Aktueller Standort ( Rahn 1890 )

1

Rudolf Guggenbühl mit Krönung Mariens

Beichtiger in Tänikon 1626

2

Laurenz Auricularius mit Vermählung Mariens

Beichtiger in Tänikon 1626

3

Schwestern Margaretha Ursel und Maria Ursel

4

Bernhard Müller

5

296

Verschollen Verschollen

1626

295

Verschollen

Abt von St. Gallen

1626

290

Verschollen

Ulrich V. Amstein

Abt von St. Urban

1626

291

Verschollen

6

Jakob I. Denkinger mit Zacharias, Maria und hl. Anna

Abt von Kreuzlingen

1626

292

Verschollen

7

Bruno Müller mit Himmelfahrt Christi

Prior der Kartause Ittingen

1626

294

Ittinger Museum, Inv. Nr. SKI 90. vitrosearch.ch TG_71

8

Placidus Brunschwiler mit Auferstehung Christi

Abt von Fischingen

1626

293

Kloster Fischingen. vitrosearch.ch TG_102

66  Die Tabelle verzeichnet die acht Glasgemälde, die der Zuger Glasmaler Paul Müller 1  626 für das Refektorium schuf.

wie im Kreuzgang eine Folge zum Leben Christi und seiner Mutter Maria bildete. Abbildung 66 Auf die Szene der Begrüssung Joachims und Annas folgten Darstellungen der Vermählung, der Himmelfahrt und die Krönung Mariens, sowie Bilder, welche die Anbetung der Heiligen Drei Könige, Zacharias mit dem Christusknaben, die Auferstehung und die Himmelfahrt Christi vergegenwärtigen ( Boesch 1943, S. 65 – 66 ).  Abbildungen 67 und 68

Das unter der Äbtissin Maria Victoria von Beroldingen ( im Amt 1677–1687 ) erbaute Äbtissinnenhaus erhielt eine Serie von mindestens fünf Rundscheiben. Dank des Katalogs der Sammlung Vincent und des Rechnungsbuchs des Abts des Benediktinerklosters Fischingen, Joachim Seiler, lässt sich die Serie ebenfalls rekonstruieren. Seiler stiftete laut seinem Rechnungsbuch 1681 ein Glasgemälde nach Tänikon. Sehr wahrscheinlich handelt es sich bei dieser Stiftung um die im Historischen Museum Thurgau befindliche, von Jakob II. Weber signierte Rundscheibe des Abts.  Abbildung 69 Sie befand sich als Nummer 374 in der Sammlung Vincent. Unter den Nummern 370 bis 373 verzeichnete Rahn vier weitere, ebenfalls vom Winterthurer Glasmaler Jakob II. Weber geschaffene Rundscheiben derselben Grösse, die heute verschollen sind. Es sind Stiftungen der genannten Tänikoner Äbtissin Maria Victoria von Beroldingen, der Äbte von Wettingen und Muri sowie vom Gerichtsherrn zu Elgg, Herkules von Salis-Marschlins. Da Seilers Glasgemälde für Tänikon bestimmt war, ist anzunehmen, dass alle fünf 1680/81 entstandenen Rundscheiben der Sammlung Vincent für das Äbtissinnenhaus in Tänikon bestimmt waren. Vielleicht gehörte auch die heute im Ittinger Museum bewahrte, 1682 von Jakob II. Weber geschaffene Rundscheibe der Kartause Ittingen dazu.  Abbildung 70 Heute ist in Tänikon von diesen Glasgemälden nichts mehr zu sehen. In der Kirche befinden sich eine 1943 eingesetzte Scheibe der Sophia von Grüt aus dem Jahr 1549 sowie Glasgemälde von Karl Andreas Wehrli ( vermauert ) und Heinrich Stäubli ( vitrosearch.ch, TG_303, TG_1174 –1186 ). Im Stiegenhaus sind drei Kopien der alten Tänikoner Scheiben von Fritz J. Dold eingesetzt. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

66 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Der frühen Initiative eines Kunsthistorikers – Johann Rudolf Rahn – ist es zu verdanken, dass die Rekonstruktion der Glasgemäldezyklen Tänikons und Aadorfs möglich ist. Sein 1890 verfasster Katalog der Sammlung Vincent bildet die Grundlage dazu. Ohne den Sammler Vincent befänden sich die Glasgemälde vielleicht heute noch in den Kirchen – vielleicht wären sie aber auch endgültig verlorengegangen. Aus heutiger konservatorischer Sicht ist es verdienstvoll, dass die im Besitz der Familie Vincent befind­ lichen Glasgemälde nicht restauriert und ergänzt, sondern in ihrem überkommenen Zustand belassen wurden. Heute in den Scheiben enthaltene Ergänzungen gehen überwiegend auf spätere, nach 1891 erfolgte Eingriffe zurück. Obwohl Vincent die Provenienzen der gekauften Glasgemälde nicht festhielt und diese auch Rahn grösstenteils nicht bekannt waren, kann dank der kunsthistorischen Forschung und der systematischen Inventarisierung von Glasgemälden zumindest ein Teil davon mit den ursprünglichen Bestimmungsorten verknüpft werden. Mit vitrosearch.ch besteht heute eine Plattform, die die schweizerischen Glasgemälde zumindest in virtueller Weise wieder zusammenführt ( vgl. vitrosearch.ch, « Ehem. Zisterzienserinnenkloster, Tänikon » ). Die rund 500 respektive 460 Jahre alten Glasgemälde aus Aadorf und Tänikon haben einen langen und wechselvollen Weg zurückgelegt – heute berichten sie uns als historische Zeugnisse in leuchtenden Farben von einer vergangenen Zeit.

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67 (  links  )  Die Inschrift dieser für das Refektorium geschaffenen Scheibe nennt « Hugo Sancti laurentÿ Carthüs Prior zu˚ Ittingen ». 1626 war jedoch Bruno Müller ( † 1651 ) Prior der Kartause Ittingen – wohl ein Fehler des Glasmalers. Ittinger Museum, Inv.-Nr. SKI 90. 68 (  rechts  )  Die Scheibe des Abts von Fischingen, Placidus Brunschwiler ( † 1672 ), zeigt die Auferstehung Christi. Die architektonische Rahmung ist gleich gestaltet wie jene der zur selben Serie gehörenden Scheibe des Priors von Ittingen. Abbildung 67. Kloster Fischingen.

67 Ex situ – Die Sammlung Vincent und ihre Glasgemälde aus dem Thurgau

69 (  oben  )  Joachim Seiler ( 1620– 1688    ) war der Nachfolger von Placidus Brunschwiler als Abt von Fischingen. Im Oberbild seiner Rundscheibe erscheint die Heilige Idda von Toggenburg, Patronin des Benediktinerklosters. Historisches Museum Thurgau, Frauenfeld, Inv.-Nr. T 5442. 70 (  unten  )  Die Stiftung der Kartause Ittingen zeigt den Klosterpatron, den Heiligen Laurentius mit seinem Rost als Marterwerkzeug. Rechts unten am Rand ist das Monogramm des Winterthurer Glasmalers Jakob II. Weber zu sehen. Ittinger Museum, Inv.-Nr. T72.

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69 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Michael Mente

Bares für Rares – Die letzte Äbtissin des Klosters Tänikon und der Verkauf von Glasmalereien 1832 Der Konstanzer Händler Johann Nikolaus Vincent war ein bekannter Sammler von Glasmalereien und bekundete beharrlich sein Interesse an den Scheiben des Thurgauer Frauenklosters Tänikon. Die letzte Äbtissin, Maria Johanna Baptista Rutz, lässt sich schliesslich im Juni 1832 auf einen Handel ein. Lange wurde übersehen, dass sie selbst diesen Verkauf getätigt hatte ; in einer Zeit, als das Zisterzienserin­ nenkloster bereits unter kantonaler Finanzaufsicht stand und kurz bevor der Thurgau mit den Inventarisationen von klösterlichen Gütern und Rechten begonnen hatte. Die Regierung fragt nach ; die Antwort der Äbtissin – in diesem Beitrag zum ersten Mal im vollen Wortlaut ediert – lässt aufhorchen und löst Fragen aus.

« Es ist uns zu vernehmen gekommen, daß die in Ihrem Gotteshause befindlichen Glasmalereyen an einen Fremden verkauft seyn, und nach dem Auslande gebracht werden sollen. Wir ersuchen Sie, uns über den Verhalt der Sache mit Beförderung Auskunft zu ertheilen ; inzwischen sind diese Mahlereyen bis auf weitere Verfügung unverändert an ihrer Stelle zu belassen. » ( Missiv Nr. 176, 1833 )  Abbildungen 71 und 72 Der Kanton Thurgau hatte seit 1831 die Finanzaufsicht über das Zisterzienserinnenkloster Tänikon inne. Das dürfte die Herren zu dieser eiligen Aufforderung ( « mit Beförderung » ) an die Adresse der Äbtissin vom 30. März 1833 veranlasst haben. Im 71 (  linke Seite  )  Nikolaus

Birchler ( 1801–1857 ), Bildnis der Maria Johanna Baptista Rutz ( 1777–1854 ), Äbtissin des Klosters Tänikon, Öl auf Leinwand, 76.5 × 61.6 Zenti­ meter, 1837. Das Porträt zeigt die Zisterzienserin in ihrem zehnten Amtsjahr und zum Zeitpunkt, als mit der Errichtung der neuen Orgel der letzte Abschnitt des grossen Kirchenumbaus in Tänikon begann.

72 (  rechts  )  Wappenschild des Klosters Tänikon und der Äbtissin Johanna Baptista Rutz in Erinnerung an den Kirchenumbau 1829 –1831. Stuckiertes Doppelwappen, Kirche Tänikon, Nordseite, datiert 1829.

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70 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Dunkeln aber bleibt, warum die Thurgauer Regierung erst jetzt – fast ein Jahr später – nachfragte und wie sie vom bereits 1832 erfolgten Verkauf der Glasmalereien an den hier nicht genannten Konstanzer Johann Nikolaus Vincent ( 1785–1865 ) erfahren hatte. Die wie gewünscht umgehend erfolgte Antwort der Äbtissin Maria Johanna Baptista Rutz ( 1777–1854 ), ein bisher wenig wahrgenommener Brief vom 1. April 1833, hat es in mehrfacher Hinsicht in sich.  Abbildungen 73a und 73b Da erfahren wir zum einen etwas über das Handeln der Äbtissin und ihr Rollenverständnis in der alles andere als einfachen Situation eines Klosters, das zunehmend unter staatliche Kontrolle geraten und absehbar in Aufhebung begriffen ist. Sie selbst hat die Gemälde verkauft ! Zum anderen, wenn wir ihre Ausführungen ( und bereits die Anfrage des Kantons ) genau lesen, wird allerdings nicht klar, was Vincent im Sommer 1832 bei dieser Transaktion tatsächlich gekauft hatte. Dennoch, dies vorweg, schrieb die Regierung das Geschäft mit Erhalt der Rechtfertigung als erledigt ab und fragte nicht weiter nach ( RRB Nr. 679, 6. April 1833 ). Der Handel in der Geschichtsschreibung

Auch die zeitgenössische Geschichtsschreibung bleibt summarisch : « Herrliche Glasgemälde besass das Kloster Tänikon ; allein im Jahr 1832 wurden sie an den Kunstfreund Vinzenz nach Konstanz verkauft. » Zwei dürr anmutende Zeilen, die aber gleichermassen Wertschätzung wie auch Bedauern über den Verlust dieser « ausgezeichneten Werke der Kunst » für den Kanton ausdrücken ( Pupikofer 1837, S. 12 bzw. 337 ). Abgesehen davon setzt der Autor voraus, dass der Lesende weiss, wer « Kunstfreund Vinzenz » ist. Der Thurgauer Historiker Johann Adam Pupikofer war vermutlich der Erste, der in seinem 1837 erschienenen Werk über den Thurgau von diesem Verkauf in einer Publikation berichtet. Auf diese Angabe stützten sich einige der nachfolgenden Darstellungen zur Geschichte des Klosters bzw. der Tänikoner Glasscheiben. Pupikofer verlor allerdings kein weiteres Wort über die genaueren Umstände des Handels – keine Namen, keine Summen. Erst der Kunsthistoriker Johann Rudolf Rahn liefert Details zum Verkauf der Glasgemälde und verhehlt seinen Unmut über den Vorgang deutlich weniger als Pupikofer : « In stumpfer Gleichgültigkeit ignorierten die Behörden deren Verschleuderung. Der berüchtigte Verhörrichter Ammann verkaufte als Klosterverwalter von ­Dänikon die dortigen Glasgemälde an Vincent in Konstanz sehr wohlfeil, nach der Klosterrechnung nur um 700 Gulden. » ( Rahn 1898, S. 17 ) – « Welche Unvorsichtigkeit damit begangen wurde, erhellt aus dem Umstand, dass an der Auktion der vincentschen Sammlung im Jahr 1891 im Kapitelsaal des Münsters zu Konstanz 155’415 Fr. für die Tänikoner Scheiben gelöst wurden [ … ] », wusste der Lokalhistoriker Johann Nater 1927 in Ergänzung zu Rahns Ausführungen zu berichten ( Nater 1927, S. 33 ). Die M ­ einungen sind einhellig : Die Gemälde waren zu billig verkauft worden. Das eine ist der finanzielle, das andere der kunsthistorische Wert, der den zeitgenössischen Gelehrten und Sammlern wohl bewusst war. Mag es zwar seit dem 18. Jahrhundert so etwas wie eine « Goldene Zeit » für Sammler und « Schnäppchen-Jäger » gegeben haben, so urteilen die oben genannten kritischen Stimmen doch aus einer zeitlichen Distanz : Sie lassen offen, was denn damals so etwas wie ein « guter Preis » gewesen sein https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

71 Bares für Rares – Die letzte Äbtissin des Klosters Tänikon und der Verkauf von Glasmalereien 1832

mag. Weiter gälte es zu bedenken, was Sammlerinnen und Sammler zu allen Zeiten und auf allen Gebieten kennen : Echte Sammler kaufen nicht immer zu spekulativen Zwecken und es wirken andere Gesetzmässigkeiten von Angebot und Nachfrage, wenn Leidenschaften im Spiel sind. Die Frage, was verkauft wurde

Wir wissen heute, dass das Kloster in seinem seit 1853 nicht mehr existierenden Kreuzganggeviert einen einzigartigen Schatz, bestehend aus wohl ursprünglich 44 Glasmalereien ( je zwei pro Fenster ), aus der nachreformatorischen Blüte gehütet hatte. Stifterinnen und Stifter haben hier Glasscheiben, die zu mehreren Zyklen zusammenzu­ fassen sind, finanziert. Die Forschung kann heute die Existenz von 43 Exemplaren aus dem Kreuzgang rekonstruieren ( siehe den Beitrag von Sarah Keller, S. 54 – 64 ). Weitere Glasmalereien befanden sich in anderen Gebäuden, allen voran im Speisesaal ( das ­Refektorium oder Refenthal genannt ). Der Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Albert Knoepfli betonte als Erster aufgrund des ihm bekannten Briefs, dass die Äbtissin selbst den Verkauf getätigt hatte. Spätere Darstellungen ( wie Zehnder 1992, S. 99 ) stützen sich auch auf seine Interpretation des Sachverhalts : Vincent kaufte demnach 37 Kreuzgangscheiben und Teile des Refektoriumszyklus um 800 Gulden ( Knoepfli 1950, S. 388 ). Damit nicht genug : Die aktuelle Forschung macht in der Sammlung Vincents weitere Scheiben aus, die aus Tänikon stammten oder stammen könnten. Vermutlich seien fünf Stücke dem Äbtissinen­ haus zuzuordnen, vier oder sogar fünf seien einem weiter nicht bestimmbaren Klostergebäude entnommen worden. Fand also 1832 in Tat und Wahrheit ein Total-Ausverkauf aller in Tänikon noch vorhandenen Stücke statt, erhielt Vincent alle Scheiben auf einmal ? Tatsache ist, wie oben beschrieben : Die Thurgauer Regierung hört erst fast ein Jahr später von diesem Verkauf. Wie war das möglich ? Vincent hat – zum Sammeln an sich gehört für manche nicht nur das « Erbeuten », das Erschliessen und Ordnen, sondern auch das Präsentieren – seit dem 2. April 1833 den Kapitelsaal beim Konstanzer Münster gemietet und dort seine seit 17 Jahren anwachsende Sammlung zur Schau gestellt ( Rahn 1890, S. 4 ). Vielleicht war eine angekündigte Eröffnung der Ausstellung im Kapitelsaal der Anlass, der die Thurgauer Regierung auf den Plan brachte, bei der Äbtissin wenige Tage zuvor bezüglich des Handels nachzufragen ? Wo die Scheiben seit Juni 1832 gelagert waren, lässt sich nicht mehr sagen. Nikolaus und sein Sohn Joseph Vincent haben die Sammlung, die 1891 in Konstanz zur Versteigerung kam, zwar für die Forschung zugänglich gemacht ; wiederholt wurden Scheiben an verschiedenen Ausstellungen, auch in der Schweiz, gezeigt. Aber wir müssen uns an dieser Stelle klarmachen : Bis zum Vorliegen der Arbeiten von Rahn   – ein erster summarischer Bericht erschien 1869, detaillierte Darstellungen dann 1890 und 1898, dazwischen der Auktionskatalog von 1891 – konnte man sich schwerlich ein Bild über den Gesamtumfang der aus Tänikon stammenden Scheiben ( innerhalb dieser um die 600 Stück zählenden Sammlung ) machen. Und der Schwerpunkt der https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

72 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

früheren Darstellungen lag wegen ihrer besonderen kunsthistorischen Bedeutung auf den Kreuzgangzyklen. Das heisst, die Forschung kann nur « rückwärts » – ausgehend von dem, was Rahn vorfand und beschrieben hatte – rekonstruieren oder gar behaupten, was Vincent 1832 gekauft hatte ( Boesch 1943 ; Nater 1906 ; Knoepfli 1950 ; Zehnder 1992 ). Ob damals einzig die Scheiben aus dem Kreuzgang mitgenommen wurden und ob es tatsächlich 37 an der Zahl waren oder ob weitere aus anderen Gebäuden des Klosters im gleichen Handel bereits dabei waren, muss bei genauer Betrachtung offenbleiben. Andere Transaktionen, die nur früher hätten stattfinden können, sind nicht bekannt. Spielte der von Rahn erwähnte Verhörrichter Ammann in diesem Zusammenhang vielleicht doch eine Rolle ? Das Vermögen der Klöster wurde 1834 staatlich inventarisiert und ab 1836 kam Tänikon unter kantonale Verwaltung. Gut möglich, dass sich Rahn da zeitlich vertut, aber in der Sache dahingehend richtig liegt, dass eben noch weitere Verkäufe statt­ gefunden haben könnten. Zudem bleibt die im Brief erwähnte Tatsache, dass Vincent nicht zum ersten Mal und nicht als Einziger im Kloster für ein Angebot vorstellig geworden war. Vielleicht kamen auch durch Tausch und Kauf von anderen Sammlern Tänikoner Stücke dazu. Verscherbelt oder nicht : der tatsächlich erzielte Preis

Weitere Erkenntnisse könnte ein Blick in die von Rahn 1898 ( S. 17 ) erwähnte Klosterrechnung geben. Leider sind im Staatsarchiv Thurgau für den fraglichen Zeitpunkt, in welchem der Verkauf schriftliche Spuren hätte hinterlassen können, keine Rechnungen zu finden und auch ein Blick in die noch vorhandenen Finanzunterlagen ergab keine Hinweise. Die Abweichung der Beträge ist durchaus bemerkenswert : Die Darstellungen bis Knoepfli gehen von einer Verkaufssumme von 700 Gulden ( fl ) aus, während die Äbtissin in ihrer Rechtfertigung an die Adresse der Regierung unterstreicht, dass sie 800 fl statt der gebotenen 700 herausgeholt hatte. Dies, nachdem sie schon früher ihr zu tief erscheinende Angebote erhalten hatte. Sie spricht zum Beispiel von einem Angebot ( vermutlich für den gleichen Bestand an Objekten ) über 30 Louis d’or, was umgerechnet nicht einmal der Hälfte entspricht. Mit dem Hinweis, dass sie auch von « herwärtigen Kantonsbürgern » Angebote erhalten habe, reagiert die Äbtissin auf den Brief der Regierung, der explizit den Verkauf « nach dem Auslande » erwähnt und ihn wohl implizit moniert. Es kommen verschiedene gutbetuchte Bürger in Betracht. War es vielleicht Freiherr Joseph von Lassberg auf ­Eppishausen, deutscher Germanist, Schriftsteller und Freund von Pupikofer, der wie Vincent Glasmalereien sammelte ? Zur Rechtfertigung des Verkaufs verweist die Äbtissin auf den von ihr in Angriff genommenen, mit hohen Kosten verbundenen Umbau der Kirche ( 1829 –1831 ). Und daran sieht sie das Gute, denn damit ist allen recht getan : Die Investition in das Gotteshaus kommt, auch und gerade bei einer drohenden Klosteraufhebung, der ( noch zu konstituierenden ) Kirchgemeinde zugute, das Seelenheil der einstigen Stifter der Glas­ gemälde bleibt sozusagen zweckgebunden gewahrt und die Rechtfertigung gegenüber https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

73 Bares für Rares – Die letzte Äbtissin des Klosters Tänikon und der Verkauf von Glasmalereien 1832

dem Kanton als Finanzkontrolleur wirkt zufriedenstellend. Bei Nater lesen wir, dass die Baumassnahmen 8000 fl gekostet haben ( Nater 1927, S. 33 ) ; die Glasmalereien steuerten damit mindestens 10 Prozent der Kosten bei. Zum Umbaukonzept gehörte auch der Bau einer neuen Orgel. Dass diese im Brief der Äbtissin nicht erwähnt wird, ist bemerkenswert ; ihr Bau sollte sich ja noch etwas hinziehen. Die Tatsache, dass die genannten Baumassnahmen unter Johanna unmittelbar vor der 1831 einsetzenden Finanzaufsicht lanciert worden waren, weist auf die bemerkenswerte Persönlichkeit dieser Äbtissin hin. Die Frage nach dem Unterschied von 100 Gulden führt ins Reich der Spekulationen. Äbtissin Maria Johanna spricht in ihrem Brief vor allem von den Kreuzgangfenstern. Ob die Differenz mit den nicht explizit benannten weiteren Fenstern zusammenhängt ? Auffällig ist nicht nur die Erwähnung von verloren gegangenen Stücken, sondern auch die Betonung des schlechten Zustands der verbliebenen Kreuzgangfenster aufgrund der Witterung, der ungünstigen klimatischen Verhältnisse und des fehlenden Know-hows im Unterhalt. Gerade einmal sieben – gemeint sind wohl Kreuzgangfenster – seien unversehrt. Damit rechtfertigt die Äbtissin ( vielleicht auch allfälliger Kritik über die Höhe zuvorkommend ) den Verkaufserlös, den sie, in einer Notsituation, erzielen konnte. Übrigens : Rahn schätzt den historischen Wert von Vincents Sammlung auch ­deshalb hoch, weil kaum Reparaturen an den Sammelobjekten vorgenommen und die Stücke wie übernommen so belassen worden seien ( Rahn 1890, S. 4 ). Die Frage, ob die Äbtissin den Zustand vielleicht aber doch etwas dramatischer beschreibt, muss an dieser Stelle offenbleiben. Der Äbtissin scheint der Wert der qualitätvollen Glasmalereien bewusst gewesen zu sein – weshalb sie die noch vorhandenen Stücke in guten Händen wissen wollte. Dem Brief nach zu schliessen, brachte sie Vincent dieses Vertrauen entgegen, was auch auf eine gewisse Bekanntschaft unter den beiden Personen hindeutet. Ein beharrlicher Walser …

Wann sich die beiden Persönlichkeiten erstmals begegnet sind und wie der Sammler auf die Glasmalereien aufmerksam geworden ist, weiss man nicht. Vielleicht hat Johann Nikolaus Vincent zunächst geschäftlich mit dem Kloster verkehrt : Vincent arbeitete in Konstanz mit der Firma Zumstein zusammen, die mit Seide und Baumwollwaren handelte ; ein Lieferant des Gotteshauses ? Die Gründer dieser Firma waren wie er Walser und stammten aus derselben Gegend im Aostatal. So ist es auch möglich, dass er das Kloster während seiner legendär ausdauernden Fussmärsche – die er etwa von und nach seiner Heimat Gressoney-St. Jean absolvierte – kennengelernt hatte. Denkbar ist auch, dass das Reden über die Schätze in Tänikon unter Sammlerkreisen Vincents Interesse geweckt hatte und er, wie sein Sohn Joseph gegenüber Rahn berichtet, auf Geschäftsgängen einen entsprechenden Abstecher für « Fahndungen nach solchen Erwerbungen » gemacht hatte ( Biografisches zu Vincent bei Rahn 1890, S. 1– 4 und Gregori 2003 ). Der vor 1827 verstorbenen Vorgängerin von Maria Johanna Baptista, Dominika Agatha Seiler ( im Amt 1796 –1827 ), hatte er nach Aussage der Äbtissin bereits Angebote für die Glasmalereien unterbreitet. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

74 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Händler, Buchhalter, Sammler, Wanderer, sogar Bergsteiger – alles Eigenschaften, die auf ein gewisses Mass an Beharrlichkeit in Vincents Charakter hinweisen. Äbtissin Maria Johanna, ihrerseits aus dem Toggenburg stammend, trifft in den Verhandlungen jedenfalls auf eine vielseitige Persönlichkeit mit einem entsprechenden Auftreten. Man würde sich gern die Verkaufsverhandlungen vergegenwärtigen können. Nur schon die Frage, wie man ein solches Thema sensibel anspricht, bei welcher Gelegenheit auch immer, einer Äbtissin gegenüber, die sich wohl in gewissen Nöten und in Verlegenheit befindet, die aber auch Würde zu bewahren hatte. Einziger Hinweis aus dem Brief für die Anbahnung des Verkaufs ist das mehrmalige Nachfragen Vincents ; seine Beharrlichkeit eben. Und wenn wir beim Vergegenwärtigen sind : Man stelle sich den Transport vor, vermutlich auf Karren, quer durch den Kanton auf steinigen Wegen ; Vincent mit ebenso zufriedenem wie besorgtem Gesicht nebenher marschierend ?  … und eine letzte Äbtissin von besonderem Format

Mag man die hier angesprochenen Fragen auch für Details halten. Wesentlich an diesem bisher wenig beachteten Brief ist nicht zuletzt eines : Er stammt von einer bemerkenswerten Verfasserin. Beim Begriff der « letzten Äbtissin » denkt man vielleicht an die berühmt gewordene Fraumünster-Äbtissin Katharina von Zimmern während der Zürcher Reformation. Als letzte Vorsteherin eines bedeutenden Frauenklosters am Vorabend seiner Auflösung kommt Maria Johanna Baptista wohl nicht dieselbe Bedeutung zu, sie erweist sich aber ebenfalls als eine « ultima abbatissa » mit besonderem Format. Zwar weiss man bisher ausser einigen wenigen biografischen Daten, ausser den unter Johanna Baptista vollzogenen Baumassnahmen und eben dem hier besprochenen Verkauf doch recht wenig über sie. In dem Brief fällt einem ein beachtlich eigenständiges Handeln, ein selbstbewusstes Argumentieren gegenüber den Herren der Regierung auf. Die 55-jährige Äbtissin setzt in dem Schreiben die Erlaubnis für ihr – bereits vollzogenes und die Finanzkontrolle ausser Acht lassendes – Handeln voraus und schiebt Unwissen vor, das man ihr in diesem Moment nicht abnehmen mag. Angesichts eines sich abzeichnenden und von hohen Herren bestimmten Endes der über 600-jährigen Geschichte der Zisterzienserinnen in Tänikon und den damit zweifellos verbundenen Gefühlen der Enttäuschung, Ohnmacht und eines persönlichen Schmerzes ein bemerkenswerter Vorgang. Man würde gern mehr wissen wollen. Transkription des Briefs vom 1. April 1833 ( STATG 4’390’2,21 )

Die Äbtissin des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Tänikon, Maria Johanna Baptista Rutz ( im Amt 1827–1848 ), rechtfertigt auf Anfrage der Kantonsregierung den im Juni 1832 getätigten Verkauf von Glasmalereien an den Konstanzer Johann Nikolaus Vincent.

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75 Bares für Rares – Die letzte Äbtissin des Klosters Tänikon und der Verkauf von Glasmalereien 1832

Herr Präsident Herren Regierungsräthe ! Der unterm 30ten Merz erhaltenen Aufforderung zu entsprechen, beeile mich Ihnen ! die verlangte Auskunft unsere Glasgemählde betreffend zu geben. Allerdings waren früher in unsrem Gottshaus solche Glasgemählde, meist Scenen aus den Pasionen darstellend vorfindlich, von welchen mehrere durch Kunstfreunde zimlich hoch geschäzt werden. Der gröste Theil derselben aber gieng nach und nach durch den Einfluß der Feuchtigkeit im Kreuzgang, durch Stürme und Hagelschloßen, und weil sie niemand zu behandeln verstund, zu Grunde. – Aus dießer Ursache wünschte ich schon lange dießen todten, und immer mehr verlustigen Schaz in die Hand eines Mannes, welcher ihn beßer besorgen könnte. Die Anerbothe, welche mir von mehreren Seiten, und auch von herwärtigen Kantonsbürgern gemacht wurden, waren indeßen so gering, daß der Meistbiethende nicht mehr als 30 Louis d’Or antragen wollte. Während dem vermehrten die Kosten des Kirchenbaus welchen das Gottshaus zu Gunsten der Kirchgemeinde Tänickon vorgenomen hatte, die Bedürfniße an Baarem Geld der Art, daß ich mich in zimlicher Verlegenheit sah. In dießer Zeit besuchte unser Gottshaus ein gewißer Herr Vincent von Konstanz. Derselbe wiederholte seine schon unter der seligen lezt verstorbenen Abtißin gemachten Kaufsanträge für die Glasgemählde, und ich ließ mich auf sein Anerbiethen de 700 Gulden endlich in einen Handel ein, welcher sodann für 800 Gulden abgeschloßen wurde. Die Gemählde sind auch bereits im Monat Juni vorigen Jahrs abgeholt worden, worunter noch einzige 7 Stüke unbeschädigt waren. Die Erlössumme ist gröstentheils für die Kirche verwendet, – also wie ich glaube zu einem Zweke, der der ganzen Umgegend von gröstem Nuzen ist. Hätte ich übrigens gewußt, daß sich eine hohe Regierung der Sache annehmen würde, dann wäre allerdings der Handel so lange unterblieben, bis der Consens ab Seite derselben erhältlich gewesen wäre, woran ich aber unter obwaltenden Umständen nicht gezweifelt hätte. Mit dießer wie ich hoffe genügenden Auskunft verbinde ich den Ausdruk der grösten Hochachtung und Verehrung, gehorsamste Dienerin Johanna Baptista Abtissin Tänikon den 1ten Aprill 1833

Hinweis : Die im Original vorhandenen Abkürzungen wurden kommentarlos aufgelöst, ansonsten buchstaben- und zeilengetreu transkribiert. Begriffe : Hagelschloß = Hagelkorn, Anerboth = Angebot.

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76 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

73a und 73b  Äbtissin

Maria Johanna Baptista Rutz rechtfertigt auf Anfrage der Kantonsregierung den im Juni 1832 getätigten Verkauf von Glasmalereien an den Konstanzer Johann Nikolaus Vincent. Brief vom 1. April 1833.

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

77 Bares für Rares – Die letzte Äbtissin des Klosters Tänikon und der Verkauf von Glasmalereien 1832

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

79 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Silvia Volkart und Ruedi Elser

Die Glasgemälde im Kreuzgang des Klosters Tänikon – Bilderkatalog In den Jahren 1558 bis 1610 wurde der Kreuzgang des Zisterzienserinnenklosters Tänikon mit einem Glasgemäldezyklus ausgestattet, der als bedeutendster Auftrag dieser Art in die Kunstgeschichte des Kantons Thurgau eingegangen ist. Abbildung 74 Initiantin des Zyklus, der von zahlreichen Stifterinnen und Stiftern finanziert wurde, war Sophia von Grüt. Die aus dem Kloster Magdenau 1548 als Schaffnerin nach Tänikon berufene und 1550 zur Äbtissin erhobene Zisterzienserin belebte das klösterliche Leben nach der Reformation neu. Die kunstsinnige Klosterfrau führte und verwaltete den nachreformatorischen Konvent in Tänikon mit Geschick und starker Hand bis zu ihrem Tod 1579. 

(  linke Seite  )  Jesus

am Kreuz von Hans Füchslin, 1564, Glas­ gemälde für Kloster Tänikon ( Ausschnitt aus Kat. 25 ), Schweizerisches National­ museum LM 56894.

Die 42 Tänikoner Kreuzganggemälde blieben bis in das Jahr 1890 als Zyklus zusammen, auch wenn sie 1832 von der damaligen Äbtissin Johanna Baptista Rutz dem Konstanzer Sammler Johann Nikolaus Vincent verkauft worden waren. Als die vincentsche Glasgemäldesammlung 1890 zur Versteigerung kam, wurden die Tänikoner Scheiben in alle Winde verstreut. Im Vorfeld des Verkaufs hatte der Kunsthistoriker Johann Rudolf Rahn die umfangreiche Glasbilderreihe bearbeitet. Auf seinem Gemäldekatalog beruht der 1943 von Paul Boesch veröffentlichte Aufsatz « Die Glasgemälde aus dem Kloster Tänikon », in dem die Scheiben ausführlich besprochen und mit Schwarz-weiss-Aufnahmen dokumentiert sind. Auf Rahn und Boesch basiert auch Albert Knoepflis Katalog zum Tänikoner Kreuzgangzyklus, den er 1950 im Kunstdenkmälerband zum Bezirk Frauenfeld veröffentlichte ( vgl. Rahn 1890 ; Boesch 1943 ; Knoepfli 1950 ). Der vorliegende Katalog stützt sich ebenfalls auf diese Publikationen, berücksichtigt darüber hinaus aber auch neue Forschungsergebnisse zu Tänikon. Dazu gehören Erkenntnisse von Mitarbeitenden des Vitrocentre Romont, die den Glasbilderzyklus im Rahmen des Projekts Corpus Vitrearum Thurgau untersuchten. Dazu zählen weiter Dokumentationen der besitzenden Museen wie auch wertvolle Hinweise von privater Seite zum Verbleib verschiedener Scheiben. Im Rahmen der Recherchen für den Bilderkatalog konnten so zwei der als « verschollen » geltenden Glasgemälde aufgefunden werden : die Scheibe mit der Darstellung der « Beschneidung Jesu » ( Kat. 7 ) und diejenige mit der « Fusswaschung » ( Kat. 15 ). Heute befinden sich die Tänikoner Glasmalereien fast ausschliesslich in Museumssammlungen : 16 Scheiben bewahrt das Schweizerische Nationalmuseum auf, sechs Scheiben das Museé Ariana in Genf und vier Gemälde das Historische Museum Thurgau in Frauenfeld. Einzelne Werke gelangten durch den Kunsthandel in deutsche Museen. Dank älterer Aufnahmen von vier heute nicht mehr lokalisierten Gemälden, die sich in den Bildarchiven des Amts für Denkmalpflege des Kantons Thurgau und des Schweizerischen Nationalmuseums befinden, konnten auch diese Werke in den Katalog integriert werden.

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80 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Der für den vorliegenden Band erstellte Bilderkatalog zeigt 35 der insgesamt 42 Glas­ gemälde in farbigen Ansichten. Zwei Objekte sind als Schwarz-weiss-Reproduktionen dokumentiert. Von fünf weiteren Gemälden existieren nur Beschreibungen. Der eindrückliche farbige Bilderreigen erlaubt es – wohl erstmals seit der Auflösung des Zyklus im Jahr 1890 – Leserinnen und Lesern eine Vorstellung von der einstigen Gesamt­wirkung der hochkarätigen Renaissancegemälde zu vermitteln. Die grossformatigen Abbildungen ausgewählter Scheiben, die im Original nur circa 30 × 50 Zentimeter messen, machen überdies die hohe künstlerische Qualität der Werke erlebbar. Möge dieser Bilderkatalog einen Beitrag leisten für eine neue Wertschätzung des thurgauischen Glasgemäldezyklus. Und möge er als Grundlage dienen für weitere Forschungen zur Glasmalerei in der Schweiz, die mit Niklaus Bluntschli und Jos Murer im 16. Jahrhundert hervorragende Künstler vorzuweisen hat. Im vorliegenden Band wurde für die Namen von Stifterinnen und Stiftern eine moderne Schreibweise gewählt. Dies betrifft insbesondere den Familiennamen der Äbtissin Sophia. Da der Name auf Inschriften von Glasgemälden, in Quellen und in der Sekundärliteratur in verschiedenen Varianten anzutreffen ist, wurde er im Katalog und in den betreffenden Texten auf die Version « von Grüt » vereinheitlicht. Zu Sophia von Grüt und zur Geschichte des Bilderzyklus siehe die Beiträge von Sarah Keller S. 54 – 64 und Michael Mente S. 69 –77.

Abkürzungen

BLK HMLU HMTG KGMB MAG MHW NGNM SNM

Badisches Landesmuseum Karlsruhe Historisches Museum Luzern Historisches Museum Thurgau, Frauenfeld Kunstgewerbemuseum, Staatliche Museen Berlin Musée Ariana, Genf Museum Heylshof Worms Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum Schweizerisches Nationalmuseum https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Glasgemälde 01 Scheibe des Hans Locher und Gemahlin Verena Engelhart

42 41 40 39 38 37 36 35 34 33 32 31 30 29

1 2 3 4 5 6 9 10 11 12

28 27 26 25 24 23

7 8 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22

74  Zisterzienserinnenkloster Tänikon, Grundriss der Kernbauten im Erdgeschoss, nach einem Plan von Johann Rudolf Rahn 1897. Der Gebäudekomplex des 1848 aufgehobenen, danach in Privatbesitz gelangten Klosters erfuhr durch den Abbruch von Konventsbauten und Kreuzgang massive Veränderungen. Hellgelb eingefärbt der erste Abbruch 1853, orange eingefärbt der Abbruch des Südflügels 1960. 1969 Verkauf der Anlage an den Bund zur Errichtung der eidgenössischen Forschungsanstalt für Betriebswirtschaft und Landtechnik ( FAT ). Die Abfolge des 42teiligen Glasgemälde-­ Zyklus im Kreuzgang ist im Grundriss mit Nummern markiert.

Kat. 01 Scheibe

des Hans Locher und Gemahlin Verena Engelhart  Locher, thurgauischer Landschreiber, und Verena Engelhart  Künstler, Jahr  Jos Murer zugeschrieben, um 1560  Standort   HMTG

StifterIn  Hans

Der von 1532 bis 1564 als thurgauischer Landschreiber amtierende Locher war massgeblich beteiligt an der Wiederbelebung des Klosterlebens in Tänikon unter der Verwalterin und späteren Äbtissin Sophia von Grüt. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

82 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

83 Die Glasgemälde im Kreuzgang des Klosters Tänikon – Bilderkatalog

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Glasgemälde 03 Verkündigung Mariä Ausschintt aus Kat. 03  Verkündigung Mariä

Kat. 03  Verkündigung

Mariä  Stifterin  Sophia von Grüt, Äbtissin des Klosters Tänikon  Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli, um 1558  Standort  HMTG Im Zentrum des Bildes ist die Verkündigung der Geburt Jesu an Maria dargestellt. Maria kniet unter einem Baldachin, während sich von links der Engel Gabriel mit Zepter und Schriftband nähert. Neben Maria stehen rechts allegorische Frauengestalten : die Sapientia als Verkörperung des Namens Sophie ( griech. Weisheit  ) mit ihren Töchtern Fides, Spes und Caritas ( Glaube, Hoffnung, Liebe ). Davor die Stifterin mit ihrem Wappen. Nach Albrecht Dürers Holzschnitt aus der Folge « Marienleben ». https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Glasgemälde 04 Jesus und die Samariterin am ­Jakobsbrunnen Ausschnitt aus Kat. 04  Jesus und die Samariterin am ­Jakobsbrunnen

Kat. 04  Jesus

und die Samariterin am ­Jakobsbrunnen  Stifterin  Beatrix von Grüt, ­Schwester der Sophia von Grüt  Künstler, Jahr  anonym, 1558  Standort  SNM

Jesus und die Samariterin sitzen am steinernen Ziehbrunnen, rechts in Bild ist die als Patrizierin gekleidete Stifterin mit ihrem Wappen dargestellt. Im Hintergrund weiträumige Landschaft mit Gebirgsstadt und einer Burg am See. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

86 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

87 Die Glasgemälde im Kreuzgang des Klosters Tänikon – Bilderkatalog

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Glasgemälde 06 Die Heiligen Michael als Seelenwäger und Oswald als König

Ausschnitte aus Kat. 06 

Die Heiligen Michael als Seelenwäger und Oswald als König

Kat. 06  Die

Heiligen Michael als Seelenwäger und Oswald als König  Zug  Künstler, Jahr  anonym, 1558  Standort  SNM

Stifterin  Stadt

Die Scheibe zeigt die Zuger Stadtpatrone Michael, der zum Schwertstreich gegen den in der Seelenwaage hockenden Teufel auszieht, und Oswald im Silberpanzer mit blauem Mantel. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Glasgemälde 07 Beschneidung Jesu

Ausschnitt aus Kat. 07 

Beschneidung Jesu

Kat. 07  Beschneidung

Jesu  Stifterin  Dorothea Geilinger, Ä ­ btissin des Klosters Magdenau  Bluntschli, 1559  Standort  Kloster Magdenau SG

Künstler, Jahr  Niklaus

Nach Albrecht Dürers Holzschnitt aus der Folge « Marienleben ». Bildfüllend dargestellt ist die ­Beschneidung Jesu, die von zahlreichen Personen beobachtet wird. Im Vordergrund unten rechts kniet neben dem Wappenschild die betende Äbtissin Dorothea Geilinger ( im Amt 1550 –1571). https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

90 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

91 Die Glasgemälde im Kreuzgang des Klosters Tänikon – Bilderkatalog

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Ausschnitt aus Kat. 08  Anbetung der Könige

Glasgemälde 08 Anbetung der Könige

Kat. 08  Anbetung Künstler, Jahr  Jos

der Könige  Stifter  Melchior Gallati von Glarus, Landvogt im Thurgau  Murer, 1559  Standort  SNM

Nach Albrecht Dürers Holzschnitt aus der Folge « Marienleben ». Die Heiligen Drei Könige beten das Jesuskind an und überbringen ihre ­Geschenke. Über der Szenerie schweben drei Engel mit einer Schrifttafel und dem Monogramm des Meisters IM (Jos Murer ). https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Ausschnitte aus Kat. 09 

Der zwölfjährige Jesus im Tempel

Glasgemälde 09 Der zwölfjährige Jesus im Tempel

Kat. 09  Der

zwölfjährige Jesus im Tempel  Stifterin  Afra Schmid, Äbtissin des Klosters ­Feldbach  Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli, 1559  Standort  SNM

Nach Albrecht Dürers Holzschnitt aus der Folge « Marien­leben ». Vielfigurige Szene mit Jesus am Lesepult im Tempel im Gespräch mit Schriftgelehrten. Von links treten Maria und Josef in den Raum. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

94 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

95 Die Glasgemälde im Kreuzgang des Klosters Tänikon – Bilderkatalog

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Glasgemälde 11 Magdalena salbt Jesus die Füsse

Ausschnitt aus Kat. 11 

Magdalena salbt Jesus die Füsse

Kat. 11  Magdalena

salbt Jesus die Füsse  Stifter  Benedikt von Hertenstein, Vater der Täniker Äbtissin Barbara von Hertenstein  Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli, 1559  Standort  NGNM Während Jesus an der reich gedeckten Tafel mit den Jüngern disputiert, salbt Magdalena ihm die Füsse. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Glasgemälde 18 Jesus vor Kaiphas

Ausschnitt aus Kat. 18 

Jesus vor Kaiphas

Kat. 18 

Jesus vor Kaiphas  StifterIn  Erasmus von Hertenstein und Gemahlin Martha Tamanÿn  Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli, um 1559  Standort  MHW

Nach Albrecht Dürers Holzschnitt aus der Folge « Kleine Passion ». In der bildfüllenden Darstellung führen Kriegsknechte Jesus vor Kaiphas, der auf einem Thron sitzt. Im Vordergrund links und rechts die Stifterwappen mit reicher Helmzier. Im Hintergrund eine hüglige Landschaft unter einem wolkenlosen Himmel mit einem Vogelschwarm. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

98 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

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99 Die Glasgemälde im Kreuzgang des Klosters Tänikon – Bilderkatalog

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Glasgemälde 23 Pilatus wäscht sich die Hände

Ausschnitte aus Kat. 23 

Pilatus wäscht sich die Hände

Kat. 23  Pilatus

wäscht sich die Hände  StifterIn  Sebastian von Hohenlandenberg, Gerichtsherr zu Herdern TG, und Magdalena von Hohenlandenberg geborene Blarer von Wartensee  Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli, 1559 Standort  SNM

Nach Albrecht Dürers Holzschnitt aus der Folge « Kleine Passion ». Auf dem Thron sitzt Pilatus, dem zwei Diener Schüssel und Wasser zur Hand­waschung reichen. Rechts vorne wird Christus von Kriegsknechten abgeführt. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Glasgemälde 25 Jesus am Kreuz

Ausschnitt aus Kat. 25 

Jesus am Kreuz

Kat. 25  Jesus

am Kreuz  StifterIn  Albrecht Segesser und Gemahlin Küngold von Meggen  Künstler, Jahr  Hans Füchslin, 1564  Standort  SNM

Die vor einer weiträumigen Landschaft mit einer Stadt am See und Gebirge situierte ­Kreuzigungsszene zeigt den Moment, als Longinus den Gekreuzigten mit seiner Lanze in die Seite sticht. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

102 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

103 Die Glasgemälde im Kreuzgang des Klosters Tänikon – Bilderkatalog

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104 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Glasgemälde 29 Hochzeit zu Kana

Kat. 02  Bildscheibe

zum Ge­ denken an den Klostergründer Eberhard von Bichelsee  Stifterin  wahrscheinlich Sophia von Grüt, Äbtissin des Klosters Tänikon  Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli, 1558  Standort  HMTG Die Scheibe für Eberhard von Bichelsee zeigt zwischen den Wappen von Citeaux / Kappel und Bichelsee die Muttergottes mit dem Jesuskind. Links neigt sich der gekreuzigte Christus dem Heiligen Bernhard von Clairvaux zu ( sog. Amplexus ). Im Hintergrund breitet sich eine weiträumige Berg-, See- und Burgenlandschaft aus.

Kat. 05 Kreuztragung  Stifterin  Veronika Schwarzmurer von Zug, Witwe des Joachim von Grüt und Mutter der Sophia von Grüt  Künstler, Jahr  anonym,  1558  Standort  SNM

Dem unter dem Kreuz zusammengesunkenen Jesus hält Veronika das Schweisstuch entgegen, während Simon von Kyrene den Fuss des Kreuzes anhebt. Verschiedene Begleit­ personen zu Fuss und zu Pferd beobachten die Szene oder sind in Gesprächen vertieft. Im Hintergrund gebirgige Landschaft.

