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German Pages 344 [346] Year 2017
Liber amicorum für Michael Oppenhoff
LIBER AMICORUM FÜR MICHAEL OPPENHOFF herausgegeben von
Hanno Goltz Georg Maier-Reimer Gilbert Wurth 2017
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-06047-3 ©2017 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
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Vorwort Unser geschätzter langjähriger Senior Partner Michael Oppenhoff wurde am 10. November 1937 in Köln geboren. Nach Abschluss der schulischen Ausbildung, die wegen der Wirren der Kriegs- und Nachkriegszeit über mehrere Stationen verlief, gab es für Michael Oppenhoff, sicherlich beeinflusst durch die lange juristische Tradition seines Elternhauses, nur ein Berufsziel, den Beruf des Anwalts. Das juristische Studium absolvierte er an den Universitäten in Lausanne, München, Freiburg und Köln und trat nach erfolgreichem 1. Staatsexamen im Jahr 1961 die damals 42-monatige Referendarzeit im Bezirk des OLG Köln an, die er mit einem sehr erfolgreichen 2. Juristischen Staatsexamen im Jahr 1965 beendete. Eingedenk der vielen ausländischen, international tätigen Klienten der Kanzlei seines Vaters zog es Michael Oppenhoff unmittelbar danach, bereits mit seiner Frau Inge verheiratet, zu einem ergänzenden einjährigen Studium an die New York University. Seinen Aufenthalt in New York krönte er mit einem weiteren Jahr praktischer Arbeit bei den dortigen Kanzleien Langner Parry und insbesondere Sullivan & Cromwell, eine nachhaltige Erfahrung, die für seinen Berufsweg prägend sein sollte. Zurück in Köln trat er Mitte 1967 in das Büro seines Vaters ein und konnte aufgrund seiner in New York gemachten Erfahrungen sofort in das in Deutschland gerade beginnende Geschäft der Firmenübernahmen einsteigen, insbesondere als Berater von anglo-amerikanischen Großunternehmen, wobei die Begleitung des ITT-Konzerns, damals unter Leitung von Harold Geneen, der beispielhaft für die Diversifikation von Industriegruppen stand, hervorragte. In der Vorstandszeit von Harold Geneen vollzog die ITT-Gruppe insgesamt ca. 350 Akquisitionen, davon eine Vielzahl in Deutschland, bei denen Michael Oppenhoff diese Gruppe in praktisch allen Fällen beriet. Die umfassende Beratungstätigkeit von Michael Oppenhoff beschränkte sich aber nicht auf einen Klienten, weitere bedeutende Mandanten waren u. a. die englische Guest Keen & Nettlefolds, die schwedische Skane Gripen sowie die schweizerische Zurich-Gruppe. Beim Aufkommen des M&A-Geschäfts brachten die U.S.-Anwälte ihre umfangreichen Vertragsentwürfe nach Deutschland mit; die Entwürfe übernahmen viele Anwälte ohne große Änderungen, obwohl die Verträge manchmal auf Ver langen der deutschen Verkäufer dem deutschen Recht unterstellt wurden. Diesen Zustand fand Michael Oppenhoff zu Recht unhaltbar und unternahm es, einen Muster-Unternehmensübernahmevertrag zu entwerfen, der mit dem deutschen Recht harmonierte, aber gleichzeitig für anglo-amerikanische Klienten verständlich blieb und ihren Erwartungen genügte. Dieser Entwurf diente als Vorlage und Modell für zahlreiche Muster, die andere deutsche Kanzleien in der Folgezeit verwendeten. V
Vorwort
Als Deutschland im Jahre 1973 die kartellrechtliche Fusionskontrolle ein führte, war Michael Oppenhoff als engagierter Anwalt seiner Mandanten einer der Ersten, die sich damit befassten, den Gehalt der neuen Bestim mungen auszuloten. Dadurch trug er wesentlich zur Entwicklung und Konkretisierung dieses neuen Rechtsgebiets bei, wie sie sich – nicht immer zu seiner Freude – in dem Fall GKN/Sachs und, namentlich für die inter nationale Reichweite der deutschen Fusionskontrolle, in dem Fall Philip Morris/Rothmans Tobacco manifestierten. Diese Fälle, an denen er als Ver treter eines am Zusammenschluss beteiligten oder eines beigeladenen Un ternehmens beteiligt war, schrieben Rechtsgeschichte. Durch das 1976 eingeführte Mitbestimmungsgesetz erhöhte sich bei den davon betroffenen Gesellschaften die Notwendigkeit, im Aufsichtsrat ad hoc auf aktien- und mitbestimmungsrechtlichen Sachverstand zugreifen zu können. Michael Oppenhoff brachte nicht nur diesen Sachverstand mit, sondern war auch in der Lage, die wirtschaftlichen Belange der Mandan ten als Vorsitzender oder Mitglied von Aufsichtsräten (z. B. R. J. Reynolds Tobacco, Ford Deutschland, Zanders, Federal Mogul u. a.) zum Wohle der Unternehmen in die Entscheidungsprozesse einzubinden; als der Gesetzge ber die Zahl der Aufsichtsratsmandate beschränkte, war Michael Oppenhoff wegen der Doppelzählung von Vorsitzmandaten davon betroffen und musste mehrere Mandate niederlegen. Seine Persönlichkeit und seine Fähigkeiten prädestinierten Michael Oppenhoff dazu, sich schon früh aktiv an der Führung der Sozietät zu be teiligen, um im Jahre 1985 zum Senior Partner (damals noch nicht mit der heute gebräuchlichen Bezeichnung) gewählt zu werden. In dieser Rolle baute er nicht nur seine Sozietät zur zeitweilig größten Kanzlei Deutsch lands aus, sondern leitete gestaltend auch wesentliche nationale und inter nationale Entwicklungen des Anwaltsmarktes ein: Eröffnung des ersten Büros einer deutschen Kanzlei in New York Anfang 1988; wenig später ka men Büros in Brüssel und London hinzu. Einen Dammbruch verursachte Michael Oppenhoff mit Gründung der ersten überörtlichen Sozietät in Deutschland am 1. Juli 1989 – die daraufhin eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungen gegen einige der Partner brachen in sich zusammen, nach dem der BGH, bestens informiert gehalten, die überörtliche Sozietät wenig später für zulässig erklärte, wenn sie, wie die Sozietät Oppenhoff, bestimm te Voraussetzungen erfüllte. An der daraufhin einsetzenden Mergerwelle nahm die Kölner Sozietät unter mehrfacher Namensänderung aktiv teil. Michael Oppenhoff trug nachhaltig dazu bei, dass sich die internationalen Kontakte der Kanzlei zu ausländischen Klienten und Sozietäten verfestig ten. Ein „Club“ führender Kanzleien aus Europa und Lateinamerika, der sich auf einen Erfahrungsaustausch und Empfehlungen beschränkte, reich te Michael Oppenhoff mit Blick auf die einsetzende Globalisierung bald
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Vorwort
nicht mehr; unter seiner Ägide beteiligte sich die Kanzlei als Gründungs mitglied an der „Alliance of European Lawyers“ (1990) zusammen mit füh renden Sozietäten aus Belgien, Frankreich, Holland, Spanien und später Schweden. Nach Unterzeichnung des Gründungsakts empfing der damali ge spanische König Juan Carlos die Vertreter der beteiligten Kanzleien und beglückwünschte sie zu ihrem Schritt in das neue Wagnis. Das Ziel, ge meinsam grenzüberschreitende Mandate zu akquirieren und zu bearbeiten, wurde nicht im erhofften Maß erreicht, da gleichzeitig von England und den U.S.A. aus einheitliche Kanzleien mit Niederlassungen in zahlreichen Ländern auftraten, die das Konzept der grenzüberschreitenden Zusam menarbeit werbetechnisch überzeugender präsentierten. Da ein vollstän diger Zusammenschluss der Kanzleien der Alliance wegen Vorbehalten aus verschiedenen Ländern bedauerlicherweise ausschied, nahm Michael Oppenhoff die sich durch Linklaters’ Vorschlag bietende Möglichkeit wahr, die Kanzlei stufenweise in eine der großen global tätigen Law Firms zu inte grieren, im ersten Schritt dadurch, dass Linklaters am 1. November 1998 eine Verbindung mit der Alliance of European Lawyers („Linklaters & Alliance“) einging, deren Co-Chair er wurde, und im zweiten Schritt durch die Gründung von Linklaters Oppenhoff & Rädler am 15. Januar 2001, wo er das Amt des Vice-Chairman übernahm. Das ungewöhnliche und unge rade Datum ergab sich daraus, dass noch auf eine Bestätigung der zustän digen Finanzbehörde gewartet werden musste. Gut sechs Jahre später, nachdem er schon aus allen Ämtern der Law Firm Linklaters Oppenhoff & Rädler und später nur Linklaters ausgeschieden war, stellte er sich wieder an die vorderste Front, als sich die Hälfte des Kölner Büros, das Linklaters wegen Eröffnung eines Büros in Düsseldorf schließen wollte, zusammenfand, um die wirtschaftsrechtliche Beratung und Vertretung wieder in der eige nen Kanzlei Oppenhoff & Partner zu betreiben, mit M ichael Oppenhoff als Senior Partner. Auch dank seines hohen Einsatzes konnte die neue Kanzlei eine Erfolgsgeschichte schreiben. Seine tiefe Menschlichkeit, Integrationskraft und Fähigkeit, Konsens zu bil den, verbunden mit Führungsstärke und strategischem Weitblick prädesti nierten Michael Oppenhoff wie keinen anderen, unsere Sozietät zu dem zu machen, was sie ist. Sein partnerschaftliches Denken erlaubte es ihm nie, anderen Anstrengungen aufzuerlegen, die er nicht teilte, im Gegenteil, er hatte bei anderen Verständnis für menschliche Schwächen, die er bei sich nie toleriert hätte. Erholung findet er bei seiner Familie; seine sich nie in den Vordergrund drängende Frau Inge stärkte ihn mit Rat und Tat und gab ihm die notwen dige Geborgenheit und Kraft in einem über weite Strecken von extremen beruflichen Verpflichtungen geprägten Leben. Zusammen erfreuen sie sich an bildender Kunst und der Musik, deren Verbreitung sich Michael Oppenhoff als Vorsitzender des Kuratoriums des Vereins der Freunde und VII
Vorwort
Förderer der Rheinischen Musikschule der Stadt Köln e. V. und als Vorstandsvorsitzender des Förderkreises des Museums für Ostasiatische Kunst Köln nachhaltig widmet. Hinzu kamen seit langem jährliche große Bildungsreisen in ferne Länder, aber auch ebenfalls jährliche große Familienreisen, die er und Inge zusammen mit ihren drei Kindern, Schwiegerkindern und den Enkeln unternehmen. Die Planung und Organisation dieser Familienreisen übernimmt er selbst. Mit seinem Interesse an allem Neuen und Unbekannten lässt er sich diese Aufgabe nicht nehmen. Mögen dem Jubilar und seiner Frau Inge noch viele gesunde und erlebnisreiche Jahre geschenkt sein. Köln, im November 2017
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Hanno Goltz Georg Maier-Reimer Gilbert Wurth
Inhalt Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Verzeichnis der Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Axel Bödefeld Tätigkeitsorts- oder Betriebsstättenprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Matthias Bruse Aktuelles zur Praxis beim Unternehmenskaufvertrag . . . . . . . . . . . . 13 Bernd Bürglen „Boden, Oppenhoff, Rasor, Schneider & Schiedermair“ – die erste überörtliche Sozietät in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Markus Hartung Großsozietäten und die Anwaltschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Hans-Jürgen Hellwig Der Missbrauch der Anwaltschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Rainer Klocke Wirken und Wirkungen für die Anwaltschaft durch Rechtsanwälte von Oppenhoff & Partner und ihren Vorgängerkanzleien . . . . . . . . . 79 Allan Leedy Michael Oppenhoff: A Recollection . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Georg Maier-Reimer Synthetische eigene und zugerechnete fremde Arglist beim Unternehmenskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Christoph Niemeyer Rechtliche Aspekte der Namensschuldverschreibung als Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Roel Nieuwdorp Alliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Stephan F. Oppenhoff Genehmigungen von Auslandsinvestitionen als Gegenstand von Bedingungen in Angeboten nach dem WpÜG am Beispiel der Volksrepublik China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Alexander Pirlet und Tilman Fischer Die Rheinische Musikschule Köln in Geschichte und Gegenwart . . . 243 IX
Inhalt
Hanns Prütting Die Sozietät zwischen Anwaltsnotar und Wirtschaftsprüfer . . . . . . . 259 Peter Raue Böhmermanns „Schmähkritik“ und die Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Jochem Reichert Die personalistische Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Dirk Schroeder Finanzkraft in der Fusionskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Walter Sigle Deutsche Rechtsanwälte auf dem Weg zur großen Wirtschaftskanzlei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 Adele Schlombs Ein Hase mit Bernsteinaugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327
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Verzeichnis der Autoren Bödefeld, Axel Dr., Rechtsanwalt, Diplom-Finanzwirt, Fachanwalt für Steuerrecht, Oppen hoff & Partner, Köln Bruse, Matthias Dr., LL.M. (Miami), Rechtsanwalt/Partner, P + P Pöllath + Partners, München Bürglen, Bernd Dr., Rechtsanwalt, Bonn Fischer, Tilman Dr., Cellist und Diplom-Kaufmann, Direktor der Rheinischen Musikschule, Köln Hartung, Markus Rechtsanwalt, Mediator, Direktor des Bucerius Center on the Legal Profession, Hamburg und Berlin Hellwig, Hans-Jürgen Dr., Rechtsanwalt, Hengeler Mueller, Frankfurt am Main, Honorarprofessor an der Universität Heidelberg Klocke, Rainer Dr., Rechtsanwalt, Dr. Klocke & Dr. Linkens, Köln Leedy, Allan Attorney-at-Law (retired), Portland, Oregon, U.S.A. Maier-Reimer, Georg Dr. Dr. h.c., LL.M. (Harvard), Rechtsanwalt, Oppenhoff & Partner, Köln Niemeyer, Christoph Dr., Rechtsanwalt, Oppenhoff & Partner, Köln Nieuwdorp, Roel Advocaat, LL.M. (Pennsylvania), AMBOS NBGO advocaten, Brüssel, Belgien
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Verzeichnis der Autoren
Oppenhoff, Stephan Rechtsanwalt, Attorney-at-Law (New York), M.C.J. (New York), Linklaters LLP, Frankfurt am Main Pirlet, Alexander Dipl.-Ing., Pirlet & Partner Ingenieurgesellschaft mbH, Köln, Vorsitzender des Vereins der Freunde und Förderer der Rheinischen Musikschule Köln e.V. und Schatzmeister der Stiftung Rheinische Musikschule der Stadt Köln Prütting, Hanns Dr. Dr. h.c., Universitätsprofessor, Institut für Internationales und Europäisches Insolvenzrecht, Direktor des Instituts für Verfahrensrecht, geschäftsführender Direktor des Instituts für Anwaltsrecht, Vorsitzender des Vorstandes der Vereinigung der Zivilprozessrechtslehrer, Universität zu Köln Raue, Peter Dr., Rechtsanwalt, Raue LLP, Berlin, Honorarprofessor an der Freien Universität Berlin Reichert, Jochem Dr., Rechtsanwalt/Partner, SZA Schilling, Zutt & Anschütz Rechtsanwalts AG, Mannheim, Honorarprofessor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena Schlombs, Adele Dr., Direktorin, Museum für Ostasiatische Kunst, Köln Schroeder, Dirk Dr., Rechtsanwalt, Cleary Gottlieb Steen & Hamilton LLP, Köln, Honorarprofessor an der Universität zu Köln Sigle, Walter Prof. Dr., Rechtsanwalt, Notar a.D., Walter Sigle Rechtsanwälte, Stuttgart
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Axel Bödefeld
Tätigkeitsorts- oder Betriebsstättenprinzip Inhaltsübersicht
I. Vorbemerkung
II. Die Ermäßigung der veranlagten Einkommensteuer nach § 21 des Gesetzes zur Förderung der Berliner Wirtschaft III. New York, London und weitere Auslandsbüros
1. Die Auswirkung der beiden Theorien 2. Der Meinungsstreit
IV. Gegenentwicklung seit 2000
V. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25.11.2015
VI. Ausblick
I. Vorbemerkung Als ich im Jahr 1987 Rechtsanwalt in der Sozietät Boden Oppenhoff & Schneider wurde, war diese mit 26 Partnern Deutschlands größte Sozietät. Wie alle anderen Sozietäten in Deutschland hatte sie lediglich einen Standort, nämlich das Büro in Köln. Dies muss man sich vor Augen führen, um das gewaltige Ausmaß der Veränderungen auf dem deutschen Anwaltsmarkt in den letzten 30 Jahren zu erfassen. Boden Oppenhoff & Schneider und alle Rechtsnachfolger bis hin zur heutigen Sozietät Oppenhoff & Partner haben alle zwischenzeitlichen Veränderungen des Anwaltsmarktes nicht nur miterlebt und begleitet. Vielmehr hat Michael Oppenhoff die Sozietät in ihrer jeweiligen Erscheinungsform in diesem Zeitraum geführt und viele der Veränderungen initiiert und/oder maßgeblich beeinflusst. Der Wunsch, die vielen bedeutenden nationalen und internationalen Mandanten der Sozietät Boden Oppenhoff & Schneider optimal zu betreuen, führte zunächst zur Gründung von Auslandsbüros in New York, Brüssel, London, Warschau und Prag. Parallel dazu erfolgten die nationalen Fusionen im Jahr 1989 mit Rasor & Schiedermair in Frankfurt, nach dem Mauerfall im Jahr 1990 mit Raue Braeuer Kuhla in Berlin zu Boden Oppenhoff Rasor Raue und schließlich im Jahr 19951 mit Rädler Raupach Bezzenberger, die eine ähnliche Entwicklung genommen hatten und deshalb über
1 Nachdem § 59a BRAO durch Art. 1 Nr. 24 des Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Patentanwälte (RPNeuOG) v. 2.9.1994 mit Wirkung ab dem 9.9.1994 eingefügt wurde, der erstmals die berufliche Zusammenarbeit von Rechtsanwälten gesetzlich regelte.
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Axel Bödefeld
Standorte u. a. in München, Berlin und Frankfurt verfügten. Diese Fusion begründete die Sozietät Oppenhoff & Rädler. Als dritte Ebene kam die Internationalisierung der Sozietät hinzu. Hier war der erste Schritt – nach mehr oder weniger losen Referral-Netzwerken wie dem „Club de Abogados“ als Vorläufer – die sehr viel engere Verbindung zur Alliance of European Lawyers mit Spitzenkanzleien in Belgien, den Niederlanden, Frankreich und Spanien. Hier bot sich sogar der Einsatz der heute fast in Vergessenheit geratenen Rechtsform der Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) an, mit deren Hilfe die Alliance koordiniert wurde. Es ist bekannt, dass die spätere Aufnahme nicht nur des schwedischen Partners Lagerlöf & Leman, sondern vor allem der britischen Kanzlei Linklaters & Paines in die Alliance of European Lawyers schließlich zu der Fusion der englischen, deutschen, belgischen und schwedischen Mitglieder führte, durch die die verbleibenden Partner solche einer Sozietät englischen Rechts wurden. Alle diese Schritte warfen steuerliche Fragen auf, über die man sich in der deutschen Anwaltschaft vorher keine Gedanken gemacht hatte. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung fehlte. Der Bundesfinanzhof hat erstmals im Jahr 2015 zu damit verbundenen Fragen Stellung genommen.2 Diese Entscheidung ist der Auslöser für diesen Beitrag, der die zahlreichen Facetten der maßgeblichen Fragestellungen aufzeigen soll. Im Kern der Frage geht es darum, ob für die Besteuerung der rechtsberatenden Berufe darauf abgestellt werden muss, wo die Tätigkeit durch den einzelnen Partner ausgeübt wird, oder ob es auf den Ort einer Betriebsstätte bzw. festen Einrichtung der Gesellschaft ankommt.
II. Die Ermäßigung der veranlagten Einkommensteuer nach § 21 des Gesetzes zur Förderung der Berliner Wirtschaft3 § 21 Berlin FG 1990 gewährte zur Einkommensteuer veranlagten Personen mit ausschließlichem oder überwiegendem Wohnsitz in Berlin eine Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer von zunächst 30 Prozent, soweit sie auf Einkünfte aus Berlin-West entfiel. Die Ermäßigung reduzierte sich dann über die Jahre auf zuletzt 6 Prozent für den Veranlagungszeitraum 1994. Im Rahmen der zum 1.1.1991 wirksam werdenden Fusion der westdeutschen Sozietät Boden Oppenhoff Rasor Schneider & Schiedermair mit der 2 BFH v. 25.11.2015 – I R 50/14, BFHE 253, 52. 3 Gesetz zur Förderung der Berliner Wirtschaft „Berlinförderungsgesetz 1990“ v. 2.2.1990, BGBl. I 1990, 173.
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Tätigkeitsorts- oder Betriebsstättenprinzip
Berliner Sozietät Raue Braeuer Kuhla war es somit für Partner mit Wohnsitz in Berlin von entscheidender Bedeutung, ob es sich bei den Einkünften aus der fusionierten Sozietät um solche aus Berlin (West) im Sinne des § 23 Berlin FG 1990 handelte. § 23 Nr. 3 Berlin FG 1990 qualifizierte Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Einkünfte aus Berlin (West), soweit sie aus einer in Berlin (West) ausgeübten Tätigkeit erzielt worden waren. Hier stellte sich zum ersten Mal die Frage, ob die Beteiligung an einer Sozietät dazu führt, dass jedem Partner anteilig die in allen Standorten erwirtschafteten Einkünfte zuzurechnen sind oder ob letztlich der Gewinnanteil als Entgelt für die ausgeübte Tätigkeit des Partners dort erwirtschaftet wurde, wo der jeweilige Partner tätig geworden ist. Das Gesetz behandelte die Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Berliner Einkünfte, soweit sie in Berlin ausgeübt worden war. Der Wortlaut des Gesetzes deutete somit stark in die Richtung der persönlich ausgeübten, nicht der zugerechneten Tätigkeit. Hilfreich war ferner ein Blick in die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs. Mit Urteil vom 1.10.19244 hat der Reichsfinanzhof eine Rechtsbeschwerde zurückgewiesen, mit der ein Steuerpflichtiger eine damals bestehende Begünstigung für ausländische Einkünfte geltend machte. Im Rahmen einer Rechtsanwaltssozietät hatten zwei Partner umfassend in Amerika einen Mandanten beraten. Der beschwerdeführende Steuerpflichtige hatte von Deutschland aus daran mitgewirkt. Das vom amerikanischen Mandanten gezahlte Honorar führte für ihn aber nicht zu der erhofften Begünstigung. Der Reichsfinanzhof kam vielmehr zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer zwar mit den beiden anderen Rechtsanwälten eine Anwaltspraxis auf gemeinschaftliche Rechnung ausgeübt und sowohl bei der Beratung des Klienten und als auch beim Vertragsabschluss mitgewirkt habe. Damit habe er aber nur vom Inland aus eine Tätigkeit ausgeübt und somit nicht eine Erwerbstätigkeit im Ausland entfaltet. Die konkrete Frage nach der richtigen Auslegung des Berlin FG 1990 ist nicht streitig geworden. Die Finanzverwaltung hat im Rahmen einer verbindlichen Auskunft auf den Ort abgestellt, an dem die Tätigkeit ausgeübt wurde. Somit kamen die Partner mit Berliner Wohnsitz in den Genuss der Tarifermäßigung auf ihre gesamten Einkünfte aus der Sozietät.
4 RFH v. 1.10.1924 – VI e A 126/24, Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs, Band 13, 193 f.
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Axel Bödefeld
III. New York, London und weitere Auslandsbüros 1. Die Auswirkung der beiden Theorien Erheblich größere Bedeutung bekam die Frage, ob auf den Ort der Tätigkeit eines Partners oder auf den Ort der festen Einrichtungen der Sozietät abzustellen ist, mit der Eröffnung von Auslandsbüros. Verfahrensrechtlich führte die Anwendung des Betriebsstättenprinzips zu der Notwendigkeit, alle im Ausland tätigen Partner in die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte gemäß §§ 179, 180 AO einzubeziehen sowie für alle Mitunternehmer der Sozietät in allen Ländern Steuererklärungen abzugeben, in denen die Sozietät über ein Büro verfügte. Materiell-rechtlich sind auf der Grundlage des Betriebsstättenprinzips die jeweiligen Einkünfte der Betriebsstätten zu ermitteln. Erforderlich ist dafür eine Gewinnabgrenzung durch Zuordnung sowohl der Einnahmen wie auch der Ausgaben jedes Standortes. Auf den ersten Blick mag dabei die Einnahmeseite wenige Probleme verursachen. Insbesondere bei der Abrechnung nach Zeitaufwand kann der vom jeweiligen Standort aus erbrachte Zeitaufwand leicht zugeordnet werden. Probleme ergeben sich aber sehr schnell bei Pauschalhonoraren oder etwa bei Abrechnungen auf der Grundlage des Gegenstandswertes, bei Beurkundungen im Inland, denen erheblicher Beratungsaufwand im Ausland vorangegangen ist und nicht mehr gesondert abgerechnet werden kann, und bei ähnliche Konstellationen.5 Wesentlich komplizierter ist die Ausgabenseite.6 Natürlich lassen sich hier viele Kosten direkt zuordnen, insbesondere die Büromiete und die Kosten des jeweiligen Personals sind einfache Beispiele. Für die Aufteilung all gemeiner Verwaltungskosten gibt es sinnvolle und erprobte Aufteilungsschlüssel. Problematisch dürften vor allem die Marketingaufwendungen sein, die ja in den seltensten Fällen einem ganz konkreten Mandat zuzuordnen sind. Wenn schließlich alle diese Fragen geklärt sind und der Betriebsstättengewinn feststeht, ergeben sich für die Beteiligten weitere Auswirkungen, die positive oder negative Wirkungen haben können. So wenden nach wie vor die meisten deutschen Doppelbesteuerungsabkommen die Freistellungsmethode an, die dazu führt, dass der Verlust eines Auslandsbüros von der inländischen Besteuerung freigestellt wird und mit den inländischen Gewinnanteilen nicht verrechnet werden kann. Die inländischen Partner haben folglich mehr zu versteuern als sie entnehmen könnten. Es bleibt nur 5 Bödefeld in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA-Kommentar, Art. 14 OECD-MA Rz. 114. 6 Vgl. nur die Ausführungen von Kempermann in FS Wassermeyer, 2005, S. 343 ff.
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Tätigkeitsorts- oder Betriebsstättenprinzip
die Hoffnung auf den Umkehreffekt, wenn nämlich im Ausland der so entstandene Verlustvortrag mit späteren Gewinnen verrechnet wird und daher der entnahmefähige Gewinnanteil höher ist als der im Inland zu versteuernde Gewinn. Andererseits kann die Freistellungsmethode auch zu einer vorteilhaften Reduzierung des Steuersatzes führen, wenn nämlich die im Ausland erzielten Gewinne einem niedrigeren Steuersatz unterliegen als dies in Deutschland der Fall wäre. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass insbesondere große Sozietäten davon profitieren, dass sich das Ergebnis einer jeden einzelnen Betriebsstätte auf sehr viele Partner verteilt und damit der einzelne Partner in dem jeweiligen Land nur einen geringen Gewinnanteil zu versteuern hat. Da es im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht im Ausland keinen Progressionsvorbehalt gibt, findet ein niedriger Steuersatz Anwendung, obwohl über alle Länder hinweg ein hohes Einkommen erzielt wird. Dies gilt auch für deutsche Partner, da der Progressionsvorbehalt nur dazu führt, dass die ausländischen Einkünfte bei der Bestimmung des maßgeblichen Steuersatzes für die deutschen Einkünfte zu berücksichtigen sind. An der ausländischen Besteuerung ändert sich dadurch jedoch nichts. Stellt man dagegen auf den Tätigkeitsort ab, dann spielt es keine Rolle, welches Ergebnis der jeweilige inländische oder ausländische Standort erwirtschaftet. Für jeden Partner ist dann nur maßgeblich, wo er selbst seine Tätigkeit ausgeübt hat. In vielen Fällen wird damit eine Aufteilung des Besteuerungsrechts überflüssig, da auch in internationalen Sozietäten viele Partner lediglich in einem Land tätig werden. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es keine Rolle spielt, ob z. B. ein deutscher Partner einmal eine Auslandsreise in ein Land unternimmt, in dem die Sozietät auch ein Büro unterhält. Ein ausländisches Besteuerungsrecht würde er damit nur begründen, wenn er dabei seine Tätigkeit in dem ausländischen Büro („unter Verwendung der festen Einrichtung“) ausübt. Diese Aufteilung wiederum wäre einfach vorzunehmen, da man schlicht den Gewinnanteil in dem Verhältnis auf die Länder verteilen muss, das dem Verhältnis der Tätigkeitstage entspricht. 2. Der Meinungsstreit Anfang der 90er Jahre bot sich das Tätigkeitsortsprinzip an. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG7 unterlagen Einkünfte aus selbständiger Arbeit der beschränkten Steuerpflicht, wenn diese Arbeit im Inland ausgeübt oder ver-
7 In der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Einkommensteuergesetzes (EStGBek90) v. 7.9.1990, BGBl. I 1990, 1898.
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Axel Bödefeld
wertet wird oder worden ist. Der seit dem 20.12.2003 geltende Zusatz8 „oder für die im Inland eine feste Einrichtung oder eine Betriebsstätte unterhalten wird“ existierte nicht.9 Ähnlich formuliert Art. 14 Abs. 1 des OECD-Musterabkommen 1992: „Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus einem freien Beruf oder aus sonstiger freier selbständiger Tätigkeit bezieht, können nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass der Person im anderen Vertragsstaat für die Ausübung ihrer Tätigkeit10 gewöhnlich eine feste Einrichtung zur Verfügung steht.“11 Die Auslegung beider Normen war zum damaligen Zeitpunkt verständlicherweise geprägt von der wirtschaftlichen Realität des Einzelanwaltes aber auch vom Berufsrecht, das den persönlichen Charakter der Leistung eines Rechtsanwalts als maßgeblich angesehen hat. Das Entstehen von größer werdenden Sozietäten hat daran nichts geändert.12 Ganz wichtig ist dabei der abweichende Wortlaut des Art. 14 OECD-Musterabkommen im Vergleich zu Art. 7 OECD-Musterabkommen, der die Zuweisung des Besteuerungsrechts für Unternehmensgewinne regelt.13 Art. 7 OECD-Musterabkommen weist dem Belegenheitsstaat der Betriebsstätte bereits dann ein Besteuerungsrecht zu, wenn ein Unternehmen seine Geschäftstätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt. Hier steht eindeutig die versachlichte Einrichtung des Unternehmens im Vordergrund, eine persönlich ausgeübte Tätigkeit hat damit nichts zu tun.14 Auch wenn die Definition der festen Einrichtung im Sinne des Art. 14 OECD-Musterabkommen keine andere Bedeutung hatte
8 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 30 Buchst. a) des Zweiten Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003) v. 15.12.2003, BGBl. I 2003, 2645. 9 Nach Kempermann in FS Wassermeyer, 2005, S. 343 zeigt die Einführung dieses Zusatzes wohl, dass der Gesetzgeber ab diesem Zeitpunkt dem Betriebsstättenprinzip folgt. 10 Hervorhebung durch den Verfasser. 11 Art. 14 Abs. 1 OECD-Musterabkommen, gestrichen seit dem 29.4.2000. 12 Zu den Problemen, die sich bei immer größer werdenden Sozietäten unter Anwendung des Betriebsstättenprinzips ergeben: Seer, Die Besteuerung der Anwaltskanzlei unter Berücksichtigung des Sozialversicherungsrechts, 2001, 1. Ka pitel Rz. 106. 13 Darüber hinaus vergleichend im englischen Originaltext: Hemmelrath in Vogel/ Lehner, 6. Aufl. 2015, Art. 14 Rz. 30. 14 Dass im Rahmen des Art. 7 OECD-Musterabkommen auf die Betriebsstätte als Zuordnungsobjekt abzustellen ist, wurde auch durch eine Anpassung des Wortlauts von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-Musterabkommen 2010 deutlich, vgl. dazu Kaeser in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 395 f.
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Tätigkeitsorts- oder Betriebsstättenprinzip
als die der Betriebsstätte im Sinne Art. 7 OECD-Musterabkommen15, setzte Art. 14 OECD-Musterabkommen aber trotzdem zusätzlich die ausgeübte Tätigkeit voraus. Demgegenüber haben die Befürworter des Betriebsstättenprinzips darauf abgestellt, dass die Mandate nicht dem einzelnen Anwalt erteilt werden, sondern der Sozietät in ihrer Gesamtheit.16 Abgestellt wurde auch darauf, dass sich aus jedem einzelnen Mandat Haftungskonsequenzen für alle Partner ergeben konnten, auch soweit sie nicht an der Bearbeitung des Mandates beteiligt waren. Letzteres ist heute zumindest in der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (mbB) kein tragfähiges Argument mehr.17 Die Partner einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Limited Liability Partnership (LLP) oder einer Partnerschaftsgesellschaft mbB sollten steuerrechtlich nicht unterschiedlich zu behandeln sein. Überzeugend wirkte aus damaliger Sicht auch, dass das Tätigkeitsortsprinzip den hybriden Charakter der Gesellschaft am ehesten widerspiegelte. Im Rahmen einer Gesamthandsgemeinschaft ist das Vermögen der Gesellschaft in seiner gesamthänderischen Bindung jedem einzelnen zuzurechnen. Die Tätigkeit muss aber jeder selbst ausüben. Steuerlich relevant ist dabei, dass die Partner im Verhältnis zueinander fremde Dritte sind und deshalb der vereinbarte Gewinnverteilungsschlüssel den Gewinnanteil ergibt, der als angemessene Vergütung für den Beitrag des Partners zu werten ist. Die Zurechnung von Gewinnbeiträgen zu Standorten ist wesentlich komplexer und wird aufgrund des fehlenden Interessenkonflikts der Partner weit weniger dem entsprechen, was fremde Dritte vereinbart hätten. Der Verfasser hat sich damals für das Tätigkeitsortsprinzip entschieden und auf dieser Grundlage sowohl in den USA, wie auch in Großbritannien und Deutschland verbindliche Auskünfte18 beantragt und erhalten.
15 Vgl. OECD-Musterabkommen-Kommentar zu Art. 14 Ziff. 3 und 4; so auch Krabbe, FR 1995, 692, 693; zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden siehe Hemmelrath in Haarmann Hemmelrath & Partner (Hrsg.), Gestaltung und Analyse in der Rechts-, Wirtschafts- und Steuerberatung von Unternehmen, 1998, S. 627. 16 Hemmelrath in Haarmann Hemmelrath & Partner (Hrsg.), Gestaltung und Analyse in der Rechts-, Wirtschafts- und Steuerberatung von Unternehmen, 1998, S. 629; Kempermann in FS Wassermeyer, 2005, S. 343, 340; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 14 OECD-MA Rz. 50 ff.; Tcherveniachki in Schönfeld/ Ditz, Doppelbesteuerungsabkommen, 2013, Art. 14 a. F. Rz. 65; weitere Nachweise siehe in BFH v. 25.11.2015 – I R 15/14, BFHE 253, 52 Rz. 30. 17 Bei dieser besteht nach § 8 Abs. 2 PartGG eine beschränkte Haftung für nicht oder nur mit untergeordneter Bedeutung an der Auftragsbearbeitung beteiligte Partner. 18 LTR 93-31-012, TN 1993, 969.
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IV. Gegenentwicklung seit 2000 Diese zuvor dargestellte Auffassung war von Anfang an umstritten. Obwohl sich, jedenfalls die deutsche Finanzverwaltung, in der Praxis extrem pragmatisch zeigte und sowohl die Anwendung des Tätigkeitsortsprinzips wie auch des Betriebsstättenprinzips in den Steuererklärungen der Sozietäten akzeptierte, wenn diese international konsistent vorgegangen sind,19 formierte sich massiver Widerstand, der schließlich zur Aufhebung des Art. 14 OECD-Musterabkommen im Jahr 2000 führte.20 Die Amerikaner haben ihren Kommentar zum US-Model Treaty wieder abgeändert und dann auch ein neues Private Letter Ruling im Jahr 2004 erlassen, welches auf das Betriebsstättenprinzip abstellte.21 In der Praxis ergibt sich daraus eine sehr schwierige Situation, da die Streichung des Art. 14 OECD-Musterabkommen keine Änderung der Rechtslage darstellt. Diese ändert sich erst mit der Revision der jeweiligen bilateralen Abkommen, was bisher nur in Einzelfällen geschehen ist. So ist insbesondere der Art. 14 des deutsch/amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommens 1989 durch Art. VII Ziff. 1 des Protokolls zur Änderung des DBA 1989 gestrichen worden.22 Hier sind erneut die Finanzverwaltungen aller Länder gefordert, da sich mit Sicherheit Doppelbesteuerungen und/oder weiße Einkünfte ergeben, wenn eine Sozietät in vielen Ländern Büros unterhält und die Abkommenslage uneinheitlich ist.23
19 Spätestens mit BMF-Schreiben v. 24.12.1999 (sog. Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze) – IV B 4-S 1300-111/99, BStBl. I 1999, 1076 Tz. 6.1 gab die Finanzverwaltung ihre Präferenz für das Betriebsstättenprinzip kund. 20 Endres in Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland/USA, 2009, Art. 14 Rz. 8 spricht insoweit von „längeren Debatten“ des OECD-Steuerausschusses, bevor die Aufhebung im Jahr 1998 entschieden wurde, was darauf schließen lassen dürfte, dass diese Diskussion innerhalb der OECD ähnlich lebhaft wie in der dazu ergangenen Literatur (Kramer, IWB 2003/8 Fach 10, Gruppe 2, 1687 spricht von einem „Glaubensstreit“) geführt wurde. 21 Internal Revenue Service (IRS), Revenue Ruling 2004-3, Internal Revenue Bulletin No. 2004-7, February 17, 2004, S. 486. 22 Protokoll zur Änderung des am 29.8.1989 unterzeichneten Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 1.6.2006, BGBl. II 2006, 1186 ff. 23 Dazu Richter in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. 2015, Rz. 7.62.
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V. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25.11.201524 Die Frage wurde zum Kern eines Rechtsstreits, den der Bundesfinanzhof im November 2015 zu entscheiden hatte. Die in Deutschland ansässigen und tätigen Partner einer amerikanischen Sozietät, die als US-LLP organisiert ist, hatten von ihrer Sozietät sogenannte Guaranteed Payments erhalten. Die Sozietät erklärte die Einkünfte der Partner grundsätzlich nach dem Betriebsstättenprinzip und hatte sich dies auch durch eine verbindliche Auskunft in Deutschland absichern lassen. Da in Deutschland nur sehr wenige Partner der Sozietät tätig waren, wurde in Deutschland ein gemessen am weltweiten Ergebnis der LLP relativ gesehen sehr geringer Gewinn erwirtschaftet. Dementsprechend hatte jeder Partner der Sozietät auch nur einen sehr geringen Teilbetrag seines Gewinnanteils in Deutschland zu versteuern. Damit korrespondierend hätte der größte Teil des Gewinnanteils in den USA versteuert werden müssen. Den in Deutschland ansässigen Partnern kam aber die US-Auffassung zugute, wonach die Guaranteed Payments nicht als durch die amerikanische Betriebsstätte erwirtschaftete Gewinne galten. Im Ergebnis wurde so nur ein kleiner Teil des Gewinnanteils tatsächlich versteuert. Es mag dahinstehen, ob hier der alte Erfahrungssatz „hard cases make bad law“ gilt. Der BFH hat jedenfalls unter Verweis auf den Art. 14 des deutsch/ amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommens 1989 das dort explizite Element der persönlichen Tätigkeit zum Anlass genommen, das Tätigkeitsortsprinzip anzuwenden. Auch wenn er den von der Vorinstanz anders entschiedenen Fall nicht durchentscheiden konnte, da Feststellungen zur Zahl der Arbeitstage in den jeweiligen festen Einrichtungen nicht getroffen waren, ist die Rechtsfrage zugunsten des Tätigkeitsortsprinzips entschieden. Der BFH hält unabhängig von der Frage, ob die Tätigkeit von einem Einzel anwalt oder im Rahmen einer Sozietät ausgeübt wird, eine individualistische Sichtweise für geboten und schließt eine wechselseitige Zurechnung der Tätigkeit eines jeden Partners aus. Es spricht in der Tat vieles dafür, dass die alte Fassung des DBA die Tätigkeit der jeweiligen Person im Sinne des Abkommens – das ist die natürliche Person – zurechnet. Nur die feste Einrichtung als sächliche Komponente wird der Mitunternehmerschaft insgesamt zugerechnet. Damit können aber ohne eigene Tätigkeit in der festen Einrichtung einem Partner keine Einkünfte für Zwecke der DBA-Auslegung zugerechnet werden.
24 BFH v. 25.11.2015 – I R 15/14, BFHE 253, 52.
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An dieser Stelle mag man philosophisch werden und sich die Frage stellen, ob eine Anwaltssozietät eher wie ein normales gewerbliches Unternehmen zu behandeln ist oder ob die Rolle als Organ der Rechtspflege und das anwaltliche Selbstverständnis trotz des Zusammenschlusses zu einer Sozietät eher die Bedeutung des einzelnen Partners in den Vordergrund stellt. Dies mag auch durchaus unterschiedlich sein. Je eher sich der Mandant überlegt, ob er die Sozietät X oder die Sozietät Y beauftragt statt sich zu fragen, ob er den Rechtsanwalt A oder den Rechtsanwalt B mandatiert, und je mehr die Sozietät dies fördert, umso eher bietet sich die Nähe und der Vergleich zum gewerblichen Unternehmen an. Dies mag auch durchaus von der Art der Mandate abhängen. Wo der Mandant Routineberatungsleistungen erwartet, mag es ihm gleichgültig sein, welcher Anwalt die Sache bearbeitet. Es dürfte ihm für die Entscheidung genügen, zu wissen, dass eine bestimmte Institution sich darum kümmert. Bei wirklich schwierigen Rechtsfragen oder wirtschaftlich besonders bedeutsamen Entscheidungen werden nach wie vor die meisten Mandanten sehr genau überlegen, welche individuellen Berater die Aufgabe am ehesten in seinem Sinne lösen können. Je nach Art der Aufgabe lassen sich also aus diesen grundsätzlichen Erwägungen Argumente sowohl für das Tätigkeitsortsprinzip als auch für das Betriebsstättenprinzip finden. Der Gesetzgeber und die Parteien der Doppelbesteuerungsabkommen haben sich in der Vergangenheit jedenfalls für die individualistische Betrachtungsweise entschieden. Dies hat der Bundesfinanzhof zu Recht festgestellt.
VI. Ausblick Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist zu der alten Fassung des deutsch/ amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommens 1989 ergangen. Nachdem dessen Art. 14 durch das Revisionsprotokoll von 2006 gestrichen wurde, ist jedenfalls im Verhältnis zu den USA diese Auslegung nicht mehr möglich. Da auch das OECD-Musterabkommen den Art. 14 seit dem Jahr 2000 nicht mehr vorsieht, ist mittelfristig davon auszugehen, dass sich die internationale Staatengemeinschaft auf die Anwendung des Betriebsstättenprinzips verständigt. Dies bedeutet für die internationalen Sozietäten in Zukunft weiteren Aufwand. Es müssen nicht nur für jeden Partner in jedem Land Steuererklärungen abgegeben und die Betriebsstättengewinne ermittelt werden, auch die Verrechnungspreisdokumentation ist zunehmend aufwendiger. Zumindest die größten internationalen Kanzleien überschreiten auch die Umsatzgrenze, deren Überschreitung künftig zum Country-by- Country Reporting verpflichtet. Spätestens dann, wenn auch diese Zahlen noch veröffentlicht werden, wird sich mancher das Tätigkeitsortsprinzip zurückwünschen.
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In der Zwischenzeit besteht eine Mischsituation. Kanzleien mit deutschem Büro geraten in die missliche Situation, dass Deutschland im Verhältnis zu Ländern mit neuem DBA (ohne eine dem Art. 14 OECD-MA entsprechende Regelung) zwingend das Betriebsstättenprinzip anwenden muss, während im Verhältnis zu Ländern mit einem DBA nach altem Muster jedenfalls der BFH das Tätigkeitsortsprinzip für richtig hält. Dem Verlauten nach stellt die deutsche Finanzverwaltung weiterhin in erster Linie darauf ab, dass sich die Steuerpflichtige für ein Modell entscheiden und sich konsistent verhalten. Einfacher wird es jedenfalls nicht.
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Aktuelles zur Praxis beim Unternehmenskaufvertrag Inhaltsübersicht
I. Einleitung
II. Locked Box vs. Closing Accounts 1. Locked-Box-Verträge 2. Closing Accounts 3. Abwägung von Vor- und Nachteilen 4. Earn Out III. Bilanzgarantien IV. Rechtsfolgenklauseln
1. Unmittelbarer/mittelbarer Schaden 2. Bilanzauffüllung 3. Haftungsbeschränkungen 4. Verjährung 5. Kenntnisklauseln
V. Warranty & Indemnity- Versicherungen VI. Schiedsverfahren vs. ordentliche Gerichtsbarkeit
I. Einleitung Der nachfolgende Beitrag möchte einzelne Wahrnehmungen zur aktuellen Unternehmenskaufvertragspraxis darstellen. Fokus sollen einige wenige, aber als wesentlich erscheinende Regelungsgehalte des Unternehmenskaufvertrages sein. Michael Oppenhoff war seit Beginn seiner herausragenden Anwaltskarriere ein Pionier in der Beratung von Transaktionen. Beeinflusst durch Studium und Anwaltstätigkeit in den USA war er schon sehr früh und dann über mehrere Jahrzehnte seiner Berufstätigkeit federführend an der Fortentwicklung des Vertragstypus Unternehmenskaufvertrag beteiligt. Diese Fortentwicklung ist heute insbesondere geprägt von dem Spannungsverhältnis der Vereinbarung deutschen Rechts mit einem weitgehend autonomen Regelungsregime des Unternehmenskaufvertrages einerseits und der Verwendung anglo-amerikanischer Vertragskonzepte andererseits, die insbesondere wegen der zunehmenden Internationalisierung der Transaktionen Eingang in die deutsche Vertragspraxis gefunden haben. Die wohl unvermeidliche und auch nachfolgende Verwendung englischer Begriffe für bestimmte Regelungsgehalte ist ein Beleg dafür.
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II. Locked Box vs. Closing Accounts In der aktuelleren deutschen Vertragspraxis haben sich bei Share Deals Locked-Box-Verträge im Verhältnis zu Closing Accounts als die überwiegende Vertragspraxis durchgesetzt.1 1. Locked-Box-Verträge Locked-Box-Verträge sind dadurch gekennzeichnet, dass die Parteien einen festen Kaufpreis vereinbaren. Bei den vertraglichen Bestimmungen nehmen sie Bezug auf eine möglichst zeitnah testierte Bilanz, deren Stichtag zugleich den wirtschaftlichen Übergang des Unternehmens auf den Käufer darstellt. Der Verkäufer garantiert insbesondere, dass ab dem Bilanzstichtag keine Abflüsse an den Verkäufer oder diesem Nahestehende erfolgt sind, d. h. insbesondere keine Dividendenzahlungen oder andere Leistungen, denen keine angemessene Gegenleistung gegenübersteht, erbracht worden sind (sog. „No-Leakage“-Klauseln).2 Ferner garantiert der Verkäufer den ordnungsgemäßen Geschäftsgang seit dem Bilanzstichtag (sog. „Ordinary Course of Business“-Klauseln).3 Üblicherweise wird der feste Kaufpreis ab dem Bilanzstichtag bis zum Vollzug (Closing) verzinst. Bei der Verhandlung der Zinshöhe können u. a. Gesichtspunkte wie Profitabilität der Zielgesellschaft, aber auch übliche Ver zinsungen für ein Reinvestment eines Cash-Kaufpreises eine Rolle spielen und damit zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen führen. 2. Closing Accounts Anders als bei dem Locked-Box-Konzept erfolgt bei dem Closing-Accounts- Konzept eine präzise wirtschaftliche Abgrenzung, insbesondere hinsichtlich der Net-Financial-Debt- und Working-Capital-Positionen der Zielgesellschaft auf der Grundlage der Closing Accounts. Die Parteien vereinbaren im Vertrag dementsprechend einen vorläufigen Kaufpreis, der auf übereinstimmenden Schätzzahlen von Verkäufer und Käufer beruht. Die finale Kaufpreisbestimmung erfolgt dann auf der Grundlage der (üblicherweise testierten) Closing Accounts. Den Vorteil des Closing-Accounts-Konzeptes „erkauft“ man sich für den Preis eines ggf. komplizierteren und auch streitträchtigeren Verfahrens. Immer wieder sind Closing-Accounts-Bestimmungen und -Festlegungen Gegenstand von (schiedsgerichtlichen) Streitigkeiten der Parteien. Hinter1 Hoger, AG 2016, R 136. 2 Weißhaupt, BB 2013, 2947, 2949; Meyding/Wallisch, CF 2016, 332, 333. 3 Meyding/Wallisch, CF 2016, 332, 333.
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grund dafür sind ggf. unpräzise Verfahrensbestimmungen, insbesondere aber Auslegungsprobleme bei der Subsumption von Sachverhalten unter Rechnungslegungsvorschriften nach HGB, IFRS, etc. oder konkrete Rechnungslegungsmanuale der Zielgesellschaft. Weitere Probleme bei Vereinbarung von Closing Accounts können dadurch entstehen, dass es unklar sein kann, ob Meinungsverschiedenheiten der Parteien über die Behandlung bestimmter bilanzieller Positionen, wie im Vertrag vereinbart, im Rahmen eines Schiedsgutachtens oder im Rahmen eines streitigen Verfahrens (i. d. R. Schiedsverfahren) geklärt werden müssen. 3. Abwägung von Vor- und Nachteilen Wegen der vorstehend beschriebenen möglichen Probleme bei variablen Kaufpreisvereinbarungen erscheint i. d. R. ein Locked-Box-Konzept vorzugswürdig. Dies setzt jedoch voraus, dass eine zeitnahe Bilanz vorliegt. Jedenfalls bei Transaktionen in einem zweiten Halbjahr wird man bei Unternehmen, bei denen das Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entspricht, wohl kaum ohne eine Zwischenbilanz als Bezugsbilanz auskommen können. Diese nimmt immer auf einen Zeitpunkt vor Vertragsabschluss Bezug und begründet damit die Chance und das Risiko der Parteien, dass positive und negative wirtschaftliche Entwicklungen nach dem Bilanzstichtag diese begünstigen bzw. benachteiligen können (jeweils spiegelbildlich). 4. Earn Out Immer wieder wird der sogenannte Earn Out4, also ein zusätzlicher künf tiger Kaufpreis in Abhängigkeit von vertraglich vereinbarten PerformanceKriterien oder sonstigen Bedingungen als „goldene Brücke“ bezeichnet, um einen Dissens zwischen Verkäufer und Käufer hinsichtlich des Kaufpreises zu überbrücken.5 Dieser Euphemismus ist bei der Mehrzahl der relevanten Verhandlungssituationen m. E. eher nicht berechtigt. Der Verkäufer sollte sich deshalb i. d. R. nur dann auf eine Earn-Out-Klausel einlassen, wenn andernfalls die Transaktion zu scheitern droht und die Earn-Out-Vergütung wirtschaftlich im Wesentlichen als eventuelle Chance, aber nicht als ein von vorneherein quasi gesichert einzupreisender Kaufpreisbestandteil betrachtet wird.
4 Zum Begriff s. Seibt in Drygala/Wächter, Kaufpreisanpassung und Earnout-Klauseln bei M&A-Transaktionen, Beiträge der 2. Leipziger Konferenz „Mergers & Acqusitions“, 2016, S. 221 ff. 5 Werner, DStR 2012, 1662, 1665.
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Einigt man sich dennoch auf einen Earn Out, sollten die Earn-Out-Kriterien so einfach und klar wie möglich bestimmt bzw. bestimmbar sein. Wesentliche Bestandteile für einen „fairen“ Earn Out, der die Interessen des Verkäufers nicht über Gebühr beeinträchtigt, ist u. a. die Möglichkeit des Verkäufers, die Abrechnungsgrundlagen kontrollieren zu können.6 Hierzu kann insbesondere eine fortdauernde Geschäftsführungsverantwortung des Verkäufers hilfreich sein. Außerdem sollte eine Klausel vorgesehen werden, wonach die Earn-Out-Zahlungen unabhängig vom Erreichen der vertraglichen Parameter zur Zahlung fällig werden, wenn diese z. B. aufgrund von Asset-Übertragungen, Verschmelzungen, Spaltungen, etc. nicht mehr nachvollziehbar sind.
III. Bilanzgarantien In der Vertragspraxis beim Unternehmenskauf sind Bilanzgarantien Standard. Eine Bilanzgarantie lautet etwa: „Der Jahresabschluss der Gesellschaft zum … ist mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns und übereinstimmend mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung des HGB, insbesondere unter Wahrung der Grundsätze der Bewertungsstetigkeit und der Bewertungskontinuität, aufgestellt worden. Der Jahresabschluss … vermittelt unter Beachtung dieser Grundsätze einen den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Finanz-, Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft zum … .“
Mit dieser Formulierung ist von den Parteien im Regelfall eine sog. „weiche“ (oder „subjektive“) Bilanzgarantie intendiert. Danach muss der Ist-Zustand des Unternehmens mit dem Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses unter Berücksichtigung der Erkenntnisse zu diesem Zeitpunkt zutreffend wiedergegeben sein.7 Davon zu unterscheiden ist die sog. „harte“ (oder „objektive“) Bilanzgarantie. Bei dieser garantiert der Verkäufer einen objektiven Status der Finanz-, Vermögens- und Ertragslage zum Bilanzstichtag, ungeachtet der Erkennbarkeit von Umständen zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung.8 Sie hat gemeinhin die wirtschaftliche Funktion einer Catch-All-Garantie, welche die ggf. mühevolle Verhandlung spezieller Garantietatbestände überflüssig machen kann.
6 Werner, DStR 2012, 1662, 1665. 7 Grewe/Lauscher, NBW 2016, 2434, 2435. 8 Bergjan/Schäfer, DB 2016, 2587, 2588 f.; Grewe/Lauscher, NBW 2016, 2434, 2435.
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Entgegen einer bislang wohl allgemein akzeptierten Differenzierung zwischen „weicher“ und „harter“ Bilanzgarantie hat das OLG Frankfurt a. M. in seinem Urteil vom 7.5.20159 eine nach bisheriger Lesart als „weiche“ Bilanzgarantie einzustufende Klausel als „harte“ Bilanzgarantie qualifiziert.10 Wo die Abgabe einer objektiven Bilanzgarantie nicht im Interesse des Verkäufers ist, sollte deshalb bei Interessenwahrnehmung für den Verkäufer beim künftigen Formulieren einer Bilanzklausel ggf. ausdrücklich darauf geachtet werden, dass sich die vereinbarte Klausel auf die subjektive und nicht auf die objektive Richtigkeit einer Aussage zur Bilanz bezieht.11
IV. Rechtsfolgenklauseln 1. Unmittelbarer/mittelbarer Schaden Ist eine Naturalrestitution bei Verletzung einer Garantie nicht möglich, wird grundsätzlich Schadensersatz geschuldet. Der Verkäufer versucht i. d. R. den Schadensersatz bei Garantieverletzung auf den unmittelbaren Schaden zu beschränken. Demgegenüber bezieht sich die Käuferposition darauf, alle Schadenspositionen nach §§ 249 ff. BGB zu erfassen, d. h. insbesondere auch mittelbare Schäden, einschließlich entgangenem Gewinn. Verhandlungskompromisse können differenzierte Rechtsfolgen in Abhängigkeit von dem jeweiligen Garantietatbestand vorsehen. Dabei kann der entgangene Gewinn zu berücksichtigen sein. Eine Schadensermittlung aufgrund von gemindertem Ertrag i. V. m. Bewertungs-Multiples (z. B. EBITDA- Multiple) wird typischerweise vertraglich ausgeschlossen. 2. Bilanzauffüllung Abzulehnen ist die Rechtsfolge der Bilanzauffüllung bei Verletzung der Bilanzgarantie.12 Nach der Bilanzauffüllungsmethode muss der Zustand hergestellt werden, der bestünde, wenn die tatsächlich erfolgte Bilanzierung richtig gewesen wäre.13 Diese Methode verkennt, dass der Schaden des Käufers bei einem Soll-/Ist-Vergleich von der finanziellen Bilanzkorrektur 9 OLG Frankfurt a. M. v. 7.5.2015 – 26 U 35/12, NZG 2016, 435. 10 Kritisch zu o. g. Urteil: Mehrbrey/Hofmeister, NZG 2016, 419; Göthel/Fornoff, DB 2017, 530, 532. 11 Bergjan/Schäfer, DB 2016, 2587, 2589; Formulierungsvorschläge zu finden bei Grewe/Lauscher, NBW 2016, 2434, 2438; Göthel/Fornoff, DB 2017, 530, 532 f. 12 Dies hat auch das OLG Frankfurt a. M. im Urteil ausdrücklich abgelehnt: OLG Frankfurt a.M v. 7.5.2015 – 26 U 35/12, NZG 2016, 435, 438 Rz. 72. 13 Zum Begriff s. Wächter in Drygala/Wächter, Kaufpreisanpassung und Earnout- Klauseln bei M&A-Transaktionen, Beiträge der 2. Leipziger Konferenz „Mergers & Acqusitions“, 2016, S. 1 ff., S. 10 ff.
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abweichen kann, z. B. falls sich im Rahmen der Rückstellungsbildung zu berücksichtigende Risiken nicht realisiert haben.14 3. Haftungsbeschränkungen Üblich sind Klauseln über die betragsmäßige Beschränkung der Haftung des Verkäufers bei Verletzung operativer Garantien. I. d. R. finden solche beschränkenden Klauseln keine Anwendung bei Rechtsmängeln der verkauften Anteile und bei Freistellungen, insbesondere Steuern. In der Verhandlungspraxis orientieren sich die maßgeblichen Beträge von Haftungsbeschränkungsklauseln an dem Transaktionsvolumen. Dabei wird nicht immer scharf unterschieden, ob der Kaufpreis (Equity Value) oder der Enterprise Value die maßgebliche Bezugsgröße ist. Vereinfacht orientiert man sich in vielen Fällen an folgenden Prozentsätzen: (a) De Minimis, d. h. der Wert eines einzelnen Anspruchs muss den De- Minimis-Betrag übersteigen, um geltend gemacht werden zu können: 0,1 %; (b) „Basket“, ausgestaltet als Freibetrag oder -grenze: 1 %; (c) Haftungsbegrenzung („Cap“) für operative Garantien insgesamt: 10–15 %; (d) Haftungsbegrenzung für Rechtsmängel der verkauften Anteile: Kaufpreis.15 Diese groben „Richtwerte“ entsprechen durchaus auch den Markttendenzen in anderen europäischen Ländern, aber nicht unbedingt der US-amerikanischen Praxis. 4. Verjährung Die Dauer der vertraglich vereinbarten Verjährung von Ansprüchen wegen der Verletzung operativer Garantien beträgt oft 15–18 Monaten, insbesondere in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Vorlage zumindest eines vollständigen Jahresabschlusses nach Vollzug des Vertrages. Erfolgt ein Vertragsvollzug zum Ende eines Jahres und entspricht das Wirtschaftsjahr der Zielgesellschaft dem Kalenderjahr, kann es ein berechtigtes Interesse geben, auf zwei Jahresabschlüsse Bezug nehmen zu können, weshalb sich die Verjährungsfrist ggf. geringfügig verlängert.
14 Göthel/Fornoff, DB 2017, 530, 533 m. w. N. 15 Zu den Begriffen de minimis, basket und cap siehe Bisle, DStR 2013, 364, 366.
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Bei der Haftung für Rechtsmängel dürften fünf Jahre in vielen Fällen einen vernünftigen Kompromiss zwischen Käufer- und Verkäuferposition darstellen. Sonderregime gelten im Zusammenhang mit Freistellungen. So wird bei Steuerfreistellungen zumeist auf die formelle und materielle Rechtskraft der maßgeblichen Steuerbescheide abgestellt. 5. Kenntnisklauseln Soweit auf Kenntnis oder beste Kenntnis bei Garantieerklärungen einerseits und bei dem Haftungsausschluss andererseits abgestellt wird, kann es naheliegen, hier die gleichen Maßstäbe verkäufer- und käuferseitig zugrunde zu legen. Danach muss insbesondere unterschieden werden, ob die (grob)fahrlässige Unkenntnis der positiven Kenntnis für Zwecke des Vertrages gleichgestellt wird. Wichtig ist, präzise zu definieren, wer die relevanten Kenntnisträger sind, z. B. Parteivertreter, Berater, Geschäftsführer der Zielgesellschaft.16 Üblich ist (wegen Kenntnis des Käufers) ein Ausschluss von Garantieansprüchen aufgrund von Sachverhalten, die im Datenraum offengelegt worden sind. Häufig wird hier qualifizierend ergänzt, dass die Offenlegung im Datenraum „angemessen“ und „fair“ sein muss.17 Dies bezieht sich insbesondere auf die Ordnung innerhalb des Datenraums und die Verständlichkeit bzw. Transparenz von maßgeblichen Dokumenten. Anders als bei Garantietatbeständen spielen Kenntnisse des Käufers bei Freistellungstatbeständen grundsätzlich keine Rolle.
V. Warranty & Indemnity-Versicherungen Warranty & Indemnity-Versicherungen sind, gerade bei Private Equity Investments, in letzter Zeit zunehmend beliebter geworden. Dies liegt u. a. auch daran, dass verschiedene Bieter ihre Angebote in den Markt bringen und die Versicherungsprämien durchaus kompetitiv sind. Überwiegend wird eine Käuferpolice verwendet18, d. h., der Käufer schließt die Versicherung als Versicherungsnehmer ab und hat damit einen potentiellen Entschädigungsanspruch gegen den Versicherer, sodass er nicht das 16 Bisle, DStR 2013, 364, 365. 17 Möller, NZG 2012, 841, 844. 18 Daghles/Haßler, GWR 2016, 455, 455; Hoenig/Klingen, NZG 2016, 1244, 1245 m. w. N.
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Risiko der Durchsetzbarkeit des Anspruchs gegen den Verkäufer trägt.19 Im Bieterverfahren hat ggf. bereits der Verkäufer vorab konkrete Angebote eingeholt, um die Verhandlungen mit den Versicherungen zu beschleunigen.20 Vermehrt wird dabei in letzter Zeit eine sog. „Stapled Insurance“ bei Private-Equity-Transaktionen abgeschlossen, die der Verkäufer mit dem Versicherer vorbereitet und die der Käufer dann zusammen mit dem Kaufvertrag abschließt.21 Vertraglich wird bei der Warranty & Idemnity-Versicherung größtenteils eine relativ geringe Resthaftung des Verkäufers (Selbstbehalt) vereinbart, die insbesondere ein Verhandlungsanreiz sein soll, nur solche Garantien abzugeben, für die der Verkäufer auch persönlich bereit ist zu haften. In den Verhandlungen mit den Versicherungen ist es wichtig, dass die vertraglichen Garantien und ggf. auch Freistellungen umfassend abgedeckt sind. I. d. R. gibt es jedoch einige Ausschlüsse, für die eine Versicherungsdeckung vorbehaltlich einer zusätzlichen Spezialversicherung nicht erhältlich ist. Der Käufer/Versicherungsnehmer wird darauf achten, dass die Garantien im Vertrag und die garantierten Umstände in der Versicherungspolice möglichst deckungsgleich sind. Eine Inanspruchnahme der Warranty & Indemnity-Versicherung entfällt, wenn der Versicherungsnehmer von der Garantieverletzung Kenntnis hat. Was genau unter Kenntnis des Versicherungsnehmers zu verstehen ist, sollte dabei in der Versicherungspolice eindeutig definiert sein, z. B. ob auch grob fahrlässige Unkenntnis schadet.22 Demgegenüber ist bei Freistellungen, die auch bekannte Sachverhalte abdecken, z. B. Steuern und Umwelt, eine Versicherbarkeit grundsätzlich möglich.23 Insgesamt ist die Warranty & Indemnity-Versicherung kein „Allheilmittel“, unterschiedliche Auffassungen von Verkäufer und Käufer über Garantietatbestände zu überbrücken. In der Praxis ist die Versicherung aber durchaus hilfreich, gerade in Szenarien, in denen ein Verkäufer infolge von Umstrukturierung, Liquidation etc. in einem Haftungsszenario für den Käufer weniger gut „greifbar“ ist. 19 Im Gegensatz dazu hat bei der Verkäuferpolice im Schadensfall der Verkäufer (als Versicherungsnehmer) einen Anspruch gegen die Versicherung auf Freistellung von etwaigen Ansprüchen des Käufers, vgl. zu beidem Daghles/Haßler, GWR 2016, 455, 455. 20 Hoenig/Klingen, NZG 2016, 1244, 1245. 21 Hoger, AG 2016, R 136; Kaufhold, BB 2016, 394, 394 f. 22 Hoenig/Klingen, NZG 2016, 1244, 1246. 23 Daghles/Haßler, GWR 2016, 455, 456.
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VI. Schiedsverfahren vs. ordentliche Gerichtsbarkeit Jenseits taktischer Überlegungen von Verkäufer einerseits und Käufer andererseits, sich für oder gegen schiedsgerichtliche Verfahren zur Streitbeilegung bei Unternehmenskaufverträgen zu entscheiden, mag es objektive Gründe geben, bei Interesse an kompetenter Streitschlichtung eine Schieds klausel zu vereinbaren. Die wenigen publizierten Urteile der ordentlichen Gerichtsbarkeit beruhen häufig auf Transaktionssachverhalten, die z. B. hinsichtlich involvierter Parteien, Kaufgegenstände und wirtschaftlicher Relevanz nicht vergleichbar sind mit komplexen Situationen zwischen erfahrenen Transaktionsparteien. Solche komplexen Transaktionen orientieren sich im Normalfall an M&A-Standards, die den ordentlichen Gerichten weniger geläufig sind. Deshalb weisen Urteile von ordentlichen Gerichten teilweise Besonderheiten auf, die für erfahrene Transaktionsparteien überraschend sein können. M&A-Professionals in Schiedsgerichten sollten Überraschungen vermeiden, auch wenn die Diskretion des Verfahrens und das daraus folgende Verbot einer Veröffentlichung des Schiedsurteils praktisch keine Referenzen für nachfolgende Schiedsurteile erlauben.
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Bernd Bürglen
„Boden, Oppenhoff, Rasor, Schneider & Schiedermair“ – die erste überörtliche Sozietät in Deutschland Inhaltsübersicht
I. Die frühere Rechtsauffassung und der Versuch ihrer Begründung
II. Der Vortrag von Prof. Dr. Benda vom 16.10.1987 III. Reaktionen auf die Entschei dungen des Bundesverfassungsgerichts zu dem anwaltlichen Standesrecht IV. Gutachten Prof. Dr. Prütting
V. Rechtsanwaltskammern gegen die überörtliche Sozietät Köln/ Frankfurt
VI. Gerichtsverfahren um die Zulässigkeit überörtlicher Sozietäten 1. Das Kölner Verfahren 2. Das Verfahren vor dem EGH Nordrhein-Westfalen und vor dem BGH 3. Die Münchener Verfahren 4. Das Essener Verfahren VII. Würdigung
Alexander Rasor berichtet in seiner Firmengeschichte „Rasor & Schiedermair“ (1990/91) auf Seite 77, dass Dieter Schneider im Herbst 1988 Manfred Schiedermair aufsuchte und ihm – als Repräsentanten von Rasor & Schiedermair – die Überlegung darstellte, die beiden Sozietäten zu einer überörtlichen Sozietät zusammenzuschließen. Diese Vorgespräche mündeten am 3.6.1989 in eine Vertragsunterzeichnung, die zum 1.7.1989 den Zusammenschluss dieser beiden traditionsreichen Sozietäten zu einer „überörtlichen Sozietät“ bestimmte, welche zunächst so firmierte, wie das die Überschrift wiedergibt. Auf der folgenden Seite wird eine Kopie des damaligen Briefbogens eingeblendet. Bereits 1991 wurde diese überörtliche Sozietät auf Berliner Anwaltskollegen – rund um Peter Raue – zur nächsten Firmierung erstreckt BODEN OPPENHOFF RASOR RAUE, wobei diese überörtliche Sozietät bereits im Rahmen der „Alliance of European Lawyers (E.W.I.V.)“ verankert war. Es war nicht der Sinn der damaligen festlich gestimmten Frankfurter Bürobroschüre, den rechtlichen Hintergrund und die Auseinandersetzungen zu schildern, die die Gründung dieser ersten überörtlichen Sozietät begleitet haben.
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Aber heute nach Ablauf von annähernd 30 Jahren ist es wohl zulässig, die damaligen Begleitumstände darzustellen, wobei nicht davon abgesehen werden soll, Einzelheiten und auch Namen festzuhalten:
I. Die frühere Rechtsauffassung und der Versuch ihrer Begründung Es ist das Verdienst des OLG München in dessen Entscheidung vom 12.4.19901, einen knappen geschichtlichen Abriss über die Zulassung bzw. das Verbot überörtlicher Sozietäten2 gegeben zu haben: Nachdem der Ehrengerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahre 1931 noch hatte dahingestellt sein lassen, ob eine überörtliche Sozietät zulässig sei, fand das Verbot der überörtlichen Sozietät 1959 Eingang in die anwaltlichen Standesrichtlinien, wobei die Überlegungen vornehmlich auf § 28 BRAO gestützt worden waren. Die bis dahin – überwiegende – als verbindlich angesehene Rechtslage lässt sich wie folgt beschreiben: Eine überörtliche Sozietät war damals nach der überwiegenden Meinung, vor allem nach der Meinung der Standesorganisationen, unzulässig. Diese 1 OLG München v. 12.4.1990 – 6 U 5905/89, NJW 1990, 2134. 2 OLG München v. 12.4.1990 – 6 U 5905/89, NJW 1990, 2134, 2135.
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Auffassung vertraten damals alle Rechtsanwaltskammern mit Ausnahme der Kammern in Berlin, Düsseldorf und Hamburg. Insbesondere war dies auch die Auffassung der Bundesrechtsanwaltskammer. Zwar gab es kein ausdrückliches Verbot einer überörtlichen Sozietät, jedoch meinte die herrschende Auffassung, ihre rechtliche Grundlage in § 28 BRAO zu finden, nach dem es einem Anwalt nicht gestattet war, Zweigniederlassungen zu unterhalten. Nun ist nicht unmittelbar einsichtig, warum eine überörtliche Sozietät, die ja nicht als solche Anwalt ist, die Folge haben sollte, dass die ihr angehörenden Anwälte jeweils Zweigniederlassungen hätten. Das wurde damit begründet, dass die Rechtsform der damals üblichen (und nach damaliger Auffassung auch allein zulässigen) Sozietät von Rechtsanwälten diejenige einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts war, die ihrerseits nach damaligem Recht nicht rechtsfähig war. Als Folge davon galt der mit einer Anwaltssozietät (der GbR) geschlossene Anwaltsvertrag nach der damals herrschenden sog. Doppelverpflichtungstheorie auch als Vertrag mit jedem einzelnen Partner, mit der weiteren Folge, dass jeder Partner eines Standorts einer überörtlichen Sozietät auch verpflichtet gewesen wäre, seine Leistungen an den anderen Standorten derselben Sozietät zu erbringen. Dies könnte er aber nur, wenn er auch an den anderen Standorten eine Niederlassung unterhalte. In dieser Weise wurde aus der rechtlichen Konstruktion die Fiktion eines tatsächlich bestehenden Sachverhaltes, und dieser fingierte Sachverhalt galt dann als Verstoß gegen das Verbot einer Niederlassung. Auf dieser Grundlage sahen die damaligen Standesrichtlinien (vermeintlich gestützt auf das gesetzliche dekretierte Verbot der Zweigstelle) ein ausdrückliches Verbot einer überörtlichen Sozietät vor. Nach den „Bastille-Beschlüssen“ des Bundesverfassungsgerichts3 waren die Standesrichtlinien aber nicht mehr verbindlich. Trotz dieses gewundenen Argumentationsweges entsprach die Unzulässigkeit einer überörtlichen Sozietät der damals herrschenden Auffassung. Wer dennoch eine überörtliche Sozietät einging, musste sich also vorbereiten, gegen die herrschende Meinung vorzugehen (und diese umzukehren), oder seine Sozietätsverhältnisse so zu regeln, dass sie die für die herrschende Meinung gegebene Begründung auf einer der mehreren Stufen widerlegte.
3 Vgl. BVerfG v. 14.7.1987 – 1 BvR 537/81, 1 BvR 195/87, NJW 1988, 191; 1 BvR 362/79, NJW 1988, 194.
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II. Der Vortrag von Prof. Dr. Benda vom 16.10.1987 Das 100jährige Jubiläum des Kölner Anwaltvereins, das am 16.10.1987 gefeiert wurde, bot eine schöne Gelegenheit, Prof. Dr. Ernst Benda, Präsident des Bundesverfassungsgerichts a.D., als einen der Festredner zu bitten, zum Thema „Die Anwälte und ihr Standesrecht“ vorzutragen. Dieser Rechtsvortrag ist veröffentlicht.4 Der Aufsatz setzt mit der Bemerkung ein „Der Schriftwechsel mit dem Vorsitzenden des Kölner Anwaltvereins, mit dem wir die heutige Veranstaltung vorbereitet haben, hat die genauere Bezeichnung und Abgrenzung des Themas vertrauensvoll mir überlassen. Ich komme sehr gerne der Anregung nach, die aktuelle Diskussion über Fragen des anwaltlichen Standesrechts aufzunehmen und sie vorwiegend aus verfassungsrechtlicher Sicht zu kommentieren“. Der Verfasser hatte damals als Vorsitzender des Kölner Anwaltvereins das Thema ganz bewusst ausgewählt: Eine der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts5 hatte einen Beschluss des Ehrengerichts der Rechtsanwaltskammer Köln6 zum Gegenstand. Das hatte Benda in Ziff. 2 der veröffentlichten Vortragsfassung7 selbst angesprochen. Dem Sachverhalt der vorerwähnten verfassungsgericht lichen Entscheidung8 kann entnommen werden, dass sich der damals amtierende Konkurs- und Vergleichsrichter Prof. Dr. Uhlenbruck über eine schriftliche Äußerung des bundesweit bekannten Konkursanwalts Dr. Kübler beschwert hatte, was zu der ehrengerichtlichen Verurteilung geführt hatte. Obwohl das Aktenzeichen der verfassungsgerichtlichen Entscheidung auf Vorgänge aus dem Jahre 1981 zurückführte, steckte der damals aktuelle Streitanlass im Kölner Verfahren, was der Zusatz im Aktenzeichen „u. a.“ deutlich macht. Ungeachtet dessen war in einschlägigen Rechtskreisen bekannt, dass das Bundesverfassungsgericht eine Grundsatzentscheidung zu den anwaltlichen Standesrichtlinien vor sich her schob, was auch das Aktenzeichen der anderen Entscheidungen vom gleichen Tag9 verdeutlicht. Benda hatte durch einen Sternchenvermerk in der Druckfassung deutlich gemacht, dass er seinen Vortrag vor dem Bekanntwerden der Beschlüsse des BVerfG ausgearbeitet und vorgetragen hatte.
4 Benda, AnwBl 1988, 7 ff. 5 BVerfG v. 14.7.1987 – 1 BvR 537/81, 1 BvR 195/87, NJW 1988, 191. 6 BVerfG v. 14.7.1987 – 1 BvR 195/87, NJW 1988, 191. 7 Benda, AnwBl 1988, 7 re. Sp. 8 BVerfG v. 14.7.1987 – 1 BvR 195/87, NJW 1988, 191. 9 BVerfG v. 14.7.1987 - 1 BvR 362/79, NJW 1988, 194.
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Man muss sich im Nachhinein das Auditorium der Jubiläumsveranstaltung des KAV im Gürzenich10– einem im gotischen Stil gebauten Festveranstaltungsgebäude aus dem späten Mittelalter - vergegenwärtigen, um die Spannung, aber auch die Pikanterie der Ausführungen von Benda zu verdeutlichen: Zu den Festgästen und Zuhörern zählte damals auch der Vorstand der Rechtsanwaltskammer Köln mit seinem Präsidenten Dr. Herbert Heidland. Dem Verfasser hat das damals den Vorwurf von Heidland eingetragen, dass es nicht angemessen sei, die Jubiläumsveranstaltung mit einem solchen Vortrag zu verbinden. Tatsächlich hatte Benda mit seiner Rechtsauffassung nicht hinter dem Berg gehalten, was er11 mit den Worten zum Ausdruck brachte „Im Übrigen wird von mir, wie ich den Ankündigungen entnehme, ‚Freimut’ erwartet…“ Und „Mit dem von mir erbetenen Freimut möchte ich Unbehagen artikulieren. Es bezieht sich nicht auf das Ergebnis, das ich begrüßt hätte, wenn der Gesetzgeber entsprechend beschlossen hätte, sondern auf die Methode, mit der an sich einleuchtende standespolitische Forderungen auf dem zweifelhaften Wege der Feststellung von Standesauffassungen durchgesetzt werden. Über Stilfragen im Verhältnis zum Gesetzgeber möchte ich nicht richten, wiewohl mir die auch aus anderen Verlautbarungen von Berufsständen bekannten Formulierungen … durchaus unangemessen erscheinen. Sie erheben zugunsten des Standes im Verhältnis zum Gesetzgeber einen Anspruch auf ein höheres Maß an Einsichtsfähigkeit und Gemeinwohlbezogenheit…“. Obwohl sich die Ausführungen Benda vornehmlich mit dem Streitanlass der Fachanwaltsbezeichnung befassen, stellte er die standesrechtlichen Richtlinien ausdrücklich in Frage und betonte „ … Das BVerfG hat stets großen Wert auf die Feststellung gelegt, dass die standesrechtlichen Richtlinien keinen Rechtssatzcharakter …“ 12 haben.
10 Der andere Vortrag bei dieser Jubiläumsveranstaltung wurde gehalten von Hans Mayer, Aus den Erinnerungen eines entlaufenen Kölner Juristen, wobei der Titel des Vortrags – so ausdrücklich Mayer – Anklänge an den Lebenslauf des „gebrochenen, zerrissenen, aufgeklärten deutsch – jüdischen Romatikers Heinrich Heine“ vermittelte. 11 Benda, AnwBl 1988, 7 li. Sp. 12 Benda, AnwBl 1988, 7, 9 re. Sp.
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Eine Feststellung, die dem Verbot der überörtlichen Sozietät (gestützt auf die Standesrichtlinien) die Rechtsgrundlage entzog. Die Begeisterung der zuhörenden Repräsentanten der Rechtsanwaltskammer Köln hielt sich in Grenzen. Denn die Äußerungen stammten von niemand anderem als dem vormaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, dessen Entscheidungen vom 14.7.1987 drei Monate vorher zwar dem Tenor bekannt geworden waren, aber in Schriftform zum Zeitpunkt des Vortrages noch nicht vorlagen – die Zeiten, in denen die Entscheidungen schon am nächsten Tag im Internet abrufbar sind, waren noch nicht angebrochen.
III. Reaktionen auf die Entscheidungen des Bundes verfassungsgerichts zu dem anwaltlichen Standesrecht Die beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts v. 14.7.198713 stellten fest, dass den Richtlinien des anwaltlichen Standesrechtes grundsätzlich keine Rechtverbindlichkeit zukomme, was der erste Leitsatz der ersterwähnten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes unmissverständlich zum Ausdruck bringt „Es wird nicht daran festgehalten, dass die Richtlinien des anwaltlichen Standesrechts als Hilfsmittel zur Auslegung und Konkretisierung der Generalklausel über die anwaltlichen Berufspflichten (§ 43 BRAO) herangezogen werden können. Eine rechtserhebliche Bedeutung kommt den Richtlinien in ehrengerichtlichen Verfahren nur noch für eine Übergangszeit bis zur Neuordnung des anwaltlichen Berufsrechts zu, soweit ihre Heranziehung unerlässlich ist, um die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege aufrecht zu erhalten“. Die Vielzahl der regionalen deutschen Rechtsanwaltskammern charakterisierten diese Entscheidung v. 14.7.1987 als rechtlichen Kahlschlag, am Entscheidungstag orientiert als „Bastille-Beschlüsse“. Denn es war abzusehen, dass das Verbot der überörtlichen Sozietät durch die Richtlinien als solches unverbindlich geworden war, so dass es darauf ankam, ob sich dieses Verbot unmittelbar aus § 28 BRAO ableiten ließ. Das OLG München14 konstatierte denn auch, dass das Verbot einer überörtlichen Sozietät nicht „unerlässlich ist, um die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege aufrecht zu erhalten“.
13 BVerfG v. 14.7.1987 – 1 BvR 537/81, 1 BvR 195/87, NJW 1988, 191; 1 BvR 362/79, NJW 1988, 194. 14 OLG München v. 12.4.1990 – 6 U 5905/89, NJW 1990, 2134.
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Das OLG München hatte weiter festgestellt, dass ein Verbot der überörtlichen Sozietät auch nicht auf vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht gestützt werden konnte. Denn ein solches Gewohnheitsrecht hätte nur „durch längere tatsächliche Übung entstanden sein können, die dauernd und ständig, gleichermaßen und allgemein war und von den beteiligten Rechtsgenossen als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wurde“. Davon könne keine Rede sein, nachdem der Ausschuss des DAV „Neues Berufsrecht“ empfohlen habe, dass überörtliche Sozietäten zuzulassen seien. Der Sozietätsrechtsausschuss der DAV habe diesen Vorschlag 1989 aufgegriffen. Auch die Rechtsanwaltskammern Berlin, Düsseldorf und Hamburg hielten die Vereinbarung einer überörtlichen Sozietät – im Gegensatz zur Bundesrechtsanwaltskammer – für zulässig.
IV. Gutachten Prof. Dr. Prütting Da auch die Rechtsanwaltskammern Köln und Frankfurt das Verbot von überörtlichen Sozietäten weiter für verbindlich hielten, hatten Boden, Oppenhoff & Schneider Prütting gebeten, zur Frage der Zulässigkeit einer überörtlichen Sozietät in einem Gutachten Stellung zu nehmen. Die Grundlinien seines Gutachtens hat Prütting in seiner Publikation „Die Zulässigkeit der überörtlichen Anwaltsozietät nach geltendem Recht“ in JZ 1989, 705 veröffentlicht. Die Brücke zu seinem zuvor erstellten Gutachten schlägt die Fußnote 1 „Die Ausführungen sind durch vielfache Anfragen aus der Praxis angeregt worden.“.
V. Rechtsanwaltskammern gegen die überörtliche Sozietät Köln/Frankfurt Zeitgleich ist von der Kölner Sozietät ein Anwaltskollege gebeten worden, im Verfügungsverfahren die rechtliche Zulässigkeit/Unzulässigkeit einer überörtlichen Sozietät entscheiden zu lassen. Das ist Gegenstand des Verfahrens LG Köln 31 O 371/8915 geworden.16 Das LG Köln kam zu dem Ergebnis, das der erste Leitsatz widerspiegelt 15 LG Köln v. 8.8.1989 – 31 O 371/89, NJW 1989, 2896. 16 Das Gutachten Prütting findet sich zitiert bei LG Köln v. 8.8.1989 – 31 O 371/89, NJW 1989, 2896, li. Sp.
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„Ein generelles Verbot der Bildung einer überörtlichen Sozietät zwischen Rechtsanwälten, die in unterschiedlichen Landgerichtsbezirken zugelassen sind, lässt sich weder dem Standesrecht noch gesetzlichen Regelungen entnehmen.“ Das Verfügungsverfahren war ein gestelltes Verfahren. Dem Verfasser war es ein besonderes Vergnügen, im Zuge des Verfahrens die Argumente pro und contra darzustellen. Das zitierte Urteil hat sich im Wesentlichen mit einem Beitrag von Wilhelm Feuerich17 auseinandergesetzt. Feuerich war Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft Köln, die auf Antrag der RAK Köln im ehrengerichtlichen Verfahren gegen Dr. Walter Oppenhoff, Senior des Kölner Anwaltsbüros, vorgegangen war. Natürlich sind die örtlichen Kölner Verhältnisse zu berücksichtigen. Der Verfasser war Mitglied im Vorstand der RAK Köln, die auf Mehrheitsbeschluss die Einleitung des ehrengerichtlichen Verfahrens entschieden hatte. Wobei dem Verfasser ein Gespräch mit OStA Feuerich erinnerlich ist. Feuerich war es – persönlich – außerordentlich unangenehm, das ehrengerichtliche Verfahren gegen Walter Oppenhoff in die Wege zu leiten, wozu er nach seiner publizierten Rechtsauffassung (Verbot der überörtlichen Sozietät) gehalten war. Natürlich war in Köln geläufig, dass Oppenhoff nicht nur in den Jahren 1946 bis 1959 Vorsitzender des Kölner Anwaltvereins gewesen war, später Präsident des Deutschen Anwaltvereins, sondern gleichzeitig auch (1946–1959) dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer Köln angehört hatte. Eine vergleichbare Entwicklung zeichnete sich für Frankfurt ab – die RAK Frankfurt hatte gegen den Senior des dortigen Büros Alexander Rasor gleichfalls ein ehrengerichtliches Verfahren eingeleitet, nachdem sich die RAK Frankfurt unter ihrem damaligen Präsidenten, Herrn RA Dr. Schmalz (er war gleichzeitig Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer) deutlich für ein Verbot der überörtlichen Sozietät positioniert hatte. Vergleichbar war die Situation zu Köln deswegen, weil der frühere Senior des Frankfurter Büros Dr. Jacob W. Flesch 20 Jahre lang (1949–1969) Präsident der RAK Frankfurt gewesen war.
17 Feuerich, AnwBl 1989, 360.
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VI. Gerichtsverfahren um die Zulässigkeit überörtlicher Sozietäten Die zeitliche Abfolge der damals anhängigen Gerichtsverfahren lautete ȤȤ LG Köln 31 O 371/89, Urt. v. 8.8.198918 ȤȤ LG München 7 HK O 10332/89 v. 23.8.198919 sowie ȤȤ BGH AnwZ(B) 30/89, Beschl. 18.9.198920. Der Abdruck aller dieser Urteile trägt den Vermerk „Mitgeteilt von Rechtsanwalt Dr. R. Lauda, Frankfurt“, wozu man ergänzen muss, dass Rechtsanwalt Dr. Lauda Geschäftsführer der Frankfurter Kammer war. 1. Das Kölner Verfahren Das Kölner Verfahren ist nicht fortgesetzt worden, weil der klarstellende Beschluss des Anwaltssenats des BGH von den meisten Streitparteien als abschließend und verbindlich gewertet wurde. Wie kontrovers jedoch die Auffassungen der Rechtsbeteiligten verfolgt wurden, macht eine – Jahre später gefallene – Bemerkung des Vorsitzenden des damaligen Wettbewerbssenats des OLG Köln (dem Verfasser gegenüber) deutlich – er habe die Auffassung der 31. Zivilkammer des LG Köln nicht geteilt, was sich möglicherweise – bei einer Fortsetzung des Kölner Verfügungsverfahrens – in zweiter Instanz negativ ausgewirkt hätte. 2. Das Verfahren vor dem EGH Nordrhein-Westfalen und vor dem BGH Bemerkenswert war das Verfahren, das zum zitierten Beschluss des Anwaltssenats des BGH21 geführt hat: Die Antragsteller – zur Gründung einer überörtlichen Sozietät entschlossen – hatten sich zur Frage der Zulässigkeit an die RAK Hamm gewandt, die den Fragestellern die Auffassung ihres Präsidiums mitgeteilt hat, „dass eine überörtliche Sozietät in der vorgeschlagenen Form nicht zulässig“ sei. Dagegen ist ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Begehren gestellt worden, die angestrebte überörtliche Sozietät für zulässig zu erklären. Der EGH hat den Antrag als unbegründet
18 LG Köln v. 8.8.1989 – 31 O 371/89, NJW 1989, 2896. 19 LG München v. 23.8.1989 – 7 HK O 10332/89, NJW 1989, 2894. 20 BGH v. 18.9.1989 – AnwZ (B) 30/89, NJW 1989, 2890. 21 BGH v. 18.9.1989 – AnwZ (B) 30/89, NJW 1989, 2890.
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zurückgewiesen.22 Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde der Antragstellerseite wurde als unzulässig verworfen, was den Anwaltssenat des BGH aber nicht gehindert hat, ausführlich zur Zulässigkeit einer überörtlichen Sozietät Stellung zu nehmen. Der Verfasser hat an der Verhandlung des Anwaltssenats als Zuhörer teilgenommen. Die Rechtsposition der RAK Hamm wurde von RA G. Hartstang vertreten. Er hatte darauf hingewiesen, dass es letztlich gar nicht um die Rechtsposition der Antragsteller dieses Verfahrens ginge, sondern um die überörtliche Sozietät, die in Köln und Frankfurt gegründet worden sei. Der Anwaltssenat hatte damals unter dem Vorsitz des Chefpräsidenten des BGH, Prof. Dr. Odersky, verhandelt. Als der Verfasser feststellen musste, dass von RA Hartstang unzutreffend zum Kölner/Frankfurter Fall vorgetragen wurde, hat das der Verfasser von der Zuhörerbank aus lautstark gerügt. Auf die Frage des BGH-Präsidenten, wer ich denn sei, habe ich meine Zugehörigkeit zur Kölner/Frankfurter überörtlichen Sozietät geschildert, und zwar mit dem ausdrücklichen Bemerken, dass zum Sachverhalt der Köln/ Frankfurter Sozietät – zumindest in meiner Anwesenheit – nur zutreffend vorgetragen werden sollte. Im Folgenden konnte ich meine Vorbehalte gegen die Darstellung des Köln/Frankfurter Sachverhalts im Einzelnen erläutern. Anschließend sind diese Vorbehalte von mir in einem amicus curiae (Schriftsatz von verfahrensunbeteiligter Seite) zusammengefasst worden. 3. Die Münchener Verfahren Wie kontrovers die Auffassungen auf Kammerseite waren, macht das Verfahren LG München23 deutlich. Auf Kammerseite ist das Verfahren von RA Rainer Klaka, damals Vizepräsident der Kammer München, geführt worden. Das LG München hat gegen die Zulässigkeit einer überörtlichen Sozietät entschieden und hat sich vollumfänglich die Auffassung von Feuerich24 zu Eigen gemacht. Zu Sinn und Zweck des Zweigstellenverbots (§ 28 I BRAO) hat das LG München ausgeführt, dass die Gefahren eines „ambulanten“ Rechtsanwalts vermieden werden sollten: „Bei diesem Berufsbild handele es sich nicht um eine überholte, an biedermeierlich – verträumten Kleinstadtkanzleien orientierte Wunschvorstellung, es ist vielmehr nach Auffassung der Kammer nach wie vor zeitgemäß …“ 22 Ehrengerichtshof für Rechtsanwälte Hamm v. 3.3.1989 – 1 ZU 49/88, AnwBl 1989, 395. 23 LG München v. 23.8.1989 – 7 HK O 10332/89, NJW 1989, 2894. 24 Feuerich, AnwBl 1989, 360, 363.
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In diesen Zusammenhang gehört das Gutachten Prof. Dr. Ekkehard Schumann, Regensburg, das in seiner Schlussfassung 1990 verfügbar war. Das Gutachten liegt dem Verfasser vor. Es ist – soweit ersichtlich – in der Fachliteratur nicht (auch nicht in einer Zusammenfassung) veröffentlicht worden, obwohl es in Textziffer 134 ff. interessante, insbesondere überzeugende Ausblicke in die „Zulässigkeit der überörtlichen Sozietät in anderen beratenden Berufen“ geworfen hat. Aus lokal Kölner Sicht freut man sich über die Bemerkung (in Textziffer 5) „In der Rechtsprechung zeichnet sich eine bejahende Tendenz ab: Nach einem sorgfältig begründeten Urteil des Landgerichts Köln (in Fn. 28 wird das Verfahren LG Köln 31 O 371/8925 genannt) hat auch der Bundesgerichtshof die Zulässigkeit der überörtlichen Rechtsanwaltssozietät bejaht (dazu wird in Fn. 29 auf den Beschluss des BGH AnwZ(B) 30/8926 verwiesen). Die früher ergangenen gegenteiligen Entscheidungen des Ehrengerichtshofs Nordrhein-Westfalen und des Landgerichts München I (dazu wird in Fn. 31 auf die Entscheidung 7 HKO 10332/8927 verwiesen) erscheinen durch die neuere Rechtsprechung überholt“. Das Gutachten Schumann war im Auftrag der Münchner Sozietät Nörr, Stiefenhofer & Lutz erstellt worden. Ob es im Zuge des nachfolgend zitierten Verfahrens OLG München 6 U 5905/8928 vorgelegen hatte, lässt die Begründung jenes Urteils nicht erkennen. Die Berufungsinstanz29 hat die Entscheidung der Wettbewerbs-Kammer für Handelssachen des LG München aufgehoben. Das OLG München hat sich dazu – unter anderem – ausdrücklich auf die Entscheidung des LG Köln bezogen. Die Stimmen pro und contra sind ausführlich zitiert und erörtert worden, insbesondere auch die Stimme von Hanns Prütting30. Die Auffassung von Prütting gewichtete alleine schon deswegen, weil Prütting sich im Jahr 1988 – seit der Gründung des Instituts für Anwaltsrechts an der Universität zu Köln – bundesweit als Fachmann für anwaltliches Standes- und Verfahrensrecht profiliert hatte. Denn das Kölner Institut für Anwaltsrecht war das erste (und damals einzige) Institut dieser Art in Deutschland. Prütting ist auch heute unverändert (mit Martin Henssler) geschäftsführender Direktor des Instituts, das damals – unter maßgeblicher Mitwirkung des Kölner Anwaltvereins – von Peter Hanau angeschoben 25 LG Köln v. 8.8.1989 – 31 O 371/89, NJW 1989, 2896. 26 BGH v. 18.9.1989 – AnwZ (B) 30/89, NJW 1989, 2890. 27 LG München v. 23.8.1989 – 7 HK O 10332/89, NJW 1989, 2894. 28 OLG München v. 12.4.1990 – 6 U 5905/89, NJW 1990, 2134. 29 OLG München v. 12.4.1990 – 6 U 5905/89, NJW 1990, 2134. 30 Prütting, JZ 1989, 705 ff.
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worden war (Hanau handelte als Rektor der Kölner Universität in deren Jubiläumsjahr 1988). Henssler hat den Rechtsprechungswandel nur kurze Zeit später31 als deutlichen Erkenntnisfortschritt charakterisiert und hat sich dazu – u. a. – ausdrücklich auf die Stimme von Odersky32 bezogen. 4. Das Essener Verfahren In das Gesamtbild der damals gelaufenen Verfahren gehört noch die Entscheidung ȤȤ LG Essen 43 O 256/89 v. 25.1.199033. Ein Blick in den Sachverhalt dieser Entscheidung belegt, dass dieses Verfahren nicht etwa die wettbewerbsrechtliche Variante zum Verfahren des Anwaltssenats34 darstellte, es ging um unterschiedliche Parteien. Worin der rechtliche Unterschied beider Verfahrensmöglichkeiten liegt, hat der Verfasser an anderer Stelle ausführlich dargelegt35. Dass die beim Landgericht Essen streitenden Parteien nicht der örtlichen Rechtsanwaltskammer Hamm fern standen, ergibt sich aus der Tatsache, dass Gutachten aus der Feder Papier und H. Westermann vorgelegt worden sind, die den Rechtsstandpunkt der Unzulässigkeit der überörtlichen Sozietät vertraten. Mit beiden Gutachten hat sich das LG Essen ausführlich auseinandergesetzt und hat deren Rechtsauffassungen – naturgemäß unter dem Eindruck der Entscheidung des Anwaltssenats – zurückgewiesen.
VII. Würdigung Die geschilderten Auseinandersetzungen haben zu dem Ergebnis geführt, dass die Kölner und Frankfurter Partner ȤȤ in der Erkenntnis der Bedürfnisse der Zeit, ȤȤ in der Erkenntnis der Brüchigkeit oder Schwäche der für das Verbot einer überörtlichen Sozietät angeführten Gründe, ȤȤ und mit der Entscheidungsfreude und dem Mut, sich selbst standesrechtlichen Verfahren auszusetzen, 31 Henssler, NJW 1993, 2137, 2139 re. Sp. 32 Odersky in FS Merz, 1993, S. 439, 449; bei Henssler, NJW 1993, 2137 zitiert in Fn. 3 u. 29. 33 LG Essen v. 25.1.1990 – 43 O 256/89, NJW 1990, 2137. 34 Vgl. LG Köln v. 8.8.1989 – 31 O 371/89, NJW 1989, 2896. 35 Bürglen in FS Ullmann, 2006, S. 913.
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den Schritt in die überörtliche Sozietät gegangen sind und damit einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Anwaltschaft in Deutschland geleistet haben. Die Abläufe der Verfahren, die schließlich zur höchstrichterlichen Zulassung einer überörtlichen Sozietät (im Grundsatz) geführt haben, zeigen aber auch, wie sehr höchstrichterliche Entscheidungen (mit ihrer immer über den Einzelfall weit hinausreichenden Wirkung) von den Charakteristika des zu entscheidenden Einzelfalls und der darauf gestützten (und oft wohl auch auf sie beschränkten) Vorstellungen der Richter von den maßgeblichen Sachverhalten abhängen.
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Markus Hartung
Großsozietäten und die Anwaltschaft Inhaltsübersicht
I. Einführung
II. Was ist eine Großsozietät? 1. Internationale Dimensionen 2. Deutsche Großsozietäten 3. Kriterien für Großsozietäten III. Anwaltsgemeinschaften: Fremdkörper im Berufsrecht IV. Beziehungskrise 1. Erfolgreiche Entwicklung der Großsozietäten 2. Das Nichtverhältnis zu den Anwaltskammern 3. Kühle Ko-Existenz und weit gehende Selbstregulierung der Großsozietäten
V. Die „Spaltung der Anwaltschaft“
VI. Der BRAK-Dialog mit den Großsozietäten
VII. Großsozietäten und anwaltliches Berufsrecht 1. Das anwaltliche Berufsbild, Teil 1 a) Organe der Rechtspflege? b) Anwaltschaft und Geld 2. Großsozietäten und die core values der Anwaltschaft a) Qualität, Fortbildung, Sachlichkeit b) Unabhängigkeit c) Verschwiegenheit d) Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen e) Berufsrechtliche Themen bei der grenzüberschreitenden Tätigkeit 3. Fazit VIII. Ausblick
„Sie werden wahrscheinlich sagen, eine Anwaltsgemeinschaft von 10 oder 20 oder mehr Anwälten sei ein großes Büro. Ich bin nicht der Meinung. Ich glaube, dass es eine mittelgroße Praxis der Zukunft ist.“ Walter Oppenhoff im Jahr 19671
I. Einführung Man kann in Deutschland nicht über Großsozietäten (oder Großkanzleien) reden, ohne den Namen Oppenhoff zu nennen. Mit den Namen von Vater Walter und Sohn Michael Oppenhoff bzw. den von ihnen gegründeten und geführten Sozietäten sind mehrere marktprägende und -gestaltende Superlative und „Firsts“ verbunden: Die Sozietät Boden Oppenhoff & Schneider war z. B. im Jahr 1989 mit 48 Volljuristen die größte Sozietät der damaligen 1 Aus einer Rede auf dem Deutschen Anwaltstag 1967 in Bremen, die Rede ist veröffentlicht in AnwBl 1967, 267 ff.; das Zitat auf S. 268.
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Bundesrepublik. Das war vor der Fusion mit der Frankfurter Kanzlei Rasor & Schiedermair im Jahr 1989, der ersten überörtlichen Fusion zweier Kanzleien in Deutschland.2 Dieses Ereignis wird heute als überhaupt das rechtsmarktprägende Ereignis angesehen, als Urknall des Rechtsmarkts. Die juristische Profession hat sich durch die Folgen der ersten überörtlichen Sozietät viel stärker verändert als durch irgendein anderes Ereignis. Auch die zeitlich vorher liegenden Bastille-Entscheidungen des BVerfG3, mit denen die bis dahin als vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht geltenden Standesrichtlinien für unwirksam erklärt wurden, hatten nicht eine solche Wirkung, auch wenn sie wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung des Berufsrechts waren. Marktprägend oder -verändernd waren sie jedoch nicht. Nach einer stürmischen weiteren Entwicklung war die zum 1.1.1995 an den Start gehende Sozietät Oppenhoff und Rädler mit ca. 220 Berufsträgern wiederum die größte deutsche Sozietät.4 Diese Fusion galt als „Markstein für das kontinuierliche Anwachsen der Sozietätsausdehnung in Deutschland“5. Dadurch entstand erstmals „ein vorwiegend monoprofessionelles Anwaltsunternehmen“ als größte Kanzlei in Deutschland, das gleichzeitig die Rechtsabteilungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften nach Zahlen 2 Letztlich ermöglicht durch BGH v. 18.9.1989 - AnwZ (B) 30/89, BGHZ 108, 290; diese Entscheidung betraf die Sozietäten Oppenhoff und Rasor nur mittelbar, weil sie nicht Parteien des Verfahrens, sondern „nur“ sachverständige Zuhörer und Auskunftgeber waren, allerdings klärte die Entscheidung des BGH die weithin umstrittene Rechtsfrage der Zulässigkeit überörtlicher Sozietäten, und damit auch das zur selben Zeit laufende aufsichtsrechtliche Verfahren gegen Oppenhoff u. a. wegen des vollzogenen Zusammenschlusses mit Rasor u. a.; instruktiv dazu Rasor in Rechtsanwaltskammer Frankfurt a. M. (Hrsg.), Rechtsanwälte und ihre Selbstverwaltung 1878-1998, 1998, S. 171 ff., 192 f. Vgl. ergänzend dazu den Beitrag von Bürglen, S. 23 ff. 3 BVerfG v. 14.7.1987 – 1 BvR 537/81 u. a., BVerfGE 76, 171 ff.; dies ist die grundlegende Entscheidung vom 14.7.1987, mit der das BVerfG feststellte, dass die Richtlinien des anwaltlichen Standesrechts nicht mehr zur Auslegung der Generalklausel des § 43 BRAO herangezogen werden konnten; die weitere Entscheidung vom 14.7.1987 – 1 BvR 362/79, BVerfGE 76, 196 ff., bezieht sich wegen der Richtlinien auf die Entscheidung 1 BvR 537/81 und behandelt sodann Grundzüge des anwaltlichen Werberechts. Gleichwohl spricht man stets von „den Bastille-Beschlüssen“. 4 Zu Geschichte und Entwicklung der Sozietäten vgl. Pöllath/Saenger, 200 Jahre Wirtschaftsanwälte in Deutschland, 2009, 144 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen; weiterhin Rasor in Rechtsanwaltskammer Frankfurt a. M. (Hrsg.), Rechts anwälte und ihre Selbstverwaltung 1878-1998, 1998, S. 171 ff.; Hellwig in DAV (Hrsg.), Anwälte und ihre Geschichte, Zum 140. Gründungsjahr des Deutschen Anwaltvereins, 2011, S. 1185 ff. 5 Knöfel, Grundfragen der internationalen Berufsausübung von Rechtsanwälten, Diss. 2005, S. 552.
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überholte.6 Die aus heutiger Sicht selbstverständliche Zusammenarbeit von Rechtsanwälten, Anwaltsnotaren, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern war Mitte der 90er Jahre noch unzulässig, was eine existentielle Bedrohung für die neue Sozietät darstellte und erst durch eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde ermöglicht wurde.7 Die Verbindung mit der englischen Kanzlei Linklaters in der Kooperation Linklaters & Alliance war ihrerseits ohne Vorbild, und der Merger zwischen Oppenhoff & Rädler mit Linklaters zum 15.1.2001 war insoweit einzigartig, als dem Merger eine erhebliche Restrukturierung der Partnerschaft vorangegangen war. Bis dahin galten Partnerschaften noch als lebenslange Verbindungen, in denen strategische Fragen bestenfalls zweitrangig waren, aber nun war die strategische Fokussierung in Deutschland angekommen. Schließlich, nach langjähriger Konjunktur der Großsozietäten, machte Michael Oppenhoff im Jahr 2008 nach der Abspaltung von Linklaters mit Oppenhoff & Partner die kleinere Einheit wieder hoffähig und zeigte, dass exzellente wirtschaftsrechtliche Beratung nicht unbedingt den „großen Laden“ erfordert. Jetzt, an Michael Oppenhoffs 80. Geburtstag, kann man ohne Übertreibung feststellen: Ohne seine visionäre Kraft und Umsetzungsenergie sähe der Rechtsmarkt in Deutschland heute anders aus. Das mag wie eine Binse klingen, aber wenn man sich vor Augen führt, welche Veränderungen er maßgeblich gestaltet und vorangetrieben hat, wird ohne weiteres deutlich: es gibt niemanden, der an der heutigen Struktur des Marktes so mitgewirkt hat wie Michael Oppenhoff. Seine englischsprachigen Freunde würden das trocken mit „his fingerprints are all over the place“ kommentieren. Dabei soll keinesfalls der Anteil Walter Oppenhoffs vernachlässigt werden. Wir wissen alle, dass „nos esse quasi nanos gigantum umeris insidentes“, dass wir alle Zwerge auf den Schultern von Riesen sind. Walter Oppenhoff hat den Blick eröffnet auf das, was Anwaltsgemeinschaften sein könnten und sein sollten, und dass solche Berufsausübungsformen in einer modernen Wirtschaftsordnung unverzichtbar sind. Sein Beitrag aus dem Jahr 1967 gilt als grundlegend für Anwaltsgemeinschaften.8 Aber für Großsozietäten in Deutschland steht Michael Oppenhoff wie kein anderer, und in Abwandlung des Gleichnisses gilt hier: Da sitzt ein Riese auf der Schulter eines Riesen.
6 Knöfel, Grundfragen der internationalen Berufsausübung von Rechtsanwälten, Diss. 2005, S. 552 m. w. N. 7 BVerfG v. 20.9.1996 – 1 BvR 1773/96, NJW 1997, 45 (einstw. Anordnungsverfahren), und BVerfG v. 8.4.1998 – 1 BvR 1773/96, BVerfGE 98, 49 ff. (Hauptsacheverfahren); vgl. außerdem den Beitrag von Prütting, S. 259 ff. 8 W. Oppenhoff, AnwBl 1967, 267 ff.; dazu Knöfel, Grundfragen der internationalen Berufsausübung von Rechtsanwälten, Diss. 2005, S. 551 m. w. N.