Hochzeit zu Kana  Stifter  unbekannt  Künstler, Jahr  Jos Murer zugeschrieben, um 1564/65  Standort  HMTG

Kat. 29 

Inschrift und Wappen am unteren Bildrand, welche die Scheibe als Stiftung der Sophia von Grüt dokumentieren sollen, sind nicht original, sondern wurden nach 1890 angefügt. Die durch eine Säule in zwei Bildfelder geteilte Darstellung zeigt rechts die um die gedeckte Tafel versammelte Hochzeitsgesellschaft in einem hallenartigen Raum. Im linken Bildfeld, das den Blick auf ein Gebäude mit Torbogen und eine Hügellandschaft weitet, giesst die Dienerschaft Wasser in Krüge. In beiden Szenen ist der mit einem Nimbus gekennzeichnete Jesus präsent. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

105 Die Glasgemälde im Kreuzgang des Klosters Tänikon – Bilderkatalog

Kat. 10  Jesu Abschied von seiner Mutter  StifterIn  Hans und Barbara von Ulm-Hinwil  Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli,  1559  Standort  SNM

Nach Albrecht Dürers Holzschnitt aus der Folge « Marienleben ». In einem Garten nimmt Jesus Abschied von seiner in die Knie ­gesunkenen Mutter. Im Hintergrund weiträumige Gebirgslandschaft mit einem See und einer Hafenstadt.

Einzug Jesu in Jerusalem  Schwitzer und Gemahlin Anna Lämler  Künstler, Jahr  anonym, um 1559  Standort  SNM Kat. 12 

StifterIn  Ulrich

Nach Albrecht Dürers Holzschnitt aus der Folge « Kleine Passion ». Die fragmentarisch erhaltene Scheibe zeigt rechts im Bild Jesus vor dem Einzug in die Stadt Jerusalem. Links unten Inschrift mit den Namen des Stifter­ ehepaars und deren Wappen.

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

106 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Kat. 13  Vertreibung der Händler aus dem T ­ empel  Stifter  Stand Luzern  Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli, um 1559  Standort  unbekannt

Nach Albrecht Dürers Holzschnitt aus der Folge « Kleine Passion ». Die dramatische Handlung der Vertreibung der Händler aus dem Tempel durch Jesus ist umrahmt von figurativ geschmückten Pfeilern, die einen durch Renaissanceranken gestalteten Verbindungsbalken tragen.

Kat. 14 Abendmahl StifterIn 

Hug von Hallwyl und Gemahlin Küngold Schenk von Kastel  Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli, 1   559  Standort  SNM Nach Albrecht Dürers Holzschnitt aus der Folge « Kleine Passion ». Darstellung des Abendmahls vor einer mit kostbarem Brokatstoff geschmückten Wand und einer mit Putten besetzten ­Frucht­girlande.

Fusswaschung  David von Hohen­ landenberg und Gemahlin Elisabeth von Hohenlandenberg geborene Haidenhaim  Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli, 1   559  Standort  KGMB Kat. 15 

StifterIn  Hug

Nach Albrecht Dürers Holzschnitt aus der Folge « Kleine Passion ». In einer vielfigurigen Darstellung in einem engen Innenraum wäscht Jesus einem Jünger die Füsse.

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

107 Die Glasgemälde im Kreuzgang des Klosters Tänikon – Bilderkatalog

Kat. 16  Jesus

am Ölberg  StifterIn  Kaspar Ludwig von Haidenheim zu Klingenberg und Gemahlin Elisabeth geborene Reichlin von Mieldeck sin Eegmachell  Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli,  1559  Standort  unbekannt Nach Albrecht Dürers Holzschnitt aus der Folge « Kleine Passion ». Die Szene mit dem betenden Jesus am Ölberg ist umrahmt von den Stifterwappen. Darüber wölbt sich ein fünfteilig ge­ brochener, figürlich geschmückter Flachbogen.

Kat. 17  Gefangennahme

Jesu  StifterIn  Christoph von Castelmur, Vater der Täniker Konventualin Ursula von Castelmur, und Amenlya von Ramschwag  Künstler, Jahr ­ Niklaus Bluntschli, um 1559  Standort  SNM Nach Albrecht Dürers Holzschnitt aus der Folge « Kleine Passion ». Im Mittelpunkt der Darstellung küsst Judas Jesus, während im Vordergrund Petrus gegen den am Boden liegenden Laternen­ träger das Schwert zückt.

Verspottung Jesu  Stifter  Christoph Giel von Gielsberg, Gerichtsherr zu Wängi TG und Vater der Täniker Konventualin Ursula Giel  Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli, 1559  Standort  MAG Kat. 19 

Nach Albrecht Dürers Holzschnitt aus der Folge « Kleine Passion ». Im rechten Bildteil Darstellung der Verspottung Jesu. Die beiden Hauptfiguren der biblischen Erzählung, der zugreifende Scherge wie auch Jesus, sind durch Wappenfragmente ersetzt.

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108 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Kat. 20  Jesus

vor Pilatus  Zug  Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli, 1559  Standort  SNM Stifterin  Stadt

Nach Albrecht Dürers Holzschnitt aus der Folge « Kleine Passion ». Jesus wird von Kriegsknechten Pilatus vorgeführt. Die in einem Innenraum gezeigte Szene weitet den Blick des Betrachters durch Fensteröffnungen auf einen wolkenlosen Himmel mit einem Schwarm von Vögeln. Die Szenerie ist umrahmt von einer Früchtegirlande und figurativ gestalteten Pilastern.

Kat. 21  Jesus

vor Herodes  Stifter  Balthasar Tschudi von Glarus, Landvogt im Toggenburg  Künstler, Jahr  anonym, 1558  Standort  SNM Frei nach Albrecht Dürers Holzschnitt aus der Folge « Kleine Passion ». Der gefesselte Jesus wird dem auf einem Thron sitzenden Herodes zugeführt.

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109 Die Glasgemälde im Kreuzgang des Klosters Tänikon – Bilderkatalog

Kat. 22  Geisselung

Jesu  Lätter und Gemahlin Anna Locher  Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli,  1559  Standort  unbekannt StifterIn  Kaspar

Nach Albrecht Dürers Holzschnitt aus der Folge « Kleine Passion ». Flankiert von den Wappen der Lätter und Locher wird die Geisselung Jesu geschildert. Ein jochartig gebrochener Flachbogen mit zwei nackten, reitenden Wildmännern in den Zwickeln schliesst die Szenerie am oberen Bildrand ab.

Kreuztragung  StifterIn  Theophilus von Grüt, Bruder der Sophia von Grüt, und Gemahlin Anna von Grüt, geborene von Beringen  Künstler, Jahr  Hans Füchslin zugeschrieben, 1563  Standort  SNM Kat. 24 

Dem unter der Last des Kreuzes gestrauchelten Jesus hält Veronika ein Tuch hin, während Simon von Kyrene das Kreuz tragen hilft. Die vielfigurige Darstellung ist in einem Innenraum mit Blick auf eine Stadtlandschaft situiert.

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110 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Anbetung der Hirten  von Grüt, Meisterin zu Hermetschwil, und Schwester der Sophia von Grüt  Künstler, Jahr  Hans Füchslin zugeschrieben, 1564  Standort  unbekannt  S/F-Foto von 1931 Kat. 26 

Stifterin  Meliora

Zwischen die Stifterwappen konzipiert ist die Darstellung der Anbetung des Jesuskindes durch die Hirten. Dominiert wird die Szenerie von einer imposanten Architekturkulisse mit Blick auf eine Weidelandschaft mit Stadtvedute.

Kat. 27  Mariä Himmelfahrt und K ­ rönung  Stifter  Hans Waltmann aus Wangen im Allgäu  Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli zugeschrieben, 1564  Standort  BLK

Im Mittelfeld der fragmentarisch erhaltenen Scheibe ist die Krönung Mariens auf Wolken und umgeben von Engel dargestellt. Nach Albrecht Dürers Holzschnitt aus der Folge « Marienleben ».

Speisung der Fünftausend  Zumbrunnen aus Uri, Landvogt im Ober- und Niederthurgau  Künstler, Jahr  Jos Murer ­zugeschrieben,  1564/65  Standort  SNM Kat. 28 

Stifter  Johannes

Überwölbt von einem mit Putten verzierten Volutenbogen verteilt Jesus Brote an Bedürftige. Im Mittelgrund drängt sich eine grosse Menge von Personen zur Speisung.

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111 Die Glasgemälde im Kreuzgang des Klosters Tänikon – Bilderkatalog

Kat. 30  Juden drohen, Jesus zu steinigen  Stifter  unbekannt  Künstler, Jahr  anonym, undatiert  Standort  MAG

Die nur aus den Worten «  Das Lannd   » bestehende Inschrift der bekannten Scheibe lässt auf ein Pendant mit dem zweiten Teil der Inschrift schliessen, welche wohl den Standes- oder Landesnamen des Stiftenden angegeben hätte. Die Scheibe zeigt eine Halle, in welcher Juden Jesus mit Steinen bedrohen. Die Szenerie ist umrahmt von einem Gebälk, das von variantenreich geschmückten Stützen getragen ist.

Pendant zu Kat. 33  ; Die drei Marien am Grab  Stifter  Hieronymus Frei, Abt des Klosters Muri  Künstler, Jahr  anonym, 1585  Standort  MAG Kat. 34 

Erhalten ist nur die Scheibe mit dem zweiten Teil der Stifterinschrift. Sie zeigt die drei Marien vor dem leeren, von einem Engel bewachten Grab stehend.

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112 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Kat. 35  Der Auferstandene erscheint Magdalena als Gärtner  Stifter  unbekannt  Künstler, Jahr  anonym, undatiert  Standort  MAG

Die Scheibe zeigt den auferstandenen Christus, der Magdalena als Gärtner erscheint. Die knieende Frau ist mit zwei unbemalten Flickstücken durchsetzt. Im Hintergrund Blick auf eine weiträumige Gebirgsund Seenlandschaft.

Kat. 37  Ausgiessung des Heiligen Geistes  Stifter  Ludwig Pfyffer, Ritter, Schultheiss und Pannerherr der Stadt Luzern  Künstler, Jahr  Franz Fallenter zugeschrieben, 1587  Standort  HMLU

Im Zentrum der Darstellung wird die Herabkunft des Heiligen Geistes vergegenwärtigt. Die Taube schwebt über der Figur der frontal gezeigten, sitzenden Maria. Die knieenden Apostel gruppieren sich in einem Kreis um die Muttergottes.

Kat. 38  Wappenscheibe des Christoph Silberisen  Stifter  Christoph Silberisen, Abt des Klosters Wettingen  Künstler, Jahr  anonym, 1587  Standort  SNM

Bildbeherrschend dargestellt ist das Wappen Silberisens mit Inful und Helmzier der Grafen von Citeaux und Rapperswil. Es ist flankiert von der Muttergottes mit Kind und dem Heiligen Christophorus, der Jesus durch den Fluss trägt.

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113 Die Glasgemälde im Kreuzgang des Klosters Tänikon – Bilderkatalog

Kat. 39  Wappenscheibe des Arbogast von Andlau  Stifter  Arbogast von Andlau, Komtur der Johanniterkommende Tobel  Künstler, Jahr  anonym, um 1590  Standort  MAG

Im Zentrum der Darstellung das umkränzte, mit Agraffen und Karyatiden geschmückte Stifterwappen, flankiert von Johannes dem Täufer als Ordenspatron und Christus, der dem ungläubigen Thomas die Wundmale zeigt.

Himmelfahrt Christi  StifterIn  Hans Jakob Fleckenstein und Ursula Mutschli  Künstler, Jahr  anonym, 1600  Standort  HMTG Kat. 40 

Die durch eine Arkade dreigeteilte Darstellung zeigt im Mittelfeld die Himmelfahrt Christi. Die biblische Szene ist umrahmt von den Stifterwappen und einer Kartusche mit Inschrift. In den oberen Zwickeln zwei Kardinaltugenden : links die Justitia mit Schwert und Waage, rechts die Prudentia mit Spiegel und Schlange.

Der Auferstandene erlöst die Gerechten aus dem Limbus  Stifter  Rudolf Guggenbühl, Beichtiger in den Klöstern Magdenau und Tänikon  Künstler, Jahr  Tobias Erhart, 1610  Standort  MAG Kat. 41 

Die Erlösung der Gerechten aus der Vorhölle ist flankiert von Darstellungen des Heiligen Bernhard von Clairvaux als Ordenspatron der Zisterzienser (links) und dem Heiligen Rudolf als Namenspatron des Stifters (rechts). Im Vordergrund der betende geistliche Stifter mit seinem Wappen.

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114 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Kat. 01 Scheibe des Hans Locher und Gemahlin Verena Engelhart Künstler, Jahr  Jos Murer ­zugeschrieben, um 1560 Standort   HMTG

Kat. 02  Bildscheibe zum Ge­denken an den Klostergründer Eberhard von Bichelsee Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli,  1558 Standort  HMTG

Kat. 04  Jesus und die Samariterin am ­Jakobsbrunnen Künstler, Jahr  anonym, 1558 Standort  SNM IN-67.5

Kat. 05 Kreuztragung

Niklaus Bluntschli, um 1558 Standort  HMTG

Kat. 06  Die Heiligen Michael als Seelenwäger und Oswald als König Künstler, Jahr  anonym, 1558 Standort  SNM IN-67.14

Kat. 07  Beschneidung Jesu

Kat. 08  Anbetung der Könige

Künstler, Jahr 

Künstler, Jahr  Jos Murer, 1559

Kat. 09  Der zwölfjährige Jesus im Tempel Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli, 1559 Standort  SNM IN-67.4

Kat. 10  Jesu Abschied von seiner Mutter Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli, 1559 Standort  SNM IN-67.6

Niklaus Bluntschli, 1559 Standort  Kloster Magdenau SG

Standort  SNM DEP-3409

Kat. 11  Magdalena salbt Jesus die Füsse Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli, 1559 Standort  NGNM

Kat. 12  Einzug Jesu in Jerusalem Standort  SNM IN-67.7

Kat. 13  Vertreibung der Händler aus dem ­Tempel Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli, um 1559 Standort  unbekannt

Kat. 14 Abendmahl

Kat. 15  Fusswaschung

Künstler, Jahr 

Niklaus Bluntschli, 1559 Standort  SNM SH-237

Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli, 1559 Standort  KGMB

Kat. 16  Jesus am Ölberg

Kat. 17  Gefangennahme Jesu

Künstler, Jahr 

Künstler, Jahr 

Kat. 18  Jesus vor Kaiphas

Kat. 19  Verspottung Jesus

Kat. 20  Jesus vor Pilatus

Künstler, Jahr 

Künstler, Jahr 

Niklaus Bluntschli, 1559 Standort  unbekannt

­Niklaus Bluntschli, um 1559 Standort  SNM IN-67.9

Niklaus Bluntschli, um 1559 Standort  MHW

Niklaus Bluntschli, 1559 Standort  MAG

Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli, 1559 Standort  SNM IN-67.10

Kat. 21  Jesus vor Herodes

Kat. 22  Geisselung Jesu

Kat. 23  Pilatus wäscht sich

Kat. 24  Kreuztragung

Kat. 25  Jesus am Kreuz

Künstler, Jahr  anonym, 1558

Künstler, Jahr 

die Hände

Künstler, Jahr  Hans Füchslin

Standort  SNM IN-67.11

Niklaus Bluntschli, 1559 Standort  unbekannt

Künstler, Jahr 

zugeschrieben, 1563 Standort  SNM LM 59500

Künstler, Jahr  Hans Füchslin, 1564 Standort  SNM LM 56894

Künstler, Jahr  anonym, um 1559

Kat. 03  Verkündigung Mariä Künstler, Jahr 

Niklaus Bluntschli, 1559 Standort  SNM IN-67.12

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Künstler, Jahr  anonym, 1558 Standort  SNM IN-67.13

115 Die Glasgemälde im Kreuzgang des Klosters Tänikon – Bilderkatalog

Kat. 26  Anbetung der Hirten

Kat. 27  Mariä Himmelfahrt

Kat. 28  Speisung der Fünftausend

Kat. 29  Hochzeit zu Kana

Künstler, Jahr  Hans Füchslin

und ­Krönung

Künstler, Jahr  Jos Murer

Künstler, Jahr  Jos Murer

zugeschrieben, 1564 Standort  unbekannt S/F-Foto von 1931, Archiv SNM, CH Privat, Inv. 28346

Künstler, Jahr  Niklaus Bluntschli zugeschrieben, 1564 Standort  BLK

­zugeschrieben, 1564/65 Standort  SNM IN-67.15

­zugeschrieben, um 1564/65 Standort  HMTG

Kat. 30  Juden drohen, Jesus zu steinigen Künstler, Jahr  anonym, undatiert Standort  MAG

Kat. 31  Scheibe unbekannt, Pendant zu Kat. 30 keine Ansicht überliefert

Kat. 32  Jesus vor dem Kreuz

Kat. 33  Scheibe unbekannt, Pendant zu Kat. 34  keine Ansicht überliefert

Kat. 34  Pendant zu Kat. 33; Die drei Marien am Grab Künstler, Jahr  anonym, 1585 Standort  MAG

Kat. 35  Der Auferstandene erscheint Magdalena als Gärtner Künstler, Jahr  anonym, undatiert Standort  MAG

Kat. 39  Wappenscheibe des Arbogast von Andlau Künstler, Jahr  anonym, um 1590 Standort  MAG

Kat. 40  Himmelfahrt Christi

Stifter  […] Muntprat, Verwalter der

Hauptmannschaft zu Konstanz Künstler, Jahr  anonym, um 1565 Standort  unbekannt, Scheibe nur dank Beschreibung von J. R. Rahn 1890 bekannt, keine Ansicht überliefert

Kat. 36  Krönung Mariä StifterIn  Jost Pfyffer und Anna Fleckenstein Künstler, Jahr  anonym, 1587 Standort  unbekannt, Scheibe nur dank Beschreibung von J. R. Rahn 1890 bekannt,  keine Ansicht überliefert

Kat. 37  Ausgiessung des Heiligen Geistes Künstler, Jahr  Franz Fallenter zugeschrieben, 1587 Standort  HMLU

Kat. 38  Wappenscheibe des Christoph Silberisen Künstler, Jahr  anonym, 1587 Standort  SNM LM-19844

Kat. 42  Begräbnis Christi,

Pendant zu Kat. 41 Stifter  Kaspar von Aegeri,

Beichtiger im Kloster Tänikon Künstler, Jahr  anonym, 1610 Kat. 41  Der Auferstandene erlöst

die Gerechten aus dem Limbus

Standort  unbekannt, Scheibe nur aus der Klosterchronik bekannt, keine Ansicht überliefert

Künstler, Jahr  Tobias Erhart, 1610 Standort  MAG

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Künstler, Jahr  anonym, 1600 Standort  HMTG

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

117 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Sophie Wolf

Das Chorfenster von St. Laurentius in Frauenfeld-Oberkirch – Eine aussergewöhnlich gut erhaltene Glasmalerei Nur selten bietet sich die Gelegenheit, ein grosses Kirchenfenster aus nächster Nähe betrachten zu können. Bei der umfassenden Untersuchung des St.-Laurentius-­ Fensters im Jahr 2012 zeigte sich, dass die Glasmalerei äusserst gut erhalten ist und einen hohen Anteil an originaler Substanz aufweist. Dieser Umstand und die künstlerische Qualität des Glasbildes machen das Werk zu einem der wenigen in situ erhaltenen Zeugnisse mittelalterlicher Glaskunst in der Schweiz.

75  Das Chorfenster von St. Laurentius, zweites Viertel des 14. Jahrhunderts, Frauenfeld-Oberkirch.

Seit fast 700 Jahren neigt der gekreuzigte Christus sein Haupt über dem Chor der Kirche St. Laurentius in Frauenfeld-Oberkirch.  Abbildungen 75 Seine Mutter Maria und ­Johannes der Evangelist stehen ihm zur Seite. Darunter verkündet der Engel Gabriel Maria die Empfängnis des Sohnes Gottes. Neben ihr steht der Patron der Kirche, der Heilige ­Laurentius. In seinen Händen hält der römische Diakon den Rost, auf dem er sein Martyrium erlitt. Die Figuren stehen auf einem Sockel aus farbigen geometrischen und pflanzlichen Motiven. Im Masswerk öffnen sich zwei ornamentale Dreipässe sowie ein Vierpass mit dem Brustbild Christi in einem Medaillon.

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

118 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Die Glasmalerei stammt aus der Erbauungszeit des gotischen Chors und zählt zu den bedeutendsten mittelalterlichen Glasmalereien in der Schweiz. Stilistische Vergleiche legen nahe, dass sie um 1320 in einer Konstanzer Werkstatt entstanden ist ( KurmannSchwarz 2008, S. 132 ; Becksmann 1979, S. 101, 139 ; Beer 1965, S. 44– 46 ). Die Datierung ins zweite Viertel des 14. Jahrhunderts sowie der Bezug zu Konstanz wird zudem durch Quellen gestützt, die nahelegen, dass Nikolaus von Frauenfeld ( 1334 –1344 ­Bischof von Konstanz ) der Kirche von Frauenfeld-Oberkirch das Fenster gestiftet hat ( Wienecke 1912, S.  57 ). Im Jahr 2012 konnte – erstmals nach 25 Jahren – das Fenster wieder aus nächster Nähe betrachtet und sein Erhaltungszustand überprüft werden. Die Ergebnisse dieser umfangreichen Untersuchung sind in einem unveröffentlichten Bericht zusammengefasst ( Trümpler/Wolf 2014 ) und flossen teils auch in den Katalogeintrag zum St.-Laurentius-Fenster auf der digitalen Forschungsdatenbank des Vitrocentre Romont ein ( vgl. vitrosearch.ch, TG_1122 ). Im vorliegenden Beitrag werden die bisher nicht publizierten Forschungsergebnisse zur Technik, zum Erhaltungszustand und zur Konservierung der Glasmalerei einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Bestand und Zustand

Bei der eingehenden Bestandsaufnahme des Fensters stellte sich heraus, dass die Glasmalerei einen ausserordentlich hohen Anteil an originaler Substanz aufweist. Dieser Befund betrifft sowohl den Glasbestand als auch die Verbleiung. Insbesondere die Bildzonen des Fensters sind fast unverändert überliefert. Das sich über die drei Lanzetten und das Masswerk des gotischen Fensters spannende Glasbild setzt sich aus 15 einzelnen Feldern zusammen. Die ursprünglich ungerahmten Felder wurden bei Restaurierungen im 20. Jahrhundert ( siehe unten ) in Stahlrahmen gefasst und wie ursprünglich im originalen Steinfalz des Fenstergewändes versetzt. In den Lanzetten sind die Felder mit Deckschienen und Stiften an horizontalen Quereisen befestigt.  Abbildung 76 Ein dünner Mörtelstreifen verdeckt die seitliche Fuge ; am unteren Fensterrand sind die Rahmen fest vermörtelt. Im Masswerk sind sie mit dem Stein verschraubt. Löcher im Steinfalz deuten darauf hin, dass dort zur Stabilisierung der Felder und zum Schutz gegen Einbruch ursprünglich horizontale Eisenstangen und dünnere Windeisen montiert waren. Die Felder der Glasmalerei bestehen aus farbigen, mit Schwarzlot bemalten etwa 2 bis 4 Millimeter dicken Flachglasstücken, die mit biegsamen Bleiruten zu Bildern zusammengefügt und an den Kreuzungspunkten verlötet wurden. Das Glas ist mundgeblasen und zeigt die für das Zylinderblasverfahren charakteristische Bläselung und unregelmässige Oberflächentextur. Die innenseitige Bemalung in Schwarzlot, einer Farbe aus pulverisiertem Bleiglas, Kupfer- und Eisenoxid sowie einem Bindemittel, wurde – wie alle Schmelzfarben – auf das Glas aufgebrannt. Interessant ist das Fehlen von Bemalungen in Silbergelb. Die spezielle Maltechnik beginnt sich im oberrheinischen Gebiet erst im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts zu verbreiten, was die frühe Datierung des Kreuzigungsfensters stützt. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

119 Das Chorfenster von St. Laurentius in Frauenfeld-Oberkirch – Eine aussergewöhnlich gut erhaltene Glasmalerei

Glas und Bemalungen sind – verglichen mit anderen mittelalterlichen Glasmalereien – sehr gut erhalten. Das Glas zeigt nur geringe Verwitterungsschäden, die sich vor allem auf der unbemalten Aussenseite des Fensters manifestieren.  Abbildung 77 Eine augenfällige « Alterserscheinung » sind die dunklen, meist ins Bräunliche gehenden Verfärbun76  Einbausituation des Fensters. Die gerahmten Glasmalereifelder sind im Fensterfalz eingebaut und mit Deckschienen und Stiften an den horizontalen Quereisen befestigt. Für Klimamessungen am Fenster wurde eines der Felder ausgebaut.

77  Detailaufnahme der verwitterten Rückseite eines Glases ­im grünen Gewand des Verkündigungsengels ( Auf- und Durchlicht ). Der helle Schleier auf der Glasoberfläche bildet sich bei der Auslaugung des Glases durch stehende Feuchte ; bei anhaltender Feuchte, beispielsweise durch wiederholte Kondensation auf der Glasoberfläche, entstehen kleine Krater ( Lochfrass ). Länge der seitlichen Bildkante 6 Millimeter.

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

120 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

gen in den farblosen und violetten Gläsern.  Abbildung 78 Diese « Verbräunung » ist auf die Oxidation des im Glas enthaltenden Mangans zurückzuführen und eng mit den beobachteten Verwitterungsprozessen und -erscheinungen verbunden.  Abbildung 79 Die Bemalungen haften gut auf der kaum verwitterten Innenseite der Glasmalerei.  Abbildungen 80a und 80b Nur an wenigen Stellen sind kleinere Fehlstellen zu sehen. Die Verbleiung ist – mit Ausnahme der restaurierten Bereiche in den Randstreifen – zweifellos mittelalterlich und gehört grösstenteils zum Originalbestand des Fensters. Abbildung 81 Die äusserst feinen Bleiruten wurden in Gusstechnik hergestellt. Die Gussrohlinge sind mit dem « Hobel » oder anderen scharfen Werkzeugen abgegratet und ausgedünnt worden. Auch die Bleie zeigen nur wenige Schäden wie vereinzelte feine Risse oder Brüche.  Abbildung 82 78 (  links  )  Verbräunungserscheinungen im Ornamentfeld im Sockelbereich der rechten Lanzette. 79 (  rechts  )  Detailaufnahme

eines Blattornaments hinter dem Verkündigungsengel ( Rückseite ). Die Verbräunung entsteht durch Ablagerung von Manganoxid ( Braunstein ) in den mit Rückständen der korrodierten Glasoberfläche gefüllten Kratern ; Länge der seitlichen Bildkante  15.5  Millimeter.

80a und 80b Kopf

des Verkündungsengels, Übersicht ( Vorderseite, ­Durchlicht ) und Detailaufnahme des linken Auges ( Auf- und Durchlicht ) ­ rhaltener Schwarz­ mit gut e lotkontur ; Länge der seitlichen Bildkante 15.5 Millimeter.

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

121 Das Chorfenster von St. Laurentius in Frauenfeld-Oberkirch – Eine aussergewöhnlich gut erhaltene Glasmalerei

81 (  links  )  Detailaufnahme der mittelalterlichen Verbleiung des Verkündungsengels ( Vorderseite, Auflicht ). Die gegossenen Bleiruten zeigen Spuren der Nachbearbeitung ( « Hobel » ). 82 (  rechts  )  Detailaufnahme der mittelalterlichen Verbleiung des Verkündungsengels ( Rückseite, Auflicht ). Bleirute mit Bruchstelle.

Restaurierungsgeschichte

Die Untersuchungen, einhergehend mit Archivrecherchen, erlaubten es, die Restaurierungsgeschichte des Fensters zu rekonstruieren ( Trümpler/Wolf 2014, S. 3 –5 ) : Die Glasmalerei wurde, wie auch an anderen mittelalterlichen Fenstern zu beobachten, immer wieder repariert und dadurch instand gehalten. So sind die wenigen im Christusund im Johannesfeld ersetzten Gläser und einige mit « Sprungbleien » reparierte Glas­ stücke frühneuzeitlichen Restaurierungen zuzuordnen. Danach verschwand das Fenster wahrscheinlich hinter einem barocken Hochaltar und von aussen wurde es vermauert. ( Rahn 1876, S. 156 ). Anlass der Vermauerung, die gemäss einer Aussage des Zürcher Glasmalers Johann Jakob Röttinger ( 1817–1877 ) bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts bestand ( Rahn 1901, S. 2 ), könnten die Renovationen der Kirche um 1660 bis 1680 gewesen sein ( Knoepfli 1950, S. 74 ). Nach der Entfernung dieser Mauer restaurierte Röttinger das Fenster um 1866 und ersetzte dabei einige Gläser in den unteren Ornamentfeldern. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurden die ursprünglich nur mit dickeren Randbleien gefassten Glasmalereifelder ausgebaut und sicher verwahrt. Vor dem Wiedereinbau durch Johann Jakobs Sohn Heinrich Röttinger ( 1866–1948 ) wurden die Felder restauriert, in Stahlrahmen gesetzt und dann in der Ausstellung « Alte Glasmalerei der Schweiz » vom 11. November 1945 bis 24. Februar 1946 im Kunstgewerbemuseum Zürich gezeigt. Einige Reparaturen – Sprungbleie, Bleiplomben sowie ersetzte und patinierte Gläser in den Bordüren – lassen sich durch Bildvergleiche Heinrich Röttinger zuschreiben. Eine letzte kleinere Restaurierung erfolgte 1988 durch den Glas­ malereirestaurator Konrad Vetter ( 1922 – 2014 ) ; bei dieser Intervention wurden auch die Masswerkfelder gerahmt. Konservierung und langfristiger Erhalt

Das Fenster von Oberkirch ist aufgrund seiner guten Erhaltung und vor allem seines hohen Anteils an originaler Verbleiung ein einzigartiges Zeugnis für die Glasmalereitechnik des Mittelalters. Mit wenigen Ausnahmen vereinzelter kleiner Scheiben in den Masswerken der Klosterkirche von Kappel, der Kirche St. François in Lausanne und in den Randbereichen der Rose in der Kathedrale von Lausanne sind in der Schweiz keine Glasgemälde in vergleichbarem Zustand in situ erhalten geblieben. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

122 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

83  Aussenschutzverglasung aus grossflächigen Fenstergläsern in filigranem Holzrahmen ; im oberen Bereich des Fensters zeichnen die gebogenen Holzsprossen Formelemente des gotischen Fensters nach.

Der gute Erhaltungszustand ist nicht nur der kontinuierlichen Instandhaltung und dem langjährigen Verschluss hinter einer Mauer zu verdanken, sondern auch dem wohl schon frühen Einbau einer äusseren Schutzverglasung.  Abbildung 83 Über den genauen Zeitpunkt des Einbaus kann nur spekuliert werden : Möglicherweise wurde das Schutzfenster schon bei der Restaurierung im 19. Jahrhundert eingesetzt, spätestens aber beim Wiedereinbau der Glasmalerei nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Aussenschutzverglasung besteht aus grossflächigen, mundgeblasenen oder gezogenen Fenstergläsern, die in einen feingliedrigen Holzsprossenrahmen eingekittet sind. Sie ist – nach dem Prinzip eines Vorfensters – etwa 20 Zentimeter vor der Glasmalerei in die äussere Laibung gesetzt. Der Rahmen steht im Steingewände, die Verbindung ist nicht luftdicht. Diese Undichtigkeit nach aussen und auch die dämmende Wirkung des grossen Luftpolsters im Zwischenraum zwischen Glasmalerei und Schutzfenster scheinen – wie Klimamessungen am Fenster bestätigt haben – sehr gute Erhaltungs­ bedingungen für die Glasmalerei zu schaffen. Gemäss den Messergebnissen wurde der https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

123 Das Chorfenster von St. Laurentius in Frauenfeld-Oberkirch – Eine aussergewöhnlich gut erhaltene Glasmalerei

84  Verläufe der Temperatur an der Glasmalereioberfläche ( innen ) und der berechneten Taupunkttemperaturen im Chorraum und im Fensterzwischenraum im Messzeitraum vom 11.10.2012 bis 22.04.2013.

30 25 20 15 10 5 0

Glasmalerei T (˚C ) Taupunkt ZWR (˚C ) Taupunkt Chor (˚C )

–5 –10 11.10.12

85  Maschendrahtgitter zum Schutz des Fensters.

31.10.12

10.12.12

30.12.12

19.01.13

08.02.13

28.02.13

20.03.13

09.04.13

Taupunkt auf den Glasmalereioberflächen im Messzeitraum von Oktober 2012 bis September 2013 nie unterschritten. Auch in der kritischen Periode ( Winter und Frühling ), als der Temperaturunterschied zwischen Innenraum und aussen gross war, kam es nicht zur Bildung schädlicher Kondensationsfeuchte auf der Glasoberfläche.  Abbildung 84 Die Untersuchungsergebnisse haben zudem die Beobachtung bestätigt, dass Schutzverglasungen im « Vorfenstersystem » aus konservatorischer, denkmalpflegerischer und energetischer Sicht ähnlich gut oder sogar besser abschneiden als moderne Systeme mit Isolierglas ( vgl. Baumann und Wolf/Trümpler 2013, S. 9 –12 und S. 29–34 ). Da das Schutzfenster einfach verglast und die Glasmalerei somit nicht gegen mechanische Beschädigung geschützt ist, wurde zusätzlich ein Schutzgitter installiert. Das enge Maschendrahtgitter ist in etwa 10 Zentimeter Abstand vor das ganze Glasmalereifenster gespannt ; dessen Rahmen ist im Gewände befestigt.  Abbildung 85 Dieses Dispositiv aus äusserer Schutzverglasung und Drahtgitter hat sich bewährt, weil es das Kondensationsrisiko auf den fragilen Glasmalereioberflächen mindert und das mittelalterliche Fenster vor mechanischer Beschädigung von aussen, beispielsweise durch Hagel, schützt ( vgl. Trümpler / Wolf 2014, S. 12 –15 ). Unter den gegebenen Bedingungen ist eine äusserst langsame Veränderung des Erhaltungszustands zu erwarten. Allerdings können bauliche und heizungstechnische Veränderungen, beispielsweise im Rahmen einer energetischen Sanierung der Kirche, die klimatische Situation am Fenster beeinträchtigen und die Glasmalerei gefährden. Weiter ist festzuhalten, dass regelmässige Zustandskontrollen und Klima-Monitorings sowie die zurückhaltende Pflege und Instandhaltung des gesamten Fensterdispositivs durch Glasmalereirestauratorinnen und -restauratoren die grundlegenden Voraussetzungen für den langfristigen Erhalt des Fensters sind ( siehe Konservierungsrichtlinien des Corpus Vitrearum International ( www.corpusvitrearum.org ) und Schweizerischer Fachverband für Glasmalerei ( www.glasmalerei-schweiz.ch )). Nur so kann gewährleistet werden, dass dieses unwiederbringliche Kunstwerk auch noch in 100 oder 200 Jahren den Chor der Kirche schmückt. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

124 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Dicke Mauern, dünne Gläser – Untersuchungen an der Kapelle Frauenfeld-Oberkirch und der Stadtkirche Wil SG

Ernst Baumann

Welchen Beitrag zur Einsparung von Heizenergie kann eine zusätzliche Isolier­ verglasung der einfachverglasten Fenster im Schiff leisten? Untersuchungen haben gezeigt, dass die Verglasung nicht den entscheidenden Einfluss hat und bei Anlässen weniger zu heizen auch der falsche Weg ist. Besser ist es, in den überwiegenden Zeiten ohne Belegung zu sparen und aus konservatorischen Gründen auf ein substanzverträgliches Innenklima zu achten. Aussenwände haben den grössten Einfluss auf den Heizenergieverbrauch. Steht eine Kirche an einer gut besonnten Lage, ist der Anteil des solaren Gewinnes erheblich. Abbildungen 86 und 87

Ausgangslage

Jährlich werden etwa fünf Kirchen oder Kapellen aus dem Bestand der rund 200 Kirchen im Kanton Thurgau renoviert. Periodische Innenreinigungen, die dem Erscheinungsbild und dem Substanzerhalt dienen, sind ein klassischer Auslöser. Grund kann aber auch der Wunsch nach architektonischen Veränderungen oder nach Komfortverbesserung für die Besucher sein. Nun ist es zweckmässig, den Ursachen der Mängel genügend Aufmerksamkeit zu widmen, um nachhaltige Lösungen finden zu können. Leider mangelt es in vielen Fällen an dieser Aufmerksamkeit. Ein wichtiger Faktor für nachhaltige Lösungen, nämlich objektive Kenntnisse über das Innenklima, fehlt oft. Die klimatischen Bedingungen und der damit verbundene Heizbetrieb haben den grössten Einfluss auf die Substanz und auf die wertvollen Inneneinrichtungen. Will man

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

86 (  links  )  St. Laurentiuskapelle Oberkirch, Frauenfeld, aussen Südfassade. 87 (  rechts  )  Stadtkirche

St. Nikolaus Wil SG, aussen Südfassade.

125 Dicke Mauern, dünne Gläser – Untersuchungen an der Kapelle Frauenfeld-Oberkirch und der Stadtkirche Wil SG

also erreichen, dass während der Belegungszeiten der erwünschte Komfort angeboten werden kann und zu den übrigen Zeiten substanzverträgliche Bedingungen gegeben sind, ist die genaue Kenntnis des Innenklimas unerlässlich. Eingehende Abklärungen und Messungen des Klimas an relevanten Standorten ergeben ein objektives Bild und erlauben es, der Bauherrschaft geeignete Vorkehrungen für die Innenrenovation und die Behebung der Mängel vorzuschlagen. Die objektspezifischen Kenntnisse münden zusammen mit Erfahrungswerten von vergleichbaren Kirchen in eine vor Fehlentscheiden bewahrende Gesamtbetrachtung. Auf diese Weise haben sich im Zusammenhang mit Kirchenrenovationen während der letzten 30 Jahre viele neue Erkenntnisse ergeben. Man kann heute schlüssig sagen, dass in historischen Kirchen hinsichtlich klimarelevanter Einflüsse fast alles untersucht wurde, was gemessen werden konnte. Was noch fehlte, das waren detaillierte Kenntnisse über das thermische Verhalten von historischen Mauerwerken und von weiteren Einflüssen, die sich auf den Heizenergieverbrauch auswirken. Die St. Laurentiuskapelle in Frauenfeld-Oberkirch

Anlass Die paritätische Friedhofskapelle weist ein hochkarätiges Chorfenster aus dem 14. Jahrhundert auf ( siehe den Beitrag von Sophie Wolf, S. 117–121 ). Die beiden Kirchgemeinden hatten 2012 das Vitrocentre Romont beauftragt, den Zustand dieser gotischen Glasmalerei zu untersuchen. In diesem Zusammenhang galt es herauszufinden, welchen Beitrag zur Einsparung von Heizenergie eine zusätzliche Isolierverglasung der übrigen einfachverglasten Fenster im Schiff leisten würde. Untersuchung Während einer Jahresperiode wurden an relevanten Stellen Klimamessungen vorgenommen, um zu Erkenntnissen über das Innenklima zu gelangen. Parallel dazu wurden detaillierte Aufnahmen über die Bauhülle, die Nutzung und den Heizbetrieb gemacht. Mit dem dynamischen Simulationsprogramm HELIOS der EMPA Dübendorf konnte die Wirksamkeit verschiedener Massnahmen überprüft werden. Die wesentlichen Ergebnisse der HELIOS-Simulation sind :   – Die einfachste Einsparung an Heizenergie mit 19 Prozent wird erreicht, indem man die durchschnittliche Innentemperatur von 16 °C auf 14 °C senkt.   – Die geringste Einsparung mit 8 Prozent ergibt sich, wenn alle Fenster mit einer Isolierverglasung versehen werden.   – Die grösste Einsparung an Heizenergie mit 46 Prozent würde das Aufbringen eines Dämmputzes auf die Aussenwände ausmachen.   – Die effizienteste Einsparung an Heizenergie mit 39 Prozent ist die Umstellung des praktizierten Heizbetriebs auf einen Ein- und Abschaltbetrieb.  Abbildungen 88 und 89

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

126 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

in %

in kWh

50

60 000

40

50 000 40 000

30

30 000 20

20 000

10 0

10 000 19 %

8 %

Neuer Heizbetrieb

Neue IV-Verglasung

46 %

39 %

Aussen­ Autom. Heizbetrieb dämmung 5 cm 10 –18 ˚C

100 %

–39 %

–26 %

Ist-Zustand Ø 2009 –12

Prognose ( H ELIOS )

Autom. Heizbetrieb 2019/20

0

Potenzial Heizbetrieb Ein grosses Potenzial Heizenergie zu sparen, besteht also darin, anstelle eines praktizierten Durchheizbetriebs auf einen nutzungsorientierten Heizbetrieb umzustellen. Eine speicherprogrammierte Steuerung ermöglicht ein substanzschonendes Beheizen mit zwischen den Nutzungen liegenden Senkungen der Innentemperatur bis auf 10 °C. Die beiden Kirchgemeinden folgten der Empfehlung und verzichteten auf die Installation einer Isolierverglasung. Die neue Heizungssteuerung ist seit dem 25. Oktober 2018 in Betrieb. Ein konsequenter Ein- und Ausschaltbetrieb würde eine Einsparung von 39 Prozent und eine Senkung der Innentemperatur auf einen Mittelwert um 12 °C ( bisher 15.8 °C ) zur Folge haben. Es zeigte sich allerdings, dass infolge der zu gering bemessenen Heizleistung die Aufheizzeiten vor einem Anlass länger dauern und demzufolge die Grundtemperatur nicht bis auf 10 °C gesenkt werden konnte. Die resultierende Einsparung für die Heizperiode 2019/20 machte unter Berücksichtigung des milden Winters trotzdem 26 Prozent aus, obwohl die mittlere Innentemperatur über die gesamte Periode bei 15 °C lag. Abhängig vom Aussenklima wird zur Minderung von Zuglufterscheinungen durch die einfachverglasten Kunstverglasungen während einer Belegung je nach Aussen- und Innentemperatur die Fensterheizung automatisch zugeschaltet. Eher ungewöhnlich war, dass in der St. Laurentiuskapelle selbst bei tiefen Aussentemperaturen kein Oberflächenkondensat an den Kunstverglasungen ohne Schutzverglasung festgestellt werden konnte. Der Hauptgrund liegt darin, dass im Laufe der Heizperiode eine andauernde Austrocknung der raumumschliessenden Materialien ( Innenputz, Holzdecke, Innenausstattung usw. ) durch den Austausch der trockenen Aussenluft mit der feuchteren Innenluft stattfindet. Die Folge davon ist eine stete Abnahme der relativen Luftfeuchte vom Herbst bis zum Frühling. Dies zeigt sich in der Senkung der Taupunkt­temperatur der Raumluft von rund 10 °C im Monat Oktober bis auf 2 °C im März. Bei gleicher Innentemperatur von 18 °C beginnt sich so eine Taupunktunterschreitung im Herbst bei 60 Prozent und im Frühjahr erst um 35 Prozent Luftfeuchtigkeit einzustellen. Fazit Eine bautechnische und bauphysikalische Gesamtbetrachtung inklusive Klimamessungen vor einer Renovation führt zu kompetenten Entscheiden. Es werden keine Massnahmen ausgeführt, deren Zweckmässigkeit sich lediglich auf Vermutungen stützt. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

88 (  links  )  Einsparung von Heizenergie durch verschiedene Massnahmen. 89 (  rechts  )  Heizenergieverbrauch je Jahr ( kWh ) : Ist-Zustand, Prognose mit neuem Heizbetrieb ( H ELIOS ) und effektiv mit automatischer Heizungs­ steuerung.

127

90  Zeitgemässes Tableau einer automatischen Steuerung der Firma HbTec.

91  Stadtkirche

St. Nikolaus in Wil SG, Innenansicht gegen Chor.

Eine automatische Heizungssteuerung ist heute ein « Muss ». Sie entlastet das Personal von dem subjektiven Empfinden, wie nun « richtig » geheizt oder gelüftet werden soll. Dazu bietet sie weitere Steuerungselemente für Licht, Akustik, Glocken usw. an. Eine grundlegende Frage dieser Untersuchungen war, ob aus dem Grund « Heizenergie zu sparen » eine Isolierverglasung vor die einfachverglasten Kunstfenster im Schiff eingebaut werden soll. Dazu gibt es zwei Antworten : 1. Selbstverständlich mindert eine Zweifach-Isolierverglasung den Wärmeverlust eines Fensters um mehr als 80 Prozent im Vergleich zum einfachverglasten Fenster und hat etwa die gleiche Beeinträchtigung durch den Kaltluftabfall wie an den Wänden zur Folge. 2. In der Gesamtbetrachtung aller Wärmeverluste für diese Kapelle hingegen mindert eine zusätzliche Isolierverglasung der einfachverglasten Kunstfenster den Heizenergieverbrauch um weniger als 10 Prozent.  Abbildung 90 Die Katholische Stadtkirche St. Nikolaus in Wil SG

Anlass Viele Landeskirchen stehen an gut besonnten Standorten und weisen Aussenwände in Bruchsteinmauerwerk auf. Damit erhalten die gegen Süden ausgerichteten Hauptfassaden zusammen mit den Fenstern während einer Heizperiode erhebliche Solargewinne, welche sich auf das Innenklima auswirken und den Heizenergieverbrauch mindern. Bei den Untersuchungen an der St. Laurentiuskapelle Frauenfeld-Oberkirch zeigte sich, dass die Aussenwände etwa zwei Drittel zum gesamten Anteil der Wärmeverluste beitragen. Man kann also verallgemeinernd sagen, dass bei historischen Kirchen die Aussenwände über die Hälfte der gesamten Wärmeverluste ausmachen. Detaillierte Kenntnisse über Bauweise, Materialeigenschaften, Einfluss durch Besonnung und das Innenklima fehlen oft. Bei der St. Laurentiuskapelle war geplant, gleichzeitig mit den Klimamessungen und Untersuchungen an den Fenstern, auch Messungen über die Wärmeverluste der Aussenwände durchzuführen, was leider aus technischen Gründen misslang. Auf der Suche nach einem anderen Objekt bot sich in geeigneter Weise die Kirche St. Nikolaus in Wil an. Hier konnten 2019 in Zusammenarbeit mit der EMPA Dübendorf Messungen durchgeführt werden.  Abbildung 91 https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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92  Verlauf der inneren Oberflächentemperaturen an der nord- und südseitigen Aussenwand und der Globalstrahlung vom 14. Februar 2019 bis 18. Februar 2019.