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Die folgenden Ausführungen befassen sich nicht eingehend mit der Geschichte der Großsozietäten seit Mitte der 80er Jahre, denn dazu ist genug geschrieben worden.9 Auch die Frage, ob Großsozietäten in ihrer herkömmlichen Struktur und Ausrichtung noch eine Zukunft haben, lassen wir links liegen. In diesem Beitrag geht es vielmehr um das schwierige Verhältnis der Anwaltschaft, jedenfalls der organisierten Anwaltschaft, zu den Großsozietäten, das vor gut zehn Jahren fast zur Spaltung der Anwaltschaft geführt hätte. Großsozietäten galten und gelten in den Augen vieler anwaltlicher Verbandsvertreter als rein kommerzielle Unternehmungen, die jenseits des traditionellen Anwaltsbilds operieren und mit den anwaltlichen core values nichts mehr zu tun haben.10 Es ist vielleicht nicht überraschend, dass von denjenigen, die solche Vorwürfe erheben, kaum einer in einer Großkanzlei gearbeitet oder dort wenigstens nennenswerte Erfahrungen gesammelt hätte. Dennoch eignen sich diese großen Einheiten offenbar gut als Projektionsfläche für all das, was Anwälte nicht sein sollten. Jeder Vorwurf, den Vertreter kleiner Kanzleien oder Einzelanwälte gegen Großsozietäten erheben, scheint per se berechtigt zu sein. Ist dem so, sind die Vorwürfe statthaft? Hat Michael Oppenhoff an etwas mitgewirkt, das zerstörerisches, jedenfalls (zumindest) spalterisches Potential in sich birgt? Die Antwort ist schon hier „nein“, und in diesem Beitrag wird etwas eingehender untersucht werden, woher diese Entfremdung kommt und ob und was an diesen Vorwürfen letztlich dran ist.
II. Was ist eine Großsozietät? Schon diese Frage lässt sich nicht wirklich klar beantworten. Es gibt dafür keine verbindliche Definition. Ist die Größe entscheidend? Kommt es auf die internationale Ausrichtung an? Man findet sehr unterschiedliche Angaben: Googelt man die Begriffe „Definition Großkanzleien“, heißt es z. B.: „Von einer Großkanzlei, oftmals auch Wirtschaftskanzlei genannt, spricht man so 9 Ausführlich bei Pöllath/Saenger, 200 Jahre Wirtschaftsanwälte in Deutschland, 2009, S. 7 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen; viele weitere Nachweise bei Knöfel, Grundfragen der internationalen Berufsausübung von Rechtsanwälten, Diss. 2005, S. 547 ff.; vgl. auch Wegerich in Wegerich/Hartung (Hrsg.), Der Rechtsmarkt in Deutschland, 2014, S. 15 ff.; weiterhin Griffiths in Wegerich/ Hartung (Hrsg.), Der Rechtsmarkt in Deutschland, 2014, S. 50 ff. 10 Es ist sicher bezeichnend, dass in der Dissertation von Knöfel aus dem Jahr 2005 schon die schlichte Existenz einer Großsozietät als Berufsrechtsproblem angesehen wurde, und zwar nicht als zu prüfende These, sondern als Ausgangspunkt, vgl. Knöfel, Grundfragen der internationalen Berufsausübung von Rechtsanwälten, Diss. 2005, Überschrift zu § 11 „Struktur der Großsozietät als Berufsrechts problem“, S. 547 ff.
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Großsozietäten und die Anwaltschaft
bald zehn oder mehr Anwälte in einer meist international agierenden Kanzlei tätig sind.“11 Uwe Wesel meinte seinerzeit, dass es mindestens 20 Anwälte sein müssten, aber das war im Jahr 2001.12 An anderer Stelle findet man Angaben, wonach es sich um mindestens 100 Berufsträger handeln müsse.13 Das erscheint eher beliebig. Vermutlich ist es auch zweifelhaft, ob Großsozietäten tatsächlich als solche gelten, wenn sie bestimmte Größenvoraussetzungen erfüllen, oder ob es nicht weitere Kriterien gibt, die herangezogen werden müssen. Aber die Größe steht nichtsdestotrotz am Anfang: Im Jahr 1967 waren Kanzleien mit 10 Anwälten nach allgemeiner Auffassung große Büros, und es war eine Mindermeinung, die Walter Oppenhoff auf dem Deutschen Anwaltstag 1967 in Bremen vertrat – dass nämlich Kanzleien mit 10, 20 oder mehr Anwälten in Zukunft als mittelgroße Kanzlei gelten würde.14 Aber die Zahl 10 als Grenze zur Großkanzlei taucht heute noch auf. 1. Internationale Dimensionen Die internationalen Großsozietäten bewegen sich nicht nur weit jenseits dieser Zahlen, sondern bilden eine eigene Welt. An der Spitze steht Dentons mit knapp 6.600 Anwälten in 54 Ländern dieser Erde, fast 60 % davon in China, gefolgt von Baker & McKenzie mit gut 6.000 Anwälten in immerhin noch 47 Ländern. An dritter Stelle steht DLA Piper mit 3.750 Anwälten in 32 Ländern. Die kleinste Kanzlei in dieser Liste, Williams & Connolly aus den USA, hat immerhin noch 304 Anwälte, aber nur in einem Büro in Washington D.C. Linklaters steht in dieser Auflistung an 11. Stelle mit gut 2.200 Anwälten in 20 Ländern.15
11 Definition nach Jurakurs.de, vgl. https://jurakurs.de/grosskanzlei/, ähnlich bei Wikipedia, vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Anwaltskanzlei, Abfrage jeweils am 17.7.2017. 12 Wesel, Risiko Rechtsanwalt, 2. Aufl. 2001, S. 211, zitiert bei JuraWiki, vgl. http:// www.jurawiki.de/GroßKanzlei, Abfrage am 17.7.2017. 13 Vgl. https://www.talentrocket.de/glossar, Stichwort Großkanzlei, Abfrage am 17.7.2017. 14 W. Oppenhoff, Anwaltsgemeinschaften, ihr Sinn und Zweck, AnwBl 1967, 267, 268. 15 Tabelle der „World’s top 100 law firms by lawyer headcount“ bei Johnson, The Global 100: the world’s top-ranked law firms by revenue, lawyers and partner profits, Legal Week v. 26.9.2016, online verfügbar unter http://www.legalweek. com/sites/legalweek/2016/09/26/the-global-100-the-worlds-top-ranked-firmsby-revenue-lawyers-and-partner-profits/?slreturn=20170008181557, abgefragt am 17.7.2017.
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2. Deutsche Großsozietäten Legt man die jährlichen Erhebungen der Zeitschrift Juve Rechtsmarkt für den deutschen Markt zugrunde16, dann wird dort eine Gruppe von inzwischen 100 Kanzleien aufgeführt, die ihrerseits aber wiederum in Größe und Ertragskraft sehr unterschiedlich sind: Sieht man sich für den Zeitraum 2015/16 die nach Zahl der Berufsträger 100 größten in Deutschland tätigen Kanzleien an, dann steht an der Spitze CMS Hasche Sigle mit 560 Berufs trägern (davon 200 Partner), und an Position 100 steht die Sozietät Paul Hastings mit 15 Berufsträgern (davon 3 Partner). Paul Hastings ist das (kleine oder mittelgroße) deutsche Büro der internationalen US-Kanzlei Paul Hastings, die weltweit gut 900 Berufsträger in neun Ländern hat. Internationale Großkanzlei, aber Kleinkanzlei in Deutschland? Eher nicht: Es gibt keinen Zweifel, dass Paul Hastings auch in Deutschland zu den Großsozietäten gehört, egal wie groß oder klein die Kanzlei hier nun sein mag. Größe ist aber nicht alles, und schon gar nicht hat sie ohne weiteres mit Ertragskraft zu tun. Betrachtet man die Auflistung der 100 umsatzstärksten Kanzleien, dann steht an der Spitze Freshfields Bruckhaus Deringer mit einem Umsatz im Zeitraum 2015/16 von 367 Mio. Euro, der mit 473 Berufsträgern erzielt wurde. Das Schlusslicht bildet Schmidt von der Osten Huber mit 29 Berufsträgern und einem Umsatz von 12,9 Mio. Euro. Um einen gemeinsamen Nenner zu finden, hat sich in Deutschland zur Bewertung der Produktivität der Umsatz pro Berufsträger (abgekürzt UBT) herausgebildet, der mehr über die Qualität und Komplexität des bearbeiteten Mandatsaufkommens sagt, als etwa der Gewinn pro Partner. Legt man also den Umsatz pro Berufsträger zugrunde, dann stehen sich in Deutschland Freshfields mit einem UBT von 776.000 Euro und Schmidt von der Osten Huber mit einem UBT von 446.000 Euro gegenüber. Letzteres mag jetzt im Vergleich wenig erscheinen, aber: Der durchschnittliche Umsatz pro Anwalt in deutschen Sozietäten lag nach der aktuellen Erhebung des Instituts für Freie Berufe deutlich unter diesen Werten.17 Einzelanwälte erreichten einen persönlichen Umsatz von 146.000 Euro (Median18: 100.000 Euro), in 16 Die Zahlen des deutschen Rechtsmarktes werden jährlich im Oktoberheft der Zeitschrift Juve Rechtsmarkt veröffentlicht. Sie sind auch, versehen mit verschiedenen Auswertungsmöglichkeiten, online verfügbar, für den Zeitraum 2015/16 hier http://www.juve.de/rechtsmarkt/umsatzzahlen, abgefragt am 17.7.2017. 17 Gruhl, Umsatz- und Einkommensentwicklung in der Anwaltschaft: Der STAR-Bericht 2015/2016, BRAK-Mitt. 1/2017, 13 ff.; die Daten aus den Vorjahren bis Mitte der 90er Jahre bei Eggert, BRAK-Mitt. 4/2013, 154 ff. 18 Der Median ist der Wert, den 50 % der Befragten über- und die andere Hälfte unterschreiten. Durch den Median können extreme Datenwerte geglättet werden; vgl. dazu Gruhl, BRAK-Mitt. 1/2017, 13, 14. Für die Juve-Zahlen gibt es keine Median-Daten, allerdings ist das Datenmaterial überschaubar, so dass man darauf verzichten kann.
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Großsozietäten und die Anwaltschaft
lokalen Sozietäten lag der Umsatz pro Anwalt bei 198.000 Euro (Median: 160.000 Euro), und in überregionalen Sozietäten bei 324.000 Euro (Median: 202.000 Euro), alles bezogen auf die alten Bundesländer. In den neuen Ländern liegen die Werte noch einmal sichtbar niedriger. Diese Zahlen der unterschiedlichen individuellen Ertragskraft von Rechtsanwälten in verschiedenen Organisationsformen belegen, dass eine Großkanzlei mehr ist als die Addition vieler Einzelanwälte. Dies allein könnte nämlich nicht erklären, warum die individuelle Leistungsfähigkeit in Großsozietäten so ungleich viel höher ist als bei Einzelanwälten oder kleineren Einheiten. Es hat auch etwas mit der Art des Mandatsaufkommens zu tun, denn Großsozietäten bearbeiten überwiegend ertragreiche Mandate gewerblicher Mandanten. Das können sie aber nur, weil sie strukturell und kulturell in der Lage sind, aus vielen Individualisten Teams für komplexe Mandatsherausforderungen zusammenzustellen, also für Unternehmens transaktionen, grenzüberschreitende Angelegenheiten, umfangreiche Gerichtsprozesse und Schiedsverfahren oder sehr spezielle Kapitalmarkttransaktionen. Das erfordert so viel unterschiedlichen juristischen Sachverstand, den ein Einzelner nicht bieten kann. Folglich können Einzelanwälte schon wegen der Natur der Sache solche Mandate nicht schultern. Aber auch Anwaltsgemeinschaften, die aus teamunfähigen Individualisten bestehen, können solche komplexen Mandate nicht bewältigen. Identitätsstiftend für die Großkanzlei ist daher die Bereitschaft der Partner, gemeinsam für Mandanten zu agieren, wobei in dem Wort „gemeinsam“ eine gewisse Aufgabe eigener Unabhängigkeit steckt: Teamfähigkeit bedeutet die Fähigkeit, sich ein- oder manchmal unterordnen zu können, und ohne die Bereitschaft von Partnern einer Sozietät, auf das eigene Vetorecht zu verzichten und sich der Mehrheit zu fügen, würde es nicht funktionieren. Eine Kanzlei mit 100 einzelkämpfenden Individualisten wäre demnach keine Großkanzlei, sondern nur eine große Kanzlei. Die Addition der individuellen Ertragskraft von Einzelanwälten führt niemals zu der (individuellen) Ertragskraft echter Großsozietäten, sondern bedeutet wegen der naturgemäß höheren Kosten großer Anwaltsorganisationen sogar ein existentielles Risiko. 3. Kriterien für Großsozietäten Für die Definition der Großkanzlei spielen also verschiedene Faktoren eine Rolle: Die Zahl der Berufsträger (also die Größe), ganz überwiegend wirtschaftsrechtliche Beratung für mittlere und große Mandanten (national wie international) durch regelmäßig mehrere Anwälte im Team, ausgedrückt in einer deutlich höheren individuellen Ertragskraft einzelner Anwälte in solchen Kanzleien. Die Zahl der Berufsträger spielt sicherlich eine wesentliche Rolle, aber dass ab 10 Anwälten schon die Welt der Großsozietäten beginnen soll, ist verkürzt. Hilfreich ist die von Tausch entwickelte Kanzleitypo43
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logie, die neben der Größe auch das Leistungsportfolio sowie den Organisationsgrad mit professionellem Management berücksichtigt: Danach haben Großsozietäten mindestens 50 Berufsträger, betreuen zu gut 80 % gewerbliche Mandanten und sind überwiegend beratend oder in großvolumigen Prozess- und Schiedsverfahren tätig.19 Dabei stellt er nur auf die in Deutschland tätigen Anwälte ab, was bei kleinen deutschen Büros internationaler Kanzleien bedeuten würde, dass sie aus diesem Kreis herausfallen (siehe das Beispiel von Paul Hastings oben). Das ist jedoch nicht richtig, denn auch die Arbeitsweisen in kleinen nationalen Büros internationaler Kanzleien entsprechen den Tätigkeiten in einer Großkanzlei, was Mandatsgeschäft, Mandantentypologie und Managementstruktur angeht. Letzteres, die Managementstruktur, ist das, was aus Sicht der Anwaltschaft (außerhalb der Großsozietäten) von Übel ist: Denn das Management steht dafür, dass der Anwalt seine Unabhängigkeit, die doch zu den Kernwerten der anwaltlichen Profession gehört, komplett aufgibt, was wiederum der Beleg dafür sei, dass in Großsozietäten keine echten Anwälte mehr tätig seien. Tatsächlich heißt es in § 43a Abs. 1 BRAO, dass der Anwalt keine Bindungen eingehen darf, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden. Ist das ein valides Argument gegen die Großkanzlei?20 Darauf kommen wir später zurück.
III. Anwaltsgemeinschaften: Fremdkörper im Berufsrecht Anwaltsgemeinschaften gab es in Deutschland schon immer, allerdings mit räumlichen Beschränkungen. Bis zu der bereits genannten Entscheidung des BGH vom 18.9.198921 gab es nur Kanzleien mit einem Büro an einem Ort. Sowohl überörtliche wie auch sog. intra-urbane Kanzleien galten als unzulässig. Damit war Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zurückgefallen, denn z. B. in England, aber auch in Belgien und den Niederlanden waren sehr große Kanzleien mit mehreren Standorten und einer expansiven Strategie entstanden. Nach der BGH-Entscheidung bildeten sich in schneller Folge viele dieser überörtlichen Sozietäten. Nicht alle bestehen heute noch, die meisten dieser überörtlichen Fusionen hatten nach ihrer ersten Gründung eine sehr wechselvolle Geschichte.22 19 Tausch in Wegerich/Hartung (Hrsg.), Der Rechtsmarkt in Deutschland, 2014, S. 388, 418 f. 20 Dazu Hartung, Rechtsanwälte und Führung – ein Widerspruch?, AnwBl 2010, 244. 21 BGH v. 18.9.1989 – AnwZ (B) 30/89, BGHZ 108, 290; zu den Hintergründen dieser Entscheidung vgl. die Nachweise oben in Fn. 2. 22 Diese Entwicklung ist ausführlich dargestellt bei Pöllath/Saenger, 200 Jahre Wirtschaftsanwälte in Deutschland, 2009, S. 7 ff. mit zahlreichen weiteren
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Großsozietäten und die Anwaltschaft
Das anwaltliche Berufsrecht sowie das Bewusstsein in weiten Teilen der Anwaltschaft entwickelten sich nicht in gleichem Maße. Überregionale Sozietäten waren nun erlaubt, aber das war auch alles. Das seit dem Ende der Geltung der Standesrichtlinien im Wiederaufbau befindliche anwaltliche Berufsrecht brauchte sieben Jahre, bis im Jahr 1994 eine Regelung wie § 59a BRAO in Kraft trat. Konzeptionell fremdelt das Berufsrecht heute noch mit Sozietäten, nicht nur mit überörtlichen Großsozietäten: Denn das Berufsrecht orientiert sich ganz wesentlich am Einzelanwalt. Regelungen über die anwaltliche Berufsausübungsgemeinschaft in den §§ 59a ff. BRAO befassen sich nur mit strukturellen Regelungen, nicht aber mit der mindestens genau so wichtigen Pflichtenverteilung zwischen einzelnem Anwalt als Mitglied einer Sozietät und der Sozietät als solcher. Das aber ist wiederum keine Besonderheit der Großsozietäten, sondern Ausdruck eines seit Ewigkeiten tiefsitzenden Misstrauens gegenüber Anwälten, die sich zur gemeinsamen Berufsausübung (und nicht nur zur Kostenteilung) zusammengeschlossen haben. Schon im Jahr 1905 assoziierte man „einen kaufmännischen Betrieb mit mechanischer Betriebsamkeit und geschäftsmäßiger Routine statt guter anwaltlicher Leistung (…).“ Noch 1932 beklagte (man) „die großbetriebliche, fabrikmäßige und unpersönliche Berufsausübung in einer Sozietät“23. Diese Darstellungen aus den Jahren 1905 und 1932 würden viele Anwälte aus kleinen Kanzleien vermutlich heute noch unterschreiben, wenn sie die – ihnen weitgehend unbekannte – Arbeitsatmosphäre in Großsozietäten beschreiben müssten. Auch der BGH brauchte einige Anläufe, bis er sich mit dem Konzept einer Sozietät anfreunden konnte: Noch im Jahr 1963 meinte er, „dass durch einen Prozessauftrag an die in Art einer privatrechtlichen Gesellschaft zusammengeschlossenen Anwaltssozietät, regelmäßig gerade kein Vertrag mit der Sozietät dahin zustande kommt, dass alle in der Sozietät zusammengeschlossenen Anwälte gemeinsam beauftragt werden … Der Mandant beauftragt nur einen Anwalt, der aber befugt ist, jeden zur Sozietät gehörenden Anwalt beliebig als Vertreter, Substituten oder Mitarbeiter heranzuziehen, für den er gemäß § 278 BGB haftet“24. Nach dem beherzten und wegweisenden Votum von Walter Oppenhoff für die Vorzüge der Anwaltsgemeinschaft im Jahr 196725 dauerte es noch bis zum Jahr 1971, als der BGH anerkannte, dass die gemeinsame Berufsausübung von Anwälten, verbunden mit gemeinsamer Nachweisen; vgl. auch Wegerich in Wegerich/Hartung (Hrsg.), Der Rechtsmarkt in Deutschland, 2014, S. 15 ff.; weiterhin Griffiths in Wegerich/Hartung (Hrsg.), Der Rechtsmarkt in Deutschland, 2014, S. 50 ff. 23 Darstellung übernommen von Brüggemann in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl. 2016, § 59a Rz. 3 m. w. N. 24 BGH v. 29.4.1963 – III ZR 211/61, NJW 1963, 1301. 25 W. Oppenhoff, Anwaltsgemeinschaften, ihr Sinn und Zweck, AnwBl 1967, 267, 268.
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Mandatsannahme, in Form einer GbR überhaupt möglich war.26 Es vergingen noch einmal 30 Jahre, bis der BGH die Rechtsfähigkeit der GbR erkannte.27 Beide Entscheidungen, die vom 6.7.1971 und die vom 29.1.2001, sind bis heute nicht im Berufsrecht umgesetzt worden: Als Beispiel mag genügen, dass die mandatierte Sozietät (in Rechtsform der GbR, immer noch die populärste und am häufigsten vorkommende Art des anwaltlichen Zusammenschlusses) als solche nach wie vor nicht postulationsfähig ist, auch wenn sie als solche beauftragt ist. Also selbst in einem Kerngebiet, nämlich der Prozessführung, wo Anwälte doch noch am ehesten dem traditionellen Berufsbild entsprechen, bewegen sie sich als Anwaltsgemeinschaft in einer rechtlichen Grauzone.
IV. Beziehungskrise 1. Erfolgreiche Entwicklung der Großsozietäten Unabhängig von diesem nicht passenden regulatorischen Umfeld entwickelten sich die Großsozietäten sehr erfolgreich. Unmerklich bildete sich eine eigene Welt, die sich schleichend von der Anwaltschaft entfernte – oder die Anwaltschaft entfernte sich von den Großsozietäten, so genau kann man das nicht sagen. Aber die anwaltliche Arbeit, die anwaltliche Büroorganisation, die Berufsausübung, das Selbstverständnis als Organ der Rechtspflege (und nicht auch als freiberuflicher Unternehmer), entwickelten sich bei „der Anwaltschaft“ in eine völlig andere Richtung als bei den Großsozietäten. Während man sich in der Anwaltschaft über die Größe von Kanzleischildern, Gestaltung von Werbeanzeigen in Tageszeitungen und die Veranstaltung von Vernissagen in Büroräumen mit der Kammer stritt, bauten die Großsozietäten ein Management mit professionellen Marketing- und PR-Abteilungen auf. Während in kleineren Kanzleien Entscheidungen nur im Konsens oder gar nicht getroffen wurden, entwickelten die Großsozietäten ein modernes System der Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf Gremien, und während die Anwaltschaft einerseits am System staatlich vorgegebener Gebührentafeln festhielt, gleichzeitig aber beklagte, honorarmäßig vom Gesetzgeber im Stich gelassen zu werden28, orientierten sich Großsozietäten am angloamerikanischen Abrechnungsmodell nach Stunden und Leverage, womit sie lange Jahre sehr profitabel waren, und heute, allen Unkenrufen zum Trotz, auch noch sind: Denn 26 BGH v. 6.7.1971 – VI ZR 94/69, BGHZ 56, 355 ff.; die geschichtliche Entwicklung des Sozietätsrechts ist sehr instruktiv bei Brüggemann in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl. 2016, § 59a Rz. 1 ff. dargestellt. 27 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 ff. 28 Geradezu klassisch die Elegie bei W. Hartung, Die Anwaltschaft im wirtschaftlichen Abseits, AnwBl 2002, 268 ff.
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Großsozietäten und die Anwaltschaft
die Abrechnung nach Zeit ist dafür, dass sie tot sein soll, sehr lebendig. Strategische Ausrichtung war (und ist) ein Fremdwort für weite Teile der Anwaltschaft (abgesehen vom Wunsch nach hohen Streitwerten), während Großsozietäten meistens sehr klare Vorstellungen davon haben, für welche Mandanten sie was leisten wollen, und sich auch am Markt entsprechend verhalten. Wirtschaftlich waren (und sind) sie damit ungleich erfolgreicher als kleinere Sozietäten oder gar Einzelanwälte: denn die in der Regel ertrag reichere wirtschaftsrechtliche Beratung wurde dadurch von Wirtschafts sozietäten vereinnahmt, während die Beratung und Vertretung von Verbrauchern in den Fällen des täglichen Lebens (Familienrecht, Mietrecht, Verkehrsunfälle, Arbeitsrecht für Arbeitnehmer usw.) für die restliche Anwaltschaft blieb. In der Folge verschwand das Prinzip der Quersubventionierung kleiner Streitwerte durch große Streitwerte, denn die „teuren“ Verfahren wurden von den wirtschaftsberatenden Sozietäten übernommen, die kleinen Streitwerte verblieben bei der restlichen Anwaltschaft. Das mag jetzt etwas schwarz-weiß erscheinen, ist aber im Wesentlichen zutreffend. 29 2. Das Nichtverhältnis zu den Anwaltskammern Und das Verhältnis zur Aufsichtsbehörde, zu den regionalen Kammern? Existierte quasi nicht. Nach Aushändigung der Ernennungsurkunde schieden sich zwischen Großkanzleianwalt und Kammer auf immer die Wege.30 Man könnte den Eindruck bekommen, dass Anwälte in Großsozietäten nie etwas mit den Kammern als Aufsichtsbehörden zu tun haben. Aber es ist ja auch ein gutes Zeichen, wenn man sein Berufsleben so organisiert, dass es für eine Kammer keine Veranlassung gibt, aufsichtsrechtlich einzuschreiten. Kammern verstehen sich jedoch nicht nur als Aufsichtsbehörde, sondern auch als Garant der Selbstverwaltung der Anwaltschaft, frei von direkten staatlichen Eingriffen. Das hatte aber im Selbstverständnis der Großsozietäten keine besondere Bedeutung – Kammern galten nicht als Ausdruck eines staatsfreien Selbstverwaltungssystems, sondern als rückwärtsgewandte, kleingeistige und weltfremde Behörden. Es ist schon aus Sicht einer Kanzlei mit mehreren deutschen Büros nicht recht nachvollziehbar, warum es in Deutschland regionale Kammern gibt. Dieses Kammersystem stammt ersichtlich aus alten Zeiten, als anwaltliche Tätigkeit hauptsächlich örtlich gebunden war. Diese Zeiten sind längst vorbei, gleichwohl gibt es das System der regionalen oder örtlichen Kammern immer
29 Hommerich/Kilian u. a., Quersubventionierung im RVG: Fiktion oder Wirklichkeit?, AnwBl 2006, 406 f. 30 Vgl. dazu Heckelmann, Großkanzleien und Selbstverwaltung, NJW 2005, 3050 ff.
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noch.31 Wäre eine staatliche Aufsicht durch die Justizverwaltung so viel schlimmer gewesen als Anwaltskammern? Das kann man bezweifeln. Denn in Wirklichkeit verstanden die Kammern nicht, was bei Großsozietäten passierte, und Partner aus Großsozietäten „hatten besseres zu tun“, als sich in der Selbstverwaltung zu engagieren oder wenigstens einmal im Jahr die Kammerversammlung zu besuchen. Aus Sicht der Großsozietäten hatten Kammern einerseits nichts zu bieten und andererseits kein Verständnis für die Arbeitsweisen und Erforderlichkeiten großer und international agierender Kanzleien. Mit wem hätte man über double deontology und die Besonderheiten des ausländischen Berufsrechts diskutieren können, was die Großsozietäten häufig vor schier unüberwindliche Hürden stellte? 3. Kühle Ko-Existenz und weitgehende Selbstregulierung der Großsozietäten Man könnte das als friedliche, aber kühle Ko-Existenz bezeichnen. Die Rechtsanwaltskammern lebten sich dafür an der restlichen Anwaltschaft aus, befassten sich mit Beschwerden frustrierter Bürger, schrieben Gutachten über RVG-Rechnungen und rügten Anwälte, wenn deren Werbemaßnahmen oder andere Verhaltensweisen unangemessen erschienen.32 Um die Großsozietäten machten die Kammern einen großen Bogen. Es gab auch keinen Anlass, der sich den Kammern hätte aufdrängen müssen. Denn eigentlich musste man sich um die berufsrechtliche Compliance der Großsozietäten nicht kümmern. Großsozietäten regulieren sich häufig selber sehr wirksam, denn sie bewegen sich in einem vergleichsweise kleinen und transparenten Markt. Fehltritte werden nicht nur von den betroffenen Mandanten wahrgenommen, sondern von diesen regelmäßig auch weiterberichtet, oder man findet Geschichten darüber in Juve, der LTO oder anderswo. Natürlich erfahren es auch die Konkurrenten, die das ihrerseits weitergeben. Diese Transparenz führt dazu, dass Großsozietäten sich häufig besonders aufmerksam an die Regeln halten. Jede Beeinträchtigung der Reputation kann in einem solchen Markt von erheblicher Bedeutung sein und sehr nachteilige Folgen haben. Die Transparenz sorgt also für Compliance. Bekanntlich ist das in der (übrigen) Anwaltschaft anders, denn dort gibt es keine entsprechende Transparenz. Selbst Verhandlungen vor dem Anwaltsgericht finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
31 Dazu ergänzend: Dass in der Hauptversammlung der BRAK jede Kammer eine Stimme hat, unabhängig davon, ob sie von mehr als 20.000 Anwälten gebildet wird (wie München) oder aus gut 50 (Anwaltschaft beim BGH), ist ein weiterer Anachronismus, dessen fortgesetzte Existenz nur mit unguten Beharrungskräften erklärt werden kann. 32 Zum Kammerwesen vgl. die Philippika von Kleine-Cosack, BRAO, 6. Aufl. 2009, § 177 BRAO Rz. 7 ff.
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Das heißt nicht, dass Großsozietäten unregulierte oder gar regulierungsfreie Einheiten sind, im Gegenteil. Man muss sich nur den Aufwand anschauen, den Großsozietäten im Bereich der Geldwäscheprävention betreiben müssen, etwa mit Bestellung eines Geldwäschebeauftragten. In kleineren Kanzleien oder gar bei Einzelanwälten ist das Geldwäschegesetz vermutlich weitgehend unbekannt, Präventionsmaßnahmen existieren nicht, und eine funktionierende Aufsicht gibt es ebenfalls nicht. Es gibt viele andere Beispiele anwaltlicher Compliance, wo Großsozietäten deutlich höheren Aufwand betreiben als kleinere Kanzleien oder Einzelanwälte. Wenn ich es richtig sehe, gab es überhaupt nur ein Großkanzlei-typisches berufsrechtliches Problem, das öffentlich diskutiert wurde, nämlich die sog. Sozietätswechselthematik vor dem Hintergrund des damaligen § 3 BORA a. F. Ausgelöst wurde die Auseinandersetzung interessanterweise aber nicht durch Großsozietäten, sondern durch den Streit zweier örtlicher Sozietäten in Ravensburg. Nach § 3 BORA a. F. konnten (angestellte) Anwälte kaum in andere Sozietäten wechseln, wenn die beiden Sozietäten sich in Mandaten gegenüberstanden, weil das für die aufnehmende Kanzlei bedeuten konnte, Mandate niederlegen zu müssen. Verständnis von der zuständigen Kammer war nicht zu erwarten. Erst eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde und in deren Folge die Nichtigkeitserklärung der Norm motivierte die Satzungsversammlung, eine verfassungsfeste Regelung zu verabschieden.33 Aber alle anderen wesentlichen Entscheidungen, vom Erfolgshonorar über die Singularzulassung oder das Werberecht34, waren nicht großkanzleibedingt. Sonstige Beispiele wesentlicher aufsichtsrechtlicher Maßnahmen gegenüber Großkanzleianwälten sind dem Verfasser nicht bekannt.35 Aber nicht nur in aufsichtsrechtlicher Hinsicht lebten die Großsozietäten in ihrer eigenen Welt: sie engagierten sich auch nicht in der Satzungsversammlung, dem Parlament der Anwaltschaft, das etwa für den Erlass der Berufsordnung (BORA) und der Fachanwaltsordnung (FAO) zuständig ist. So entwickelte sich das Berufsrecht, schon damals nicht mehr zeitgemäß, auch auf Satzungsebene in eine Richtung, die mit der Welt der Großsozietäten nichts mehr zu tun hatte. Sie interessierten sich auch nicht dafür, und die restliche Anwaltschaft sah keine Veranlassung, auf die Großsozietäten zuzugehen. Man sah oder traf sich ohnehin nicht, weder auf Kammerver33 BVerfG v. 3.7.2003 – 1 BvR 238/01, BVerfGE 108, 150 ff.; das Thema bereitet heute noch Schwierigkeiten, vgl. LG Karlsruhe v. 16.10.2016 – 10 O 219/16, AnwBl Online 2017, 23 ff. 34 BVerfG v. 12.12.2006 – 1 BvR 2576/04, BVerfGE 117, 163 ff. (Erfolgshonorar); BVerfG v. 13.12.2000 – 1 BvR 335/97, BVerfGE 103, 1 ff. (Singularzulassung); BGH v. 19.7.2014 – I ZR 188/12, NJW-RR 2015, 492 (Werberecht; Auslegung des § 43b BRAO im Lichte von Art. 24 der Dienstleistungsrichtlinie). 35 Das heißt nicht, dass es keine berufsrechtlichen Themen gab, sondern meint, dass die Kammern davon häufig nichts wussten oder sich aus anderen Gründen
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sammlungen noch in den örtlichen Anwaltsvereinen, und schon gar nicht stand man sich bei Gericht gegenüber. Nach einigen Jahren hatte sich ein klassisches Nichtverhältnis entwickelt, mit nicht besonders ausgeprägter Wertschätzung. Das konnte nicht lange gutgehen.
V. Die „Spaltung der Anwaltschaft“ Am 20.4.2005 war es so weit: Im Handelsblatt berichtete Jan Keuchel unter der Überschrift „Anwaltschaft droht Spaltung – ein Konflikt Groß gegen Klein“ über eine Studie, die sich erstmals mit der personellen Zusammensetzung der Satzungsversammlung befasst hatte. Am 3.5.2005 zog Martin Huff, damals Chefredakteur der NJW, in der Financial Times Deutschland nach, mit dem Titel „Die deutsche Anwaltschaft ist gespalten“. Die zitierte Studie hatte nichts anderes getan als die Zusammensetzung zu veröffentlichen und einige prozentuale Berechnungen vorzunehmen. Von 137 Mitgliedern waren nur noch sechs aus Großsozietäten, ansonsten waren dort Einzelanwälte und Vertreter kleiner Kanzleien (bis zu höchstens 4 Berufs trägern) vertreten. Die Mitglieder waren überwiegend ältere Kollegen, der Frauenanteil lag bei 26 %. Nun hatte die Studie nichts Neues herausgefunden, vielmehr lag ihr Verdienst darin, etwas aufgedeckt zu haben, was vorher unter der Decke gehalten worden war: Über die Zusammensetzung der Satzungsversammlung gab es nämlich keinerlei offiziell zugängliche Informationen.36 Aber nun war die Katze aus dem Sack. Hans-Jürgen Hellwig, Partner bei Hengeler Mueller und ehemaliger Präsident des CCBE, kommentierte das mit dem Hinweis, die Großsozietäten fühlten sich dort „mit ihren Problemen nicht mehr wahrgenommen“. Das konnte auch nicht ernsthaft bestritten werden, aber der damalige DAV-Präsident Hartmut Kilger erwiderte spitz, dass „die Kleinen (…) sich von den Großen ignoriert“ fühlten. Abgesehen von diesen Rempeleien hatte sich offenbart, was niemand vorher zugegeben hatte: Die Welten der Großsozietäten und der kleine(re)n Kanzleien hatten sich vollständig voneinander entfernt. Eine einheitliche Anwaltschaft war nur noch eine Chimäre. Die Satzungsverentschieden, sich damit nicht zu befassen. Zu den berufsrechtlichen Fragen vgl. aber unten sub. VII. 36 Eine Zusammenfassung der wesentlichen Studienergebnisse befindet sich hier: http://www.vermontberatung.de/wp-content/uploads/2010/01/06-PM-Auswer tungSatzungsvers-05-03-16.pdf, Abfrage 17.7.2017. Die Studie enthält weitere Details über die personelle Zusammensetzung, die aus heutiger Sicht völlig unverständlich waren, ganz davon abgesehen, dass das „Parlament der Anwaltschaft“ es für richtig erachtete, die einzelnen Parlamentsmitglieder nicht bekanntzugeben.
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sammlung befasste sich mit Themen, die ausschließlich für Einzelanwälte und Kleinkanzleien von Bedeutung waren, während die Themen der Großsozietäten ignoriert wurden, wenn sie denn überhaupt bekannt waren. Neben den Fragen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und den Regeln über die Vertretung widerstreitender Interessen konnte man das bei den Fachanwaltschaften besonders deutlich sehen: Die Rechtsgebiete, die hauptsächlich von großen Sozietäten bearbeitet werden – Gesellschaftsund Handelsrecht, Wettbewerbsrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht – wurden links liegen gelassen, und in der Auswahl der verschiedenen Fachanwaltschaften fand sich ganz überwiegend verbraucherbezogenes Recht – eine Domäne der Einzelanwälte und Kleinkanzleien. Weiterhin war für den Erwerb eines Fachanwaltstitels erforderlich, dass der Bewerber möglichst viele Fälle bearbeitet hatte, ganz gleich wie umfangreich die Mandate waren. Da konnten Großkanzleianwälte nicht mithalten, die regelmäßig wenige, dafür aber besonders umfangreiche Mandate bearbeiten. In der damaligen Diskussion wurde auch darauf hingewiesen, die Großsozietäten seien angesichts ihrer wirtschaftlichen Bedeutung völlig unterrepräsentiert. Daran ist allein richtig, dass Großsozietäten pro Kopf viel ertragreicher sind als kleine Kanzleien. Nach neueren Erhebungen stellen die Top50 der umsatzstärksten Kanzleien in Deutschland gut 4 % der Anwaltschaft, erwirtschaften aber knapp 20 % des gesamten Honorarvolumens im Rechtsmarkt.37 Das war damals ähnlich. Aber damals wie heute wäre es eher entfernt liegend, auf Basis der wirtschaftlichen Leistungskraft ein größeres Mitspracherecht zu erwarten.
VI. Der BRAK-Dialog mit den Großsozietäten Angesichts dieser Entwicklungen und der Spaltungsdiskussion wurde die BRAK aktiv. Auf Initiative von Axel Filges, Partner von Taylor Wessing und Vizepräsident der BRAK, fand am 21.9.2005 ein als „BRAK-Dialog mit den Großsozietäten“ bezeichnetes Treffen statt. Es war: ein Beziehungsgespräch, mit allem, was zu einem zünftigen Beziehungsgespräch gehört. Immerhin wurde offen miteinander gesprochen, man sagte sich Dinge, die man schon immer mal loswerden wollte. Corinna Budras berichtete über das Treffen in der FAZ vom 27.9.2005 unter der Überschrift „‚Kammermuff ‘ schreckt Großkanzleien ab“. Das bezog sich noch auf einen der freundlicheren Wortbeiträge, darüber hinaus beschwerten sich die Vertreter der anwesenden Großsozietäten bitter darüber, dass sie von der verfassten Anwaltschaft nicht nur ignoriert, sondern gar bekämpft worden seien. Das Eingangsrefe37 Hartung in Wegerich/Hartung (Hrsg.), Der Rechtsmarkt in Deutschland, 2014, S. 366, 370; Hartung/Weberstaedt, Marktentwicklung bei großen Kanzleien in Deutschland, AnwBl 2011, 607 ff.
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rat von Günther Heckelmann, damals Managing Partner von Baker & McKenzie, stellte gar die Frage, ob Großsozietäten überhaupt noch auf die anwaltliche Selbstverwaltung angewiesen seien, denn die Kammern kümmerten sich nicht um die großkanzleispezifischen Nöte, und sie verstünden auch nichts davon.38 Die Diskussion behandelte dann aber nach dem ersten Austausch von Unfreundlichkeiten und einem halben Kotau der BRAK in sehr sachlicher Form die Themen, welche aus Sicht der Großsozietäten regelungsbedürftig waren. Zuletzt hatte sich die Anwaltschaft dann doch nicht gespaltet. An das erste Treffen schlossen sich weitere Treffen an, die sich zu einem sehr intensiven Dialog mit der BRAK entwickelten, und auch als Axel Filges zum Präsidenten der BRAK gewählt wurde, blieben diese Gespräche seine Sache, für die er sich immer Zeit nahm. Die Gesprächsrunde erweiterte sich dann um Rechtsabteilungsleiter aus großen deutschen Unternehmen und entwickelte sich zu einem Gesprächskreis Unternehmens- und Wirtschaftsrecht. Kurz nach der Initiative der BRAK ging auch der DAV auf die großen Sozietäten zu. Heute findet man viele Anwälte aus den Großsozietäten, die sich in den regionalen Kammern, der BRAK und im DAV engagieren. Ein Beispiel: Von den 16 Mitgliedern des Berufsrechtsausschusses des DAV kommen vier Mitglieder aus Großsozietäten (und der Verfasser als Vorsitzender hat zumindest einen Großkanzleihintergrund). Die restlichen 12 Mitglieder verteilen sich auf die gesamte Breite der anwaltlichen Berufstätigkeit, von der Einzelanwältin über Angehörige kleiner spezialisierter Kanzleien über Syndikusanwälte bis zum BGH-Anwalt. Fünf Mitglieder sind weiblich, das entspricht ungefähr dem Anteil der Anwältinnen in der deutschen Anwaltschaft. Die Zusammensetzung im BRAK-Pendant, dem Ausschuss Bundesrechtsanwaltsordnung, entspricht noch eher vergangenen Zeiten: Von den 10 Mitgliedern ist ein Mitglied weiblich, ein Mitglied war früher in einer Großkanzlei, die übrigen Mitglieder stammen aus kleinen oder mittleren Sozietäten.39 38 Vgl. Heckelmann, Großkanzleien und Selbstverwaltung, NJW 2005, 3050 ff.; im Ergebnis hatte Heckelmann aber die Notwendigkeit der anwaltlichen Selbstverwaltung auch für Großkanzleien bejaht. Der Beitrag ist sehr lesenswert, weil er alle Probleme auflistet, die im Jahr 2005 bestanden. Ähnlich lesenswert die Erwiderung des damaligen wie heutigen Sprechers der Geschäftsführung der BRAK Göcken, Noch einmal Großkanzlei: Selbstverwaltung ist keine Bringschuld, NJW 2005, 3261 f.; nach Lektüre dieses Beitrags versteht man den damaligen Frust der Großkanzleien noch besser. 39 Neben BRAK und DAV gibt es natürlich noch die internationalen Anwaltsorganisationen, in denen die berufsrechtlichen Fragen der Großsozietäten und der grenzüberschreitenden anwaltlichen Tätigkeit behandelt werden; eingehend dazu Hellwig in DAV (Hrsg.), Anwälte und ihre Geschichte, Zum 140. Gründungsjahr des Deutschen Anwaltvereins, 2011, S. 1185 ff.
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Großkanzleien setzen sich seitdem auch sehr viel intensiver mit den Besonderheiten des anwaltlichen Berufsrechts auseinander. So hatten sie im Rahmen der Neufassung des § 3 BORA nach der Sozietätswechslerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts viele Gespräche mit der BRAK und anderen am Verfahren Beteiligten, um auf die Besonderheiten in Anwaltsgemeinschaften hinzuweisen und mögliche Lösungswege aufzuzeigen. Das prominenteste Beispiel ist allerdings die Schaffung der PartGmbB: Dass es diese Gesellschaftsform heute gibt, ist einer Initiative dreier großer deutscher Sozietäten zu verdanken. Der Berufsrechtsausschuss des DAV hatte die Initiative aufgegriffen und vorangetrieben, später gesellte sich auch die BRAK dazu. Es war dann ein gemeinsamer Kraftakt, diese Initiative zum Erfolg zu bringen. Inzwischen gilt diese Gesellschaftsform als Bestseller, die nicht nur von Großsozietäten, sondern gerade von vielen kleinen und mittleren Kanzleien übernommen worden ist.40 Wie auch immer: Der „Kammermuff “ hat sich verzogen. Beziehungsgespräche führt niemand mehr. Bevor wir uns mit dem Thema Großsozietäten und Berufsrecht befassen, eine kurze abschließende Bemerkung: Bei Oppenhoffs war das Verhältnis zur organisierten Anwaltschaft schon immer anders als bei anderen großen Kanzleien. Das lag nicht nur daran, dass Walter Oppenhoff von 1959 bis 1963 Präsident des DAV war. Hier war es üblich, dass neue Mitarbeiter mit dem Arbeitsvertrag auch einen Mitgliedsantrag für den örtlichen Anwaltsverein unterschrieben, und viele Partner engagierten sich in Kammervorständen oder in Gesetzgebungsausschüssen des DAV. Das gehörte damals einfach dazu.
VII. Großsozietäten und anwaltliches Berufsrecht 1. Das anwaltliche Berufsbild, Teil 1 Obwohl sich auch das Verhältnis zwischen Großsozietäten und Anwaltschaft inzwischen normalisiert hat, bleibt die Frage, ob die Großsozietäten, gemessen an den core values der Anwaltschaft, Sonderfälle sind. Vermutlich muss man gleich zu Beginn die Frage des anwaltlichen Berufsbildes an sprechen, zusammen mit der Freiheit der Advokatur (§ 1 BORA) und der Eigenschaft des Rechtsanwalts als unabhängigem Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO). Nach § 1 Abs. 2 BORA dienen die Freiheitsrechte des Rechtsanwalts der Teilhabe des Bürgers am Recht. Die anwaltliche Tätigkeit dient 40 In der Wissenschaft gibt es allerdings auch Skeptiker, vgl. Henssler, Die LLP als bessere Alternative zur PartG mbB, NJW 2014, 1761; Henssler ist allerdings ohnehin kein Freund des PartGG.
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der Verwirklichung des Rechtsstaats, § 1 Abs. 2 Satz 2 BORA. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht in der Sozietätswechslerentscheidung vom 3.7.2003 gesagt41: Als unabhängige Organe der Rechtspflege und als berufene Berater und Vertreter der Rechtsuchenden haben Anwälte die Aufgabe, sachgerechte Konfliktlösungen herbeizuführen, vor Gericht zugunsten ihrer Mandanten den Kampf um das Recht zu führen und dabei zugleich staatliche Stellen möglichst vor Fehlentscheidungen zu Lasten ihrer Mandanten zu bewahren (vgl. BVerfGE 76, 171 [192]). Die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben setzt den unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Rechtsanwalt voraus. Diese Eigenschaften stehen nicht zur Disposition der Mandanten. Der Rechtsverkehr muss sich darauf verlassen können, dass der Pflichtenkanon des § 43a BRAO befolgt wird, damit die angestrebte Chancen- und Waffengleichheit der Bürger untereinander und gegenüber dem Staat gewahrt wird und die Rechtspflege funktionsfähig bleibt (vgl. BVerfGE 63, 266 [284]; 93, 213 [236]).
Das wirft zwei Fragen auf: Kann man sich danach Anwälte in Großsozietäten überhaupt als Anwälte im Sinne des Gesetzes und dem Verständnis des Bundesverfassungsgerichts vorstellen? Und falls die Antwort ja lautet: Ist bei Großsozietäten gesichert, dass der Pflichtenkanon des § 43a BRAO befolgt wird? a) Organe der Rechtspflege? Zur ersten Frage: Kann man Anwälte in Großsozietäten noch als Organe der Rechtspflege bezeichnen? Helfen sie dem Bürger beim Zugang zum Recht? Sind sie nicht viel eher gewerbliche und kommerzielle Unternehmen, deren Eigentümer und fachliche Mitarbeiter hohe juristische Expertise aufweisen? Sind diese Eigentümer, also die Rechtsanwälte als Partner, nicht eher hochspezialisierte Kaufleute?42 Aber diese Fragen führen nirgendwo hin. Denn, bei allem Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht, muss doch die Frage lauten, ob das Gericht noch die Realität vor Augen hatte, oder von welcher Realität es im Jahre 2003 ausgegangen war. Der erste Satz des vorgenannten Zitats legt den forensischen Anwalt zugrunde, der seine Mandanten ganz überwiegend vor Gericht vertritt, und in jedem Mandat konfliktbegleitend tätig wird. Aber: Was ist mit den wirtschaftsbe41 BVerfG v. 3.7.2003 – 1 BvR 238/01, BVerfGE 108, 150 ff. Rz. 44 (zitiert nach der Wiedergabe der Entscheidung auf der Homepage des BVerfG, http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20030703_1bvr023801). 42 Begriff nach Hellwig, Der Rechtsanwalt – Organ der Rechtspflege oder Kaufmann, AnwBl 2004, 213, 222; Hellwig sprach bewusst von der Anglisierung, nicht von der Angloamerikanisierung, denn diese Diskussion richtete sich insbesondere gegen Angehörige englischer Kanzleien, die gegen Ende der 90er Jahre den deutschen Rechtsmarkt sehr viel stärker bewegten und umgestalteten als etwa die US-amerikanischen Kanzleien.
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ratenden Anwälten, die ihre Unternehmensmandanten gesellschafts- oder aktienrechtlich beraten, um zu gewährleisten, dass eine Hauptversammlung möglichst friedlich und ohne Konflikt über die Bühne geht? Oder der Anwalt, der eine von beiden Seiten gewollte Transaktion strukturiert und begleitet, ohne dass es streitig wird, wenn man von ein paar rituellen Verhandlungsrunden absieht? Oder der Anwalt, der für einen Mandanten eine umfangreiche Due Diligence durchführt und seinem Mandanten dann vom Kauf abrät, weil die entdeckten Risiken unkalkulierbar hoch sind? Sollen das alles keine Anwälte sein, ist das keine anwaltliche Tätigkeit? Und was ist mit dem Anwalt, der Verkehrsunfälle zugunsten von Verbrauchern abwickelt, wovon geschätzte 75 % unstreitig sind und auf ein reines Inkasso hinauslaufen – sind das auch keine Rechtsanwälte? Schon damals konnte man Zweifel haben, ob das BVerfG nicht von einem sehr beschränkten Berufsbild ausgeht und die Wirklichkeit anwaltlicher Tätigkeit aus dem Blick verloren hatte.43 b) Anwaltschaft und Geld Dass Großsozietäten unternehmerischer als Einzelanwälte oder Kleinkanzleien sind, dass sie strategisch denken, auch kommerziell, braucht man nicht zu diskutieren, das ist so. Aber das widerspricht nicht dem Berufsbild des Anwalts.44 Allerdings muss man wohl konstatieren, dass die ganze Diskussion immer dann besonders schwierig wird, wenn es ums Geld geht: Die Anwaltschaft hat ein völlig verqueres Verhältnis dazu. Das ist etwa einer der Gründe, warum Erfolgshonorare lange Jahre verboten waren und heute noch nur unter engen Voraussetzungen erlaubt sind: Denn offenbar traut sich die Anwaltschaft selber nicht über den Weg, wenn sie mit Geld in Berührung kommt. Wer etwa vertritt, dass ein Erfolgshonorar die anwaltliche Unabhängigkeit erheblich beeinträchtigt, erntet wohlwollendes und zustimmendes Kopfnicken, auch wenn inzwischen nachgewiesen ist, dass diese Thesen in aller Regel falsch sind.45 Vermutlich aus einem ähnlichen Grund betrachtet die Anwaltschaft den wirtschaftlichen Erfolg der Großsozietäten skeptisch und moralisierend, 43 Ähnlich Graf von Westphalen, Droht die Spaltung der Anwaltschaft? Anwaltschaft zwischen Globalisierungsdruck und Beharrung, AnwBl 2005, 681 ff.; der Beitrag ist so lesenswert wie anfechtbar. 44 Möglicherweise anders Graf von Westphalen, Droht die Spaltung der Anwaltschaft? Anwaltschaft zwischen Globalisierungsdruck und Beharrung, AnwBl 2005, 681 ff.; ders., in FS Maier-Reimer, 2010, S. 871, 874 ff. 45 Hartung, Wer schützt wen vor wem? – oder: Muss der Mandant vor Erfolg geschützt werden?, AnwBl 2008, 396 ff.; ders., „Ich bin ein Apotheker“ – Anwälte und Fremdkapital: Ein Appell für den zweiten Blick, AnwBl 2009, 704 ff.; Hartung/Weberstaedt, Anwaltliche Beteiligung an Prozessfinanzierern, AnwBl 2015, 840 ff.
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findet es aber offenbar normal, dass sich in der Anwaltschaft Existenzen tummeln, die fachlich und unternehmerisch so unfähig sind, dass sie alle möglichen Nebentätigkeiten annehmen müssen, um über die Runden zu kommen. Das können Tätigkeiten als Taxifahrer sein, aber es wird viele weitere Berufe geben, die Anwälte wahrnehmen, weil sie in ihrem Bereich als Anwalt völlig erfolglos sind. Wenn man dieses Thema und die damit verbundenen Gefahren für das Ansehen der Anwaltschaft anspricht, kann man schnell zur persona non grata werden.46 Abschließend: Für die Anwaltschaft insgesamt gilt das, was das Bundesverfassungsgericht ihr in der Erfolgshonorarentscheidung ins Stammbuch geschrieben hat47: Kommerzielles Denken ist mit dem Anwaltsberuf nicht schlechthin unvereinbar, und als freiberufliche Unternehmen tragen Anwälte auch eine wirtschaftliche Verantwortung, der sie gerecht werden müssen. Wenn sie dieser Verantwortung nachkommen, kann man ihnen das nicht zum Vorwurf machen.48 2. Großsozietäten und die core values der Anwaltschaft Die BRAK hatte im Jahr 2005 vor dem ersten Dialog mit den Großsozietäten ein Positionspapier veröffentlicht, in dem sie die besonderen Eigenschaften des Anwaltsberufs aufgeführt hatte, welche in ihrer Summe die Anwaltschaft charakterisieren und die auch nur im Anwaltsberuf exis tieren. Es sind dies (i) Qualität, gewährleistet durch Ausbildung und Qualitätssicherung, (ii) Dienst am Gemeinwohl, damit verbunden Einschränkungen der wirtschaftlichen Gestaltungsfreiheit, (iii) Unabhängigkeit, verstanden als Freiheit von Weisungen Dritter, seien es staatliche Institutionen oder private Personen, und (iv) Interessenvertretung. Diese Eigenschaften entsprechen im Wesentlichen den core values der Anwaltschaft gemäß § 43a BRAO, nämlich der Pflicht zur Unabhängigkeit (Abs. 1), der Verschwiegenheitspflicht (Abs. 2), dem Sachlichkeitsgebot (Abs. 3), dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (Abs. 4), der Pflicht zum 46 Das ist Joachim Wagner nach Veröffentlichung seines Buchs „Vorsicht Rechtsanwalt – ein Berufsstand zwischen Mammon und Moral“, 2014, passiert, allerdings nicht nur wegen seiner Kritik an den mittellosen Anwälten. Auch Graf von Westphalen, Droht die Spaltung der Anwaltschaft? Anwaltschaft zwischen Globalisierungsdruck und Beharrung, AnwBl 2005, 681, 682 f., hat das kritisiert, aber gleich mit einer viel heftigeren – und moralischen – Kritik am wirtschaftlichen Erfolg der Großsozietäten verbunden, insoweit ist dieser Beitrag geradezu symptomatisch für die gestörte Beziehung der Anwaltschaft zu Geld und Erfolg. 47 BVerfG v. 12.12.2006 – 1 BvR 2576/04, BVerfGE 117, 163 Rz. 65. 48 Das heißt nicht, dass Großsozietäten völlig frei von jeglicher Kritik wären, was ihr finanzielles oder wirtschaftliches Gebaren angeht. Es handelt sich dann aber um Einzelfälle, nicht um ein systemisches Problem.
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sorgsamen Umgang mit fremden Geldern (Abs. 5) und der Fortbildungspflicht (Abs. 6). Handelt es sich um berufsrechtliche Hürden, die von Großsozietäten gerissen werden? Das war, vgl. oben, der zweite Teil des Berufsbildtests aus der Sozietätswechslerentscheidung des BVerfG. Nachfolgend ein Abgleich: a) Qualität, Fortbildung, Sachlichkeit Bestimmte Dinge kann man schnell und unproblematisch erledigen: Großkanzleianwälte sind vermutlich vorbildlich, was die Erfüllung der Fortbildungspflicht angeht. Im Wettbewerb um den besonders guten Nachwuchs sind kanzleiinterne Fortbildungsangebote sehr wichtig. Während die Anwaltschaft immer noch keine sanktionierte Fortbildungspflicht hat und Fortbildung häufig auch als wirtschaftliche Belastung angesehen wird, gibt es damit bei Großsozietäten kein Problem.49 Das gilt auch für die Qualität: Großsozietäten stehen nicht in der Kritik, wenn es um die Qualität der anwaltlichen Dienstleistung geht. Die Kritik geht eher dahin, dass sie zu teuer sind und keine echten Risikoabschätzungen vornehmen können. Ähnlich ist es mit der Pflicht zum sorgsamen Umgang mit fremden Geldern: Hier ist noch nie ein problematischer Fall bekannt geworden. In der Regel haben Partner keinen so direkten Zugang zu den Kanzleikonten, dass man ernsthaft in Versuchung geführt werden könnte. Überdies müssen viele der internationalen Sozietäten ihren Jahresabschluss durch Wirtschaftsprüfer testieren lassen, und dort wird auch die Behandlung des Fremdgelds geprüft. Sodann das Sachlichkeitsgebot – das ist eher eine Frage des Verhaltens von individuellen Anwälten gegenüber Dritten, aber keine großkanzleispezifische Angelegenheit. Vermutlich gibt es auch im typischen wirtschaftsberatenden Tätigkeitsbereich von Großsozietäten nicht viele Gelegenheiten, um sich gegenseitig als Winkeladvokat o. ä. zu bezeichnen.50 49 Problematisch ist eher, dass einige regionalen Kammern sich weigern, diese hausinterne Fortbildung als FAO-taugliche Fortbildung anzuerkennen. 50 Wenn es aber mal einen Fall gibt, schlägt das gleich hohe Wellen, vgl. den Fall, in dem sich ein Richter des Kartellsenats des OLG Düsseldorf von Hengeler- Anwälten schwer verunglimpft fühlte, Nachweise hier: http://blog.delegibus. com/2014/03/06/richter-kuehnen-moechte-nicht-mit-dreck-beworfen-werden/ (abgefragt am 17.7.2017). Im Übrigen ist nach Auffassung des BVerfG die Bezeichnung einer anderen Kanzlei als Winkeladvokatur nicht zwingend eine unzulässige Schmähkritik, vgl. BVerfG v. 2.7.2013 – 1 BvR 1751/12, NJW 2013, 3021.
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Wenn also die vorgenannten Grundwerte keine besonderen Hürden darstellen, so fragt sich, wie es um die Unabhängigkeit, die Verschwiegenheitspflicht und das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen bestellt ist. b) Unabhängigkeit Bei der Unabhängigkeit nach § 43a Abs. 1 BRAO sprechen wir nicht über den Anwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege, sondern über das Verbot, solche Bindungen einzugehen, welche die berufliche Unabhängigkeit gefährden. In Anwaltsgemeinschaften, nicht nur in Großsozietäten, stellt sich auch immer die Frage nach der Vereinbarkeit von beruflicher Unabhängigkeit und Mehrheitsbeschlüssen. Hier spielen viele verschiedene Aspekte eine Rolle: aa) Besonderheit bei institutionellen Mandatsbeziehungen Wirtschaftsberatende Kanzleien, gerade auch Großsozietäten, streben mit Unternehmen und Banken regelmäßig sog. institutionelle Mandantenbeziehungen an, mit der Folge, dass über die gute Beziehung erhebliches Mandatsgeschäft generiert wird, auch wenn sie nicht die einzige beauftragte Kanzlei sind. Darüber hinaus bewegen sich Kanzleien im Bank- und Kapitalmarktrecht in einem eher kleinen Markt, in dem sie mit vielen der Unternehmen und Banken Mandatsbeziehungen haben oder doch anstreben, so dass viele Großsozietäten z. B. keine Gerichtsverfahren gegen Banken führen, um ein sog. Blacklisting zu vermeiden. Diese Sorge ist nicht unberechtigt, der bekannteste Fall betrifft Linklaters: Im Jahr 2007/2008 führte das New Yorker Büro von Linklaters einen Prozess gegen die Investmentbank Bear Stearns. Linklaters Mandantin war Barclay’s Bank, einer der großen Mandanten der Sozietät. Während des Prozesses wurde Bear Stearns von JP Morgan erworben, die wiederum Linklaters größter Mandant war, mit einem jährlichen Honorarvolumen im hohen zweistelligen Millionenbereich. Dem ultimativen Verlangen von JP Morgan, das Mandat niederzulegen, kam Linklaters nicht nach, was auch wegen des New Yorker Anwaltsrechts nicht möglich war. Daraufhin kündigte JP Morgan in einem dramatischen Schritt die Mandatsbeziehung zu Linklaters.51 Die Folgen waren kurzfristig unangenehm und schmerzlich, langfristig haben sie nicht geschadet: Linklaters ist stärker denn je, und die Mandatsbeziehung zu JP Morgan ist längst wiederhergestellt.
51 Vgl. die Berichterstattung z. B. hier: http://www.abajournal.com/news/article/ jp_morgan_axes_linklaters_over_bear_stearns_suit/ (abgefragt am 17.7.2017).
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Aber auch Prozesse gegen Unternehmen aus dem DAX30 werden eher selten von Großsozietäten geführt. Das beruht auf einer strategischen Entscheidung. Rechtsuchende sind aber nicht ohne Beistand, denn es gibt genügend andere kleinere, hochqualifizierte Kanzleien, die solche Prozesse führen. Die Unabhängigkeit wird davon nicht berührt, denn Kanzleien sind in ihrer Entscheidung über Mandatsannahmen frei. Sie müssen sich dann aber auch regelmäßig entsprechend verhalten und bei Mandatsanfragen gegen solche Unternehmen und Banken von vornherein deutlich machen, dass sie möglicherweise später gehindert sein könnten. Eine Verletzung dieser Informationspflicht führt nach Auffassung des BGH zur Schadensersatzpflicht.52 Es mag aus Sicht von Anwälten, die gerade keine institutionellen Mandatsbeziehungen haben, verwerflich erscheinen, Mandate abzulehnen. Aber mit einer problematischen Beeinträchtigung der Unabhängigkeit hat das nichts zu tun.53 bb) Vorgaben bei der Mandatsannahme und Eingriffe in die Mandatsführung Das betrifft auch die Frage, inwieweit es berufsrechtlich zulässig ist, die Entscheidungsfreiheit von Rechtsanwälten (als Partner oder Gesellschafter; zur Frage bei angestellten Anwälten siehe sogleich) bei der Mandatsannahme durch Gesellschaftsbeschlüsse oder gar durch Richtlinien eines Kanzleimanagements einzugrenzen. Nach § 6 Abs. 1 PartGG erbringen Partner einer Partnerschaftsgesellschaft ihre beruflichen Leistungen im Rahmen des Berufsrechts. Auch wenn die PartGG als solche mandatiert ist und nicht der einzelne Anwalt, so ist doch der mandatsbearbeitende Anwalt berufsrechtlich gebunden. Ein Eingriff durch Mehrheitsbeschluss der das Mandat nicht bearbeitenden Partner ist nicht zulässig. So wäre etwa der Beschluss, ein laufendes Mandat aus allgemeinen strategischen Erwägungen gegen den Willen des mandatsbearbeitenden Partners niederzulegen, sehr problematisch, auch wenn es zivilrechtlich vielleicht ausnahmsweise zulässig wäre (also z. B. keine Kündigung zur Unzeit zur Folge hätte). Ähnlich wäre eine gesellschaftsvertragliche Regelung, durch die eine Mehrheit der Partner oder ein Sozietätsgremium dem einzelnen Anwalt Weisungen bei der Mandatsbearbeitung geben könnten. Anders ist es wiederum, wenn ein Mandat von mehreren Partnern gemeinsam bearbeitet wird und es zu Meinungsverschiedenheiten über die Vorgehensweise kommt. In einem Dreierteam können zwei Anwälte den Dritten 52 BGH v. 8.11.2007 – IX ZR 5/06, BGHZ 174, 186. 53 Das gilt nach allg. Meinung auch dann, wenn die Mandatsbeziehungen sehr eng sind und alleine durch ein „Klumpenrisiko“ eine Gefährdung der Unabhängigkeit nicht ausgeschlossen werden kann, vgl. Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl. 2014, § 43a Rz. 34 m. w. N.
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überstimmen. Wenn ein Mandant damit einverstanden ist, muss sich der Dritte fügen oder niederlegen. Aber auch das ist kein Großsozietätsproblem, sondern die Folge gemeinsamer Mandatsbearbeitung. Anders ist es allerdings bei der Mandatsannahme. Es gehört nicht zum unveräußerlichen Recht des einzelnen Anwalts, alleine über die Mandatsannahme zu befinden. In Fällen gemeinsamer Berufsausübung ist es daher nicht nur zulässig, sondern aus Gründen strategischer Klarheit geradezu geboten, dass die Partner sich auf eine bestimmte Linie bei Mandatsannahmekriterien einigen und dann auch daran halten. Das ist auch dann zulässig, wenn solche Entscheidungen im Einzelfall dann von einem Sozietätsgremium getroffen und nicht durch Beschluss der gesamten Partnerschaft geregelt werden, unterstellt, der Sozietätsvertrag sieht diese Befugnis vor. Bei dieser Einschränkung handelt es sich nicht um eine bedenkliche Be einträchtigung der beruflichen Unabhängigkeit, sondern um die praktische Konkordanz zwischen individueller anwaltlicher Unabhängigkeit und gemeinsamer Berufsausübung. Die gemeinsame Zweckerreichung i. S. d. § 705 BGB setzt voraus, dass Anwälte sich unterordnen können. Es handelt sich eher um ein Problem von Anwaltsgemeinschaften, nicht zwingend von Großsozietäten, aber dort fällt es am stärksten auf. cc) Angestellte Kanzleianwälte In Großsozietäten arbeiten regelmäßig mehr angestellte Anwälte als Partner. Das gehört zum Geschäftsmodell dieses Kanzleityps, das auf Leverage und zeitbasierter Honorarabrechnung basiert.54 Trotz des Postulats des Anwalts als unabhängigem Organ der Rechtspflege gab es schon immer angestellte Kanzleianwälte, und genau so lange gibt es die Frage, wie die Bindungen des Arbeitsvertrages mit der Sozietät mit dem Verbot des § 43a Abs. 1 BRAO zusammenpassen. Diese Frage konnte nie befriedigend beantwortet werden.55 Angesichts der normativen Kraft des Faktischen erschien das auch nicht so wichtig. Nach einer Formulierung von Henssler56 haben sich „die Notwendigkeiten der Praxis dem normierten Berufsbild überlegen gezeigt“, was eine leicht euphemistische Darstellung ist. Allerdings hat diese Frage durch die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte Bedeutung erlangt, denn dort hat der Gesetzgeber definiert, wann fachlich unabhängige, anwaltlicher Arbeit bei einem nicht anwaltlichen Ar-
54 Eingehend dazu Hartung in Schieblon (Hrsg.), Kanzleimanagement in der Praxis, 3. Aufl. 2015, S. 97, 100 ff. m. w. N. 55 Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl. 2014, § 43a Rz. 13 ff.; Busse in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl. 2014, § 1 Rz. 53 ff. 56 Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl. 2014, § 43a Rz. 15.
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beitgeber vorliegt.57 Das eröffnet aber auch wieder den Blick auf angestellte Anwälte in (nicht nur) Großsozietäten, die dem Direktionsrecht ihres Arbeitgebers unterliegen. Beeinträchtigen Weisungen und Vorgaben bezüglich der Arbeit am Mandat die Unabhängigkeit des angestellten Anwalts? Oder sind Weisungen von Anwälten per se berufsrechtlich unbedenklich? Dieses Argument findet man gelegentlich, erscheint jedoch zu schematisch. Ausgangspunkt ist die Frage, wem gegenüber die Unabhängigkeit bestehen muss. Das ist immer der Mandant. Wenn aber Unabhängigkeit gegenüber dem Mandanten vorliegen muss, muss berücksichtigt werden, dass der angestellte Anwalt nicht mandatiert ist, sondern der ihn anweisende Partner. Das stellt auch den wesentlichen Unterschied zwischen Syndikusrechtsanwälten und angestellten Kanzleianwälten dar: Die §§ 46 ff. BRAO sichern die Unabhängigkeit des Syndikus gegenüber „seinem Mandanten“, der gleichzeitig sein Arbeitgeber ist. Beim angestellten Kanzleianwalt stellt sich die Frage nach der Unabhängigkeit nicht gegenüber dem Arbeitgeber, also der Kanzlei, sondern gegenüber einem externen Mandanten.58 Die Weisung eines Partners an den angestellten Anwalt kann theoretisch Ausdruck und Wahrung der anwaltlichen Unabhängigkeit sein. Trotzdem ist der angestellte Anwalt eben auch Anwalt und selber für die Einhaltung der berufsrechtlichen Pflichten verantwortlich. Solchen Weisungen, die den angestellten Anwalt zu einem aus seiner Sicht rechtswidrigen Verhalten nötigen, darf er keine Folge leisten.59 Dies kann für ihn einen sehr unangenehmen Konflikt zwischen arbeitsvertraglicher Pflicht und anwaltlicher Unabhängigkeit bedeuten. Das Berufsrecht hilft ihm hier nicht weiter, denn die BRAO kannte angestellte Kanzleianwälte bis zur Einführung des neuen § 46 Abs. 1 BRAO gar nicht und jetzt ist auch nur geregelt, dass Anwälte auch als kanzleiangestellte Anwälte arbeiten dürfen. Zu allen damit verbundenen Fragen schweigt das Gesetz.60 Das Thema ist längst nicht erschöpfend behandelt, ist aber auch kein spezifisches Thema der Großsozietäten. Es taucht überall dort auf, wo angestellte Anwälte arbeiten. Bei den Großsozietäten fällt es nur besonders auf.
57 Hartung, Unabhängigkeit von Syndikusanwälten und angestellten Kanzleianwälten, AnwBl 2017, 160 m. w. N. 58 Auf diesen Gedanken hat mich Georg Maier-Reimer hingewiesen. 59 Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl. 2014, § 43a Rz. 20. 60 Knöfel hat bereits im Jahr 2005 ein berufsrechtliches und rechtstatsächliches Schreckensbild der Tätigkeit eines Associates in einer Großkanzlei gezeichnet und mit der Forderung verbunden, der Gesetzgeber müsse dieses „berufsunwürdige und autonomiefeindliche Massen-Konzipiententum“ umgehend beenden, vgl. Knöfel, Grundfragen der internationalen Berufsausübung von Rechtsanwälten, Diss. 2005, S. 935.
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dd) Sozietätsmanagement und anwaltliche Unabhängigkeit: Das anwaltliche Berufsbild, Teil 2 Ist schließlich eine bestimmte Form von Management in großen Kanzleien unvereinbar oder jedenfalls nur schwer vereinbar mit der anwaltlichen Unabhängigkeit? Sind die stärkere Kommerzialisierung, das deutlich stärkere Unternehmertum, die teilweise sehr unternehmensgleichen Hierarchie strukturen (in Abgrenzung zur freiberuflichen ungeführten Gemeinschaft von Anwälten), die Delegation von Macht an Sozietätsgremien oder einzelne Personen, verbunden mit einem Verzicht auf das partnerschaftliche Vetorecht, schließlich das Risiko, hinausgekündigt zu werden, wenn man nicht mehr profitabel genug ist – sind dies Erscheinungsformen, die mit einem traditionellen Berufsbild nichts mehr zu tun haben? Die Antwort lautet ja, dies hat mit einem traditionellen Berufsbild nichts mehr zu tun.61 Aber hier stellt sich, wie oben, die Frage nach dem anwaltlichen Berufsbild. Gesetzlich geregelt ist es nirgends. Die neueren Untersuchungen von Hellwig dazu, wie der Begriff „traditionelles Berufsbild“ seinen Weg aus dem Nationalsozialismus in das bundesdeutsche Recht gefunden hat62, sind ein weiteres und starkes Argument dafür, den Begriff besser gar nicht mehr zu verwenden, sondern die Anwaltschaft endlich in ihrer Vielfalt anzuerkennen. Das hätte auch Folgen für den Begriff der Unabhängigkeit: Anwälte können in vielerlei Strukturen arbeiten, sogar als Angestellte eines nichtanwaltlichen Arbeitgebers, und können dennoch unabhängige Anwälte sein. Anwälte können sich auch zusammenschließen und sich gemeinsam vereinbarten Regeln unterwerfen, ohne dass man ernsthaft an eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit denken könnte. c) Verschwiegenheit Anwälte aus Großsozietäten sind individuell betrachtet nicht redseliger oder verschlossener als ihre anwaltlichen Kollegen in anderen Arbeitsformen. Dadurch, dass große Kanzleien aber durchaus mit ihren Mandanten und Mandaten Werbung betreiben, wirken sie weniger verschwiegen. Für Großsozietäten ist die Nennung von Mandanten und Mandaten ein wichti61 Die Frage ist, welche Konsequenzen das hat, vgl. Graf von Westphalen, Droht die Spaltung der Anwaltschaft? Anwaltschaft zwischen Globalisierungsdruck und Beharrung, AnwBl 2005, 681 ff.; ders. in FS Maier-Reimer, 2010, S. 871, 874 ff.; aus seiner Sicht ist bereits der Umstand, dass der Anwalt in einer Anwaltsgemeinschaft nicht mehr schalten und walten kann, wie er möchte, ein starkes Indiz für eine Beeinträchtigung der anwaltlichen Unabhängigkeit. 62 Hellwig, Der Syndikusanwalt – neue Denkansätze, AnwBl 2015, 2 ff.; schon vorher ders., Das Konzept des anwaltlichen Berufsbilds, AnwBl 2008, 644 ff.; ders., Der Rechtsanwalt – Organ der Rechtspflege oder Kaufmann, AnwBl 2004, 213 ff.
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ges Marketinginstrument, denn nur damit kann man seine Expertise für bestimmte Markt- oder Industriebereiche darlegen, und nur so kann man nachweisen, dass man ausreichende Erfahrung in großvolumigen Transaktionen hat. Deshalb bitten Großsozietäten ihre Mandanten regelmäßig um Zustimmung, mit den Mandaten werben zu dürfen. Wird eine solche Zustimmung nicht erteilt, dann darf eine Werbung mit solchen Mandaten nicht erfolgen, denn schon die Tatsache des Mandats an sich unterliegt der Verschwiegenheitspflicht. Insoweit gelten für Großsozietäten keine anderen Regeln als für den Rest der Anwaltschaft. Damit verbunden besteht das Bestreben, mit Umsatzzahlen zu werben. Das hat nur mittelbar mit der anwaltlichen Verschwiegenheit zu tun und ist eher Ausfluss des wirtschaftlichen Gebarens von Großsozietäten. Auch wenn bisher noch jede Kanzlei behauptet hat, man mache das nur, weil es der Markt so verlange, sind diese Angaben für das Marketing der Kanzlei von großer Bedeutung. Bis Juni 2015 war das nach § 6 Abs. 2 BORA a. F. verboten, erst seit dem 1.7.2015 dürfen Kanzleien mit Umsatzangaben werben, wenn sie nicht irreführend sind. Allerdings wird man wohl annehmen können, dass die Nennung von Mandantennamen stets im Einvernehmen mit dem Mandanten stattfindet, denn: Gerade im Bereich des Wirtschaftsrechts reagieren Mandanten ex trem empfindlich und verärgert, wenn ihr Name als schmückendes Beiwerk für anwaltliche Dienstleistungen in der Presse auftaucht, ohne dass sie damit einverstanden waren. Das kann bis zur Mandatskündigung führen, oder zum sogenannten „blacklisting“. Wenn Großsozietäten aber doch institutionelle Mandantenbeziehungen anstreben, wird man alles vermeiden, was zu einer Verärgerung eines Mandanten führen kann, zumal sich eine solche Verärgerung sofort im Markt herumspricht. Eine wirtschaftsberatende Kanzlei, deren Verschwiegenheit man nicht mehr traut, bekommt ein erhebliches Problem. Dieses Problem ist vermutlich deutlich schwerwiegender als aufsichtsrechtliche Maßnahmen der Kammer, außer es handelt sich um Fälle, in denen Kanzleien vorsätzlich gehandelt haben und sich die entsprechenden Partner sogar strafbar machen. Aber bei nur fahrlässiger Verschwiegenheitsverletzung sind keine nennenswerten aufsichtsrechtlichen Maßnahmen zu fürchten, wohl aber ein verärgerter Mandant.63 Großsozietäten müssen jedoch mit der Verschwiegenheitspflicht besonders behutsam umgehen, weil sie häufig von Marktteilnehmern gerade wegen ihrer Marktkenntnis beauftragt werden, und weil sie häufig auch in Aukti63 Nach Graf von Westphalen, Droht die Spaltung der Anwaltschaft? Anwaltschaft zwischen Globalisierungsdruck und Beharrung, AnwBl 2005, 681, 685 f., ist sogar die Einverständniserklärung von Mandanten problematisch, denn er folgert aus der Sozietätswechslerentscheidung des BVerfG, dass die anwaltlichen core values nicht zur Disposition des Mandanten stehen.
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onen oder Bieterverfahren Parallelvertretungen konkurrierender Bieter vornehmen. Ersteres, also die Marktkenntnis, speist sich aus Erfahrung aus konkreten Mandaten und berührt immer auch Mandantengeheimnisse. Wirtschaftsberatende Kanzleien wandeln hier naturgemäß oft auf einem sehr schmalen Grat. Bei der Parallelvertretung konkurrierender Bieter gilt das ebenso. Nach inzwischen allgemeiner Auffassung wird eine solche Vertretung im Hinblick auf § 43a Abs. 4 BRAO unter engen Voraussetzungen als zulässig angesehen.64 Wegen der Verschwiegenheitspflicht müssen Kanzleien aber sicherstellen, dass die konkurrierenden Anwaltsteams nicht miteinander reden und die Dateien so gesperrt sind, dass keine gegenseitige Kenntnisnahme möglich ist. Man spricht von Chinese Walls. In der Theorie ist den berufsrechtlichen Anforderungen damit Genüge getan, in der Praxis akzeptieren Mandanten solche Parallelvertretungen zunehmend nur unter sehr engen Bedingungen, etwa dass die Vertretung nur aus verschiedenen Büros heraus stattfinden darf. Großsozietäten bewegen sich weiterhin in einem riskanten Feld, wenn sie sich bei der Bewerbung um Mandate befinden und ihre Erfahrung in sog. track records darlegen, also eine Zusammenstellung vergleichbarer Mandate. Häufig müssen solche Listen anonymisiert werden, wenn Mandanten nicht mit einer Nennung einverstanden sind. Gleichwohl lassen sich besonders prominente Transaktionen auch anders identifizieren. Dass Sozietäten mit ihren absolvierten Mandaten werben wollen, ist legitim, aber im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht riskant. Zusammenfassend lässt sich hier festhalten, dass für alle Anwälte die gleichen Verschwiegenheitsregeln gelten, die Verschwiegenheitspflicht an Groß kanzleianwälte aber ganz andere Anforderungen stellt als an Einzelanwälte. Gerade weil Großsozietäten unter der „Aufsicht“ ihrer Mandanten und ihres Marktes stehen, sind sie motiviert, diese Pflicht besonders ernst zu nehmen. d) Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen Bei dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen wird besonders deutlich, dass das anwaltliche Berufsrecht auf den Einzelanwalt, nicht auf die Anwaltsgemeinschaft ausgerichtet ist.65 Bis zur Sozietätswechslerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts66 war es z. B. für Anwälte aus Anwaltsgemeinschaften unmöglich, in eine andere Kanzlei zu wechseln, wenn beide Kanzleien in gleichen Mandaten gegeneinander tätig waren. Dies war 64 Siehe dazu sogleich unter lit. d). 65 Vgl. auch Knöfel, Grundfragen der internationalen Berufsausübung von Rechtsanwälten, Diss. 2005, S. 717 ff. 66 BVerfG v. 3.7.2003 – 1 BvR 238/01, BVerfGE 108, 150 ff.
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selbst dann so, wenn der wechselnde Anwalt mit dem fraglichen Mandat in der abgebenden Kanzlei nichts zu tun hatte und in der aufnehmenden Kanzlei nichts damit zu tun bekommen sollte. Das Problem ist inzwischen weitgehend gelöst, auch wenn es in der praktischen Handhabung immer noch Schwierigkeiten bereitet.67 Ähnlich ist es mit der parallelen Vertretung von Interessenten in Bieterverfahren oder Auktionen. Es handelt sich dabei, strenggenommen, nicht um widerstreitende, sondern um konkurrierende Interessen. Aber konkurrierende Interessen können so intensiv sein, dass sie von widerstreitenden Interessen nicht mehr zu unterscheiden sind. Das war lange Zeit sehr streitig. Inzwischen besteht eine gewisse Einigkeit dahingehend, dass es nicht immer eine Vertretung widerstreitender Interessen darstellt, wenn Bieter in ein- und demselben Bieterverfahren vertreten werden.68 Es empfiehlt sich daher immer, die jeweiligen Mandanten davon zu unterrichten und sich das Vorgehen nach § 3 Abs. 2 BORA genehmigen zu lassen, denn je fortgeschrittener das Auktionsverfahren ist, desto weniger verständlich wäre es, einen Interessenwiderstreit zu negieren. In anderen europäischen Ländern ist die Parallelvertretung ausnahmslos unzulässig, etwa in Schweden. Man kann auch berufspolitisch durchaus geteilter Auffassung darüber sein, ob die Situation in Deutschland die beste aller Welten ist. Allerdings ist in Deutschland das Konfliktsrecht eben mandatsbezogen, während es in den USA, aber auch in England mandantenbezogen ist. Nach deutschem Recht darf man einen neuen Mandanten auch gegenüber einem früheren Mandanten vertreten, auch wenn man aus dem alten Mandat Informationen besitzt, die sich in dem neuen Mandat zum Nachteil des früheren Mandanten auswirken könnten. In vielen europäischen Jurisdiktionen ist das anders, und die Regeln des CCBE verbieten dem grenzüberschreitend tätigen Anwalt die Annahme oder Durchführung solcher Mandate.69 Aber auch bei rein deutschen Mandaten kann es schwierig werden: Ein Einzelanwalt weiß oder ahnt in der Regel, ob er in einer Sache in einem Konflikt ist. Anwälte in Großsozietäten können das nicht, weil sie häufig keine Kenntnis davon haben, wo und für wen ihre Kollegen überall tätig 67 Vgl. LG Karlsruhe v. 16.10.2016 – 10 O 219/16, AnwBl Online 2017, 23 ff. 68 Vgl. Römermann, Beck’scher Onlinekommentar BRAO/BORA, 14. Ed. Stand 1.12.2016, § 43a BRAO Rz. 187; enger Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl. 2014, § 43a Rz. 182: Danach ist von einer Interessenkollision auszugehen, wenn es einen wirtschaftlichen Interessenwiderstreit gibt. 69 Code of Conduct for European Lawyers, Ziff. 3.2.3.: A lawyer must also refrain from acting for a new client if there is a risk of breach of a confidence entrusted to the lawyer by a former client or if the knowledge which the lawyer possesses of the affairs of the former client would give an undue advantage to the new client. Fundstelle des Codes hier: http://www.ccbe.eu/NTCdocument/EN_ CCBE_CoCpdf1_1382973057.pdf.
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sind. Großkanzleianwälte müssen sich also auf funktionierende Systeme verlassen, so dass sie sicher wissen, ob sie tätig werden können oder nicht. Schwierig kann es werden, wenn bestimmte Mandate so vertraulich sind, dass sie in den Dateien einer Sozietät nur mit einem Code- oder einem geheimnisvollen Projektnamen auftauchen, und dadurch eine Kollisionsprüfung sehr aufwendig wird. Der Klassiker ist die arbeitsrechtliche Prüfung von Vorstandsverträgen durch den Arbeitsrechtspartner vom Standort A, während ein Team von Gesellschaftsrechtlern vom Standort B für einen anderen Mandanten die feindliche Übernahme gerade dieses Unternehmens, dessen Vorstandsverträge überprüft wurden, vorbereitet. Aus diesem Grund haben Großsozietäten sehr umfangreiche Kollisionsprüfungen, die nicht nur den technischen Mandatskonflikt des § 43a Abs. 4 BRAO, sondern auch weitergehende Konfliktmöglichkeiten einschließlich mandantenpolitischer Konflikte untersuchen. Diese Themen stellen sich für Einzel anwälte oder Kleinkanzleien naturgemäß nicht.70 Wenn also Konfliktprüfungssysteme versagen und der Anwalt verbotenerweise kollidierende Interessen vertritt, ohne es auch nur zu ahnen, richten sich gleichwohl die berufsaufsichtsrechtlichen Maßnahmen gegen ihn, nicht gegen die Sozietätsleitung, die für das ordnungsgemäße Funktionieren der Kollisionsprüfungssysteme verantwortlich ist. e) Berufsrechtliche Themen bei der grenzüberschreitenden Tätigkeit Schließlich stellen sich bei der grenzüberschreitenden Tätigkeit und bei der gemeinsamen Bearbeitung internationaler Mandate zahlreiche Themen und Probleme, die nicht einfach zu bewältigen sind. Dies rechtfertigt einen eigenen Beitrag71, an dieser Stelle sei nur auf Folgendes verwiesen: Aus den unterschiedlichen Berufsrechten innerhalb Europas und in anderen Teilen der Welt, insbesondere den USA, ergeben sich Probleme bei der 70 Das Procedere bei der Mandatsannahme und dem sog. conflict check ist sehr anschaulich von Wolfgang Kuhla beschrieben worden, einem ehemaligen Sozietätspartner von Michael Oppenhoff, vgl. Kuhla, Partner in einer internationalen Sozietät – Vergleichende Betrachtung am Beispiel von Liebling Kreuzberg –, Rede am 17.10.2008 auf der Absolventenfeier des Fachbereichs Rechtswissenschaft an der FU Berlin, in Dekanat des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin (Hrsg.), Fachbereichsschrift 2009 der Freien Universität Berlin, S. 34-52; Typoskript der Rede hier: http://www.jura.fu-berlin.de/ fachbereich/veranstaltungsarchiv/absolventenfeiern/20081017/dokumente/Rede_ Kuhla.pdf, dort S. 6 ff. 71 Vgl. etwa Trittmann/Schmaltz in Piltz (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Internationales Wirtschaftsrecht, 2017, S. 40 ff.; Hellwig in DAV (Hrsg.), Anwälte und ihre Geschichte, Zum 140. Gründungsjahr des Deutschen Anwaltvereins, 2011, S. 1185, 1205 ff.
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Verschwiegenheitspflicht: Die Pflichten für Anwälte zur Verschwiegenheit einerseits bzw. zur Offenbarung von Mandatsgeheimnissen andererseits sind durchaus unterschiedlich und können Anwälte vor kaum lösbare Probleme stellen. So hat z. B. ein Anwalt nach dem Sarbanes-Oxley-Act die Pflicht, bestimmte US-Rechtsverstöße seines Mandanten zu melden. Das gilt auch für deutsche Anwälte von US-Unternehmen. Nach deutschem Recht wäre das nicht zulässig, denn Offenbarungspflichten bestehen nur in sehr engen Grenzen.72 Auch wenn aus heutiger Sicht die Offenlegungspflichten von Anwälten besonders im Rahmen von Geldwäschebekämpfung, aber auch bei dem Versuch, globale Steuersparmodelle zu unterbinden, deutlich umfangreicher sind als vor gut zehn Jahren, gibt es immer noch Diskrepanzen zwischen verschiedenen Berufsrechten. Ähnlich, vielleicht weniger schwerwiegend, sind Mandanteninformationspflichten: Nach deutschem Recht muss der Anwalt seinen Mandanten über alle wesentlichen Entwicklungen des Mandats unterrichten und ihm so gut wie alle Informationen weiterleiten. Nach dem französischen Berufsrecht besteht diese Pflicht nicht, dort kann z. B. der Anwalt Informationen vom Gegner entgegennehmen, ohne sie seinem Mandanten offenbaren zu müssen. Wie verhält sich der deutsche Anwalt, der in Frankreich einen französischen Mandanten berät und in eine entsprechende Situation kommt?73 Schließlich besteht nach § 53 Abs. 2 Satz 1 StPO das Zeugnisverweigerungsrecht nur, solange der Anwalt nicht von der Verschwiegenheitspflicht entbunden worden ist. Das ist in anderen europäischen Ländern nicht der Fall, dort entscheidet der Anwalt in eigener Verantwortung, ob er trotz Entbindung das Zeugnis verweigert.74 3. Fazit Großsozietäten sind besonders, keine Frage. Misst man sie aber an den anwaltlichen Grundwerten, dann finden wir keinen Punkt, an dem wir feststellen müssten, dass Großsozietäten per se nicht in die Anwaltschaft passen. Das Berufsrecht ist nicht für sie geschrieben, aber das gilt für alle Anwaltsgemeinschaften, ganz gleich ob kleine oder große. Das Berufsrecht behandelt Anwaltsgemeinschaften stiefmütterlich, damals wie heute. Das ist auch nicht alles Regulierung von gestern, die nur versehentlich noch nicht aufgefrischt wurde, sondern hochaktuell: Das „beA“, das besondere 72 Beispiel von Heckelmann, NJW 2005, 3050, 3052. 73 Vgl. dazu auch Trittmann/Schmaltz in Piltz (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Internationales Wirtschaftsrecht, 2017, S. 40, 56 ff. Rz. 69 ff. 74 Einzelheiten bei Trittmann/Schmaltz in Piltz (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Internationales Wirtschaftsrecht, 2017, S. 40, 58 f. Rz. 75 ff.
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elektronische Anwaltspostfach, kennt überhaupt nur individuelle Anwälte, keine Anwaltsgemeinschaften, auch keine Anwalts-GmbH oder Partnerschaftsgesellschaften, obwohl diese Anwaltsgemeinschaften sogar postulationsfähig sind. Die neue elektronische Welt sieht vor, dass Gerichte nicht mit dem Prozessbevollmächtigten korrespondieren können, sondern nur mit einem sachbearbeitenden Rechtsanwalt. Jeder (offenbar mit Ausnahme des Gesetzgebers) weiß, dass diese Regelung hanebüchen ist. Dennoch ist das die gesetzliche Regelung. Das erlaubt auch die Feststellung, dass für die Entfremdung zwischen Anwaltschaft und Großsozietäten keine systemischen Berufsrechtsverletzungen o. ä. maßgeblich oder gerechtfertigt gewesen wären. Es ist wohl der deutlich unternehmerische Auftritt der Großen, der gezeigt hat, was anwaltliche Tätigkeit auch sein kann. Sie haben damit nolens volens einen exklusiven Club gegründet, in dem nur ein kleiner Teil der Anwaltschaft zugelassen ist. Der große Rest der Anwaltschaft hat hier keinen Zutritt.
VIII. Ausblick Heute spricht niemand mehr von einer Spaltung der Anwaltschaft. Die unterschiedlichen Lebenswelten der Einzelanwälte und Kleinkanzleien einerseits und der Großsozietäten andererseits haben sich aber nicht angenähert. Die jeweiligen Kanzleien bearbeiten nach wie vor völlig unterschiedliche Marktsegmente, und die Themen der Großen sind nach wie vor nicht diejenigen der Kleinen. Der Rechtsmarkt ist aber heute deutlich vielfältiger als damals.75 Die bloße Aufteilung Groß gegen Klein erfasst die Lebenswirklichkeit nicht mehr, denn auch die Großen müssen sich seit Jahren mit Spin Offs als Wettbewerbern auseinandersetzen. Diese Spin Offs sind ehemalige Anwälte aus den Großsozietäten, die sich aus verschiedensten Gründen lieber in einer kleinen Einheit organisieren und in einem Kampf wie David gegen Goliath um wirtschaftsrechtliche Mandate konkurrieren. Sie sind so bemerkenswert, dass sie bereits Gegenstand einer Dissertation waren.76 Hier schließt sich der Kreis zum Jubilar, denn seine Ausgründung Oppenhoff & Partner im
75 Es gibt zahllose Veröffentlichungen über den Rechtsmarkt heute, empfehlenswert ist die Darstellung von Wolfgang Ewer, dem damaligen Präsidenten des DAV, vgl. Ewer in Wegerich/Hartung (Hrsg.), Der Rechtsmarkt in Deutschland, 2014, S. 34 ff. 76 Günther, Entrepreneurial Strategies of Professional Service Firms. An Analysis of Commercial Law Firm Spin-Offs in Germany, Köln 2012.
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Großsozietäten und die Anwaltschaft
Jahr 2008 war ebenfalls ein Spin Off, wenn auch aus anderen Gründen als bei den üblichen Associate-Spin Offs. Bei den Einzelanwälten und Kleinkanzleien, die überwiegend Verbraucherrecht bearbeiten, kommen andere Wettbewerber ins Spiel, nämlich nichtanwaltliche Rechtsdienstleister, die sich mit Einsatz von Technologie („Legal Tech“) im Markt der Verbraucherrechtsberatung etablieren und viel attraktivere Portale für den Zugang zum Recht anbieten. Das ist auch ein Thema für die Großsozietäten, die sich sehr eingehend mit Innovation und Legal Technology befassen müssen, etwa mit Software, welche die Arbeit jüngerer Associates ersetzen kann. Die Digitalisierung stellt die gesamte Anwaltschaft vor erhebliche Herausforderungen.77 Heute würde man eher über das Thema der insgesamt unsicheren Zukunft der Anwaltschaft sprechen.78 Der Blick zurück in das Jahr 2005, als die drohende Spaltung der Anwaltschaft noch ein beherrschendes Thema war, kommt einem dagegen heute vor wie ein Blick in gute alte Zeiten.
77 Zum Weiterlesen: Hartung, Legal Tech: Ersetzt nur, wofür man sowieso keine Anwälte braucht, LTO Legal Tribune Online vom 20.11.2015; ders., Künstliche Intelligenz und die Zukunft juristischer Arbeit: Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Computer mich ersetzt?, LTO Legal Tribune Online v. 31.3.2015; ders., „Legal Tech“ – eine Bestandsaufnahme, in Der Wirtschaftsführer für junge Juristen 2016/2017, S. 16 ff.; Veith/Wenzler/Hartung, How Legal Technology Will Change the Business of Law, Final Report of Bucerius Law School and The Boston Consulting Group on impacts of innovative technology in the legal sector, 2015/2016, Download hier: http://www.bucerius-education.de/fileadmin/content/ pdf/studies_publications/Legal_Tech_Report_2016.pdf; Hartung/Bues/Halbleib, Legal Tech: Die Digitalisierung des Rechtsmarktes, München 2018 (erscheint im Winter 2017/18). 78 Susskind, The End of Lawyers? Rethinking the Nature of Legal Services, Oxford 2010; ders., Tomorrow’s Lawyers: An Introduction to your Future, Oxford 2012; zu den Bedrohungen des traditionellen deutschen Berufsrechts durch das europäische Recht gibt es zahllose Veröffentlichungen, besonders empfehlenswert Hellwig, Anwaltliches Berufsrecht und Europa, AnwBl 2011, 77 ff.; Kilian, Das Fremdbeteiligungsverbot im Spannungsfeld von Berufs-, Gesellschafts- und Unionsrecht, AnwBl 2014, 111 ff.
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Der Missbrauch der Anwaltschaft Inhaltsübersicht
I. Einleitung
II. Gefahren der Schwächung des Rechts III. Schwächung des Rechts durch widersprüchliches Recht 1. Die Geldwäsche-Richtlinien 2. „Noisy Withdrawal“ nach dem Sarbanes-Oxley Act
3. Interne Untersuchungen – der Anwalt als Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft
IV. Schwächung des Rechts durch nicht demokratisch legitimiertes Soft Law 1. Beispiele von Soft Law 2. Die Initiativen der IBA
V. Schlussbemerkungen
I. Einleitung Michael Oppenhoff habe ich im Mandat nie und persönlich nur gelegentlich erlebt, doch seit langem weiß ich von seinem Ruf als mutiger Anwalt – mutig für seine Mandanten, mutig auch für seine Sozietät Oppenhoff & Rädler, die er im Jahre 2001 in die Londoner Kanzlei Linklaters führte, um im Jahre 2008 die heutige Sozietät Oppenhoff & Partner neu zu begründen.1 Seinen Vater Walter Oppenhoff habe ich ebenfalls nicht im Mandat und persönlich nur gelegentlich erlebt, und auch sein Ruf war mir bestens bekannt, als Präsident des Deutschen Anwaltvereins 1959 – 1963, langjähriges Mitglied (seit 1952) im Council der International Bar Association (IBA), London, sowie als Gründungsmitglied 1970 und Chair 1979 – 1980 der damaligen Section on Business Law der IBA.2 Nach seinem Tod im Jahre 2001, demselben Jahr, in dem Michael Oppenhoff seine Kanzlei in die Fusion mit Linklaters führte, schuf der DAV die Walter-Oppenhoff-Medaille, die an Anwältinnen und Anwälte verliehen werden kann, die sich in ähnlicher Weise wie Walter Oppenhoff um die Anwaltschaft verdient gemacht haben. Dazu heißt es im einschlägigen Statut: „Walter Oppenhoff hat in beispielhafter Weise die deutsche Anwaltschaft in der grenzüberschreitenden internatio1 Zu Michael Oppenhoff und zur Geschichte der Kölner Anwaltskanzlei Boden, Oppenhoff & Schneider vgl. Pöllath/Saenger, 200 Jahre Wirtschaftsanwälte in Deutschland, 2009, passim, insb. S. 18, 22, 27 sowie weitere in diesem Liber amicorum enthaltene Beiträge. 2 Zum Wirken von Walter Oppenhoff in der IBA vgl. Hellwig, Internationalisierung und Europäisierung der deutschen Anwaltschaft, in: Anwälte und ihre Geschichte, herausgegeben vom Deutschen Anwaltverein, 2011, S. 1185, 1199 f.
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nalen Rechtsberatung repräsentiert. Aufgrund seiner Persönlichkeit, seiner charakterlichen Unanfechtbarkeit und seiner unbeugsamen Haltung als Anwalt in der Zeit des Nationalsozialismus hat er wesentlich dazu beigetragen, die deutsche Anwaltschaft in die Rechtsgemeinschaft aller Staaten zurückzuführen.“ Rechtsberatung, national und grenzüberschreitend, und Rechtsgemeinschaft, der Menschen in einem Staat und von Staaten untereinander – das sind die Anknüpfungspunkte für die nachfolgenden essayistischen Betrachtungen, die ich Michael Oppenhoff zu seinem 80. Geburtstag widme.
II. Gefahren der Schwächung des Rechts Rechtsberatung und Rechtsgemeinschaft – in beiden Fällen geht es um das Recht. Von Cicero stammt der berühmte Satz: „Quid est enim civitas nisi iuris societas civium?“ – Was ist ein Staat anderes als die Rechtsgemeinschaft seiner Bürger? Das Recht ist die Grundlage jeder staatlichen Gemeinschaft, ja jeglicher Gemeinschaft von Menschen, von der Ehe bis zum Sportverein. Damit das Recht Grundlage einer Gemeinschaft sein und seine einigende und bindende Kraft entfalten kann, muss es nicht nur rechtsstaatlich-demokratisch legitimiert erlassen worden sein. Es sollte auch nicht durch Widersprüchlichkeit systemisch geschwächt werden. Und schließlich: Besonders kritisch ist diese Schwächung, wenn das andere, dem sonstigen Recht widersprechende „Recht“ von einer nicht demokratisch legitimierten Stelle erlassen worden ist.
III. Schwächung des Rechts durch widersprüchliches Recht Recht sollte nicht durch widersprechendes Recht systemisch geschwächt werden. Dagegen wird mit Blick auf die anwaltliche Tätigkeit zunehmend verstoßen, obwohl die Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiger, zur Verschwiegenheit verpflichteter Berater und Vertreter des Mandanten in allen Rechtsangelegenheiten über die Berufsfreiheit und das Rechtsstaats prinzip verfassungsrechtlich abgesichert ist.3 Der deutsche Gesetzgeber der späten 1990er Jahre hat den anwaltlichen Abhörschutz eingeschränkt („Stichwort: Großer Lauschangriff “), bis das Bundesverfassungsgericht dem einen Riegel vorschob. Die Entwicklung ist weitergegangen. Inzwischen geht es darum, den Anwalt in Pflicht zu nehmen, in bestimmten Fällen gegen seine verfassungsrechtliche Funktion als unabhängiger, verschwiegener Berater und Vertreter des Mandanten tätig zu werden. 3 Vgl. Gaier, Die Rolle der Anwaltschaft bei der Sicherung des Zugangs zum Recht, BRAK-Mitt. 2015, 114 ff.
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1. Die Geldwäsche-Richtlinien Die Entwicklung begann mit der 2. Geldwäsche-Richtlinie von 2001, mit der die vorher vor allem für Finanzinstitute geltende Verdachtsmeldepflicht auf Rechtsanwälte ausgedehnt wurde. Die Meldepflicht ist flankiert von dem Verbot, den Kunden, Mandanten etc. über die Meldung zu informieren. Nur die Tätigkeit vor Gericht wollte die Brüsseler Kommission von der anwaltlichen Meldepflicht ausnehmen. Erst nach qualvollen rechtspolitischen Auseinandersetzungen im Gesetzgebungsverfahren wurde im Wortlaut der Richtlinie die rechtsgutachtende Tätigkeit und schließlich in den Erwägungsgründen auch die rechtsberatende Tätigkeit von der Meldepflicht ausgenommen.4 In der Folgezeit ist die Richtlinie durch zwei zusätzliche Richtlinien erweitert und auf die Bekämpfung des Terrorismus ausgedehnt worden. Bevor der Anwalt überhaupt tätig werden darf, muss er den Mandanten einer umfangreichen Personenkontrolle unterwerfen – Motto: Know Your Client! Inzwischen steht eine sog. „Änderung“ der 4. Richtlinie, d. h. eine neue 5. Richtlinie mit weiteren Verschärfungen ins Haus. Die Überprüfung des Mandanten durch den Anwalt soll intensiviert werden – der Anwalt soll beispielsweise klären, woher der Mandant seine Finanzmittel hat und was Grund oder Zweck seiner beabsichtigten Transaktion ist. Medien und Non-Governmental Organizations (NGO) sollen unverhohlen aufgefordert werden, öffentlichen Druck auszuüben – man erinnert sich unwillkürlich an den Pranger auf dem Marktplatz des Mittelalters. Die Kommission zeigt in ihren Entwürfen und Stellungnahmen überdeutlich, wie groß ihr Misstrauen gegenüber der Anwaltschaft mit ihrer beruflichen Verschwiegenheitspflicht ist. Sie erklärt öffentlich das Berufsgeheimnis zum Hindernis für ein „robustes Regime der Geldwäschebekämpfung“, als ob das Berufsgeheimnis nicht ein Essentiale eines Rechtsstaats wäre. 2. „Noisy Withdrawal“ nach dem Sarbanes-Oxley Act Auf den Zusammenbruch von Enron und Arthur Andersen im Jahre 2001 reagierten die USA für börsennotierte Gesellschaften durch den Sarbanes-Oxley Act von 2002 mit einer drastischen Verschärfung der Corporate Governance im weitesten Sinne. Die amerikanische Börsenaufsichts behörde Securities and Exchange Commission (SEC) erließ Anfang 2003 unter der Überschrift „Implementation of Standards of Professional Conduct for Attorneys“ detaillierte Rechtsvorschriften zur Regulierung der anwaltlichen Beratung von amerikanischen wie ausländischen Gesellschaften mit Börsennotierung in den USA. Für die Gesellschaft selbst oder eine Tochtergesellschaft tätige amerikanische und ausländische Anwälte sollten verpflichtet werden, Verletzungen von wesentlichen kapitalmarktrechtlichen Pflichten und Treuepflichten unternehmensintern zu melden, notfalls 4 Vgl. Hellwig, Die neue Geldwäscherichtlinie, AnwBl 2002, 144 ff.
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bis hoch zum Board of Directors, und jede Meldung und die Reaktion darauf schriftlich zu dokumentieren. Blieben die Meldungen insgesamt er folglos, so sollte der Anwalt nach dem Vorschlag der SEC das Mandat niederlegen und dies ohne Information an den Mandanten der SEC als „Mandatsniederlegung aus berufsrechtlichen Gründen“ mitteilen müssen (sog. Noisy Withdrawal). Die SEC hätte daraufhin die Meldedokumentation beschlagnahmen lassen und gegen die Verantwortlichen im Unternehmen vorgehen können. Wegen des massiven Widerstands der American Bar Association (ABA) und des Rates der europäischen Anwaltschaften (CCBE) ließ die SEC schließlich die Idee des „noisy withdrawal“ fallen. Sie hielt aber daran fest, dass der Anwalt das Mandat niederlegen muss, und äußerte, dass das Unternehmen selbst die Mandatsniederlegung als „material event“ der SEC mitzuteilen hat.5 Damit war jedenfalls der Vorschlag vom Tisch, der Anwalt müsse seinen Mandanten als whistleblower bei der SEC „verpfeifen“. 3. Interne Untersuchungen – der Anwalt als Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft Weil die unmittelbare Inpflichtnahme von Anwälten für öffentliche Zwecke immer wieder auf Schwierigkeiten stößt, setzen inzwischen staatliche Stellen beim Mandanten an, um mittelbar die Mitwirkung von Anwälten zu erreichen. Dem Vorbild der USA folgend gehen deutsche Staatsanwälte in wirtschaftsrechtlichen Ermittlungsverfahren zunehmend dazu über, durch die Inaussichtstellung von Vorteilen das beschuldigte Unternehmen dazu zu bringen, die Ermittlungen selbst durchzuführen, indem es zu diesem Zweck externe Anwälte mandatiert mit der Maßgabe, dass deren Ermittlungsergebnisse einschließlich der Niederschriften über die Vernehmung der Mitarbeiter, die arbeitsrechtlich zur Aussage verpflichtet sind, der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt werden. Diese Vorgehensweise hat für die Staatsanwaltschaft gleich mehrere Vorteile. Die Kosten der staatlichen Ermittlungstätigkeit werden auf das Unternehmen überwälzt. Die vom Unternehmen mandatierten Anwälte arbeiten effizient und qualitätvoll. Und schließlich wird der Verfassungsgrundsatz des „nemo tenetur“ ausgehebelt, wonach niemand sich selbst belasten muss.6 Mit Blick auf die in dieser Weise tätigen Anwälte ist festzustellen: Über den Druck auf das Unternehmen und dessen Mandatsvertrag mit dem Anwalt wird letzterer 5 Vgl. Hellwig, Die Amerikanische SEC will ausländische Anwälte regulieren, NJW- Editorial F4/2003. Ferner Hellwig, Der Financial Markets Regulatory Dialogue zwischen EU und USA, in FS Röhricht, 2005, S. 181, 189 ff. Die dortige Aussage, es sei sehr unwahrscheinlich, dass die Pflicht zum „noisy withdrawal“ jemals von der SEC verabschiedet wird, hat sich bestätigt. 6 Vgl. Hellwig, Verfällt das Recht? Wo bleibt die Anwaltschaft?, AnwBl 2016, 858, 859 f.
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auf privatrechtlicher Grundlage faktisch zum Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft. Formal erscheint alles in Ordnung, doch systemisch und verfassungsrechtlich liegen die Dinge im Argen.