Lufttemperatur innen auf der Kanzel Oberflächentemperatur innen Süd Oberflächentemperatur innen Nord Globalstrahlung horizontal Tänikon

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Zeit (Tage)

Objekt Der älteste Teil der Kirche lässt sich auf die Zeit der Stadtgründung im 12. Jahrhundert zurückführen. Verschiedene Umbauten und Renovationen haben aber in der Folge das Aussehen stark verändert. Die heutigen Aussenwände des Schiffs sind aus Bruchsteinen und stammen aus dem 15. Jahrhundert. 93 (  links  )  Bohrkernprofile. An den Hauptfassaden gegen Norden und Süden wurden je zwei Wärmeflussmesser 94 (  rechts  )  Bohrkernentnahme samt Temperaturfühler an den Wandoberflächen montiert und das Innen- als auch das am Messstandort AussenAussenklima gemessen. Dazu wurde im Bereich der beiden Messstellen je ein Bohrkern wand Süd. für petrografische Untersuchungen entnommen.  Abbildung 92 Messungen An sonnigen Wintertagen traten praktisch identische Verläufe der Aussenlufttemperatur an der Südseite und der Globalstrahlung sowie jeweils wochentags eine Erhöhung der Innenlufttemperatur bis 1 °C über die Mittagszeit auf. Im Verlaufe des Sonntags, dem 17. Februar 2019, war bei gleichbleibendem Heizbetrieb die Auswirkung der hohen Belegung durch drei Gottesdienste mit einer Erhöhung der Innenlufttemperatur bis knapp 20 °C deutlich zu erkennen.  Abbildungen 93 und 94

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129 Dicke Mauern, dünne Gläser – Untersuchungen an der Kapelle Frauenfeld-Oberkirch und der Stadtkirche Wil SG

Kommentar Aufgrund der durchgeführten Messungen kann der Wärmedurchlasswiderstand an diesen Standorten der Aussenwände bestimmt werden. Dieser Wert, als U-Wert bezeichnet, stellt den Wärmefluss dar, welcher durch einen Quadratmeter des betreffenden Bauteils bei einem Temperaturunterschied von 1 C fliesst. Die durchgeführten Messungen führten zu folgenden Ergebnissen : 1. Der ermittelte U-Wert der Südwand beträgt 0.33 W/m2 K und macht damit nur 39 Prozent des U-Werts der Nordwand mit 0.85 W/m2 K aus. 2. Der Einfluss der Sonneneinstrahlung während der Messperiode auf die südliche Aussenwand ist mit im Mittel 106 W/m2 überdurchschnittlich hoch. Der Vergleich mit dem langjährigen Mittelwert für ein Winterhalbjahr liegt bei 63 W/m2 . 3. Die mittlere Wärmeleitfähigkeit der nordseitigen Aussenwand beträgt 1.14 W/mK. 4. Die mittlere Oberflächentemperatur an der südlichen Aussenwand innen ist mit 16.7 °C um 1.3 °C höher als diejenige an der nordseitigen Aussenwand mit 15.4 °C. 5. Die mittlere Aussentemperatur wurde mit 5.3 °C und die mittlere Innentemperatur mit 17.3 °C gemessen. 6. Das Bruchsteinmauerwerk besteht aus Feld-, Sand- und Tuffsteinen mit wenig Kalkmörtel. Fazit Bezogen auf eine langjährige mittlere Sonneneinstrahlung weist eine süd- bis südostorientierte historische Aussenwand aus Bruchsteinen während einer Heizperiode nur einen etwa halb so grossen Wärmeverlust im Vergleich zur nördlichen Aussenwand auf. Bei der St. Laurentiuskapelle Frauenfeld-Oberkirch wurden die der Simulationsrechnung HELIOS zugrunde gelegten Daten für ein Bruchsteinmauerwerk mit den nun vorliegenden Messdaten bestätigt. Im Kircheninnern ist an den Wandoberflächen der Temperaturunterschied zwischen der süd- und der nordorientierten Aussenwand augenfällig. Die Verschwärzungen an der nordseitigen Aussenwand treten stets ausgeprägter als an der südseitigen Aussenwand in Erscheinung. Für eine verputzte 1 Meter dicke Aussenwand aus Bruchsteinen ergeben sich als Richtwerte folgende U-Werte ( Mittel während der Heizperiode ) : Bruchsteinwand 1 m

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U-Wert [ W/m2 K ]

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131 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Francine Giese und Sarah Keller

Orientrezeption zwischen Kopie und Imagination – Die neo-maurischen ­Glasmalereien im Schloss Castell in Tägerwilen Hinter dicken Mauern versteckt sich in Tägerwilen die Pracht der Architektur : Der Maurische Saal von Schloss Castell ist ein bedeutendes Zeugnis für die Orientbegeisterung des 19. Jahrhunderts. Ein bestimmendes Element des Saals sind die vom Zürcher Glasmaler Adolf Kreuzer ausgeführten Glasmalereien. In einzigartiger Weise rezipieren sie die Formensprache der Grossen Moschee von Córdoba und der Alhambra von Granada. Bislang unbekannte Entwürfe Kreuzers dokumentieren ihre Entstehungsgeschichte.

Der zwischen 1891 und 1894 im Auftrag von Adrian August Gonzalvo Maximilian von Scherer ( 1848 –1901 ) im neu errichteten Ostturm von Schloss Castell in Tägerwilen ausgeführte Maurische Saal zählt zu den am besten erhaltenen neo-maurischen Interieurs des späten 19. Jahrhunderts ( vgl. Abegg / Erni / Raimann 2014, S. 340 –360 ; Giese 2018, S. 144 –148 ). Ausgeführt von dem in Stuttgart ausgebildeten Architekten Emil Otto Tafel ( 1838 –1914 ), setzt sich der Saal durch seine überraschende Detail­ genauigkeit von zeitgenössischen Innenraumgestaltungen des gleichen Stils ab. Abbildungen 95 und 96 Während nämlich zahlreiche neo-maurische Interieurs lediglich vage an die ibero-islamischen Prototypen erinnern, lassen sich im Schloss Castell die historischen Vorbilder eindeutig benennen : die Sala de las Dos Hermanas der Alhambra von Granada ( 14. Jahrhundert ) und die Vormihrabkuppel der Moschee von Córdoba ( 10. Jahrhundert ). Die eigenwillige Kombination aus nasridischem Raum- und Dekorprogramm und umayyadischer Kuppel hingegen, mag auf den ersten Blick überraschen. Vor dem Hintergrund der Spanienbegeisterung des 19. Jahrhunderts erscheint die ­Rezeption der beiden bedeutendsten Bauten des einstigen al-Andalus allerdings weit weniger erstaunlich. Das Erbe von al-Andalus und die europäische Maurophilie

(  linke Seite  )  Neo-maurische

Glasmalerei von Adolf Kreuzer 1892,   Schloss Castell in Tägerwilen.

So standen die Cordobeser Moschee und die nasridische Palaststadt oberhalb ­Granadas nicht nur im Zentrum des 1756 von der Real Academia de Bellas Artes de San Fernando initiierten Publikationsprojekts « Las Antigüedades Arabes de España » ( 1787/1804 ) ( vgl. Scholz-Hänsel 1989 ; Rodríguez Ruiz 1992 ; Almagro 2015 ), das eine zentrale Rolle in der Revalorisierung des Erbes von al-Andalus im nach-islamischen Spanien spielen sollte, sondern auch im Fokus zahlreicher britischer und französischer Reiseberichte, beginnend mit Henry Swinburnes ( 1743 –1803 ) im Jahr 1779 erstmals publizierten Travels through Spain, in the years 1775 and 1776.

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133 Orientrezeption zwischen Kopie und Imagination – Die neo-maurischen G ­ lasmalereien im Schloss Castell in Tägerwilen

95 (  linke Seite  )  Der

Maurische Saal im Schloss Castell entstand 1891–1894 im Auftrag von Adrian August Gonzalvo Maximilian von Scherer. Ausgeführt von dem in Stuttgart ausgebildeten Architekten Emil Otto Tafel, überrascht das neo-maurische Interieur durch seine Detailgenauigkeit.

96 (  rechts  )  Für den unteren Bereich diente die Sala de las Dos Hermanas der Alhambra von Granada (14. Jahrhundert ), für die Deckengestaltung die Vormihrabkuppel der Moschee von Córdoba (10. Jahrhundert ) als Vorbild.

Lange Zeit abseits der Reiserouten der sogenannten Grand Tour gelegen, zog Spanien ab dem späten 18. Jahrhundert europäische Reisende, Künstler und Architekten in zunehmender Zahl an ( vgl. Krauel Heredia 1986 ; Galera 1992 ; Viñes 1999 ; Barrio/ Odín 2014 ). Fasziniert von der Andersartigkeit jener terra incognita jenseits der Pyrenäen, wo Orient und Okzident während beinahe acht Jahrhunderten koexistierten, nahmen viele die abenteuerliche Reise durch Spanien auf sich und träumten nicht selten davon, einem der berüchtigten bandoleros zu begegnen. Wesentlichen Anteil an der wachsenden Spanienbegeisterung hatten der Nordamerikaner Washington Irving ( 1783 –1859 ) und der Brite Richard Ford ( 1796–1858 ), die mit ihren in den 1830er- und 1840er-Jahren erschienenen Reiseberichten ein folkloristisch verklärtes und romantisch überhöhtes Bild Spaniens und seines islamischen Erbes zeichneten ( Irving 1832 ; Ford 1845 ), das in ihren Heimatländern eine regelrechte Maurophilie auslöste. Dieser war nicht nur der Zürcher Maler Wilhelm Meyer ( 1806 –1848 ) verfallen, als er 1845 auf der Suche nach neuen Sujets eine Studienreise nach Spanien unternahm ( vgl. Giese 2015/16 ), sondern auch der Auftraggeber des Maurischen Saals von Schloss ­Castell, Maximilian von Scherer, der 1878 Spanien ein erstes Mal bereiste, bevor er im Oktober 1891 mit dem Architekten Tafel erneut nach Andalusien aufbrach. Die zweimonatige Reise sollte für die Konzeption und Ausführung des Maurischen Saals richtungsweisend werden ( Meyer 1903, S. 175 –177 ). So fanden sie während ihres Aufenthalts im berühmten Löwenpalast der Alhambra nicht nur die Vorlage für den Maurischen Saal von Schloss Castell ( Meyer 1903, S. 177 ), sondern hatten auch ein besonderes https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

134 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Augenmerk für die Ornamentik des Saals, die sie « studirt, aufgenommen und abgeformt » haben ( Tafel 1914 ). Inwiefern die von den beiden Reisenden erstellten Abdrücke oder die in einem der florierenden Reproduktionsateliers der Stadt erworbenen Gipsabgüsse nasridischer Stuckverkleidungen die Grundlage für die Rezeption des Saals in der Schweiz gebildet haben, muss dabei offenbleiben. Nichtsdestotrotz haben die Befunde vor Ort ergeben, dass die oberhalb des mit Fayencemosaiken ( alicatados ) verkleideten Sockels angebrachten Stuckaturen zu weiten Teilen aus seriell hergestellten Gipsabgüssen bestehen ( Giese 2019, S. 71–73 ). Architekturstudien, Tafelwerke und Gipsabgüsse : die Transfermedien des Maurischen Revivals

Wie an anderer Stelle ausführlich besprochen wurde ( vgl. Giese/Varela Braga 2017 ; Giese 2021 ), erfolgte die Rezeption ibero-islamischer Bau- und Dekorformen im 19. Jahrhundert mithilfe verschiedener Transfermedien. Von besonderer Bedeutung waren hierbei Architektur- und Ornamentstudien, reich bebilderte Tafelwerke sowie die oben erwähnten Gipsabgüsse. Während das im Sommer 1837 von einer im Auftrag des Museums von Versailles tätigen französischen Delegation in Granada eingeführte Abgussverfahren von lokalen Architekten und Dekorateuren wie José Contreras Osorio ( 1795–1868 ) und dessen Sohn Rafael Contreras Muñoz ( 1824–1890 ) für die Reproduktion des nasridischen Stuckdekors perfektioniert und kommerzialisiert wurde ( Giese/ Jiménez Hernández 2021 ), lagen den umayyadischen Übernahmen wie der Kuppel des Maurischen Saals von Schloss Castell oder der hier im Vordergrund stehenden Glasmalereien in der Regel Studien und Buchillustrationen zugrunde. Am bekanntesten und wohl auch am besten untersucht sind die detaillierten Aufnahmen des preussischen Architekten Carl von Diebitsch ( 1819 –1869 ), der während einer von 1846 bis 1847 unternommenen Spanienreise zahlreiche Bleistiftskizzen und Aquarelle der nasridischen Paläste der Alhambra und ihrer Ornamentik anfertigte, die sich heute grösstenteils im Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin ( AMTUB ) befinden. Als einer der Protagonisten des Maurischen Revivals verwendete er in seinen in den 1850er- und 1860er-Jahren auf der Basis seiner Architektur- und Ornamentstudien in Deutschland und Kairo entstandenen Bauten und Interieurs beinahe ausschliesslich den Alhambra-Stil ( vgl. Giese/Varela Braga 2017 ). Somit überrascht es auch nicht, dass sein auf eigene Kosten ausgeführter und schliesslich im preussischen Sektor der Pariser Weltausstellung von 1867 einem internationalen Publikum präsentierter Maurischer Kiosk eine zeitgenössische Re-Interpretation nasridischer Architektur und Ornamentik darstellt ( vgl. Fehle 1987 ; Keller 2017 ; Giese 2018, S. 141–144 ; Giese 2021, Reassessing ). Mit seinem vielbeachteten Ausstellungspavillon wurde Carl von Diebitsch nicht nur zu einem globalen Fürsprecher des Maurischen Revivals, sondern er reihte sich auch in eine 1851 begonnene Erfolgsgeschichte ein. Diese wurde vom britischen Architekten und Kunsttheoretiker Owen Jones ( 1809 –1874 ) massgeblich mitgeschrieben, der 1834 während eines sechsmonatigen Aufenthalts in Granada zusammen mit dem französischen Architekten Jules Goury ( 1803 –1834 ) detaillierte Studien zur https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

135 Orientrezeption zwischen Kopie und Imagination – Die neo-maurischen G ­ lasmalereien im Schloss Castell in Tägerwilen

Architektur, Ornamentik und Polychromie der Alhambra erstellte. Diese flossen nicht nur in Jules Gourys und Owen Jones’ einflussreiche Chromolithografie Plans, Elevations, Sections, and Details of the Alhambra ( 1836 –1845 ) ein, sondern auch in Jones’ Grammar of Ornament ( 1856 ), die zu den meistverwendeten Transfermedien des Maurischen Revivals werden sollten. Gleichzeitig erhielt Jones die Möglichkeit, seine auf den oben erwähnten Alhambra-Studien basierende Farbtheorie anlässlich der Great Exhi­ bition in London von 1851 in einem Grossprojekt umzusetzen : der Farbfassung von Joseph Paxtons ( 1803 –1865 ) Crystal Palace. Nur drei Jahre später, 1854, war Jones am Wiederaufbau und an der Umnutzung des Crystal Palace in Sydenham beteiligt, wo sein Alhambra Court den Weg für Carl von Diebitschs Maurischen Kiosk ebnen sollte. Owen Jones war es schliesslich auch, der mit seinen in den Plans, Elevations, Sections, and Details of the Alhambra publizierten Farbrekonstruktionen, darunter ein nasridisches Blendfenster, den Anstoss für zahlreiche Nachschöpfungen in Glas gab ( Goury/Jones 1836 –1845, Band 2, Tafel XLV ; Keller 2021, Transennae ). Neo-maurische Glasmalereien : ein transnationales Phänomen

Glasmalereien sind ein bedeutender Bestandteil neo-maurischer Interieurs. So verfüg( t )en der Kuppelsaal des Maurischen Landhauses und der Festsaal der Wilhelma in Stuttgart-Bad Cannstatt ( Karl Ludwig Wilhelm Zanth, 1842–1846 und 1844 –1851 ), der Salon Mauresque des Château Monte Christo bei Paris ( Alexandre Dumas, 1844– 1847 ), Carl von Diebitschs oben erwähnter Maurischer Kiosk ( 1867 und 1878 ) oder der Moorish Room des Grove House in London ( John Charles Stutfield, 1892–1896 ) über reiche Glasmalereien, die die Wirkung der jeweiligen Räume stark bestimmen. In den islamischen Vorbildbauten hingegen, den nasridischen Palästen der Alhambra und der Moschee von Córdoba, gab es keine farbigen Verglasungen. Zwar zeugen ausgegrabene Glasfragmente und schriftliche Zeugnisse von einst in al-Andalus existierenden GlasStuck-Fenstern, im 19. Jahrhundert war davon aber nichts mehr zu sehen ( vgl. Keller 2021, Carpets ). Prägend für die islamische Architektur der Iberischen Halbinsel waren Transennen, Fenstervergitterungen aus Stuck oder Marmor. Als Emil Otto Tafel und Maximilian von Scherer 1891 die Alhambra besuchten, war Tafel vom Licht, das « zauberisch durch die acht Fenster der Kuppel » fällt, sehr beeindruckt ( Meyer 1903, S. 176 ). Diese waren aber nicht verglast, sondern mit Stucktransennen besetzt. Obwohl der Auftraggeber und sein Architekt die originale Ausstattung der Sala de las Dos Hermanas kannten, entschieden sie sich beim Maurischen Saal von Schloss Castell für Glasmalereien westeuropäischer Tradition. Eine entscheidende Rolle für deren Verwendung spielte das damalige Revival der europäischen Glasmalerei. Während noch im 17. Jahrhundert jede Kirche und zahlreiche Profanbauten über Fenster mit Glasmalereien verfügten, geriet diese Kunstform im Zeitalter des Barocks und der Aufklärung durch den Wunsch nach hellen, mit Tageslicht erfüllten Räumen aus der Mode. Das Interesse an der Kunst und Architektur vergangener Zeiten führte im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu einer Wiederentdeckung und erneuten Blüte der Glasmalerei ( vgl. Giese 2020 ). Ihre Bedeutung in neo-maurischen Interieurs macht aber auch die Freiheit deutlich, die sich Archihttps://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

136 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

tekten und Auftraggeber trotz genauen Studiums der historischen Bezugsbauten nahmen. Die Architekten und Glasmaler begnügten sich dabei nicht damit, einer bereits tradierten westeuropäischen Formensprache zu folgen, sondern entwickelten ihre Fensterentwürfe in der Auseinandersetzung mit den ibero-islamischen Prototypen, die durch die oben erwähnten Tafelwerke mit ihren grossformatigen Farbtafeln die Pracht der nasridischen Paläste und der Moschee von Córdoba abbildeten. Adolf Kreuzers neo-maurische Entwürfe und die Glasmalereien des Schlosses Castell

Auch der Glasmaler Adolf Kreuzer ( 1843 –1915 ), der die Fenster des Maurischen Saals von Schloss Castell schuf, muss sich an zeitgenössischen Buchillustrationen orientiert haben, wie seine in der Zentralbibliothek Solothurn konservierten Entwürfe und die inschriftlich ins Jahr 1892 datierenden Glasmalereien des Maurischen Saals von Schloss Castell belegen. So gibt ein bisher nicht lokalisierter Entwurf eine in Jules Gourys und Owen Jones’ Plans, Elevations, Sections, and Details of the Alhambra publizierte Rosette exakt wieder ( vgl. Goury/Jones 1836 –1845, Band 2, Tafel 2 ; Jones 1856, Tafel  XLII ).  Abbildung 97 Dieselbe Rosette übernahm auch Wilhelm Megerle ( * 1863 ), von circa 1880 bis 1905 ein Mitarbeiter der bedeutenden Zürcher Glasmalerwerkstatt der Röttinger, in einem 1891 entstandenen Entwurf für ein Glasgemälde mit orientalisch gekleideter Frau ( vgl. Keller 2019, S. 209 –213 ).  Abbildung 98 Kreuzer war ebenfalls eng mit der Werkstatt 97 (  links  )  Der für einen unbekannten Bau geschaffene Entwurf des Glasmalers Adolf Kreuzer kopiert eine in Jules Gourys und Owen Jones’ Plans, Elevations, Sections, and Details of the Alhambra publizierte Rosette. 98 (  rechts  )  Wilhelm Megerles Entwurf setzt eine orientalisch gekleidete Frau in einem nasridisch anmutenden Saal in Szene. Der Auftraggeber war Ferdinand Michel, bis 1893 Direktor des Hotels National in Zürich. Zentralbibliothek Zürich, Nachlass Röttinger Roe 2.4.6, Blatt 8.

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137 Orientrezeption zwischen Kopie und Imagination – Die neo-maurischen G ­ lasmalereien im Schloss Castell in Tägerwilen

99a bis 99d  Die

jüngst entdeckten Entwürfe Adolf Kreuzers für die Fenster des Schlosses Castell ­unterscheiden sich mit ihrer geometrischen Formensprache wesentlich von den ausgeführten Glasmalereien.

Röttinger verbunden, in der er ausgebildet wurde und in die er nach einem Aufenthalt in Furtwangen 1868 für einige Jahre als Mitarbeiter zurückkehrte ( Scheiwiller-Lorber 2014, S. 209 – 211 ). Der Vergleich der beiden Entwürfe zeigt, dass Kreuzer und Megerle offenbar auf dieselben Vorlagen zurückgriffen. Dabei haben sie für ihre orientalisierenden Entwürfe die Buchvorlagen nicht einfach kopiert, sondern durch eine selektive Auswahl der Vorlagen und durch ornamentale bzw. figürliche Ergänzungen die Entwürfe bereichert. Die Ergänzungen unterscheiden sich signifikativ von der Formensprache der ibero-islamischen Vorbilder und lassen deshalb vermuten, dass die Glasmaler keine direkten Kenntnisse von den historischen Prototypen hatten. Noch freier umgesetzt sind die vier für Schloss Castell bestimmten Entwürfe Kreuzers  Abbildungen 99a bis 99d : Obwohl auch hier Anleihen aus Tafelwerken erkennbar sind – etwa im Bereich der Sebka-Ornamente der zentralen Felder von Entwurf a und d – entfernen sie sich doch stark von den ibero-islamischen Vorlagen. Die mit Bleistift ausgeführte Beschriftung der Entwürfe, die eine Zuordnung zu den vier Doppelfenstern des Maurischen Saals erlaubt, lässt zudem vermuten, dass zunächst ein auf geometrischer Ornamentik basierendes Glasmalerei-Ensemble geplant war. Im Zuge des Entwurfsprozesses muss es allerdings zu einer Planänderung gekommen sein. So weist schlussendlich nur das Doppelfenster des westlichen, an nasridische Miradores erinnernden Raumkompartiments ein geometrisches Dekor auf.  Abbildung 100 Ein Flechtband umfasst eine zentrale sternförmige Kartusche mit arabischer Inschrift. Das darüberliegende Medaillon ist von einem nasridischen Wappen besetzt, wie es in der Alhambra zahlreich belegt ist. Dabei folgt das Medaillon, welches das Wappen umschliesst, wiederum einer Tafel aus Jules Gourys und Owen Jones’ bereits mehrfach erwähnter Chromolithografie ( Goury/Jones 1836 –1845, Band 2, Tafel 2 ; vgl. Abbildung 4 ). https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Die drei Doppelfenster des Hauptraums rezipieren und variieren dagegen – in Anlehnung an den Kuppelbereich des Maurischen Saals – das pflanzliche Dekor der rund vier Jahrhunderte älteren Mosaikverkleidung der Cordobeser Moschee. Diese überzieht nicht nur die dortige Vormihrabkuppel, sondern ist auch bestimmendes Element der Cordobeser Mihrabfassade, die den Zugang zur dahinterliegenden Gebetsnische markiert. Im Unterschied zu den Stuckverkleidungen der Alhambra war es in Córdoba nicht möglich, Abdrücke oder Gipsabgüsse der Mosaikverkleidungen herzustellen. Wir können deshalb davon ausgehen, dass die Rezeption der Cordobeser Mosaikverkleidung in den Glasmalereien mittels Buchillustrationen erfolgte, wie dies auch bei der Kuppel im Schloss Castell der Fall war ( Giese 2018, Islamic Stars, S. 217 ). Im Unterschied zum umfangreichen Bildmaterial zur Alhambra, das im 19. Jahrhundert in ganz Europa zirkulierte, wurden die massiven Rippenkuppeln der Cordobeser Moschee und die darunter befindliche Mihrabfassade wesentlich seltener abgebildet. Eine bemerkenswerte Ausnahme stellen die Farbillustrationen des 1879 als Teil des spanischen Publikationsprojekts Monumentos arquitectónicos de España ( 1859 –1882 ) erschienenen Bandes Monumentos latino-bizantinos de Córdoba dar ( Amador de los Ríos /Amador de los Ríos y Villalta 1879 ; vgl. Monumentos 2011 ). Neben einer Gesamtansicht der Mihrabfassade bildet eine weitere Farbtafel einen Ausschnitt des den zentralen Mihrabbogen überfangenden Blendbogenfrieses ab.  Abbildung 101 https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

100 (  links  )  Ein

Flechtbanddekor schmückt das Doppelfenster in der Nische des Maurischen Saals. Wie in der Alhambra erscheinen arabische Inschriften und das nasridische Wappen als Motive.

101 (  rechts  )  Die im 10. Jahrhundert erbaute Mihrabfassade der Grossen Moschee von Córdoba und ihr Blendbogenfries wurden 1879 als Teil des spanischen Publikationsprojekts Monumentos arquitectónicos de España in Farbe publiziert.

139 Orientrezeption zwischen Kopie und Imagination – Die neo-maurischen G ­ lasmalereien im Schloss Castell in Tägerwilen

Die drei 1892 entstandenen Doppelfenster im Hauptraum des Maurischen Saals von Schloss Castell tragen die Signatur des Zürcher Glasmalers Adolf Kreuzer und übernehmen die Ornamentik des Blendbogenfrieses der Mihrabfassade von Córdoba.

102a bis 102c 

Zuoberst sind die drei Varianten der von einem Dreipassbogen gerahmten Mosaikverkleidung dargestellt. Diese zeichnet sich in zwei der drei Fälle durch eine streng symmetrisch angelegte Komposition mit zentralem Mittelstamm ab. Dagegen setzt sich der rechte Blendbogen durch eine naturalistischere Darstellung der Ranken und durch das Fehlen einer symmetrischen Gesamtkomposition deutlich von den benachbarten Blendbögen sowie dem übrigen Dekor des Vormihrabkompartiments ab. Es darf deshalb vermutet werden, dass dieses dritte Feld während der unter dem Tessiner Architekten und damaligen Dombaumeister José Nicolás Duroni ( 1772 –1845 ) in den Jahren 1815 bis 1819 realisierten Restaurierung des Vormihrabkompartiments ergänzt wurde. Wie an anderer Stelle gezeigt werden konnte ( Giese 2016, S. 259–273 ), zeichnete sich die erwähnte Restaurierungskampagne durch ihren fortschrittlichen Ansatz aus, bei dem Ergänzungen stilistisch und technisch bewusst vom Originalbestand abgesetzt wurden. Ohne den islamischen vom nach-islamischen Bestand zu unterscheiden, wurden die drei Blendbögen in den Monumentos arquitectónicos de España abgebildet und so Teil einer Rezeptionskette, die bis nach Tägerwilen verfolgt werden kann. Denn wie ein Blick auf die drei Doppelfenster des Hauptraums des Maurischen Saals zeigt  Abbildungen 102a bis 102c, wurden die Vorlagen beinahe akribisch in Glas übertragen. Dennoch stellt sich die Frage, ob Kreuzer Kenntnis des oben erwähnten Bandes hatte oder sich bei seinen Entwürfen auf andere Publikationen oder auf Skizzen des Architekten Tafel stützen konnte. So oder so zählen die Glasmalereien des Hauptraums zu den wenigen erhaltenen neo-umayyadischen Glasmalereien des 19. Jahrhunderts, die nicht nur die einstige Pracht und ornamentale Vielfalt des Kalifats von Córdoba wieder aufleben lassen, sondern auch die nach-islamische Erhaltungsgeschichte ihrer Haupt­ moschee dokumentieren. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

140 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

103  Die

grossen Rundfenster mit floralen Motiven schuf Adolf Kreuzer 1892 für die orientalisierende Jüdische Abdankungshalle des Friedhofs Unterer Friesenberg in Zürich.

Eklektizismus als Merkmal der historistischen Glasmalerei

Nasridische Wappen und umayyadische Ranken gehörten ebenso zu Kreuzers Repertoire wie Christusfiguren und Reisläufer. Wie seine Zeitgenossen bediente sich der Glasmaler in eklektizistischer Weise der ganzen Bandbreite historischer Motive und Stile. Orientalisierende Fenster waren dabei die Ausnahme : Ausser denjenigen für Schloss Castell sind nur vier weitere, bisher nicht lokalisierte Entwürfe dieser Art bekannt. Ausserdem haben sich neben dem Ensemble in Tägerwilen die Glasmalereien Kreuzers in der Jüdischen Abdankungshalle des Friedhofs Unterer Friesenberg in Zürich erhalten. Für diese orientalisierende, 1891 durch Chiodera & Tschudy erbaute oktogonale Halle schuf Kreuzer 1892 acht grosse Rundfenster mit floralen Motiven.  Abbildung 103 Drei Jahre später, 1901, realisierte der Zürcher Glasmaler Karl Wehrli ( 1843–1902 ), bei welchem Kreuzer zwischen 1868 und 1883 zeitweilig als Geschäftsführer tätig war, fünf weitere Rundfenster für die Abdankungshalle. Weit zahlreicher sind Kreuzers Glasmalereien im Stil der Neo-Gotik und der Neo-Renaissance. 1883 hatte er an der Schützengasse 23 in Zürich eine eigene Werkstatt eröffnet und erhielt in der Folge zahlreiche Aufträge für sakrale und profane Glasmalereien. In seinen Briefköpfen pries er sowohl seine Kirchenfenster als auch die Nachschöpfung und Restaurierung alter Wappenscheiben sowie Salon-, Erker- und Treppenhausfenster an (  Zentralbibliothek Zürich, Nachlass H. Angst, 53.23  ). Er erhielt mehrere Auszeichnungen für seine Werke, so 1889 und 1893 an den Weltausstellungen von Paris und Chicago sowie 1894 und 1896 an den Schweizerischen Landesausstellungen in Zürich und Genf. Wiederholt zog er mit seiner Werkstatt um : Spätestens 1892 war er an der Neptunstrasse 29 in Zürich-Hottingen ansässig, 1898 an der Schienhutgasse 3/5. Kurz darauf zog Kreuzer, der seit 1892 Ehrenmitglied der Solothurner Lukasbrüderschaft war, nach Solothurn und schuf Fenster für verschiedene Kirchen in der dortigen Umgebung. 1904 war er zurück in Zürich, nun an der Nordstrasse 36. Nach https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

141 Orientrezeption zwischen Kopie und Imagination – Die neo-maurischen G ­ lasmalereien im Schloss Castell in Tägerwilen

104  Diesen Entwurf mit den Wappen der Thurgauer Gemeinden reichte der Glasmaler Kreuzer 1888 für die Fenster des Bürgersaals im Rathaus Frauenfeld ein. Den Auftrag zur Ausführung erhielt allerdings sein Konkurrent Friedrich Berbig ( 1845–1923 ).

zwei weiteren Umzügen ( Nordstrasse 40, Volkmarstrasse 9 ) verstarb er im Jahr 1915. Viele seiner Glasmalereien waren für Zürcher und Solothurner Gebäude bestimmt, aber auch in der Westschweiz oder in Portugal fand er Auftraggeber. Im Thurgau schuf er ausserdem eine Glasmalerei mit dem Motiv des Guten Hirten für die evangelische ­Kirche Diessenhofen ( vitrosearch.ch, TG_1140 ), mehrere heute verlorene Fenster für die alte paritätische Kirche Weinfelden sowie nicht ausgeführte Entwürfe für das Rathaus Frauen­feld ( Zentralbibliothek Solothurn, S-II-160, 3/38 ; 5/2, 3, 27 ).  Abbildung 104 Wichtige Zeitzeugen : die neo-maurischen Glasmalereien des Schlosses Castell

Als ein bedeutender Beleg für die Orientbegeisterung des 19. Jahrhunderts steht der Maurische Saal von Schloss Castell für ein weitverbreitetes Phänomen des europäischen Historismus. Wie viele inzwischen zerstörte oder purifizierte Interieurs aus jener Zeit rezipiert der Saal in seiner architektonischen Anlage, seinem reichen Dekorprogramm und in den nach westlicher Tradition in Blei gefassten Glasmalereien die beiden Hauptwerke ibero-islamischer Architektur. Dabei hat sich gezeigt, dass die vom Zürcher Glasmaler Adolf Kreuzer ausgeführten Fenster wichtige Zeitzeugen sind, die nicht nur eine im späten 19. Jahrhundert in ganz Europa zu beobachtende Faszination für orientali­ sierende Glasmalereien belegen, sondern auch ein wichtiges, vom Tessiner Architekten José Nicolás Duroni wesentlich mitgeprägtes Kapitel der nach-islamischen Erhaltungs­ geschichte der Cordobeser Moschee dokumentieren. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

142 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Das Glasmaleratelier Heinrich Stäubli – Zwischen St. Galler Werkstatt und Glaskunst am Bau im Thurgau

Laura Hindelang

Das Forschungsprojekt « Das Glasmaleratelier Stäubli in St. Gallen. Intermedialität und ‹ Glaskunst am Bau › im 20. Jahrhundert » widmet sich der Aufarbeitung moderner architekturgebundener Glasmalerei ausgehend von den ausgeführten Arbeiten und dem Ateliernachlass Heinrich Stäubli ( 1926–2016 ). Mit Glasarbeiten in über 40 Bauten in den Kantonen St. Gallen, Zürich und Thurgau spielte Stäubli eine wichtige, von der Forschung bislang kaum beachtete Rolle für die Ostschweizer Kunstlandschaft. Dieser Beitrag bietet einen ersten Einblick in den Werkstattkosmos des Ateliers wie auch einen Überblick über Stäublis im Thurgau ausgeführte Glasmalereien. Ein Ostschweizer Glasmaleratelier in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Der 1926 in Luzern geborene Heinrich Stäuble legte sich schon in den 1950er-Jahren den Künstlernamen « Stäubli » zu und signierte seine Arbeiten auch entsprechend. Nach dem Besuch der Kunstgewerbeschule St. Gallen 1941/42 folgten ein Studienaufenthalt in Paris und eine Lehre bei dem St. Galler Glasmaler Andreas Kübele ( 1907– 1965 ), in dessen traditionsreichem Betrieb er anschliessend arbeitete. 1958 gründete Stäubli sein eigenes Atelier an der Zürcherstrasse 84 in St. Gallen. Nur ein Jahr später erhielt er den Anerkennungspreis der Stadt. Bis heute ist er der einzige Glasmaler unter den Preisträgerinnen und Preisträgern. Aus dieser Zeit stammt auch das von ihm entworfene Ex Libris.  Abbildung 105 Es zeigt den Künstler im weissen Malerkittel beim Auftra- 105  Ex Libris des Glasmalers gen von Schwarzlot auf ein Glasstück, als würde man von aussen durch das Fenster des Heinrich Stäubli, welches er in den 1950er-Jahren Ateliers blicken. Vor ihm auf dem Arbeitstisch ( vermutlich ein Leuchttisch ) steht eine verwendete. noch ungebrannte Glasmalerei mit zwei Fischen – ein Motiv, das in dieser Zeit vielfach in seinen Glasarbeiten und Druckgrafiken zu finden ist. Das Ex Libris verdeutlicht die Doppelnatur der Glasmalerei : Sie ist eine Aufgabe der bildenden Kunst und zugleich ein technisch anspruchsvolles Handwerk. Stäublis Schaffen zeichnet sich durch Vielseitigkeit aus. In der Glasmalerei fertigte er zahlreiche moderne Wappenscheiben für Vereine, Gemeinden und Privatpersonen, Jubiläumsscheiben für Firmen sowie Wirtshausschilder an. Daneben hatte er schon früh Erfolg mit Architekturaufträgen, neben zahlreichen Kirchenfenstern auch für öffentliche Bauten. So gewann Stäubli 1961 beispielsweise den Wettbewerb für die künstlerische Ausgestaltung der Treppenhäuser in der Sekundarschule Schönau in St. Gallen neben Künstlern wie Alfred Kobel und Karl Tschirky ( vgl. Künstlerische Ausgestaltung des Sekundarschulhauses Schönau in St. Gallen, 1961, S. 101 ). Architekturgebundene Glasmalerei erreicht als Kunst am Bau ein breites öffentliches Publikum. So prägen Stäublis Arbeiten durch ihr Farb- und Formenspiel bis heute die Ostschweizer Bauwelt. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

143 Das Glasmaleratelier Heinrich Stäubli – Zwischen St. Galler Werkstatt und Glaskunst am Bau im Thurgau

1968 erfolgte ein Standortwechsel der Werkstatt. Eine umgebaute Hühnerfarm ( der Linerhof ) in Engelburg im Gaiserwald, nur wenige Kilometer vom alten Standort entfernt, wurde zum neuen, permanenten Arbeitsort des äusserst produktiven Ateliers Stäubli. Erst 1995, im Alter von knapp 70 Jahren, übergab Stäubli den Betrieb an seinen langjährigen Mitarbeiter Ernst Holenstein. Bis zu seinem Tod am 1. Mai 2016 in St. Gallen widmete sich Stäubli fortan eigenen künstlerischen Entwürfen im Bereich der Malerei und Grafik. Heinrich Stäublis Schaffen im Thurgau

Von der eigenen Werkstatt aus, als « Epizentrum » des künstlerischen Schaffens, führte Heinrich Stäubli Glasarbeiten in weiten Teilen der Ostschweiz aus. Im Kanton Thurgau entwarf er Glasfenster für vier Kirchen über den Zeitraum von 1962 bis 1987, wodurch sich ein breites repräsentatives Spektrum seines Schaffens ergibt. Dies auch deshalb, weil Stäublis Arbeiten in ihrer Gesamtschau eine grosse Palette an Themen und Formsprachen abdecken, welche die Vielseitigkeit und die Veränderungen in der modernen Glasmalerei der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts widerspiegeln.

106  Siebenteiliger Fensterzyklus zum Thema Kreuzweg Christi in der katholischen Kirche St. Jakobus in Steckborn. Ansicht im Innenraum der Kirche

Kreuzwegzyklus in Steckborn Sein erster thurgauischer Architekturauftrag betraf die zwischen 1961 und 1962 von Karl Zöllig und Hermann Schmidt erbaute katholische Kirche in Steckborn. Hier entwarf Stäubli einen Fensterzyklus mit Szenen des Kreuzwegs Christi.  Abbildung 106 Die insgesamt sieben farbigen Glasfenster sind punktuell in die mit Quadraten aus farblosen rechteckigen Glasbausteinen rhythmisch ausgefachten Wände des schlichten Kirchen-

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144 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

107  Quadratisches

Kreuzestodfenster in Betonglas­ technik im dritten nördlichen Joch der katholischen Kirche in Steckborn.

raums eingesetzt. Der daraus entstehende visuelle wie räumliche Abstand zwischen den einzelnen Szenen vermittelt das Konzept des Kreuzwegs, dessen Stationen es abzuschreiten gilt. Der Zyklus zeigt Stäublis Gespür für wirkungsvolle Farbkombinationen. Im Zentrum der Scheiben steht Christus, der sich durch den roten Nimbus und das weiss-­ gelbe Gewand von dem ansonsten in Blau- und Lilatönen gehaltenen Hintergrund der Szenen abheben. Höhepunkt des Zyklus ist das Kreuzestodfenster.  Abbildung 107 Die Wundmale Christi sind als leuchtend rote und unregelmässig geformte Glaskreise ausgeführt, die mit dem Nimbus korrespondieren und sich vom weiss-blassvioletten Leichnam Christi abheben. Ein breiter Betonring mit eingelegten orange-roten Glassplittern umfängt die Christusfigur und verbildlicht den Schmerz des am Kreuz Sterbenden auf eindringliche Weise. Typisch für Stäubli ist die Entwicklung der Komposition aus Kreis­ formen ( Nimbus, Betonkreis und Berg Golgatha ), welche die zentrale Achse zusammen mit dem Kreuz betonen. Die Figurenkörper von Pontius Pilatus, Maria, Veronika und weiteren sind gestalterisch in unregelmässige Formen und Glasstücke aufgebrochen und somit abstrahiert. Die Kreuzwegstationen führte Stäubli als Betonverglasungen aus. Dies ist eine Technik aus Frankreich, die 1934 erstmals in der Schweiz ( im Kanton Fribourg ) zum Einsatz kam und ihre stärkste Verbreitung in den 1960er- bis 1980er-Jahren erfahren hat. In Steckborn spielt Stäubli geschickt mit der Fugendicke der Verglasung. Breite Betonfugen werden bei der Betrachtung im Licht zu breiten schwarzen Konturen. Schmale Fugen dienen der Binnengliederung und vermitteln anschaulich einen Faltenwurf oder einen abstrahierten Gesichtsausdruck. Die Unregelmässigkeit der Fugen und der einzelnen Glasstücke erzeugen eine erzählerische Bilddynamik und eine Natürlichkeit, die aufgrund der grösseren, in sich harmonierenden Farbflächen nie unruhig erscheinen. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

145 Das Glasmaleratelier Heinrich Stäubli – Zwischen St. Galler Werkstatt und Glaskunst am Bau im Thurgau

Das Thema der Betonverglasung erlaubt einen Einblick in den Werkstattkosmos des Ateliers Stäubli und dessen Arbeitsweise. Von Andreas Stäuble, der von 1979 bis 1983 bei seinem Vater Heinrich in die Glasmalerlehre ging, liegt ein handgeschriebenes und mit Fotos illustriertes « Lehrbuch » vor, das unter anderem den Prozess einer solchen Betonverglasung in einer Fotoreportage dokumentiert ( Stäuble 1983 ). Für diese Technik ( Dalle de Verre genannt ) wird in erster Linie Dallglas verwendet, ein dickes Gussglas, das in einer Vielzahl von Farben erhältlich ist.  Abbildung 108 Der Betonverglasung liegt, wie anderen Glasmalereien auch, ein kolorierter Entwurf zugrunde, der in eine technische Zeichnung im Massstab 1 : 1 übertragen wird.  Abbildung 109 Die weissen Flächen der Zeichnung sind nummeriert. Hier werden die entsprechend zugeschnittenen oder zugeschlagenen Glasstücke platziert. Stege aus grauem Karton markieren die Betonfugen in der Zeichnung. Das noch lose Mosaik aus Glasstücken wird anschliessend in eine Gussform gelegt und mit Leimtupfen temporär fixiert. Als nächster Schritt erfolgt das Betonieren.  Abbildung 110 Hierfür werden die Sprossen, also die Freiräume zwischen den Glasteilen, mit Betonmasse ausgefüllt. In diese noch bewegliche Masse wird eine in Form gebogene Eisenarmierung zur Stabilisierung eingelegt. Durch Klopfen auf den Tisch treten die im Beton gefangenen Luftblasen aus. Die Glasflächen werden abschliessend sorgfältig von überschüssigem Beton befreit. Nun muss gewartet werden, bis der Beton ausgehärtet ist. Am Bestimmungsort, in diesem Fall das Foyer des ehemaligen Verwaltungssitzes der Publicitas AG an der Vadianstrasse 45 in St. Gallen, wird das Glasbetonmosaik eingesetzt und im Fensterrahmen verschraubt.

108  Farbige Glasbrocken ( Dallglass ) im Atelier Stäubli, Engelburg. Farbfotografien und Text von Andreas Stäuble, c. 1983.

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146 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

109 (  oben  )  Arbeitstisch im Atelier Stäubli in Vorbereitung auf eine Betonverglasung, vom kleinformatigen kolorierten Entwurf ( Abbildung 108 , Foto 1 ) zu den vorbereitenden technischen Zeichnungen mit ersten zugeschnittenen Glasstücken. Farbfotografien und Text von Andreas Stäuble, c. 1983. 110 (  unten  )  Heinrich

Stäubli und Lehrling im Prozess der Betonierung einer Betonver­ glasung. Farbfotografien und Text von Andreas Stäuble, c. 1983.

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147 Das Glasmaleratelier Heinrich Stäubli – Zwischen St. Galler Werkstatt und Glaskunst am Bau im Thurgau

Figürliches für Tänikon und Abstraktes für Bischofszell Nach Steckborn folgte 1965 ein Auftrag für die katholische Kirche St. Bernhard in Tänikon. Stäubli schuf dafür figürliche Darstellungen zur Lebensgeschichte des Heiligen Bernhard und zwei Pfingstfenster.  Abbildung 111 1971 entwarf er abstrakte Kompositionen für zwei historische Masswerkfenster der Kirche St. Pelagius in Bischofszell. Diese Aufgabe erfüllte Stäubli im Rahmen einer umfassenden Renovation der Kirche durch den Architekten Franz Bucher in den Jahren 1968 bis 1971. Die in intensiven Blautönen mit roten Einsprüngen gehaltenen abstrakten Glaskompositionen korrespondieren gekonnt mit der geometrischen Sprache des dreilanzettigen Masswerks.  Abbildung 112

111 (  links  )  Ein

Fenster aus dem Bernhard-Zyklus in der katholischen Kirche St. Bernhard in Tänikon ( ehemals Zisterzienserinnenkloster ). Im Gegensatz zum Steckborner Zyklus ist die Formsprache viel figürlich-­ narrativer.

112 (  rechts  )  Die

zwei durch Heinrich Stäubli neu gestalteten Masswerkfenster ( 1971 ) befinden sich im siebten südlichen und nördlichen Joch der katholischen Kirche St. Pelagius in Bischofszell. Sie sind aus farblosem und farbigem Antikglas sowie rotem Bruchglas gefertigt. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

148 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

113 (  links  )  Das Arche-Noah-­ Fenster in der evangelischen Kirche in Affeltrangen ( ehemals St. Johann Baptist und Evangelist ) begrüsst die Kirchgängerinnen und Kirchgänger im Vorzimmer. Das Fenster besteht aus durchgefärbten und blanken Glasstücken. 114 (  rechts  )  Eine

kleinformatige technische Zeichnung von Heinrich Stäubli für eine Arche-Noah-Glasmalerei aus dem Nachlass des Künstlers im Vitromusée Romont.

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149 Das Glasmaleratelier Heinrich Stäubli – Zwischen St. Galler Werkstatt und Glaskunst am Bau im Thurgau

Das Arche-Noah-Fenster in Affeltrangen Das letzte für den Kanton Thurgau entworfene Fenster aus dem Atelier Stäubli befindet sich im Vorraum der evangelischen Kirche Affeltrangen ( ehemals St. Johann Baptist und Evangelist ).  Abbildung 113 Das Rundbogenfenster wurde 1987 im Rahmen eines grösseren Umbaus des Kircheninnenraums eingesetzt. Das grossformatige Fenster ( 140 × 65 Zentimeter ) zeigt die Arche Noah auf hoher See. Aus drei dunkelblauen Wolken ergiesst sich der Regen in langen Bahnen vor und hinter das Schiff, sodass eine räumliche Tiefenwirkung entsteht. Über den Wolken leuchtet eine Sonne in Orange auf gelbem Hintergrund. Von rechts fliegt die Taube mit dem Ölzweig ins Bild : Ihr weisser, mit Schwarzlot modellierter Körper tritt vor der dunklen Wolke besonders in Erscheinung ; sie ist der eigentliche Fokus des Fensters. Die Bleiruten bilden einerseits eine schmale Fensterrahmung, andererseits fungieren sie als Konturen der Zeichnung. Eine im Nachlass Stäublis erhaltene technische Zeichnung auf Transparentpapier zeigt eine kleinformatige Variation des Arche-Noah-Fensters.  Abbildung 114 In diesem undatierten Entwurf hatte der Künstler ein rechteckiges Format in Betracht gezogen, am oberen Bildrand nur zwei Wolken vorgesehen und die Taube in die obere Mitte gerückt. Das in Affeltrangen ­ausgeführte Rundbogenfenster überzeugt im Vergleich mit dem Entwurf durch eine wesentlich harmonischere Gesamtwirkung. Die von Heinrich Stäubli im Thurgau ausgeführten Arbeiten zeigen, dass figürliche und abstrakte Glasmalerei in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein wesentliches Gestaltungselement sakraler, öffentlich zugänglicher Bauten darstellt. Die gestalteten Glasfenster sind Teil der Architektur und zugleich freie « Glaskunst am Bau ». Forschungsprojekt

Das Forschungsprojekt Das Glasmaleratelier Stäubli in St. Gallen. Intermedialität und « Glaskunst am Bau » im 20. Jahrhundert ( Laufzeit 2020 bis 2022 ) wird von Dr. Laura Hindelang geleitet. Es ist als Kooperation zwischen dem Vitrocentre Romont, dem Vitromusée Romont und der Universität Bern, Institut für Kunstgeschichte, angelegt. Das Projekt hat die Inventarisierung und Erforschung des Nachlasses von Heinrich Stäubli wie auch seiner architekturgebundenen Arbeiten im Kanton St. Gallen mit den Schwerpunkten Intermedialität und Glaskunst am Bau zum Ziel. Das Projekt wird die Ergebnisse in der Datenbank www.vitrosearch.ch wie auch mit der Monografie Glaskunst am Bau und Intermedialität. Das Atelier Stäubli ( De Gruyter, Berlin 2022 ) publizieren. Begleitend zeigt das Vitromusée Romont die Ausstellung L’atelier Stäubli et le vitrail moderne de Saint-Gall ( 26. Juni bis 9. Oktober 2022).