IV. Schwächung des Rechts durch nicht demokratisch legitimiertes Soft Law Besonders kritisch wird die systemische Schwächung von Recht, wenn das andere, widersprechende „Recht“ von einer nicht demokratisch legitimierten Stelle erlassen wird. Auch diese Praxis greift immer mehr um sich. 1. Beispiele von Soft Law Etwa im Bereich Corporate Social Responsibility (CSR) finden sich mehrere solche Regelwerke, nämlich der UN Global Compact, die OECD-Leitsätze für Multinationale Unternehmen, die Leitlinie ISO 26000 für Soziale Verantwortung, die Dreigliedrige Grundsatzerklärung über Multinationale Unternehmen und Sozialpolitik des International Labour Office (ILO) sowie die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.7 Es handelt sich jeweils um „Soft Law“ in Form von „Erwartungen“ oder „Empfehlungen“, für deren Umsetzung und Durchsetzung eigene Regeln sorgen sollen, z. B. Vorgaben für die unternehmensinterne Due Diligence, die Möglichkeit der förmlichen Beschwerde zu offiziellen Kontaktstellen und vor allem Naming and Shaming, der moderne öffentliche Pranger. All diese Regelwerke sind von Stellen erlassen worden, die zum Erlass von verbindlichen Rechtsnormen nicht demokratisch legitimiert sind. Die inhaltlichen Widersprüche zwischen ihrem Soft Law und dem jeweils einschlägigen gesetzlichen „Hard Law“ interessieren diese selbsternannten Soft Law Maker nicht. Die Brüsseler Kommission hat in ihrem Aktionsplan 2011–2014 die „Erwartung“ geäußert, dass dieses Soft Law von Unternehmen „berücksichtigt“ oder „respektiert“ wird – so wird das Soft Law internationaler Stellen durch Brüsseler Soft Law „gehärtet“, wiederum ohne Rücksicht auf abweichendes verbindliches Gesetzesrecht. 2. Die Initiativen der IBA Selbst Anwaltsorganisationen erliegen inzwischen der Versuchung, sich in dieser Weise als Soft Law Maker zu betätigen. Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (Englisch: UN Guiding Principles on Business and Human Rights – UNGP) waren zusammen mit einem umfangreichen Kommentar von einer Arbeitsgruppe unter Führung von John 7 Ausführlich Spießhofer, Corporate Social Responsibility, AnwBl 2016, 366, 369.
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F. Sherman III erarbeitet worden. Der UN Human Rights Council hat den Principles und dem Kommentar im Jahre 2011 zugestimmt.8 Es handelt sich um ein umfangreiches Regelwerk für die Achtung der Menschenrechte durch Unternehmen. Ende 2014 legte die IBA den Entwurf einer Policy Resolution des IBA Council zur Umsetzung der UNGP innerhalb der Anwaltschaft vor, gefertigt von einer Arbeitsgruppe unter Führung des vorgenannten John Sherman mit Unterstützung eines IBA-internen Projektteams. Der Entwurf bestand aus einer Handreichung für Kammern und Anwaltsvereine „Business and Human Rights Guidance for Bar Associations“ und einer Handreichung für Rechtsanwälte „UN Guiding Principles: A Practical Guide for Business Lawyers“. Nach dem Practical Guide sollten Anwälte, auch wenn dies nicht Teil des Mandates ist, den Mandanten von sich aus über alle menschenrechtlichen Aspekte beraten, auch soweit sie sich nicht aus dem geltenden Recht, sondern nur aus Soft Law ergeben. Sie sollten im Wege einer Due Diligence-Prüfung auf Seiten des Mandanten und dessen Zuliefer- und Abnehmerketten alle tatsächlichen und möglichen nachteiligen menschenrechtlichen Beeinträchtigungen ermitteln (und deren Auswirkungen bewerten), mit denen die Kanzlei durch ihre Rechtsdienstleistung oder durch die bloße Tatsache ihrer Mandatsbeziehung in Verbindung gebracht werden kann. Das sei dann der Fall, wenn die Kanzlei durch ihre Dienstleistungen einen Beitrag zu einer Menschenrechtsbeeinträchtigung leistet, weil sie beispielsweise den Mandanten nicht zu einem Hinweis auf bestimmte Produktsicherheitsrisiken auch in den Ländern auffordert, wo ein solcher gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Neben dieser Fallgruppe der sog. „Complicity“ gibt es die Fallgruppe der sog. „Linkage“, bei der eine Kanzlei mit den Menschenrechtsbeeinträchtigungen in Verbindung gebracht werden kann, obwohl sie sich nach Kräften bemüht hat, diese Beeinträchtigungen zu verhindern. Wohlbemerkt: Es geht in beiden Fallgruppen um Menschenrechtsbeeinträchtigungen nicht nur beim Mandanten, sondern auch bei allen Gliedern in seiner Zulieferund Abnehmerketten. Für den Fall, dass der Anwalt nicht genügend Einfluss auf den Mandanten hat, um zu verhindern, dass er mit Menschenrechtsbeeinträchtigungen beim Mandanten oder in dessen Zuliefer- und Abnehmerketten in Verbindung gebracht werden kann, empfahl der Practical Guide die Mandatsniederlegung, die allerdings nicht zur Unzeit erfolgen dürfe. Das bedeutet eigentlich, man sollte am besten das Mandat gar nicht annehmen. Der Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) sah in dem Entwurf des Practical Guide eine inakzeptable Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Anwaltstätigkeit. Gerügt wurde vor allem, dass der Entwurf gegen die 8 Vgl. Hellwig, Der Rechtsanwalt – Organ der Rechtspflege oder der CSR? Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, AnwBl 2016, 382 f mit Fortsetzung AnwBl H. 8+9/2016 Mantel M1.
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UN Basic Principles on the Role of Lawyers, verabschiedet von der Vollversammlung der Vereinten Nationen im Jahre 1990, verstieß, die ausdrücklich das Grundrecht auf anwaltliche Rechtsdienstleistungen durch unabhängige Rechtsanwälte anerkennen. Nach heftigen Auseinandersetzungen, die ich in dieser Schärfe in über zwanzig Jahren Tätigkeit in Gremien der IBA nicht erlebt habe, wurde schließlich gegenüber den Spitzen der IBA durchgesetzt, dass die UNGP nur auf die organisatorische und Managementseite der Anwaltstätigkeit Anwendung finden, denn insoweit – und nur insoweit – ist auch eine Anwaltskanzlei als Unternehmen anzusehen. Hingegen sollen die UNGP keine Anwendung finden auf die eigentliche anwaltliche Beratungstätigkeit und darauf, wie der Anwalt diese in seiner eigenen unabhängigen Entscheidung ausgestaltet. Über die UNGP wird nur dann beraten, wenn der Mandant es ausdrücklich wünscht oder wenn der Anwalt aus eigener Entscheidung als unabhängiges Organ der Rechtspflege heraus es tun will. Anders gesagt: Die anwaltliche Beratungstätigkeit wird von dem Geltungsanspruch der UNGP ausgenommen. Mit diesem Inhalt wurde der erheblich überarbeitete Practical Guide im Mai 2016 vom IBA Council verabschiedet. Das wahrlich Erschütternde an diesem ganzen Vorgang ist die Tatsache, dass die IBA, die sich als führende Anwaltsorganisation der Welt sieht und als „Voice of the Legal Profession“ bezeichnet, die Bedeutung der inhaltlichen Seite des unabhängigen Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege (Instrument of Justice, etc.) fundamental verkannt hat. Seinen besonderen Beigeschmack hat das Ganze obendrein dadurch, dass das Beratungsunternehmen, bei dem John Sherman in führender Position tätig ist, kaum dass der ursprüngliche Entwurf des Practical Guide vorgelegt worden war, Fortbildungsveranstaltungen zu dem Entwurf anbot. Bei aller Bedeutung der Menschenrechte – wenn sogar die IBA den unabhängigen Rechtsanwalt zum Diener wider Willen der Menschenrechte machen wollte, dann, so muss sich der Beobachter sagen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Anwaltschaft die nächste Inpflichtnahme für öffentliche Interessen ins Haus steht. In der Tat: Ausgelöst durch die sog. Panama Papers möchte die Brüsseler Kommission in Übereinstimmung mit der OECD in der neuen Geldwäsche-Richtlinie die Verpflichtung einführen, nicht nur Gestaltungen zur Steuerumgehung, sondern auch Gestaltungen zur Steuervermeidung den Finanzbehörden zu melden. Diese Verpflichtung soll auch Rechtanwälte treffen, und zwar ohne dass dabei die vorerwähnten Ausnahmen – Tätigkeit vor Gericht, rechtsgutachtende und rechtsberatende Tätigkeit – zur Anwendung kommen. Das staatliche Steueraufkommen zu sichern und zu mehren, ist der Kommission offenbar wichtiger als die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung.
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V. Schlussbemerkungen Nach den terroristischen Anschlägen auf das World Trade Center in New York am 11.9.2001 mahnte Jutta Limbach, die frühere Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, auf dem Anwaltstag des Jahres 2002, die Freiheit dürfe nicht im Namen der Sicherheit ausgehöhlt werden.9 Inzwischen geht es nicht nur um die Freiheit des Bürgers, inzwischen wird mit der unabhängigen, verschwiegenheitsverpflichteten Anwaltschaft eine zentrale rechtstaatliche Institution zunehmend für öffentliche Zwecke und Interessen missbraucht. Zur Begründung derartiger Initiativen wird teilweise offen gesagt, der Rechtsanwalt sei als sog. Gate Keeper für die Wahrnehmung und Durchsetzung dieser öffentlichen Zwecke und Interessen besonders wichtig. Mit anderen Worten: Weil sich die Mandanten dem Anwalt anvertrauen, soll er ihr Vertrauen brechen. Das ist nicht nur Missbrauch der Anwaltschaft, es ist ihre Pervertierung. Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), der Deutsche Anwaltverein (DAV), der CCBE und seine übrigen Mitgliederorganisationen sind nach Kräften bemüht, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Doch wo bleibt der Protest der vielen einzelnen Anwältinnen und Anwälte? Sie schweigen, als ob sie das Ganze nichts anginge. Man fühlt sich den konkreten Interessen des konkreten Mandanten im konkreten Mandat verpflichtet. Sieht man nicht, dass es daneben auch die systemische Pflicht gibt, losgelöst vom einzelnen Mandat dafür zu sorgen, dass die Anwaltschaft auf der Grundlage des Vertrauens der Mandanten ihre Aufgabe in einem Rechtsstaat erfüllen kann? Auch in einer Demokratie kann der Anwalt zum Spitzel der Obrigkeit gemacht werden. Ein Rechtsstaat ist das dann allerdings nicht mehr.
9 Vgl. Limbach, Ist die kollektive Sicherheit Feind der individuellen Freiheit?, A nwBl 2002, 454 ff.
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Wirken und Wirkungen für die Anwaltschaft durch Rechtsanwälte von Oppenhoff & Partner und ihren Vorgängerkanzleien Inhaltsübersicht
I. Michael Oppenhoff
II. Die Familie Oppenhoff III. Dr. Walter Oppenhoff IV. Oppenhoff-Anwälte in Vorständen der Kölner Anwaltsorganisationen
V. Einzelne Sozietätsmitglieder und ihre Tätigkeiten für die anwaltlichen Organisationen
VI. Die Walter-Oppenhoff-Medaille VII. Schlussbemerkung
Mit dem Namen Oppenhoff, ganz überwiegend namensgebend in den Kanzleibezeichnungen seit der Nachkriegszeit, verbinden sich viele hervorragende Anwaltspersönlichkeiten, die in der Kanzlei Oppenhoff & Partner tätig sind oder in den Vorgängerkanzleien tätig gewesen sind. Von ihrem Wirken für die Anwaltschaft in Deutschland soll in diesem Beitrag berichtet werden, ohne dass damit der Anspruch auf Vollständigkeit erfüllt werden könnte. Der Verfasser war in der Zeit von 1998 bis 2007 Vorsitzender des Kölner Anwaltverein e. V. (KAV), dem damals mit ca. 4.350 Mitgliedern größten örtlichen Berufsverband der Rechtsanwälte unter dem Dachverband Deutscher Anwaltverein e. V. (DAV). Die Wiederbegründung des KAV im Jahre 1946 erfolgte unter maßgeblicher Mitwirkung von Dr. Walter Oppenhoff, dem Vater des Jubilars; er war der erste Vorsitzende des KAV in der Zeit von 1946 bis 1959.
I. Michael Oppenhoff Der Jubilar Michael Oppenhoff war Mitte der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts in die Kanzlei seines Vaters eingetreten. Die Kanzlei führte ab 1.1.1969 die Bezeichnung Boden Oppenhoff & Schneider; an diesem Tag wurden Michael Oppenhoff und Walter Jagenburg als Partner aufgenommen. Seine Tätigkeitsbereiche umfassten zunächst M&A, später das Gesellschaftsrecht und ab 1973 die Fusionskontrolle. Zunehmend ab Mitte der 80er Jahre übernahm Michael Oppenhoff Management-Verantwortung in der Kanzlei, die dann, zunächst über den überörtlichen Zusammenschluss Boden Oppenhoff Rasor Schneider & Schiedermair, sodann nach einem wei79
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teren Zusammenschluss Boden Oppenhoff Rasor Raue, später nach einem dritten Zusammenschluss den Namen Oppenhoff & Rädler trug. Nach einem weiteren Zusammenschluss zu der internationalen Sozietät Linklaters Oppenhoff & Rädler war er Vice Chairman. Seinen Namen stellte Michael Oppenhoff für die Kanzleibezeichnung zur Verfügung, als es zum 1.1.2008 zu einer Neu- oder Wiederbegründung der Kanzlei kam. Die Großkanzlei Linklaters hatte in 2007 die Entscheidung gefällt, den Kölner Standort aufzugeben. Mit 11 Partnern und 30 Anwälten wurde die Neugründung in Köln entschieden. Die Kanzlei trägt seither den Namen Oppenhoff & Partner Rechtsanwälte Steuerberater m.b.B. Michael Oppenhoff hat als Seniorpartner der Sozietät das Amt des Sprechers der Kanzlei bis Ende 2016 ausgeübt. Die Entscheidung zur Gründung von Oppenhoff & Partner war einer der spektakulärsten Spin-off-Fälle, die eine angelsächsisch geführte Großkanzlei wie Linklaters betraf. Es ging nicht nur um die Standortfrage, sondern um die grundsätzliche Einstellung, ob die anwaltliche Berufsausübung besser in einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit Entfaltung finden kann oder schlicht Renditeerwartungen unterzuordnen ist.1 Michael Oppenhoff und seine Kollegen gaben dem partnerschaftlichen Ansatz den Vorzug und kehrten zu den Wurzeln zurück. Oppenhoff & Partner haben sich seitdem wieder zu einer namhaften großen Anwaltskanzlei mit internationaler Ausrichtung erfolgreich entwickelt und unterhalten ein Büro in Frankfurt. In der Zeit ab Mitte der 80er Jahre traten wesentliche Veränderungen für die Anwaltschaft in Deutschland ein. An diesen Entwicklungen hatten die Vorgängerkanzleien unter der Führung von Michael Oppenhoff maßgebenden Anteil. Zu nennen sind hier die geschaffenen Möglichkeiten eines Zusammenschlusses von Kanzleien zur überörtlichen Sozietät, der Verbindung von Anwaltsnotaren und Wirtschaftsprüfern in einer Sozietät und der Bildung von internationalen Allianzen. Oppenhoff & Rädler waren auf diesen Feldern Pioniere und erstritten berufsrechtliche Entscheidungen vor dem BGH und dem Bundesverfassungsgericht. Die dadurch geschaffenen Möglichkeiten ergriffen nachfolgend viele Anwaltskanzleien. Die Führungsverantwortung von Michael Oppenhoff hat zu diesem Themenkreis deutliche Spuren hinterlassen. Die Haltung und die Einstellungen seines Vaters, Dr. Walter Oppenhoff, sind auch bei Michael Oppenhoff deutlich erkennbar.
1 JUVE Rechtsmarkt 01/2009, 62-64; brand eins, Ausgabe 09/2010 – Schwerpunkt Nachfolge, „Das Klub-Prinzip“; https://www.brandeins.de/archiv/2010/nachfolge/ das-klub-prinzip/.
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Dies gilt auch für das außerberufliche Engagement von Michael Oppenhoff. Er ist beispielsweise der Ehrenamtliche Vorsitzende im Vorstand des Förderkreises des Museums für Ostasiatische Kunst e. V.
II. Die Familie Oppenhoff Michael Oppenhoff entstammt einer alten rheinischen Familie, ansässig in Aachen, aus der viele namhafte Juristen hervorgegangen sind. Bereits sein Urgroßvater Theodor Oppenhoff, geboren 1820, war Präsident des Landgerichts Aachen. Dessen Bruder Friedrich Oppenhoff wurde Senatspräsident beim Kammergericht in Berlin. Ebenfalls wurde der Großvater von Michael Oppenhoff, Friedrich (Fritz) Maria Oppenhoff, geboren 1863, Präsident des Landgerichts Aachen. In der Behördenleitung folgte als Landgerichts präsident in Aachen dessen Bruder Joseph Oppenhoff, der 1933 wegen Erreichens der Altersgrenze aus dem Amt schied, bevor das Naziregime auch in der Justiz zu Umordnungen führte. Ein weiterer Bruder seines Großvaters Friedrich (Fritz) Maria Oppenhoff war Franz Oppenhoff, Schulrat in Aachen. Dessen Sohn, ebenfalls Franz Oppenhoff, war Jurist, wurde Oberbürgermeister in Aachen und kurz vor Kriegsende am 25.3.1945 von einem Nazi Werwolf-Kommando meuchlings ermordet. Der Sohn von Friedrich (Fritz) Maria Oppenhoff war der Vater von Michael Oppenhoff, Dr. Walter Oppenhoff. Die Familie Oppenhoff hatte bereits in anschaulicher Tradition namhafte Juristen hervorgebracht, die in verantwortungsvollen Positionen innerhalb der Justiz tätig waren, bevor nun der Vater von Michael Oppenhoff sich für den Beruf des Rechtsanwaltes entschied.
III. Dr. Walter Oppenhoff „Die Tätigkeit in den beruflichen Organisationen der Anwaltschaft war für mich Teil des Berufs, dem ich mich mit Freude gestellt habe.“
Diese Worte entstammen einem Dankessschreiben von Dr. Walter Oppenhoff vom 17.5.2000 an den Vorsitzenden des KAV, als der Verfasser ihm in dieser Funktion zum 70. Jubiläum der Zulassung als Rechtsanwalt und zum 95. Geburtstag Glückwünsche ausgesprochen hatte.2 Diese Worte von Walter Oppenhoff umreißen seine Haltung und Einstellung; er hat sie mit einer Vielzahl von eindrucksvollen Leistungen ausgefüllt.
2 Walter Oppenhoff, Schreiben v. 17.5.2000 an den Vorsitzenden des KAV, Archiv des Kölner Anwaltverein e. V.
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Walter Oppenhoff wurde am 26.5.1905 in Aachen geboren. Nach seiner juristischen Ausbildung und Promotion wurde er am 24.4.1930 als Rechtsanwalt zugelassen und trat am 1.5.1930 in die Kölner Kanzlei Becker-Lang- Ströhmer ein. Am selben Tage trat er auch in den KAV ein, was für ihn selbstverständlich war, wie er einmal äußerte. Diese Selbstverständlichkeit folgte nicht nur aus den Gegebenheiten, weil der Justizrat Dr. Becker I damals Vizepräsident des Deutschen Anwaltvereins war und Justizrat Dr. Ströhmer seit langen Jahren dem Vorstand des Kölner Anwaltvereins angehörte. Noch in der Woche seines Kanzleieintritts wurde er als Sekretär zu einer Ehrengerichtssitzung „eingezogen“. Walter Oppenhoff führte dies in einem Dankesschreiben vom 24.4.1995 an den Vorsitzenden des KAV an und brachte zum Ausdruck, dass sein anwaltliches Leben zu allen Zeiten eng mit dem Anwaltverein verbunden war und dass er auch nicht vorhabe, seine Mitgliedschaft im KAV wegen starker Beschränkung oder vollständiger Aufgabe der aktiven Anwaltstätigkeit zu kündigen, „denn die Entwicklung der Anwaltschaft als Ganzes lag mir immer am Herzen.“3 Als Walter Oppenhoff Rechtsanwalt wurde, waren die gerade einmal gut 50 Jahre zurückliegenden Neuordnungen noch in guter Erinnerung. Im Oktober 1879 trat durch die sogenannten Reichsjustizgesetze eine Gerichtsreform im Rheinland in Kraft. Damals organisierte sich die Anwaltschaft als erstarkende freie Advokatur neu. Die Schaffung von örtlichen Anwaltskammern mit der Zuständigkeit für Fragen der Disziplin war in Vorbereitung. Parallel dazu wurde das Bedürfnis gesehen, auf örtlicher Ebene Vereinigungen von Rechtsanwälten zu bilden, um ein Forum für die Fortbildung, die kollegiale Information und die Meinungsbildung der Rechtsanwälte darzustellen. Am 31.1.1887 erfolgte die Gründung des Kölner Anwaltverein e. V., der eine Geschäftsstelle im Gerichtsgebäude des OLG Köln am Reichenspergerplatz unterhielt. Aus der wirtschaftlichen Notlage Ende der 20ziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hatte die Stadt Köln eine Gemeinnützige Rechtsauskunftsstelle eingerichtet, die zum 1.4.1932 von der Stadt Köln an den KAV wegen der fachlichen Kompetenz überantwortet wurde. Der KAV betrieb fortan in seiner Geschäftsstelle im Gerichtsgebäude Reichenspergerplatz diese Gemeinnützige Rechtsauskunftsstelle mit ca. 10.000 – 15.000 Beratungen jährlich. Hierzu und zur Geschichte und Entwicklung des KAV sei auf die Abhandlung von Becker in der Festschrift „100 Jahre Kölner Anwaltverein“ verwiesen.4
3 Walter Oppenhoff, Schreiben v. 24.4.1995 an den Vorsitzenden des KAV, Archiv des Kölner Anwaltverein e. V. 4 Becker in FS 100 Jahre KAV, 1987, S. 17, 67.
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Walter Oppenhoff hatte sich von Anbeginn seiner Berufstätigkeit auf die Rechtsgebiete des gewerblichen Rechtsschutzes und des Markenrechts verlegt, die erst in den Anfängen ihrer Rechtsentwicklungen standen. Seine Kanzlei, eine der größten zur damaligen Zeit in Deutschland, vertrat bereits international operierende Unternehmen und war auf diesen Gebieten sehr namhaft. Als die Naziherrschaft begann, kam es recht früh am 31.3.1933 zu einem einschneidenden Ereignis im Gerichtsgebäude Reichenspergerplatz in Köln. SA-Leute und Nazi-Schlägertrupps überfielen an diesem Freitag vormittags das Gericht, stürmten die Sitzungen unterbrechend einzelne Gerichtssäale und trieben die jüdischen Richter, Rechtsanwälte und Referendare zusammen. In einer vorbereiteten Aktion wurden diese Personen auf offene städtische Müllwagen gebracht, die dann durch die Stadt Köln zum Polizeipräsidium gefahren wurden, wo sie wieder entlassen wurden. Dies alles war extrem entwürdigend für die Betroffenen, ebenso aber auch für die nicht betroffenen jüdischen Personen, da keinerlei Hilfe oder Beistand stattfand. Diese Vorkommnisse sind bereits mehrfach eindrücklich geschildert worden.5 In einer Podiumsdiskussion des Bonner Anwaltvereins am 28.10.1992 beteiligte sich Walter Oppenhoff und äußerte sich als Zeitzeuge zu den Ereignissen des 31.3.1933 folgendermaßen: „Sowohl von der Wache des Gebäudes wie natürlich vom Anwaltsverein ist die Polizei unentwegt angerufen worden und um Hilfe gebeten worden. Es ist niemand erschienen. Diese Tatsache hat schlagartig – allen Juden und Nichtjuden – zu Bewusstsein gebracht, dass wir keinen Rechtsstaat mehr hatten.“6
Walter Oppenhoff wirkte in der Geschäftsstelle des Kölner Anwaltvereins mit und war ebenso dabei, als der Kölner Anwaltverein unter dem Druck der heraufgezogenen Naziherrschaft in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am Samstag, dem 30.12.1933, die Vereinsauflösung beschließen musste. Obgleich die Tätigkeiten des Kölner Anwaltvereins für die Anwaltschaft von den eingerichteten Nazi-Organisationen übernommen wurden, in Folge National-Sozialistischer Rechtswahrer-Bund e. V., blieb die Gemeinnützige Rechtsauskunftsstelle in den Geschäftsräumen des KAV fortbestehend; dies, obwohl der KAV mit dem Auflösungsbeschluss beendet wurde.
5 Laum/Pamp in Laum/Klein/Strauch (Hrsg.), Rheinische Justiz, 175 Jahre Oberlandesgericht Köln, 1994, S. 625, 634; Peters in KAV (Hrsg.), Köln, Freitag, 31.3.1933, 2004. 6 Niederschrift der Podiumsdiskussion v. 28.10.1992 im Universitätsclub in Bonn, in Bonner Anwaltverein (Hrsg.), Jüdische Rechtsanwälte im Dritten Reich, 1994, S. 38, 40.
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Walter Oppenhoff durchlebte die Zeit der Naziherrschaft und der Kriegswirren als aufrechter Rechtsanwaltskollege ohne jeglichen Tadel. Unter welchem Druck, welchen Anfeindungen und Beeinträchtigungen ehrenamtlich in den Organisationen der Rechtsanwaltschaft tätige Rechtsanwaltskollegen plötzlich und zunehmend standen, unterliegt heute kaum noch einer Vorstellungskraft. Walter Oppenhoff hat uns aber als Zeitzeuge hierzu einen sehr authentischen und nahegehenden Bericht zur Verfügung gestellt, der in der Festschrift „100 Jahre Kölner Anwaltverein“ abgedruckt ist.7 Dabei schildert Walter Oppenhoff auch sehr eindrücklich, wie er in dieser Zeit als Rechtsanwalt seine aus Sicht der Nazi-Herrscher „kritischen“ Mandate durchführen musste bis hin zu speziellen Beratungen. Zunehmend stand Walter Oppenhoff unter Beobachtung des Naziregimes und seiner ausführenden Helfer, wurde in Ansehung der von ihm geführten Großmandate ausländischer Unternehmen als bestellter Feindvermögensverwalter ins Reichswirtschaftsministerium zitiert und Drohungen ausgesetzt, binnen 24 Stunden einen Plan zur Überführung des feindlichen Vermögens in deutsches Eigentum vorzulegen.8 Er schildert auch, dass er nach Beginn des zweiten Weltkrieges von einem ständig in SS-Uniform herumlaufenden Rechtsanwalt in dessen Büro geladen wurde, der ihm eröffnete, er sei von der SS mit der politischen Überwachung von Rechtsanwälten beauftragt. Hierzu bemerkt Walter Oppenhoff: „Diese höflich geführte „Unterhaltung“ trug angesichts ihres unheimlichen Hintergrunds mit zu meinem späteren Untertauchen bei.“9
Diese unglaublichen Beeinträchtigungen wird auch der Jubilar Michael Oppenhoff, der am 10.11.1937 zur Welt kam, mit seiner Familie erlebt haben. Mit Beendigung des zweiten Weltkrieges lagen Deutschland und Köln in Schutt und Asche. Im Oktober 1945 machten sich Walter Oppenhoff und der Kölner Rechtanwalt Dr. Manstetten an die Errichtung der berufsständigen Organisationen in Köln und die Neubegründung des Kölner Anwaltvereins. Es wurde ein geschäftsführender Ausschuss von den Kölner Rechtsanwälten gebildet, der Satzungsentwürfe vorlegte. Die Diskussionen reichten bis in das Jahr 1946; die Satzung zur Wiedererrichtung des Kölner Anwaltverein wurde am 15.3.1946 genehmigt; der KAV wurde am 2.9.1946 wieder in das Vereinsregister des AG Köln eingetragen. Als Vorsitzender des KAV wurde Walter Oppenhoff gewählt.
7 Oppenhoff in FS 100 Jahre KAV, 1987, S. 187-196. 8 Oppenhoff in FS 100 Jahre KAV, 1987, S. 194 f. 9 Oppenhoff in FS 100 Jahre KAV, 1987, S. 191.
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Zuvor war aber schon unter seiner Mitwirkung die Gemeinnützige Rechtsauskunftsstelle am 12.3.1946 wiedereröffnet; bis Ende 1946 kam es zu 5.551 Beratungen. Am 31.12.1946 hatte der KAV 237 Mitglieder und befasste sich bereits mit ersten Fachvorträgen. Vor allem aber mussten sich Walter Oppenhoff und sein Team um dringende Beschaffungen von Büromaterial und juristischer Literatur für die Mitglieder des KAV in den ersten Jahren kümmern. Schon ab 1946 wurde der KAV gemeinsam mit der Rechtsanwaltskammer Köln um Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben gebeten Die Bewältigung all dieser Aufgaben verlangte den Vorstandsmitgliedern des KAV unter Führung von Walter Oppenhoff und vielen mitwirkenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten neben ihren beruflichen Tätigkeiten Großes ab, wie es heute kaum vorstellbar erscheint. In den Folgejahren machte der Wiederaufbau auch des KAV erhebliche Fortschritte. Die Papierbeschaffung und Verteilung an Rechtsanwälte konnte auf einen gewerblichen Papierfachhändler übertragen werden, so dass sich der Vorstand unter Walter Oppenhoff auf die eigentlichen Geschäfte des Kölner Anwaltvereins konzentrieren konnte. Die Rechtsauskunftsstelle, die der KAV betrieb, hatte z. B. in 1951 an 196 Sprechtagen 15.423 Beratungsfälle; der Mitgliederbestand im KAV war auf über 400 angewachsen. In 1951 hat der KAV über den Dachverband DAV gutachterliche Stellungnahmen zu Gesetzesvorlagen erarbeitet, und zwar zu verschiedenen Rechtsgebieten, wobei die Unterbereiche in Klammern angegeben werden: Zivilrecht (6), Strafrecht (3), Verkehrsrecht (5), Arbeitsrecht (2), Verwaltungsrecht (2), Steuerrecht (3), verschiedene Gesetze (4). Allein dies war, nicht nur im Beispielsjahr 1951, sondern entsprechend davor und danach ein gewaltiges Pensum, das der KAV unter der Führung von Walter Oppenhoff geleistet hat. Er war persönlich wiederholt zu fachlichen Besprechungen im Bundesjustizministerium anwesend.10 In der Folgezeit erweiterte der KAV seine Tätigkeiten, gestaltete Vorbereitungskurse zur Anwalts-Gehilfenprüfung, ging Verstößen gegen das Rechtsberatungsmißbrauchgesetz nach, gab gutachterliche Stellungnahmen zu Anträgen auf Zulassung von Rechtsbeiständen bei den Präsidenten der Amtsgerichte und dem Landgericht ab und vieles mehr. Auch all dies organisierte und bewerkstelligte der Vorstand des KAV unter Walter Oppenhoff. Er hatte mit dem Neubeginn nach Kriegsende seine Rechtsanwaltskanzlei wiedereröffnet, die ab 1969 die Bezeichnung Boden Oppenhoff & Schneider trug. Erstmals handelte es sich hierbei um den „Firmennamen“ einer Kanzlei; bis dahin wurden Rechtsanwälte einer Kanzlei namentlich hintereinander aufgereiht. Die Mandanten aus dem Bereich des internationalen Rechts10 Vorstand des KAV, Jahresbericht 1951, Archiv des Kölner Anwaltverein e. V.
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verkehrs, vor allem ausländische große Unternehmen, hielten ihm die Treue, so dass die berufliche Entwicklung seiner Kanzlei einen guten Start hatte und eine gute Entwicklung aufnahm. Boden Oppenhoff & Schneider wurde die mit Abstand größte Sozietät in Deutschland und erhielt diesen Rang als Oppenhoff & Rädler bis weit in die 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts mit dann 220 Rechtsanwälten und 700 Mitarbeitern. Das bemerkenswerte, fast unglaubliche Leistungsniveau von Walter Oppenhoff ließ auch seine Kanzleikollegen nicht unberührt. So wurde z. B. sein Außensozius Dr. Rudolf Boden in die Veranstaltung und Organisation eines Gesellschaftsabends am 1.10.1954 anlässlich des 75-jährigen Bestehens der freien Anwaltschaft einbezogen.11 Dr. Rudolf Boden wurde auch noch später in entsprechende Organisationsaufgaben vom KAV eingebunden, aber auch als Mitwirkender im anwaltlichen Ehrengericht, das bei der Rechtsanwaltskammer Köln angesiedelt war. Aufgrund seiner internationalen Vernetzung und entsprechend seiner Einstellung, dass Rechtsanwälte zunehmend wieder grenzüberschreitend tätig werden sollten, strebte Walter Oppenhoff die Kontakte zu entsprechenden ausländischen Anwaltsorganisationen an. Mutmaßlich auf sein Hinwirken fanden große Kongresse solcher Anwaltsorganisationen in Köln statt. Den KAV band er z. B. in die Vorbereitung der Tagung der Union Internationale des Avocats am 14./15.1.1956 in Köln ein.12 Ebenso nahm der KAV an der Vorbereitung des IBA-Kongresses vom 20. – 26.7.1958 in Köln teil und richtete einen Empfang für die Mitglieder des Council der IBA am 20.7.1958 aus.13 Walter Oppenhoff knüpfte auch auf diesem Wege enge Kontakte zu den internationalen Anwaltsorganisationen; er wurde später Chairman der Section Business Law der International Bar Association. Sein späterer Sozius Dr. Dieter Schneider, Namenspartner bei Boden Oppenhoff & Schneider, wirkte maßgeblich beim Aufbau von Verbindungen der damaligen Sozietät zu anderen führenden Sozietäten in Europa bis nach Latein- und Nordamerika mit. Mit seinen Charakteristika anwaltlicher Kampfgeist, untrügliches Judiz und unwiderstehlicher Charme bewirkte Dieter Schneider mit Walter Oppenhoff den Aufbau einer internationalen Klientel. Kontakte zu Amerikanern hatte Dieter Schneider schon aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft in den USA mitgebracht, wie er einmal dem Verfasser berichtete. Weitere Verbindungen konnte er knüpfen, als er ab 1954 als Anwaltsassessor in einer amerikanischen Rechtsan11 Vorstand des KAV, Protokoll der Sitzung v. 5.7.1954, Archiv des Kölner Anwaltverein e. V. 12 Vorstand des KAV, Schreiben an die KAV Mitglieder v. 20.12.1955, Archiv des Kölner Anwaltverein e. V. 13 Vorstand des KAV, Protokoll der Sitzung v. 27.6.1958, Archiv des Kölner Anwaltverein e. V.
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waltskanzlei in New York hospitierte. Dieter Schneider wurde 1956 in der Kanzlei von Walter Oppenhoff als Partner aufgenommen, in der er zuvor schon Referendar war; Dieter Schneider verstarb 1999. Die vielfachen Verbindungen zu Amerikanern konnten von Dieter Schneider zu Mandatsverhältnissen ausgebaut werden, an deren Aufbau ebenso Walter Oppenhoff maßgeblichen Anteil hatte, der darüber hinaus aber auch die Anwaltschaften in ihren Organisationen international zusammenbrachte. Bereits an dieser Stelle kann zu Walter Oppenhoff resümierend festgestellt werden, dass er – auch mit seinen weiteren Aktivitäten – die deutsche Anwaltschaft wieder in die internationale Gemeinschaft von Rechtsanwälten zurückgeführt hat, nachdem das Versagen von Rechtsanwaltschaft und Justiz während der Nazizeit zu einem festen Bestandteil unserer Geschichte zählt. Walter Oppenhoff war Vorsitzender des KAV von März 1946 – Mai 1959. Am 13.5.1959 wurde Walter Oppenhoff zum Präsidenten des Deutschen Anwaltverein e. V. gewählt. Zu seinem Nachfolger im Vorsitz des KAV wurde Rechtsanwalt Dr. Kurt Kampmann gewählt, der diesen Vorsitz von 1959 bis 1970 führte. Walter Oppenhoff war auch Mitglied im Vorstand der Rechtsanwaltskammer Köln seit 1946. Mit seiner Wahl zum DAV Präsidenten schied er 1959 aus diesem Vorstand aus. Auf Bitten des Vorstandes des KAV blieb Walter Oppenhoff aber Mitglied im Vorstand des KAV, und zwar in der gesamten Zeit während seiner Präsidentschaft des DAV, also von 1959 bis 1963 und darüber hinaus. Erst recht widmete sich Walter Oppenhoff als DAV-Präsident der Wiederaufnahme der internationalen Beziehungen.14 Eindringlich richtete Walter Oppenhoff an die Kölner Rechtsanwälte wie auch bundesweit den Appell, sich zunehmend dem internationalen Recht zuzuwenden.15 Als ehemaliger DAV Präsident hielt er die Eröffnungsrede beim Anwaltstag Pfingsten 1967 in Bremen zu dem Thema „Sinn und Zweck von Anwaltsgemeinschaften“.16 Die Frische der Gedanken entfaltet auch dem heutigen Leser zutreffende Anregungen und Einschätzungen. Walter Oppenhoff blieb auch nach seiner DAV-Präsidentschaft Mitglied im Vorstand des KAV, aus dem er auf eigenen Wunsch 1968 ausschied. Die 14 Becker in FS 100 Jahre KAV, 1987, S. 114. 15 Becker in FS 100 Jahre KAV, 1987, S. 114; Oppenhoff in FS zum 75-jährigen Bestehen des Kölner Anwaltvereins am 31. Januar 1962,.o.J., S. 57 f.; Oppenhoff, Die Zusammenarbeit des DAV mit ausländischen Anwaltsorganisationen, A nwBl 1962, 233 f. 16 Oppenhoff, Anwaltsgemeinschaften, ihr Sinn und Zweck, AnwBl 1967, 267–275.
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Mitgliederversammlung des KAV hat ihm am 12.6.1968 wegen seiner einmaligen Verdienste „nicht nur um den eigenen Verein, sondern um die gesamte Anwaltschaft“ zum Ehrenvorsitzenden des KAV ernannt.17 Bei dieser Ehrung von Walter Oppenhoff sollte es selbstverständlich nicht verbleiben. Der Deutsche Anwaltverein verlieh seinem früheren Präsidenten 1977 die Hans-Dahs-Plakette als „Anwaltspersönlichkeit von besonderem Format“. Die höchste Ehrung des Deutschen Anwaltverein wurde Walter Oppenhoff aber erst posthum erteilt, indem vom DAV die Walter-Oppenhoff-Medaille 2001 zum Gedenken an seine einzigartige Persönlichkeit geschaffen wurde. Hierauf wird zum Ende dieses Berichts zurückzukommen sein. Von seinen Partnern Walter Jagenburg, Georg Maier-Reimer und Thomas Verhoeven wurde zu seinem 80. Geburtstag im Jahr 1985 eine Festschrift herausgegeben.18 Walter Oppenhoff war Gründungsmitglied verschiedener Vereinigungen, die ebenfalls nicht vollständig, wie auch die ihm zu Teil gewordene Ehrungen, hier aufgeführt werden können. An der Gründung der Gesellschaft für Auslandsrecht e. V. im Jahre 1953, dem Förderverein für das Institut für internationales und ausländisches Privatrecht der Universität zu Köln, war er als Gründungsmitglied beteiligt. Ebenso hatte sich Walter Oppenhoff bei der Wiederbegründung der Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e. V. aus seiner fachlichen Orientierung engagiert, die schon im Jahre 1891 gegründet wurde und schlagwortartig als Grüner Verein bekannt ist, benannt nach der Farbe des Umschlages der einschlägigen Fachzeitschrift. Wegen seiner Verdienste wurde Walter Oppenhoff am 25.9.1981 vom Grünen Verein die Rudolf-Callmann-Medaille verliehen. Auch außerberuflich engagierte sich Walter Oppenhoff. Er war 30 Jahre lang Vorsitzender der Overstolzengesellschaft, der Fördergesellschaft des Museums für Angewandte Kunst, die 1989 den Einzug in das frühere Gebäude des Wallraf-Richartz-Museums bewirken konnte. Ihm wurde von der Stadt Köln die Jabach-Medaille für besondere Verdienste um die Kölner Museen verliehen.
17 AnwBl 1968, 213. 18 Jagenburg/Maier-Reimer/Verhoeven (Hrsg.), FS für Walter Oppenhoff zum 80. Geburtstag, 1985.
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IV. Oppenhoff-Anwälte in Vorständen der Kölner Anwaltsorganisationen Aus den Vorgängerkanzleien von Oppenhoff & Partner sind hervorragende Anwaltspersönlichkeiten hervorgegangen, die neben Walter Oppenhoff ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Erwähnung finden sollen. Seine Haltung, ehrenamtliches Engagement in den beruflichen Organisationen der Anwaltschaft aufzubringen und dieses als Teil des Berufs zu verstehen, hat auch bei den Menschen in seinem Sozietäts-Kollegium starke Entsprechungen gefunden. Diese Einstellung und Überzeugung konnten ganz offenkundig von ihm weitergegeben werden; der „Funke“ ist auf seine Partner übergegangen. Aus der Kanzlei wirkten im Vorstand der Rechtsanwaltskammer Köln folgende Kollegen mit:19 Dr. Walter Oppenhoff 1946–1959 Hans-Jürgen Prinz
1975–1983
Dr. Bernd Bürglen
1983–1989
Dr. Bernd Bürglen
2001–2009 (im Präsidium der RAK Köln)
Im Vorstand des KAV engagierte sich Dr. Henning Rasner von November 1968 bis Mai 1980. Dr. Bernd Bürglen gehörte dem KAV-Vorstand von 1980 bis 1993 an. In dieser Zeit führte er von Dezember 1982 bis Mai 1991 den KAV als Vorsitzender.
V. Einzelne Sozietätsmitglieder und ihre Tätigkeiten für die anwaltlichen Organisationen Die nachfolgenden Rechtsanwälte finden in der Reihenfolge ihres Eintritts in die Kanzlei Boden Oppenhoff & Schneider Erwähnung. Dr. Henning Rasner, seit 1965 Partner in der Kanzlei, war ein namhafter Gesellschaftsrechtler und wirkte mit seiner Kompetenz im Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltverein e. V. mit. Er verstarb im August 2015. Dr. Dr. h.c. Georg Maier-Reimer LL.M. trat 1968 in die Kanzlei ein und gehört heute noch Oppenhoff & Partner an. Die fachlichen Schwerpunkte von 19 Privat, Anwaltschaft im Wandel, 125 Jahre Rechtsanwaltskammer Köln 1879– 2004, 2004, S. 274-279.
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Georg Maier-Reimer liegen auf den Gebieten des Gesellschaftsrechts, der Unternehmenskäufe, der Nachfolgeplanung und der Prozessführung in diesen Bereichen unter Einschluss schiedsgerichtlicher Verfahren. Zu vielen anderen juristischen Themen äußert er sich in einer Fülle von Fachbeiträgen mit namhafter Stimme, mitunter auch kritischen Würdigungen. Gibt man auf der Website www.anwaltsblatt.de seinen Namen ein, so finden sich allein 56 eingetragene Titel in der Ergebnisliste. Er ist Autor in verschiedenen Standardwerken der juristischen Literatur. Georg Maier-Reimer ist seit 1992 Vorsitzender des Gesetzgebungsausschusses Zivilrecht des DAV und seit 2003 Mitglied des Ausschusses Handelsrecht des DAV. Als Mitherausgeber der Neuen Juristischen Wochenschrift NJW während eines Zeitraums von zwölf Jahren bis 2015 verfasste er neben Abhandlungen Editorials, in denen er sich zu aktuellen rechtspolitischen Themen geäußert hat. 2004 erhielt Georg Maier-Reimer für sein wissenschaftliches Werk die Auszeichnung der Ehrendoktorwürde durch die Universität zu Köln. Zu seinem 70. Geburtstag wurde eine Festschrift von Grunewald/Westermann herausgegeben, zu der viele namhafte Autoren in den Bereichen des Gesellschaftsrechts, aber auch aus anderen Rechtsgebieten Beiträge verfasst haben.20 Auf das eindrucksvolle Schriftenverzeichnis von Georg Maier-Reimer sei verwiesen. In viele rechtspolitische Diskussionen, auch zum Berufsrecht der Rechtsanwälte, bringt sich Georg Maier-Reimer bis zum heutigen Tage mit starker Stimme ein. Als im Jahre 2003 die Wahlen zur 3. Satzungsversammlung bevorstanden, signalisierte Georg Maier-Reimer dem Verfasser, dass er gern in diesem Gremium mitwirken würde. Die Satzungsversammlung besteht aus gewählten Mitgliedern nach quotalem Verhältnis der Rechtsanwaltskammern und hat die Beschlusskompetenz zu den Regelungen der Berufsordnung der Rechtsanwälte sowie der Fachanwaltsordnung. Der Verfasser, selbst langjähriges Mitglied der Satzungsversammlung, ermunterte Georg Maier-Reimer, so dass er kandidierte. Bei den Wahlen des Bezirks der Rechtsanwaltskammer Köln fehlten ihm dann aber einige 100 Stimmen. Eine Gruppierung, die sich „Junge Anwälte“ nannte, hatte sich vernetzt und mobilisiert, um die dortigen Kandidaten durchzubringen, was niemand wusste. Bei einer Wahlbeteiligung von ca. 25 % fiel dann das Ergebnis entsprechend aus. Die Satzungsversammlung musste auf den kraftvollen Zugang von Georg Maier-Reimer verzichten. Mitunter verlangt demokratisches Verständnis eine Toleranzübung ab, die einen kleinen Nebeneffekt 20 Grunewald/Westermann (Hrsg.), FS für Georg Maier-Reimer zum 70. Geburtstag, 2010.
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auslöst: Man lernt in einer solchen Situation sofort wieder, bis tief unters Zwerchfell zu atmen. Dr. Bernd Bürglen trat 1970 in die Kanzlei ein und gehörte ihr bis Jahres ende 2006 an. Er war Vorsitzender des Rechtsberatungsausschusses im DAV und nahm auch an Anhörungen zu Rechtsentwicklungen teil. Bernd Bürglen war Vorsitzender des Vorprüfungsausschusses „Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz“ der Rechtsanwaltskammer Köln, Vorsitzender des BRAK-Ausschusses Rechtsdienstleistungsgesetz und Gründungsmitglied des GRUR-Fachausschusses für Arznei- und Lebensmittelrecht. An der Erarbeitung von Stellungnahmen der Bundesrechtsanwaltskammer zu Gesetzesvorhaben nahm Bernd Bürglen als Mitglied des Ausschusses gewerblicher Rechtsschutz teil, ebenso an Stellungnahmen des DAV zu Gesetzesvorhaben im Rahmen seiner Mitgliedschaft im Berufsrechtsausschuss, dort Unterausschuss Rechtsberatungsrecht. Bernd Bürglen war von 1991 bis 1995 Mitglied im Vorstand des Deutschen Anwaltverein e. V. In seine Zeit als KAV-Vorsitzender von 1982 – 1991 fiel das 100-jährige Jubiläum des im Januar 1887 gegründeten KAV. In der 1987 herausgegebenen Festschrift findet sich neben dem Geleitwort des KAV Vorsitzenden sein Beitrag zur Fortbildungsarbeit des KAV, die er wesentlich ausgebaut hat.21 Über seine Zeit als Vorsitzender des KAV berichtet Bernd Bürglen in der Sonderausgabe der KAV-Mitteilungen „125 Jahre KAV“ unter Hervorhebung, dass 1984 das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Nordrhein-Westfalen errichtet werden konnte.22 Hierzu hatte Bernd Bürglen, nachdem mehrfache Anläufe in Schwierigkeiten stecken geblieben waren, erneut die Initiative ergriffen und mit weiteren Kollegen aus dem Bereich der Rechtsanwaltskammer Köln bewirken können, dass eine Rechtsanwaltsversorgung auf gesetzlicher Grundlage zustande gekommen ist.23 Die langjährigen Diskussionen konnten damit abgeschlossen werden, in die sich schon Walter Oppenhoff mit Nachdruck für die Schaffung einer Rechtsanwaltsversorgung eingebracht hatte. Besonders verdienstvoll hat Bernd Bürglen auch über die Zeit seines Vorgängers im KAV-Vorsitz, des Rechtsanwaltes Dr. Ludwig Koch, von 1973 bis 1982 berichtet, der später Präsident des DAV wurde, dem aber die Abfassung eines Berichts aus eigener Feder nicht mehr vergönnt war.24 21 Bürglen in FS 100 Jahre KAV, 1987, Geleitwort S. 7, S. 213-228. 22 Bürglen in KAV (Hrsg.), Sonderausgabe der KAV Mitteilungen 125 Jahre KAV, 2012, S. 12 f., abrufbar unter www.koelner-anwaltverein.de/KAV-Magazin, KAV Mitteilungen, Sonderausgabe 2012. 23 Krömer in Landesverband Nordrhein-Westfalen im Deutschen Anwaltverein 1957-1997, 1997, S. 199, 201. 24 Bürglen in KAV (Hrsg.), Sonderausgabe der KAV Mitteilungen 125 Jahre KAV, 2012, S. 11.
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Als KAV Vorsitzender war Bernd Bürglen Gründungsmitglied der Kölner Juristische Gesellschaft e. V. (KJG), die am 30.11.1985 gegründet wurde. Von 1985 bis 1995 gehörte er dem Vorstand der KJG an, ab 1996 – 2012 war er Beiratsvorsitzender der KJG. Bernd Bürglen hat maßgeblich zu der Entwicklung der KJG beigetragen, die die verschiedenen juristischen Berufsgruppen in Vortragsveranstaltungen zusammenbringt. Er wurde 2012 zum Ehrenvorsitzenden des Beirats der KJG gewählt und hat über deren Entwicklung in der Festschrift „30 Jahre Kölner Juristische Gesellschaft“ über eben diesen Zeitraum eindrucksvoll berichtet.25 Zwischen Walter Oppenhoff und dem damaligen Rektor der Universität zu Köln Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Hanau bestand eine vertrauensvolle Bekanntschaftsbeziehung. Im Jahre 1987 forcierte Peter Hanau seine Intention, das Anwaltsrecht einer wissenschaftlichen Bearbeitung zuzuführen. Walter Oppenhoff übertrug diese Vertrauensbeziehung auf seinen Partner Bernd Bürglen, der fortan mit Peter Hanau die Idee weiterentwickelte, wobei Bernd Bürglen als Vorsitzender des KAV den DAV sofort einbinden konnte. Dessen damaliger Präsident Dr. h.c. Ludwig Koch, Vorgänger im Vorsitz des KAV vor Bernd Bürglen, machte sich mit anderen Persönlichkeiten sogleich für die Umsetzung der Intention stark, so dass das Institut für Anwaltsrecht an der Universität zu Köln eingerichtet werden konnte. In der Gründungsversammlung am 13.4.1988 des Fördervereins für das Institut war Bernd Bürglen für den KAV Gründungsmitglied.26 Fortan wirkte Bernd Bürglen auch als Mitglied des Vorstands des Fördervereins mit. Der KAV unter seinem Vorsitz stellte finanzielle Beiträge zur Verfügung, was bis zum heutigen Tage gilt. An der weiteren Entwicklung des Instituts für Anwaltsrecht nahm Bernd Bürglen im Vorstand erheblich teil. Die Aufbauarbeit dieses Instituts wurde von Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Hanns Prütting maßgeblich geleistet und von dem 1991 hinzu gekommenen weiteren Institutsdirektor Herrn Prof. Dr. Martin Henssler. Beide sind heute noch Direktoren des Instituts, in dem auch Frau Prof. Dr. Barbara Grunewald von 1999 bis 2008 geschäftsführende Direktorin war. Das Institut für Anwaltsrecht hat mit den Wissenschaftlern das anwaltliche Berufsrecht einer umfangreichen wissenschaftlichen Bearbeitung unterzogen. Die Fülle der Publikationen, die jährlich von den Wissenschaftlern des Instituts herausgegeben werden, ist geradezu ein immer wiederkehrendes Leistungsfeuerwerk. Es ist seit langen Jahren bis heute das namhafteste Institut, das sich dem Anwaltsrecht widmet. Auch hieran hat Bernd Bürglen durch seine Mitwirkung einen nicht geringen Anteil. 25 Bürglen in FS 30 Jahre Kölner Juristische Gesellschaft, 2015, S. 7 - 20, abrufbar unter www.juristischegesellschaft.de. 26 Hamacher in Landesverband Nordrhein-Westfalen im Deutschen Anwaltverein 1957-1997, 1997, S. 289 f.
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Prof. Dr. Walter Jagenburg war Mitte der 60er Jahre zu Boden Oppenhoff & Schneider gekommen und war dort, wie auch in den Nachfolgekanzleien, von 1969 bis 2001 Partner. Walter Jagenburg zählt zu den Begründern des privaten Baurechts, seinem Fachgebiet, als Wissenschaft. Mit einer Fülle von Abhandlungen hat Walter Jagenburg wissenschaftliche Beiträge zum Baurecht geliefert und war Autor zu den Standardwerken des Baurechts in der juristischen Literatur. Er war Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Baurecht im DAV und ständiger Mitarbeiter und Mitherausgeber von Fachzeitschriften dieses Gebiets. Seit 1984 erfüllte Walter Jagenburg Lehraufträge an der Universität zu Köln und wurde dort 1989 Honorarprofessor. Er war Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Baurecht und der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung. Jährlich seit 1969 veröffentlichte er in der NJW eine Rechtsprechungsübersicht zum privaten Baurecht. Aus Anlass seines 65. Geburtstages wurde 2002 ihm zu Ehren eine umfangreiche Festschrift herausgegeben.27 Das dort abgebildete Schriftenverzeichnis von Walter Jagenburg umfasst 175 Titel. Nach seinem Ausscheiden bei Linklaters Oppenhoff Rädler im Jahre 2001 war Walter Jagenburg weiterhin als Rechtsanwalt in seinem Fachgebiet tätig. Zuletzt führte er mit seiner Ehefrau und Kollegin Prof. Inge Jagenburg gemeinsam eine Kanzlei, bevor er im Oktober 2003 im Alter von nur 66 Jahren verstarb. Michael Abels kam 1983 zur Kanzlei und ist heute noch bei Oppenhoff & Partner tätig. Seine fachlichen Schwerpunkte umfassen u. a. die Beratung von Hochtechnologieunternehmen und Regierungen bei Projektverträgen. Er hat sich schon von Anbeginn der Rechtsentwicklung dem IT-Recht gewidmet. Michael Abels wirkte in der Arbeitsgemeinschaft Kanzleimanagement des DAV, heute ARGE Anwaltsmanagement im DAV, mit. Im DAV-Ausschuss Büroorganisation und Bürotechnik war er von 1984 bis 2000 Mitglied und befasste sich schon sehr früh mit Fragestellungen um den Einzug der EDV in den Kanzleialltag. Von 1992 bis 2003 war er Vorsitzender des Aufsichtsrats Deutscher Anwaltsverlag und Institut der Anwaltschaft GmbH. In diese Zeit fielen die Mitwirkungen von Michael Abels an einem neuen Logo für den Verlag, das vom DAV übernommen wurde, die Entwicklung von Kriterien für das Qualitätsmanagement für Anwälte mit einer ISO-Zertifizierung für Kanzleien und der Start des damals im Verlag erschienenen mehrbändigen BGB-Anwaltskommentars, Herausgeberin Frau Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb.
27 Brügmann/Oppler/Wenner (Hrsg.), FS für Walter Jagenburg zum 65. Geburtstag, 2002.
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VI. Die Walter-Oppenhoff-Medaille In seinem 95. Lebensjahr verstarb am 4.2.2001 Walter Oppenhoff. Ihm zu Ehren schuf der DAV sogleich die Walter-Oppenhoff-Medaille als höchste Auszeichnung, die der DAV zu vergeben hat. Im Statut der Walter-Oppenhoff-Medaille heißt es: „Er hat in beispielhafter Weise die deutsche Anwaltschaft in der grenzüberschreitenden internationalen Rechtsberatung repräsentiert. Aufgrund seiner Persönlichkeit, seiner charakterlichen Unanfechtbarkeit und seiner unbeugsamen Haltung als Anwalt in der Zeit des Nationalsozialismus hat er wesentlich dazu beigetragen, die deutsche Anwaltschaft in die Rechtsgemeinschaft aller Staaten zurückzuführen. Er hat sich in seiner verbandlichen Tätigkeit stets als Repräsentant aller Anwältinnen und Anwälten der kleinen und großen Praxen begriffen. Ihm zu Gedenken hat der Vorstand des Deutschen Anwaltvereins auf seiner Sitzung am 14.2.2001 in Berlin beschlossen, eine Walter-Oppenhoff-Medaille zu schaffen. Sie soll im Sinn des Satzungszwecks des Deutschen Anwaltvereins solchen Anwältinnen und Anwälten verliehen werden, die sich in ähnlicher Weise wie Walter Oppenhoff um die Anwaltschaft verdient gemacht haben.“28
Gemäß dem Statut des DAV ist es bislang zu folgenden Verleihungen der Walter-Oppenhoff-Medaille gekommen: Rechtsanwalt Dr. Klaus Böhlhoff, Düsseldorf, am 25.5.2001 Rechtsanwalt Hans-Jürgen Pohl, Mannheim, am 21.5.2004 Rechtsanwalt Dr. Hans C. Lühn, Münster, am 14.5.2010 Rechtsanwalt Prof. Dr. Hans-Jürgen Hellwig, Frankfurt a. M., am 6.6.2013
VII. Schlussbemerkung Die besondere Rolle der Kanzlei Oppenhoff für den Berufsstand der Rechtsanwälte wird bereits dadurch deutlich, dass die beiden Mitglieder der So zietät Walter Oppenhoff und Bernd Bürglen den Kölner Anwaltverein mehrjährig geleitet haben, zudem Walter Oppenhoff als Präsident den Deutschen Anwaltverein. Für den KAV setzte Walter Oppenhoff mit dem Wiederaufbau wesentliche Zeichen. Ihm ist zu verdanken, dass Kölner Rechtsanwälte mit ihren Zulassungen sogleich dem KAV beitraten und in ihm mitwirkten. „Man tritt als Anwalt dem Kölner Anwaltverein bei“ – diese Losung wurde zum Comment. Dies ist vor allem auf die Person und Ausstrahlung von Walter Op28 AnwBl 2001, 452.
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penhoff zurückzuführen, dessen ehrenamtliches Engagement nicht von der Entwicklung des Kölner Anwaltverein zu trennen wäre. Bis in die heutige Zeit hat dies Wirkungen für den KAV erzeugt. Mit 26 Ausschüssen und über 250 ehrenamtlich tätigen Kolleginnen und Kollegen ist der KAV heute ein lebhafter und stabiler örtlicher Berufsverband, der über 4.000 Mitglieder zählt und u. a. jährlich über 100 Veranstaltungen zur Fortbildung durchführt. Mit dem Namen Oppenhoff verbindet sich ein maßgeblicher Bereich der Deutschen Anwaltsgeschichte der vergangenen 80 Jahre. Sicherlich ist die Anwaltspersönlichkeit Walter Oppenhoff ohne Beispiel. Seine Haltung und Einstellung wurde aber von seinen Sozietätsmitgliedern fortgetragen und gelebt. Hieraus erwuchs ein Leitbild, das bei der Neugründung von Oppenhoff & Partner unter Führung des Jubilars Michael Oppenhoff zur Seite stand. Die Leistungen von Oppenhoff & Partner und ihren Vorgängerkanzleien für die beruflichen Organisationen der Anwaltschaft erzeugen Respekt und hohe Achtung gegenüber allen Kanzleimitgliedern, deren Wirken und Wirkungen spürbar sind.
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Michael Oppenhoff: A Recollection Inhaltsübersicht
I. A corporate marriage II. A corporate divorce
III. Crime and punishment Summary
It is a real privilege to offer this brief recollection of my professional experiences with Michael Oppenhoff, in the context of the celebration of his distinguished career.
I. A corporate marriage We met first in early1972.1 He was a young partner in the law firm of Boden, Oppenhoff & Schneider, based in Cologne. I was a mid-level associate lawyer in the Brussels office of a large New York law firm. Our firm was retained by a German family seeking to sell its successful auto parts and components manufacturing business in Baden Württemberg.2 The buyer was ITT Corporation, then a large and internationally known conglomerate based in New York.3 The Boden Oppenhoff firm, with Michael Oppenhoff leading his firm’s team, represented this American buyer. My own role was to assist the partner in charge of our firm’s team, principally with the drafting and reviewing of contract provisions and ancillary documents as the transaction was negotiated.4 More memorable than the details of the transaction was the setting for our meetings. Our main negotiating and drafting sessions took place over several days in January 1972 at the Dolder Grand Hotel, in the Swiss 1 The general time frame stands out clearly in my memory, in part because the negotiating and drafting work of the transaction involved extended through, and substituted for, the celebration of my thirtieth birthday with family and friends. 2 Spokesman for our client was a family member, Gustav Rau, who later distinguished himself as a physician, philanthropist and extraordinary private collector of art. http://www.nytimes.com/2002/01/09/arts/gustav-rau-79-artcollector-and-benefactor-of-children.html 3 https://en.wikipedia.org/wiki/ITT_Corporation#German_subsidiaries_in_the_ Nazi_pe-riod. 4 I had the opportunity to work on this transaction in part because of a facility in written and spoken German that is now mostly a wistful memory.
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foothills behind Zürich.5 At that time (and perhaps still today) the Dolder Grand exuded quiet, fastidious elegance and exclusivity. Of particular note during those days was the presence of the Shah of Iran and his retinue, including security personnel, occupying the largest block of rooms and lending a somewhat strained atmosphere to our surroundings. What distinguished this project in my memory is how it represented a paradigm of international business that rested, for both parties, firmly in issues of national and local law in their respective countries. For the American buyer (already by this time relatively experienced in the acquisition of privately held companies in Germany) there were important issues governed by German real property law, labor law, commercial law and company law, among others. For the German seller, who was to accept restricted shares of stock in the buyer, there were significant questions of American law limiting the disposition of those shares, U.S. tax consequences, and other aspects of becoming a major investor in an American public company. These considerations explained, as they inevitably would, the somewhat counter-intuitive juxtaposition of a German seller represented by an American firm and a German law firm representing an American buyer. The transaction was concluded successfully and, while the American company, ITT, exists today only in a much diminished state, the German company that it bought continues its parts and components business under some semblance of its original name.6
II. A corporate divorce A few years after this, I became responsible for international legal affairs for an American high-tech company. This company, founded in 1946, had a significant sales and service business in Germany that was in the hands of a German high-tech company, acting as its exclusive German distributor. The American company decided, as it had already done in previous years in its other large European markets, that its business would benefit from a direct presence to replace the middleman. I was happy to be able to draw on my acquaintance with Michael Oppenhoff, and my knowledge of the resources
5 There were then, and perhaps still are, significant financial incentives for conducting large notarial property transfers – such as the sale of a closely held German company (a GmbH) would represent – in Switzerland, rather than in Germany. 6 http://www.waldantriebe.de/products/wiper-systems-and-components/swfotwautomotive-parts/?lang=en.
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Michael Oppenhoff: A Recollection
of his firm, to represent us in disengaging from our German partner.7 I would not want to minimize the difficulties and risks of unwinding a business relationship of many years’ standing, involving a market as large as Germany, but it was a source of real satisfaction to us that this transition was accomplished without major disputes or litigation or other surprises, thanks to the advice and assistance of Michael Oppenhoff and his team. I am recounting events in the history of an American company that today is hardly even a shadow of its former self, having been passed by in the merciless evolution of technology businesses.
III. Crime and punishment The third major episode of my experience working with Michael Oppenhoff started with an unexpected overseas telephone call. An auto leasing company in Germany had suddenly declared bankruptcy and was under criminal investigation. The leasing company was the provider of company vehicles to my company’s German subsidiary, and these cars were in the process of being repossessed by secured creditors of the leasing company. It didn’t seem like more than an inconvenience, until I learned that the leases had been fully prepaid by our German affiliate, giving our affiliate an exposure of some millions of DM. Further inquiries resulted in the disappearance of three senior management employees in finance and accounting. The upshot was this: Less than ten years into the experience of operating its own sales and service business in Germany, characterized by successful growth and profitability, the same technology company was shocked to discover a large and pervasive fraud and theft scheme involving both senior-level employees in Germany and conspiring outsiders with a complex web of fraudulent and compromised commercial and financial transactions. This episode provided many colorful and, in hindsight, entertaining details and vignettes that could inspire a crime novel or two. My company was fortunate to have retained Michael Oppenhoff and his team for legal representation in Germany. The German firm’s international experience provided a necessary awareness of the difference between representing the German affiliate in its day-to-day operations, as a wholly owned subsidiary of its American parent, and its duty to its ultimate client. When consulted by German management about symptoms of the criminal activity, Michael Oppenhoff immediately understood the larger implications and alerted the 7 It was a happy coincidence that the distributor’s center of activity involving my company’s products was based in Cologne, where the principal office of Boden Oppenhoff & Schneider was as well.
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American parent, thus limiting the scope of the ultimate losses. All the perpetrators were ultimately caught, prosecuted, convicted and sentenced to prison terms in Germany.
Summary These brief recollections highlight an aspect of the firm now known as Oppenhoff & Partner – one that bears the imprimatur of the person we celebrate here. That aspect is the effectively representing foreign and international clients through an emphasis on local and national law as it affects and intersects with the client’s business and strategic interests. In the history of the firm, this idea has been important from the very beginning, as reflected in he firm’s foundational work in trademark registration for American and other businesses, protecting their investment and their interests under German law. In particular, it exemplifies one of the recurring themes in the professional accomplishments of Michael Oppenhoff, the person we celebrate here. His knowledge and experience in German law and German culture, translated and interpreted so effectively for his nonGerman clients, provided from my perspective a highly effective and valued portfolio of professional services.
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Synthetische eigene und zugerechnete fremde Arglist beim Unternehmenskauf Inhaltsübersicht
c) Verbleibende Lücken zur Arglist
I. Einleitung
II. Wissen, Wissenszurechnung und Arglist bei Vertragsabschluss 1. Arglisttatbestände 2. Arglist des Verkäufers 3. Träger des relevanten Wissens a) Gesetzliche Regelung b) Grundsätze der Informationsverantwortung c) Kritik und Stellungnahme 4. Zugerechnetes Wissen und Arglist a) Die Rechtsprechung des BGH zum Kaufrecht b) Sittenwidrige Schädigung c) Vorsätzliche Verletzung von Informationspflichten d) Grundsätzlich gleiche Fragestellung 5. Kritik und Stellungnahme a) Begriff der Arglist b) Sonstige kenntnisabhängige Rechtsfolgen – Handeln im Wissen
III. Arglist in der Erfüllungsphase 1. Maßgeblicher Zeitpunkt 2. Kaufrecht 3. Werkvertragsrecht 4. Wissenszurechnung und Arglist in der Erfüllungsphase IV. Zugerechnete Arglist 1. Arglistige Täuschung durch Dritte 2. Erfüllungsgehilfen 3. Gesamtschuldner
V. Billigkeitserwägungen 1. Verjährungsverlängerung 2. Haftungsausschluss
VI. Vertragliche Regelungen zur Wissenszurechnung 1. Grundsätzliche Unabdingbarkeit 2. Anwendbarkeit zweifelhaft 3. Zirkelschlüssige Gegenmeinung VII. Schluss
I. Einleitung Michael Oppenhoff verbrachte die ersten zwei Jahrzehnte seines Berufslebens vornehmlich damit, ausländische (meist US-amerikanische oder englische) Großunternehmen bei dem Erwerb deutscher Unternehmen zu beraten. Dabei ging es nicht um öffentliche Übernahmeangebote (die es damals jedenfalls in Deutschland nur in Ausnahmefällen gab), sondern um verhandelte Übernahmen, meistens des gesamten Unternehmens, d. h. bei dem normalerweise gewählten Weg des Anteilserwerbs einer Beteiligung von 100 %.
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Beratung des Käufers hierbei bedeutete: Begleitung des Kaufinteressenten zu den vorläufig abschließenden Kaufpreisverhandlungen mit dem Ziel einer beidseitigen Absichtserklärung (Letter of Intent), Formulierung dieser Absichtserklärung und, nach deren Abschluss, Erstellung einer Anforderungsliste für Informationen und Unterlagen, die der Verkäufer über sein Unternehmen zu geben hatte (zur Ermöglichung einer sog. Due Diligence – heute nennt man dergleichen eine „Due Diligence Request List“), Überprüfung der dazu zur Verfügung gestellten Informationen und Unterlagen in aller Regel gefolgt von der Bitte um Ergänzung und Vervollständigung, oft auch Erläuterung. Sodann Durchsicht des von einem beauftragten Wirtschaftsprüfungsunternehmens parallel erstellten „Acquisition Audit Report“ darauf, ob sich daraus irgendwelche Umstände ergaben, die einer vertraglichen Regelung bedurften, es beispielsweise nahelegten sicherzustellen, dass der Käufer bestimmte darin aufgezeigte Risiken nicht trug. Sodann Erstellung des Entwurfs des Kaufvertrages und, oft mehrtägige, Verhandlung desselben, in der Regel als Verhandlungsführer in Begleitung des Mandanten, mitunter auch in umgekehrter Rollenverteilung. Das Schema dieses Vertrags war unserem Jubilar von seinen Mandanten nach anglo-amerikanischem Muster vorgegeben: Der Verkäufer hatte umfangreiche Gewährleistungen (representations and warranties) zu geben, mit denen er u. a. die Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen versicherte, die zu den im Rahmen der Due Diligence gestellten Fragen gegeben worden waren. Diese Informationen wurden in tabellarischer Form dem Vertrag als Anlage beigefügt, und die vertraglichen Gewährleistungen bezogen sich auf sie. Diese Vertragstechnik war damals in Deutschland weithin unbekannt. Sie hat sich aber mittlerweile, nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Transaktionen, in denen Michael Oppenhoff Verträge nach diesem Schema vorlegte und in Verhandlungen, primär gegenüber den die Gegenseite beratenden Kollegen, vertrat, als Standard etabliert, so sehr, dass diese Verträge in einer namhaften Kommentierung als – ausgehandelte (!) – Formularverträge bezeichnet werden.1 Nicht selten geschah es, dass Michael Oppenhoff, wenn er einmal den Verkäufer vertrat und mit dem Vertragsentwurf eines den Käufer beratenden Kollegen konfrontiert wurde, sich etwas überrascht die Augen rieb mit der Bemerkung „Das ist ja mein Vertrag!“ Der Standard dieser Vertragstechnik ist bis heute im Grundsatz unverändert. Im technischen Feinschliff haben sich Änderungen ergeben. Die Garantien wurden etwa ursprünglich schlicht als Garantien oder zugesicherte 1 H.P. Westermann in Münchkomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 453 Rz. 18. Dazu, ob die Bestimmungen zu dem Garantiepaket in den typischen Unternehmenskaufverträgen Allgemeine Geschäftsbedingungen sind und ob sie ggf. der AGB-Inhaltskontrolle standhalten würden, siehe Maier-Reimer/Niemeyer, NJW 2015, 1713.
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Eigenschaften vertraglich formuliert. Dann jedoch entschied der Bundesgerichtshof auf der Grundlage des alten (bis 31.12.2001 geltenden) Schuld rechts gerade zu Unternehmenskäufen, diejenigen Daten, auf die es dem Käufer bei einem Unternehmenskauf ganz wesentlich, um nicht zu sagen in erster Linie und am allermeisten, ankommt, nämlich Umsatz und Ertrag der jüngsten Vergangenheit als Indikator dafür, was für die Zukunft erwartet werden konnte, seien keine Eigenschaften, ja nicht einmal zusicherungsfähige Eigenschaften.2 Diese Rechtsprechung hatte die – gewiss beabsichtigte – Folge, dass der (in den entschiedenen Fällen möglicherweise, wenn auch nicht nachweisbar arglistig handelnde) Verkäufer nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo haftete, also auch bei leichter Fahrlässigkeit zum Schadensersatz verpflichtet war, und zwar mit einer Verjährungsfrist von 30 Jahren, im Gegensatz zu der Verjährungsfrist für Sachmängel von nur sechs Monaten. Als Folge dieser Rechtsprechung wurde die übliche Formulierung dahin geändert, dass die „representations and warranties“ als selbständige Garantieversprechen bezeichnet wurden in der Erwartung, damit die unerwünschten Folgen der Rechtsprechung zu vermeiden. Ob diese Vertragstechnik der Gestaltung als „selbständiges Garantieversprechen“ nach neuem (d. h. seit 1.1.2002 geltendem) Schuldrecht noch notwendig oder auch nur tragfähig ist, erscheint zweifelhaft. Denn der Bundesgerichtshof hat sich mittlerweile von seiner einengenden Rechtsprechung zum sog. „Beschaffenheitsbegriff “ des alten Rechts verabschiedet.3 Die eigentliche Motivation für die damalige Rechtsprechung, nämlich die kurze Verjährungsfrist, ist ja auch weggefallen. Die Verkäufer waren, wie nicht weiter verwunderlich, über die lange Liste von Garantien (oder Zusicherungen), die man von ihnen erwartete, nicht begeistert und lehnten in der Regel solche Garantien zunächst einmal mit der Begründung ab, sie könnten das alles gar nicht wissen. Aufgrund seiner Due Diligence Untersuchung kenne der Käufer die Dinge ohnehin viel besser als sie, die Verkäufer. Das Gegenargument lautete: Es geht hier nicht um die Haftung für bewusst falsche Angaben – insofern bedürfe es dieser Regelungen gar nicht – sondern um die Verteilung des Risikos unbekannter Probleme. In der Regel ließen sich die Verkäufer durch dieses Argument überzeugen, allerdings nur im Gegenzug dazu, dass das Risiko für solche 2 BGH v. 21.1.1970 – VIII ZR 145/68, NJW 1970, 653, 655; BGH v. 30.3.1990 – V ZR 13/89, NJW 1990, 1658, 1659; krit. zu dieser Rechtsprechung Maier-Reimer in Eckert/Delbrück (Hrsg.), Reform des deutschen Schuldrechts, Kieler Rechtwissenschaftliche Abhandlungen NF Bd 38 (2003), 61, 63 ff.; Thiessen in Münchkomm. HGB, 4 Aufl. 2016, § 25 Anh. Rz. 52 ff. 3 BGH v. 15.6.2016 – VIII ZR 134/15, NJW 2016, 2874 zu einem Kfz-Kauf; siehe aber Müller, WM 2017, 929 ff. und 981 ff.; zum Unternehmenskauf Thiessen in Münchkomm. HGB, 4. Aufl. 2016, § 25 Anh. Rz. 60 ff.; zur Bilanzgarantie als Beschaffenheitsgarantie (Richtigkeit des mit der Bilanz gegebenen Bilds) Maier- Reimer/Schilling, KSzW 1.16, 4 ff.
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Gegebenheiten von ihnen nur in dem im Vertrag konkret bestimmten Umfang übernommen werde und eine Verantwortlichkeit für sonstige Umstände, die nicht Gegenstand der vertraglichen Garantien waren, ausgeschlossen werde. Dazu war dann in der Regel der Käufer auch bereit, allerdings mit einem – als selbstverständlich empfundenen – Vorbehalt: Die Begrenzung und die Ausschließlichkeit sollte nicht für den Fall der Arglist gelten. Und damit sind wir beim Thema dieses Beitrags. Was konkret Arglist sei, wurde in aller Regel nicht näher erörtert und war nicht Gegenstand der Verhandlungen, geschweige denn vertraglicher Regelungen. Das lag deshalb nahe, weil der Vorbehalt für die Arglist als selbstverständlich angesehen und damit begründet wurde, dass die Arglisthaftung ohnehin zwingend sei. Dann aber bedurfte es keiner Regelung dessen, was Arglist war: Wenn nur der Vorbehalt für zwingendes Recht gelten sollte, konnte man es den Gerichten überlassen, ggfs. zu entscheiden, ob dieser zwingende Vorbehalt zum Tragen kommt, also Arglist vorlag, oder nicht. Eine naheliegende Frage im Zusammenhang mit der Arglist wäre natürlich dahin gegangen, wessen Kenntnis bei der Annahme von Arglist ggfs. relevant oder dem Verkäufer zuzurechnen sei. Diese Frage der Wissenszurechnung wurde gelegentlich im Zusammenhang mit Garantien, welche der Verkäufer nur „nach seinem Wissen“ oder „nach seinem besten Wissen“ gibt, geregelt, d. h. es wurde bestimmt, wessen Kenntnis oder Kennenmüssen bei der Bestimmung der Grenzen einer so eingeschränkten Garantie relevant sein sollte. Im Zusammenhang mit dem Arglistvorbehalt war dies kein Thema.
II. Wissen, Wissenszurechnung und Arglist bei Vertragsabschluss Arglist setzt jedenfalls ein Wissenselement auf der Seite des Arglistigen voraus. Deshalb hängt die Frage der Arglist immer auch damit zusammen, wessen Wissen zur Begründung der Arglist relevant ist und ob für Arglist mehr als dieses Wissen erforderlich ist. Zum Thema der Bestimmung des relevanten Wissens oder, wie üblicherweise formuliert wird, der Wissenszurechnung ist in den letzten Jahrzehnten eine schier unüberschaubare Fülle an Literatur entstanden. Für den uns hier interessierenden Zusammenhang der Arglist ist nur ein Ausschnitt dieser Themen relevant, nämlich die Frage, unter welchen Voraussetzungen wessen Wissen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oder gegebenenfalls in der Erfüllungsphase für die Rechtsfolgen des Vertrags maßgebend ist. Andere zeitliche Bezugspunkte des Wissens, etwa für das Wissen oder Wissenmüssen als Beginn der Verjährung oder als 104
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Auslöser von Handlungspflichten oder Verboten (ad hoc Mitteilung oder Verbot des Insiderhandels) können hier außer Betracht bleiben. Zu den maßgebenden Kriterien für die Annahme relevanten Wissens im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses kann nunmehr wohl von gefestigten Rechtsprechungsgrundsätzen ausgegangen werden.4 Ob ein danach relevantes Wissen aber genügt, um auch die Annahme der Arglist zu begründen, ist weniger sicher. Das wird von einigen Senaten des Bundesgerichtshofs ohne echte Problematisierung und gegen zum Teil nachdrücklichen Widerspruch des Schrifttums in einem vertragsrechtlichen Zusammenhang angenommen. In jüngster Zeit hat der für das Deliktsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs diese Frage für den Tatbestand des § 826 BGB verneint. Das gibt Anlass, in einer Michael Oppenhoff gewidmeten Arbeit die weitere Entwicklung dieses Themas zu behandeln, das in dem unter seiner wesentlichen Mitwirkung als Standard etablierten System vertraglicher Informationshaftung bei Unternehmenskäufen als rote Linie gelten mag. 1. Arglisttatbestände Den Begriff der Arglist verwendet das Gesetz einmal in § 123 BGB im Zusammenhang mit der Anfechtung von Rechtsgeschäften wegen arglistiger Täuschung, sodann im Zusammenhang mit Kauf- und Werkverträgen. Gemäß §§ 438 Abs. 3 und 634a Abs. 3 BGB gilt für Mängelansprüche eine längere Verjährungsfrist, wenn der Verkäufer / Werkunternehmer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Außerdem kann sich der Verkäufer / Werk unternehmer auf einen Haftungsausschluss wegen eines Sachmangels / Werkmangels gemäß §§ 444, 639 BGB nicht berufen, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Die Arglist hat im Rahmen dieser Bestimmungen also die Folge, einen anderweitig (und ohne das Erfordernis der Arglist) begründeten Anspruch gegen einen Haftungsausschluss zu erhalten und die Verjährung zu verlängern. Nach dem alten (bis 31.12.2001 geltenden) Schuldrecht war die Arglist ein Haftungsgrund: Nur wenn dem Kaufgegenstand eine zugesicherte Eigenschaft fehlte oder der Verkäufer einen Fehler „arglistig verschwiegen“ hatte, konnte der Käufer wegen eines Sachmangels statt der zusicherungsund verschuldensunabhängigen klassischen ädilitischen Rechtsbehelfe von Wandelung und Minderung Schadensersatz verlangen.5 Im Zusammenhang mit Kaufverträgen hat der Begriff der Arglist noch eine weitere Funktion: die Grundsätze über die Haftung für Sach- und Rechtsmängel gemäß §§ 434 ff. BGB verdrängen nach ständiger Rechtsprechung in ihrem An4 Dazu unten II 3. 5 § 463 a. F. BGB.
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wendungsbereich die Grundsätze über culpa in contrahendo. Das gilt jedoch nicht, wenn der Verkäufer einen Mangel arglistig verschwiegen hat.6 2. Arglist des Verkäufers Im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag liegt Arglist vor, „wenn der Verkäufer auf einen Mangel, der ihm bekannt ist, oder den er für möglich hält, nicht hinweist, obwohl er weiß oder für möglich hält, dass der Käufer diesen Fehler nicht kennt, und obwohl er weiß oder für möglich hält, dass die Annahme des Käufers, der Fehler liege nicht vor, für den Entschluss des Käufers zum Kauf erheblich ist.“7
Das arglistige Vorspiegeln eines bestimmten (im Zweifel werterhöhenden) Umstands ist im Gesetz nicht ausdrücklich erfasst. Dessen bedarf es auch nicht. Das (arglistig vorgespiegelte) Beschaffenheitsmerkmal wird oft Element der „vereinbarten Beschaffenheit“ (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) und das Fehlen einer solchen Beschaffenheit ist dann ein Sachmangel, so dass die arglistige Vorspiegelung eines tatsächlich nicht bestehenden Beschaffenheitsmerkmals gleichbedeutend ist mit einem arglistig verschwiegenen Mangel.8 Das gilt allerdings nicht für Verträge über den Verkauf von Grundstücken oder Anteilen an einer GmbH. Diese bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der notariellen Beurkundung9, und dafür müssen die gesamten getroffenen Vereinbarungen beurkundet werden.10 Sofern also die von dem Verkäufer arglistig vorgespiegelten Beschaffenheitsmerkmale keinen Niederschlag in der Urkunde gefunden haben, können sie nicht Bestandteil einer vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung sein.11 Die Annahme, die vom Verkäufer behaupteten Angaben seien Bestandteil der vertraglichen Vereinbarung gewesen, auch wenn sie nicht in die Urkunde aufgenommen gewesen seien, würde implizieren, dass der Vertrag nicht vollständig beurkundet und deshalb insgesamt formnichtig ist. Im Zweifel wollen dies die Beteiligten aber
6 BGH v. 27.3.2009 – V ZR 30/08, NJW 2009, 2120 Rz. 22 ff. 7 BGH v. 22.4.2016 – V ZR 23/15, NJW 2017, 150 Rz. 21; Grunewald in Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 438 Rz. 24 m. w. N. Allgemein zu den Informationspflichten beim Unternehmenskauf siehe Maier-Reimer/Schilling, IWRZ 2016, 106. 8 Allgemein wird arglistiges Vorspiegeln einer Beschaffenheit dem arglistigen Verschweigen eines Mangels gleichgestellt, Weidenkaff in Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 444 Rz. 11 m. w. N. 9 § 311b Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 4 GmbHG. 10 Grziwotz in Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 311b Rz. 43 ff. 11 BGH v. 6.11.2015 – V ZR 78/14, NJW 2016, 1815 Rz. 9; BGH v. 22.4.2016 – V ZR 23/15, NJW 2017, 150 Rz. 16 ff.
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nicht. Vielmehr gilt im Zweifel diejenige Auslegung eines Vertrages, die die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts vermeidet.12 Der Käufer ist damit aber nicht rechtlos gestellt. Wenn ihm gegenüber bewusst falsche Angaben gemacht worden sind (wofür genügt, dass der Verkäufer die Unrichtigkeit der Angabe für möglich hält, diesen Zweifel an der Richtigkeit aber nicht hinreichend zum Ausdruck bringt) genügt das für die Annahme der Arglist.13 Der Käufer kann dann nicht nur gemäß § 123 BGB den Vertrag anfechten. Er hat auch Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 280 i. V. m. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB. Dies gilt unabhängig davon, ob die falsche Angabe ein Beschaffenheitsmerkmal oder einen sonstigen Umstand betraf, weil im Falle arglistiger Täuschung die Grundsätze über die culpa in contrahendo nicht durch die Vorschriften über die Haftung für Sachmängel verdrängt werden.14 3. Träger des relevanten Wissens Nach den oben gegebenen Definitionen kommt es für die Annahme der Arglist immer darauf an, ob der (potentiell) Arglistige bestimmte Umstände kennt oder für möglich hält. Das führt zu der Frage, wessen Kenntnis hierbei als Kenntnis des Verkäufers gilt. Dies ist die Frage der Wissenszurechnung. a) Gesetzliche Regelung Wenn es für die Rechtsfolgen eines Rechtsgeschäfts auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände ankommt, ist für den Fall der Stellvertretung nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung darauf abzustellen, was der handelnde Vertreter kannte oder kennen musste; die Kenntnis des Vertretenen, also des Geschäftsherrn ist (wenn dieser nicht selbst handelt) im Grundsatz unerheblich (§ 166 Abs. 1 BGB). Das bedeutet zunächst einmal: aa) Wenn der Geschäftsherr selbst handelt, ist selbstverständlich sein Wissen maßgeblich. bb) Wenn dagegen ein Vertreter für die Vertragspartei handelt, kommt es im Grundsatz nur darauf an, was der Vertreter kannte oder kennen musste 12 BGH v. 6.11.2015 – V ZR 78/14, NJW 2016, 1815 Rz. 18; BGH v. 22.4.2016 – V ZR 23/15, NJW 2017, 150 Rz. 17. 13 BGH v. 27.6.2014 – V ZR 55/13, NJW 2014, 3296 Rz. 10; BGH v. 22.4.2016 – V ZR 23/15, NJW 2017, 150 Rz. 19. 14 BGH v. 27.3.2009 – V ZR 30/08, NJW 2009, 2120 Rz. 22 ff.
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(§ 166 Abs. 1 BGB). Wenn allerdings der vertretene Geschäftsherr (für den uns interessierenden Zusammenhang also der Verkäufer) bestimmte Weisungen zur Vornahme des Geschäfts erteilt hat, schadet es ihm auch, wenn er diese Umstände kannte oder kennen musste (§ 166 Abs. 2 BGB). In dieser Vorschrift, die nur für die Vertretung aufgrund rechtsgeschäftlich begründeter Vertretungsmacht gilt, wird das Element „bestimmte Weisungen“ sehr weit ausgelegt; der Weisung wird die Genehmigung des Handelns vollmachtloser Vertreter gleichgestellt.15 cc) Diese Regelung des § 166 BGB ist insgesamt schlüssig: Es kommt darauf an, ob derjenige, der das Geschäft abschließt, die relevante Kenntnis hatte oder haben musste; wenn aber im Falle eines Vertretergeschäftes der Vertretene das Geschäft durch Weisungen steuert, schadet ihm auch das, was er selbst wusste oder wissen musste. b) Grundsätze der Informationsverantwortung Diese in sich stimmige und schlüssige Regelung des Gesetzes ist durch die Rechtsprechung seit gut 25 Jahren durch die Grundsätze der sog. Informationsverantwortung aufgeweicht. Grundlage der Aufweichung ist die Erkenntnis, dass in einer arbeitsteiligen Organisation Kenntnis der relevanten Umstände über verschiedene natürliche Personen verteilt sein kann, verbunden mit dem Grundsatz, dass eine Organisation, die in dieser Weise die Information im Zuge ihrer arbeitsteiligen Geschäftsgestaltung auf verschiedene Personen verteilt, im Rechtsverkehr nicht günstiger dastehen darf als eine natürliche Person, die alles selbst macht und deshalb alle relevante Kenntnis hat oder haben muss (soweit sie sie nicht vergessen hat).16 Die Folge dieser Überlegung sind die Grundsätze der sog. Informationsverantwortung, wonach sich eine Vertragspartei, soweit es auf Kenntnis oder Kennenmüssen bei Vertragsschluss ankommt, die Informationen zurechnen lassen muss, die in ihrer Organisation vorhanden sind oder waren und bei ordnungsgemäßer Organisation aktenmäßig festgehalten und abgefragt worden wären.17 c) Kritik und Stellungnahme Die vorstehend zusammengefasst dargestellte Rechtsprechung ist Gegenstand vielfältiger Kritik.
15 Maier-Reimer in Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 166 Rz. 38 m. w. N. 16 Gegen dieses Gleichstellungsargument Koller, JZ 1998, 75 ff.; Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 189 ff. 17 BGH v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327; BGH v. 24.1.1992 – V ZR 262/90, BGHZ 117, 104; Maier-Reimer in Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 166 Rz. 18 ff.
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aa) Grundsätzlich wird beanstandet, dass mit der Wissenszurechnung aufgrund der Informationsverantwortung die Grenzen zwischen Wissen und Wissenmüssen verschoben würden. Wo das Gesetz eine bestimmte Rechtsfolge davon abhängig mache, ob der einzelne (als Gläubiger oder potentieller Schuldner) eine bestimmte Kenntnis hatte oder haben musste, impliziere dies gewisse Sorgfalts- und Informationspflichten oder Obliegenheiten des einzelnen. Wo die Rechtsfolge dagegen nur darauf abstelle, ob Kenntnis bestand oder nicht, enthalte diese gesetzliche Regelung die Wertung, dass dem einzelnen solche Prüfungs- oder Informationspflichten nicht obliegen.18 Die Wissenszurechnung nach den Grundsätzen der Informationsvertretung stelle demgegenüber darauf ab, ob der Geschäftsherr bei ordnungsgemäßer Informationsorganisation die Kenntnis gehabt hätte, sie könne daher nur begründen, dass er hätte wissen müssen. bb) Diese Kritik ist berechtigt, schöpft aber die Kritikpunkte nicht aus. Denn die Grundsätze der Informationsverantwortung können immer nur den Geschäftsherrn treffen19, auf dessen Kenntnis es aber im Grundsatz gemäß § 166 Abs. 1 BGB nicht ankommt. Nach der Konzeption des § 166 BGB ist dessen erster Absatz – entgegen landläufiger Diktion – keine Vorschrift der Wissenszurechnung, sondern vielmehr eine Vorschrift darüber, wessen Wissen maßgeblich ist. Wenn nach den Grundsätzen der Informationsverantwortung dem Geschäftsherrn (dem Unternehmen) Wissen zugerechnet wird, und dieses zugerechnete Wissen dann für relevant erklärt wird, liegt darin deshalb eine grundlegende Abweichung von dem Grundsatz des § 166 Abs. 1 BGB: Maßgeblich ist nach § 166 Abs. 1 BGB das Wissen des Vertreters und nicht das – aktuelle, deshalb erst recht auch nicht das bloß zugerechnete – Wissen des Geschäftsherrn. cc) Insofern lassen sich die Rechtsprechungsgrundsätze zur Wissenszurechnung nach den Grundsätzen der Informationsverantwortung mit der gesetzlichen Regelung – immer beschränkt auf Wissen oder Wissenmüssen im Zeitpunkt des Abschlusses eines Rechtsgeschäftes – nur über eine stark erweiternde Auslegung des § 166 Abs. 2 BGB mit dem Gesetz in Einklang bringen. Nach dieser Vorschrift kann sich der Geschäftsherr im Falle einer rechtsgeschäftlich begründeten Vertretungsmacht nicht darauf berufen, dass der Vertreter einen bestimmten Umstand nicht kannte oder nicht kennen musste, wenn er selbst diesen Umstand kannte oder kennen musste und auf den Abschluss des Geschäfts durch Weisungen Einfluss genommen hat. Die Grundsätze der Informationsverantwortung lassen sich mit dieser gesetzlichen Regelung einigermaßen mit der Überlegung in Einklang bringen, in den Fällen, in denen Wissen nach den Grundsätzen der Infor mationsverantwortung zugerechnet werde, bedeute dies gleichzeitig, dass 18 Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 170 ff. 19 Beispielhaft BGH v. 13.10.2000 – V ZR 349/99, NJW 2001, 359.
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der Geschäftsherr dann auch durch Weisungen auf das Geschäft Einfluss nehmen müsse (oder sich die Unterlassung solcher Einflussnahme zurechnen lassen müsse) so dass er deshalb behandelt wird, als sei das (bei ihm nicht tatsächlich vorhandene, ihm aber zugerechnete Wissen) gemäß § 166 Abs. 2 BGB relevant.20 4. Zugerechnetes Wissen und Arglist Im Rahmen des vorliegenden Beitrags ist diesen Fragen und auch der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine solche Pflicht zur aktenmäßigen Organisation und Abfrage einschlägiger Informationen anzunehmen ist, nicht weiter nachzugehen. Uns interessiert für unseren Zusammenhang allein die Frage der Rechtsfolge: a) Die Rechtsprechung des BGH zum Kaufrecht Wenn die Kenntnis bestimmter Umstände notwendige Voraussetzung der Arglist ist und unter weiteren Voraussetzungen die Arglist begründet, stellt sich die Frage, ob nach den genannten Grundsätzen zugerechnetes Wissen, das aber bei der handelnden Person tatsächlich nicht vorhanden war, das Wissenselement der Arglist begründet und damit die an das Vorliegen der Arglist anknüpfenden regelmäßig verschärften Rechtsfolgen auslöst. Dies hat der BGH in der Tat für die Schadensersatzhaftung nach altem Kaufrecht (§ 463 Satz 2 a. F. BGB) und den Haftungsausschluss (§ 476 a. F. BGB, jetzt § 444 BGB) mit der Begründung angenommen, die Feststellung der Arglist erfordere keinen moralischen Vorwurf; die Rechtsfolgen der Arglist seien nicht Sanktion für moralisch vorwerfbares Verhalten, sondern allein eine angemessene Risikoverteilung.21 Die Literatur ist dieser Auffassung des BGH zum Teil gefolgt22, zum Teil hat sie ihr vehement widersprochen.23 Trotz der Kritik hat der BGH (insbesondere der V. und der VII. Zivilsenat) an seiner Auffassung festgehalten, allerdings in einer Weise, die in anderer Hinsicht die verschiedenen Konzeptionen nicht hinreichend trennt.24 So setzt der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahre 2006 das zugerechnete 20 Taupitz, JZ 1996, 734. 21 BGH v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327, 332 f.; BGH v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30. 22 Schramm in Münchkomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 166 Rz. 31; skeptisch Leptien in Soergel, BGB, 13. Aufl. 1999, § 166 Rz. 9. 23 Flume, JZ 1990, 550 ff.; ders., AcP 197 (1997), 440, 451; Waltermann, NJW 1993, 889, 893; Dauner-Lieb in FS Alfons Kraft, 1998, S. 43, 50 f., 54 ff.; dazu unten II 5. 24 BGH v. 12.10.2006 – VII ZR 272/05, NJW 2007, 366.
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Wissen schlicht mit Arglist gleich, wobei es aber in Wirklichkeit um die Zurechnung arglistigen Verhaltens eines Erfüllungsgehilfen geht.25 b) Sittenwidrige Schädigung Diese Entscheidungen des BGH zum Kaufrecht oder zum Werkvertragsrecht stehen im Gegensatz zu einer anderen, neueren Entscheidung. Bei ihr ging es um die subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit und des Vorsatzes gemäß § 826 BGB.26 Nach dieser Vorschrift ist zum Schadensersatz verpflichtet, „wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt“. In einem von dem (für das Deliktsrecht zuständigen) VI. Zivilsenat entschiedenen Fall ging es um eine Vermögensanlage im sogenannten grauen Kapitalmarkt: In dem Prospekt waren Bodenverunreinigungen des Anlageobjekts nicht mitgeteilt. Darin hatte das Kammergericht als Vorinstanz eine hinreichende Grundlage für „objektive Sittenwidrigkeit“ gesehen.27 Das genüge zur Erfüllung des Tatbestandes des § 826 BGB, weil die Information über die Bodenverunreinigung bei der für den Prospekt verantwortlichen Gesellschaft vorhanden gewesen und diese Kenntnis deren Vertretungsorgan zuzurechnen sei. Damit sei der Anspruch aus § 826 BGB begründet. Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung auf und verwies zurück: Das schon für die Annahme der Sittenwidrigkeit und dann nochmals für den Vorsatz vorauszusetzende Erfordernis des subjektiven Wissens kann nach seiner Auffassung nicht durch Wissen erfüllt werden, das bei dem gesetzlichen Vertreter nicht tatsächlich vorhandenen war, sondern nur nach den oben skizzierten Grundsätzen zugerechnet wurde. Etwas überraschend spricht der BGH in dieser Entscheidung immer nur davon, dass es darauf ankomme, ob der gesetzliche Vertreter die erforderlichen Kenntnisse gehabt habe – so als ob § 831 BGB im Zusammenhang mit einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch einen Verrichtungsgehilfen nicht zur Anwendung käme. Das beruhte erkennbar darauf, dass in den Vorinstanzen28 ausdrücklich vorgetragen war, der gesetzliche Vertreter habe die erforderliche Kenntnis gehabt. Dazu, ob Personen im Unternehmen, die mit dem Prospekt befasst waren, diese Kenntnis hatten und deshalb deren Verhalten sittenwidrig und gemäß § 831 BGB zuzurechnen war, war nichts vorgetragen.29 25 BGH v. 12.10.2006 – VII ZR 272/05, NJW 2007, 366; zu der unterschiedlichen Fragestellung bei der Zurechnung arglistigen Verhaltens eines Erfüllungsgehilfen siehe unten IV. 26 BGH v. 28.6.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250. 27 KG v. 27.8.2015 – 2 U 57/09, WM 2015, 2365. 28 LG Berlin v. 2.9.2009 – 36 O 11/07, BeckRS 2016, 17729. 29 Voraussetzung eines Anspruchs aus § 831 BGB ist ein tatbestandsmäßiges Delikt des Gehilfen (Wagner in Münchkomm. BGB, 7. Aufl. 2017, § 831 Rz. 30).
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Der VI. Zivilsenat des BGH führt aus, mit dem Erfordernis der Sittenwidrigkeit werde die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens vorausgesetzt und dieses Erfordernis könne innerhalb der einzelnen handelnden Person (der BGH spricht vom gesetzlichen Vertreter) durch nur zugerechnetes Wissen nicht begründet werden. Ähnlich fährt er dann bezüglich des erforderlichen Schädigungsvorsatzes fort. Die Frage des Schädigungsvorsatzes fiel im entschiedenen Fall praktisch mit dem Erfordernis der Sittenwidrigkeit zusammen, weil der Schaden gerade dadurch entstanden sein sollte, dass in dem der Klage zugrunde gelegten Prospekt Sachverhalte bewusst unrichtig oder irreführend unvollständig dargestellt worden und damit Anleger getäuscht worden seien. Einen Widerspruch zu den oben referierten Entscheidungen des BGH zur Risikoverteilung sah der VI. Zivilsenat nicht, denn nach diesen Entscheidungen sei das moralische Unwerturteil nur für die Arglist entbehrlich, während für die Sittenwidrigkeit im Sinne von § 826 BGB ein solches Unwerturteil erforderlich sei. Da die Sittenwidrigkeit aber ohne weitere Voraussetzungen gerade durch die arglistige Täuschung begründet wird, ist dies dahin zu verstehen, dass durch nur zugerechnetes Wissen begründete Arglist für die Sittenwidrigkeit nicht ausreicht. c) Vorsätzliche Verletzung von Informationspflichten Wieder anders liegt eine Entscheidung zu dem mittlerweile aufgehobenen § 37a WpHG. Nach dieser Vorschrift verjährten Ansprüche eines Kunden gegen ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen wegen Verletzung von Informationspflichten oder fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen binnen drei Jahren nach Entstehung des Anspruchsgrunds. Nach ständiger Rechtsprechung galt dies jedoch nicht für den Fall vorsätzlicher Haftungsbegründung.30 Zu dieser Vorschrift hatte der BGH (XI. Zivilsenat) über einen Anlageberatungsvertrag im sog. grauen Kapitalmarkt zu entscheiden, in dem die beratende Bank nicht über Innenprovisionen aufgeklärt hatte, die ihr aus dem von dem Fonds erhobenen Ausgabeaufschlag zuflossen. Der BGH unterstellte, dass der handelnde Anlageberater die Verpflichtung zur Aufklärung darüber nicht kannte. Er Wagner (§ 826 Rz. 38, 39.) meint aber, entgegen der Entscheidung des BGH (oben Fn. 26) aufgrund einer Zusammenrechnung von Wissen könne das Unternehmen aus § 826 BGB haften, auch wenn keine natürliche Person hafte. Die von ihm dazu angezogenen Entscheidungen betreffen außer der vom BGH aufgehobenen Entscheidung des Kammergerichts (oben Fn. 27) jedoch nicht die Deliktshaftung, sondern den Ausschluss der Gutgläubigkeit nach § 8 Abs. 2, 3 KO, heute § 82 InsO (BGHZ 140, 54) oder Art. 21 ScheckG (BGHZ 135, 202). 30 BGH v. 8.3.2005 – XI ZR 170/04, BGHZ 162, 306; Fett in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 37a WpHG Rz. 10.
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ging aber davon aus, dass der Unternehmensspitze die Aufklärungspflicht bekannt war und sie vorsätzlich unterlassen hatte, ihre Mitarbeiter hierüber zu unterrichten. Aus dieser (unterstellt vorsätzlichen) Verletzung ihrer Organisationspflicht folgerte der BGH dann, dass dem Unternehmen eine vorsätzliche Verletzung seiner Aufklärungspflicht vorzuwerfen war, obwohl – wie der BGH unterstellte – der handelnde Anlageberater von der Aufklärungspflicht keine Kenntnis hatte.31 d) Grundsätzlich gleiche Fragestellung In den beiden zuletzt genannten Entscheidungen geht es nicht unmittelbar um Arglist, sondern um Vorsatz und Sittenwidrigkeit (die ihrerseits von subjektiven Elementen abhängig war). Nach der oben wiedergegebenen, in ständiger Rechtsprechung vertretenen, Definition der Arglist ist diese hinsichtlich ihrer subjektiven Voraussetzungen von dem Vorsatz nicht verschieden. Für alle Fälle stellt sich deshalb die Frage, ob die Haftungsverschärfung für Vorsatz/Arglist auf dem besonderen Unwerturteil über das (wenn auch nur bedingt) vorsätzliche Fehlverhalten einer Person gründet, oder ob es sich hierbei um ein Element wertfreier Risikoverteilung handelt. Nur wenn es sich um eine Regelung zur Risikoverteilung handelt, die nicht auf besonderen Unwerturteil beruht, kann die Annahme der Arglist aufgrund des zusammengerechneten Wissens mehrerer Wissensträger sachgerecht sein. Der BGH hat sich, wie bemerkt, zu §§ 438, 444 BGB. für diese Auffassung entschieden. Dem natürlichen Verständnis entspricht dies nicht, auch nicht unter dem Aspekt des sog. Gleichstellungsarguments. Wenn nämlich die verschärfte Haftung Sanktion für eine (besondere) Unredlichkeit ist, kommt dem Gleichstellungsgedanken (keine Benachteiligung des Geschäftspartners einer größeren Organisation) keine Bedeutung zu. Die besondere Unredlichkeit kann nicht dadurch begründet werden, dass auf die handelnde Person, die die relevante Kenntnis tatsächlich nicht hat, das bei anderen vorhandene Wissen projiziert wird, wenn erst das Handeln trotz eines solchen Wissens die besondere Unredlichkeit begründet. 5. Kritik und Stellungnahme Wie schon bemerkt, ist die Auffassung des BGH, das zugerechnete Wissen genüge zur Begründung der Arglist Gegenstand heftiger Kritik eines Teils der Literatur.
31 BGH v. 12.5.2009 – XI ZR 586/07, NJW 2009, 2298.
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a) Begriff der Arglist Nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch impliziert das Wort „Arglist“ besonders anstößiges vorwerfbares Verhalten.32 Die Argumentation des BGH kann deshalb nicht überzeugen. Auch wenn man die besonderen Rechtsfolgen der Arglist als eine Regelung der Risikoverteilung versteht, ändert dies nichts daran, dass die allgemein, also ohne Arglistelement geltenden Grundsätze der Risikoverteilung eben nur im Falle eines solchen besonders anstößigen Verhaltens außer Kraft gesetzt werden sollen. Die Haftung(sverschärfung) für Arglist löst eine Risikoverteilung durch eine Einstandspflicht ab. Das Argument des BGH kategorisiert deshalb nur die von ihm angenommene Rechtsfolge, vermag diese aber nicht gegenüber dem Fehlen notwendiger Elemente der Arglist zu rechtfertigen oder zu begründen. Zudem kann man von einer Risikoverteilung nur sprechen, wenn es, wie bei der verschuldensunabhängigen Haftung für Sach- und Rechtsmängel beim Kauf, darum geht, wer die Folgen nicht beherrschter Gefahren zu tragen hat. Überdies ist die Annahme der Arglist aufgrund bloß zugerechneten Wissens kaum vereinbar mit der sonst vom BGH vertretenen Linie, wonach die für die Arglist erforderliche Tatsachenkenntnis positiv festzustellen ist und nicht durch wertende Überlegungen ersetzt werden kann, weshalb es dafür nicht ausreicht, dass sich jemand der Kenntnis bewusst verschließt.33 b) Sonstige kenntnisabhängige Rechtsfolgen – Handeln im Wissen Wo das Gesetz auf die Kenntnis eines Sachverhalts abstellt, knüpft es die Rechtsfolge oder deren Verweigerung daran, dass der einzelne „trotz seines Wissens“ oder „im Wissen“ handelt.34 Dieses Element fehlt, wenn der Geschäftsherr selbst handelt und die Kenntnis nicht hat, und fehlt ebenso, wenn die für den Geschäftsherrn handelnde Person das Wissen nicht hat und der Geschäftsherr keinen Einfluss auf den konkreten Abschluss des Geschäfts nimmt (gleich ob er den konkreten Sachverhalt kennt oder ihm diese Kenntnis zugerechnet wird). Dennoch wird man in manchen Fällen diese Hürde für überwindbar halten, etwa wenn es darum geht, ob der gutgläubige Erwerb des Rechts an einem Grundstück gemäß § 892 BGB wegen Kenntnis der Unrichtigkeit des Grundbuchs ausgeschlossen ist, oder ob ein Geschäft gemäß §§ 130 ff. InsO insolvenzrechtlich deshalb anfechtbar ist, 32 Siehe nur die Kombination von „arg“ und „List“; dazu Dauner-Lieb in FS Alfons Kraft, 1998, S. 43, 54; zum gewöhnlichen Sprachsinn vgl. nur in Schillers Bürgschaft „Da lächelt der König mit arger List.“ 33 BGH v. 7.3.2003 – V ZR 43/01, NJW-RR 2003, 989; BGH v. 12.4.2013 – V ZR 266/11, NJW 2013, 2182 Rz. 14 ff.; BGH v. 22.4.2016 – V ZR 23/15, NJW 2017, 150 Rz. 20 ff. 34 Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 177.