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150 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Archive und archivalische Quellen Staatsarchiv Thurgau, Frauenfeld

 – Brief der Äbtissin an die Regierung vom 1.4.1833, Staatsarchiv Thurgau, Signatur STATG 4’390’2,21.  – Regierungsratsbeschlüsse (RRB) Nr. 612, 30.3.1833; Nr. 679, 6.4.1833, Staatsarchiv Thurgau, ­Signatur STATG 3’0061.  – Brief der Regierung an die Äbtissin vom 30.3.1833, Missiv Nr. 176, Staatsarchiv Thurgau, STATG 3’21’49.

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151 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

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154 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

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https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Highlights der modernen Glasmalerei

Lucia Angela Cavegn Michael Egli Sandra Gimmel Nora Guggenbühler Stefanie Hoch Markus Landert Dorothee Messmer Christina Snopko Silvia Volkart Ulrich Wismer https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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157 Highlights der modernen Glasmalerei

Augusto Giacometti ( 1877–1947 ) 1930

1  Walter

Dräyer, Augusto Giacometti, Porträtfoto aus den 1930er-Jahren ( vermutlich nach 1935 ).

Chorfenster, Evangelische Stadtkirche Frauenfeld ; Werkstatt Ludwig Jäger, St. Gallen

Der aus dem Bergell stammende Augusto Giacometti gilt als Erneuerer der modernen Glasmalerei, deren weitere Entwicklung er wesentlich geprägt hat. Im Chorfenster der Frauenfelder Stadtkirche verbindet er figürliche und abstrakte Darstellungen von besonderer Leuchtkraft, die an die Farbintensität mittelalterlicher Fenster anknüpft.

Michael Egli und

« Ein märchenhaft reiches Farbenwunder »

Christina Snopko

Mit diesen emphatischen Worten charakterisiert ein Beitrag der Thurgauer Zeitung am 24. Dezember 1930 das Fenster von Augusto Giacometti, das vier Tage zuvor in der evangelischen Stadtkirche von Frauenfeld eingesetzt worden ist. Der Essay hebt die Farben der Verglasung und insbesondere deren Wirkung durch das einfallende Licht hervor. Dadurch erhalte der Chorraum einen farbigen Akzent und werde in ein buntes Licht getaucht. Das Fenster tritt in einen spannungsvollen Dialog mit dem vom Architekten Hans Wiesmann ( 1896 –1937 ) entworfenen Kirchenneubau, der getreu den Prinzipien des Neuen Bauens einer konstruktiven Ökonomie und einer formalen Strenge verpflichtet ist. Abbildungen 2 und 3 Mit Augusto Giacometti gewinnt die Frauenfelder Kirchgemeinde für ihr Vorhaben einen der bedeutendsten Künstler der damaligen Zeit, der nicht zuletzt dank seiner Glasfenster Bekanntheit erlangt hat. Im Frühjahr 1928 besucht der Frauenfelder Pfarrer mit einer Delegation den Künstler in seinem Zürcher Atelier an der Rämistrasse ( Brief an seinen Cousin Antonio Giacometti ). Vor dem Besuch ziehen Baukommission und Pfarrer den Gekreuzigten oder den Guten Hirten als Hauptbild für das Chorfenster in Erwägung ( Protokoll 18. Februar und 22. Februar 1928. ) Wie das ausgeführte Fenster zeigt, sollten sich die Parteien auf das Leben Christi einigen. Das handschriftliche Werkverzeichnis, in dem Giacometti sein Schaffen dokumentiert, vermerkt im selben Jahr unter dem Titel « Das Leben Christi » eine Pastellzeichnung mittlerer Grösse. Im nachfolgenden Jahr werden ein weiteres Pastell sowie eine für die Glaserwerkstätte bestimmte Kohlezeichnung in Ausführungsgrösse verzeichnet. Zeitgleich arbeitet Giacometti an den Entwürfen für die Fenster des Zürcher Grossmünsters, der Kirche St. Jakob in Klosters sowie der Kirche San Luzi und Florin in Zuoz.

2  Evangelische

Stadtkirche, Frauenfeld. Blick von aussen auf den Chor mit dem Fenster von Augusto Giacometti.

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159 Highlights der modernen Glasmalerei

3 (  linke Seite  )  Evangelische

Stadtkirche, Frauenfeld. Inneres, Blick gegen Osten zum 1930 entworfenen Chorfenster von Augusto Giacometti. Die oberen Bildfelder zeigen in aufsteigender Abfolge die Anbetung der Heiligen Drei Könige, die Taufe Christi im Jordan, Christus am Ölberg, die Kreuzigung, die Aufer­stehung und das Weltgericht. 4 (  links  )  Evangelische

Stadt­ kirche, Frauenfeld. Detail des Chorfensters.

5 (  rechts  )  Augusto

Giacometti, Skizze nach einem Glasfenster im Dom von Florenz aus dem 15.  Jahr­hundert, 1929, Pastellkreide auf schwarzem Papier, 20.5 × 31.5  Zentimeter, Privatbesitz.

Das Fenster ist in zwei schmale vertikale Bahnen mit jeweils zehn hochrechteckigen Feldern gegliedert. Die oberen sechs Reihen sind der Vita Christi gewidmet. In den unteren vier Registern hingegen verzichtet Giacometti auf figürliche Darstellungen, weil sie wegen der ursprünglichen Platzierung der Orgel im Inneren der Kirche nur bedingt einsehbar sind. Durch das Spiel der Komplementärfarben und den Kontrast von erleuchteten und verdunkelten Partien verbindet Giacometti alle Felder des Fensters miteinander. Diese Gestaltungsprinzipien zielen pointiert auf die Licht- und Farbwirkung der Verglasung. In einem Balanceakt rücken sie die szenischen Darstellungen an die Grenze der Lesbarkeit. Protagonisten einzelner Szenen – wie die Könige der Epiphanie, Christus bei der Taufe oder die Apostel im Garten Gethsemane – entziehen sich dem ersten flüchtigen Blick. Umgekehrt entsteht durch die Struktur und Anordnung der ungegenständlichen Felder ein Spiel mit potenziellen Bildern, wenngleich die Wirkung der transluziden Farbflächen im Mittelpunkt steht. Abbildung 4 Die Abstraktion in der unteren Fensterzone knüpft an Giacomettis Verglasung in einer Basler Privatkapelle ( 1919 ) und an jene in der südlichen Chorwand der Kirche St. Johann in Davos ( 1928 ) an. Sie zählen zu den ersten ungegenständlichen Kirchenfenstern der Schweiz. Auch hinsichtlich der Rückbesinnung auf die mittelalterliche https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

160 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

­ usivische Technik gilt Augusto Giacometti als ein Erneuerer der Glasmalerei. Anders m als vorangegangene Generationen malt er nicht auf grossen Glasflächen, sondern verwendet Glasstücke unterschiedlicher Grösse und Farbe, die in das grafisch wirkende Gefüge der Bleiruten eingebunden sind. Das dicht auf einzelne Gläser aufgebrachte Schwarzlot verdunkelt einzelne Partien und lässt so andere Stellen umso intensiver leuchten. Giacometti beschäftigt sich seit seiner Ausbildung in Paris wiederholt mit der Glasmalerei des Mittelalters. Aus der Zeit der Entwürfe für das Frauenfelder Fenster sind mehrere Pastellzeichnungen nach Glasgemälden des Kölner und Florentiner Doms überliefert ( Hartmann 1981, Nr. 1393, 1413 –1415, 1477 und 1478 ). Die Zeichnungen in Pastellkreide auf schwarzem Papier bestechen wie seine in derselben Technik ausgeführten Fensterentwürfe durch die Leuchtkraft der Farben. Abbildung 5 Giacomettis Besichtigung der Stadtkirche gemeinsam mit dem Kunsthändler Max Kaganovitch ( 1891–1978 ) im Herbst 1932 lässt die Bedeutung erahnen, die er seinem Chorfenster beigemessen hat. In den nachfolgenden Jahren verhilft ihm Kaganovitch zu zwei wichtigen Ausstellungen in Paris. Im Zusammenhang mit einer weiteren Ausstellung in Locarno berichtet Giacometti 1933 mit Genugtuung seinem Freund A ­ rnoldo M. Zendralli ( 1887–1961 ), durch die Entwürfe für das Zürcher Grossmünster und für die Frauenfelder Stadtkirche seien die Fenster dort gut vertreten ( Zendralli 1936, S. 43 ). Quellen und Literatur ( Auswahl )

Briefkopien der Korrespondenz von Augusto Giacometti, Centro Giacometti, Stampa. Deborah Favre, Das Geheimnis der Farbwirkung von Augusto Giacomettis Glasgemälden, in : Augusto Giacometti : Die Farbe und ich, Ausstellungskatalog Kunstmuseum Bern, 19.09.2014 –15.02.2015, hrsg. von Matthias Frehner, Daniel Spanke und Beat Stutzer, Köln 2014, S. 75 – 83. Augusto Giacometti, Handschriftliches Werkverzeichnis, Manuskript, SIK-ISEA, Zürich, Schweizerisches Kunstarchiv, HNA 13.1.3.38. Augusto Giacometti, Skizzenbücher und Notizhefte, SIK-ISEA, Zürich, Schweizerisches Kunstarchiv, HNA 13.1.3.1–13.1.3.33. Hans Hartmann, Augusto Giacometti. Pionier der abstrakten Malerei. Ein Leben für die Farbe, Ausstellungs­ katalog Bündner Kunstmuseum Chur, 20.06.–13.09.1981, Chur 1981 ( Katalog mit Werkliste ). H. B., Giacomettis Kirchenfenster in Frauenfeld, in : Thurgauer Zeitung, 24.12.1930. Astrid Kaiser Trümpler, Die Schweizer Glasmalerei des 20. Jahrhunderts, in : Glasmalerei der Moderne. Faszination Farbe im Gegenlicht, Ausstellungskatalog Badisches Landesmuseum Karlsruhe, 09.07.– 09.10.2011, bearb. von Jutta Dresch, mit Textbeiträgen von Holger Brülls et al., Karlsruhe 2011, S. 65–73. Protokolle der Baukommission, 1926 –1931, Evangelische Kirchenvorsteherschaft Frauenfeld, Archiv der evangelischen Kirchgemeinde, Frauenfeld. Beat Stutzer, Farbvisionen, in : Augusto Giacometti : Die Farbe und ich, Ausstellungskatalog Kunstmuseum Bern, 19.09.2014–15.02.2015, hrsg. von Matthias Frehner, Daniel Spanke und Beat Stutzer, Köln 2014, S. 31–43. Arnoldo M. Zendralli, Augusto Giacometti, con 43 illustrazioni fuori testo ed una tavola a colori, Zürich 1936 ( Neuausgabe Chur 2020 ).

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161 Highlights der modernen Glasmalerei

Carl Roesch ( 1884 –1979 )

1  Carl Roesch vor zwei seiner Werke aus dem Jahr 1904. Fotograf unbekannt.

Lucia Angela Cavegn

1910 Neunteilige Bilderfolge « Märchen erzählen » sowie Blumen- und Vogelbilder, Primarschulhaus Diessenhofen ; Werkstatt Glasmalerei Diessenhofen Höfisches Paar ( Verlobung Carl Roesch mit Margrit Tanner ), um 1970 eingebaute 1910 Glasscheibe im Oberen Amtshaus ( Museum kunst + wissen ), Diessenhofen ; Werkstatt Glasmalerei Diessenhofen 1911 ca. Zwei Fenster mit Berufsdarstellungen, ehemaliges Bezirksgebäude ( Polizeiposten ) Diessenhofen ; Werkstatt Glasmalerei Diessenhofen Standbilder Martin Luthers und Ulrich Zwinglis, Evangelische Kirche Mammern ; 1910/11 Werkstatt Glasmalerei Diessenhofen 1922/23 Zehn Spitzbogenfenster mit Darstellungen zum Leben Jesu und biblischen ­Gleichnissen, Evangelische Kirche Amriswil ; Werkstatt Glasmalerei Diessenhofen 1922/23 Fünf Rundbogenfenster mit Darstellungen zu biblischen Gleichnissen, Evangelische Kirche Schlatt ; Werkstatt Anton Kiebele, St. Gallen 1957 Zwei Rundbogenfenster mit biblischen Gleichnissen, Evangelische Kirche Kesswil ; Werkstatt Anton Kiebele, St. Gallen

Carl Roesch ist ein wichtiger Vertreter der Schweizer Kunst des 20. Jahrhunderts. Die Glasmalerei nimmt in seinem frühen Schaffen einen

2a und 2b  Der

Zyklus zeigt Motive zu den Erzählungen « Der Mann im Mond », « Schneewittchen », « Frau Holle », « Rübezahl » und « Baron von Münchenhausen ».

besonderen Stellenwert ein. Sie setzt um 1910/11 mit mehreren öffentlichen Aufträgen und einer ersten Ausstellungsbeteiligung mit Glasscheiben in Schaffhausen ein. Roesch fand noch vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs als Glasmaler weitherum Anerkennung.

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2c links und rechts (  oben  )  Vom Jugendstil geprägte Blumen­bilder Roeschs im Erdgeschoss des Primarschulhauses Diessenhofen. 2d (  unten  )  Einzelscheibe aus Roeschs Reihe der Blumenbilder.

Carl Roesch wurde am 9. Mai 1884 in Gailingen ( Deutschland ) geboren und wuchs auf der gegenüberliegenden Seite des Hochrheins in Diessenhofen auf. Mit knapp 16 Jahren begann er eine Ausbildung als Maschinenzeichner am Technikum Winterthur. Nach einem Semester Maschinenbau und vier Semestern Kunstgewerbe verliess er das Technikum Winterthur mit Bestnoten im Abgangszeugnis, um seine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule Karlsruhe und an der Heinrich Wolff-Privatschule in München fortzusetzen. 1905 kehrte Roesch in seine Heimat zurück, um sich als Grafiker und Dekorationsmaler zu etablieren. Im Herbst 1910 entstanden erste Glasmalereien, die mit ihrer Thematik einzigartig bleiben sollten : So schuf er eine neunteilige Serie « Märchen erzählen » sowie stilisierte Vogel- und Blumenbilder für das neu erbaute Schulhaus in Diessenhofen. Die titeltragende Darstellung ist mit September 1910 datiert. Abbildungen 2a bis 2d Für dasselbe Gebäude gestaltete sein Künstlerkollege August Schmid drei Glasfenster zur Schweizer Geschichte, von denen eines die Inschrift « Glasmalerei Diessenhofen » trägt. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

164 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Das Glasmaleratelier Diessenhofen

In Roeschs Nachlass gibt es eine undatierte Vignette mit der Aufschrift « GLAS­ MALEREI DIESSENHOFEN : KÜNSTL U DECORAT GLASMALEREIEN U KUNSTVERGLASUNGEN : KÜNSTLER LEITUNG CARL ROESCH  ». Abbildung 3 Inhaber der Werkstatt Glasmalerei Diessenhofen war somit Roesch. Ein ähnliches Paisley-Muster wie auf der Vignette findet man auf einem Glasgemälde, das im Treppenturm des­ Oberen Amtshauses ( heute Museum kunst + wissen ) in Diessenhofen eingebaut wurde. Das mit « Weihnachten 1910 » datierte Glasgemälde schuf Roesch anlässlich seiner Verlobung mit Margrit Tanner. Die Jahrzahl 1969 bezieht sich auf das Todesjahr seiner Ehefrau. Abbildungen 4a und 4b Am 4. August 1911 schrieb der Künstler an seine Verlobte einen Brief, in dem er begeistert von seinem neuen Atelier im Unteren Amtshaus ( auch Toggenburgerhaus genannt ) berichtet : « [ … ] das reinste Atelier. [ … ] plötzlich all die unglaublichen V ­ orteile gegen einen anderen Ort : Leicht zum letzten gehört das Glasmalereigeschäft, dem ich von auswärts nicht mehr nachgehen könnte und das uns den Mietzins reichlich bezahlte ». Roeschs frühe Glasmalerei-Aufträge boten dem jungen Ehepaar vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs ein existenzsicherndes Einkommen. Kaum bekannt sind die beiden jugendstilhaften Buntglasfenster für die Empfangshalle der damaligen Spar- und Leihkasse, dem späteren Bezirksgebäude ( heute Polizeiposten ) in Diessenhofen, die mit « C. Roesch » und « Glasmalerei Diessenhofen » bezeichnet sind. Ihre Gestaltung beruht auf je einem Paar Lisenen mit vier ornamen-

3  Undatierte

Vignette von Carl Roesch, die der Künstler zu Werbezwecken für seine Werkstatt für Glasmalerei in Diessenhofen entworfen hatte.

4a und 4b  Verlobungsscheibe mit zierlicher Signatur im ehemaligen Oberen Amtshaus in Diessenhofen, heute Museum kunst + wissen, mit einer Sammlung von Werken von Carl und Margrit Roesch-Tanner. 2018 wurde die Scheibe von Roesch als Geschenk der ortsansässigen Familie Siegel im Treppenturm des Gebäudes eingebaut.

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165 Highlights der modernen Glasmalerei

tal verbundenen Rondellen, in denen scherenschnittartig Berufe dargestellt sind. AbbildunIn seiner Werkstatt realisierte Roesch auch jene Glasmalereien, die er für die 1910/11 erbaute evangelische Kirche in Mammern entwarf. Roesch avancierte früh zum gefragten Glasmaler. Über Alfred Altherr, dem damaligen Direktor der Kunstgewerbeschule Zürich, lernte er Gottfried Heinersdorff, Gründungsmitglied des Deutschen Werkbunds und Inhaber einer Kunstanstalt für Glasmalerei, Bleiverglasung und Glasmosaik in Berlin, kennen. Dieser beauftragte den Künstler 1913 mit dem Entwurf eines dreiteiligen Glasfensters für einen Hotelsaal und bildete diesen in seiner Publikation Die Glasmalerei, ihre Technik und ihre Geschichte ab. Die Zusammenarbeit mit Heinersdorff fand mit dem Ersten Weltkrieg ein abruptes Ende. Roesch erhielt in den Folgejahren weitere Aufträge für Glasmalereien ausserhalb des Thurgaus und zeigte sein Können an verschiedenen Ausstellungen im In- und Ausland. gen 5a und 5b

5a und 5b  Glasmalereien von Carl Roesch mit Berufsbildern im ehemaligen Bezirksgebäude Diessenhofen, vermutlich 1911 anlässlich eines Umbaus des Gebäudes entstanden und eingefügt.

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166 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Zusammenarbeit mit der Werkstatt Kiebele/Kübele in St. Gallen

1922 erhielt Roesch zwei wichtige Aufträge für Glasmalereien im Kanton Thurgau. Zum einen sind dies zwölf hohe Spitzbogenfenster, die Roesch für die evangelische Kirche in Amriswil schuf ; zum anderen fünf, mit biblischen Gleichnissen ( « Barmherziger Samariter », « Kluge und törichte Jungfrauen », « Verlorener Sohn », « Sämann », « Zöllner und Pharisäer » ) bebilderte Rundbogenfenster für die evangelische Kirche in Schlatt. Abbildungen 6a bis 6c

Der Amriswiler Zyklus umfasst zwei ornamentale und zehn figurative Glasfenster. Die in einem quadratischen Geviert untergebrachten Erzählungen aus dem Leben Jesu und zwei biblische Gleichnisse ( « Verlorener Sohn », « Barmherziger Samariter » ) sind von dekorativen Flechtstrukturen umrahmt, welche die Farben der jeweiligen Darstellung echoartig wiederholen. Anlässlich einer Ausstellung im Kunstgewerbemuseum in Zürich schrieb die Neue Zürcher Zeitung im Januar 1923 dazu : « In neuer Zeit beschäf-

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6a  Rundbogenfenster in der evangelischen Kirche Schlatt aus den Jahren 1922/23. Dargestellt sind die Erzählungen vom « Verlorenen Sohn », von den « Klugen und törichten Jung­frauen » und vom « Barm­herzigen Samariter ».

167 Highlights der modernen Glasmalerei

6b (  links  )  Darstellung

des « Sämanns » in der evangelischen Kirche Schlatt. 6c (  rechts  )  Darstellung

des « Barmherzigen Samariters » in der evangelischen Kirche Schlatt.

tigen sich unsere Schweizerkünstler wieder öfters mit der schönen Kunst der Glasmalerei. Dass sie es auf diesem Gebiet schon zu ganz vortrefflichen Leistungen bringen, ­beweisen die Glasgemälde, die der Diessenhofener Künstler Carl Roesch für die evangelische Kirche Amriswil entworfen und ausgeführt hat ». In den einzelnen Fenstern sind auf Inschriften die Namen der Stifter zu lesen, darunter auch jener von Carl Roesch. Abbildungen 7a bis 7c Der Auftrag für Amriswil nahm Roesch acht Monate in Anspruch. Am 14. Oktober 1922 notierte er in sein Tagebuch : « Glasscheiben, nichts als Glasscheiben. Eine wunderbare Aufgabe und doch ist die Vehemenz der Arbeit durch die kurz bemessene Frist imstande eine Eintönigkeit des Gehirns hervorzubringen ». Möglicherweise war dies der Grund, warum er die Glasfenster für die evangelische Kirche in Schlatt durch Anton Kiebele aus St. Gallen ausführen liess. Die Zusammenarbeit mit der St. Galler Werkstatt fand drei Jahrzehnte später ihre Fortsetzung, als Roesch zwei Glasgemälde für die evangelische Kirche in Kesswil gestaltete. Die Firma war inzwischen an Andreas Kübele übergegangen, der gemäss Künstlerlexikon der Schweiz XX. Jahrhundert die Firma seines Vaters übernommen hatte. Von Anton Kiebele ist aufgrund einer vom ­Vitrocentre Romont registrierten Visitenkarte nur bekannt, dass er eine Zweigniederlassung in Ravensburg hatte. Mit den vier Gleichnissen « Kluge und törichte Jungfrauen », « Zöllner und Phari­ säer », « Verlorener Sohn » und « Barmherziger Samariter » griff der 73-jährige Künstler thematisch auf die frühen Schlatter Glasmalereien zurück, fand aber für die Kesswiler https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

168 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

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169 Highlights der modernen Glasmalerei

7a bis 7c  Roesch

schuf 1922/23 zehn figurative Glasmalereien zum Leben Jesu und zu biblischen Gleichnissen für die evangelische Kirche in Amriswil. Dabei stiftete der Künstler das Fenster « Heilung eines Blinden ».

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170 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

8  Chorfenster

in der evangelischen Kirche in Kesswil mit der Darstellung von vier Gleichnissen, geschaffen 1957.

Bilderfolge eine zeitgemässe Formulierung. So verzichtete er weitgehend auf dekorative Elemente und ging bei der Komposition von Farbharmonien und dem rhythmischen Zusammenspiel von vereinfachten Formen aus. Abbildung 8 Zu Roeschs Glasmalereien siehe auch den Beitrag von Katrin Kaufmann, S. 29–30 und 41– 44. Quellen und Literatur

Nachlass Carl Roesch im Kunstmuseum Thurgau. Tagebücher aus dem Nachlass des Künstlers, transkribiert von Tildy Hanhart. Albert Knoepfli, Carl Roesch. Ein Beitrag zur Geschichte der Malerei seit 1900, Frauenfeld 1958. Alfons Raimann, Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau, Band 5 : Der Bezirk Diessenhofen, Basel 1992. Kunstmuseum Thurgau, Markus Landert ( Hrsg. ), Carl Roesch : eigenwillig – angepasst, Sulgen 2006. Ursula Helg, Carl Roesch. Leben und Werk, Zürich 2009.

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171 Highlights der modernen Glasmalerei

August Wanner ( 1886 –1970 ) 1934

1  August Wanner, Selbstbildnis 1918, Steindruck.

Nora Guggenbühler

Die Heiligen Martin und Rochus, Kapelle St. Martin, St. Sebastian und St. Rochus, Gärtensberg ; Werkstatt Andreas Kübele, St. Gallen 1942 Drei Bogenfenster, Aufbahrungsraum Friedhof Arbon 1942 ; Werkstatt Andreas Kübele, St. Gallen 1945 –1947 Die Heiligen Nikolaus und Maria Magdalena sowie Madonna mit Kind, Kapelle St. Nikolaus und St. Magdalena, Degenau ; Werkstatt Andreas Kübele, St. Gallen 1947 Der Heilige Niklaus von Flüe, Katholische Kirche St. Stefan, Amriswil 1949/1950 Zwei Szenen aus dem Leben des Heiligen Gallus, Galluskapelle Arbon 1951/52 Maria Immaculata, der Gute Hirte und der Heilige Joseph, Paritätische Kirche St. Albin, Ermatingen ; Werkstatt Gottlieb Engeler, Andwil SG 1952 Die Heiligen Columban, Martin und Gallus, Katholische Kirche St. Martin, Arbon ; Werkstatt Andreas Kübele, St. Gallen 1953 Passionszyklus, Katholische Kirche St. Martin, Arbon ; Werkstatt Andreas Kübele, St. Gallen 1958 Vitenzyklus der Heiligen Ida von Toggenburg, Katholische Kirche St. Urban, ­Bettwiesen ; Werkstatt Andreas Kübele, St. Gallen

August Wanner war bei der Neugestaltung oder Restaurierung von Kirchen äusserst gefragt. Für gut hundert Bauwerke in der ganzen Schweiz hat er Kunstwerke geschaffen, darunter Skulpturen, Wandmalereien, Ölbilder sowie Glasgemälde. Der Künstler war in den unterschiedlichsten Gattungen tätig und bediente sich dabei einer auffallenden Vielfalt an Techniken, doch die Glasmalerei nahm in seinem Schaffen eine zentrale Stellung ein.

Im Kanton Thurgau finden sich acht religiöse Bauwerke mit Glasmalereien nach August Wanners Entwürfen. Es handelt sich dabei fast ausschliesslich um Heiligendarstellungen, die als Halbfigurenporträts wie in den Kapellen Gärtensberg und Degenau, als n ­ arrative Szenen wie für die Kirchen in Amriswil, Bettwiesen und die Arboner Galluskapelle oder aber als Ganzfiguren wie bei den Chorfenstern in Ermatingen und Arbon umgesetzt sind. Wanners primäre gestalterische Mittel sind die verschiedenen Farbtöne der Gläser, ihre Schnitte sowie die sie zusammenhaltenden Bleistege, während er Schwarzlot zum Zeichnen und Schattieren nur sehr akzentuiert einsetzte. Wiederholt arbeitete er ausserdem mit Gegensätzen von hell und dunkel oder opak und transparent. Abbildung 2 Kunst für die Gläubigen

Kirchliche Kunst hat nach Ansicht Wanners zu den Gläubigen zu sprechen und muss, will sie nicht rein dekorativen Zwecken dienen, von guter « Lesbarkeit » sein ( Strehler o. J. [ 1964 ], S. 12 ). So sind die Chorfenster der paritätischen Kirche St. Albin in Ermatingen deutlich auf Fernwirkung konzipiert. Monumental stehen die Figuren des Guten Hirten, der Maria Immaculata und des Heiligen Joseph vor einem dunkelblauen Hintergrund, der von einem Rahmen in hellem Rosa und Blau umfasst wird. Abbildungen https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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173 Highlights der modernen Glasmalerei

3 und 4 Dies zog vereinzelt Kritik auf sich. Albert Knoepfli, Denkmalpfleger des Kantons Thurgau, wie auch Linus Birchler, Professor für Baugeschichte an der Eidgenössischen Technischen Hochschule ( ETH ) Zürich, erachteten die Figuren als zu dominant ( Gutachten vom 22. April und 20. Mai 1952 ). Darüber hinaus war Birchler der Ansicht, dass die helle, ornamentale Einfassung « den flächenhaften Eindruck zerstört », weshalb er dazu riet, diese nachträglich dunkler zu patinieren. Dem Vorschlag wiedersetzte sich Wanner vehement ( Brief an Pfarrer Johann Kuner 1952 ), indem er betonte, die Umrahmung habe zum Zweck, « die Kraft der Figurenhintergründe zu steigern und zur Belebung der gesamten Fensterfläche » beizutragen. Dennoch wählte Wanner für die etwa zeitgleich entstehenden Chorfenster in der Kirche St. Martin in Arbon ein deutlich anderes Konzept ( Rechnung vom 8. September 1952 ) : Die Heiligen Columban, Martin und Gallus sind kleiner dargestellt und jeweils von zwölf Szenen aus ihrem Leben ­umgeben. Zudem verzichtete der Künstler auf starke Farbkontraste zugunsten eines ornamentalen Gesamteindrucks. Abbildungen 5 und 6

Das Thema des Kreuzwegs

2 (  oben rechts  )  August Wanner, Heiliger Niklaus von Flüe, Glasmalerei, katholische Kirche St. Stefan, Amriswil 1947. 3 (  oben links  )  Der Heilige Joseph, südliches Chorfenster, ­paritätische Kirche St. Albin, Ermatingen 1951/52. 4 (  unten  )  August Wanner, Chorfenster mit Darstellungen der Maria Immaculata, des Guten Hirten und des Heiligen Joseph, paritätische Kirche St. Albin, Ermatingen 1951/52.

Die Entwürfe für die St. Martinskirche fanden grossen Zuspruch, und so wurde Wanner kurze Zeit später mit der Fertigung eines Passionszyklus für das Langhaus derselben Kirche beauftragt ( Rechnung vom 2. Mai 1953 ). Auch hier handelt es sich um ein Werk, das sich in schon beinahe didaktischer Weise an die Kirchenbesucherinnen und Kirchenbesucher richtet. In die aus bienenwabenförmigem Antikglas gefertigten Fenster sind unten 16 Stationen aus der Passionsgeschichte eingearbeitet. Die Darstellungen konzentrieren sich auf wenige, wiederkehrende Figuren und Motive. Zudem ist der Bildaufbau von Parallelisierungen sowie Spiegelungen der jeweils sich gegenüberstehenden Szenen geprägt, was die Lesbarkeit der Bilder zusätzlich steigert. Abbildungen 7 und 8 Mit dem Thema Kreuzweg beschäftigte sich Wanner in den unterschiedlichsten Techniken und er realisierte es nicht nur als Glasgemälde, sondern auch als Lithografien, Radierungen, Holzschnitte, Mosaike sowie Wandmalereien in Mineralfarbe oder auch Zementputz. So hatte er vor der Fertigung des Arboner Passionsfensterzyklus 1953 bereits mindestens zehn Kreuzwege für Kirchen in der ganzen Deutschschweiz geschaffen ( Blöchlinger/Hilber 1947, Werkverzeichnis ). Dank der Lehre als Flach- und Dekorationsmaler, dem Studium an der Kunstakademie in München bei Carl Johann Becker-Gundahl und Franz von Stuck sowie der eigenen Tätigkeit als Lehrer an der Gewerbeschule in St. Gallen ( 1916 –1924 ) hatte sich Wanner eine Versiertheit in den unterschiedlichsten Kunsttechniken angeeignet. Anders als bei den Wandmalereien, fertigte er die Glasgemälde allerdings nicht selbst, sondern liess seine Entwürfe von Werkstätten umsetzen. Wie Signaturen und Quellenmaterial belegen, hat er für die Verglasungen in Gärtensberg ( Brief von Karl Peterli 26. August 1934 ), in Degenau ( Festschrift anlässlich der Neuweihe 24. August 1947 ), in Bettwiesen und in Arbon mit dem St. Galler Glasmaler Andreas Kübele ( 1907–1965 ) und für ­Ermatingen mit Gottlieb Engeler ( 1900 –1974 ) aus Andwil ( St. Gallen ) zusammenge­ arbeitet. In Ermatingen haben sich aquarellierte Scheibenrisse erhalten, die zeigen, wie https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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5 (  linke Seite  )  Der

Heilige Columban, nördliches Chorfenster in der katholischen Kirche St. Martin, Arbon 1952.

6 (  rechts  )  Gesamtansicht der Chorfenster mit Darstellungen der Heiligen Columban, Martin und Gallus in der katholischen Kirche St. Martin, Arbon 1952.

Wanner mit sicherem Pinselstrich den Verlauf der Bleistege für die Figurenzeichnung sowie die Grösse, Form und Farbe der Gläser vorgibt, ohne jedoch über dem Detail den Blick für die Gesamtwirkung aus dem Auge zu verlieren. Einen weiteren Einblick in Wanners Arbeitsprozess gibt ein Schreiben an den Pfarrer in Arbon, in dem er berichtet, dass er die drei Wochen Kuraufenthalt in Baden zur Behandlung seines rheumatischen Leidens dazu verwenden wolle, sich mit den « Details der einzelnen Fensterfelder » auseinanderzusetzen und die « Uebertragung in die natürliche Grösse vorzuarbeiten » ( Brief vom 24. Januar 1952 ). Obwohl Wanner stets nur die Entwürfe für einen Auftrag lieferte, war es doch gerade die Glasmalerei, die für seine künstlerische Entwicklung wie auch für die Rezeption seines Œuvres eine zentrale Stellung einnahm. An der Schweizerischen Landesausstellung in Zürich 1939 partizipierte er mit dem Glasgemälde « Strassenbau » und auch bei Einzel- oder Gruppenausstellungen wurden seine Scheibenrisse sowie die danach gefertigten Bleifenster immer wieder gezeigt ( Ausstellungskatalog St. Gallen 1946 und 1973 ). 7 und 8  Stationen aus dem Passionszyklus im Langhaus der katholischen Kirche St. Martin, Arbon 1953.

Quellen und Literatur

Brief August Wanners an Pfarrer Josef Hofmann, 24.01.1952, Archive beider Kirchgemeinden, Arbon. Rechnung für die Chorfenster, 08.09.1952, Archive beider Kirchgemeinden, Arbon. Rechnung für die Langhausfenster, 02.05.1953, Archive beider Kirchgemeinden, Arbon. Gutachten von Linus Birchler, 22.04.1952, Archiv der Katholischen Kirchgemeinde, Ermatingen. Gutachten von Albert Knoepfli, 20.05.1952, Archiv der Katholischen Kirchgemeinde, Ermatingen. Brief von August Wanner an Pfarrer Jos. [ Johann ] Kuner, 20.1952 [ sic ], Archiv der Katholischen Kirch­ gemeinde, Ermatingen. Festschrift anlässlich der Neuweihe der Kapelle Degenau, 24.08.1947, Archiv des Pastoralraums Bischofberg. Brief von Kunstmaler Karl Peterli an die Katholische Kirchenverwaltung Wil, 26.08.1934, Archiv der Katholischen Kirchgemeinde, Wil. Anton Blöchlinger und Paul Hilber, August Wanner. Eine Monographie, Zürich 1947. Kunstverein St. Gallen ( Hrsg. ), August Wanner und ehemalige Wanner-Schüler, Ausstellungskatalog Kunst­ museum St. Gallen 04.05.– 26.05.1946, St. Gallen 1946. Kunstverein St. Gallen ( Hrsg. ), August Wanner 1886 –1970. Gedächtnisausstellung, Ausstellungskatalog Historisches Museum St. Gallen 19.01.– 04.03.1973, St. Gallen 1973. Hermann Strehler, St. Galler Maler 1964, Amriswil o. J. [ 1964 ]. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

176 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Heinrich Danioth ( 1896 –1953 ) und Edy Renggli ( 1922–2017 ) 1953/54

Kreuzwegzyklus, Katholische Kirche Maria Himmelfahrt, Eschenz ; Werkstatt Glasmalerei Renggli, Luzern

Die Einweihung seines letzten Werks erlebte Heinrich Danioth nicht mehr. Als der Urner Künstler im November 1953 im Alter von 58 Jahren verstarb, waren die Arbeiten für den Kreuzwegzyklus für die Pfarrkirche Eschenz zwar weit fortgeschritten, für die Vollendung der Konzeption und die Ausführung aber war schliesslich der Luzerner Glasmaler Edy Renggli verantwortlich.

1  Heinrich Danioth, Porträt um 1947. Foto : Aschwanden.

Dennoch trägt die Eschenzer Glasgemäldefolge die künstlerische Handschrift Danioths.

Der Eschenzer Glasmalereizyklus schildert den Leidensweg Jesu von der Verurteilung Silvia Volkart über den Tod am Kreuz bis zur Grablegung in eindrücklichen Bildern. Die hochformatigen Scheiben – paarweise in hohe, blanke Fenster eingepasst – prägen die sonst schmucklose Nord- und Südwand des Schiffs der im 18. Jahrhundert erbauten Kirche. Der Zyklus umfasst 16 Scheiben : 15 sind der biblischen Erzählung gewidmet ; der Bilder­ reihe vorangestellt ist eine Scheibe mit Informationen zu den an der Entstehung der Gemälde beteiligten Personen. Der Kreuzweg Jesu wird in figurenreichen Darstellungen vor Augen geführt. Kräftig konturierte Gestalten mit runden Köpfen, kantigen Gesichtern und expressiver Gestik füllen die Bildfelder aus. Intensives Rot im Wechsel mit kräftigen Violett- und Blautönen dominieren den Zyklus und verbinden die auf acht Fenster verteilten Szenen zu einer ausdrucksstarken Bilderfolge. Die Glasgemälde sind – einer mittelalterlichen Holzschnittfolge ähnlich – umrahmt. In der Rahmung bieten römische Ziffern und Kurztexte in lateinischer Sprache Orientierung über die jeweils dargestellte Episode aus der Leidensgeschichte Jesu. Abbildung 2 Je einem Bildfeld ist eine Station des Kreuzwegs zugeordnet. Die Folge wird einzig durch das Ereignis des am Kreuz sterbenden Jesus unterbrochen. Diesen Moment schildert Danioth in einer Doppelscheibe mit der Gruppe der Trauernden links und dem Gekreuzigten am rechten Bildrand. Die Szenerie wird von einer blutroten Fläche dominiert : Diese umrahmt die Hinterbliebenen und distanziert sie vom Verstorbenen. Zudem schafft sie zwischen den Figuren eine beklemmende­ Leere – einen Raum für die Gegenwart des Todes. Abbildung 3 Den Auftrag für die Ausstattung der Kirche in Eschenz verdankte Danioth der Vermittlung von Patres des Klosters Einsiedeln, welche die thurgauische Kirche aufgrund des Einsiedler Kirchenpatronats jahrhundertelang betreuten und die das Schaffen des Urner Künstlers hoch schätzten. Ein Zeichen der anhaltenden Wertschätzung Danioths https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

177 Highlights der modernen Glasmalerei

2 (  oben  )  In Danioths Station VIII des Eschenzer Kreuzwegzyklus spricht Jesus mit einem Knaben, in der Station IX bricht Jesus unter der Last des Kreuzes zusammen. 3 (  unten  )  Die Doppelscheibe der Station XII vergegenwärtigt das Sterben Jesu am Kreuz.

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178 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

in Einsiedeln ist ein Entwurf des Künstlers für die Eschenzer Kreuzigungsszene, welcher im Kapitelsaal des Klosters hängt. Abbildung 4 Das Kreuzmotiv

Omnipräsent ist das Kreuz. Es führt leitmotivisch durch den Zyklus und ist ein wesentliches Mittel der Komposition. Als Vertikale, Horizontale oder Diagonale in die Bildfelder eingesetzt, dient es der Gestaltung einer spannungsreichen Szenenabfolge, und indem das Kreuz fast ausnahmslos über die Rahmen der szenischen Darstellungen hinausragt und damit die Enge der Handlungsbühnen sprengt, evoziert es – in Kombina­tion mit den bildfüllenden Figuren – bei den Betrachtenden den Eindruck, monumentale Gemälde vor sich zu haben – tatsächlich messen die einzelnen Scheiben je nur 95.5 × 57.5 Zentimeter, die Doppelscheibe misst 95.5 × 117 Zentimeter. Mit dem Motiv des Kreuzes hatte sich Danioth schon früher auseinandergesetzt – besonders eindrücklich in einer Glasbilderfolge, die er 1932 für die neue katholische Kirche im aargauischen Schöftland schuf. Dieser vom Kubismus beeinflusste Kreuzwegzyklus umfasst 26 Scheiben : 14 biblische Szenen und zwölf Kompositionen zum Kreuzmotiv, die der Künstler auf beiden Seiten des Kirchenschiffs im rhythmischen Wechsel friesartig anordnete. Diese für die 1930er-Jahre höchst unkonventionelle sakrale Bilderfolge fasziniert durch ihr Spiel mit Figürlichem und Abstraktem. Abbildungen 5 und 6 Eine Gegenüberstellung der zwei Kreuzwegzyklen zeigt die enorme Spannweite von Danioths Schaffen. Obschon der Künstler im Bereich der Glasmalerei nur zeitweilig tätig war, macht dieser Vergleich die Entwicklung des Urners besonders sichtbar. Der 1896 in Altdorf geborene, in Basel und Karlsruhe ausgebildete Danioth war Maler, ­Illustrator, Grafiker und Schriftsteller. Seine Arbeiten kreisen um religiöse Themen, um https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

4  Heinrich

Danioths Entwurf zur Eschenzer Kreuzigung, Öl auf Pavatex, zwei Tafeln gerahmt 94 × 62  Zentimeter, Geschenk der Kirchgemeinde Eschenz an den Einsiedler Pater Leodegar Widmer im Herbst 1954. Kloster Einsiedeln ( Schwyz ), Kapitelsaal.

179 Highlights der modernen Glasmalerei

5 und 6  Heinrich Danioths 1932 konzipierter Kreuzweg­zyklus für die katholische Kirche Heilige Familie in Schöftland ( Aargau ). Glasmalereien mit der Darstellung des Gekreuzigten und einer Variation zum Kreuzmotiv, ausgeführt durch Glasmalerei Renggli Luzern.

Sagen und mythische Weltbilder. Nach einem expressionistischen Frühwerk mit Holzschnitten, Aquarellen und Zeichnungen profilierte er sich ab den späten 1920er-Jahren mit kühnen Wandbildern, die sich durch einen hohen Abstraktionsgrad und kristalline Bildstrukturen auszeichnen. 1950 schuf er mit dem Gemälde « Föhnwacht » ( Wandbild im Wartsaal des SBB-Bahnhofs Flüelen ) und einer monumentalen Teufelsfigur an einer Felswand der Schöllenenschlucht expressive Spätwerke. Dem frühen Zyklus in Schöftland mit seiner heiteren Buntheit und seinem Spiel mit Kreuzmotivabstraktionen steht in Danioths letztem Werk in Eschenz die Konzentration auf die biblische Geschichte gegenüber. Die Erzählung ist auf das Wesentliche verdichtet – Ereignisbühnen und Figuren lösen sich zwar auch hier beinahe in abstrakte Gebilde auf, die Stationen des Kreuzwegs sind aber stets klar lesbar. Die Palette ist reduziert, vorherrschend sind starke Farbklänge und harte Hell-Dunkel-Kontraste, welche das dramatische Geschehen gestalterisch unterstreichen und steigern. Literatur

Karl Iten, Heinrich Danioth, hrsg. vom Danioth-Ring, Band 3, Zürich 1973, S. 14 –19, Nummer 52. Beat Stutzer, Heinrich Danioth, in : Biografisches Lexikon der Schweizer Kunst, hrsg. vom Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft, Band 1, Zürich/Lausanne 1998, S. 247– 249. Alfons Raimann, Glasmalereien, in : Schätze des Glaubens. Kostbarkeiten aus dem Besitz der thurgauischen Kirchgemeinden, hrsg. von Madeleine Ducret et al., Frauenfeld/Stuttgart/Wien 1999, S. 218 – 219.

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Ferdinand Gehr ( 1896–1996 ) 1959–1961 Glasbilderzyklus, Katholische Kirche St. Peter und Paul, Sulgen ; Werkstatt Andreas Kübele, St. Gallen 1962–1964 Glasbilderzyklus, Katholische Kirche St. Alexander, Aadorf ; Werkstatt Gottlieb Engeler, Andwil SG

Ferdinand Gehr war mit mehr als 140 realisierten Projekten so oft wie kaum ein anderer Schweizer Künstler im öffentlichen Auftrag tätig. Heute gilt er als der bedeutendste Erneuerer der sakralen Kunst des 20. Jahrhunderts. Die Fenster der Kirchen von Sulgen und Aadorf

1  Franziska Messner-Rast, Ferdinand Gehr im Eingang seines Hauses. Foto September 1991.

zeigen einmal mehr, wie sehr der Künstler die themenbezogene, gemeinsame Aussage von Architektur und Kunstwerk ins Zentrum seines Schaffens stellte. Glasmalerei als Weiterarbeit an der Architektur

Als Gehr die Glasfenster für St. Peter und Paul in Sulgen schuf, war er bereits 65 Jahre alt. Er befand sich mitten in einer produktiven wie aufwühlenden Zeit voller Auseinandersetzungen mit konservativen Kreisen, die seinen radikal modernen Ausmalungen der Kirchen St. Marien in Olten ( 1952 ), St. Johannes in Wettingen ( 1954 und 1960 ) und St. Niklaus in Oberwil ( Zug ) ( 1957–1960 ) mit Unverständnis begegneten und die Bildfindungen ablehnten. In Oberwil artete dies zu einem veritablen Bilderstreit aus, der Gehrs Werk in den Medien international zur Diskussion stellte. Um die aufgebrachte Volksseele zu beruhigen, musste das rundum bemalte Kircheninnere nach der Fertigstellung schliesslich für sechs Jahre hinter einem Vorhang versteckt werden. Mitten in dieser aufreibenden Zeit, die den Künstler so bekannt wie gefürchtet machte, wurde er 1959 ausgewählt, die Fenster für die neue katholische Kirche in ­Sulgen zu gestalten. Ein mutiger Entscheid trotz anfänglicher Zweifel, der aus zwei Gründen zum Erfolg führte : Zum einen handelte es sich bei diesem Auftrag um Glasgemälde, die durch ihre materialgegebene Gliederung in Farbfelder wenig Anlass zu Diskussionen gaben. Zum anderen waren die Teilnehmer des Wettbewerbs zusammengesetzt aus den damals führenden Kirchenarchitekten, die mit Ferdinand Gehr bereits zusammengearbeitet hatten – allen voran Hermann Baur, der als Berater der Baukommission amtete, Hanns Anton Brütsch, Otto Dreyer und der Gewinner des Wett­bewerbs selbst, Ernest Brantschen, der Gehr als seinen Wunschkandidaten auserkoren hatte. Sie alle schätzten, wie Hanns Anton Brütsch es formulierte, die Tatsache, dass « Gehrs Arbeiten, wo immer sie seien, architektonisch [ sind ] ». Nie beeinträchtige er das Wesen der gebauten Wände, wie der Architekt erkenne er sie und arbeite an ihnen https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Dorothee Messmer

(   rechte Seite  )  Fensterzyklus

von Ferdinand Gehr 1959 –1961, katholische Kirche St. Peter und Paul, Sulgen.