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weil der Vertragspartner des nachmaligen Insolvenzschuldners den Anfechtungsgrund kannte. Zu solchen Fällen gehört insbesondere auch derjenige, dass dem Geschäftsherrn (einem Unternehmen) in einer an ihn gerichteten Erklärung die notwendige Kenntnis vermittelt worden ist. c) Verbleibende Lücken zur Arglist Bei der Arglist müssen aber nochmals weitere Elemente hinzukommen: ȤȤ Zunächst einmal gehört zur Arglist die Kenntnis davon, dass dem anderen die relevante Sachlage nicht (oder möglicherweise nicht) bekannt ist. Zur Arglist – wie zur arglistigen Täuschung gemäß § 123 BGB – gehört deshalb nicht nur das Element des objektiv täuschenden Verhaltens, sondern auch die Kenntnis des durch die Täuschung verursachten Irrtums. ȤȤ Außerdem erfordert die Arglist immer das Willenselement, bewusst eine wahrheitswidrige Angabe zu machen oder eine Information zu verschweigen. Auch wenn man dem BGH bei seinen Grundsätzen zur Wissenszurechnung in allen Punkten folgt: Diese beiden Elemente – Kenntnis des Irrtums der anderen Seite und bewussten Verschweigen des wahren Sachverhalts – lassen sich mit den Grundsätzen der Wissenszurechnung nicht begründen. aa) Schon das erste Element: Kenntnis des Irrtums der anderen Seite, ist damit nicht begründbar. Es würde nämlich erfordern: ȤȤ Kenntnis des wahren Sachverhalts ȤȤ Kenntnis der bevorstehenden Transaktion ȤȤ Kenntnis des Wissensstandes der Gegenseite ȤȤ Kenntnis der Interessenlage der Gegenseite (Relevanz des Sachverhalts) Auch wenn die Grundsätze der Wissenszurechnung in gewissem Umfang zur Zusammenrechnung von Wissen führen können, ist nicht erkennbar, dass der BGH eine derartiges mehrstufiges Wissen, bei dem das eine auf dem anderen und ein drittes wiederum auf dem zweiten aufbaut und dieses zur Voraussetzung hat, jemals explizit zusammengerechnet hätte. Mit seiner Annahme, die Wissenszurechnung nach den vorgenannten Grundsätzen könne sämtliche Voraussetzungen der Arglist begründen, überschreitet der BGH deshalb – ohne dies ausdrücklich anzusprechen – bei weitem die sonst von ihm angenommenen Folgen der Wissenszurechnung. bb) Dasselbe gilt, verstärkt, für das volitive Element der Arglist, also den Entschluss den bekannten oder für möglich gehaltenen Sachverhalt trotz bekannter oder für möglich gehaltener Wissens- und Interessenlage auf der 115
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anderen Seite nicht zu offenbaren. Dieser Entschluss, trotz einer vorausgesetzten Lage etwas nicht zu tun, lässt sich nicht von der tatsächlichen Kenntnis der Lage trennen. Ohne Kenntnis eines Sachverhalts kann dieser nicht verschwiegen werden. cc) Diese Überlegungen liegen nahe bei der oben Referierten, wonach das maßgebliche Kriterium „Handeln trotz Wissens“ fehle. Während in dem oben angesprochenen allgemeinen Zusammenhang beim Handelnden „trotz Wissens“ fehlendes Wissen der handelnden Person möglicherweise noch durch ein zugerechnetes Wissen ersetzt werden kann, fehlen für die Arglist bei dem nur zugerechnetem Wissen aber zwei wesentliche Elemente, nämlich ȤȤ die Kenntnis von dem Irrtum des anderen (die niemand hat) und ȤȤ der Entschluss, eben dieses Wissen (auf das sich der Vorsatz oder Eventualvorsatz beziehen muss) nicht mitzuteilen. Durch eine Wissenszurechnung und auch durch eine Wissenszusammenrechnung lässt sich dieses Wollenselement nicht ersetzen. Zwischenergebnis: Selbst wenn man dem Bundesgerichtshof bei seinen Grundsätzen zur Wissenszurechnung in allen Punkten folgt, lässt sich daraus die vom Bundesgerichtshof gezogene Folgerung einer Arglist aufgrund bloß zugerechneten Wissens nicht begründen.
III. Arglist in der Erfüllungsphase Die bisher erörterten Fälle betreffen die Frage der Wissenszurechnung sowie der daraus ggf. abzuleitenden Arglist zum Zeitpunkt oder im Vorfeld des Vertragsabschlusses. Davon zu unterscheiden ist die Frage, wie sich die Dinge verhalten, wenn relevantes Wissen erst zu einem späteren Zeitpunkt bis zur Erfüllung oder (bei Werkverträgen) bis zur Abnahme entsteht. Das ist zunächst die Frage, ob zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Offenbarungspflicht besteht. Diese Frage kann hier nur stichwortartig angesprochen werden. Sie ist in dem vorliegenden Zusammenhang deshalb von Interesse, weil der BGH für von ihm angenommene Offenbarungspflichten in der Erfüllungsphase Grundsätze entwickelt hat, die sich mit den hier untersuchten Fragen überschneiden. 1. Maßgeblicher Zeitpunkt Der für die Beurteilung der Arglist maßgebliche Zeitpunkt wird für das Kaufrecht und das Werkvertragsrecht unterschiedlich behandelt und dazu 116
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wird zum Teil danach differenziert, ob es um durch die Arglist begründete Verjährungsverlängerung oder darum geht, dass ein Haftungsausschluss wegen Arglist keine Wirkung entfaltet. 2. Kaufrecht a) Für die Verjährungsverlängerung (§ 438 Abs. 3 BGB) kommt es nach wohl herrschender Meinung auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs an.35 Damit wird für diesen Zeitpunkt eine Offenbarungspflicht unterstellt. b) Für § 444 BGB (Wirkungslosigkeit eines Haftungsausschlusses) soll es auf den Zeitpunkt ankommen, zu dem der Haftungsausschluss vereinbart wird.36 Beim Gattungskauf wird dies jedoch modifiziert: Wenn nicht die ganze Gattung mangelhaft ist, sondern nur das gelieferte Exemplar, so dass der Grund für die Sachmängelhaftung des Verkäufers in der Konkretisierung der Gattungsschuld durch Auswahl eines mangelhaften Exemplars liegt, soll es auf den Zeitpunkt der Konkretisierung oder des Gefahrübergangs ankommen.37 Beim Unternehmenskauf können sich ähnliche Fragen stellen, wenn sich nämlich die Verhältnisse des Unternehmens in der Zeit zwischen Vertragsabschluss und Vertragsvollzug („Closing“) geändert haben oder dem Verkäufer in dieser Zeit relevante Sachverhalte erstmals bekannt werden. In der Vertragspraxis wird die allgemeine Offenbarungspflicht in der Regel dadurch konkretisiert, dass die Garantien nicht nur auf die Lage bei Vertragsabschluss, sondern – soweit nicht bei Vertragsvollzug anders mitgeteilt – auch auf den Tag des Vertragsvollzugs bezogen werden oder als Teil der Vollzugshandlungen eine Erklärung des Verkäufers vorgesehen wird, dass sich nichts Wesentliches geändert habe, soweit nicht in dieser Erklärung anders angegeben. Solche Bestimmungen verbinden sich dann mit Regelungen der Folgen, die solche Änderungen der Verhältnisse auf die Transaktion haben sollen. c) Die Frage des maßgebenden Zeitpunkts für die Beurteilung der Arglist im Zusammenhang mit einem Haftungsausschluss hat Auswirkungen auf die grundsätzliche Beurteilung dieser Vorschrift. Nach der entsprechenden Regelung des alten Schuldrechts (§ 476 a. F. BGB) war ein Haftungsausschluss „nichtig, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschweigt“. Nach der geltenden Fassung (des § 444 BGB) kann sich der Verkäufer we35 Grunewald in Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 438 Rz. 28; siehe aber H.P. Westermann in Münchkomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 438 Rz. 33. 36 Grunewald in Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 444 Rz. 11; H.P. Westermann in Münchkomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 444 Rz. 12. 37 H.P. Westermann in Münchkomm. BGB, 7. Aufl. 2016, § 444 Rz. 12.
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gen eines arglistig verschwiegenen Mangels nicht auf den Haftungsausschluss berufen. Die geänderte Formulierung in § 444 BGB soll nach Meinung des BGH38 keine grundsätzliche Änderung gegenüber der alten Fassung bedeuten, sondern lediglich klarstellen, dass die Unbeachtlichkeit eines solchen Haftungsausschlusses nicht die Gesamtnichtigkeit des Vertrages zur Folge hat. Wenn es dann aber (bei der Gattungsschuld möglicherweise oder beim Unternehmenskauf) auf die Arglist zu einem Zeitpunkt nach Vertragsabschluss ankommt, hat dies die Folge, dass die Bestimmung zunächst wirksam und beachtlich ist und danach (ohne die Folge der Gesamtnichtigkeit) unwirksam oder unbeachtlich wird. Gerade zur Vermeidung eines solchen bizarren Ergebnisses, auf welches Henning Rasner, ein verstorbener Partner von Michael Oppenhoff, erstmals hingewiesen hatte39, hat der II. Zivilsenat des BGH seine Rechtsprechung zu gesellschaftsvertraglichen Regelungen, wonach ausscheidende Gesellschafter eine Abfindung zum Buchwert erhalten, geändert: Wenn nicht von vorherein sondern erst aufgrund des weiteren Verlaufs der Dinge und der Wert entwicklung ein grobes Missverhältnis zum wahren Wert entstand, nimmt der BGH im Gegensatz zu seiner früheren Rechtsprechung jetzt nicht mehr Nichtigkeit der Abfindungsregel an, sondern ihre Nichtausübbarkeit im Sinne einer Ausübungsschranke.40 In diesem Sinne bedeutet dann auch die Regelung des § 444 BGB eine Ausübungsschranke. 3. Werkvertragsrecht Im Werksvertragsrecht soll es dagegen immer auf den Zeitpunkt der Abnahme ankommen, ohne Differenzierung danach, ob es um die Verjährungsfrist oder um die Wirksamkeit eines Haftungsausschlusses geht.41 Ob das in jeder Hinsicht überzeugt, ist hier nicht näher zu erörtern. 4. Wissenszurechnung und Arglist in der Erfüllungsphase In mehreren Entscheidungen hatte sich der Bundesgerichtshof damit zu befassen, ob im Falle eines Werkvertrages Arglist im Zeitpunkt der Abnahme aufgrund des Kenntnisstandes von Erfüllungsgehilfen oder Subunternehmern bestand. Diese Entscheidungen betrafen nicht einen Haftungsausschluss, sondern die Verjährung, also § 634a Abs. 3 BGB oder dessen Vorläufer. 38 BGH v. 8.4.2016 – V ZR 150/15, ZIP 2016, 1386; dazu unten IV 3. 39 Rasner, NJW 1983, 2905, 2908. 40 BGH v. 20.9.1993 – II ZR 104/92, BGHZ 123, 281; zu dieser „Wende“ des BGH Rasner, ZHR 158 (1994), 292 ff. 41 Schwenker in Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 639 Rz. 6; Peters/Jacoby in Staudinger, BGB, Bearb. 2014, § 639 Rz. 12.
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Zur Arglist durch Verletzung von Offenbarungspflichten im Zeitpunkt der werkvertraglichen Abnahme hat der Bundesgerichtshof zunächst entschieden, der Werkunternehmer müsse bei Ablieferung des Werks auf Mängel hinweisen oder diese offenbaren. Wenn er sich zur Erfüllung dieser Verpflichtung (wenn auch nur hinsichtlich der Beschaffung der erforderlichen Information) eines Erfüllungsgehilfen42 oder Subunternehmers43 bediene, müsse er sich deren Arglist zurechnen lassen. Das ist das Thema des § 278 BGB. Darauf ist zurückzukommen. In einer weiteren Entscheidung aus dem Jahr 199244 führte der BGH dann aus, der Werkunternehmer müsse die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um sachgerecht beurteilen zu können, ob sein Werk bei Ablieferung mangelfrei ist. Unterlasse er dies, so gelte für Gewährleistungsansprüche wie bei arglistigem Verschweigen eines Mangels die (damals) dreißigjährige Frist, wenn der Mangel bei richtiger Organisation entdeckt worden wäre. In dieser Entscheidung hat der BGH also nicht eine Arglist des Erfüllungsgehilfen dem Werkunternehmer zugerechnet, sondern den Werkunternehmer so behandelt, als sei er selbst arglistig gewesen. Diese Entscheidung ist in der Literatur scharf kritisiert worden.45 Knapp 15 Jahre später hat der BGH dann diese Schraube nochmals weiter angezogen46: Im entschiedenen Fall hatte der Unternehmer einen Bauleiter zur Überwachung eingesetzt. Der von einem Subunternehmer verursachte Mangel konnte aber von dem Bauleiter trotz ordnungsgemäßer Bauüberwachung nicht entdeckt werden. Der BGH entschied, bei einer solchen Sachlage müsse sich der Unternehmer die Kenntnis des Mitarbeiters eines Subunternehmers zurechnen lassen mit der Folge der Arglisthaftung hinsichtlich der Verjährung. Denn bezüglich der dem Bauleiter nicht erkennbaren Mängel bediene sich der Unternehmer nicht des Bauleiters zur Erfüllung seiner eigenen Offenbarungspflicht. Deshalb sei ihm die Kenntnis des Mitarbeiters eines Subunternehmers zuzurechnen. Ob dieser arglistig gehandelt hatte, ist in dem Urteil nicht gesagt. Der BGH unterscheidet in diesem Judikat nicht zwischen zugerechneter Arglist des Subunternehmers und eigener Arglist aufgrund zugerechneter Kenntnis des Subunternehmers.47 Die Kritik gegenüber der Entscheidung aus dem Jahr 1992 gilt in verstärktem Maße für diese letztere Entscheidung.
42 BGH v. 20.12.1973 – VII ZR 184/72, BGHZ 62, 63. 43 BGH v. 15.1.1976 – VII ZR 96/74, BGHZ 66, 43. 44 BGH v. 12.3.1992 – VII ZR 5/91, BGHZ 117, 318. 45 Rutkowsky, NJW 1993, 1748; Flume, AcP 197 (1997), 440, 452 ff. 46 BGH v. 12.10.2006 – VII ZR 272/05, NJW 2007, 366 47 BGH v. 12.10.2006 – VII ZR 272/05, NJW 2007, 366 Rz. 15.
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IV. Zugerechnete Arglist Neben den Fällen, in denen der BGH die Arglist einer Vertragspartei aufgrund zugerechneten Wissens annimmt, stehen die Fälle, in denen er einer Vertragspartei das arglistige Verhalten einer anderen zurechnet. Zum Teil geht es dabei um Fälle, die von den vorgenannten kaum zu unterscheiden sind. Es gibt aber auch andere Fälle. 1. Arglistige Täuschung durch Dritte Einmal gehören hierher die Fälle der Täuschung durch einen Dritten (§ 123 Abs. 2 BGB). Hierzu ist seit Langem anerkannt, dass die Täuschung durch Hilfspersonen einer Vertragspartei nicht als Täuschung durch einen Dritten gilt.48 Das entspricht einer erweiternden Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB über die Relevanz des Kennens oder Kennenmüssens nicht nur eines Vertreters, sondern auch eines Verhandlungsgehilfen. In diesem Zusammenhang sei auch der Fall erwähnt, dass eine Partei sich die Kenntnis der täuschungsbedingten Anfechtbarkeit einer Vollmacht (§§ 142, 173 BGB) zurechnen lassen muss; eigene Arglist begründet dies nicht.49 2. Erfüllungsgehilfen In den früheren Entscheidungen zur Offenbarungspflicht über Werksmängel, in denen der Bundesgerichtshof den Werkunternehmer für arglistiges Verschweigen von Erfüllungsgehilfen oder Subunternehmern einstehen ließ, weil er sich deren zur Erfüllung seiner eigenen Offenbarungspflichten bedient habe50, gibt es eine Besonderheit: Ohne nähere Erörterung unterstellt der BGH, dass die Erfüllungsgehilfen/Subunternehmer arglistig gehandelt hätten. Diese haben aber keine eigenen Offenbarungspflichten gegenüber dem Vertragspartner ihres Geschäftsherrn/des Werkunternehmers, und der Geschäftsherr hatte die Erfüllungsgehilfen/Subunternehmer auch nicht beauftragt, unmittelbar an seinen Kunden zu berichten. Er bediente sich ihrer also bezüglich der Offenbarungspflichten nur für seine eigene Information. In dem vom BGH definierten Sinne kann Arglist der Erfüllungsgehilfen oder Subunternehmer dann nur insofern vorliegen, als diese in dem Bewusstsein, dass der Werkunternehmer in Unkenntnis des Mangels diesen gegenüber dem Auftraggeber nicht offenlegen kann und wird, die Erfüllungsgehilfen/Subunternehmer (schuldhaft) den Werkunterneh48 Ellenberger in Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 123 Rz. 13 f.; Arnold in Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 123 Rz. 33 ff. jeweils m. w. N.; beispielhaft BGH v. 14.11.2000 – XI ZR 336/99, NJW 2001, 358. 49 BGH v. 1.6.1989 – III ZR 261/87, NJW 1989, 2879. 50 Dazu schon oben III 4.
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mer zu einem vertragswidrigen Verhalten veranlassen. Die Erfüllungsgehilfen sind gleichsam mittelbare Täter, die den Geschäftsherrn als Tatwerkzug beim Verschweigen einsetzen. Das geht wohl über die Wirkungsweise des § 278 BGB in anderen Fällen hinaus. Das geschuldete Verhalten wird zwar auch in den anderen Fällen aus dem Verhältnis Geschäftsherr (Schuldner) zu dem Gläubiger entnommen und nicht aus dem Verhältnis des Geschäftsherrn zum Erfüllungsgehilfen, aber im „Normalfall“ des § 278 BGB betrifft die Zurechnung des Verschuldens des Gehilfen das tatsächliche äußere Geschehen und nicht nur die durch den Erfüllungsgehilfen „manipulierte“ subjektive Seite des Geschäftsherrn. 3. Gesamtschuldner Eine weitere besondere Konstellation betrifft den Fall von Gesamtschuldnern, von denen nur einer arglistig handelt. Eine solche Lage ist gerade bei Unternehmenskäufen sehr leicht denkbar: Wenn mehrere Gesellschafter ihr Unternehmen verkaufen und nur einer, beispielsweise als geschäftsführender Gesellschafter, über die Einzelheiten im Unternehmen Bescheid weiß, besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass eine solche Lage eintreten kann. Illustrativ für die sich daran anknüpfenden Rechtsfragen ist ein vom BGH im Jahr 2016 entschiedener Fall51: Ein (bereits die Scheidung betreibendes) Ehepaar verkaufte ein Grundstück unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel. Das Gebäude hatte einen gravierenden Sachmangel, der dem verkaufenden Ehemann bekannt war, seiner mitverkaufenden Ehefrau jedoch nicht. Der BGH entschied die Frage gegen die bis dahin wohl herrschende Literaturmeinung unter Darlegung der Unterschiede zwischen dem heute geltenden und dem bis zum 31.12.2001 geltenden Kaufrecht wie folgt: ȤȤ Die Arglist eines Verkäufers sei nicht Grund für den Anspruch, auch nicht für den Schadensersatzanspruch, sondern hat nur die Folge, dass sich der Verkäufer auf einen Haftungsausschluss nicht berufen kann. ȤȤ Dafür genüge es, wie nach dem früheren Recht, wenn einer von mehreren Verkäufern arglistig handelte. ȤȤ Darauf, ob dem selbst redlichen Verkäufer das Wissen (und die Arglist) des anderen gemäß § 166 BGB zuzurechnen sei, komme es nicht an. ȤȤ Wenn der Haftungsausschluss zugunsten der Ehefrau Bestand hätte, ergäbe sich eine Verschlechterung der Position des Käufers, während mit der Schuldrechtsmodernisierung die Haftung des Verkäufers gezielt habe verschärft werden sollen. 51 BGH v. 8.4.2016 – V ZR 150/15, ZIP 2016, 1386.
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ȤȤ Da sich die Verkäufer demnach auf den Haftungsausschluss nicht berufen könnten, verbleibe es auch für die gutgläubige mitverkaufende Ehefrau bei ihrer gesamtschuldnerischen Mithaftung, und zwar – aufgrund der nicht widerlegten Verschuldensvermutung – auch auf Schadensersatz. Das Urteil ist in seiner Begründung schlüssig. Und doch kann es im Ergebnis nicht befriedigen: Gemäß § 425 BGB hat das Verschulden – und zwar jede Art des Verschuldens – im Falle einer Gesamtschuld nur Einzelwirkung. Das Urteil bedeutet entgegen dieser Vorschrift, dass die gutgläubige mitverkaufende Ehefrau entgegen § 425 BGB für die Arglist ihres (früheren) Ehemanns mitverantwortlich gemacht wird.52 Zwar rechnet das Urteil die Arglist des Ehemanns ausdrücklich nicht der mitverkaufenden Ehefrau zu53, dennoch hat diese im Ergebnis die Folgen der Arglist ihres (früheren) Ehemanns zu tragen, weil auch sie sich auf den Haftungsausschluss nicht berufen könne. Die – vom früheren Recht, welches die Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses vorsah – abweichende Gesetzesformulierung hat nach den Ausführungen des BGH nur den Grund klarzustellen, dass sich aus einer Nichtigkeit nicht etwa die Folge der Gesamtnichtigkeit des Vertrages ergibt. Wenn aber § 444 BGB entsprechend seiner Formulierung und seiner Offenheit hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunkts nur als Ausübungsschranke verstanden werden kann54, liegt es nahe, entgegen dem früheren Recht diese Ausübungsschranke nur gegenüber demjenigen Vertragspartner gelten zu lassen, bei dem die Voraussetzung, also die Arglist, vorliegt. Das ginge jedoch hinsichtlich der verschuldensunabhängigen Mängelrechte des früheren Rechts zu weit. Die sachgerechte Lösung kann hier nur skizziert werden: Auch wenn die Schuldrechtsmodernisierung die Haftung des Verkäufers gezielt verstärken wollte, sind die entsprechenden Vorschriften doch abdingbar. Da § 444 BGB den Fall der Verkäufermehrheit nicht regelt, kann die Lösung nur in einer Differenzierung bestehen: Bezüglich der auch nach früherem Schuld recht gegebenen Rechtsbehelfe (Wandelung und Minderung, heute Rücktritt und Minderung) gilt der Haftungsausschluss auch gegenüber der Ehefrau nicht: Es wäre unangemessen, wenn sie den Vorteil des Vertrages (und eines womöglich täuschungsbedingt überhöhten Kaufpreises) behalten könnte. Dagegen sollte es ihr gegenüber bei dem Ausschluss eines Anspruchs auf Schadensersatz und des Nacherfüllungsanspruchs gemäß § 439 BGB verbleiben. Der einfachste Weg zu diesem Ergebnis führt über die An52 Mit dieser Begründung scharf ablehnend Thelen/Ungerer, ZIP 2016, 1953; zurückhaltend zustimmend dagegen H.P. Westermann, EWiR 2016, 665. 53 Anders die Kritik von Thelen/Ungerer, ZIP 2016, 1953, die durchgehend die Arglistzurechnung kritisieren, die sie in dem Urteil sehen. 54 Dazu siehe oben III 2.
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fechtung gemäß § 123 BGB, der zwanglos den ganzen Vertrag vernichtet, weil die Anfechtung gegenüber dem arglistigen Ehemann das Vertragsverhältnis mit diesem beseitigt und dies über § 139 BGB zur Gesamtnichtigkeit führt.55 Bei einem Unternehmenskaufvertrag ist allerdings – wenn sich die Mängel/die Arglist erst nach geraumer Zeit zeigen – die Anfechtung ebenso wie der Rücktritt kein geeigneter Rechtsbehelf. Es verbleibt deshalb die Lösung entsprechend dem, was im alten Schuldrecht galt: Auch der redliche Verkäufer kann sich nicht auf den Haftungsausschluss berufen; das gilt jedoch nur bezüglich der verschuldensunabhängigen Mängelrechte des früheren Rechts (Rücktritt und Minderung). Der Käufer kann dann gegenüber beiden Verkäufern zurücktreten oder mindern, gegenüber dem arglistigen Verkäufer darüber hinaus anfechten (mit der Folge der Gesamtnichtigkeit) sowie Nacherfüllung und Schadensersatz verlangen. Wenn Ansprüche gegen den arglistigen Verkäufer nicht durchsetzbar sind, der getäuschte Käufer aber nicht zurücktreten will, hat er immer noch die Möglichkeit der Minderung auch gegenüber dem redlichen Verkäufer. Wählt er stattdessen den Rücktritt, so sind dessen Folgen auch dem redlichen Verkäufer zumutbar. Der Käufer kann von dem redlichen Verkäufer dagegen nicht (aufgrund nachgewiesenen oder vermuteten Verschuldens) Schadensersatz und auch nicht Nacherfüllung verlangen. Der redliche Verkäufer wäre mit solchen Ansprüchen vertragswidrig unangemessen belastet.
V. Billigkeitserwägungen In einigen der vom BGH entschiedenen Fälle ist die Billigkeit des vom BGH gefundenen Ergebnisses schwer zu bezweifeln. Das wirft die Frage auf, ob aus Billigkeitsgründen trotz der Begründungsschwäche im Ergebnis den Entscheidungen gefolgt werden sollte. Dazu ist folgendes zu bemerken: 1. Verjährungsverlängerung Soweit es nur darum geht, die nach altem Schuldrecht für Kaufverträge geltende unangemessen kurze Verjährungsfrist für die Sachmängelhaftung zu überwinden, hat sich dieser Grund mit der Schuldrechtsmodernisierung erledigt. Ob nach dem früheren Recht die kurze kaufvertragliche Verjährungsfrist ohne die Konstruktion der Arglist hätte überwunden werden können, soll hier nicht weiter untersucht werden.56 Soweit es um Baumän55 Anders Thelen/Ungerer, ZIP 2016, 1953, 1957 f., die die Anfechtung auf den arglistigen Verkäufer beschränken und deshalb im Falle einer unteilbaren Verkäuferleistung ausschließen wollen. 56 Dazu Flume, JZ 1990, 550, 551 (Anmerkung zu BGHZ 109, 327): Bei Kenntnis des Verkäufers verstößt die Verjährungseinrede gegen Treu und Glauben.
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gel geht, die erst nach Ablauf der fünfjährigen Frist des § 634a BGB auftreten, liegt die Aufgabe beim Gesetzgeber. Die Argumentation des BGH über eine Arglist wegen Verletzung von Aufklärungs- oder Offenbarungspflichten, die sich aus konstruiertem Wissen ergeben, kann nicht überzeugen. Zwar konnte sie in einer großen Zahl von Fällen zum gewünschten Ergebnis führen, weil praktisch sämtliche Bauaufträge arbeitsteilig ausgeführt werden. Soweit irgendein mit der Ausführung beauftragter Erfüllungsgehilfe oder Subunternehmer oder Erfüllungsgehilfe eines Subunternehmers entweder bewusst gegen den ihm gestellten Pflichtenkatalog verstößt oder in irgendeiner Weise begründbar ist, dass ein auch unbewusster Verstoß bei einer ordnungsgemäßen Organisation erkannt worden wäre, führt die Konstruktion des BGH durchgehend zur Verlängerung der Verjährungsfrist. Die vom BGH gegebene Begründung, der Gesetzgeber des Jahres 1900 habe das Phänomen der arbeitsteiligen Auftragserledigung übersehen, war schon bezogen auf das Jahr 1900 unhaltbar.57 Das gilt erst recht für die §§ 438, 634a BGB, die schließlich erst mit Wirkung zum 1.1.2002 eingeführt wurden. 2. Haftungsausschluss Anders liegt es jedoch bezüglich der Fälle zum Kaufrecht, aus deren Anlass der BGH die Grundsätze der Informationsverantwortung entwickelt hat. Bei ihnen ging es, wie von vornherein paradigmatisch im sogenannten Schlachthof-Fall, um die Sachmängelhaftung beim Grundstückskauf und einen Haftungsausschluss. Insoweit ist eine Lösung vor allem durch Auslegung der Haftungsausschlussklausel möglich. Diese kann durchaus interessengerecht dahin ausgelegt werden, dass sie nicht für Mängel gilt, die im Unternehmen (oder der verkaufenden Gemeinde) bekannt sind oder bei ordnungsgemäßer Organisation bekannt wären.58 In diesem Sinne legt der BGH Haftungsausschlüsse auch generell dahin aus, dass sie nicht für das Fehlen ausdrücklich vereinbarter Beschaffenheiten gilt.59 Nicht anders wäre eine einschränkende Auslegung in dem gekennzeichneten Sinne möglich und vielleicht sogar naheliegend. Die Lösung über die Auslegung würde einen deutlichen Bruch mit der gesetzlichen Regelung und Systematik vermeiden.
57 Flume, AcP 197 (1997), 441, 452 ff. 58 Im Ergebnis ebenso Flume, JZ 1990, 550, 551 (Anmerkung zu BGHZ 109, 327): Berufung auf Haftungsausschluss ist treuwidrig; siehe auch Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 179 f. 59 BGH v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 Rz. 31; BGH v. 6.11.2015 – V ZR 78/14, NJW 2016, 1815 Rz. 9.
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VI. Vertragliche Regelungen zur Wissenszurechnung Nach der Rechtsprechung des BGH ist in einigen Fällen aufgrund zugerechneten Wissens Arglist anzunehmen. Das wirft die Frage auf, ob und inwieweit es möglich ist, durch vertragliche Bestimmungen die Wissenszurechnung mit der Folge der Arglist auszuschließen. 1. Grundsätzliche Unabdingbarkeit In der Regel können die Folgen der Arglist vertraglich nicht ausgeschlossen werden. Anders als für die Vorsatzhaftung ist dies nicht ausdrücklich gesetzlich bestimmt. Es folgt aber schlicht daraus, dass eine von dem Vertragspartner mit eigener Arglist getroffene Vereinbarung über den Ausschluss der Arglisthaftung ihrerseits auf Arglist beruhen würde und deshalb gemäß § 123 BGB angefochten werden könnte oder ihrerseits auch der Regelung der §§ 444, 639 BGB unterläge. Jedenfalls dürfte ein ausdrücklicher Ausschluss der Einstandspflicht auch für den Fall der Arglist praktisch nicht vorkommen. 2. Anwendbarkeit zweifelhaft Versteht man die Arglist beispielsweise in Verbindung mit einer Haftung aus culpa in contrahendo als eine Haftung wegen vorsätzlicher Verletzung von Offenbarungspflichten, so scheitert die Wirksamkeit des Haftungsausschlusses nicht notwendig an § 276 Abs. 3 BGB. Nach dieser Vorschrift kann die Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus erlassen werden. Die Aufklärungspflichten gemäß § 311 Abs. 2 in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB, deren Verletzung zu der Haftung wegen culpa in contrahendo führt, sind aber vor Vertragsschluss und nicht danach zu erfüllen. Ein Ausschluss der Haftung wegen Verletzung vorvertraglicher Verpflichtungen ist deshalb kein Erlass der Haftung im Voraus. 3. Zirkelschlüssige Gegenmeinung Dennoch wird die Abdingbarkeit der Wissenszurechnung mit der (nach der Rechtsprechung des BGH dann eintretenden) Folge der Arglist wegen der Unabdingbarkeit der Arglisthaftung in Zweifel gezogen.60 Dem wird entgegengehalten, die Wissenszurechnung erfolge auf der Grundlage des Vertretungsrechts (§ 166 BGB) und könne deshalb ebenso wie der Umfang der Vollmacht begrenzt werden.61 Die Wissenszurechnung nach den Grund
60 A. Rasner, WM 2006, 1425, 1429. 61 Meyer, WM 2012, 2040, 2045.
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sätzen der Informationsverantwortung hat sich jedoch, wie oben gezeigt62, vollständig von § 166 BGB gelöst und widerspricht diesem sogar. Diese Begründung aus § 166 BGB ist deshalb kaum tragfähig. Andere wollen danach differenzieren, wie erfahren die Beteiligten sind und ob sie „auf Augenhöhe“ miteinander verhandeln.63 Die Erfahrung der Beteiligten kann zwar für die Auslegung einer Regelung zum Ausschluss oder zur Begrenzung der Wissenszurechnung relevant sein, sie kann aber keinen Einfluss darauf haben, ob der Ausschluss oder die Begrenzung überhaupt zulässig ist. Das wäre mit den Geboten der Rechtsklarheit unvereinbar. Tatsächlich bedarf es solcher „Klimmzüge“ nicht: Auch wenn der BGH die von ihm über zugerechnetes Wissen konstruierte Arglist wie eigene Arglist des handelnden Rechtsträgers behandelt, ändert dies nichts daran, dass die handelnde Person (auf die es jedenfalls primär ankommt) tatsächlich nicht arglistig handelte. Die vom BGH angenommene Arglist beruht deshalb immer auf der Zurechnung des Verhaltens (Handelns oder Unterlassens) einer anderen natürlichen Person. Die Einstandspflicht für Erfüllungsgehilfen kann aber auch für den Fall des Vorsatzes des Erfüllungsgehilfen ausgeschlossen werden (§ 278 Satz 2 BGB). Außerdem: Der BGH rechtfertigt seine Konstruktion der Arglist aufgrund zugerechneten Wissens damit, die Annahme der Arglist enthalte keinen moralischen Vorwurf, sondern sei eine Risikoverteilung. Wenn es dabei aber um eine Risikoverteilung geht, muss diese auch der vertraglichen Regelung zugänglich sein. Auch die Organisationspflichten, deren Verletzung zur Wissenszurechnung führt, sind einer vertraglichen Regelung zugänglich. Es besteht auch kein Schutzbedürfnis für die andere Seite: Durch den Ausschluss der Wissenszurechnung weiß sie, dass sie nicht erwarten kann, über Tatsachen informiert zu werden, die nur Personen bekannt sind, deren Wissen nach ausdrücklicher vertraglicher Regelung nicht zugerechnet wird. Die Lage ist nicht anders, als wenn die handelnde Person erklärt hätte: „Mir ist nichts bekannt; diejenigen, die es vielleicht wissen würden, habe ich nicht befragt.“ Wer trotz einer solchen Erklärung der anderen Seite den Vertrag abschließt, ist bezüglich der nur anderen Personen bekannten Tatsachen nicht getäuscht. Die Annahme, solche Regelungen zum Ausschluss oder zur Begrenzung der Wissenszurechnung oder von Organisationspflichten seien wegen der Unabdingbarkeit der Vorsatzhaftung unwirksam64 setzt voraus, was zu be62 II 3 c. 63 So Weißhaupt, WM 2013, 782, 788; ders., ZIP 2016, 2447, 2457 m. w. N. in Fn. 92; Buck-Heeb in Hauschka/Moosmayer/Loesler, Corporate Compliance, 3. Aufl. 2016, § 2 Rz. 60. 64 So A. Rasner, WM 2006, 1425, 1429.
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weisen wäre: Weil trotz des vertraglichen Ausschlusses Wissen mit der Folge der Arglist zugerechnet werde, sei der Ausschluss der Zurechnung wegen der Unabdingbarkeit der Arglisthaftung unwirksam: eine klassische petitio principii. Die Unabdingbarkeit der Vorsatzhaftung oder der Arglisthaftung setzt Vorsatz oder Arglist voraus. Sie begründet aber weder den Vorsatz, noch die Arglist. Die Zurechnung des Wissens nicht konkret am Vertragsschluss beteiligter Personen (auf deren Wissen es bei bereits erweiterter Auslegung des § 166 Abs. 1 BGB allein ankommt) kann vertraglich in jeder Hinsicht abbedungen werden, auch wenn der BGH aufgrund einer solchen Wissenszurechnung Arglist annähme.
VII. Schluss Es hat sich gezeigt, dass es nicht der gesetzlichen Regelung entspricht, wenn der Bundesgerichtshof Arglist aufgrund zugerechneten Wissens annimmt. Es fehlt nicht nur das Element der besonderen Unredlichkeit, auf dem die besonderen an die Arglist anknüpfenden Rechtsfolgen beruhen, sondern es fehlen zusätzlich Wissens- und Wollenselemente, die in der vom BGH beurteilten Lage bei niemandem vorhanden sind, auch nicht auf der Grundlage einer Wissenszusammenrechnung. In der grundlegenden Entscheidung, mit welcher der BGH die Grundsätze der Informationsverantwortung erstmals vertrat, führte er aus, Wissenszurechnung lasse „sich nicht mit logisch begrifflicher Stringenz …, sondern nur in wertender Beurteilung entscheiden“65.
Dieser Ansatz sollte dazu führen, die Frage der Wissenszurechnung nicht allgemein zu entscheiden, sondern danach, welche Relevanz das Wissen nach der einschlägigen Vorschrift, der sogenannten Wissensnorm, hat. Das Wissen oder Nichtwissen kann in den verschiedenen Wissensnormen ganz unterschiedliche Funktionen haben, insbesondere die folgenden: ȤȤ Mit dem Gutglaubensschutz (§§ 407, 892 BGB) wird das Nichtwissen geschützt und wegen des Nichtwissens wird der nicht Wissende von der objektiven Rechtslage verschont. ȤȤ Eine an sich gerechtfertigte Rechtsfolge gilt im Interesse des Verkehrsschutzes nur zulasten wissender Beteiligter. Das gilt etwa für mindestens einige der insolvenzrechtlichen Wissensnormen (§§ 82, 130 ff. InsO).
65 BGH v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327, 331.
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ȤȤ An das Wissen (Sonderwissen) knüpfen sich besondere Pflichten, wie etwa Beratungs- oder Aufklärungspflichten der Bank.66 ȤȤ Schließlich kann das Wissen, wie im Fall der Arglist, Voraussetzung für verschärfte Rechtsfolgen sein. Es sollte auch nach dem Sinn der einzelnen Wissensnormen entschieden werden, welche Voraussetzungen für das Wissen oder die Wissenszurechnung im Sinne der einzelnen Wissensnorm gelten müssen.67 Will man dagegen Wissen nach einheitlichen Regeln zurechnen oder nicht zurechnen, so ist innerhalb der einzelnen Wissensnorm noch einmal zu überprüfen, ob nach diesen Grundsätzen zugerechnetes Wissen als Wissen im Sinne der konkreten Wissensnorm gelten kann.
66 So z. B. BGH v. 18.1.2015 – XI ZR 201/03, NJW-RR 2003, 634. 67 So schon Waltermann, AcP 192 (1992), 181, 191 ff.; aus jüngster Zeit Sajnovits, WM 2016, 765, 773 am Beispiel des Erfordernisses von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit für den Anspruch aus §§ 37b, 37c WpHG im Gegensatz zur Zurechnung positiven Wissens aufgrund bereits (leicht) fahrlässiger Verletzung von Informationsorganisationspflichten im Rahmen des in diesen Vorschriften vorausgesetzten Verstoßes gegen Mitteilungspflichten ad hoc aus § 15 WpHG (jetzt VO Nr. 596/2014 (EU) Art. 17).
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Rechtliche Aspekte der Namensschuldverschreibung als Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen Inhaltsübersicht
I. Einleitung
II. Namensschuldverschreibungen als Kapitalanlage von Versicherungen 1. Die Begebung von Namensschuldverschreibungen 2. Bilanzielle Sonderbehandlung III. Zivilrechtliche Grundlagen der Namensschuldverschreibung 1. Zustandekommen, zugrunde liegende Rechtsgeschäfte 2. Einordnung in den Wertpapierkontext a) Vorlageerfordernis und Anwendbarkeit des § 407 BGB b) Verlust des Papiers c) Die Übertragung der Namensschuldverschreibung d) Einwendungen
IV. Anwendung des SchVG
V. Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB 1. Formulierung für eine Vielzahl von Verträgen 2. Aushandeln im Einzelnen 3. Leistungsbeschreibung 4. Unangemessenheit 5. Zwischenergebnis
VI. Kündigung 1. Kündigungsrecht des Emittenten nach § 489 BGB? 2. Kündigungsrecht des Gläubigers nach § 490 BGB? 3. Außerordentliches Kündigungsrecht gemäß § 314 BGB a) Kündigungsgründe b) Ausschluss VII. Schluss
I. Einleitung Im Jahr 2015 hatten deutsche Erstversicherungsunternehmen Namensschuldverschreibungen in Höhe von ca. EUR 326 Milliarden in ihrem Kapitalanlagebestand; dies machte etwa 23 % ihres gesamten Kapitalanlagebestands aus.1 Die wirtschaftliche Bedeutung der Namensschuldverschreibung steht im Gegensatz zu dem Befund, dass sich nur wenige gesetzliche Regelungen zu ihr finden. Die Namensschuldverschreibung ist weitgehend ein Produkt der Vertragsfreiheit.2 Auch existiert von jeher nur vergleichsweise wenig Rechtsprechung und Literatur zu dieser Anlageform. In den achtziger Jahren wurde die Namensschuldverschreibung als das Stiefkind der Ju1 Statistik der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Erstversicherungsunternehmen und Pensionsfonds – 2015, S. 15. 2 Seitz, Namenssparbriefe des Kapitalmarkts im Wertpapierrecht, 1997, S. 19.
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risprudenz3 bezeichnet und daran hat sich bis heute wenig geändert. Dabei hat es in jüngerer Zeit insbesondere bei Inhaberschuldverschreibungen eine Reihe von Entwicklungen gegeben, die einen substanziellen Einfluss auf die Namensschuldverschreibung haben. Nach einer kurzen Beleuchtung der Grundlagen (Abschnitt III) sollen daher einige Bereiche, die von den Entwicklungen betroffen sind, näher betrachtet werden. Diese be treffen Anwendbarkeit des SchVG (Abschnitt IV), eine AGB-rechtliche Inhaltskontrolle (Abschnitt V) und die gesetzlichen Kündigungsrechte (Abschnitt VI). Zuvor sei jedoch kurz die Begebung von Namens schuldverschreibungen als Anlageform von Versicherungen beschrieben (Abschnitt II).
II. Namensschuldverschreibungen als Kapitalanlage von Versicherungen 1. Die Begebung von Namensschuldverschreibungen Namensschuldverschreibungen kommen in verschiedenen Formen vor.4 Praktisch häufig sind über Banken (sog. Fremdemission) begebene Namensschuldverschreibungen mit einem Nennbetrag von vielen Millionen Euro. Die Bedingungen der Namensschuldverschreibung werden zwischen dem Emittent und der platzierenden Bank als erstem Gläubiger festgelegt. Dabei wird den eigentlichen Investoren Gelegenheit gegeben, zu dem zwischen Emittent und Bank im Grundsatz vereinbarten Entwurf Stellung zu nehmen und Änderungen vorzuschlagen. In der Regel wird aber nur ein Bruchteil von Änderungswünschen der Investoren akzeptiert. Die platzierende Bank schließt mit dem Emittenten über die Namensschuldverschreibung einen Begebungsvertrag. Die Valuta wird von der Bank an den Emittenten gezahlt. Anschließend verkauft und überträgt die Bank die Namensschuldverschreibung in Tranchen an bzw. auf vor allem institutionelle Investoren wie Versicherungsgesellschaften.5 Nach den Bedingungen der Namensschuldverschreibung führt regelmäßig eine Bank (die meistens identisch mit derjenigen ist, die auch die Namensschuldverschreibung platziert hat) ein Register, in dem die Gläubiger ver-
3 Franke, DB 1983, 377. 4 Vgl. etwa zu Sparkassenbriefen BGH v. 25.6.1987 – IX ZR 199/86, juris; OLG Hamm v. 18.7.1986 – 11 U 326/85, NJW 1987, 70; OLG Düsseldorf v. 16.7.1992 – 6 U 140/91, juris. 5 Eine Variante ist das sog. best efforts Verfahren: Danach leitet die Bank nur die Mittel an den Emittenten weiter, die sie auch tatsächlich von den Investoren einwirbt.
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zeichnet werden.6 Die Bedingungen der Namensschuldverschreibung sehen typischerweise vor, dass der Emittent (über die Zahlstelle) an die der Registerstelle angezeigten Gläubiger oder die im Register eingetragenen Gläubiger zu leisten hat oder zumindest an diese befreiend leisten kann. Zudem bedarf die Abtretung üblicherweise zu ihrer Wirksamkeit entweder der Anzeige an die Registerstelle oder sogar der Eintragung in das Register. Eine Pflicht zur Vorlage der Urkunde ist selten vorgesehen.7 In den Bedingungen der Namensschuldverschreibung ist häufig bestimmt, dass im Falle einer (Teil-)Abtretung Zedent und Zessionar das Recht haben, (nach Einreichung der alten Urkunde) die Ausstellung neuer Urkunden in Bezug auf den nicht übertragenen bzw. übertragenen Teil zu verlangen.8 In jüngerer Zeit ist allerdings ebenfalls häufig eine Variante anzutreffen, bei der der Zessionar keine neue Urkunde verlangen kann. Die Urkunde bleibt dann bei der Registerstelle in Verwahrung. 2. Bilanzielle Sonderbehandlung Namensschuldverschreibungen bieten einer Versicherung Vorteile bei der Bilanzierung. Für Kapitalanlagen von Versicherungsunternehmen gelten grundsätzlich die Bewertungsvorschriften für das Umlaufvermögen (§ 341b Abs. 2 HGB). Solche Kapitalanlagen, zu denen etwa Inhaberschuldverschreibungen gehören,9 sind auch im Fall von nicht dauerhaften Wertminderungen abzuwerten, die sich aus einer Veränderung des Börsen- oder Marktpreises oder aus einer Veränderung des allgemeinen Zinsniveaus10 ergeben (§ 253 Abs. 4 HGB, strenges Niederstwertprinzip). Demgegenüber ordnet § 341b Abs. 1 Satz 1, 2 HGB an, dass Namensschuldverschreibungen und Schuldscheindarlehen, die von Versicherungsunternehmen gehalten werden, nach den für das Anlagevermögen geltenden Vorschriften bewertet werden. Da für dieses das strenge Niederstwertprinzip nicht gilt, haben Marktzinsschwankungen bei Namensschuldverschreibungen, die von Versicherungsunternehmen gehalten werden, keine Auswirkungen. Nach § 341c Abs. 1 HGB dürfen Namensschuldverschreibungen zudem – anders als Schuldscheindarlehen11 – statt zum Anschaffungswert, auch zum 6 Dreher in Zerey, Finanzderivate, 4. Aufl. 2015, § 13 Rz. 27. In Ausnahmefällen kann allerdings auch der Emittent selbst das Register führen. 7 Vgl. bereits Franke, DB 1983, 377. 8 Hartwig-Jacob in Friedl/Hartwig-Jacob, Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 2013, § 1 SchVG Rz. 59. 9 Ellenbürger/Hammers in Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, 2013, § 341b HGB Rz. 11. 10 Vgl. Dreher in Zerey, Finanzderivate, 4. Aufl. 2015, § 13 Rz. 41; Kusserow, RdF 2012, 4, 10. 11 § 341c Abs. 1 HGB bezog sich in seiner bis zum Jahr 2010 geltenden Fassung auch auf „Hypothekendarlehen und andere Forderungen“. Dies wurde aber ge-
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Nennwert bilanziert werden. Liegen die Anschaffungskosten niedriger (bzw. höher) als der Nennwert, kann (bzw. muss) für den Differenzbetrag gemäß § 341c Abs. 2 HGB ein Rechnungsabgrenzungsposten gebildet werden, der planmäßig aufzulösen ist.12 Auch bei der Bilanzierung zum Nennwert haben Marktzinsschwankungen keine Auswirkungen auf die Bilanzierung.13
III. Zivilrechtliche Grundlagen der Namensschuld verschreibung Im BGB finden sich praktisch keine Regelungen zur Namensschuldverschreibung. Die §§ 793 ff. BGB regeln nur die Inhaberschuldverschreibung, nicht die Namensschuldverschreibung. Nur § 806 BGB, wonach eine Inhaberschuldverschreibung in eine Namensschuldverschreibung umgewandelt werden kann, setzt die Existenz der Namensschuldverschreibung voraus. Die rechtlichen Grundlagen der Namensschuldverschreibung werden nur in Teilaspekten ausführlicher in Rechtsprechung und Literatur erörtert. Da die Vorgänge im Zusammenhang mit der Begebung einer Namensschuldverschreibung wirtschaftlich häufig einem Kredit entsprechen14, ist man zuweilen dazu verleitet, die Namensschuldverschreibung als Darlehen zu behandeln.15 Wie zu zeigen sein wird, ist dies aber nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt. 1. Zustandekommen, zugrundeliegende Rechtsgeschäfte Während die Grundlagen für die Begebung von Inhaberschuldverschreibungen weitgehend geklärt sind, findet sich kaum Literatur zur Begebung von Namensschuldverschreibungen.16 Die zur Inhaberschuldverschreibung entwickelten Grundsätze können aber mit Modifikationen für Namensschuldverschreibungen übernommen werden. Eine Inhaberschuldverschrei-
ändert, da wegen einer möglichen Verletzung von Artikel 55 der Richtlinie 91/674/EWG ein Vertragsverletzungsverfahren drohte. Vgl. dazu Ellenbürger/ Hammers in Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, 2013, § 341c HGB Rz. 1; Steurer/Wessling, VW 2010, 1218. 12 Vgl. dazu Kusserow, RdW 2012, 4, 10. 13 Stets zu berücksichtigen ist freilich eine Bonitätsverschlechterung des Emittenten, IDW RS VFA 1, WPg 2000, 380, 381; Kusserow, RdF 2012, 4, 10. 14 Vgl. OLG Bamberg v. 15.2.2006 – 3 U 213/05, juris; LG Köln v. 15.2.2011 – 3 O 216/10, BeckRS 2013, 06945. 15 Vgl. etwa LG Köln v. 15.2.2011 – 3 O 216/10, BeckRS 2013, 06945; OLG Düsseldorf v. 16.7.1992 – 6 U 140/91, BeckRS 1992, 04230, Rz. 36. 16 Eine Ausnahme bildet nur Seitz, Namenssparbriefe des Kapitalmarkts im Wertpapierrecht, 1997, S. 45 ff.
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bung – und nichts anders gilt für eine Namensschuldverschreibung17 – entsteht durch die Ausstellung und Unterzeichnung des Wertpapiers (Skripturakt) und den Abschluss des Begebungsvertrags zwischen dem Emittenten und dem ersten Gläubiger.18 Anders als dies teilweise zur Inhaberschuldverschreibung vertreten wird (sog. Kreationstheorie)19, reicht der Ausfertigungsakt als solcher zur Schaffung der Namensschuldverschreibung nicht aus. § 794 BGB, wonach allein die Ausfertigung einer Inhaberschuldverschreibung zur Begründung der Verpflichtung genügt, gilt schon dem Wortlaut nach nicht für Namensschuldverschreibungen. Darüber hinaus kommt dem Skripturakt bei der Namensschuldverschreibung keine vergleichbare Bedeutung wie bei der Inhaberschuldverschreibung zu, da die Namensschuldverschreibungsurkunde die Forderung nicht verkörpert, sondern die Urkunde nur Voraussetzung für die Geltendmachung der Forderung ist.20 Für die Namensschuldverschreibung gilt daher § 311 BGB, wonach zur Begründung eines Rechtsverhältnisses durch Rechtsgeschäft ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich ist. Im Fall der Inhaberschuldverschreibung liegt in dem Begebungsvertrag zugleich die sachenrechtliche Einigung zur Übertragung des Wertpapiers21; bei der Namensschuldverschreibung bedarf es einer solchen Übertragung freilich nicht (arg. § 952 BGB): Mit dem Abschluss des Begebungsvertrags und der Entstehung der Forderung erwirbt der Gläubiger das Eigentum an der Namensschuldverschreibungsurkunde.22 Übernimmt im Fall der Fremdemission die Bank die zu emittierenden Wertpapiere ohne Rücksicht auf den Platzierungserfolg wird ein Übernahmevertrag (Subscription Agreement) geschlossen, der mit dem Begebungs17 Seitz, Namenssparbriefe des Kapitalmarkts im Wertpapierrecht, 1997, S. 46 ff. 18 Im Einzelnen ist vieles umstritten, vgl. Artzinger-Bolten/Wöckener in Hopt/ Seibt, Schuldverschreibungsrecht, 2017, § 2 SchVG Rz. 22 ff.; Hartwig-Jacob in Friedl/Hartwig-Jacob, Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 2013, § 2 SchVG Rz. 44. 19 Ulmer in FS Raiser, 1974, S. 233 ff.; siehe auch Maier-Reimer in Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 129, 139. 20 Siehe unten Abschnitt III.2.a). 21 Artzinger-Bolten/Wöckener in Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, 2017, § 2 SchVG Rz. 22; Habersack in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, Vor § 793 Rz. 24 ff.; Hartwig-Jacob in Friedl/Hartwig-Jacob, Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 2013, § 2 SchVG Rz. 45. 22 Daher ist die Auffassung der BaFin unrichtig, wonach eine Forderung in Form einer Namensschuldverschreibung grundsätzlich erst dann sicherungsvermögensfähig sei, wenn die Urkunde beim Käufer, der zugleich Sicherungsvermögensinhaber sei, vorliege, da grundsätzlich erst dann eine Forderung gegen den Emittenten gegeben sei, BaFin, Rundschreiben 03/2016 (VA) Abschnitt B 3.5.6.4. Das Abstellen auf die Vorlage der Urkunde würde sich allein aufgrund des Vorlageerfordernisses rechtfertigen, dazu unten Abschnitt III.2.a).