181 Highlights der modernen Glasmalerei

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182 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

weiter ( Hanns Anton Brütsch, zit. in : Züger 2016, S. 189 ). Dies machte den Künstler zu ihrem Verbündeten. Die Fenstergestaltung in St. Peter und Paul spiegelt die besondere Qualität dieser Zusammenarbeit wider. Die Fenster tauchen die Wände aus Sichtbeton in ein leuch­ tendes Weiss-Orange-Rot und sorgen in dem skulpturalen, aber nüchtern möblierten Kircheninneren für eine intensive Lichtgebung. Die fünf Hauptfenster und das vorgelagerte Fenster im Chor gliedern die dominierende, schräg über dem Abhang gelegene Seitenwand. Zusätzlich verläuft oben ein Fensterfries, der die mächtige Geste der Architektur besänftigt. Abbildung 2 Der Sulgener Fensterzyklus offenbart Gehrs besondere, durch seine tiefe Spiritualität und sein bemerkenswertes theologisches Wissen geprägte Herangehensweise. Seine zeichenhafte Symbolsprache zeigt nicht, wie in der religiösen Kunst sonst üblich, eine Bildergeschichte im traditionellen Sinne, die aus formal-ästhetischen Überlegungen zur Anwendung kommt und die Gläubigen ablenken könnte, sondern zielt ganz darauf ab, das geistige Erlebnis der Eucharistie zu vertiefen.

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2  Fensterzyklus

und Fries von Ferdinand Gehr, katholische Kirche St. Peter und Paul, Sulgen. Kircheninneres, Blick gegen Süden, entstanden   959 –1961. 1

183 Highlights der modernen Glasmalerei

3  Drei

Fenster aus Gehrs Bilderzyklus in der katholischen Kirche St. Peter und Paul, Sulgen. In der Mitte das Weihnachtsbild « Christus erscheint in der Mitte der Zeiten den Menschen als der Erlöser ».

Beginnend beim Fenster im Chor, welches mit der Kreuzdarstellung und mit ­Weizengarben auf das Kreuzopfer hinweist, zeigen die fünf Fenster im Schiff, die in je fünf horizontalen Teilen gefasst sind, biblische Szenen von Gottes Begegnungen mit den Menschen. Damit unterstreichen sie die eigentliche Bestimmung des Kirchenraums : die Begegnung der Gläubigen mit Gott und das Abendmahl als gemeinsame Erfahrung. Abbildung 3

Dieser Fokus kommt nicht von ungefähr, denn in jenen Jahren ist eine Diskussion im Gange, die für den Katholizismus eine fundamentale Erneuerung darstellt und mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ( 1965 ) die festgefügte Ordnung des Kirchenraums neu festlegen wird. Der Gottesdienst richtet sich auf das gemeinsame Abendmahl aus und möchte die Gläubigen als Gemeinschaft an der Wandlung teilhaben lassen. Gehr setzt aus Überzeugung fest auf diese Entwicklung und will mit seiner « Mysterienmalerei ( … ) nichts anderes als ein Abbild dessen sein, was sich in diesem Raume ereignet. » ( Gehr, zit. in : Züger 2016 ) Seine Bildfindungen funktionieren somit als Spiegel, die den Raum der Gläubigen erweitern. Sie sind ganz auf den Betrachter hin konzipiert, der sich als Teil der Gemeinschaft fühlen soll. Im westlichen und nördlichen Bereich der Kirche sind einzelne Bildfenster zu sehen, die in der Umsetzung malerischer gehalten sind. Die interessantesten Glasgemälde befinden sich in der kleinen Werktagskapelle, denn hier wird die enge Verbindung ­zwischen Kunst und Architektur besonders deutlich. Beim Eintreten erblickt man drei kleine Bildfenster, die in voluminöse, wie mächtige Bilderrahmen wirkende Fensterstürze eingelassen sind – darunter die Darstellung eines Kopfes, dessen Gesichtszüge mit wenigen Strichen in Schwarzlot auf das Glas gemalt sind. Hier zeigt sich, wie sehr die gemeinsame Verehrung für Le Corbusier und die damals aktuelle « Art Sacré »-Bewegung Gehr und Brantschen inspiriert haben, denn in der Kapelle von Ronchamp ( Frankreich ) wurden die Lichtöffnungen ebenfalls tief in die Wände eingelassen und mit Glasmalereien des Künstlers und Architekten Le Corbusier versehen. Abbildungen 4 und 5 So stand Gehr Brantschen nebst der Gestaltung des Tabernakels auch als künst­ lerischer Berater für die liturgischen Ausstattungsstücke und für weitere Elemente des Kirchenraums zur Seite. Denn alles soll « in eine sinngemässe Beziehung gebracht [ werhttps://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

184 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

den ], die einzelnen Teile der Malerei und diese wieder mit der Architektur, und das Ganze ist um die heilige Handlung als sinnfällige Verehrung gelegt » ( Gehr, zit. nach Baur 1957, S. 199 ). Die Farbe zum Klingen bringen

In der katholischen Kirche St. Alexander in Aadorf fand Ferdinand Gehr eine andere Ausgangslage vor. Die überbordende neugotische Formensprache der 1865 erbauten Kirche genügte den Ansprüchen im 20. Jahrhundert nicht mehr und wurde 1962 bis 1964 purifiziert. Gehr wurde mit der Neugestaltung der hochrechteckigen Fenster beauftragt. Die Wirkung auf das Kircheninnere beeindruckt auch hier. Die grossen Lichtöffnungen, die das Längsschiff beidseits gliedern, tauchen den Kirchenraum in pastose Farben und erzeugen im kahlen Kircheninneren eine lichte und warme Atmosphäre. Im Gegensatz zu den Hauptfenstern in Sulgen sind die Öffnungen in Aadorf geometrischer gehalten und gliedern sich in je drei horizontale und sechs vertikale Felder, die wie textile Bänder wirken und Gehrs engen Bezug zum Stofflichen widerspiegeln, der auf seine Erstausbildung zum Stickereizeichner zurückzuführen ist. Überraschenderweise nimmt Gehr hier die Kirchenmusik als Bildidee für den Hauptzyklus, also jene Form der musikalischen Komposition, der die Texte der heiligen Messe der katholischen Liturgie zugrunde liegen und die den Gottesdienst an Sonnund Feiertagen seit Jahrhunderten festlich umrahmt. Sie setzt sich aus den Teilen Kyrie Eleison, Gloria, Credo, Sanctus und Agnus Dei zusammen, die der Künstler in den neun Fenstern verbildlichte. Abbildung 6 Die Darstellung der Musik in nach oben fliessenden Bewegungen soll wiederum zur Vermittlung einer bestimmten Stimmung und zur Vertiefung des spirituellen Erlebnisses der Eucharistie beitragen. Denn « in den liturgischen Gesängen zur heiligen Messe sind », so Gehr in einem selbstverfassten Text, « von den frühen Zeiten des Christentums her die Stimmungen der Seele als Flehen und Bitten, aber auch als Ausdruck der Freude und des Jubels überliefert worden. Weil nun die farbigen Gläser ebenso wie die Töne der Musik Ausdrucksträger für diese Stimmungen sein können, so konnte der Gedanke aufkommen, einmal diese Hymnen als Grundlage und Thema für farbige Fenster zu wählen. » ( Gehr, um 1964, zit. in : Aadorf, nach 1996 ) https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

4 (  oben  )  Gehrs

Glasgemälde in der Werktagskapelle der katholischen Kirche St. Peter und Paul, Sulgen. 5 (  unten  )  Le Corbusiers Fenster in der Westwand der Kapelle Ronchamp (  Frankreich ), 1954.

6 (  unten  )  Fensterzyklus

von Ferdinand Gehr, katholische Kirche St. Alexander, Aadorf, entstanden 1962 –1964. Wandmalereien von Roman Candio. 7 (  oben  )  Ferdinand Gehrs Fenster « Credo in patrem omnipotentem », katholische Kirche St. Alexander, Aadorf.

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186 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Die Bildsprache der Fenster ist abstrakter und flächiger als jene in Sulgen, obwohl einzelne Farbfelder als Kreuze oder Blätter, als Köpfe, Augen oder Herzen zu erkennen sind. Gehr nutzt diese zeichenhaften Formen, um über das Abbild hinaus auf etwas Anderes oder Höheres zu verweisen. Sie taugen für ihn aber nur dann dazu, wenn sie nicht vom Geschehen der Eucharistie ablenken. Deshalb müsse man sie « zurückstauchen », so Gehr. « Die Farben sollen ungestört von verstandesmässigen Überlegungen das Gemüt des Betenden erheben. » ( Gehr, zit. in : Messmer 2016, S. 171 ) Abbildung 7 Die Fenster in Aadorf belegen Gehrs andauernde Suche nach neuen Bildfindungen, nach reinen Farbfeldkompositionen, ohne den endgültigen Schritt in die reine Farbe in Kirchenräumen nochmals zu tätigen. Einmal hatte er es gewagt, bei der Gestaltung des Altarbilds der St.-Antonius-Kirche in Wettingen ( 1954 und 1960 ). Aber nachdem sich der Bischof nach der Besichtigung kurzerhand geweigert hatte, die Kirche zu weihen, wurde das Bild nach der Fertigstellung mit einem Vorhang verdeckt und schliesslich zerstört ( Messmer 2016, S. 171 ). Quellen und Literatur ( Auswahl )

Dorothee Messmer, Der Sonderfall Gehr, in : Dorothee Messmer und Katja Herlach, Kunstmuseum Olten ( Hrsg. ), Ferdinand Gehr. Die öffentlichen Aufträge, Zürich 2016, S. 171–182. Roland Züger, Bauen an der Kunst, in : Dorothee Messmer und Katja Herlach, Kunstmuseum Olten ( Hrsg. ), Ferdinand Gehr. Die öffentlichen Aufträge, Zürich 2016, S. 183 –194. Roland Wäspe ( Hrsg. ) et al., Ferdinand Gehr 1896 –1996, Kunstverein St. Gallen und Fundação Calouste Gulbenkian, Centro de Arte Moderna José de Azerado perdigão, Lissabon 2001. Marcus Casutt, Die katholische Kirche St. Peter und Paul, in : Die Kirchen von Sulgen, Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK/Evangelische Kirchgemeinde und Katholische Kirchgemeinde Sulgen ( Hrsg. ), Bern 2004, S. 27–38. Franz Zelger ( Hrsg. ) et al., Ferdinand Gehr 1896 –1996, Offizin Verlag, Zürich 1998. Katholische Kirchgemeinde Aadorf, Kunst in der Pfarrkirche St. Alexander Aadorf, Aadorf undatiert ( nach 1996 ). Ferdinand Gehr – Spätwerk, Ausstellungskatalog Kunsthaus Zürich ( Hrsg. ), Zürich 1994. Ferdinand Gehr, Ausstellungskatalog Kunstmuseum Olten und Städtische Kunstkammer zum Strauhof Zürich ( Hrsg. ), Olten 1978. Ferdinand Gehr, Ausstellungskatalog Stadttheater und Waaghaus St. Gallen, Kunstverein St. Gallen ( Hrsg. ), St. Gallen 1972. Hermann Baur, Der Maler Ferdinand Gehr, in : Das Werk, Jahrgang 44, Heft 6, 1957, S. 199 – 201.

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187 Highlights der modernen Glasmalerei

Gian Casty ( 1914 –1979 ) 1964 Bilderzyklus « Robinson », Schulhaus Reutenen II, Frauenfeld 1966 Die vier Evangelisten, Evangelische Kirche, Kurzrickenbach 1968 « Turnfest », Eingang Turnhalle Kantonsschule Frauenfeld 1968/1969 Bilderzyklus « Offenbarung des Johannes », Evangelische Johanneskirche, Bischofszell 1971 « Fischfang » und « Elia in der Wüste », Stadtkirche Diessenhofen 1975 « Kreuzigung Christi », Kirchenzentrum « Steinacker », Kradolf

1  Gian

Casty in seinem Atelier im St. Alban-Stift in Basel. Foto Walter Läubli, 1969.

Dem Kanton Thurgau kommt eine bedeutende Stellung im Schaffen des Glasmalers Gian Casty zu. Die im Zeitraum von 1964 bis 1975 realisierten Werke stammen aus der mittleren bis späten Schaffensphase des Künstlers. Sie entsprechen rund 20 Prozent seines Wirkens im öffentlichen Raum. Dank der unterschiedlichen Aufgabenstellungen wird eine thematisch und formal breite Palette an Arbeiten aus dem Œuvre abgedeckt. Wer sich also ein Bild von Castys Glasmalereien machen will, wird im Thurgau vieles finden.

Ulrich Wismer

Der etwas andere Glasmaler

Dank seines handwerklichen Geschicks war der in Zuoz ( Graubünden ) aufgewachsene Kunstmaler in der Lage, seine Glasbilder vom Entwurf bis zur Montage eigenhändig zu gestalten. Diese Gabe nutzte Casty, um die konstruktiven Grenzen seiner ­Bildideen auszuloten. Im Lichte des Bestimmungsorts konnte er auch die Glasfarbe situativ nuancieren oder die Patinierung justieren. Diese Kompetenzen prägten seine Arbeiten und führten zu einer unverwechselbaren Ausdrucksform. Die Abenteuer des Robinson

Wie ist eine Baukommission wohl auf die Idee gekommen, ein Treppenhaus mit farbigen Fenstern von Gian Casty künstlerisch zu gestalten ? Vielleicht hat das Gut­ achterteam um Kantonsbaumeister Rudolf Stuckert ( 1909 – 1985 ) von den bisherigen Arbeiten Castys an Basler Schulen erfahren. Vor allem sein 1957 im Gellert-Schulhaus platzierter « Matrose mit Papagei » fand so grosse Beachtung, dass dieses Motiv 1970 für eine Pro-Patria-Briefmarke verwendet wurde. Seine Illustration des Kinderbuchs « Der Clown sagte Nein » sorgte gar für internationale Aufmerksamkeit. Castys Ruf, ein besonders « kindergerechter » Künstler zu sein, prädestinierte ihn also für die Gestaltung der Schulhausfenster. Abbildungen 2 und 3 Mit dem Thema « Robinson » greift Casty eine Geschichte auf, welche Kinder seit jeher fasziniert. In jedem Stockwerk variiert er das gewählte Thema und verwendet für seine Episoden jeweils einen Erzählteppich in den Grundfarben Rot, Blau und Grün. Das grüne Fenster im obersten Stock evoziert zusammen mit den tropischen Vögeln ein https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

188 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

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189 Highlights der modernen Glasmalerei

2 (  linke Seite  )  Das

rote und das blaue Robinsonfenster im Abendlicht. Aussenansicht auf Castys Bilderzyklus « Robinson » im Schulhaus Reutenen II, Frauenfeld 1964.

Gefühl üppiger Dschungeldichte. Das Bild von Robinson vor seiner Hütte zusammen mit seinen tierischen Gefährten wird 1969 auch als eine Referenzarbeit im Katalog für die Ausstellung 15 Swiss Contemporary Artists in Montreal verwendet. Für die Bedeutung dieses dreiteiligen Werks spricht auch die Publikation des roten Fensters im Band Schweizer Kunst von 1967. Diese in flimmerndem Rot gehaltene Bildgruppe im untersten Stockwerk repräsentiert die geheimnisvolle Welt Afrikas. Die engen Platzverhältnisse in den beiden oberen Fensterteilen nutzt Casty geschickt, indem er einen flach liegenden Löwen präsentiert, begleitet von einer förmlich durch das Bild schleichenden Raubkatze. Der Kanufahrer im mittleren Werkteil schliesslich lässt den Betrachter die weite Einsamkeit des Meeres spüren. Nur zwei Fische und ein Vogel begleiten den allein paddelnden Robinson. Die Grenze zwischen dem tiefblauen Meer und dem Himmel ist fliessend und verstärkt so den Eindruck der endlosen Weite. Das in Castys Lieblings­ farbe gehaltene blaue Gemälde zeigt exemplarisch, in welchem Masse der Künstler mit seinen Glasmalereien Stimmungen zu erzeugen vermochte.

3  Die

üppige Dschungelwelt des grünen Fensters des « Robinson-Zyklus » bildet einen Kontrast zur funktionalen Betonarchitektur des Schul­ hauses Reutenen II.

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190 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Die vier Evangelisten

1965 wurde beschlossen, die erweiterte Kirche in Kurzrickenbach mit zwei Glas­ gemälden auszustatten. Diese sollten das vom Architekten Ernst Oberhänsli gewünschte « harmonische Gegenspiel zur vorhandenen Architektur » bilden. Nach der Präsentation der Entwürfe fällt der Entscheid einstimmig für Castys Darstellung der vier Evangelisten aus. Diese würde gemäss Kantonsbaumeister Stuckert weniger eigentliche Bilder zeigen, sondern mehr « symbolisch-stilistische Ausführungen mit grosser Aussagekraft ». Abbildung 4 In der Tat reduziert der Künstler die Evangelisten zu gesichtslosen Individuen in grau getönten Gewändern. Interessanterweise gesteht Casty den als Evangelistenattribute definierten Tieren mehr Persönlichkeit zu, indem er jedem wesenstypische Gesichtszüge verleiht. Keine der Figuren ist in Bewegung. Sitzend oder gar liegend markieren sie Präsenz. Die blaue Hintergrundfarbe trägt zur ruhigen Wirkung des Werks bei. Die wenigen Farbakzente leuchten wie Edelsteine aus diesem Raum der Besinnlichkeit. 4  Castys 1966

entstandene Evangelistenfenster in der Kirche Kurzrickenbach faszinieren durch eine auf das Wesentliche reduzierte Figürlichkeit und durch die intensive Leuchtkraft der auf wenige Farben begrenzten Palette.

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191 Highlights der modernen Glasmalerei

« Turnfest »

5 (  links  )  Castys 1968

geschaffenes « Turnfest » im Eingang zur Turnhalle der Kantonsschule Frauenfeld wirkt als Farbtupfer auf der rohen Betonwand.

6 (  rechts  )  An

der Grenze zur Abstraktion gestaltete Casty 1968/69 den « Siebenarmigen Leuchter », eines von fünf Fenstern für die evangelische Kirche in Bischofszell.

Zwei Jahre später kann Casty seine nächste Arbeit im Thurgau ausführen. Dieses Mal geht die Initiative von der Studentenverbindung Concordia aus. Anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens stiften die « Ehemaligen » ein Kunstwerk in den Neubau der Turnhalle. Das sinnigerweise mit « Turnfest » bezeichnete Glasgemälde stellt einen Turner auf einem Pferderücken stehend in einer Manege dar. Dabei spriesst ein überdimensionaler Blumenstrauss aus dem im Verhältnis zum Turner ebenfalls riesigen Füllhorn. Das 217 ×  92 Zentimeter grosse Glasbild, das durch seine Monumentalität wie auch durch die Konstruktion mit Windeisen und Verbleiungen ein erhebliches Gewicht hat, musste um das Jahr 2001 dem Neubau der Turnhalle weichen. Heute hat es wieder einen würdigen Platz im Umfeld der neuen Turnhalle gefunden. Im Unterschied zum früheren Standort, an dem die Glasmalerei durch das Spiel des eindringenden Sonnenlichts zur Geltung kam, vermag das nun auf einer rohen Betonwand montierte Gemälde dank künstlichen Hinterleuchtens als Farbtupfer zu wirken. Abbildung 5 Zeichen der Offenbarung

Eine Jury kürte die Eingabe von Gian Casty zum Siegerprojekt für die Gestaltung von fünf Fenstern im Neubau der evangelischen Kirche in Bischofszell. Die Glasbilder nehmen Bezug auf einzelne Themen der Offenbarung des Johannes : den « Baum des Lebens », den « Engel », die « Sieben Sterne », den « Reiter » und den « Siebenarmigen Leuchter ». Abbildung 6

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192 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Ein Film des rätoromanischen Fernsehens zeigt Casty bei der Installation dieser Fenster. Die Schwarz-Weiss-Bilder aus dem Jahre 1970 dokumentieren, mit welcher Ernsthaftigkeit der Glasmaler seine Arbeit in Bischofszell vollendet. Dabei stellte er seine Werke zu keiner Zeit in den Vordergrund, sondern immer in den Dienst der ­Gesamtwirkung eines Raums. Diese Eigenschaft war dann auch zentral in den Überlegungen des Architekten Benedikt Huber ( 1928 – 2019 ). Für den Planer war es wichtig, die Kunstwerke als Teil des ganzen Baus entstehen zu lassen. Die von Huber gewählte Position der Fenster ermöglicht es, die Kunstwerke aus der Nähe zu betrachten. Neben der Gesamtwirkung aus der Distanz wird so auch ein Einblick in die Arbeitsweise des Glasmalers möglich. In dem Fenster etwa, das den « Siebenarmigen Leuchter » darstellt, wird Castys Art des Schwarzlotauftrags ersichtlich. Wie kleine Wildbäche liess der Künstler die schwarze Malfarbe über das Glas strömen. Um die Kerzendochte rieb er die Stellen so subtil frei, dass je nach Lichteinfall ein ­Flackern der Kerzen wahrnehmbar scheint. Der « Fischfang » und « Elia in der Wüste »

Das Werk « Fischfang », welches Petrus als Menschenfischer darstellt, prägt heute die Stimmung in der restaurierten Stadtkirche Diessenhofen. Zwar empfand Casty die formale Einengung bei gotischen Fenstern als besonders gross, mit Kreativität und handwerklichem Geschick gelang es ihm jedoch, die Trennwirkung des Stabwerks zu überwinden und die biblische Erzählung über die beiden Fensterbahnen auszubreiten. Dazu gab er Petrus ein Netz aus Bleiruten in die Hand, welches bis zu den Fischen im rechten unteren Bildrand reicht und so die Bahnen verbindet. Hier wird ein weiteres charakteristisches Stilmerkmal von Casty sichtbar : das « Malen » mit den Bleiruten. Abbildung 7 Für das zweite, im romanischen Stil geformte kleine Fenster in der Nordwand wünschte der Denkmalpfleger ein dezentes Glasbild. Keinesfalls sollte der neue optische Anziehungspunkt im Chor konkurrenziert werden. Deshalb wählte Casty als Bildgrund ein farbloses Glas, welches er mit Schwarzlot patinierte, um das eindringende helle Tageslicht zu dämpfen. Die alttestamentarische Szene zeigt Elia mit dem Engel in der Wüste. Mit dem Blau der Wasserkanne setzte der Künstler einen für ihn typischen Bildakzent und stellte damit gleichzeitig eine Verbindung zum Hauptfenster im Chor her. Abbildung 8

Darstellung der Kreuzigung Christi

Mit der 70 ×  65 Zentimeter messenden Kreuzigungsszene im Kradolfer Kirchenzentrum « Steinacker » erhielt der Thurgau 1975 ein weiteres Werk von Casty. Er sollte für diese kleine Fensteröffnung Vorschläge zu einem zentralen Thema des christlichen Glaubens entwerfen. Bei der Umsetzung des gewählten Kreuzigungsmotivs entschied sich der Künstler für ein flammendes Tiefrot als Hintergrundfarbe. Die Kontur des mächtigen Kreuzes wird mit Bleiruten vorgegeben und mit kräftigem, stellenweise ausuferndem Schwarzlotauftrag akzentuiert. Zu Füssen des Gekreuzigten ruhen einträchtig Schaf und Löwe. Der « bibelfeste » Glasmaler erinnert so daran, das Jesus beide Wesenszüge in sich https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

7 (  rechte Seite  )  Der

von der Farbe Blau dominierte, 1971 gemalte « Fischfang » mit Petrus als Menschenfischer dominiert den Chor der Stadtkirche Diessen­ hofen.

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194 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

8 (  links  )  In

der Scheibe « Elia in der Wüste », eine auf farblosem Glas mit Schwarzlot patinierte Darstellung, schafft Casty durch blaue Akzente einen Bezug zum Chorfenster der Stadtkirche Diessenhofen.

9 (  rechts  )  In flammendem Rot gestaltete Casty für das Kirchenzentrum Kradolf 1975 eine Kreuzigungsdarstellung von innerer Monumentalität.

vereinigt : Er ist das Lamm, welches die Sünden auf sich nahm, um die Gläubigen mit dem himmlischen Vater zu versöhnen. Und er ist der Löwe, der die Mächte des Bösen besiegt und in Ewigkeit regiert. Abbildung 9 Formal sehen wir in Kradolf eine charakteristische Arbeit aus der späteren Schaffensphase des Künstlers. Bezeichnend dafür ist etwa, dass die Christusfigur – im Vergleich zu frühen Werken – in ihrer Gestaltung einen hohen Abstraktionsgrad aufweist. Unverkennbar bleibt auch dieses Glasbild die Schöpfung des herausragenden Künstlers Gian Casty, der wegen seines frischen, innovativen Umgangs mit den Stilmitteln der Glasmalerei zu den Erneuerern dieser Kunstgattung gerechnet wird. Quellen und Literatur ( Auswahl )

Archiv Evangelische Kirchgemeinde Sulgen, Protokolle der Kunstkommission für Kirchliches Gemeindezentrum in Kradolf, 01.02.–23.10.1975. Angelus Hux, Von der Lateinschule zur Oberstufe. Geschichte der Sekundarschule Frauenfeld im Rahmen des Frauenfelder Schulwesens, Frauenfeld 2002. Ernst Oberhänsli, Renovation und Erweiterung Kirche Kurzrickenbach, in : Sonderbeilage zum Thurgauer Volksfreund, 05.11.1966. KTV Concordia Frauenfeld, Hundert Jahre KTV Concordia Frauenfeld 1868 –1968, Frauenfeld 1968. Hendri Spescha, Künstlerportrait Gian Casty ( Film RTR ), in : Il Balcun tort, 15.02.1970. Benedikt Huber, Zu den Kunstwerken in der neuen Johannes-Kirche, in : Johannes-Kirche Bischofszell, hrsg. von der Evangelischen Kirchenvorsteherschaft Bischofszell-Hauptwil, Bischofszell 1974, S. 35 – 41. Walter Huber, Das Chorfenster, in : Stadtkirche Diessenhofen : zur Erinnerung an die Restaurierung 1968 – 1972, hrsg. im Auftrag der Evangelischen Kirchenvorsteherschaft Diessenhofen, Diessenhofen 1972, S. 39. Ulrich Wismer ( Hrsg. ), Glasmaler Gian Casty. Aus dem Dunkeln Leuchten, mit einem Beitrag von Astrid Kaiser Trümpler, Aarwangen 2011.

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195 Highlights der modernen Glasmalerei

Walter Burger ( 1923–2010 ) 1964 1973/74 1991

1  Walter

Burger im Gespräch mit dem Konzeptkünstler Hans Ruedi Fricker, Vernissage Heimspiel 2006, Kunstmuseum St. Gallen 2006.

Glasbilderzyklus, Katholische Kirche Roggwil ; Werkstatt Andreas Kübele, St. Gallen Chorfenster, Paritätische Alte Kirche Romanshorn ; Werkstatt Andreas Kübele, St. Gallen Glasbilderzyklus, Katholische Kirche Bürglen ; Werkstatt Heinrich Stäubli, St. Gallen

Der Umgang mit verschiedenartigen Materialien hat die Arbeit des St. Gallers Künstlers Walter Burger geprägt. Innerhalb seiner vielen Werke, die er für sakrale Bauten schuf, nimmt die Glasmalerei eine besondere Stellung ein. In Thurgauer Kirchen sind Beispiele Burgers aus drei verschiedenen ­Schaffensperioden zu sehen.

Sandra Gimmel

Malerische Glasbilder im Zusammenspiel mit sakraler Architektur

Beim Eintritt in die katholische Kirche in Roggwil werden die Besuchenden von der intensiven Farbigkeit der Glasmalereien Burgers empfangen. Die 1964 vom Glasmaler und Kunstglaser Andreas Kübele ( 1907–1965 ) ausgeführten Scheiben befinden sich alle vier auf der Eingangsseite des Baus. Die Farben leuchten in den Innenraum hinein und verraten die Existenz des Glasbilderzyklus noch bevor dieser vollumfänglich sichtbar ist. Die zugängliche Positionierung auf Augenhöhe ermöglicht eine genaue Betrachtung. Dies hat zur Folge, dass die Kirchenfenster weniger als zusammenhängende Gesamtkomposition, sondern vielmehr als alleinstehende Bilder wahrgenommen werden. Die Bildhaftigkeit wird durch die leichte Rückversetzung des Glases innerhalb der Kirchenmauer verstärkt. Hierbei wird deutlich, wie wichtig die Verknüpfung von Kunst und Architektur in Burgers Werk ist. Der Künstler, der spätestens seit den 1950er-Jahren eine Vielzahl von künstlerischem Schmuck für Gebäude realisierte, hat seine Werke stets als Teil der Identität des jeweiligen Bauwerks verstanden ( Bauer 1979, S. 39 ). Der gekonnte Umgang mit verschiedensten Materialien und Medien innerhalb seines künstlerischen Schaffens wird im stimmungsvollen Zusammenspiel der Glasmalereien mit dem Kirchenbau ersichtlich ( Wäspe 1993, S. 71 ). Die vier Roggwiler Fenster zeigen abstrahierte Versionen christlicher Symbolbilder, die durch ihre geschickte Einbettung in die Gestaltung der Scheiben zur harmonischen Gesamtwirkung beitragen. Eine Taube, ein Dornenkranz sowie Sinnbilder der Eucharistie sind erkennbar. Abbildungen 2 und 3 Die Kirchenfenster erinnern an Gemälde und repräsentieren einen zeitgemässen Umgang mit der Glasmalerei. Es erstaunt nicht, dass Burger in den 1940er-Jahren beim Kunst- und Glasmaler Hans Stocker ( 1896–1983 ) gelernt 2  Sinnbild der « Taube » über dem hat, der für seine modernen sakralen Werke bekannt ist ( Bauer 1979, S. 38 f. ). Auch eine Taufstein in der Kirche Roggwil. 1948 unternommene Studienreise nach Paris war für sein malerisches Schaffen prägend, https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

196 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

weil er dort mit den Ausdrucksformen des Tachismus und des Informels in Berührung kam ( Wäspe 1993, S. 71 ). Die paritätische Alte Kirche in Romanshorn verfügt über ein einziges künstlerisch gestaltetes Glasfenster im Chorraum, welches ebenfalls in der St. Galler Werkstatt ­Kübele angefertigt wurde. Die abstrakte Glasmalerei fügt sich zurückhaltend in das Masswerk des mittelalterlichen Chorfensters und somit in die Architektur des historischen Baus ein. Abbildung 4 Die Farbgebung greift die teils stark verblassten Fresken im Chor auf und vermag eine Harmonie zwischen Altem und Neuem zu schaffen. Burgers Interesse an der Arbeit mit unterschiedlichsten Materialien wird gern mit dem Erwerb seines Wohnhauses im st.-gallischen Berg 1960 und den anschliessenden Umbauarbeiten erklärt. Die in diesem Zusammenhang vorgefundenen Gegenstände und bauliche Besonderheiten wurden von ihm in seine künstlerische Tätigkeit übernommen und brachten eine handwerkliche Komponente in sein Schaffen ( Bauer 1979, S. 40 ). Der respektvolle und kreative Umgang mit der vorhandenen Bausubstanz sowie ein verspielter, malerischer Zugang machen den Reiz des Romanshorner Chorfensters aus. Wesentlich moderner und grafischer sind die beiden von Burger entworfenen und vom St. Galler Glasmaler Heinrich Stäubli ( 1926 –2016 ) realisierten Fenster der katholischen Kirche in Bürglen. Die zwei Oktogone befinden sich an erhöhter Stelle im Altarraum und beleuchten diesen mit einem dezenten Lichtspiel. Abbildung 5 Farblich ­orientieren sie sich an den weniger aufwendig gestalteten Fenstern des Kirchenschiffs. Gelb und Blau sind vorherrschend. Die klaren Linien und die geometrischen Formen stehen zwar im Gegensatz zu Burgers früheren Werken, sie werden aber durch abgerundete https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

3  Trilogie

der Mensch­werdung Christi in der Kirche Roggwil. Von rechts nach links : der « Sündenfall » als Präfigu­ration der Kreuzigung und Beginn der Heilsgeschichte, der « Dornenkranz » als Sinnbild für die Passion, die « Eucharistie » als Vergegenwärtigung der Menschwerdung und des Opfers Christi.

4 (  rechte Seite  )  In

das mittel­alter­liche Masswerkfenster ­eingepasste Glasmalerei von Walter Burger in der paritä­tischen Alten Kirche Romanshorn 1973/74.

197 Highlights der modernen Glasmalerei

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198 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Formen spielerisch durchbrochen, womit wiederum die für den Künstler bezeichnende malerische Qualität sichtbar wird. Die Glasbilder wirken mit ihrer Grösse, ihrer Posi­ tionierung und ihren abstrahierten Symbolbildern nicht primär als autonome Kom­ positionen, sondern sind vielmehr subtil eingesetzte, zurückhaltende Ergänzungen zur Architektur. Quellen und Literatur

Hermann Bauer, Walter Burger und sein künstlerisches Werk, in : Rorschacher Neujahrsblatt 1976, 66. Jahrgang, Rorschach 1976, S. 37–42. Roland Wäspe, Walter Burger – « Jetzt ist alles möglich », in : Ausstellungskatalog Kunstverein St. Gallen ( Hrsg. ), Aufbruch – Malerei in der Ostschweiz von 1950 bis 1965, Kunstmuseum St. Gallen 08.05.–22.08.1993, St. Gallen 1993, S. 71–79.

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5  Subtile

Eingriffe in die Architektur : Walter Burgers 1991 gestaltete Oktogone im Altarraum der katholischen Kirche Bürglen.

199 Highlights der modernen Glasmalerei

Jacques Schedler ( 1927–1989 ) 1963 1974

1  Jacques Schedler beim Malen der Sonnenuhr an der Kapelle in Warth. Foto 1976.

Vierteiliger Glasbilderzyklus mit abstrakten Kompositionen, Evangelische Kirche Hüttwilen ; Werkstatt Gottlieb Engeler, Andwil SG « Der Barmherzige Samariter », Abdankungshalle Friedhof Münsterlingen ; Werkstatt Gottlieb Engeler, Andwil SG

Jacques Schedlers Werk ist geprägt vom Spannungsfeld zwischen einer expressiven Gegenständlichkeit und dem Hang zur Abstraktion, die die Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg allgemein kennzeichnete. In Aufträgen für Kirchenfenster setzte er je nach gestellter Aufgabe seine Fähigkeit zur Gestaltung eingängiger Sinn- und Symbolbilder ein oder nutzte die Möglichkeit von abstrakten Form- und Farbsetzungen, um die Unfassbarkeit des Göttlichen erfahrbar zu machen.

Markus Landert

Die Berufswahl für den 1927 in Bürglen geborenen Jacques Schedler fiel in die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Damals war eine Künstlerlaufbahn nur Personen aus reichen Familien möglich und so machte er eine Lehre als Dekorationsmaler, besuchte die Kunst­ gewerbeschule in St. Gallen und nahm eine Arbeitsstelle als Gestalter in einem Warenhaus in Zürich an. Ein Aufenthalt in Paris in den Jahren 1949/50 brachte ihn in Kontakt mit der Kunst der Moderne. Fernand Léger, Johnny Friedländer oder Georges Braque waren Persönlichkeiten, von deren Werken er sich inspirieren liess. Zurück in der Schweiz machte er sich als Maler und Grafiker selbstständig und entfaltete vielfältige Aktivitäten, um seine Familie ernähren zu können. Er arbeitete als Illustrator, war ­Karikaturist beim Nebelspalter, betätigte sich als Lehrer bei der Migros-Klubschule und konnte mehrere Werke im öffentlichen Raum realisieren, etwa 1982 im Auftrag der Thurgauer Kantonalbank den grossen Stadtwächter am Haus Gambrinus in Frauenfeld. 1961 zog er mit seiner Familie nach Warth, wo er in einem selbst umgebauten Bauernhaus wohnte und arbeitete. 1968 bis 1975 führte er « mit bemerkenswertem Erfolg als Obmann die Thurgauer Künstlergruppe », so wenigstens charakterisierte Dino Larese 1990 in der Publikation zum 50-Jahre-Jubiläum des Vereins Schedlers Einsatz für das zeitgenössische Kunstschaffen im Thurgau ( Larese 1990 ). Im Rahmen seiner Erwerbsarbeit schuf Jacques Schedler mehrere Glasbilder. 1963 konnte er für die neu erbaute evangelische Kirche in Hüttwilen ( Thurgau ) und 1966 für die reformierte Kirche in Buch am Irchel ( Zürich ) Kirchenfenster gestalten. Während ein Fenster in Buch stilisierte Fische zeigt und damit einen Bezug zu einer frühchristlichen Symbolik herstellt, entwarf der Künstler für die vier Scheiben in Hüttwilen abstrakte Kompositionen. Abbildungen 2 bis 4 Alle vier Bilder erstrecken sich vom Boden bis zum Deckenansatz und folgen dem gleichen Kompositionsschema : Bleistege unterteilen die https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

200 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Flächen in bewegt von unten nach oben verlaufenden Bahnen von variierender Breite, die mehrfach von Kreisen oder Kreissegmenten durchstossen werden. Das dadurch entstehende vielfältige Formenspiel belebt der Künstler durch den Einsatz farbiger Gläser in unterschiedlichen Farbtönen. Es entsteht eine Anmutung von Figuren oder Wachsendem, allerdings ohne dass sich eine eindeutige Bedeutung ergibt. Der 2021 amtierende Pfarrer Richard Ladner meint, dass in den Bildern die vier Jahreszeiten oder die vier Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer thematisiert sein könnten. Die Farbklänge der vier Fenster, die von Rot zu Orange über Blau zu einem hellen Gelb gehen, stützen eine solche Interpretation. Möglich wäre auch ein Bezug zu den vier Evangelisten und deren Symbolen Stier, Löwe, Adler und Engel. Insgesamt aber wirken die vier tief in den Fensterlaibungen liegenden Scheiben wie schimmernde Farbsäulen, die in eine spannungsvolle Beziehung zum monumentalen Kreuz treten, das an der hohen Stirnwand den Raum entscheidend prägt. Die vier Lichtsäulen und das Kreuz verweisen gegenseitig aufeinander und versinnbildlichen eindrücklich das in der Kirche gelebte Geheimnis des Glaubens. Einige Jahre später, 1974, kann Jacques Schedler in der Abdankungshalle des kantonalen Friedhofs in Münsterlingen einen nächsten Auftrag realisieren. Abbildung 5 Das hier umgesetzte Motiv des Barmherzigen Samariters nimmt Bezug auf den Ort, der damals noch als Armenfriedhof für die Bestattung von Menschen diente, die keiner Kirch­ 2 bis 4  Schedlers abstrakte Kompositionen prägen den Sakralraum in Hüttwilen durch ihre intensive Farbigkeit und ein vielfältiges Formenspiel.

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201 Highlights der modernen Glasmalerei

5  Der

« Barmherzige Samariter », Glasmalerei in der Abdankungs­halle Friedhof Münsterlingen 1974.

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202 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

gemeinde angehörten. Jacques Schedler reduziert die Szene auf den Moment, als der Samariter dem Verwundeten aufhilft und ihm eine Erfrischung reicht. Drei rote Farb­ akzente in dem mehrheitlich blau und grün gehaltenen Bild versinnbildlichen die Wunde ebenso wie die in der Erfrischung wirkende Kraft der tätigen Nächstenliebe. Durch dunkle Hintermalungen akzentuiert der Künstler die dünnen Bleistege, die die farbigen Gläser halten, und schafft sich so die stilistische Möglichkeit, sein Bedürfnis nach einer direkteren Expressivität zu befriedigen. Den bedeutendsten Auftrag für Glasgemälde kann Jacques Schedler 1983 für die katholische Kirche St. Josef in Rickenbach Sulz bei Winterthur ( Zürich ) realisieren, wo er ein umfassendes Bildprogramm mit den Leidenswerkzeugen Christi und drei Fenstern zur Auferstehung Jesu gestalten kann. Im Auferstehungszyklus findet der Künstler eine überzeugende Formel, um den Zwang zur formalen Reduktion in der Glasmalerei in einen der Emotionalität des Themas angemessenen Ausdruck zu überführen. Das Wunder der Auferstehung wird allein durch die spannungsvolle Setzung von reinen Formen und Farben erfahrbar gemacht. Abbildung 6 Neben den Werken in kirchlichen Räumen sind von Jacques Schedler zudem einzelne Glasscheiben in Privatbesitz bekannt. Quellen und Literatur

Dino Larese, Fünfzig Jahre Thurgauer Künstlergruppe, Amriswil 1990. Alfons Raimann und Peter Erni, Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau, Band 6 : Bezirk Steckborn, Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte ( Hrsg. ), Bern 2001, S. 142. Peter Erni und Regine Abegg, Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau, Band 10 : Zwischen Bodensee und Bürglen, Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte ( Hrsg. ), Bern 2018, S. 378. https://de.wikipedia.org/wiki/St._Josef-( Rickenbach_Sulz ), Zugriffsdatum 11.1.2022. https://schedler.ch/kunst/jacques-schedler-1927-1989/, Zugriffsdatum 11.1.2022.

6  Jacques

Schedlers Chorfenster mit der Auf­erstehung Christi, katholische Kirche St. Josef, Rickenbach-­Sulz ( Z H ) 1983.

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203 Highlights der modernen Glasmalerei

Köbi Lämmler ( 1934–1989 ) 1961/62 1964

1  Köbi Lämmler im Atelier in Narbonne-Plage vor Entwürfen zu Glasscheiben. Foto : Sallis, Juli 1961.

Glasbilderzyklus, Evangelische Kirche Bichelsee ; Werkstatt Andreas Kübele, St. Gallen Glasbilderzyklus, Evangelische Kirche Oberaach ; Werkstatt Andreas Kübele, St. Gallen

Der St. Galler Künstler und Kunstlehrer Köbi Lämmler hat sich Zeit seines Schaffens einer Vielzahl von Medien bedient. Knapp die Hälfte seiner Aufträge im öffentlichen Raum sind in Glas realisiert worden, darunter die Bilderzyklen der evangelischen Kirchen in Bichelsee und in Oberaach, die sich beide durch abstrakte Elemente auszeichnen.

Sandra Gimmel

Figürliches in der Abstraktion

Die Gestaltung des Glasbilderzyklus für die Kirche in Bichelsee nahm während ­eines längeren Aufenthalts im südfranzösischen Narbonne-Plage 1961 Form an. Die Zeit dort gilt als besonders ausschlaggebend für Lämmlers Werk, weil sich erste ungegenständliche Tendenzen in Richtung Abstraktion konkretisierten ( Studer-Geisser 1993, S. 107 ). Die vom Glasmaler und Kunstglaser Andreas Kübele ( 1907–1965 ) gefertigten Fenster bilden den durchgehenden oberen Abschluss der nördlichen, östlichen und südlichen Kirchenwände. Abbildungen 2 und 3 Darüber spannt sich die imposante hohe Holz­ decke. Die künstlerisch aufwendig gestalteten Scheiben sind im Wechsel mit schlicht gehaltenen Fenstern angeordnet, welche aus mehreren einfarbigen viereckigen Flächen bestehen. Der hohe Anteil von Schwarz und die vorherrschende dunkle Farbigkeit der Glasbilder spiegeln Lämmlers zu Beginn der 1960er-Jahre entstandene Malerei wider. Dem Tagebuch des Künstlers ist zu entnehmen, dass die Entwürfe für Bichelsee auf seiner vor allem während des Aufenthalts in Südfrankreich neu etablierten Malweise basieren ( Studer-Geisser 1993, S. 110 ). Der Weg zur Abstraktion spielte hierbei die Hauptrolle. Es sind zwar verschiedene figürliche Elemente zu erkennen, die thematisch der biblischen und christlichen Symbolik – etwa Kreuzformen, Himmelskörper und eine Schlange mitsamt Paradiesfrucht – zuzuordnen sind. Abbildung 4 Durch den hohen Abstraktionsgrad der Motive und ihre Einbettung in eine abstrakt gestaltete Umgebung unterscheiden sich Lämmlers Glasmalereien für Bichelsee aber deutlich von seinen früheren Konzepten für Kirchenfenster, die wesentlich feingliedriger und figürlicher waren. Auch in den Oberaacher Glasbildern dominiert das abstrakte Element. Die 1964 ebenfalls in der Werkstatt Kübele angefertigten farbintensiven Kirchenfenster, die sich über eine ganze Seitenwand erstrecken, tauchen den Innenraum in ein stimmungsvolles Licht. Abbildung 5 Die abstrahierten Symbolbilder sind mit den in Bichelsee dargestellten https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

204

2 und 3 (  oben  )  Lämmlers

farbintensive Glasmalereibänder mit einem Wechsel von geometrischen und figurativen Kompo­ sitionen prägen den Sakralraum der evangelischen Kirche Bichelsee, entstanden 1961/62.

4 (  unten  )  Eines der figurativen Fenster in der Kirche Bichelsee zeigt eine Schlange mit der Paradiesesfrucht. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

205 Highlights der modernen Glasmalerei

5  Lämmlers monumentaler, 1964   geschaffener Glasbilderzyklus dominiert den Sakralraum der evangelischen Kirche Oberaach.

Motiven verwandt, der Künstler hat diese aber so in das Gesamtbild eingebettet, dass sie für den Betrachtenden rasch ersichtlich sind. Deutlich lesbar sind etwa ein Obstbaum und ein Dreieck oder die Eucharistiesymbole Ähre und Weinglas. Abbildungen 6 und 7 Alle figürlichen Elemente sind von einer Vielzahl grafischer Farbflächen umgeben. Diese überwiegend viereckigen Einzelteile sind einerseits mit der bemerkenswerten Grös­ se der gestalteten Fenster zu erklären, weil sie diese wirkungsvoll ausfüllen. Andererseits spielt das Zusammenspiel der verschieden grossen Farbflächen mit dem Lichteinfall von aussen eine grosse Rolle. Offensichtlich war dem Künstler die atmosphärische Wirkung der Fenster gegen Innen besonders wichtig und beeinflusste sowohl die Farbigkeit wie auch die Verwendung von grossflächigen, abstrakten Elementen. Die dem Medium der Glasmalerei eigene Wirkungskraft ist modern adaptiert und verleiht dem Innenraum einen besonderen Charakter. Der Oberaacher Glasbilderzyklus ist besonders eindrücklich, weil der Künstler die einzelnen Farbflächen zu einer Gesamtkomposition zu fügen vermochte, die dem Betrachtenden den Eindruck eines monumentalen abstrakten­

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206 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

«Teppichs » vermittelt. Die Abstraktion, die für Lämmlers Malerei in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre so bezeichnend war, prägt also auch diese Kirchenfenster. Sie dient dem symbolhaften Figürlichen als Grundlage und Hintergrund, ohne dabei an strahlender Präsenz einzubüssen. Quellen und Literatur

Köbi Lämmler, Kunstverein St. Gallen ( Hrsg. ), Ausstellungskatalog Kunstmuseum St. Gallen 11.02.– 27.03.1967, St. Gallen 1967. 10 Künstler aus dem Untertoggenburg, Departement des Inneren des Kantons St. Gallen ( Hrsg. ), Ausstellungskatalog Regierungsgebäude Klosterhof St. Gallen 12.03.– 03.06.1984, St. Gallen 1984. Isabella und Daniel Studer-Geisser, « So dass alles wie im Uferlosen zu vibrieren scheint ». Köbi Lämmlers Weg in die Abstraktion, in : Aufbruch – Malerei in der Ostschweiz von 1950 bis 1965, Kunstverein St. Gallen ( Hrsg. ), Ausstellungskatalog Kunstmuseum St. Gallen 08.05.–22.08.1993, St. Gallen 1993, S. 107–115.

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6 und 7  In den abstrakten Oberaacher « Bilderteppich » sind figurative Felder mit christlichen Motiven eingefügt, darunter ein Obstbaum, ein Dreieck, eine Ähre und ein Weinglas.

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208 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Ursula Fehr ( * 1940 ) 1974

Chorfenster, Evangelische Kirche Uttwil ; Werkstatt Arty, Peter Kübele, St. Gallen

« Da sprach Gott : Es werde Licht. Und es ward Licht. » Die Chorfenster der evangelischen Kirche Uttwil lassen die Schöpfungsgeschichte im Spiel geschwungener Linien erstrahlen. Werden und Vergehen sind die grossen Themen der Künstlerin Ursula Fehr, deren Glasmalerei

1  Erica Seitz, Die Künstlerin Ursula Fehr. Foto 2020.

formal wie inhaltlich im Einklang mit ihrem skulpturalen Schaffen als Bildhauerin steht.

Auf den drei Bogenfenstern im Chor ist jedem der sieben Schöpfungstage ein Farbfeld gewidmet : Auf zartgrünem, -braunem oder -blauen Grund deutet ein filigranes Liniengeflecht das Wunder der Weltwerdung an. Abbildungen 2 bis 4 Alle umgebenden Flächen sind transparent, sodass die Schöpfungsgeschichte von gleissender Helligkeit umgeben ist. Die zurückhaltenden Farben und Formen entsprechen dem unprätentiösen Kirchenraum mit seinen klaren Strukturen und tragen wesentlich zu seiner lichten und geordneten Atmosphäre bei. Ursula Fehr vermittelt mit ihrer Verbildlichung der Genesis den Eindruck von Ausgewogenheit und Harmonie. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der symmetrischen Anlage der Bildfenster : Auf jedem der drei Fenster stehen zwei gleichgrosse Farbfelder für die ersten sechs Schöpfungstage – auf dem mittleren der krönende Bogen für den siebten, den Ruhetag. Innerhalb der sieben Felder entfalten die Binnenzeichnungen ein Spiel halbabstrakter Formen. Sie deuten die Elemente der alttestamentarischen ­Geschichte nur an : Land, Luft und Lebewesen, Organisches und Atmosphärisches sind stark vereinfacht und auf Grundformen reduziert. Links unten beginnt die biblische Erzählung mit der Trennung von Licht und ­Finsternis, gefolgt von der Schöpfung des Himmelsgewölbes darüber. Auf derselben Höhe im zentralen Fenster wird die Erschaffung der Pflanzenwelt und darüber die der Himmelskörper beleuchtet. Im Fenster rechts treten unten Luft- und Wassertiere in Erscheinung, darüber ist der Mensch in Gestalt von Mann und Frau platziert. Der siebte Tag nimmt den Halbkreis am oberen Ende des mittleren Bogenfensters ein, hier vereinen sich Alpha, Omega und ein Dreieck zum göttlichen Auge. Die zarten schwarzen Linien sind ins Glas gebrannt und weben ein Geflecht aus geometrischen und organischen Formen, die sich zu erzählerischen oder symbolischen Momenten verbinden.

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Stefanie Hoch

2  Die

Chorfenster zur S ­ chöpfungsgeschichte von Ursula Fehr in der ­evangelischen Kirche Uttwil, geschaffen 1974.

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3 (  oben links  )  Das linke Chor­ fenster mit den Darstellungen « Trennung von Licht und Finsternis » und « Schöpfung des Himmelsgewölbes ». 4 (  oben rechts  )  Das zentrale Chorfenster mit Darstellungen zur Erschaffung der Pflanzenwelt und der Himmelskörper. 5 (  unten  )  Taufstein von Ursula Fehr in der Kirche Uttwil, Bronze 1973.

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211 Highlights der modernen Glasmalerei

Ein stimmiges Ensemble

Dieses Formenvokabular entspringt dem skulpturalen Schaffen der 1940 in Winterthur geborenen Künstlerin. Sie wuchs im Thurgau auf und war nach einem Studium der Bildhauerei an der Académie des Beaux-Arts Genève als Zeichen- und Werklehrerin in Schaffhausen, Romanshorn, Kreuzlingen, Arbon, Weinfelden und Gossau tätig. 1967 hatte Ursula Fehr den ersten Auftrag für ein Werk im öffentlichen Raum erhalten – es sollten im Laufe ihres Lebens über zwei Dutzend folgen, an denen sie ab 1970 in einem eigenen Atelier arbeitete. Doch die Gestaltung von Glasflächen stellt im Schaffen Fehrs eine Ausnahme dar. Die einfachen Rundbogenfenster der Kirche in Uttwil, die Mitte des 15. Jahrhunderts erbaut worden war, wurden 1862 dem Zeitgeist entsprechend zu ­Kathedralfenstern erweitert, die bis an das Dach ragen. Den Auftrag für die Glasmalerei innerhalb der bestehenden Fensterflächen erhielt die Künstlerin 1974, nachdem im Jahr zuvor ihr Konzept eines drehbaren und mobilen Taufsteins überzeugt hatte. Abbildung 5 Für den neu zu gestaltenden, multifunktionalen Chorraum hatte sie eine Bronze geschaffen, deren verschiedene Ansichten Motive aus dem Kirchenjahr im Wechsel zeigen. In den Fenstern übersetzte sie ihre biomorphe Formenwelt in die Fläche und evoziert dort mit wenigen präzisen Konstellationen die Etappen der Weltwerdung. Die Künstlerin selbst wählte als bildgebendes Thema die Schöpfungsgeschichte – eine Urerzählung aus dem Interessenfeld, in dem sie sich seit Beginn der 1970er-Jahre bewegte : Das Spiel der Kräfte von Werden und Vergehen und Metamorphosen verstand sie in Bronze, Beton, Marmor und Holz zu verlebendigen. Die Glasmalereien von Uttwil transferieren das Thema aus dem skulpturalen Schaffen in die Fläche, sodass sich zwischen Taufstein und Bogenfenstern eine stille Übereinkunft entspinnt. Zugleich erweist sich die Glasmalerei als spannungsvolle Erweiterung in eine Dimension, die sich durch immateriell erscheinende Leuchtkraft und Transparenz diametral von der ­Erdenschwere der Bronze unterscheidet. Literatur

Ursula Fehr, Verwandlung und Befreiung, mit Texten von Beat Brechbühl, Fritz Billeter und Barbara Fatzer, Frauenfeld 2001.

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212 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Rudolf Küenzi ( 1943–2010 ) 1994

Glasmalereien, Evangelische Kirche Kradolf ; Werkstatt Albin Engeler, Andwil SG

Auf zwei schmalen hohen Fenstern deutet sich in der Abfolge von

1  Stephanie Tremp, Der Künstler Rudolf Küenzi. Foto 2002.

je fünf Bildquadraten die Auflösung der gegenständlichen Welt in einen flirrend bewegten Farbteppich an. Der überbordende Farbund Formenreichtum entspricht der typischen Ausdrucksweise des Malers und Holzschneiders Rudolf Küenzi. Er hat dem Kirchenraum der evangelischen Kirche Kradolf mit seinen Glasmalereien eine Atmosphäre freudvoller Dynamik verliehen.

Bei näherer Betrachtung der Fenster an der Westfassade können gegenständliche Formen Stefanie Hoch ausgemacht werden : unten links zwei Häuser, im Geviert darüber eine Schlange und immer wieder Pflanzenblätter. In den oberen Fenstern führen abstraktere Formen beide Bildstränge zu einem kelchartig geöffneten Halbkreis zusammen. Züngeln rechts oben gar Flammen? Abbildung 2 Jedes der zehn Quadrate bildet eine in sich geschlossene Komposition, deren Abfolge jedoch ein Gesamtbild andeutet : Was entfernt an einen Baum mit Wurzelwerk und Krone erinnert, ist durch verzinkte Bleiruten stark zergliedert in viele Einzelelemente verschiedener Grösse, Form und Farbe. Blautöne – vielleicht Verweise auf das Immaterielle und Geistige – dominieren leicht, doch letztlich bietet sich eine Gesamtwirkung von überschäumender Vitalität, in der ein gleichwertiges Nebeneinander von Farben und Formen herrscht. Diese harmonische Wirkung und die durch den Halbkreis verbundenen obersten Fenster könnten auf die Thematik der Darstellung verweisen : « Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei ; aber die Liebe ist die grösste unter ihnen. » Diese Botschaft aus dem ersten Brief der Korinther ist auf den beiden Fenstern so verbildlicht, dass ausgehend von Symbolen für Natur und Kultur gleichsam und gemeinsam die Gegenständlichkeit verlassen wird und ein Streben himmelwärts angedeutet ist. Glasmalerei im Kontext eines farbstarken Gesamtwerks

Der in Kilchberg ( Zürich ) geborene Rudolf Küenzi war Maler und Holzschneider. Ausgebildet an der Kunstgewerbeschule Zürich, arbeitete er zunächst als Theatermaler am Schauspielhaus und am Opernhaus Zürich. 1964 entschied er sich für ein Leben als freier Künstler und zog 1970 nach Oberschlatt in der Nähe von Diessenhofen. Ab 1988 2  Rudolf Küenzis Glasmalereien hatte er zwar auch ein Atelier in Schaffhausen, doch sein Haus mit Familie und Atelier an der Westfassade der in der Natur wurde zum Zentrum seines Schaffens. So sind die Motive « Haus » und evangelischen Kirche Kradolf, « Pflanze » auch fester Bestandteil seiner Bildkosmen auf Leinwand. Diese bestanden geschaffen 1994. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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zunächst aus Atelierwelten, Fensterausblicken, teilweise mit Selbstbildnissen, die sich mehr und mehr in ornamentale Farbkompositionen auflösten. Er malte grossformatig mit Öl und Acryl und entdeckte 1977 das Medium des Holzschnitts für sich. Auch hier arbeitete er von Anfang an mit mehreren Farben und Übermalungen. Das gesamte Schaffen des Künstlers ist geprägt vom Gegen- und Miteinander starker Farbkontraste. Diese Spannung prägt auch die Glasmalerei in Kradolf. Die dortigen Kirchenfenster sind Küenzis einzige Glasarbeiten in dieser Dimension. Seit 1981 erhielt er Aufträge für Kunst am Bau, doch hauptsächlich Wandmalereien. Die luftige Atmosphäre des modernen Kirchenraums in Kradolf mit seinen grossen leeren Wandfeldern bietet einen ruhigen Umraum für das pulsierende All-over der Glasmalerei Küenzis. Seit Mitte der 1990er-Jahre bündelten sich die überschäumenden Elemente in seinem Werk : Ruhigere Konstellationen entstanden, teilweise von nur wenigen Farbsplittern durchsetzte, monochrome Flächen und symbolartige Formen wie Boote – Metaphern des Aufbruchs und des Anlegens – wurden zu zentralen Themen. In den Kradolfer Fenstern fällt ein ähnlich archaisches Symbol auf : Eine Schlange lässt im Kontext des Baums zunächst an den Sündenfall denken – doch diese Schlange verzehrt sich selbst : Der Ouroboros als kulturhistorisch bis in das Alte Ägypten belegte Kreisdarstellung steht für Wandlungsprozesse, aber auch für kosmische Einheit und Ewigkeit – alles Aspekte, die als Facetten der Liebe betrachtet werden können. Abbildung 3 Die 1994 entstandenen Glasmalereien von Kradolf sind Zeitzeugen einer künstlerischen Weiterentwicklung weg von gegenständlichen hin zu abstrakten Ausdrucksformen. Die schmalen hohen Bildstreifen öffnen in der Fassade gleichsam Ausblicke in Räume voller Strahlkraft und Bewegung. Hier scheint die Welt zu einem Kosmos aus leuchtenden Symbolen und freien Formen entflammt. Literatur

Ruedi Küenzi, farbdurst, mit Texten von Barbara Fatzer und Susanna Kumschick, Frauenfeld Stuttgart/Wien 2002. Museum zu Allerheiligen, Kunstverein Schaffhausen ( Hrsg. ), Rudolf Küenzi. Malerei & Grafik, mit einem Text von Kathleen Olivia Bühler, Schaffhausen 1993.

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3  Detailansicht

aus dem linken Fenster : In Rottönen gehaltenes Bildquadrat mit der Schlange, die sich selbst verzehrt.

Aus der Denkmalkultur des Thurgaus

Annina De Carli-Lanfranconi Ruedi Elser Peter Erni Daniel Häberli Bettina Hedinger Denise Hug Stephan Kraus Felicitas Meile Monika Zutter https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

216 Aus der Denkmalkultur des Thurgaus

Blick in die Kunstdenkmälerforschung Oh Mann, Grubenmann ! – Vom Scheitern eines berühmten Baumeisters in Weinfelden 1769 Die umfangreichen Arbeiten in den Archiven fördern immer wieder Funde zutage, die in den Kunstdenkmälerbänden nicht oder nur sehr knapp dargestellt werden können. So auch die folgende Geschichte aus Weinfelden, die nur summarisch Eingang in den Band « Weinfelden und seine südwestliche Umgebung » ( Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau, Band 10 ) finden wird. Weil sie bisher Unbekanntes zum Wirken der Baumeister Grubenmann enthält, soll sie an dieser Stelle erzählt werden.

Enttäuscht hielt die Stadt Zürich am 25. März 1769 fest : Die Hoffnung, in Weinfelden « ein gutes und dauerhaftes Werk » zu schaffen, « gründete auf der an verschiedenen Orten in nicht geringem Renommee stehenden Habilität » des Baumeisters Johannes Grubenmann aus Teufen, doch « scheint der Ruhm von der Geschicklichkeit des Baumeisters auf schwachem Grund » zu stehen. Wie es zu diesem desillusionierten Urteil kam, davon soll hier die Rede sein.

gabe der Mühle das Wasser weiterhin auf die Weinfelder Sangenmühle zu leiten. Da der Mühlebach deswegen zu verstopfen drohte, war die Sangenmühle gefährdet – und zwar so sehr, dass die Zürcher Herrschaft mit dem Gedanken spielte, die Mühle durch eine auf der Thur schwimmende Schiffsmühle zu ersetzen. Weil die Thur aber unregelmässig viel Wasser führte und die damals häufigen Hochwasser das noch nicht kanalisierte Flussbett immer wieder massiv umgestalteten, wurde diese Idee wieder fallengelassen.

Das Problem

Seit dem Mittelalter stand im Süden von Weinfelden, im Bereich der heutigen Sangenstrasse 37, ganz in der Nähe der Thur die Mühle im Sangen. Sie gehörte dem jeweiligen Inhaber der « Herrschaft Weinfelden », im 17. und 18. Jahrhundert also der Stadt Zürich. Gespiesen wurde die Mühle nicht von der Thur, sondern vom Mühlebach. Dieser bediente zuerst die Mühle in Bürglen und floss dann nördlich der Thur entlang zur Sangenmühle. 1764 wurde die Bürgler Mühle von einem Hochwasser vollständig zerstört. Die Stadt St. Gallen, die Inhaberin der « Herrschaft Bürglen » und Besitzerin der Mühle, war sich unschlüssig, ob sie die Mühle wieder aufbauen sollte und vernachlässigte darum das Wuhren, das heisst, sie unterhielt die Bach- und Flussverbauungen nicht mehr richtig. Das war ihr gutes Recht, denn gemäss den bestehenden Verträgen war sie nicht verpflichtet, bei der Auf-

Das Projekt

Im Mai 1768 beauftragte Zürich eine Kommission, einen Plan zur Rettung der Sangenmühle auszuarbeiten. Als Experten gehörten ihr der Zürcher Ingenieurhauptmann Hans Conrad Römer ( 1724–1779 ) sowie Baumeister Johannes Grubenmann von Teufen im Appenzellerland an. Anfang Juni präsentierte Grubenmann ein Gutachten samt einem vom Frauenfelder Kartografen Johann Ulrich Müller ( 1722–1787 ) gezeichneten Plan, gemäss dem er folgende Lösung des Problems vorschlug : Abbildung 1 Um ganz von Bürglen unabhängig zu werden, solle gleich nach der Bürgler Grenze auf Weinfelder Territorium ein neuer Kanal von der Thur zum Mühlebach gegraben und zu dessen Schutz ebenfalls auf Weinfelder Boden ein bisschen flussaufwärts ein Damm errichtet werden. Dieser Damm sei nötig, weil die Thur in der

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217 Blick in die Kunstdenkmälerforschung

noch auf Bürgler Gelände liegenden scharfen Linkskurve weiter erodieren und sich irgendwann gegen den neuen Kanal und den Mühlebach richten werde. Gemäss « flüchtigem Calcul » könne all dies mit Kosten von 4000 bis 5000 Gulden « dauerhaft ins Werk gestellt » werden. Der Bau

Anfang Juli 1768 genehmigte Zürich Grubenmanns Projekt und entschied, ihm unter der Oberaufsicht des zürcherischen Obervogts in Weinfelden, Gerold Rahn ( 1706 –1783 ), die Bauleitung anzuvertrauen. Grubenmann sollte täglich 4 Gulden und 20 Schilling verdienen sowie Speis und Trank bekommen. Ausserdem sollten ihm 40 mit Pickeln und Schaufeln ausgerüstete Frondienstleistende zur Verfügung gestellt werden, die täglich ½ Pfund Brot und ½ Mass Wein erhalten sollten. Gegen Letzteres erhob Obervogt Rahn jedoch Einspruch, weil er vorauszusehen glaubte, dass sich angesichts dieser kleinen Rationen « ein abscheuliches Murren » unter den Weinfeldern erheben werde. Früher hätten sie bei gleicher Arbeit 2 Mass Wein und 1 Pfund Brot bekommen. Das sei für die « durstigen » Weinfelder ein grosser Unterschied, denn es handle sich bei ihnen um enorme « Weinschlucker, unter welchen auch ein 8jähriges Kind eine ½ Mass Wein wohl verdauen » könne. Zürich hatte ein Einsehen und erhöhte die tägliche Ration auf 1 Mass Wein und 1 Pfund Brot.

Abbildung 1  Johannes Grubenmanns Plan zur Rettung der Mühle im Sangen, gezeichnet von Johann Ulrich Müller, Anfang Juni 1768 : Weil Bürglen den alten Mühlebach nicht mehr unterhält und die Sangenmühle ( links ) deshalb zu wenig Wasser bekommt, soll – um ganz von Bürglen unabhängig zu werden – gleich nach der Bürgler Grenze bei A ein Kanal ausgehoben werden, durch den das Wasser vollständig auf Weinfelder Territorium von der Thur zum Mühlebach und weiter zur Sangenmühle fliessen kann. Zum Schutz dieses Kanals soll, ebenfalls auf Weinfelder Boden, bei D ein Damm errichtet werden, damit die in der Kurve bei B auf Bürgler Gelände auszubrechen drohende Thur den neuen Kanal und den Mühlebach nicht zerstören kann.

Am 29. August kam Grubenmann mit zwölf Knechten in Weinfelden an und nahm das Unternehmen « mit gutem Mut » in Angriff. Die Arbeiter « sind fleissig und wagen sich unverdrossen bis an die Lenden ins Wasser », berichtete Obervogt Rahn. Schnell ergaben sich jedoch Probleme. Denn am 10./11. September ereignete sich ein gewaltiges Hochwasser, das grosse Schäden anrichtete, Land und Bäume wegspülte und dazu führte, dass die Thur einen völlig neuen Lauf nahm. Sie floss nun nicht mehr um die erwähnte scharfe Linkskurve, sondern – wie von Grubenmann, allerdings für einen weit späteren Zeitpunkt vorausgesehen – geradeaus und bedrohte direkt den Mühlebach und den Mühlestandort. Durch die Heftigkeit und das Ausmass der Veränderungen alarmiert, beschloss Grubenmann eine sofortige Planänderung : Der Damm zum Schutz des Kanals sollte nicht mehr auf

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Weinfelder Territorium erstellt werden, sondern bereits auf Bürgler Boden, dort, wo sich vor dem Hochwasser die scharfe Linkskurve befunden hatte. Ziel dieser Massnahme war es, mit einem gewaltigen Damm – dem sogenannten Landwuhr – die Thur in ihr altes Bett zurückzuzwingen, damit danach in einem zweiten Schritt der projektierte Verbindungskanal auf Weinfelder Boden zwischen Thur und Mühlebach ausgehoben werden könnte. Da die Zeit drängte, entschieden Grubenmann und Rahn ohne lange Rücksprache mit Zürich, unverzüglich mit dem neuen Landwuhr anzufangen. Denn, so Grubenmann, es hätte nicht « dem Charakter eines redlichen Mannes » entsprochen, wider besseres Wissen zuzuwarten und mit dem ursprünglich geplanten, aber « unnützen » Damm fortzufahren. In den folgenden Wochen und Monaten arbeitete Grubenmann mit vielen Leuten ausschliesslich am Landwuhr – was enorm teuer war und wegen der schieren

­ rösse des Werks erheblich länger dauerte als angenomG men. Abbildung 2 Zweimal, im Januar und im März 1769, liess Zürich die genauen Gründe dafür untersuchen und Grubenmann darüber Rechenschaft ablegen. Grubenmann berichtete, dass das Landwuhr mit knapp 550 Metern Länge um ein Vielfaches grösser sei als der ursprünglich geplante Damm, der nur rund halb so lang geworden wäre. Ausserdem sei das Wuhr durchgehend 7.2 Meter breit und « je nach Erheisch der Situation » bis zu 4.8 Meter hoch. Es sei überall mit dreifachen Pfählen besetzt und beinhalte, wenn es dann fertig sei, rund 3’000 Fuder Steine. Weil das Wuhr « nicht an das Land angebaut und also keinen Rücken » habe, sondern frei stehe, habe es « unmöglich schmäler » und « auch zu nötiger Beschirmung des Landes nicht kürzer oder niedriger » gemacht werden können. Für die lange Bauzeit verantwortlich seien überdies zwei weitere, weniger schlimme Hoch­wasser ; diverse Eisgänge, die das Bauwerk beschädigten und es

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den Arbeitern, « die gar oft bis unter die Arme den ganzen Tag über im Wasser » standen, erschwerten, weiterzuarbeiten ; sowie die Fronmänner, die die Herrschaft zur Verfügung stellte. Diese seien « ein zusammengele­senes und unbändiges Volk », das diese Arbeit nicht gewohnt sei und nichts davon verstehe, wegen « Schlafsucht » meist zu spät komme und früh wieder davoneile, Ermahnungen in den Wind schlage und ganz allgemein « unverträglich und träg » sei. Als Zürich Grubenmann « das eint- und andere mit aller Freundlichkeit » vorhielt, hörte er sich einiges « mit ziemlich gutem Willen » an und versprach, es zu verbessern. Über andere Punkte « hat er sich bestmöglich entschuldiget », dann aber auch « in vieler Stücken seine recht grosse Empfindlichkeit verspüren lassen ». Die Hauptkritikpunkte scheinen gewesen zu sein, er habe zuweilen seine Kompetenzen überschritten, Wünsche und Vorschläge des Obervogts ignoriert, überflüssige und zu teure Arbeiter und Handlanger engagiert und

Abbildung 2  Südorientierter Plan des Zürcher Ingenieurhauptmanns Johann Conrad Römer, der die Situation vom Februar 1769 zeigt. Links unten Bürglen, rechts oben die Weinfelder Thurbrücke, darunter die Mühle im Sangen. Rechts von Bürglen in der Thur – dort, wo sich bis zum Hochwasser vom 10. /11. September 1768 die scharfe Linkskurve befand – das im Bau befindliche Landwuhr ( A, B, W ). Unterhalb der Thur ist der alte Mühlebach zu sehen. Weil Bürglen ihn auf seinem Territorium nicht mehr unterhielt und die Sangenmühle darum zu wenig Wasser bekam, und weil der geplante Verbindungs­ kanal zwischen Thur und Mühlebach ( gestrichelt eingezeichnet bei « Fig. 1 ») noch nicht erstellt war, hatte man Ende Januar 1769 im Landwuhr einen provisorischen Durchgang geöffnet, der den Mühlebach ab der Weinfelder Grenze via einen beim Hochwasser vom 10./11. September 1768 entstandenen Flussarm mit Wasser versorgte.

bei diesen zu wenig Disziplin durchgesetzt. Bezüglich des eigentlichen Bauwerks zeigten sich die Vertreter Zürichs jedoch hochzufrieden. Obervogt Rahn konstatierte im Januar 1769 begeistert, man werde « in dem ganzen Thurfluss kein solches Wuhr finden, das auf solche Art

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220 Aus der Denkmalkultur des Thurgaus

und mit so dauerhafter Materie aufgebaut » sei. Und Ingenieurhauptmann Römer kam im März zum Schluss, es handle sich um ein « hervorragendes » und « wohl sehr dauerhaftes » Werk, das sowohl Weinfelden als auch Bürglen von grossem Nutzen sei, weil es nicht nur die Mühle in Sangen beschütze, sondern auch die Felder der beiden Gemeinden. Angesichts der bereits sehr hohen Kosten entschied Zürich freilich, vorerst nur das Landwuhr fertigstellen zu lassen und mit der Ausgrabung des Verbindungskanals noch mindestens ein Jahr zuzuwarten. Am 13. Mai 1769 wurden die Arbeiten beendet. Die Schlussrechnung vom 13. Juni weist Gesamtkosten von 16’718 Gulden aus – rund viermal mehr als ursprünglich angenommen ! Dennoch genehmigte Zürich die Rechnung « mit bestem Vergnügen » und stellte Grubenmann das « Zeugnis der Zufriedenheit » aus. Obervogt Rahn erhielt für die « vielen Bemühungen » und die « über diesen Bau bescheinte Attention und Sorgfalt nebst erstattetem Dank » eine Sonderprämie von 30 Louis d’or.

Dann wäre die Unterspülung nicht so leicht geschehen, denn das Hochwasser wäre « mit sehr leichter Mühe » über das Wuhr gelaufen, ohne dem Wuhr und dem Land dahinter nennenswerten Schaden zuzufügen, weil das Wuhr dem Wasser die grösste Gewalt genommen hätte – eine Erkenntnis, die Römer offenbar gerade erst gekommen war, denn als Mitglied der den Bau begleitenden Kommission hatte er nie Bedenken geäussert, ganz im Gegenteil, wie wir oben gesehen haben ! Endgültig den Garaus machte dem Wuhr ein weiteres Hochwasser im August 1769, das auch die Sangenmühle und den Mühlebach beschädigte – und zwar dermassen, dass die Mühle ihren Betrieb einstellen musste. Frustriert darüber, die teure Erfahrung gemacht zu haben, « dass es unmöglich ist », die zum Erhalt der Mühle « erforderliche Wuhrung instand zu stellen und zu unterhalten » und die Mühle « vor dem ungestümen Thurfluss » zu sichern, beschloss Zürich im März 1770 unwiderruflich, die Mühle aufzugeben. 1776 wurde das Hauptgebäude auf Abbruch verkauft.

Die Katastrophe

Die Freude am vollendeten Werk währte jedoch nicht lange – genauer gesagt gerade einmal sechs Tage ! Denn am 19. Juni 1769 erreichte Zürich die Hiobsbotschaft, in Weinfelden habe abermals ein verheerendes Hochwasser stattgefunden. Das Landwuhr sei « übel beschädigt und ein Teil davon weggerissen ». Unverzüglich wurde Ingenieur Römer zur Schadensanalyse auf den Weg geschickt. Zwei Tage später traf sein niederschmetternder Bericht ein. Das Landwuhr sei « auf einer grossen Strecke zerstört ». Knapp die Hälfte seiner Länge sei « unterfressen » worden – und zwar aufgrund von zwei konstruk­ tiven Fehlern. Erstens sei es « auf lauter beweglichem Grien », also Kies, erstellt worden, wodurch es so oder so mit der Zeit unterspült und ruiniert worden wäre. Zweitens sei es viel zu hoch gebaut worden. Dadurch habe sich das « Unterfressen » katastrophal beschleunigt. Denn der Druck des Wassers am Fuss des Wuhrs verhalte sich wie das Quadrat der Höhe – je höher das Wuhr, desto grösser der Wasserdruck am Flussboden. Gescheiter wäre es gewesen, das Wuhr nur etwa 1 Meter hoch zu bauen.

Der Baumeister

Bleibt zum Schluss die nicht ganz unwesentliche ­Frage, um wen es sich bei dem in Weinfelden so kolossal gescheiterten « Baumeister Johannes Grubenmann » eigentlich genau gehandelt hat – eine auf den ersten Blick etwas seltsame Frage, die aber durchaus berechtigt ist ! Denn damals waren in der Nordostschweiz zwei Baumeister dieses Namens aktiv : Johannes Grubenmann der Ältere und sein Sohn Johannes Grubenmann der Jüngere. Johannes Grubenmann der Ältere lebte von 1707 bis 1771 und wohnte in Teufen, Appenzell Ausserrhoden. 1768, als das Weinfelder Projekt startete, war er 61 Jahre alt und ein bekannter Spezialist für Kirchturm- und Brückenbauten. Als « Allround-Architekt » hatte er aber auch mehrere Wohnbauten und sogar das heutige Regierungsgebäude in Chur errichtet. Sein Sohn Johannes Grubenmann der Jüngere lebte von 1739 bis 1810 und war 1768 29 Jahre alt. Er war bis 1766 im Bautrupp seines Vaters tätig, wurde dann aber, wozu er extra den katholischen Glauben annahm, « Klosterbaumeister » der Abtei Wettingen. Im November 1768

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221 Blick in die Kunstdenkmälerforschung

kam in Wettingen, wo er seit 1766 lebte – sein Bürgerrecht in Teufen hatte er wegen seines Glaubenswechsels verloren –, sein erstes Kind zur Welt. Als Klosterbaumeister hatte er vor allem Unterhalts- und Reparaturarbeiten zu leisten, als eigenständiger Architekt war er bis 1768 nicht in Erscheinung getreten – wohl auch nicht in Wurmsbach bei Rapperswil, wo 1767 der Turm der Klosterkirche erhöht wurde. Diese Baumassnahme wird ihm in der Literatur zuweilen zugeschrieben, weil Wurmsbach unter der Jurisdiktion der Abtei Wett­ingen stand. Der Bauvertrag ist aber von « Baumeister ­Johannes Grubenmann aus dem Kanton Appenzell » unterzeichnet, und die Tatsache, dass Grubenmann bei Rapperswiler Bürgern Waren bezog, ohne dafür zu zahlen, spricht, wie wir gleich sehen werden, eher für den Vater … Betrachtet man die beiden Lebensläufe, so kann es sich bei dem 1768/69 in Weinfelden tätig gewesenen, ein hohes « Renommee » aufweisenden « Baumeister Johannes Grubenmann aus Teufen » nur um den Vater gehandelt haben. Tatsächlich deuten neben den Lebensläufen auch einige andere Indizien in diese Richtung : Erstens scheint der in Wettingen wohnhaft gewesene Johannes der Jüngere, der wie erwähnt sein Teufener Bürgerrecht hatte aufgeben müssen, in jener Zeit Dokumente nur mit « Johannes Grubenmann Sohn » und ohne den Zusatz « von Teufen » oder « von Appenzell » unterschrieben zu haben. Zweitens war Johannes der Ältere, im Gegensatz zu seinem Sohn, ein erfahrener Wasserbauexperte, der erfolgreich Brücken in Reichenau ( 1757 ), Grüsch ( 1760 ), Wettingen ( 1764 ) und Oberglatt ( 1767 ) erbaut hatte – letztere notabene zur vollsten Zufriedenheit im Auftrag der Stadt Zürich, weshalb ohne Weiteres plausibel ist, dass Zürich ihn nur kurze Zeit später auch für das Weinfelder Projekt engagierte. Drittens ist in den Weinfelder Quellen die Rede davon, dass Grubenmann manchmal abwesend war und anderen Geschäften nachging. In der Tat hatte er am 26. November 1768 einen Vertrag für den Bau eines Pfarrhauses in Wila unterschrieben – ein Vertrag, der dem dortigen Pfarrer viel Ärger einbrachte, weil Grubenmann ( wie in Wurmsbach ! ) wegen finanzieller Probleme etliches schuldig blieb. Und viertens erlitt Grubenmann am 16. Juni 1769 in Wila einen Schlaganfall,

von dem er sich nicht mehr erholte und an dessen Folgen er nach langem Dahinsiechen 1771 starb. Bezüglich der Frage nach dem Baumeister ist gerade dieser Schlaganfall besonders aufschlussreich, denn er erklärt, warum Grubenmann bei der Untersuchung der nur gerade drei Tage später, am 19. Juni erfolgten Zerstörung des Landwuhrs weder beigezogen noch befragt noch zur Rechenschaft gezogen wurde – was, wenn der Bauverantwortliche sein quicklebendiger Sohn Johannes der Jüngere gewesen wäre, mit Sicherheit geschehen wäre ! So bleibt zu guter Letzt die Erkenntnis : Der für die Katastrophe verantwortliche Baumeister Johannes Grubenmann der Ältere bekam vom grössten Desaster seiner Karriere gar nichts mehr mit – und das hat doch immerPE hin etwas Tröstliches …

Quellen

 – Staatsarchiv Zürich A 336.4, Nr. 1205 –1304 ( 1768 –1772 ).  – Staatsarchiv Zürich B II 940, 942, 944 ( 1768/69 ).  – Staatsarchiv Zürich C III 27, Nr. 320 f. ( 1776 ).  – Staatsarchiv Zürich KAT 493, Weinfelden ( 1768 –1770 ).  – Staatsarchiv Thurgau Slg. 1, K/P 00720 und 02753. Literatur

Fritz Brüllmann, Die Sangenmühle bei Weinfelden geht ein ( 1769 ), in : Weinfelder Heimatblätter 3/4, Beilage zum Thurgauer Tagblatt, 12.02./30.04.1941. Eugen Steinmann und Peter Witschi, Johannes Grubenmann der Jüngere von Teufen und Appenzell. Brückenbauer und Kloster­ architekt, Trogen 1988. Josef Killer, Die Werke der Baumeister Grubenmann, 4., erweiterte Auflage, Zürich 1998. Rosmarie Nüesch-Gautschi, 300 Jahre Johannes Grubenmann ( 1707–1771 ) – Der mittlere der drei Söhne von Uli Grubenmann hätte am 15. Juni seinen 300. Geburtstag feiern können, in : Tüüfner Poscht 06/2007, S. 26 –27. Peter Trüb, Geschichte der Kirchgemeinde Wila, 2., erweiterte Auflage, Winterthur 1977. Dank

 – Rosmarie Nüesch-Gautschi, Niederteufen  – Verena Rothenbühler, Staatsarchiv Zürich  – Ulrich Vogt, Grubenmann-Museum Teufen

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222 Aus der Denkmalkultur des Thurgaus

In den Jahren 2019 bis 2020 abgeschlossene Restaurierungen Amlikon-Bissegg, Griesenberg Amriswil, Wasserschloss Hagenwil Diessenhofen, St. Katharinental, Klosterkirche Westfassade Egnach, Lengwil, « Späämüli » Eschenz, Schloss Freudenfels, Glockentürmchen Kradolf-Schönenberg, Neukirch an der Thur, Poststrasse 6 Romanshorn, Schulhaus Spitz Romanshorn, Verwaltungsgebäude des Wasser- und Elektrizitätswerks

Diessenhofen

Kreuzlingen

Für die nachfolgenden Berichte dienen als Grundlage :  – die Bände der Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau, erschienen 1950 bis 2019.  – Cornelia Stäheli, Kulturschätze im Thurgau entdecken und erleben, Bern / Frauenfeld 2004.  – Hinweisinventar Bauten ( http : //map.geo.thurgis.ch/apps/ denkmaldatenbank/ ).  – Restaurierungsdokumentationen und Akten im Archiv des Amtes für Denkmalpflege.

Eschenz

Romanshorn Amlikon-Bissegg Amriswil Kradolf-Schönenberg

Egnach

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Schlossstrasse 18 Assek.-Nr. 05/3-0051 Gesamtrestaurierung

In den Jahren 2019 bis 2020 abgeschlossene Restaurierungen

Amlikon-Bissegg, Griesenberg

sollte auch ein der heutigen Zeit entsprechender WohnErstmals urkundlich erwähnt wurde der Ort 1256 komfort mit moderner Küche und einem komfortablen als « Griessinberc ». Im Jahr 1289 errichteten die Herren Bad möglich sein. Das Haus ist geräumig genug, sodass von Griesenberg dort eine Burg. Mit dem allmählichen die Hausherrin einen eigenen Bereich bewohnen kann. Niedergang der griesenbergschen Herrschaft verfiel auch die Burganlage, bis sie um 1770 als Folge der Unterspü- Umgang mit der Gebäudehülle Die Farbuntersuchung des Restaurators an der Aus­ lung des Felssporns in den Tobel stürzte. Daraufhin wurde im Burggraben ein Verwaltungsgebäude gebaut. Der senfassade konnte die Farbgebung des südlichen Gebäulanggezogene Mauerbau mit grossen backsteinüberwölb- deteils mit seiner rosa Architekturgliederung mit braunten Kellern hat mit seiner regelmässigen Befensterung im roten Begleitlinien und weinroten Sprossenfenstern nicht Obergeschoss und mit dem Mansardwalmdach ein herr- bestätigen. Obwohl es ein Anliegen der Denkmalpflege schaftliches Erscheinungsbild. Das Wohnhaus teilen sich war, einen einheitlichen Farbklang für das Gebäude umzwei Eigentümer. So erfolgt ein Zutritt auf der südlichen zusetzen, wurde der Entscheid gefällt, die vorgefundene Giebelseite von der Strasse her, der andere auf der West- Farbgebung am nördlichen Gebäudeteil zu übernehmen. Nach der Analyse der bestehenden Farbanstriche konnte seite über den Burggraben. Die Denkmalpflege stand mit der Eigentümerin des das weitere Vorgehen so festgelegt werden, dass Mineralnördlichen Hausteils schon über mehrere Jahre in Kon- farbe für die Fassade und für die Holzbauteile Ölfarbe takt. Etappenweise wurden die Fenster ertüchtigt oder verwendet werden konnte. dort ersetzt, wo kein historischer Baubestand mehr vorDas Dach war in Teilbereichen undicht, und eindrinhanden war. Die Hausherrin war es seit Kindesbeinen gendes Wasser hatte bereits zu Schäden geführt. Da es gewohnt, dass das Haus noch mit einer Holzfeuerung nicht vorgesehen war, den Dachraum auszubauen, er­ beheizt wird. Der Sohn und seine Lebenspartnerin haben folgte die energetische Ertüchtigung für die Wohnräume sich schliesslich entschlossen, in das Gebäude zu investie- in der Decke zum Dachgeschoss. Die imposante Zim­ ren. Sie schätzen die historische Bausubstanz, aber es mermannsarbeit des sorgsam reparierten Dachstuhls Einsturz führt zu Neubau

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ist sichtbar geblieben. Mittlerweile dient der trockene Dachraum auch als Hausmuseum. Die letzte Etappe der bauzeitlichen Fenster im Westen wurde repariert und energetisch ertüchtigt. Wohnkomfort trotz Erhalt

Die Farbgestaltung der Innenräume erfolgte ebenfalls auf der Grundlage einer Farbstratigrafie. Der anfängliche Wunsch nach einer Fussbodenheizung wurde wieder verworfen, weil die historischen Bodenbeläge noch grösstenteils vorhanden waren. Insbesondere der Felderparkettboden aus Nussbaum- und Fichtenholz im

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südwestlichen Wohnraum kann noch der Bauzeit zugeordnet werden. Die Bodenfliesen im Flurbereich sind vermutlich von Villeroy & Boch produziert worden. In mehreren Räumen sind Riemenböden mit einer schönen Patina vorhanden. Risse im Bereich der Hohlkehlen der Gipsdecken und in Wandbereichen wurden geschlossen. Einen Schaden im Eckbereich einer Stuckdecke mit Schablonenmalerei hat der Restaurator wieder rekonstruiert. Der Holzrestaurator hat den Parkettboden repariert, partielle Holzwurmbekämpfung durchgeführt, die Oberfläche gereinigt und gewachst. Der bemalte Archivschrank des einstigen Archivs Griesenbergs von 1759 wurde ebenfalls vom Holzwurm befreit, und die Schubfächer sind in Reparatur. Ein Eingriff erfolgte im Bereich der bestehenden ­Küche mit dem angrenzenden Wohnraum. Für die gewünschte moderne Küche mit Essbereich wurde die ­Zwischenwand mit dem Holzherd und dem angrenzenden Kachelofen aus dem 19. Jahrhundert entfernt. Den Kachelofen gab die Bauherrschaft zur Wiederverwendung an das historische Bauteillager Ostschweiz weiter. Ein Tapetenfenster mit Resten verschiedener Epochen hat der Restaurator gesichert und in das moderne Küchenambiente integriert. Auch die Hausherrin schätzt es nun, nicht mehr allmorgendlich die Holzheizung befeuern zu müssen. SK

Bauherrschaft

Fabienne Oettli und Andreas Rieder, Griesenberg. Architektin

Oettli-Architektur GmbH, Brigitte Oettli. Zimmermann

Stutz AG, Bürglen. Maler

Haas AG, Felben-Wellhausen. Restauratoren

Hanspeter Strang, Holzrestaurator, Wil. Historfen AG, Historischer Fensterbau, Herisau. Rolf Zurfluh Restaurierungsatelier GmbH, Helsighausen. Denkmalpfleger

Stephan Kraus Hauptbauzeit

Juli 2018 bis April 2019 Einstufung

regional Quellen

Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder von nationaler Bedeutung der Schweiz ( ISOS )

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Schloss-Strasse 1 Gebäude-Nr. 06/4-1134 Restaurierung und statische Sanierung

Aus der Denkmalkultur des Thurgaus

Amriswil, Wasserschloss Hagenwil

Die Beringmauer und der aufliegende Wehrgang im ­Wasserschloss Hagenwil zeigten seit Jahrzehnten Kon­struktionsmängel, die in der Vergangenheit mehrmals ­re­pariert und vorübergehend stabilisiert wurden. Die ­Restaurierung von 2016 bis 2020 ging diese statischen Probleme ­gründlich an und führte zur Renovation des Gastronomiebereichs. Mittels Dendroproben konnte das Holzwerk des Wehrgangs neu um 1792/93 datiert werden. Bauherr ist somit der St. Galler Fürstabt Beda Angehrn, ein Vorfahr der heutigen Besitzerfamilie. Das Wasserschloss Hagenwil

Hagenwil, mit seinen ältesten Teilen wohl im 13. Jahrhundert erbaut, gilt als eines der besterhaltenen Wasserschlösser der Schweiz. 1227 wird erstmals das Ministerialgeschlecht von Hagenwil mit dem Ritter ­Rudolf erwähnt. Der Kreuzfahrer übergibt 1264 seinen Besitz mit der Nennung seiner Burg dem Kloster St. Gallen. Einschneidend für die Baugeschichte ist ein Brand im frühen

15. Jahrhundert, der die gesamte Burg bis auf die massiven Mauern zerstörte und eine Neuerstellung der Fachwerkaufbauten hervorrief. Bisherige Dendrountersuchungen zeigen, dass in mehreren Bauetappen ( um 1418, 1442 und 1485 ) das heutige Burgvolumen entstand. Von 1684 bis 1803 wird das malerische Schloss schliesslich äbtischer Verwaltungssitz und Erholungsort für die Mönche des Klosters St. Gallen. Es erfolgten 1687 am Torturm und 1741 an der Zugbrücke Instandstellungsarbeiten. In die Amtszeit von Abt Beda Angehrn, 1725 als Sohn des Gerichtsammanns ( mit der Verwaltung eines Gerichtes beauftragte Person ) Johann Konrad Angehrn in Hagenwil geboren, fallen 1786 der Neubau des östlichen Obergadens mit ausdekorierten Wohnräumen und die Neugestaltung des Torturms. Nach der Klosteraufhebung im Jahr 1806 erwarb der damalige Verwalter und Gemeindeammann Benedikt Angehrn das Schlossgut. Seit 200 Jahren ist es nun im Besitz der Familie Angehrn, die es heute in der siebten Generation führt.

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Baustatische Probleme im Schlosshof und an der Beringmauer

Bereits 1994 machte sich Ingenieur Christian Schöni in einem Bericht « Gedanken aus Sicht des Statikers ». Er stellte fest, « … dass doch an einigen Orten infolge Alterung, Überbelastung und Konstruktionsmängeln Schäden aufgetreten sind, welche einer eher dringenden Sanierung bedürfen. … Ein klares statisches System kann in diesem Zustand nicht erkannt werden, da bereits früher schon mehrmals umgebaut, geändert und ergänzt wurde. » Er diagnostizierte also eine nicht einfache Aufgabe mit einer zu erwartenden grossen Kostenfolge. 2006 wurde zum Jubiläum « 200 Jahre Familie Angehrn auf dem Schloss Hagenwil » der Verein der Freunde des Wasserschlosses Hagenwil gegründet. Der Verein soll bei Renovationsarbeiten, welche der Erhaltung wertvoller historischer Substanz dienen, der Besitzerfamilie Beratung und finanzielle Unterstützung anbieten. Dies mit dem Ziel, den kulturellen Wert des einzigen noch erhaltenen Wasserschlosses der Ostschweiz für künftige Generationen zu sichern ( www.hagenwil.ch ). « Immer wieder braucht es im rund 800 Jahre alten Gebäude ­Renovationen und Restaurationen. Dabei ist es wichtig, dass diese Arbeiten von historisch geschulten Fachkräften durchgeführt werden, was mit hohen Kosten verbunden ist. » 2008 wurde der Rittersaal renoviert und

2010/11 das kunsthistorisch wertvolle Grossmutterstübli im Torturm mit gotischer Decke und der klassizistischen Malerei von Joseph Anton Pullacher restauriert ( vgl. Restaurierungsbericht in Denkmalpflege im Thurgau, Band  14, 2012 ). 2013 erteilte das Amt für Archäologie des Kantons Thurgau der Firma Terradata den Auftrag, fotogrammetrische Planaufnahmen der gesamten Schlossanlage zu erstellen. Die exakte verformungsgerechte Darstellung der neuen Schnitte durch die Beringmauer und den Schlosshof zeigten die Mängel schonungslos und beunruhigte nicht nur den Statiker. Die 1994 als dringlich angemahnten statischen Sanierungsmassnahmen wurden nun definitiv zum Ernstfall für den Verein. 2014 veranlasste dieser die Erarbeitung von statischen Grundlagen für eine Sanierung. In Absprache mit dem Amt für Denkmalpflege wurden Jürg Conzett, Ingenieur aus Chur und ­Ambrosius Widmer, Zimmermeister und Restaurator im Holzbau, aus Sarnen als Fachexperten beauftragt und weitere Spezialisten beigezogen. Bauuntersuchungen

Die Notizen des Bauingenieurs nach seinen ersten Begehungen halten vorerst beruhigend fest, dass das Turmmauerwerk und die Ringmauer in den letzten rund hundert Jahren keine wesentlichen Setzungen erlitten

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­ aben und keine Risse im Mauerwerk erkennbar sind. h Signifikante Hauptprobleme bzw. Gefahren sind aber das mögliche Umkippen der nach aussen überhängenden Ringmauer im Süden und das Abgleiten der stark schräg liegenden Balkenlage der aufliegenden Gebäudeteile. Unter « Umkippen » sei nicht so sehr ein Kippen der ganzen Mauer zu befürchten, als vielmehr ein Aufspalten der beiden Schalen infolge der exzentrischen Belastung. Ist der Verbund der Bindersteine nicht gewährleistet, könnte sich folglich die äussere Schale von der inneren ablösen. Die Setzungen der an- und aufliegenden Bauteile werden als Folgen von zu wenig tief geführten und zu gering dimensionierten Fundamenten unter den Zwischenwänden und den Stützen sowie von Überlastungen der Konstruktionen im Gebäudeinneren interpretiert. Der Zimmermeister diagnostiziert Mängel am Holzwerk der Abstützungen im Schlosshof, einen gebrochenen Unterzug unter dem Restaurant sowie mehrere defekte oder fehlende Verzapfungen und Schäden am Konstruk-

tionsholz durch Fäulnis. Als Sofortmassnahme erfolgte eine provisorische Abstützung unter dem Restaurant. Das Amt für Denkmalpflege beauftragte Annina De Carli-Lanfranconi ( lic. phil., Kunsthistorikerin ) und Cornelia Marinowitz ( Dipl. Restauratorin ) mit einer bauhistorischen Voruntersuchung mit Dokumentation und einer ersten Auswertung der bauhistorischen Befunde im Bereich Wehrgang. Als Arbeitsgrundlage dienten hochaufgelöste Fotografien des Fotografen Nick Brändli, Zürich. Um weitere Aufschlüsse zur Baugeschichte zu erhalten analysierte das Amt für Archäologie die Konstruk­ tionshölzer und begutachtete das Mauerwerk. Der Wassergraben wurde mit einem Boot befahren, um den effektiven Mauerverlauf unter dem heutigen Wasser­ spiegel zu untersuchen. Die Profile des Wassergrabens und der Zustand des wasserumspülten Mauerwerks im 90 bis 300 Zentimeter tiefen Wassergraben wurden ­dokumentiert.

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229 Amriswil, Wasserschloss Hagenwil

Mit vier Rammsondierungen von maximal 8.8 Meter Tiefe untersuchten die Geotechniker Rüegger + Flum AG den Schichtaufbau des Untergrunds im Schlosshof und machten Angaben zum Baugrundmodell, zu den Grundbzw. Hangwasserverhältnissen und zu den bodenmechanischen Kennziffern. Charakteristisch für den Burgstandort in Hagenwil sind wechselnde Schwemmablagerungen ( von sehr weich bis als mitteldicht gelagert eingestuft ) und verschwemmte Moräneschichten ( als primär feinkörnig und als setzungsempfindlich beurteilt ). In einer Tiefe von 6.5 bis 7 Metern gehen diese Schichten in eine harte Moräneschicht über. Einzel- oder Punktlasten wie zum Beispiel Stützen sind also entsprechend tief zu gründen.

2018 mit der Sanierung des Osttrakts und diente als Probelauf. Dieser zeigte, dass ein sorgfältiges Anheben und ein neu Unterstützen der aufliegenden Bauteile unter Erhalt von Fassaden und Dach möglich ist. Gut vorbereitet folgte 2019/20 als zweite Etappe die Sanierung des Südteils und die Renovation der Gastronomie. Die ursprüngliche statische Idee, den Eckbau des ehemaligen Waschhauses als « Anker und Stabilisator » für die Beringmauer zu benutzen, musste aufgegeben werden. Die Substanz und die Fundamente erwiesen sich als zu schwach und der Eingriff hätte kaum noch originale Substanz hinterlassen. Es wurde folglich entschieden, die gesamte Deckenkonstruktion unter dem Restaurant und dem südlichen Wehrgang als neue moderne Holzkonstruktion mit aussteifender Scheibenwirkung zu Restaurierung und statische Sanierung ­konstruieren. Als Ersatz des alten Waschhauses und als Aufgrund der Komplexität der Aufgabe und aus « Anker » steht heute eine kräftige Betonsäule, die mit Rücksicht auf den Restaurantbetrieb und die Schlossfest- ­Mikropfählen tief fundiert ist. Die südliche Beringmauer spiele wurde gestaffelt gebaut. Eine erste Etappe erfolgte wurde mit Bohrungen und Stahlkonsolen rückverankert.

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Restaurierung Gastronomie

Mit dem Generationenwechsel in der Besitzerfamilie stellten sich betriebliche Fragen, die nun plötzlich aktuell wurden. Die geplanten grossen Renovationsarbeiten bedingten aufgrund der sich abzeichnenden Eingrifftiefe eine Betriebsunterbrechung. Diese wurde für eine Gesamtsanierung der Gastronomie mit der Erneuerung der 16 Jahre alten Küche und der Lager- und Kühlräume im Turmschaft genutzt. Das Restaurant zog vorübergehend in den Saal und in die ursprünglichen Gasträume im Nordtrakt um. Die Gaststube mit der dekorativen Täfermalerei von 1957 behielt trotz Ertüchtigung mit zeitgemässen Schall- und Brandschutzmassnahmen, neuer Buffetanlage und Beleuchtung ihren neo-biedermeierlichen

Charme. Der südliche Wehrgang wurde behutsam angehoben, renoviert und ergänzt, und die Fenster zum Schlosshof wurden wieder geöffnet. Ein neuer Raumabschluss führt in die modern gestaltete Erweiterung im westlichen Wehrgang unter dem originalen Dachstuhl von 1792/93. Die neue sorgfältig gestaltete Raumfolge überzeugt und gefällt. Neue Erkenntnisse zur Baugeschichte

Das Wasserschloss Hagenwil stand schon früh und mehrfach im Fokus der Bauforschung und ist mittler­ weile wohl das bestuntersuchte Schloss im Thurgau. Zum ersten Mal inventarisierten 1891 Johann Rudolf Rahn und Josef Zemp (  Foto S. 229 ) das Gebäude. Ihre Leistung

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231 Amriswil, Wasserschloss Hagenwil

beruht auf einer detaillierten Gebäudebeschreibung sowie auf einer zeichnerischen Bestandsaufnahme der Fassaden und Grundrisse. 1937 erstellte der Architekt Paul Nisoli erstmals massstabsgetreue Planaufnahmen für eine Gesamtrenovierung, die vom Bund unter der Leitung von Professor Josef Zemp begleitet wurde. 1962 erschien mit dem Kunstdenkmälerband des Bezirks Bischofszell von Albert Knoepfli die bis dahin ausführlichste Darstellung und Aufarbeitung der Geschichte des Schlosses Hagenwil. 1985 führte Georges Descœudres erste archäologische Bauuntersuchungen mit einem Kurzinventar des Baubestands durch. Dabei wurden 40 Holzproben dendrochronologisch ausgewertet. Diese zeigten, dass die Burganlage nach einer vollständigen Zerstörung durch einen Brand im frühen 15. Jahrhundert mit Einbezug von verschont gebliebenen massiven Bauteilen zwischen 1415 und 1425 wieder aufgebaut worden war. Das atelier d’archéologie médiévale aus Moudon zeichnete Wand­ ansichten auf und erstellte Bauphasenpläne. 1994/95 wurden für eine Aussenrenovation genaue Fassadenpläne erstellt und Putz- und Fassungsunter­ suchungen sowie eine zweite dendrochronologische Untersuchung vorgenommen. Diese bestätigte die grossen Bautätigkeiten im frühen 15. Jahrhundert. 2003/04 untersuchte das Amt für Archäologie das Wasserschloss im Bereich der neu erstellten WC-Anlagen und im Bereich des neu erstellten Liftschachtes. 2006/07 folgte die ausführliche Lizentiatsarbeit von Annina Lanfranconi, die alle bisherigen Forschungsbemühungen im Schloss zusammenstellte und auswertete. Seither begleiten der Restaurator Klaus Engler und die Kunsthistorikerin Annina De Carli-Lanfranconi sämtliche Baumassnahmen und tragen die neuen Erkenntnisse in Befundblättern und Auswertungsberichten nach. So auch aktuell in der Abschlussdokumentation der Untersuchungen von März 2016 bis Mai 2020. Die wesentlichste Erkenntnis aus den neuesten Unter­ suchungen ist, dass der Wehrgang älter als bisher angenommen ist. Im Januar 2020 wurde die Wehrgangkonstruktion vom Amt für Archäologie dendrochronologisch auf 1792/93 datiert. Seine Erneuerung fand damit nicht wie bisher angenommen um 1830 statt, sondern gehört https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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233 Amriswil, Wasserschloss Hagenwil

zu den umfangreichen Renovationsarbeiten unter Abt Beda Angehrn ( Amtszeit 1767–1796 ), die auch den Neubau des Osttrakts und die qualitätsvolle klassizistische Neugestaltung des Gebäudeinneren beinhalteten. Bestätigt wurde durch das Amt für Archäologie auch die Datierung der Erdgeschosskonstruktionen im Torturm, die mit der Inschrift 1687 im Sattelholz des Pfeilers korrespondiert. Weiter konnte die Dachkonstruktion auf dem Bergfried ins Jahr 1441/42 datiert werden. Damit gehört sie wohl zu den ältesten liegenden Dachstühlen der Region. Auch der Dachstuhl über dem nördlichen Palas ist neu ins Jahr 1418 datiert, womit sich die Wieder­ aufbauphase nach dem Brand im frühen 15. Jahrhundert erstmals sicher datieren lässt. Bauherrschaft

Bundesexperte

Familie Angehrn, v. d. Andi Angehrn, Hagenwil, Schlossherr, Verein der Freunde des Wasserschlosses Hagenwil, v. d. Bernhard Koch, Präsident.

Georg Carlen, Luzern.

Architekten

Thomas Kaczmarek, Schalch + Kaczmarek, Erlen. Bruno Bottlang, Atelier Bottlang AG, St. Gallen. Ingenieure

Jürg Conzett, Conzett, Bronzini Partner AG, Chur. Markus Krattiger, Krattiger Engineering AG, Amriswil. Holzbau

Ambrosius J. R. Widmer, Zimmermeister und Restaurator im Holzbau, Sarnen. Christian Camen, Camen Handwerk AG, Untereggen. Krattiger Holzbau, Amriswil. Restauratorische Untersuchungen

Schlussbemerkung

Das Wasserschloss Hagenwil hat eine intensive Restaurierung und Sanierung hinter sich. Die gesamte Statik des Wehrgangs, welcher das Restaurant beherbergt, wurde nachhaltig ertüchtigt und unter Berücksichtigung der Aspekte der Denkmalpflege und des Brandschutzes renoviert. Die Infrastruktur und die Abläufe zum Betreiben eines vielfältigen gastronomischen Angebotes wurden vereinfacht und verbessert. Auflagen und Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie haben die Herausforderungen beim Bauen zusätzlich erhöht. Umso mehr erfreut das gelungene Resultat die Schlossfamilie, den Verein, die Gäste sowie die beteiligten Handwerker, ­Planer und Fachleute. RE / ADC

Denkmalpfleger

Ruedi Elser und Monika Zutter Bauzeit

2018 bis 2020 Einstufung

national Quellen

Johann Rudolf Rahn, Die Mittelalterlichen Architektur und Kunstdenkmäler des Cantons Thurgau, Frauenfeld 1899. Albert Knoepfli, Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau, Band 3 : Der Bezirk Bischofszell, Basel 1962. Annina Lanfranconi, Schloss Hagenwil. Eine bauhistorische Untersuchung, Universität Zürich 2007. Restaurierungs- und Fachberichte im Archiv der kantonalen Denkmalpflege Thurgau.

Annina De Carli-Lanfranconi, Cornelia Marinowitz ( Netzwerk Bau  &  Forschung ). Klaus Engeler, Restaurator/ Kirchenmaler, Untereggen. Amt für Archäologie Thurgau.

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St. Katharinental, Klosterkirche Assek.-Nr. 16/2-0067 Restaurierung der Sandstein­ figuren

Aus der Denkmalkultur des Thurgaus

Diessenhofen, St. Katharinental, Klosterkirche Westfassade

Wie die Sandsteinfiguren ihr farbiges Kleid zurückerhielten

Meist liegen bei einem historischen Farbaufbau jüngere Schichten über älteren, aber offenbar nicht immer. Diesem Phänomen kam man anlässlich der Restaurierung des barocken Figurenschmucks mithilfe naturwissen-

schaftlicher Untersuchungen und mit dem Blick zurück in die Akten vorangegangener Restaurierungen auf die Spur. Zwischen 1715 und 1718 liess die Priorin Maria ­Dominica Josepha von Rottenberg ( 1676–1738 ) anstelle des alten Klosters für den Dominikanerinnenorden eine neue Anlage nach Plänen des Vorarlberger Baumeisters

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235 Diessenhofen, St. Katharinental, Klosterkirche Westfassade

Franz Beer ( 1616–1726 ) errichten. Der Kirchenbau wurde erst 1732 bis 1734 unter dessen Sohn Johann Michael Beer ( 1700–1767 ) ausgeführt. Die zurückhaltende Westfassade des stattlichen Giebelbaus eröffnet sich dem ­Besucher der Anlage erst auf den zweiten Blick. Vor der Kirche stehend, erkennt man im Tympanon des Hauptportals, das seit dem 19. Jahrhundert mit einem pilastergestützten Flachgiebel bekrönt ist, ein halbkreisförmiges, reich verziertes Metallgitter mit der Jahreszahl 1736 und den Initialen des Künstlers Johannes Härdel. Zwischen den drei darüberliegenden Rundbogenfenstern öffnen sich zwei Wandnischen mit den Heiligenfiguren Josef ( mit Lilienstab ) und Dominikus ( mit Buch und Lilie ). Im Giebelfeld über dem Basisgesims findet in einer weiteren Nische, flankiert von zwei Dreipassfenstern, eine Monumentalfigur des Typs der Einsiedler Madonna ihren Platz. Der vom Überlingersee stammende, von 1711 bis 1738 in Rheinau tätige Johann Josef Auer ( 1666–1739 ) schuf 1734 die drei Sandsteinfiguren und liess sie je auf einen Inschriftensockel stellen. Als Hauptfigur erscheint die Muttergottes mit Kind und goldverziertem Kleid vor ­einem goldenen Strahlenkranz. Die Lilienstäbe, Nimben, der Strahlenkranz sowie die Kronen Mariens und des Kindes sind aus Metall gefertigt und vergoldet. Eine farbenfrohe Wiederentdeckung

Vor der jüngsten Restaurierung der Westfassade konnte festgestellt werden, dass sich die Figuren grundsätzlich in einem guten Zustand befanden. Vereinzelt wiesen sie alte Zementkittungen und Risse auf ; die Oberflächen waren verschmutzt. Die metallenen Zierelemente zeigten eine punktartige Korrosion, die auch die darüberliegende Vergoldung beschädigt hatte. Besonders auf­ fällig aber war die weisse, lasierend wirkende Schicht, welche sich über die ehemals blau und rot gefassten ­Bereiche der Kleider zog. Die vergoldeten Ornamente waren von dieser Schicht nicht betroffen. Beim Augenschein auf dem Gerüst zeigte sich, dass an der Marien­ figur unter der weissen Oberfläche eine farbige Fassung in Rot- und Blautönen hindurchschimmerte. Wie sich beim Aktenstudium herausstellte, hatten die Figuren vor der Restaurierung in den Jahren 1976

bis 1979 starke Beschädigungen aufgewiesen. Deshalb waren damals verschiedene Massnahmen notwendig : Es wurden aus Kunststein gegossene Arme und Hände angestückt sowie Reparaturen mit Zementmörtel ausgeführt. An einigen wenigen Stellen waren zudem m ­ inimale

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236 Aus der Denkmalkultur des Thurgaus

Reste von Blau- und Rottönen im Gewand der Maria gefunden worden. Wann und weshalb diese Farbfassung entfernt worden war, ist nicht überliefert. Infrage käme die Restaurierung von 1929 unter dem Kunsthistoriker Josef Zemp ( 1869–1942 ) und dem Architekten Albert Rimli ( 1871–1954 ) aus Frauenfeld. In den 1970er-Jahren entschieden sich die Denkmalpflege und die Bauherrschaft auf Anraten der schweizweit anerkannten Fachleute Emmenegger, Ineichen, Arn und Arnold für die Anbringung einer neuen farbigen Bemalung, die sich an bestehenden Vorbildern im Kircheninneren orientierte. Die farbigen Grundtöne wurden über eine weisse Grundierung in einer kunststoffvergüteten « PolymerisatTechnik » gestrichen, mit einer « Öl-Harzlasur » fertig gefasst und abschliessend mit einem Firnis in « Öl-Technik » überzogen. Teilbereiche wie die Gesichter der beiden Heiligen wurden mit dunkler Ölfarbe ausmodelliert. Aufnahmen nach der Restaurierung zeugen von dieser ausdrucksstarken Farbigkeit. Wie im Bericht des Restaurators Willy Arn nachzulesen ist, zeigte sich allerdings bereits im Jahr 1983 am Kleid der Muttergottes über den Blau- und Rottönen eine teilweise starke Auskreidung. Er « regenerierte die ausgemagerte Farboberfläche mit einem eingefärbten Öl-Firnis » und empfahl, die Stein­ figuren rund alle drei Jahre einer Kontrolle zu unter­ ziehen. Fotos von diesen Massnahmen sind verloren. Seither sind keine Restaurierungsarbeiten mehr an den Figuren dokumentiert. Die 2019 wiederum festgestellte, lasierend wirkende und leicht pudernde weisse Schicht über dem roten Kleid und dem blauen Mantel der Marienfigur, ist wahrscheinlich auf dasselbe Phänomen zurückzuführen. Was zunächst rätselhaft erschien, konnte anhand der Archiv­ dokumente, bei näherer Betrachtung auf dem Gerüst und mit dem Laborbericht der Hochschule der Künste in Bern nachvollzogen werden : An der Oberfläche wurden recht hohe Konzentrationen an Oxalaten nachgewiesen. Es handelt sich um chemische Abbauprodukte von organischen Bindemitteln, welche in Anwesenheit von Calciumverbindungen organische Salze bilden. Durch die fotochemische Reaktion an der Aussenfassade verflüchtigt sich ein Teil des abgebauten Bindemittels. Der andere Teil

kann als weisse feine Kruste in Erscheinung treten. Es wurde zwar auch Titanweiss als Pigment nachgewiesen, aber dieses kam sehr wahrscheinlich als Grundierung für die farbigen Schichten zum Einsatz, wie eine Fotografie während der Restaurierungsmassnahmen um 1975 nahelegt. Somit kann mit grosser Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass es sich bei der weissen Schicht, wie zunächst angenommen, um eine später aufgebrachte Fassung handelt. Aus diesen Gründen wurde nach erweiterter Auseinandersetzung im Fachkreis entschieden, die weissen Oberflächen wie 1983 vorsichtig zu entfernen und die darunterliegenden, 1975 aufgebrachten kunststoffvergüteten Farbfassungen zu kontrollieren und wo nötig, leicht zu retuschieren. Es zeigte sich, dass die damals aufgebrachten Farbfassungen den Sandstein nicht geschädigt hatten. Restaurierung der Westfassade von 2019/20

Neben Steinmetz-, Spengler- und Schreinerarbeiten wurden 2019/20 auch Massnahmen am Verputz ausgeführt. Die Süd- und Westfassaden waren 1931 in einem hellgrauen Naturton mit Flusssand und Weisskalkzusatz neu verputzt worden. 1975 wurden die Wandflächen oberhalb des intakten Sockels gewaschen und mit Weisskalk analog dem Hauptgebäude nass in nass « geweisselt ». Im Jahr 2019 erhielt die Westfassade einen neuen Kalkkaseinanstrich. An den drei Sandsteinfiguren hinterfüllte und sicherte der Restaurator die Hohlstellen mit Polymethylmethacrylat, um weiteres Eindringen von Feuchtigkeit und einen Verlust von Originalsubstanz zu verhindern. Sämtliche mürben Zonen im Sandstein, besonders im Gesicht des Kindes, wurden mit Kiesel-Ethylester ( KSE ) gefestigt und die Fehlstellen anschliessend mit einem Ersatzmörtel gekittet. Nach der vorsichtigen Reduktion des weissen Überzugs mit dem Partikelstrahlgerät reinigte die Restauratorin die acrylgebundenen Farbfassungen der letzten Restaurierung von 1975 trocken und feucht, bevor sie durch eine verdünnte Reinacrylat-Dispersion eine Festigung erhielten. Um in demselben Farbsystem wie 1975 zu bleiben, wurden die Retuschen mit Acrylfarben ausgeführt. Es wird sich zeigen, ob durch das Aufbringen

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237 Diessenhofen, St. Katharinental, Klosterkirche Westfassade

dieser Beschichtungen über der kunststoffvergüteten ­Fassung von 1975 – anstelle eines damals und 1983 aufgebrachten Ölfirnis – eine erneute Auskreidung durch die Farbfassungen verhindert werden kann. Die Metallvergoldungen wurden trocken und feucht gereinigt, Korrosionen hat man entfernt und die frei­ liegenden Metalloberflächen sind mit ockerfarbener ­Öl­farbe isoliert und darüber punktuell neu vergoldet oder mit Perlglanzpigmenten retuschiert worden, wie zum Beispiel auf den farbigen « Edelsteinen » der Kronen. Die metallenen Kreuze auf dem Giebel und über dem Haupteingang erhielten nach der Reinigung eine neue Ölvergoldung. Das schmiedeeiserne Grundgitter im Tympanon des Hauptportals erhielt 1975 eine dunkle, acrylgebundene Farbfassung. Seine Zierelemente wurden anschliessend zusätzlich mit Ölfarbe bemalt beziehungsweise mit Mixtion unterlegt und vergoldet. Über die Fassung zog sich eine Lackierung aus Zapponlack, die vor den Massnahmen von 2019/20 stark degradiert war und als weisser abschuppender Belag in Erscheinung trat. Die Restauratorin entfernte diesen mechanisch, reinigte die darunterliegende polychrome Fassung und retuschierte sie mit Ölfarbe. Die Fehlstellen in den vergoldeten Elementen wurden mit ockerfarbener Ölfarbe grundiert und ebenfalls mit Perlglanzpigmenten retuschiert. Durch die Wiederherstellung der wohl ursprüng­ lichen Farbigkeit erfuhr die Muttergottesfigur eine sicht-

liche Aufwertung. Sie vermag die Aufmerksamkeit von Besucherinnen und Besuchern der Klosterkirche St. Katharinental durch die neue Strahlkraft wieder wesentlich MZ stärker als zuvor auf sich zu ziehen.

Bauzeit

Herbst 2019 bis Frühling 2020

dokumente im Amt für Denkmalpflege des Kantons Thurgau.

Literatur

Bauherrschaft

Albert Knoepfli, Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau, Band 4 : Das Kloster St. Katharinenthal, Basel 1989. Corina Rutishauser, Tobias Hotz ( TH-Conservations ), St.  Katharinental Thurgau, Klosterkirche ­Westfassade, Dokumentation zur Restaurierung des Figurenschmucks und des Oberlichtgitters über dem Hauptportal, Herbst 2019 bis Frühling 2020, Weinfelden, Mai 2020 : Archiv­

Kanton Thurgau, vertreten durch das Hochbauamt.

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Architekten

Christian Bühler und Urs Fankhauser, Hochbauamt Kanton Thurgau. Denkmalpflegerin

Monika Zutter Restaurator/Restauratorin

Tobias Hotz, Corina Rutishauser, TH-Conservations, Weinfelden.

238

Lengwil 7.2 Gebäude-Nr. 18/0-0743 Instandstellung der Remise

Aus der Denkmalkultur des Thurgaus

Egnach, Lengwil, « Späämüli »

Nebenbau der Mühle

Der wohl im 18. Jahrhundert errichtete Bau bildet den letzten erhaltenen Zeugen der Mühle Fuchshalde in Lengwil, einem hochgelegenen, abgeschiedenen Weiler hart an der Grenze zum Kanton St. Gallen. Das Wasser des östlich von Häggenschwil ( St. Gallen ) entspringenden Hegibachs trieb früher auf seinem Lauf talabwärts nach dem Rückstau in mehreren Weihern eine beträchtliche Anzahl von Mühlen und Sägen an, bevor es vereinigt mit anderen Bachläufen unter dem Namen Aach in Arbon in den Bodensee floss. Das im Atzenholzweiher oberhalb von Lengwil gestaute Wasser diente bereits der Mühle Atzenholz ( St. Gallen ). Unterhalb von Lengwil wird bis heute ein Teil des Wassers dem Balger Weiher zugeführt. Früher sicherte der kontrollierte Ausfluss dieses Weihers den Antrieb der Mühle und der Säge im nahe gelegenen Weiler Balgen. Gemäss der Besitzerfamilie galt der Bau als Nebenmühle, in welcher spanische Farbhölzer gemahlen wurden und wovon der Name « Späämüli » abgeleitet ist. Idylle am Waldrand

Der Bau befindet sich an einem südorientierten ­Abhang über dem Einschnitt des baumgesäumten Bachlaufs in einer Landschaftsschutzzone und gehört seit dem mittleren 19. Jahrhundert derselben Familie, die heute den benachbarten Hof biologisch bewirtschaftet. Mit der Stilllegung des Mühlebetriebs und dem Verlust des Hauptgebäudes der Anlage nach einem Brand 1995 hatte er definitiv seine ursprüngliche Funktion verloren und diente fortan dem Bauernbetrieb als landwirtschaftliche Remise. Durch die Bauernhausforschung und die Aufnahme im Hinweisinventar rückte die Remise in den ­Fokus des Interesses und der 2004 durch die Gemeinde beschlossene Schutz des Objekts war ein erster Schritt zur Sicherung des Baubestands. Der wohlproportionierte, rechteckige Bau steht traufseitig nach Süden und besteht aus einem gemauerten

Bauherrschaft

Dokumentation

Christian Enderlin, Lengwil.

Peter Rüegger, Sanierungsmassnahmen « Müli Fuchshalde » Chr. + B. Enderlin, Baubeschrieb 28.05.2014, rev. 05.06.2014.

Architekt

Peter Rüegger, Kesslersbach. Bauleitung

Literatur

Christian Enderlin, Lengwil. Denkmalpflegerin

Bettina Hedinger Bauzeit

August 2015 bis Dezember 2019 Einstufung

regional

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Eugen Nyffenegger, Oskar Bandle, Die Siedlungsnamen des Kantons Thurgau, 2. Halbband : Historisches Namenlexikon K–Z und Verzeichnisse, Frauenfeld/ Stuttgart/Wien 2003, S. 1184. Hans Nater, Die alten Mühlen im Thurgau, Berg 1971, S. 5.

239 Egnach, Lengwil, « Späämüli »

Sockelgeschoss mit einem hölzernen Aufbau und Deckleistenschirm als Aussenhaut. Das steile Satteldach mit Aufschieblingen ist traditionell mit Biberschwanzziegeln gedeckt. Der Innenraum ist mit Ausnahme der Geschossböden nicht unterteilt. Das in den Hang gebaute Sockelgeschoss ist von Süden her erschlossen und umfasst den ehemaligem Mahlraum, in welchem die gewerblichen Einrichtungen vor längerer Zeit entfernt worden sind.

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240 Aus der Denkmalkultur des Thurgaus

Eine Nische in der Nordwand lässt vermuten, dass sich hier das Lager des Wasserrads befand. Das Obergeschoss ist giebelseitig von Westen her mit einem zweiflügeligen Scheunentor mit Rautendekor erschlossen. Vier geschnitzte Flugsparrendreiecke zieren die feine Dachkonstruktion über dem liegenden Dachstuhl. Hangwasser und Bergdruck haben das Bruchsteinmauerwerk der Nordwand beschädigt. Der Unterhalt der hölzernen Teile und der Dachhaut ist über viele Jahre vernachlässigt worden. Das Tragwerk war aber stabil. Je weniger, desto besser

Das Ziel der Instandstellung der Remise war neben der Sicherung der Konstruktion eine punktuelle Nutzung der Räumlichkeiten für diverse Aktivitäten im Kontext des landwirtschaftlichen Betriebs. Nach wie vor bestehen die beiden Geschosse nur aus einem Raum. Über dem Obergeschoss wurde der Dachboden zu einem Galeriegeschoss umgestaltet. Die Dachhaut wurde mit eigenen und mit alten, von einem Abbruchobjekt in derselben Gemeinde stammenden Biberschwanzziegeln neu gedeckt. Das rautenverzierte Tor war zu erneuern und im Sockelgeschoss wurde zur Sicherung der Balkenlage die im Raum stehende Stütze besser gesetzt. Mit verträglichen Eingriffen, insbesondere verglasten Türen im Sockel­ bereich zum Vorplatz und Fenstern nach Osten im Obergeschoss, konnte die Belichtung der beiden Innenräume verbessert werden. Die moderaten und mit viel Eigenleistungen umgesetzten Eingriffe führten zu sehr stimmungsvollen Räumen. Wertvolle Kleinbauten in Egnach

Die « Späämüli » Lengwil gehört zu einer Gruppe von historischen Kleinbauten, die wesentlich zum baukulturellen Reichtum der Gemeinde Egnach beitragen. Vor einigen Jahren gelang die Instandstellung der ehemaligen kleinen Säge Balgen, nun ist es dem Einsatz und der Kreativität der Eigentümer sowie der Umsicht und Sorgfalt des planenden Architekten zu verdanken, dass in Lengwil ein weiterer, unsere Landschaft prägender wertvoller gewerblicher Kleinbau für aktuelle verträgliche Nutzungen BH und künftige Generationen gesichert wurde. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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Eschenz, Schloss Freudenfels Assek.-Nr. 21/0-0250 Erneuerung des Glockenturms und Restaurierung der Sonnenuhr

In den Jahren 2019 bis 2020 abgeschlossene Restaurierungen

Eschenz, Schloss Freudenfels, Glockentürmchen Auszug aus der Baugeschichte

Bereits im Mittelalter stand auf dem kleinen Felssporn westlich des Klingenzeller Bachtobels eine Burg, über deren Ursprung und Anfang nur wenig bekannt ist. Bis zum barockisierenden Umbau von 1747 scheinen nur die notwendigsten Unterhaltsarbeiten durchgeführt worden zu sein. Noch heute tritt die Schlossanlage geprägt durch diesen Umbau als weithin beherrschende Baumas­ se in Erscheinung. Sie besteht aus dem länglichen, an der Spornspitze seewärts stossenden Nordflügel ( « Sommerhaus » ) und dem T-förmig angefügten breitgelagerten Südflügel ( « Winterhaus » ). Der Südflügel hat die Gestalt eines stattlichen barocken Landhauses von strenger Geometrie. Darauf erhebt sich ein steiles Walmdach mit ­einem schlanken, achtseitigen Glockentürmchen, das von einer Zwiebelhaube bedeckt ist und wahrscheinlich 1824

aufgesetzt wurde. Die Spitze schmückt eine goldene Kugel mit Kreuz. Im Türmchen sind zwei Glocken untergebracht von denen eine die Inschrift « TOBIAS SCHALCH VON SCHAFFHAUSEN GOS MICH. 1705. » trägt. Der allseitig geschlossene Hof wird durch das Westtor betreten, das 1956 nach alten Bilddokumenten rekonstruiert wurde. Als einzigen ursprünglichen Schmuck hat sich an der Südfassade eine gemalte Sonnenuhr fragmentarisch erhalten. Dieses von der Dachtraufe durchschnittene Rahmenwerk vereinigt architektonische und pflanzliche Motive zu einer sperrigen Komposition aus Konsolen, Voluten und Postamenten. Einst erhob sich darüber ein Giebeldreieck ( Frontispiz ) mit einer geschnitzten und mit Feuergoldgrund und Farben gefassten Nachbildung der Einsiedler Madonna.

Bauherrschaft

Schloss Freudenfels AG Schindler

Emil Näf AG, Bächli. Maler

Martin Vock AG, Weinfelden. Restaurator

Rolf Zurfluh, Helsighausen. Denkmalpfleger

Stephan Kraus Bauzeit

März bis Juni 2020 Einstufung

national

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Heute wird die Schlossanlage als Seminar- und Tagungszentrum genutzt. Es werden Hochzeiten und Feiern ausgerichtet und in den angrenzenden Gebäuden bieten sich Übernachtungsmöglichkeiten. Arbeiten in luftiger Höhe

Es liegt auf der Hand, dass besonders das exponierte Glockentürmchen einer regelmässigen Kontrolle der Regendichtheit bedarf. Eine Begutachtung ergab, dass der bemalte Schindelschirm, der dem Wetter bereits 30 Jahre lang standgehalten hatte, partiell erneuert werden musste. Da diese Arbeiten ein aufwändiges Aussengerüst erforderten, ersetzte man alle Schindeln, um das Unterhaltsintervall zu verlängern. Eine Bekleidung der Aussenhaut mit anderen Materialien wurde nur kurz erwogen. Das prägende Erscheinungsbild des Glockentürmchens mit seinem Schuppenkleid verlangte nach der Verwendung von handgespaltenen Schindeln. Die 4 bis 5 Zentimeter dicken Schindeln aus engjährigem Fichtenholz grundierte der Maler vor der Montage allseitig mit Ölfarbe. Der Schindler nagelte diese einzeln von Hand auf die bestehende Holzschalung des Türmchens. Die Handnagelung wirkt einer Beschädi-

gung der Holzfasern im Bereich der Befestigungspunkte entgegen. Es wurde eine vierlagige Deckung mit einer Fachweite von 5 Zentimetern bei den geraden Flächen und von 4 Zentimetern bei der Zwiebelhaube ausgeführt. Nachdem die Schindeln angebracht waren, vollendete der Maler den Deckanstrich in Ölfarbe. Der Schutz von Holzbauteilen durch eine Kupferabdeckung wurde ­zurückhaltend umgesetzt. Kugel und Kreuz waren noch in einem sehr guten Zustand, sodass hier kein Eingriff nötig war. Restaurierung des ursprünglichen Fassadenschmucks

Das in unmittelbarer Nähe der Sonnenuhr errichtete Arbeitsgerüst ermöglichte auch die Restaurierung des historischen Zeitmessers. Der Restaurator sicherte die bestehenden Mörtelschichten, hintergoss Hohlstellen, verfestigte den Mörtel, führte Kittungen aus und retuschierte die Reparaturstellen abschliessend für ein einheitliches Gesamtbild. Mit den Unterhaltsarbeiten an der historischen Biberschwanzeindeckung und der Dachentwässerung wurden alle wichtigen Massnahmen durchgeführt, um die Bausubstanz weiterhin werterhaltend zu schützen. SK

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Poststrasse 6 Assek.-Nr. 46/3-0022 Instandstellung und Restaurierung

In den Jahren 2019 bis 2020 abgeschlossene Restaurierungen

Kradolf-Schönenberg, Neukirch an der Thur, Poststrasse 6 Ein seit 20 Jahren leerstehendes Haus wird zu neuem Leben erweckt

Die Liegenschaft befindet sich im Zentrum von Neukirch an der Thur. Sie markiert den Auftakt des historisch wertvollen Dorfkerns an der Poststrasse, die sich als Haupterschliessung durchs Dorf schlängelt. Das mit der südwestlichen Hausecke direkt an die Strasse stossende Vielzweckgebäude setzt sich aus einem verputzten und verschindelten Fachwerkbau sowie einer 1958 angebauten voluminösen Stallscheune zusammen, die das Wohnhaus überragt. An die Nordseite des Wohntrakts schmiegen sich zwei Laubengänge, der obere mit ehemaligem Abort. Im Süden des Grundstücks liegt ein traditioneller Garten mit einer technisch und formal ­seltenen Einzäunung aus Beton, die einen Lattenzaun nachahmt und aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts datiert. Der Kern des Wohnhausteils stammt aus dem

18. Jahrhundert und wurde im 19. Jahrhundert um eine Fensterachse nach Westen erweitert. Restaurierungskonzept : Annäherung an das historische Gebäude

Die Liegenschaft befindet sich seit 1893 im Besitz der Familie Hut. Aus der Erbengemeinschaft übernahm 2014 der jüngste Sohn der Familie das seit 20 Jahren leerstehende Wohnhaus, an dem der Zahn der Zeit nagte. Willi Hut nahm sich mit einem verständnisvollen Architekten der geschützten Liegenschaft an und erledigte ­viele Arbeiten in Eigenregie. Seit dem Abschluss der Renova­ tionsarbeiten bewohnt er das Gebäude. Im Vorfeld der Planungsarbeiten wurden nach Absprache mit der Denkmalpflege und der Bauverwaltung der Gemeinde offensichtlich nachträglich eingebaute, historisch unbedeutende Bauteile entfernt, um die da-

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hinterliegenden Schichten besser beurteilen zu können. Die Grundstruktur des Wohnhauses blieb weitgehend erhalten. Es wurde die Möglichkeit nach einem gedeckten Aussenraum und einer offeneren Lösung im Eingangsbereich gesucht. Zudem sollten Sanitäranlagen und Küche nach modernem Standard eingebaut und ein grosszügigerer Wohnbereich im Südosten des Hauses geschaffen werden. Dabei galt es, möglichst viel von der historischen Innenausstattung wie Türen, Wand-

und Deckentäfer sowie Einbauschränke und Fenster zu erhalten. Eine Loggia hinter der Lärchenschalung

An der strassenseitigen Westfassade wurde die Eternitverschalung im Ober- und Dachgeschoss entfernt und durch eine offene Lärchenschalung mit durchgehender Fensterfront ersetzt. Auf diese Weise entstand ein geschützter Aussenraum in Form einer Loggia. Die

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245 Kradolf-Schönenberg, Neukirch an der Thur, Poststrasse 6

dahinterliegende ehemalige Fachwerkaussenfassade im ersten Obergeschoss blieb weitgehend bestehen. Das südöstliche Zimmer wurde zum Dachraum geöffnet und erhält dadurch eine Galerie. Zusätzliches Tageslicht fällt durch in das Dach eingelassene Glasziegel und ein Dachfenster in den Raum. Der gesamte historische Dachstuhl blieb unverändert und wurde lediglich restauriert. Die historischen Fenster im Erdgeschoss wurden energetisch ertüchtigt, aufgedoppelt und restauriert ; die jüngeren Fenster sowie die Fensterläden durch gleichwertige ersetzt. Ein neuer Schindelschirm bedeckt nun im Obergeschoss – wie vor dem Umbau – die Südfassade, während sich im Erdgeschoss der im westlichen Teil erhaltene Verputz über die ganze Fassadenbreite zieht. Auf der Nordseite ersetzen neue Lauben die baufälligen. Die zum Haupteingang führende Sandsteintreppe musste ebenfalls wegen des schlechten Zustands einer neuen ebenbürtigen weichen. Energetische Verbesserungen konnten durch die Dämmung über den Sparren im Dachbereich, an den Aussenwänden und der Kellerdecke erreicht werden. Die Dachränder wurden dabei wie vorhanden schmal aus­ gebildet und das Dach mit Biberschwanzziegeln doppelt eingedeckt. Als Ergänzung zum Brandschutz erhielt die Ostwand von der Scheunenseite her eine neue Dämmung. Die Wärmeerzeugung erfolgt durch eine Wärmepumpe mit Erdsonde, die Wärmeverteilung durch eine Fussbo-

Bauzeit

2014 bis 2020 Eigentümer und Bewohner

Willi Hut Architekt

Werner Keller, Weinfelden. Zimmermann, Schreiner und Gipser

Echtholz GmbH, Weinfelden. Denkmalpflegerin

Monika Zutter

denheizung. Die Zimmerböden wurden mit raumlangen Eichendielen neu belegt. Im Dachgeschoss kamen die noch brauchbaren gebürsteten historischen Bodenriemen zur Wiederverwendung. Auf einen traditionellen Stubenofen wurde sowohl aus Platz- als auch aus finanziellen Gründen verzichtet. Die Restaurierung des Gartenzauns steht noch bevor und wird ebenfalls von der Denkmalpflege unterstützt. Durch die beschriebenen Massnahmen konnte das geschützte Gebäude bewahrt und in ein zeitgemässes Wohnhaus umgestaltet werden. Dies gelang mit vertretbaren Eingriffen und moderatem Aufwand unter Einsatz von traditionellen Materialien wie Holz, Sandstein, Kalkund Ölfarbe. MZ

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Amriswilerstrasse 91 Gebäude-Nr. 52/0-0325 Gesamtrestaurierung und Ausbau Dachgeschoss

Aus der Denkmalkultur des Thurgaus

Romanshorn, Schulhaus Spitz Spitz und seine Schulhäuser

Entlang der Amriswilerstrasse bilden die Weiler Holz, Spitz und Oberhäusern drei historische Aussenwachten der heutigen Stadt Romanshorn. Dabei nimmt Spitz mit den drei historischen Schulhäusern einen besonderen Stellenwert ein. Der Ortsname, der auf ein spitz zulaufendes Landstück hinweist, ist am alten Verlauf der Verbindung zwischen Amriswil und Romanshorn ablesbar. Auf der Sulzbergerkarte aus den 1830er-Jahren ist dieser noch gut erkennbar und bis heute in der heutigen Spitzer-Waldstrasse erhalten. Die zeitlich unmittelbar nachfolgenden Karten zeigen alle den heute bekannten geraden Verlauf der Strassenachse. Bis 1917 bildete Spitz mit Oberhäusern eine eigene Schulgemeinde. Das älteste, 1844 errichtete Schulhaus ( Amriswilerstrasse 95 ) liegt bereits entlang der damals neu angelegten begradigten Achse, hat – wie damals üblich – eher die Gestalt eines Wohnhauses ( des Lehrers ) und ist nach einer Teilnutzung als Ladengeschäft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts heute einer Wohnnutzung zugeführt. Das östlich davon liegende, 1884 erbaute zweite Schulhaus ( Amriswilerstrasse 93 ) trägt heute den Namen « Schulhaus Spitz alt » und hatte zwei Klassenräume. Der jüngste Bau, « Schulhaus Spitz neu » ( Amriswiler-

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strasse 91 ) ist 1908/09 von den Architekten Brenner &  Unterricht unter dem Dach Stutz entworfen und realisiert worden. Dieser Bau konnIm Kontext der demografisch bedingten rollenden te bis heute eine bemerkenswerte Dichte an qualitätvoller Schulraumplanung zeigte sich, dass die hier benötigten originaler Bausubstanz und Ausstattung bewahren. Klassenzimmer im « Schulhaus Spitz neu » zusammen­ gefasst werden sollten. Entsprechend musste ein neues Albert Brenners Liebe zum Detail Klassenzimmer geschaffen werden, um darüber hinaus Das Schulhaus fehlt zwar im Werkverzeichnis der spezifischen Raum für den Fachunterricht und die Arbeit Architekten Brenner, kann aber über erhaltene Dokumen- in Kleingruppen bereitzustellen. Dazu musste der grosse te, insbesondere über Pläne und Fotos, dem bekannten Dachraum zu einem Schulzimmer ausgebaut werden. Frauenfelder Architekturbüro zugewiesen werden, das Trotz der notorischen Schwierigkeiten, einen Dachraum im frühen 20. Jahrhundert im ganzen Kanton Thurgau ausreichend zu belichten, gelang dies hier in eindrücklieine bemerkenswerte Reihe von Schulhausbauten reali- cher Weise inklusive der Abtrennung von Rückzugsecken sieren durfte. Die charakteristische Erscheinung und für ungestörtes Arbeiten in kleineren Gruppen. Dabei ist mehrere formale Details rücken das Schulhaus Spitz nahe darauf hinzuweisen, dass die Gebäudeanlage von Brenner an die Vergleichsbauten in Bischofszell ( Sandbänkli 1907–1909 ) und Aadorf-Guntershausen ( 1908/09 ) derselben Architekten. Die drei Beispiele setzen sich von den Bauherrschaft ebenfalls von Brenner & Stutz realisierten Schulhausbau- Primarschulgemeinde Romanshorn ten im stärker ländlich geprägten Raum ( Weiningen 1906/07, Dozwil 1907 ) ab, die mit Fachwerk und Teil- Architekt und Bauleitung Bischof Partner Architektur AG, walmdach dem Heimatstil deutlicher zugeneigt sind. Romanshorn, Andreas Goldinger. Das auf den ersten Blick streng wirkende Gebäude Denkmalpflegerin in Spitz gibt seine Qualitäten nur dem genau hinsehenden Bettina Hedinger Betrachter preis. Die Verschränkung der beiden sattelBauzeit dachbedeckten Baukörper ermöglicht im Grundriss eine Juli 2019 bis Februar 2020 optimale Anlage der Schulräume mit einer ansprechenEinstufung den und zweckmässigen Eingangssituation im Gebäuderegional winkel, die vor der Eingangshalle einen gedeckten Dokumentation Aussenraum umfasst. Rolf Zurfluh RestaurierungsDie Liebe zum Detail zeigt sich beim Schulhaus Spitz atelier GmbH, Neues Schulhaus ganz besonders beim Bauschmuck – aussen bei den plas- Spitz, Amriswilerstrasse 91, tisch verzierten Umrandungen der Okuli im Giebel­ 8590 Romanshorn. Untersuch Farbstratigrafie Fassaden dreieck und in den Flachreliefs in Naturstein, wie dem und Raumschale, August 2019. ornamentalen Tierfries, der das Quadermauerwerk des Literatur Eingangsportals oben abschliesst, oder bei den Zier­ Max Tobler, Bilder aus der elementen in den Türpfosten. Im Innern darf der farbig Romanshorner Schulgeschichte, geflieste Wandbrunnen in der Eingangshalle nicht fehlen. Romanshorn 1991, S. 48 –49. Weitere Zier- und Farbakzente sind durch die Dekora­ tionsmalerei an der Decke, die Rupfenbespannung des Treppenhauses und die gefassten festen Ausstattungs­ elemente der Klassenzimmer ( Täfer, Wandschränke etc. ) gegeben. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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dafür eine gute Ausgangslage mit bestehender dichter ­Befensterung des Estrichraums geschaffen hatte. Der Ausbau des Daches und die personenbezogen intensivere Nutzung des Gebäudes führte insbesondere zur Klärung von Sicherheitsaspekten – in konstruktiven Gesprächen mit dem Feuerschutzamt konnte eine neu eingerichtete Brandmeldeanlage die Verkleidung der bemalten Decken abwenden. Die Absturzsicherheit in der Treppenanlage wird mit einem zusätzlichen Handlauf über dem historischen Geländer gewährleistet. Zugunsten der Garderoben und zur Verbesserung des Fluchtwegs musste jedoch auf dem Treppenabsatz die historische Abtrennung des Stauraums demontiert werden.

Eine Lektion « Natur, Mensch, Gesellschaft »

Das Schulhaus Spitz vereinigt in seinem Bau und seiner Geschichte zahlreiche Elemente, die der Vermittlung im Rahmen einer lebendigen Unterrichtslektion dienlich sein können. An Raum, Farbe, Form, Ornamentik, Material und Techniken liegt ein reicher Schatz vor. ­Bemerkenswert ist insbesondere die Tatsache, dass die hundertjährigen Räumlichkeiten trotz der im Laufe der Generationen stark veränderten Ansprüche an modernen Schulraum mit neuen Unterrichtsformen auf die heutigen Bedürfnisse angepasst werden können, ohne dass die ­historische Bausubstanz Schaden nimmt. BH

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Bankstrasse 6 Gebäude-Nr. 52/0-1295 Restaurierung und Umbau

In den Jahren 2019 bis 2020 abgeschlossene Restaurierungen

Romanshorn, Verwaltungsgebäude des Wasser- und Elektrizitätswerks

Baudenkmal erfährt neue Wertschätzung

Die Bedeutung der Wasser- und Stromversorgung als Grundlage für Wohlstand und Wohnkomfort zeigt sich im repräsentativen Verwaltungsgebäude des Wasser- und Elektrizitätswerks an der Bankstrasse unweit des Bahnhofs Romanshorn. 1923 entstand der dreigeschossige Verputzbau nach den Plänen des Romanshorner Architekten Oskar Mörikofer. Klassizisierende Stilelemente schmücken die streng symmetrisch gegliederten Fassaden.

Profilierte Gesimse scheiden die beiden Obergeschosse vom rustizierten Erdgeschoss und von dem hohen Kniestock mit Zahnschnittfries. Die Fenster sind teilweise mit profilierten Verdachungen, Zierkonsolen oder ornamentierten Brüstungen versehen. Das steile Walmdach wird von eng gesetzten Lukarnen umsäumt und im First von Dachbekrönungen geschmückt. Über dem zentralen Eingangsportal mit Balkon und kannellierten Säulen ist in goldenen Lettern die Inschrift « WASSER v. ELEKTRIZI-

Bauherrschaft

Genossenschaft EW Romanshorn, Bankstrasse 6, 8590 Romanshorn. Architekten

A. Somogyi AG, Architekturbüro &  Generalunternehmung, Hofstrasse 38, 8590 Romanshorn. Denkmalpflegerinnen

Ueli Wepfer, Denise Hug. Bauzeit

2017 bis 2019 Einstufung

wertvoll Literatur

Max Tobler, 1200 Jahre Romanshorn, Romanshorn 1979, S. 26. Max Tobler, 100 Jahre Wasser- und Elektrizitätswerk Romanshorn 1894–1994, Romanshorn 1994, S. 23–24. Daniel Studer, Überarbeitetes Schutzinventar der Gemeinde Romanshorn, St. Gallen 1996, S. 62.

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TÄTSWERK  » zu lesen. Die reichen Stilelemente verlei-

hen dem Bau seine Bedeutung und machen ihn zu einem erhaltenswerten Objekt unseres Kulturerbes. Der Entschluss zu Umbau- und Sanierungsmassnahmen am Verwaltungsgebäude fiel im Spätsommer 2017. Bald erfolgten erste Gespräche zwischen der Bauherrschaft, den Architekten und dem Amt für Denkmalpflege. Die frühzeitige Zusammenarbeit ermöglichte es, die Bedürfnisse der Nutzer mit den Anliegen der Denkmalpflege abzustimmen. Die denkmalpflegerischen Rahmenbedingungen bezogen sich auf die erhaltene historische Bausubstanz wie die Konstruktion, Gebäudestruktur, Raumeinteilung, Erschliessungszonen und Ausstattungselemente sowie auf die äussere Erscheinung. Ein Hauptanliegen der Bauherrschaft war, die Behindertengerechtigkeit sicherzustellen. Erste Überlegungen, die aus der Bauzeit stammende Treppenanlage durch eine neue, zentral liegende Erschliessungszone mit Lift zu ersetzen, wurden verworfen, weil dadurch die stattliche Holz­

treppe mit den aufwändig gestalteten Treppenhaus­ abschlüssen zerstört worden wäre und die innere Raumgliederung hätte verändert werden müssen. Gemeinsam fand man im Gebäude einen anderen Standort für den Lift, wodurch nicht nur das Treppenhaus gehalten werden konnte, sondern zugleich auch die prägnante, steile Dachfläche von einem störenden Durchbruch für die Liftüberfahrt verschont blieb. Im Inneren wurden die noch vorhandenen historischen Oberflächen und Ausstattungselemente wie Wandtäfer, Böden und Türen sowie der Schindelunterzug im Dachgeschoss gereinigt und aufgefrischt. Ein für die äussere und innenräumliche Erscheinung historischer Bauten wichtiges Element sind die Fenster. Am Bau waren nur noch einzelne bauzeitliche Fenster vorzufinden, denn ein Grossteil wurde bereits in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch konventionelle Fenster ohne Gliederung und Sprossierung ersetzt. Hier entschlossen sich Bauherrschaft und Denkmalpflege zu einem Nachbau in Gestaltung und Materialität der bauzeitlichen Fenster – entsprechend den am Bau noch erhaltenen Fenster. Dadurch konnten sowohl die neuen energetischen Standards umgesetzt wie auch ein Kompromiss aus denkmalpflegerischen Anliegen und Energieeffizienz gefunden werden. Dem Charakter eines Verwaltungsgebäudes entsprechend, zeigt sich der Bau heute wieder in der ihm angemessenen, repräsentativen Pracht. DH / FM

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Alleestrasse 15 Gebäude-Nr. 06/1-0493

Aus der Denkmalkultur des Thurgaus

Aus dem wechselvollen denkmalpflegerischen Alltag Amriswil, Notkirche Stefanshöfli

Curjel und Moser in Amriswil

Mit dem wirtschaftlich bedingten Wachstum der katholischen Gemeinschaft in Amriswil wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts für die Bevölkerung, die bis dahin nach Sommeri kirchgenössisch war, das Bedürfnis nach einem eigenständigen Gotteshaus am Ort drängender. Die 1892 für die Reformierten von August Hard­ egger errichtete Kirche hatte die Messlatte hoch gelegt und ein ähnlicher Bau war für die Katholiken noch unerreichbar. Auf dem Weg zum grossen Projekt freundeten sich die Katholiken mit dem Konzept der Notkirche an. Die Qualitätssicherung sollte über ein Konkurrenzver­ fahren unter drei im Kirchenbau bestens ausgewiesenen

Architekturbüros gewährleistet werden : Albert Rimli, Frauenfeld, Adolf Gaudy, Rorschach sowie Curjel und Moser, Karlsruhe, Zürich und St. Gallen. Durch die Arbeit von Curjel und Moser wurde 1911 der Grundstein für ein wichtiges Ensemble von Sakralbauten in Amriswil gelegt. Ausser der Notkirche ( Stefanshöfli ) errichteten die Architekten das benachbarte Pfarrhaus und evaluierten verschiedene Setzungen der geplanten Hauptkirche, die erst 1937 bis 1939 von Paul Büchi erstellt wurde. Ihr Gesamtkonzept sah auf der zur Verfügung stehenden unregelmässigen Parzelle ein ausgewogenes Gefüge der drei Bauten mit gestaltetem Pfarrgarten und Umgebung vor.

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Überraschungen unter den Anstrichen

Im Kontext der aktuellen Fragen um die Zukunft des Stefanshöfli und der Bereinigung der Schutzplan­ pendenzen ergab sich die Notwendigkeit von weiteren Abklärungen zur Bedeutung des Baus. Im Archiv der Kirch­gemeinde sowie im Nachlass der Architekten, der im gta Archiv in Zürich aufbewahrt wird, fanden sich zahlreiche, bisher nicht bekannte, wertvolle Dokumente zum Stefanshöfli. Es zeigte sich, dass Curjel und Moser nicht nur die Architektur, sondern auch die komplette Ausstattung entworfen hatten, die von ausgesuchten regionalen Handwerkern ausgeführt wurde. Kanzel, Altäre, Taufstein, Sitzbänke und vor allem ein reicher Schatz an auffallend bunter Dekorationsmalerei ist in den Plänen überliefert. Da sich der von verschiedenen Gruppierungen im Umfeld der Kirche genutzte Innenraum heute mit teils weiss gestrichenen und teils holzverkleideten Oberflächen präsentiert, sollten restauratorische Sondierungen Aufschlüsse über den allenfalls erhaltenen überdeckten Bestand geben. Tatsächlich zeigte sich dabei, dass die Ornamentik an den Wänden und am hölzernen Tragwerk gemäss den Entwürfen von 1911 in kräftigen Farben ( Gelb, Grün, Blau, Braun, Schwarz etc. ) ausgeführt worden war und unter den heutigen Anstrichen erhalten ist. Damit liegt ein einzigartiger Bestand an ­Dekorationsmalerei von 1911 vor, entworfen von Curjel und Moser und ausgeführt vom Amriswiler Dekora­ tionsmaler Martin Moszczyk. Gleichzeitig mit den Abklärungen am Bau ergab sich eine Spurensuche bei der mobilen Ausstattung im Rahmen der Pflege des Kirchenschatzes. Wechselvolle Geschichte

Nach dem Umzug der Reliquien in die neu errichtete Stefanskirche von Paul Büchi am 17. Dezember 1939 wurden die kirchlichen Aktivitäten weitgehend in den Neubau verlagert. Büchi hatte im Kontext der Projektierung der Stefanskirche zwar Ideen für einen Umbau der Notkirche in ein Kirchgemeindehaus entwickelt und in Plänen dargelegt, doch das Vorhaben wurde nicht realisiert. Die Stadt Amriswil übernahm daraufhin 1942 die Notkirche von der katholischen Kirche für einen https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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Kaufpreis von CHF 12’000.– vorerst für die Dauer von 15 Jahren. Als sich in den späten 1970er-Jahren der Bedarf an Jugendräumen abzeichnete, zeigte sich die Stadt im Jahr 1980 bereit, der katholischen Kirchgemeinde bei erfolgreicher Abstimmung das Gebäude ohne Kosten­ folge zur Schaffung von Jugendräumen abzutreten. Entwicklungsmöglichkeiten

Die katholische Kirchgemeinde weist aktuell ein Bedürfnis nach Schulungsräumen, Mehrzweckräumen und Büros aus und erwägt den Abbruch des Stefanshöfli zugunsten der Errichtung eines Neubaus. Angesichts der Bedeutung des historischen Baus stellte sich die Frage nach der Realisierbarkeit des Raumprogramms innerhalb des bestehenden Baus. Dazu wurde einerseits ein Bau­

substanzgutachten mit statischer Prüfung des Tragwerks in Auftrag gegeben und andererseits in einer Nutzungsstudie die Machbarkeit einer Umnutzung gemäss dem Raumprogramm der katholischen Kirchgemeinde geprüft. Beide Gutachten zeigten, dass der Bau im Hinblick auf die vorgesehene Nutzung ertüchtigt werden könnte. Tatsache ist, dass Notkirche und Pfarrhaus von Amriswil neben einer Pferdestallremise in Felben-Wellhausen die einzigen Spuren der beiden berühmten Architekten im Thurgau darstellen. Darüber hinaus ist der Bau bautypologisch und in Bezug auf seine Ausstattung für die Region einzigartig. Die Untersuchungen am Bau haben gezeigt, dass die von Curjel und Moser mit grosser Sorgfalt geplante Hülle und Ausstattung gemäss diesen Absichten realisiert wurde. BH

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Schützenstrasse 37 Gebäude-Nr. 39/7-0126

Aus der Denkmalkultur des Thurgaus

Kreuzlingen, ehemalige Fabrikantenvilla des Schuhherstellers Louis Raichle Wertvolles Engagement und die Eigeninitiative der Bauherrschaft

Als bedeutendes Kulturzeugnis mit repräsentativem Auftritt und aufwändiger Fassadengestaltung prägt die ehemalige Fabrikantenvilla des Schuhherstellers Louis Raichle seit ihrer Erbauung 1915/16 die Schützenstrasse und ergänzte die östlich davon 1909 gegründete und erbaute Schuhfabrik. Seit 2013 ist das Wohnhaus im Besitz von Mechthild Langhainzl, Gunnar Wanke und Stefan Kuhn, welche es vom Verpackungsspezialisten Amcor, Eigentümerin des ehemaligen Firmenareals der Schuhfa-

brik, erwerben konnten. Aus denkmalpflegerischer Sicht ein Glücksfall, trägt die heutige Eigentümerschaft doch mit viel Engagement und handwerklicher Eigeninitiative zum Erhalt des wertvollen Baudenkmals bei. Ein wesentlicher Bestandteil eines Baudenkmals sind die Fenster : Prägen sie nach Aussen die Erscheinung von Fassaden, so tragen sie nach Innen zur Wirkung eines Raums bei. Immer seltener sind sie in originaler Form anzutreffen. Ein Ersatz dieses empfindlichen Bauteils ­bedeutet immer einen massiven Eingriff in die Original­ substanz eines Gebäudes, die unwiederbringlich zerstört

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wird. Die heute noch erhaltenen historischen Fensterbestände geben Auskunft über das handwerkliche Geschick, die technischen Möglichkeiten, den Gestaltungswillen des Erbauers und den sozialen Stand der Bauherrschaft. Meist werden Fenster im Laufe der Zeit überarbeitet oder durch industrielle Produkte ersetzt, sei es wegen erhöhter Komfortansprüche der Besitzer oder mit dem Ziel der energetischen Verbesserung und einer Energieersparnis. Daher ist es umso erfreulicher, dass die Villa Raichle noch über einen Grossteil der aus der Bauzeit stammenden Vor- und Hauptfenster verfügt und dass sich die Denkmal-afine Bauherrschaft zum Erhalt dieser entschied. Wie sich die gesamte Fabrikantenvilla durch ­einen hohen gestalterischen Ausdruck und die Verwendung hochwertiger Materialien auszeichnet, so wurde auch für die Herstellung der Fenster in Materialität und Gestaltung investiert. Die Besitzer restaurierten die bauzeitlichen Fenster in aufwändiger Eigenleistung und rekonstruierten die fehlenden Vorfenster dem historischen Vorbild entsprechend. Den fachmännischen Umgang und die handwerkliche Geschicklichkeit mit den Bauteilen haben sich die Besitzer durch die Beratung von Spezialisten und durch die praktische Tätigkeit angeeignet. Fenster sind der permanenten Bewitterung ausgesetzt und benötigen regelmässigen Unterhalt. Wird dieser über eine längere Zeit vernachlässigt, kommt es an sonnen- und wetterexponierten Stellen zu Schadensbildern wie Oberflächenverwitterung und Verformungen, zu ­Rissen, sprödem und sich lösendem Kitt wie auch zu abblätternder oder abkreidender Farbschicht. Die Fenster der Villa waren substanziell grösstenteils intakt, wiesen jedoch starke Abwitterung auf. Im Erd- und Obergeschoss verfügten die Fenster über einen Ölfarbanstrich, diejenigen im Dachgeschoss waren in jüngerer Zeit durch den Vorbesitzer mit einer kunststoffvergüteten Alkydharzfarbe gestrichen worden. Zu Beginn der Arbeiten mussten zunächst die Glasscheiben ausgekittet werden. Hierfür galt es, den porösen Kitt mithilfe von Heissluftföhn, Infrarotlampe und Hackel zu entfernen sowie Fenster und Rahmen von alten Farbschichten vollständig zu befreien. Um die feinen Profilleisten bei der Entfernung des Farbabstrichs nicht zu beschädigen, fertigte die Bau-

herrschaft dafür geeignetes Werkzeug an. In einem weiteren Schritt wurden Schadstellen an der Holzrahmenund Flügelkonstruktion wie Risse, morsche Holzteile, abgebrochene Kanten oder Löcher mit Leinölkitt ausgebessert. Mit dem Setzen von neuen Holznägeln erreichte man an der einen oder anderen Stelle eine Sicherung von Eckverbindungen. Nach dem Säubern der Fenster von Staub und Schmutz wurden die Rahmen und Flügel mit einer Grundierung auf Leinölbasis für die weiteren ­Anstriche sowie als solide Grundbindung für den Kitt vorgestrichen. Danach konnten die erhaltenen Scheiben eingesetzt und mit Leinölkitt befestigt werden. Beim Ver-

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kitten war zu beachten, dass der Kitt schräg vom Fenster abgeht, um späteren Wasseransammlungen vorzubeugen. Ferner musste der Kitt so angebracht werden, dass die Fugen satt geschlossen sind, um undichte Stellen und Energieverlust zu vermeiden. Danach erfolgte wiederum eine längere Trocknungszeit. Die Restaurierung erforderte einen gut organisierten Arbeitsablauf und die Möglichkeit der Lagerung der Fenster. Um die Fenster künftig möglichst dauerhaft vor Verwitterung zu schützen, erfolgte abschliessend ein Öl­ farbanstrich. Für die Haftung der Farbe wurde zunächst die grundierte Oberfläche leicht angeraut, gereinigt und mit einem Zwischenanstrich, einem Standöl – halbfett –, versehen. Nach erneutem Trocknen und Anrauen wurde der Schlussanstrich mit dem Standöl – vollfett – auf­ gebracht. Vor dem Einhängen der Fenster waren Beschläge wie Reiber, Verriegelung und Olive durch Reinigen

und Ölen funktionstüchtig zu machen. Zum Schluss ­ urden in den Fensterrahmen und -flügeln Filzstreifen w eingesetzt, um eine verbesserte Wärme- und Schallisolation zu erreichen. Die Instandsetzungsarbeiten führten neben der optischen Aufwertung auch zu einer verbesserten Dichtigkeit von Vor- und Hauptfenster und damit zu einer gesteigerten Behaglichkeit im Wohnhaus. Es sind gerade die mit viel Sorgfalt und Fachkompetenz ausgeführten Arbeiten, die einen wesentlichen Beitrag an den Erhalt und den identitätsstiftenden Charakter eines Baudenkmals leisten. Auch die im Gebäudeinneren erfolgten Restaurierungsarbeiten zeugen von hohem Respekt vor der bauzeitlichen Gebäudesubstanz und Ausstattung. Eine Qualität, die von der Bauherrschaft sichtlich geschätzt wird und für welche sie mehrere tausend Arbeitsstunden an Eigenleistung erbracht hat. DH

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Kulturgüterschutz Thurgau, ein Blick auf eine wenig bekannte ­Aufgabe der Denkmalpflege Anfang 2020 wurde die vollständige Reorganisation des Kulturgüterschutzes ( KGS ) im Thurgau erfolgreich abgeschlossen. Heute löst unser Kanton diese wichtige Aufgabe mit modernen Mitteln und Strukturen auf professionelle Art und Weise. Im Zuge der Reorganisation wurden ein KGS Experten-Team gegründet, ein Zug KGS Spezialisten beim Zivilschutz aufgebaut und Notfallpläne erstellt. Die neu geschaffene Fachstelle für den Kulturgüterschutz, die im Amt für Denkmalpflege angesiedelt ist, koordiniert seither sämtliche Belange dieser wichtigen Aufgabe im Kanton. Der Schutz und die Bewahrung von Kulturgütern ist für jede Gemeinschaft von zentraler Bedeutung. Gehen sie verloren oder werden willentlich vernichtet, kann dies eine Gesellschaft entwurzeln. Nicht selten wird deshalb die Zerstörung von Kulturgut im Krieg bewusst als Mittel eingesetzt. Traurige Beispiele dafür sind schon aus der Antike bekannt. Man denke nur an die Zerstörung und Plünderung des Tempels in Jerusalem durch die Römer im Jahr 70 nach Christus. Nicht weniger barbarisch waren die in jüngerer Zeit erfolgten Angriffe auf Kultur­ güter : Etwa die Sprengung der grossen Buddha-Statuen von Bamiyan in Afghanistan im Jahr 2001, die Zerstörung der mittelalterlichen Heiligtümer von Timbuktu in Mali 2012 oder die Verwüstung der antiken Oasenstadt Palmyra in Syrien durch den « Islamischen Staat » ( IS ) im Jahr 2015.

Kulturgut bei bewaffneten Konflikten ». In der Haupt­ sache beinhaltet diese die Verpflichtung, die Kulturgüter der Gegenpartei zu respektieren. Das heisst, dass Ziele, welche als Kulturgüter definiert sind, nicht angegriffen und nicht militärisch genutzt werden dürfen. Damit dies im Kriegsfall funktionieren kann, müssen die Vertragsparteien Kulturgüter auf ihrem Hoheitsgebiet bereits in Friedenszeiten benennen und deren Standorte bekannt geben. Sie sind ausserdem angehalten, alle nötigen Vorkehrungen zum Schutz der mobilen und immobilen Kulturgüter zu treffen. Die Schweiz geht in ihrer eigenen Gesetzgebung zum Kulturgüterschutz noch einen Schritt weiter, indem sie nicht nur den Schutz der Kulturgüter im bewaffneten Konflikt gewährleistet, sondern diese Verpflichtung auch auf allgemeine Katastrophen und Notlagen, wie zum ­Beispiel Brände und Überschwemmungen, ausgedehnt hat. Einen grossen Teil der damit verbundenen Aufgaben Die Haager Konvention Dieses Problem wurde bereits 1899 von den unter- hat der Bund an die Kantone delegiert. zeichnenden Parteien der « Internationalen Übereinkunft betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs » Es brennt, was tun ? Anhand eines fiktiven Beispiels soll gezeigt werden, erkannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte dann, unter der Schirmherrschaft der neu gegründeten UNESCO, die wie die Partner in Sachen Kulturgüterschutz im Einsatzbis heute gültige « Haager Konvention zum Schutz von fall zusammenarbeiten und ein Ereignis bewältigen würhttps://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

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den. Stellen wir uns also folgendes Szenario vor : Eines nachts schlägt die Brandmeldeanlage eines bekannten Museums in Frauenfeld Alarm. Innerhalb von wenigen Minuten ist die Feuerwehr vor Ort und stellt fest, dass im zweiten Stock ein Feuer ausgebrochen ist. Zum Glück befinden sich zu diesem Zeitpunkt keine Personen im ­Gebäude. In seiner Einsatzplanung sieht der Einsatzleiter, dass das betroffene Gebäude und die darin befindliche Sammlung sogenannte KGS A-Objekte sind, also Objekte von nationaler Bedeutung. Dank eines speziell auf den Schutz von Kulturgütern ausgerichteten Abschnitts seiner Einsatzplanung, der ihm von der Fachstelle Kulturgüterschutz zur Verfügung ­gestellt wurde, weiss er, welche Räume im Gebäude von besonderer kulturhistorischer Bedeutung sind und welche Materialien dort verbaut wurden. Entsprechend weist er seine Mannschaft an, diese Räume speziell zu schützen und bei den Löscharbeiten möglichst zu schonen. Dank übersichtlicher Evakuationspläne kann der Einsatzleiter zudem die wertvollsten Ausstellungs­ stücke aus dem brennenden Gebäude evakuieren lassen. Die Mannschaft beginnt mit den Löscharbeiten. Bald wird klar, dass das Brandereignis ein beträchtliches Ausmass erreicht hat, und dass durch das Löschwasser Schäden am Gebäude und am mobilen Kulturgut entstehen werden. In dieser Situation bietet der Einsatzleiter das Kulturgüterschutz Experten-Team des Kantons auf. In diesem zehnköpfigen Gremium von Spezialisten, die sich in ihrem Berufsalltag um die Erhaltung von Kulturgütern kümmern, befinden sich Archäologen, Restauratorinnen, Kuratorinnen und nicht zuletzt Denkmalpfleger, die den Ernstfall regelmässig gemeinsam trainieren und über das nötige Wissen verfügen, Schäden an Kulturgütern so gering wie möglich zu halten. Wenige Augenblicke später klingelt bei den Mitgliedern des KGS Experten-Teams das Mobiltelefon. Durch die kantonale Notrufzentrale werden sie in einer Telefonkonferenz zusammengeschaltet. In einer kurzen Lagebesprechung wird beschlossen, dass vorerst zwei Fachleute aus dieser Gruppe ausrücken, um die Situation vor Ort zu beurteilen und die nötigen Schritte einzuleiten. https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

259 Kulturgüterschutz Thurgau, ein Blick auf eine wenig bekannte A ­ ufgabe der Denkmalpflege

Kurze Zeit später treffen die KGS Experten auf dem Schadenplatz ein und melden sich bei der Einsatzleitung. Ausgerüstet mit Gummistiefeln, Helm, Einsatzwesten ­sowie einem detaillierten Notfallplan, der in Zusammen­ arbeit zwischen der Fachstelle Kulturgüterschutz und dem betroffenen Museum erarbeitet wurde, machen sie sich an ihre Arbeit. In der Zwischenzeit ist auch der Haustechniker des Museums eingetroffen. Er wurde automatisch durch das Telefonsystem der im Museum installierten Brandmeldeanlage aufgeboten und vertritt als sogenannter Notfallkoordinator seine Institution, also die Eigen­ tümerschaft, auf dem Schadenplatz. Es folgt ein erster gemeinsamer Rapport. Der Einsatzleiter orientiert den Notfallkoordinator und die KGS Experten über das Ausmass des Brandfalls, über den möglichen weiteren Verlauf des Ereignisses und auch über die bereits ergriffenen Massnahmen. Gemeinsam wird die weitere Einsatztaktik besprochen, die darauf

­abzielt, den Schaden am Kulturgut so gering wie möglich zu halten und die Löscharbeiten effizient und zügig zu beenden. Es zeichnet sich ab, dass diverse Objekte des Museums durch das Feuer sowie durch den Einsatz von Löschwasser stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Weil die Evakuierung der Sammlung unvermeidlich ist, bietet einer der KGS Experten jetzt die KGS Spezialisten des Zivilschutzes auf, die mit den Abläufen der notwendigen Arbeiten in solchen Fällen vertraut sind, weil sie regelmässig an gemeinsamen Übungen mit dem KGS Experten-Team teilnehmen. Die KGS Experten kümmern sich nun um die Vorbereitung des Zivilschutzeinsatzes sowie um die Erstversorgung der wichtigsten Objekte, die bereits von der Feuerwehr evakuiert werden konnten. Diese wiederum führt die Löscharbeiten aus und kann nach einer weiteren Stunde vermelden, dass diese erfolgreich beendet seien. Dann rückt der Zivilschutz mit einem Anhänger voll Material zur Erstversorgung, Dokumentation, Stabilisierung, Verpackung und zum Transport der geretteten Kulturgüter an. Routiniert werden gemeinsam Zelte aufgestellt und Arbeitsplätze für die Sicherung der beschädigten Objekte eingerichtet. Ein weiteres Team kümmert sich in der Zwischenzeit um die Dokumentation des Schadens im Gebäude. Nun kann die Evakuierung der beschädigten Kulturgüter durch die Männer des Zivilschutzes erfolgen. Dank der ausführlichen Pläne, Bilder, Anweisungen und Inventarlisten, die in der Notfallplanung enthalten sind, kann sichergestellt werden, dass die betroffenen Objekte fachgerecht und vollständig geborgen, versorgt, verpackt und abtransportiert werden. Die in ein Notdepot verbrachten Kulturgüter gelangen dann so rasch als möglich in die Hände von Restauratoren, die sich ihrerseits um den Erhalt und die Wiederherstellung der beschädigten Objekte kümmern. Dank der guten Vorbereitung aller Akteure des KGS auf ein solches Ereignis kann der Schaden am Kulturgut auf ein Minimum beschränkt werden, sodass die Kosten für die Restaurierung verhältnismässig gering bleiben. Wenige Monate später kann das Museum seinen reDHä gulären Betrieb wieder aufnehmen.

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260 Licht- und Farbenzauber – Glasmalerei im Thurgau

Bildnachweis

Die Herausgeber haben sich bemüht, sämtliche Copyright-Inhaber Engeler AG Glaswelt, Pascal Engeler : S. 38. ausfindig zu machen und ihr Einverständnis zum Abdruck einzu- ETH-Bibliothek Zürich, Graphische Sammlung, Inv.nr. D 1368.15 ; holen. Falls Copyright-Inhaber übersehen wurden, bitten wir die Betroffenen, sich mit den Herausgebern in Verbindung zu setzen.

Scan D 1368.15 : S. 63 rechts oben. Ralph Feiner, Malans : S. 127 unten, S. 181. fotoprisma.ch, Kirsten Oertle (mit Erlaubnis von Titus Moser, Prä-

Bei folgenden Personen und Institutionen wurde das © 2021/22 eingeholt   :

sident der Bürgergemeinde Frauenfeld) : S. 12, S. 40 links und Mitte. Silvio Frigg, Klosterbezirk St. Gallen : S. 258 Mitte und unten.

Amt für Denkmalpflege des Kantons Thurgau, Frauenfeld : Ar- gta Archiv/ETH Zürich, Nachlass Karl Moser : S. 251 unten, S. 252 chiv : S. 20 links, S. 106 oben, S. 107 oben, S. 109 oben, S. 251

obere zwei Abb., S. 252 linke Spalte oben, S. 253 alle.

oben. – Neg.-Nr. Pl. F. 199 W. Müller : S. 57. – Jürg Conzett, Christoph Gysin, Icona Basel : S. 8, S. 17, S. 18, S. 43, S. 44 beide, Ingenieur, Chur : S. 227 rechts oben. − Bettina Hedinger : S. 238

S. 116, S. 117, S. 124 links, S. 130, S. 138 links, S. 139 alle, S. 156,

beide, S. 239 Mitte, links und rechts unten, S. 240 alle, S. 246

S. 158, S. 159 links, S. 161 unten, S. 162–163 alle, S. 164 unten

rechts oben, S. 247– 248 alle. − Lukas Fleischer, Weinfel-

beide, S. 165 bis 170 alle, S. 172 bis 175 alle, S. 177 beide,

den : S. 56, S. 58, S. 68, S. 69, S. 83, S. 90, S. 103, S. 124 rechts,

S. 188–194 alle, S. 195 unten, S. 196–198 alle, S. 200–201 alle,

S. 230 beide, S. 231– 233 alle ; S. 249, S. 250 rechts, S. 254–256

S. 204 –207 alle, S. 209 –210 alle, S. 213, S. 214, S. 234, S. 235

alle. − Ueli Kröni, Warth : S. 223 beide, S. 224 links oben und

unten, S. 237 beide.

unten, S. 225 alle. – HP Strang, bearbeitet von Ueli Kröni, Historisches Museum Luzern, S. 112 Mitte. Warth : S. 224 rechts oben, S. 241– 242 alle.

Willi Hut, Kradolf-Schönenberg : S. 243–245 alle.

Amt für Archäologie Thurgau, Foto : Daniel Steiner : S. 228 unten, Patrick Itten, Romanshorn : S. 150 links. v. l. n. r : Foto 1 und Foto 3.

Markus Käppeli : S. 64.

Amt für Archäologie Thurgau, Foto : TerraData, Geoinfo Gossau : Kunstgewerbemuseum, Staatliche Museen zu Berlin : S. 106 unten. S. 226.

Kunstmuseum St. Gallen : S. 195 oben.

Amt für Archäologie Thurgau, Foto : Rüegger + Flum Geologen : Katholisches Pfarramt, 5040 Schöftland : S. 179 beide. S. 227 Mitte oben.

Sarah Keller, Vitrocentre Romont : S. 65, 140.

Archiv Kantonale Denkmalpflege Aargau : S. 13 rechts.

Stephan Kölliker, www.artaphot.ch : S. 202.

Archiv Reto Nussbaumer, Zürich : S. 13 links, S. 15.

Karin von Lerber, Winterthur : S. 258 oben.

Marco Bakker, Niedergösgen : S. 182–185 alle.

Martin Linsi, Einsiedeln : S. 178.

Ernst Baumann, Bazenheid : S. 126 beide, S. 127 oben, S. 128 alle.

Franziska Messner-Rast : S. 180.

Badisches Landesmuseum Karlsruhe : S. 110 rechts oben.

Elke Mürau, Schweizerisches Nationalmuseum : S. 259.

Bayerische Staatsbibliothek München, 2 Bavar. 1602 x, S. 1, HYPER- Musée Ariana, Ville de Genève, Foto : Angelo Lui : S. 61 oben und LINK "https://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb113

Mitte, S. 63 links oben und links unten, S. 107 unten, S. 111

62392-6" \t "_blank" urn:nbn:de:bvb:12-bsb11362392-6: S. 16.

­beide, S. 112 oben, S. 113 oben und unten.

Bildarchiv Foto Marburg / Foto : Jeannine Le Brun ; Aufnahmeda- Museum Heylshof Worms, Foto : Stefan Blume : S. 98. tum : 1949/1964 : S.  49.

Nachlass Carl Roesch, Kunstmuseum Thurgau : S. 161 links oben,

Dresden, Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Inv. nr. A 912 : S. 63 rechts unten.

S. 164 oben. Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum : S. 51 beide, S. 60 ­Mitte.

Annina De Carli, Kreuzlingen : S. 228 oben, S. 228 unten, v. l. n. r. : Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum : Foto : Georg Janssen : Foto 2 und Foto 4, S. 229 rechts.

S. 95.

Eidgenössisches Archiv für Denkmalpflege, Bern : S. 227 links oben. Peter Rüegger, Steinebrunn : S. 239 oben alle.

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

261 Bildnachweis

Schweizerisches Nationalmuseum : S. 46, S. 51 beide, S. 62 beide, Zentralbibliothek Zürich, Scheibenrisse A II 104. e-manuscripta : S. 78, S. 86, S. 87, S. 91, S. 94, S. 99, S. 102, S. 104 beide, S. 105

S. 54.

beide, S. 106 Mitte, S. 107 Mitte, S. 108 beide, S. 109 unten, Zentralbibliothek Zürich, / Public Domain Mark : S. 136 rechts. Rolf Zurfluh, Restaurierungsatelier, 8558 Helsighausen : S. 252,

Erica Seitz, Kreuzlingen : S. 208. SIK-ISEA, Zürich, Philipp Hitz, S. 159 rechts.

rechte Spalte oben, S. 252 linke Spalte unten und rechte Spalte

SIK-ISEA, Zürich, Schweizerisches Kunstarchiv HNA 207.15 :

unten.

S. 157. Staatsarchiv des Kantons Thurgau, Frauenfeld : StATG 4'390'2,21 :

Reproduktionen

S. 138 rechts : José Amador de los Ríos und Rodrigo Amador de

S. 76, S. 77.

Staatsarchiv des Kantons Thurgau, Frauenfeld : StATG Slg.1, los Ríos y Villalta, Monumentos latino-bizantinos de Córdoba ( Monumentos arquitectónicos de España ), Madrid : Imprenta y K/ P 00720 : S. 217 ; StATG Slg. 1, K/P 02753 : S. 218/219. Staatsarchiv des Kantons Thurgau, DERIVAT_StATG_4-719-6_ Calcografía Nacional, 1879 ( Tafel nicht nummeriert ). – S. 203 : 00079 : S. 246 links unten ; DERIVAT_StATG_4-719-6_00080 : Aufbruch – Malerei in der Ostschweiz von 1950 bis 1965, hrsg. S. 246 Mitte ; DERIVAT_StATG_4-719-6_00081 : S. 246 rechts

vom Kunstverein St. Gallen, Ausstellungskatalog, Kunstmuseum St. Gallen 1993, S. 109 ( Foto : Sallis ). – S. 55 : Paul Boesch, Die

unten. Staatsarchiv Uri, Fotoarchiv Aschwanden : S. 176.

Glasgemälde aus dem Kloster Tänikon, in : Mitteilungen der Anti-

Stephanie Tremp : S. 212.

quarischen Gesellschaft in Zürich ( 33/3 ), 1943. Abb. 1 ; nach : Jo-

Alexander Troehler, Zollikon : S. 132, S. 133.

hann Rudolf Rahn und Johann Nater, Das ehemalige Frauenklos-

Vitrocentre Romont : S. 52, S. 59, S. 60 oben, S. 61 unten, S. 66 bei- ter Tänikon im Thurgau, Zürich 1906, Teil II. – S. 29 unten : Die neubarocke Stadtkirche St. Nikolaus 1904 –1906, Denkmalpflege de, S. 67 beide, S. 82, S. 104, S. 113 Mitte, S. 142–148 alle. Vitrocentre Romont, Yves Eigenmann/Francesco Ragusa, Fribourg : im Thurgau Band 16, hrsg. vom Amt für Denkmalpflege des Kantons Thurgau, Basel 2014, S. 55, © Gabriel Müller, Frauenfeld. – S. 41, S. 60 unten. Vitrocentre Romont, Hans Fischer : S. 20 rechts, S. 21 beide, S. 22

S. 39 : Angelus Hux, Die katholische Pfarrei Frauenfeld vom Mit-

beide, S. 24 beide, S. 26 beide, S. 28 links, S. 29 beide, S. 31 ­beide, telalter bis zur Gegenwart, Frauenfeld 2004, S. 141. – S. 47 : Johann S. 32 links und Mitte, S. 33, S. 34 beide, S. 35 beide, S. 37 oben. Rudolf Rahn, Die schweizerischen Glasgemälde der Vincentschen Vitrocentre Romont, Katrin Kaufmann : S. 42 oben. Vitrocentre Romont, Pierre-Frank Michel : S. 37 unten.

Sammlung in Constanz, in : Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Band XXII, Heft 6, 1890, Abb. S. 179. – S. 171 : Stickerei-Zeit – Kunst und Kultur in St. Gallen 1870 –1930, hrsg.

Vitrocentre Romont, Eva Scheiwiller-Lorber : S. 32 rechts. Vitrocentre Romont, Stefan Trümpler / Sophie Wolf : S. 119–122 von Kunstverein St. Gallen und Stiftung St. Galler Museen 1989, S. 238. – S. 187 : «15 Swiss Contemporary Artists », Ausstellungsalle, S. 123 Mitte. Vitrocentre Romont, Ernst Baumann (Klimadaten)/ Sophie Wolf katalog, Montreal 1969, Repro Kunstmuseum Basel, Universität Basel, Kunsthistorisches Seminar, Bibliothek 2021. – S. 81 : Herbert (Diagramm) : S. 123 oben. Doris Warger, Frauenfeld : S. 235 oben.

Zehnder, Tänikon. Gerichtsstätte, Zisterzienser Frauenkloster, Ge-

Zentralbibliothek Solothurn, S II 160/1, Blatt 6 : S. 28 rechts.

richtsherrschaft, Kirchgemeinde, Forschungsanstalt, hrsg. von der

Zentralbibliothek Solothurn, S II 160/5, Blatt 2 : S. 40 rechts ; katholischen Kirchgemeinde Tänikon 1929, Abb. 21a ( Grundriss S II 160, 5/17 : S. 136 links ; S II 160, 5/18 a und b : S. 137 alle ; aus Rahn, Kunstdenkmäler [ 13/17 ], erstellt 1897 von Albert Hausammann ; bearbeitet 2022 von Ruedi Elser ).

S II 160, 5/3 : S. 141. Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv : S. 229 links.

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

262 Denkmalpflege im Thurgau

Bisher erschienen :

Denkmalpflege im Thurgau 1

Denkmalpflege im Thurgau 2

Denkmalpflege im Thurgau 3

Denkmalpflege im Thurgau 4

Kloster Fischingen

Scheunen

Kartause Ittingen

Ein Blick ins Paradies.

Die Restaurierung

ungenutzt – umgenutzt

von einst zu jetzt

Bau- und Restaurierungsgeschichte

der barocken Prälatur

2001

2002

der Klosterkirche St. Michael in Paradies

2000

2003

Denkmalpflege im Thurgau 5

Denkmalpflege im Thurgau 6

Denkmalpflege im Thurgau 7

Denkmalpflege im Thurgau 8

Albert Knoepfli –

Sie bauten den Thurgau:

Bauerngärten im Thurgau

Glanzstücke. Gold- und

erster Denkmalpfleger

Die Architekten Brenner

2005

Silberschmiedekunst

des Kantons Thurgau

2004

aus Thurgauer Werkstätten

2003

2006

Denkmalpflege im Thurgau 9

Denkmalpflege im Thurgau 10

Denkmalpflege im Thurgau 11

Denkmalpflege im Thurgau 12

Die Alte Thurbrücke von Bischofszell

Neues Licht auf Fischingen

wie bist du so schön

Max Burkhardt

und ihre Instandsetzung 1999–2006

Die Restaurierung

50 Jahre Thurgauer Siedlung

Vom Dekorationsmaler zum Fotograf

2007

der Klosterkirche 2000–2008

und Landschaft im Wandel

2010

2008

2010 https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

263 Denkmalpflege im Thurgau

Denkmalpflege im Thurgau 13

Denkmalpflege im Thurgau 14

Denkmalpflege im Thurgau 15

Denkmalpflege im Thurgau 16

Höher bauen im Thurgau

Ein Fall für…

Farbkultur im Thurgau

Bollwerk des Glaubens. Leuchtturm

Ein Blick zurück für die Zukunft

Die Denkmal Stiftung Thurgau

pflegen und gestalten

unsterblicher Hoffnungen. Centrum der

2011

2012

2013

Liebe – Die neubarocke Stadtkirche St. Nikolaus in Frauenfeld (1904–1906) 2014

Denkmalpflege im Thurgau 17

Denkmalpflege im Thurgau 18

Denkmalpflege im Thurgau 19

Denkmalpflege im Thurgau 20

modern bauen

Baudenkmäler im « Dichtestress » ?

Bungalow

Innere Werte

Thurgauer Nachkriegs-

Grundlagen und kreative Lösungswege

Thurgauer Experimente im Systembau

Historische Ausstattungen im Denkmal

moderne 1940 –1980

2016

2017

2018

2015

Denkmalpflege im Thurgau 21

Denkmalpflege im Thurgau 22

Kirchenbau 1869–2019

Oase im Alltag

1   50 Jahre Landeskirchen

Gärten und Freiräume im Thurgau

im Kanton Thurgau

2021

2019 https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Das Signetdes desSchwabe 1488 gegründeten Das Signet Verlags ist die Druckermarke der 1488 in Druckund Verlagshauses Schwabe Basel gegründeten Offizin Petri, der reicht zurück in die Anfänge des Ursprungs des heutigen Verlags-aus Buchdruckerkunst und stammt hauses. Das Signet auf dem Umkreis vonverweist Hans Holbein. die Anfänge des Buchdrucksder undPetri; Es ist die Druckermarke stammt aus dem von sie illustriert dieUmkreis Bibelstelle Hans Holbein. illustriert die Wort Jeremia 23,29:Es «Ist nicht mein Bibelstelle : wie Feuer,Jeremia spricht23,29   der Herr, «  Ist mein Wort nicht wie Feuer, und wie ein Hammer, der Felsen spricht der Herr, und wie ein zerschmettert?» Hammer, der Felsen zerschmeiss t ?  »

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .

Denkmalpflege im Thurgau 23

Herausgegeben vom Amt für Denkmalpflege des Kantons Thurgau Die Autorinnen und Autoren dieses Bandes

Ernst Baumann, Dipl. Bauingenieur HTL, Bauphysik, Bazenheid Lucia Angela Cavegn, Kulturbeauftragte der Stadtgemeinde Diessenhofen Annina De Carli-Lanfranconi, Netzwerk Bau & Forschung Michael Egli, SIK-ISEA, Zürich Ruedi Elser, ehem. Kantonaler Denkmalpfleger im Amt für Denkmalpflege Thurgau Peter Erni, Kunstdenkmälerautor im Amt für Denkmalpflege Thurgau Francine Giese, PD Dr. phil., Direktorin Vitrocentre Romont Sandra Gimmel, Kunsthistorikerin, St. Gallen Nora Guggenbühler, Kunsthistorikerin, Zuzwil Daniel Häberli, Leiter Fachstelle Kulturgüterschutz im Amt für Denkmalpflege Thurgau Bettina Hedinger, Dr. phil., ehem. Denkmalpflegerin im Amt für Denkmalpflege Thurgau Laura Hindelang, Dr. phil., Kunsthistorikerin, Bern Stefanie Hoch, Kuratorin Kunstmuseum Thurgau Denise Hug, ehem. Denkmalpflegerin im Amt für Denkmalpflege Thurgau Katrin Kaufmann, Dr. phil., Kunsthistorikerin, Bern Sarah Keller, Dr. phil., Vitrocentre Romont Stephan Kraus, ehem. Leiter Denkmalpfleger im Amt für Denkmalpflege Thurgau Markus Landert, Direktor Kunstmuseum Thurgau Felicitas Meile, ehem. Inventarisatorin im Amt für Denkmalpflege Thurgau Giovanni Menghini, Kantonaler Denkmalpfleger des Kantons Thurgau, Amtsleiter Michael Mente, Dr. phil., Wiss. Mitarbeiter im Amt für Denkmalpflege Thurgau Dorothee Messmer, Direktorin Kunstmuseum Olten Reto Nussbaumer, Kantonaler Denkmalpfleger des Kantons Aargau Christina Snopko, Dr. phil., Vitrocentre Romont Silvia Volkart, Dr. phil., Redaktorin « Denkmalpflege im Thurgau » Ulrich Wismer, Freunde der Kunst von Gian Casty, Zug Sophie Wolf, Dr. phil., Vitrocentre Romont Monika Zutter, Denkmalpflegerin im Amt für Denkmalpflege Thurgau

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Denkmalpflege im Thurgau 23

Der Band 23 der Reihe «Denkmalpflege im Thurgau» widmet sich der Glasmalerei. Aus der Fülle der Bildwerke von der Hochgotik bis in den Jugendstil, die im ersten Teil thematisiert werden, kommen Meisterwerke wie das um 1320 entstandene Chorfenster in Frauenfeld-Oberkirch, der 1890 auseinandergerissene Renaissancezyklus des Klosters Tänikon und die einzigartigen neo-maurischen Fenster im Schloss Castell zur Sprache. Ein Feuerwerk der Farben und Formen entfaltet sich auch im zweiten Teil der Publikation. Vorgestellt werden Glasgemälde von elf schweizerischen Kunstschaffenden aus dem 20. Jahrhundert. Die Spannweite des Bilderreigens reicht von Augusto Giacomettis Verschmelzung von Figürlichem und Abstraktem über figürlich-ornamentale Gemälde August Wanners bis zu den symbolhaltigen Kompositionen Ferdinand Gehrs, Köbi Lämmlers, Walter Burgers und anderer, die mit ihrer Farbigkeit und Formensprache die Atmosphäre der sakralen Räume individuell prägen. Perlen der Glasmalerei in profanen Bauten sind Carl Roeschs zauberhafte Märchen-, Blumen- und Vogelbilder wie auch Gian Castys phantastische Robinson-Fenster. Die von Fachleuten verfassten Beiträge zu diesen Highlights der modernen Glasmalerei sind begleitet von Fotografien Christoph Gysins, die das Licht- und Farbenspiel der Kunstwerke eindrücklich reflektieren. Der dritte Teil des Bandes enthält Berichte über Restaurierungen, Einblicke in den denkmalpflegerischen Alltag und eine amüsante Geschichte über das Wirken der Baumeister Grubenmann in Weinfelden.

Restaurierungen : Amlikon-Bissegg, Griesenberg / Amriswil, Wasserschloss Hagenwil / Diessenhofen, St. Katharinental, Klosterkirche Westfassade / Egnach, Lengwil, « Späämüli » / Eschenz, Schloss Freudenfels, Glockentürmchen / Kradolf-Schönenberg, Neukirch an der Thur, Poststrasse 6 / Romanshorn, Schulhaus Spitz / Romanshorn, Verwaltungsgebäude des Wasser- und Elektrizitätswerks Aus dem wechselvollen denkmalpflegerischen Alltag : Amriswil, Notkirche Stefanshöfli / Kreuzlingen, ehemalige Fabrikantenvilla des Schuhherstellers Louis Raichle / Kulturgüterschutz Thurgau, ein Blick auf eine wenig ­bekannte Aufgabe der Denkmalpflege

https://doi.org/10.24894/978-3-7965-4625-9 .