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vertrag in der Regel zusammenfällt.23 Dabei ist man sich uneinig, ob dieser Übernahmevertrag als Kaufvertrag mit dem Emittenten über die zukünftigen Forderungen24, als Darlehensvertrag, der durch die Begründung der verbrieften Forderung als Leistung an Erfüllungs statt erfüllt würde25, oder als Vertrag sui generis mit Elementen des Kaufs, des Darlehens und der Geschäftsbesorgung zu qualifizieren ist.26 Der Übernahmevertrag – gleich wie man ihn qualifiziert – bildet die Causa für das abstrakte Rechtsverhältnis, das durch den Begebungsvertrag über die Namensschuldverschreibung entsteht.27 2. Einordnung in den Wertpapierkontext Die Namensschuldverschreibung ist nach der wertpapierrechtlichen Dogmatik ein Rektapapier. Sie lautet auf den Namen des Inhabers. Das Innehaben der Urkunde ist für die Geltendmachung der darin verbrieften Rechte erforderlich (Abschnitt a). Dies kann Schwierigkeiten bei Verlust des Dokuments bereiten (Abschnitt b). Die Übertragung der in der Namensschuldverschreibung verbrieften Forderung erfolgt im Grundsatz durch Abtretung (Abschnitt c), so dass der Emittent dem Zessionar dann auch sämtliche Einwendungen entgegenhalten kann, die ihm auch gegenüber dem Zedenten zustanden (Abschnitt d). a) Vorlageerfordernis und Anwendbarkeit des § 407 BGB Der Besitz der Namensschuldverschreibungsurkunde begründet – vorbehaltlich einer abweichenden Regelung – weder eine Vermutung der materiellen Berechtigung28 noch kann der Schuldner an den Inhaber befreiend leisten. Nach überwiegendem Verständnis ist aber die Vorlage der Namensschuldverschreibung – unabhängig von dem Nachweis einer etwaigen Abtretung29 – Voraussetzung für die Geltendmachung der verbrieften Forderung.30 Aufgrund des Vorlageerfordernisses ist der Emittent nur gegen 23 Hartwig-Jacob in Friedl/Hartwig-Jacob, Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 2013, § 2 SchVG Rz. 48. 24 RGZ 28, 29, 30; 104, 119, 120. 25 Canaris in HGB-Großkommentar, 3. Aufl. 1981, BankvertragsR, Rz. 2243. 26 Schäfer in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, Vor § 705 Rz. 57 und Habersack in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 793 Rz. 54. 27 Seitz, Namenssparbriefe des Kapitalmarkts im Wertpapierrecht, 1997, S. 64 ff. 28 OLG Hamm v. 18.7.1986 – 11 U 326/85, NJW 1987, 70; Dreher in Zerey, Finanzderivate, 4. Aufl. 2015, § 13 Rz. 26; Hartwig-Jacob in Friedl/Hartwig-Jacob, Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 2013, § 1 SchVG Rz. 54; vgl. auch Kümpel, WM 1981, Sonderbeilage Nr. 1, S. 1, 4 ff. 29 § 410 BGB, vgl. dazu Kümpel, WM 1981, Sonderbeilage Nr. 1, S. 1, 4. 30 BGH v. 25.6.1987 – IX ZR 199/86, juris; Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz. Scheckgesetz. Recht der kartengestützten Zahlung, 23. Aufl. 2008, WPR
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Aushändigung31 der Namensschuldverschreibungsurkunde32 zur Leistung des Kapitals verpflichtet. In der Zwangsvollstreckung ist dem Vollstreckungsorgan die Namensschuldverschreibungsurkunde im Original vorzulegen.33 Am Rande sei erwähnt, dass allein dieses Vorlageerfordernis (soweit es besteht) die Auffassung der BaFin rechtfertigen würde, von der Sicherungsvermögensfähigkeit (i. S. v. § 125 VAG) einer Namensschuldverschreibung erst dann auszugehen, wenn die Urkunde bei der Versicherung vorliegt.34 aa) Teleologische Reduktion von § 407 BGB Anknüpfend an das Vorlageerfordernis reduziert die herrschende Meinung § 407 BGB teleologisch: Der Schuldner wird nicht frei, wenn er in Unkenntnis einer Abtretung an den bisherigen Gläubiger leistet, es sei denn, dass dieser die Namensschuldverschreibungsurkunde vorlegt. Denn der Schuldner wird ja bereits dadurch geschützt, dass er nur an den Inhaber der Namensschuldverschreibungsurkunde leisten muss, und der Erwerber soll darauf vertrauen dürfen, dass der Schuldner nur an ihn leistet.35 Dies verdeutlicht auch den Sinn des Vorlageerfordernisses: Durch das Vorlageerfordernis verbunden mit der teleologischen Reduktion des § 407 BGB wird der Zessionar der Namensschuldverschreibung davor geschützt, dass der Rz. 66; Dreher in Zerey, Finanzderivate, 4. Aufl. 2015, § 13 Rz. 26; Franke, DB 1983, 377; Hartwig-Jacob in Friedl/Hartwig-Jacob, Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 2013, § 1 SchVG Rz. 54. 31 Entsprechend ist zu tenorieren. Es handelt sich bei richtiger Tenorierung nicht um eine Leistung Zug um Zug, die nach §§ 756, 765 ZPO zu vollstrecken wäre, weil der Anspruch auf Herausgabe des Papiers kein selbstständiger Gegenanspruch, sondern nur eine besondere Form des Rechts auf Quittung ist, BGH v. 8.7.2008 – VII ZB 64/07, juris; BGH v. 14.5.2013 – XI ZR 160/12, juris; a. A. etwa Marburger in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2015, § 797 Rz. 3; nach der Auffassung der Rechtsprechung kann die Zwangsvollstreckung für den Gläubiger schwieriger werden, weil er die Vorlage nicht durch Feststellung des Annahmeverzugs vermeiden kann. 32 Kümpel, WM 1981, Sonderbeilage Nr. 1, S. 1, 8 f. 33 Zu Inhaberschuldverschreibungen vgl. BGH v. 8.7.2008 – VII ZB 64/07, juris; BGH v. 14.5.2013 – XI ZR 160/12, juris; BGH v. 7.4.2016 – VII ZB 14/15, juris. 34 Vgl. BaFin, Rundschreiben 03/2016 (VA) Abschnitt B 3.5.6.4., wonach eine Forderung in Form einer Namensschuldverschreibung oder eines Schuldscheindarlehens grundsätzlich erst dann sicherungsvermögensfähig sein soll, wenn die Urkunde beim Käufer, der zugleich Sicherungsvermögensinhaber ist, vorliege. Dies wird allerdings unzutreffend damit begründet, dass grundsätzlich erst dann eine Forderung gegen den Emittenten vorliege. 35 Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz. Scheckgesetz. Recht der kartengestützten Zahlung, 23. Aufl. 2008, WPR Rz. 66; Habersack in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, Vor § 793 Rz. 17; Koller, WM 1981, 474, 475 (jedenfalls bei solchen Namensschuldverschreibungen mit Inhaberklausel).
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Zedent die sich aus der Namensschuldverschreibung ergebende Forderung bis zur Anzeige der Abtretung einzieht und der Schuldner mit befreiender Wirkung leistet; die Verkehrsfähigkeit erhöht sich.36 Dagegen wendet sich der Teil der Literatur, die die Anwendbarkeit von § 407 BGB auf die Namensschuldverschreibung bejaht.37 Der Zessionar müsse eine Leistung des Schuldners an den Zedenten nach erfolgter Abtretung unter anderem deswegen gegen sich gelten lassen, weil in der Praxis das Vorlageerfordernis gar nicht mehr bestehe.38 Außerdem sei der Zessionar nicht schutzwürdig, weil er durch die Abtretungsanzeige eine befreiende Leistung des Schuldners an den Zedenten verhindern könne.39 Und schließlich habe die Nichtanwendung des § 407 BGB für den Gläubiger substantielle Nachteile40: Wenn er nämlich die Namensschuldverschreibungsurkunde verliert, der Emittent dann wegen der Gefahr der doppelten Inanspruchnahme bis zur Durchführung eines etwaigen Aufgebotsverfahrens nicht leisten kann und der Gläubiger während des Aufgebotsverfahrens in Annahmeverzug gerät (§§ 293, 295, 298 BGB), ist der Emittent zur Leistung von Zinsen frei (§ 301 BGB). Trotz dieser Einwände ist an der teleologischen Reduktion von § 407 BGB festzuhalten, soweit ein Vorlageerfordernis besteht. Daher kann der Schuldner in Unkenntnis einer Abtretung an den Zedenten nur befreiend leisten, wenn ihm dieser die Urkunde vorlegt. Die Abtretungsanzeige schützt den Zessionar nicht in ausreichendem Maß, weil die Abtretungsanzeige nicht immer mit der positiven Kenntnis des Emittenten im Sinne von § 407 BGB gleichzusetzen ist und zudem zwischen Abtretung und Zugang der Abtretungsanzeige eine Schutzlücke besteht.41 Verlangt der Zessionar, der die Namensschuldverschreibung erworben hat, in gutem Glauben erneut Zahlung, obwohl der Emittent bereits an den Zedenten geleistet hat, steht dem auch nicht § 242 BGB entgegen.42 Denn dem Zessionar, der die Namensschuldverschreibung meist erst kurz vor der
36 Koller, WM 1981, 474, 477; Seitz, Namenssparbriefe des Kapitalmarkts im Wertpapierrecht, 1997, S. 129 f.; vgl. auch Kümpel, WM 1981, Sonderbeilage Nr. 1, S. 1, 6. 37 Für eine Anwendbarkeit von § 407 BGB: Dreher in Zerey, Finanzderivate, 4. Aufl. 2015, § 13 Rz. 28; Franke, DB 1983, 377, 378; Kümpel, WM 1981, Sonderbeilage Nr. 1, S. 1, 6 ff. 38 Franke, DB 1983, 377, 378. 39 Kümpel, WM 1981, Sonderbeilage Nr. 1, S. 1, 7. 40 Kümpel, WM 1981, Sonderbeilage Nr. 1, S. 1, 12; siehe aber auch Koller, WM 1981, 474, 477. 41 Koller, WM 1981, 474, 476. 42 So aber Franke, DB 1983, 377, 378.
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Zahlung erworben haben wird, wird in den seltensten Fällen ein widersprüchliches Verhalten vorzuwerfen sein. In der Praxis ist der Ausschluss von § 407 BGB unproblematisch. Denn um der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme vorzubeugen, sehen die Bedingungen der Namensschuldverschreibungen vor, dass eine Abtretung erst mit der Eintragung in das bei der Registerstelle geführte Register wirksam wird und/oder dass § 407 BGB (ggf. mit bestimmten Änderungen) Anwendung findet.43 bb) Ungeschriebenes Vorlageerfordernis Das Vorlageerfordernis ist zuweilen in den Bedingungen der Namensschuldverschreibung ausdrücklich festgelegt.44 Häufig ist dies jedoch nicht der Fall. Der Inhaber der Namensschuldverschreibung ist in einem von der Registerstelle geführten Register eingetragen. Die jeweiligen Zahlungen auf Kapital oder Zinsen werden dann von dem Emittent über die Zahlstelle an die im Register eingetragenen Gläubiger geleistet.45 Der Emittent verzichtet faktisch auf die gesonderte Vorlage der Urkunde. Damit ist jedoch nichts zu der Frage gesagt, ob das Vorlageerfordernis rechtlich fortbesteht, wenn ein solches in den Bedingungen der Namensschuldverschreibung nicht ausdrücklich geregelt ist.46 Wäre dem so, müsste der Gläubiger im Streitfall (und im Fall entsprechender Tenorierung bei einer späteren Zwangsvollstreckung) die Urkunde vorlegen. Die Regelung des § 806 Satz 1 BGB, wonach die Umschreibung einer Inhaberschuldverschreibung auf den Namen eines Berechtigten nur durch den Aussteller erfolgen kann, spricht für ein Vorlageerfordernis ohne ausdrückliche Regelung.47 Denn das Vorlageerfordernis des Inhaberpapiers (§ 797 BGB) wird durch die Umschreibung in eine Namensschuldverschreibung nicht berührt. Wenn also eine nach § 806 BGB umgeschriebene Namensschuldverschreibung ohne ausdrückliche Regelung vorzulegen ist, dann muss dies gleichfalls für eine Namensschuldverschreibung gelten, die von Anfang an kein ausdrückliches Vorlageerfordernis vorsieht. 43 Vgl. auch Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz. Scheckgesetz. Recht der kartengestützten Zahlung, 23. Aufl. 2008, WPR Rz. 72; Habersack in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, Vor § 793 Rz. 17; Hartwig-Jacob in Friedl/Hartwig-Jacob, Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 2013, § 1 SchVG Rz. 59. 44 Vgl. etwa BGH v. 19.9.1989 – XI ZR 179/88, WM 1989, 1640, 1641. 45 Vgl. Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz. Scheckgesetz. Recht der kartengestützten Zahlung, 23. Aufl. 2008, WPR Rz. 72; Dreher in Zerey, Finanzderivate, 4. Aufl. 2015, § 13 Rz. 26; Franke, DB 1983, 377, 378. 46 Verneinend etwa Kümpel, WM 1981, Sonderbeilage Nr. 1, S. 1, 37. 47 Franke, DB 1983, 377 f.
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Darüber hinaus hat man sich zu vergegenwärtigen, dass das Vorlageer fordernis auf der Tatbestandsseite das einzige ist, was die Namensschuldverschreibung von der bloßen Forderung unterscheidet.48 Ohne das Vorlageerfordernis ist die Namensschuldverschreibungsurkunde – wie ein Schuldscheindarlehen – nichts anderes als eine Beweisurkunde.49 Nach traditionellem Verständnis wäre die Namensschuldverschreibung dann auch kein Wertpapier.50 Vor diesem Hintergrund ist daran zu erinnern, dass die Namensschuldverschreibung anders als das Schuldscheindarlehen bei Versicherungen bilanziell privilegiert wird.51 Verneint man ohne ausdrückliche Regelung das Vorlageerfordernis, ebnet man dadurch den Unterschied zum Schuldscheindarlehen ein. Obwohl das Vorlageerfordernis nach herrschender Auffassung keine Voraussetzung für die Bilanzierung nach § 341c HGB ist52, ist doch absehbar, dass bei einem Wegfall des Vorlageerfordernisses auch die bilanzielle Privilegierung in Frage gestellt wird. An dieser bilanziellen Behandlung haben aber Versicherungen ein besonderes Interesse. Daher wird der Wille der den Begebungsvertrag abschließenden Parteien jedenfalls in den Fällen, in denen die Namensschuldverschreibung bei Versicherungen platziert werden soll, in der Regel dahin gehen, dass die Vorlage der Urkunde für die Ausübung des Rechts erforderlich ist – selbst wenn dies nicht ausdrücklich geregelt ist. cc) Das Vorlageerfordernis bei Verwahrung der Urkunde durch die Registerstelle Nun ist es denkbar, dass sich die Namensschuldverschreibungsurkunde bei der Registerstelle in einer Art „Sammelverwahrung“ befindet. Im Fall der Inhaberschuldverschreibung muss sich der Gläubiger bei Sammelver wahrung im Sinne des § 5 DepotG die Urkunde grundsätzlich53 ausliefern lassen, um sie bei dem Vollstreckungsorgan vorzulegen und damit vollstrecken zu können.54 Analog stellt sich die gleiche Frage für die Namens 48 Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz. Scheckgesetz. Recht der kartengestützten Zahlung, 23. Aufl. 2008, WPR Rz. 66. 49 Vgl. Seitz, Namenssparbriefe des Kapitalmarkts im Wertpapierrecht, 1997, S. 221. 50 Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz. Scheckgesetz. Recht der kartengestützten Zahlung, 23. Aufl. 2008, WPR Rz. 71; Seitz, Namenssparbriefe des Kapitalmarkts im Wertpapierrecht, 1997, S. 219 ff.; vgl. auch Habersack in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, Vor § 793 Rz. 17. 51 § 341c Abs. 1 HGB, dazu oben Abschnitt II.2. 52 Vgl. IDW RS VFA 1, WPg 2000, 380 Die Stellungnahme resultiert allerdings noch aus einer Zeit, in der § 341c Abs. 1 HGB auch für Schuldscheindarlehen galt. Siehe auch Kusserow, RdF 2012, 4. 53 Jedenfalls dann, wenn die Auslieferung nicht ausgeschlossen ist, vgl. Gleske/ Pellmann/Schmidtbleicher, WM 2016, 2369, 2371 f. 54 BGH v. 7.4.2016 – VII ZB 14/15, juris.
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schuldverschreibung, bei der die Urkunde bei der Registerstelle hinterlegt ist: Muss der Gläubiger erst noch die Namensschuldverschreibungsurkunde bei der Registerstelle herausverlangen, obwohl diese typischerweise ohnehin zugleich die Zahlstelle und damit dazu berufen ist, für den Emittenten die Zahlungsvoraussetzungen zu prüfen? Die vom Bundesgerichtshof im Fall der Inhaberschuldverschreibung herangezogene Erwägung, dass der Schuldner nicht der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme ausgesetzt werden darf55, passt nicht für den Fall der Namensschuldverschreibung – jedenfalls nicht ab dem Beginn der Rechtshängigkeit der Forderung: Leistet der Emittent einer Inhaberschuldverschreibung auf das ergehende Urteil, erlischt die Forderung zwar zunächst. Jedoch kann ein Dritter die Inhaberschuldverschreibung und folglich die ihr aus dem Papier resultierende Forderung gutgläubig erwerben (§§ 932 ff. BGB), wenn nicht zuvor sichergestellt wurde, dass die Urkunde aus dem Verkehr gezogen wird. Bei der Namensschuldverschreibung ist ein gutgläubiger Erwerb – sieht man von dem Sonderfall ab, dass die Namensschuldverschreibung unter das DepotG fällt56 – nach der hier vertretenen Auffassung nicht möglich.57 Ein ergehendes Urteil wirkt auch für und gegen den Rechtsnachfolger, wenn die Abtretung nach Rechtshängigkeit erfolgt (§ 325 Abs. 1 ZPO). Ein späterer Erwerber kann also nicht erneut Zahlung verlangen, wenn er zwischenzeitlich die Namensschuldverschreibungsurkunde erlangt hat. Aufgrund der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Emittenten lässt sich ein Vorlageerfordernis bei der Namensschuldverschreibung ab Rechtshängigkeit der Forderung nicht begründen. Allerdings dient das Vorlageerfordernis bei der Namensschuldverschreibung vornehmlich einem potentiellen Erwerber und damit der Verkehrsfähigkeit der Namensschuldverschreibung.58 Klagt der Inhaber der Namensschuldverschreibung die Forderung ein und lässt er sich anschließend die Namensschuldverschreibungsurkunde von der Registerstelle ausliefern, um sie gleich darauf abzutreten, so könnte der Zedent die Forderung ohne das Papier einziehen, wenn man auf das Vorlageerfordernis verzichtete. Davor muss der Zessionar durch das Vorlageerfordernis geschützt werden. Dies kann zu wenig praktischen Ergebnissen führen, weil die Registerstelle – anders als eine Depotbank – meist nur als der verlängerte Arm des Emittenten fungiert und typischerweise zugleich als Zahlstelle die Zahlungsvoraussetzungen prüft. Im Streitfall müsste der Gläubiger nicht nur die Forderung einklagen, sondern auch die Registerstelle auf Herausgabe der Urkunde in Anspruch nehmen – nur um diese Urkunde etwa im Rah55 BGH v. 7.4.2016 – VII ZB 14/15, juris. 56 Siehe unten Abschnitt III.2.c). 57 Siehe unten Abschnitt III.2.c) und d). 58 Siehe oben Abschnitt III.2.a)aa).
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men der Zwangsvollstreckung vorzulegen. Dieser komplizierte Weg lässt sich vermeiden, wenn die Registerstelle, bei der die Namensschuldverschreibungsurkunde verwahrt wird, zur Prüfung der Vorlage der Urkunde befugt ist (was jedenfalls dann der Fall ist, wenn sie zugleich Zahlstelle ist) und der Gläubiger endgültig auf die Herausgabe der Urkunde verzichtet. Denn in letzteren Fall besteht nicht die Gefahr, dass der Gläubiger unter Vorlage der Urkunde die Forderung erneut abtritt. In einem solchen Fall kann sich der Schuldner nicht mit dem Einwand verteidigen, dass die Namensschuldverschreibungsurkunde erneut vorzulegen ist.59 dd) Vorlageerfordernis im Falle des Ausschlusses der Erteilung einer Namensschuldverschreibungsurkunde Wie ist mit dem Vorlageerfordernis in der Praxis umzugehen, wenn die Urkunde in Form einer Art „Sammelurkunde“ bei der Registerstelle hinterlegt ist und eine gesonderte Ausstellung der Namensschuldverschreibungsurkunde ausgeschlossen ist? Bei in Dauerglobalurkunden verbrieften Inhaberschuldverschreibungen erleichtert die Rechtsprechung trotz des grundsätzlich bestehenden Vorlagezwangs (§ 797 BGB) die Durchsetzung der verbrieften Forderung, indem sie die Vorlage der Schuldverschreibungsurkunde durch die Mitteilung der Zahlung an die Depotbank zwecks Ausbuchung der Inhaberschuldverschreibung in Höhe der Zahlung ersetzt.60 Denn ein Vorlagezwang würde den Vertragszweck in all jenen Fällen gefährden, in denen der Gläubiger die Ausstellung einer entsprechenden Urkunde, die er dem Emittenten vorlegen kann, nicht verlangen kann.61 Daher besteht auch bei der Namensschuldverschreibung kein Vorlagezwang62, wenn die Namensschuldverschreibungsurkunde zentral (etwa von der Registerstelle) verwahrt wird und der Emittent die Erteilung von einzelnen Urkunden ausdrücklich ausgeschlossen hat.63 Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine solche Namensschuldverschreibung entgegen der missverständlichen Auffassung der BaFin64 uneingeschränkt sicherungs59 Siehe auch RGZ 152, 166, 167 f. 60 Vgl. für den Fall von Inhaberschuldverschreibungen, die in Dauerglobalurkunden verbrieft sind, BGH v. 22.9.2009 – XI ZR 356/08, BeckRS 2009, 26905; anders im Fall, dass über die Inhaberschuldverschreibung eine Sammelurkunde ausgestellt ist und der Inhaber eine Ausstellung und Auslieferung nach §§ 7, 9a DepotG verlangen kann, BGH v. 7.4.2016 – VII ZB 14/15, juris. 61 Vgl. Gleske/Pellmann/Schmidtbleicher, WM 2016, 2369, 2371 f. 62 Vgl. auch Franke, DB 1983, 377, 378, der eine Berufung auf das Vorlageerfordernis generell für ausgeschlossen hält. 63 Mit dem Ausschluss der Auslieferung und des Vorlagezwangs erodiert freilich die Besonderheit der Namensschuldverschreibung gegenüber dem Schuldscheindarlehen und stellt deren bilanzielle Sonderbehandlung in Frage. 64 Wie bereits erwähnt, geht die BaFin grundsätzlich davon aus, dass die Sicherungsvermögensfähigkeit erst gegeben ist, wenn die Versicherung die Urkunde
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vermögensfähig ist, da die Durchsetzbarkeit einer solchen Forderung wie gezeigt nicht von der Urkundenvorlage abhängt. b) Verlust des Papiers Geht die Namensschuldverschreibungsurkunde verloren, führt das Vorlageerfordernis dazu, dass die Forderung gegen den Emittenten nicht mehr durchsetzbar ist. Der Emittent wird keine neue Urkunde ausstellen, da er nicht sicher sein kann, dass der ursprüngliche Gläubiger die Forderung abgetreten und die Urkunde an einen Dritten übergeben hat. Stellt er also dem ihm bekannten Gläubiger eine Urkunde aus, setzt er sich dem Risiko aus, ein weiteres Mal leisten zu müssen. Daher ist mit der herrschenden Meinung zu gestatten, dass die Urkunde im Fall ihres Verlusts im Wege des Aufgebotsverfahrens analog § 808 Abs. 2 Satz 2 BGB, § 365 Abs. 2 HGB für kraftlos erklärt werden kann.65 c) Die Übertragung der Namensschuldverschreibung Die Übertragung der Namensschuldverschreibung erfolgt durch Abtretung (§ 398 BGB).66 Dem Recht aus dem Papier folgend geht damit auch das Recht am Papier über (§ 952 BGB).67 Da die Übertragung der Namensschuldverschreibung im Wege der Abtretung erfolgt, gibt es – wie bereits erwähnt – auch nach ganz herrschender Auffassung keinen gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten.68 Es gibt allerdings einen Sonderfall. Sind erlangt hat, BaFin, Rundschreiben 03/2016 (VA) Abschnitt B 3.5.6.4. Selbst die Bafin lässt aber in Ausnahmefällen die reine Zession der verbrieften Forderung an die Versicherung unabhängig von der Erlangung der Urkunde ausreichen. 65 Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz. Scheckgesetz, Recht der kartengestützten Zahlung, 23. Aufl. 2008, WPR Rz. 71; Kümpel, WM 1981, Sonderbeilage Nr. 1, S. 1, 10 ff.; ablehnend Franke, DB 1983, 377, 379. 66 BGH v. 25.6.1987 – IX ZR 199/86, juris; Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz. Scheckgesetz. Recht der kartengestützten Zahlung, 23. Aufl. 2008, WPR Rz. 64; Dreher in Zerey, Finanzderivate, 4. Aufl. 2015, § 13 Rz. 25; Artzinger- Bolten/Wöckener in Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, 2017, § 1 SchVG Rz. 30; Hartwig-Jacob in Friedl/Hartwig-Jacob, Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 2013, § 1 SchVG Rz. 54. 67 Artzinger-Bolten/Wöckener in Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, 2017, § 1 SchVG Rz. 30; Dreher in Zerey, Finanzderivate, 4. Aufl. 2015, § 13 Rz. 25; Hartwig-Jacob in Friedl/Hartwig-Jacob, Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 2013, § 1 SchVG Rz. 55. 68 Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz. Scheckgesetz. Recht der kartengestützten Zahlung, 23. Aufl. 2008, WPR Rz. 65; Dreher in Zerey, Finanzderivate, 4. Aufl. 2015, § 13 Rz. 25; Hartwig-Jacob in Friedl/Hartwig-Jacob, Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 2013, § 1 SchVG Rz. 54; a. A. zumindest de lege ferenda Kümpel, WM 1981, Sonderbeilage Nr. 1, S. 1, 34.
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Namensschuldverschreibungen auf den Namen einer Wertpapiersammelbank (z. B. Clearstream Banking AG) ausgestellt, sind sie auch Wertpapiere im Sinne des Depotgesetzes (§ 1 Abs. 1 Satz 2 DepotG). Solche Namensschuldverschreibungen sind dem sachenrechtlichen Wertpapiergiro unterstellt69 und werden nach sachenrechtlichen Grundsätzen übertragen.70 Eine Folge der Abtretung ist, soweit nichts anderes geregelt ist, dass der Gläubiger die Ausstellung einer neuen Urkunde auf seinen Namen verlangen kann, soweit in den Bedingungen der Namensschuldverschreibung nichts anderes festgelegt ist.71 Im Unterschied zum Schuldscheindarlehen, wo es zur Übertragung noch der Zustimmung des Darlehensnehmers bedarf72 (die für bestimmte Fälle häufig im Voraus erteilt wird), geht durch die Abtretung der Namensschuldverschreibung das gesamte Rechtsverhältnis über73, ohne dass es einer weiteren Zustimmung des Schuldners bedürfte. In der Praxis geschieht es allerdings häufig, dass die Abtretbarkeit der Namensschuldverschreibung an bestimmte Personen (etwa Hedge Fonds) ausgeschlossen wird. Zudem ist die Abtretung der Namensschuldverschreibung nach den Bedingungen der Namensschuldverschreibung in der Regel davon abhängig, dass der Zessionar in das Register eingetragen wird74, zumindest aber die Abtretung gegenüber der Registerstelle angezeigt wird. Diese Regelungen stellen Abtretungsverbote im Sinne von § 399, 2. Alt. BGB dar. Nach § 354a Abs. 1 69 BT-Drucks. 16/12814, S. 28; Artzinger-Bolten/Wöckener in Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, 2017, § 1 SchVG Rz. 30; Hartwig-Jacob in Friedl/Hartwig-Jacob, Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 2013, § 1 SchVG Rz. 57. 70 Artzinger-Bolten/Wöckener in Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, 2017, § 1 SchVG Rz. 31. 71 Dreher in Zerey, Finanzderivate, 4. Aufl. 2015, § 13 Rz. 25. 72 Dreher in Zerey, Finanzderivate, 4. Aufl. 2015, § 13 Rz. 43. 73 Im Fall einer Teilabtretung kann jeder Inhaber der jeweiligen Tranche individuell sämtliche Rechte (z. B. Kündigungsrechte) aus der Namensschuldverschreibung ausüben, soweit in den Bedingungen der Namensschuldverschreibung nicht ausnahmsweise etwas anderes geregelt ist. 74 Die frühere AnlV und die meisten Kapitalanlagerichtlinien der Versicherungen, die die frühere AnlV in wesentlichen Teilen übernommen haben, sahen vor, dass die Kapitalanlagen frei veräußerbar sein müssen und die Abtretung insbesondere nicht von der Zustimmung des Schuldners abhängen darf. Allein das Erfordernis der Eintragung in das Register steht dem aber selbst dann nicht entgegen, wenn die Registerstelle von dem Schuldner beauftragt und in ihrem Interesse tätig wird. Denn in der Praxis tragen die Registerstellen den neuen Gläubiger auf entsprechende Anzeige ohne Weiteres in das Register ein, ohne dass der Schuldner hierauf Einfluss hätte. Qualitativ ist das Eintragungserfordernis also anders zu bewerten als ein echtes Zustimmungserfordernis des Schuldners.
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Satz 1 HGB ist aber bei Geldforderungen zwischen Kaufleuten das Abtretungsverbot unbeachtlich, wenn das forderungsbegründende Rechtsgeschäft für beide Teile ein Handelsgeschäft ist. Sind beide Seiten Kaufleute, stellt der Abschluss des Begebungsvertrags über eine Namensschuldverschreibung ein solches Handelsgeschäft dar. Aus der Namensschuldverschreibung resultiert auch eine Geldforderung. Der Sinn des § 354a HGB, die Refinanzierung des Gläubigers durch die Abtretbarkeit der Forderung zu erleichtern75, passt auch auf die Namensschuldverschreibung, die in großem Umfang als Sicherheit zur Refinanzierung genutzt wird.76 Entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung77 greift auch jedenfalls nicht § 354a Abs. 2 HGB ein. Nach § 354a Abs. 2 HGB gilt § 354a Abs. 1 HGB nicht für eine Forderung aus einem Darlehensvertrag, deren Gläubiger ein Kredit institut im Sinne des KWG ist. Zwar ist bei den hier in Rede stehenden Namensschuldverschreibungen durch die Fremdplatzierung der erste Gläu biger in der Tat ein solches Kreditinstitut; allerdings ist die aus der Namensschuldverschreibung resultierende Forderung keine aus einem Darlehensvertrag.78 In der Konsequenz wären die aus Namensschuld verschreibungen resultierenden Geldforderungen trotz der regelmäßig vereinbarten Abtretungsverbote abtretbar. Dies beträfe freilich nicht aus der Namensschuldverschreibung resultierende Gestaltungsrechte, wie Kündigungsrechte. Soweit in den Bedingungen der Namensschuldverschreibung nichts anders geregelt ist und der Zedent auch diese Rechte (ggf. stillschweigend) übertragen hat, bleiben sie nach den allgemeinen Regeln79 beim Zedenten. Dies muss keinem Emittenten den Schlaf rauben. Denn nach § 354a Abs. 1 Satz 2 HGB kann der Schuldner gegenüber dem bisherigen Gläubiger leisten.80 Im Gegensatz zu §§ 406, 407 BGB setzt dieser Schutz keine Unkennt75 BT-Drucks. 12/7912, S. 24 f. 76 Häufig wird aus diesem Grund auch explizit eine Ausnahme von dem Abtretungsverbot in den Bedingungen der Namensschuldverschreibung zugelassen. 77 Dreher in Zerey, Finanzderivate, 4. Aufl. 2015, § 13 Rz. 32. 78 Siehe oben Abschnitt III.1. 79 Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 398 Rz. 20. 80 Der Emittent leistet seine Zahlungen in der Regel über die Zahlstelle, die häufig personenidentisch mit der Bank ist, die den Begebungsvertrag über die Namensschuldverschreibung mit dem Emittenten schließt und daher der erste Gläubiger ist. Die Zahl- und Registerstelle leitet die Zahlungen dann in der Regel an die jeweiligen Gläubiger weiter. Die Zahlung des Emittenten der auf die Namensschuldverschreibung zu leistenden Beträge an die Zahlstelle, die zugleich der erste Gläubiger gewesen ist, ist keine befreiende Leistung im Sinne des § 354a Abs. 1 Satz 2 HGB. In der Regel ist klarstellend in den Bedingungen der Namensschuldverschreibung bestimmt, dass erst mit Eingang des Geldes bei dem jeweiligen Gläubiger die Schuld des Emittenten erfüllt wird. Das ist zulässig, vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 362 Rz. 1. Wollte man
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nis von der Abtretung voraus81, der Schuldner ist also vor einer doppelten Zahlung geschützt. Mit Blick auf die teleologische Reduktion des § 407 BGB bei Rektapapieren muss aber die Frage gestattet sein, ob nicht auch § 354a Abs. 1 Satz 2 HGB teleologisch zu reduzieren ist und den Emittenten eine Leistung an den Zedenten nicht befreit, wenn dieser nicht zugleich die Namensschuldverschreibungsurkunde innehat. § 354a Abs. 1 Satz 2 HGB soll den Schuldner schützen, indem er die Empfangszuständigkeit des bisherigen Gläubigers fortbestehen lässt.82 Dieser Zweck erlaubt keine teleologische Reduktion beim Rektapapier. Ließe sich seine Anwendbarkeit über die (privatautonome) Regelung eines Vorlageerfordernisses aushebeln, widerspräche dies dem zwingenden Charakter83 des § 354a Abs. 1 Satz 2 HGB. Der Befund, dass der Emittent an den Zedenten unabhängig von der Vorlage der Namensschuldverschreibungsurkunde leisten kann, läuft freilich dem Zweck der Namensschuldverschreibung und des mit ihr verbundenen Vorlageerfordernis in einer Weise zuwider, die das althergebrachte Rechtsinstitut der Namensschuldverschreibung insgesamt in Frage zu stellen droht. Es kann bezweifelt werden, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 354a HGB tatsächlich die Namensschuldverschreibung quasi abschaffen wollte. Daher ist zweifelhaft, ob § 354a HGB tatsächlich auch auf die Namensschuldverschreibung als Wertpapier Anwendung findet. d) Einwendungen Dem Zessionar gegenüber können im Grundsatz sämtliche Einwendungen geltend gemacht werden, die auch gegenüber dem Zedenten bestanden (§ 404 BGB).84 Dies gilt nicht für das Scheingeschäft oder die Einwendung, dass die Abtretbarkeit ausgeschlossen ist, es sei denn, dass der Zessionar den entsprechenden Sachverhalt kannte (§ 405 BGB). Entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung85 ist § 405 BGB nicht analog auf den Erfüldies anders sehen, entstünde mit der befreienden Leistung des Emittenten an die Zahlstelle ein Bereicherungsanspruch des tatsächlichen Gläubigers gegen die Zahlstelle, § 816 Abs. 2 BGB. 81 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. 2016, § 354a Rz. 2; K. Schmidt in Münchener Kommentar zum HGB, 3. Aufl. 2013, § 354a Rz. 18. 82 Vgl. BT-Drucks. 12/7912, S. 25. 83 § 354a Abs. 1 Satz 3 HGB. 84 Artzinger-Bolten/Wöckener in Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, 2017, § 1 SchVG Rz. 30; Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz. Scheckgesetz. Recht der kartengestützten Zahlung, 23. Aufl. 2008, WPR Rz. 65; Dreher in Zerey, Finanzderivate, 4. Aufl. 2015, § 13 Rz. 25; Hartwig-Jacob in Friedl/Hartwig-Jacob, Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 2013, § 1 SchVG Rz. 56; a. A. nur Kümpel, WM 1981, Sonderbeilage Nr. 1, S. 1, 31. 85 Seitz, Namenssparbriefe des Kapitalmarkts im Wertpapierrecht, 1997, S. 210 f.; in der Sache auch Kümpel, WM 1981, Sonderbeilage Nr. 1, S. 1, 37.
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lungseinwand anzuwenden, wenn der Emittent nach Erfüllung die Namensschuldverschreibungsurkunde im Rechtsverkehr belässt. § 405 BGB ist als Ausnahmeregelung grundsätzlich nicht analogiefähig. Der Schutz, den die Namensschuldverschreibungsurkunde gewährt, erstreckt sich eben nicht zugleich auch auf den Bestand der verbrieften Forderung. Eine Analogie ist allerdings zu erwägen, soweit der Emittent und der Zedent vor Abtretung das Vorlageerfordernis, das dem Schutz des Zessionars dient, abbedingen und sich der Ausschluss des Vorlageerfordernisses nicht aus der Namensschuldverschreibungsurkunde ergibt.86 Bestünde die Möglichkeit eines solchen gutgläubigen Erwerbs nicht, könnte der durch das Vorlageerfordernis erzeugte Schutz durch den Ausschluss des Vorlageerfordernisses sinnentleert werden. Wer eine Namensschuldverschreibung begibt, kann sich später nicht darauf berufen, er habe doch nur eine Art Darlehen vereinbaren wollen (bei dem das Vorlageerfordernis gerade nicht besteht), wenn sich der Ausschluss nicht klar aus der Urkunde ergibt. Der Einwendungsausschluss gemäß § 364 Abs. 2 HGB gilt ebenfalls nicht.87 Nur in dem Sonderfall, dass Namensschuldverschreibungen auf den Namen einer Wertpapiersammelbank (z. B. Clearstream Banking AG) ausgestellt sind und sie daher auch Wertpapiere im Sinne des Depotgesetzes sind (§ 1 Abs. 1 Satz 2 DepotG), werden sie nach sachenrechtlichen Grundsätzen übertragen88, so dass auch ein gutgläubiger Erwerb und ein Einwendungsausschluss nach § 364 Abs. 2 HGB möglich sind.89
IV. Anwendung des SchVG In einer jüngeren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof in einem obiter dictum bemerkt, dass das SchVG zumindest auch auf bestimmte Namensschuldverschreibungen Anwendung findet.90 Soweit dies zutrifft, hat dies erhebliche Auswirkungen: Namensschuldverschreibungen, die dem SchVG unterfallen, unterliegen einem besonderen Transparenzgebot (§ 3 SchVG) und einer Kollektivbindung (§ 4 Satz 1 SchVG). Letzteres hat zur Folge, 86 Die Abbedingung des Vorlageerfordernisses ist im Grundsatz möglich, vgl. zur Inhaberschuldverschreibung RGZ 152, 166; Habersack in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 797 Rz. 2; Welter in Soergel, BGB, § 797 Rz. 2. 87 Artzinger-Bolten/Wöckener in Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, 2017, § 1 SchVG Rz. 30; a. A. Kümpel, WM 1981, Sonderbeilage Nr. 1, S. 1, 31. 88 BT-Drucks. 16/12814, S. 28; Artzinger-Bolten/Wöckener in Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, 2017, § 1 SchVG Rz. 30; Hartwig-Jacob in Friedl/Hartwig-Jacob, Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 2013, § 1 SchVG Rz. 57. 89 Artzinger-Bolten/Wöckener in Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, 2017, § 1 SchVG Rz. 31. 90 BGH v. 1.7.2014 – II ZR 381/13, AG 2014, 784, 786.
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dass Bestimmungen in Anleihebedingungen während der Laufzeit der Anleihe durch Rechtsgeschäft nur durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern oder nach den besonderen Vorschriften des SchVG geändert werden können. Der Schuldner muss zudem die Gläubiger insoweit gleich behandeln (§ 4 Satz 2 SchVG). Darüber hinaus gilt ein strenges Skripturerfordernis. Danach müssen die Bedingungen zur Beschreibung der Leistung sowie der Rechte und Pflichten des Schuldners und der Gläubiger (Anleihebedingungen) sich grundsätzlich aus der Urkunde ergeben (§ 2 Satz 1 SchVG). Zentral für die Anwendbarkeit des SchVG ist die Frage, ob die hier in Rede stehenden Namensschuldverschreibungen Teil einer Gesamtemission im Sinne des § 1 Abs. 1 SchVG sind. Dies ist nicht von vornherein allein deswegen ausgeschlossen, weil die hier in Rede stehenden Namensschuldverschreibungen im Wege der Fremdemission platziert werden und ein Begebungsvertrag nur über eine einzelne Namensschuldverschreibung geschlossen wird, wenn diese Namensschuldverschreibung dann – wie in der Praxis üblich – bestimmungsgemäß durch Teilabtretungen in mehrere Teile aufgespalten wird. Die einzelnen Tranchen unterscheiden sich nur durch ihren Nennbetrag, sind aber im Übrigen inhaltsgleich. Daher erscheint es gerechtfertigt, solche Namensschuldverschreibungen ebenso zu behandeln, als wenn sie direkt in mehreren Teilbeträgen emittiert worden wären.91 Damit ist aber noch nicht gesagt, ob die hier in Rede stehenden Namensschuldverschreibungen tatsächlich unter das SchVG fallen. Der Begriff der Gesamtemission ist nicht im SchVG definiert. Der Begriff der Gesamtemission wird in der überwiegenden Literatur in dem Sinne verstanden, dass die Schuldverschreibungen kapitalmarktfähig sein müssen bzw. eine Kapitalmarktfähigkeit nicht ausgeschlossen sein darf.92 Eine Platzierung an den Kapitalmärkten setze allerdings voraus, dass der Erwerber Verkehrsschutz genieße, insbesondere das Wertpapier gutgläubig erwerben könne.93 Nur bei Namensschuldverschreibungen, die gemäß § 1 Abs. 1 DepotG in den sachenrechtlichen Giroverkehr einbezogen seien, sei eine solche Kapitalmarktfähigkeit gegeben.94 Nach herrschender Lehre fallen Namensschuldverschreibungen daher nur dann unter das SchVG, wenn sie auf den Namen 91 Vgl. bereits Bliesener/Schneider in Langenbucher/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kapitel 17 § 1 Rz. 11; Hartwig-Jacob in Friedl/ Hartwig-Jacob, Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 2013, § 1 SchVG Rz. 43. 92 Artzinger-Bolten/Wöckener in Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, 2017, § 1 SchVG Rz. 24; Dreher in Zerey, Finanzderivate, 4. Aufl. 2015, § 13 Rz. 31; Kusserow, RdW 2012, 4, 7 f.; Oulds in Verannemann, SchVG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rz. 16. 93 Kusserow, RdW 2012, 4, 8. 94 Dreher in Zerey, Finanzderivate, 4. Aufl. 2015, § 13 Rz. 31; Kusserow, RdW 2012, 4, 8.
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einer Wertpapiersammelbank (z. B. Clearstream Banking AG) ausgestellt sind und damit unter § 1 Abs. 1 DepotG fallen.95 Nur dann besäßen sie die erforderliche Fungibilität. Bei hier in Rede stehenden Namensschuldverschreibungen fehlt es an einer solchen Kapitalmarktfähigkeit96, da sie nicht gutgläubig und einredefrei erworben werden können.97 Nach einer weitergehenden Auffassung98, der möglicherweise auch der Bundesgerichtshof zuneigt99, fallen Namensschuldverschreibungen unter das SchVG unabhängig davon, ob sie auf den Namen einer Wertpapiersammelbank ausgestellt sind bzw. ein gutgläubiger Erwerb möglich ist. Eine ausreichende Fungibilität sei gegeben, wenn die Namensschuldverschreibungen inhaltsgleich seien.100 Sieht man bei den hier in Rede stehenden Fällen die einzelnen Tranchen der Namensschuldverschreibung jeweils als einzelne Namensschuldverschreibung101 ist eine solche Inhaltsgleichheit gegeben. Nach der Gesetzesbegründung zu § 1 SchVG kommt es maßgeblich darauf an, dass die Namensschuldverschreibungen auf denselben Bedingungen beruhen, den Gläubigern gleiche Rechte gewähren und deshalb austauschbar sind.102 Nicht entscheidend soll sein, ob die Namensschuldverschreibungen in einer Sammelurkunde im Sinne des § 89a DepotG oder als Einzelurkunden verbrieft sind.103 Einzeln verbriefte Forderungen werden nach dem Leitbild von §§ 793 ff. BGB nicht erfasst.104 Der Gesetzgeber verweist
95 Artzinger-Bolten/Wöckener in Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, 2017, § 1 SchVG Rz. 31; Horn, BKR 2009, 446 Fn. 8; Preuße in Preuße, SchVG, 2011, § 1 Rz. 25; vgl. auch Kusserow, RdF 2012, 8; Oulds in Verannemann, SchVG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rz. 27; siehe auch Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 851, der für eine Klarstellung de lege ferenda eintritt. 96 Dreher in Zerey, Finanzderivate, 4. Aufl. 2015, § 13 Rz. 31; vgl. auch Kusserow, RdW 2012, 4, 8. 97 Siehe oben Abschnitt III.2.c). 98 Bliesener/Schneider in Langenbucher/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Kapitel 17 § 1 Rz. 17 ff.; Hartwig-Jacob in Friedl/Hartwig-Jacob, Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 2013, § 1 SchVG Rz. 60; vgl. auch Müller-Eising, EWiR 2014, 611. 99 BGH v. 1.7.2014 – II ZR 381/13, AG 2014, 784, 786: „Die von der Beklagten ausgegebenen Wandelgenussscheine fallen unter § 24 Abs. 2 SchVG, weil nach § 1 Abs. 1 SchVG das Gesetz auf Genussscheine anwendbar ist, die aus einer Gesamtemission stammen (Hartwig-Jacob in FrankfurtKomm/SchVG, § 1 SchVG Rz. 29 f.), und auch Namensschuldverschreibungen erfasst werden (Hartwig-Jacob in FrankfurtKomm/SchVG, § 1 SchVG Rz. 60).“ 100 Hartwig-Jacob in Friedl/Hartwig-Jacob, Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 2013, § 1 SchVG Rz. 60. 101 Siehe dazu bereits die Nachweise in Fn. 91. 102 BT-Drucks. 16/12814, S. 16. 103 BT-Drucks. 16/12814, S. 16. 104 BT-Drucks. 16/12814, S. 16.
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allerdings auch auf § 151 StGB.105 Danach können Inhaber- und solche Orderschuldverschreibungen, die Teile einer Gesamtemission sind, für die Zwecke der Wertzeichenfälschung unter bestimmten Voraussetzungen als geldgleich behandelt werden. § 151 StGB beruht auf der Überlegung, dass es gewisse Wertpapiere gibt, die im Geschäftsverkehr wegen ihres massenhaften Vorkommens und ihrer damit zusammenhängenden, dem Papiergeld ähnlichen tatsächlichen Ausstattung besonderes Vertrauen genießen und deshalb zu einer gewissen Oberflächlichkeit bei der Echtheitsprüfung verleiten.106 Der Verweis des Gesetzgebers auf § 151 StGB spricht für einen Gleichlauf mit § 1 SchVG.107 Daran könnte man zwar zweifeln, weil § 151 StGB im Zusammenhang mit der Wertzeichenfälschung ein anderes Ziel verfolgt als das SchVG. Allerdings gibt der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Kollektivbindung zu erkennen, dass es ihm um Schuldverschreibungen des Massengeschäfts geht.108 Dies spricht entscheidend dafür, dass die hier in Rede stehenden Namensschuldverschreibungen nicht unter das SchVG fallen, denn hier kann sicher nicht von einem massenhaften Vorkommen im Sinne des § 151 StGB gesprochen werden. Die hier in Rede stehenden Namensschuldverschreibungen werden typischerweise von Investoren über eine längere Zeit, meist sogar bis zum Ende der Laufzeit, gehalten. Diese Namensschuldverschreibungen werden zu selten gehandelt als dass sich ein eigener Markt bildet, der die Anwendung des SchVG erforderlich machte. Daher ist auch nicht ersichtlich, warum die strengen Rechtsfolgen des SchVG Anwendung finden sollten.
V. Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB Die Bedingungen von Inhaberschuldverschreibungen sind nach ganz herrschender Meinung allgemeine Geschäftsbedingungen.109 Dogmatische Einwände, wie etwa der, dass sich der Inhalt der Schuldverschreibung nach der Skriptur und nicht nach dem (abstrakten) Begebungsvertrag richtet 105 BT-Drucks. 16/12814, S. 16. 106 BT-Drucks. 7/550, S. 229; BGH v. 5.5.1987 – 1 StR 142/87, juris. 107 Oulds in Verannemann, SchVG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rz. 17. 108 BT-Drucks. 16/12814, S. 17: „Ohne Sicherheit über die inhaltliche Austauschbarkeit aller Wertpapiere derselben Emission wäre die Funktionsfähigkeit des auf schnelle und anonyme Abwicklung des Massengeschäfts ausgerichteten Kapitalmarkts gefährdet […] Zweck der kollektiven Bindung ist es, die rechtlich identische Ausgestaltung von Bestimmungen in Anleihebedingungen und damit die freie Handelbarkeit der Schuldverschreibungen zu einem einheitlichen Preis zu gewährleisten.“ 109 Vgl. BT-Drucks. 7/3919 S. 18; BGH v. 28.6.2005 – XI ZR 363/04, juris; BGH v. 30.6.2009 – XI ZR 364/08, juris; OLG Frankfurt v. 17.9.2014 – 4 U 97/14, AG 2015, 87.
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und es daher schon an dem Tatbestandsmerkmal des Vertrags im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB fehlt110, haben sich nicht durchgesetzt. Zwar hat der Bundesgerichtshof § 305 Abs. 2 BGB (bzw. die Vorgängernorm des § 2 AGBG) telelogisch reduziert mit der Folge, dass eine strenge Einbe ziehungskontrolle nicht stattfindet.111 Unabhängig davon ist aber eine Inhaltskontrolle möglich.112 Es ist allerdings Vorsicht geboten, die für die Inhaberschuldverschreibung geltenden Maßstäbe unreflektiert auf die Namensschuldverschreibung zu übertragen. Abgesehen von dem Umstand, dass sich die (auch vom Bundesgerichtshof zitierte113) Gesetzesbegründung nur auf Inhaberschuldverschreibungen bezog114, sind die hier in Rede stehenden Fälle anders gelagert als die zum massenhaften Verkehr gedachten Inhaberschuldverschreibungen. Bei den hier in Rede stehenden Namensschuldverschreibungen muss man sich zudem vergegenwärtigen, dass der Schutzzweck der §§ 305 ff. BGB – sieht man ihn richtigerweise in der situativen Unterlegenheit des Geschäftspartners, weil der Aufwand einer eingehenden Prüfung in einem unangemessenen Verhältnis zum Vertragsvolumen steht115 – selbst dann nicht eingreift, wenn man den Schutz der späteren Investoren (statt der platzierenden Bank) für maß geblich hält. Denn die Investoren, die die Namensschuldverschreibung in Teilbeträgen von mehreren Millionen Euro erwerben und meist bis zum Ende der Laufzeit halten, haben ein hohes Interesse daran, sich mit den Namensschuldverschreibungen vertieft auseinanderzusetzen. Der Aufwand einer vertieften Prüfung steht gewiss nicht außer Verhältnis zu diesem Interesse. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, zumindest auf einige Fragen116 im Zusammenhang mit einer etwaigen Anwendung der §§ 305 ff. BGB näher einzugehen.
110 Assmann, WM 2005, 1053, 1057 f. 111 BGH v. 28.6.2005 – XI ZR 363/04, juris, allerdings müssen die Bedingungen zumindest konkludent einbezogen worden sein. 112 BGH v. 30.6.2009 – XI ZR 364/08, juris; OLG Frankfurt v. 17.9.2014 – 4 U 97/14, AG 2015, 87. 113 BGH v. 28.6.2005 – XI ZR 363/04, juris. 114 BT-Drucks. 7/3919 S. 18. 115 Maier-Reimer/Niemeyer, NJW 2015, 1713, 1716 m. w. N.; anders die Rechtsprechung, nach der die §§ 305 ff. BGB vor der Inanspruchnahme einseitiger Gestaltungsmacht schützen sollen, BGH v. 19.11.2009 – III ZR 108/08, NJW 2010, 1277 f. 116 Weiterführend zur Inhaberschuldverschreibung Assmann, WM 2005, 1053 ff.; Ekkenga, ZHR 160 (1996), 59 ff.
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1. Formulierung für eine Vielzahl von Verträgen Fraglich ist zunächst, ob die hier in Rede stehenden Namensschuldverschreibungen für eine Vielzahl von Verträgen konzipiert sind, wenn der jeweilige Begebungsvertrag nur zwischen dem Emittent und der Bank geschlossen wird.117 Damit sind zwei Probleme angesprochen: Zum einen ließe sich argumentieren, dass die meisten Klauseln in Namensschuldverschreibungen in hohem Maße standardisiert sind und allein schon deswegen eine Vorformulierung gegeben ist.118 Richtigerweise ist jedoch – wie bereits an anderer Stelle dargelegt wurde119 – ein maßgeschneiderter Vertragsentwurf für einen Einzelfall als Individualvertrag zu qualifizieren, auch wenn er sich aus Regelungen zusammensetzt, die jeweils für sich für eine Vielzahl von Fällen formuliert sind. Zum anderen ließe sich argumentieren, dass auch ein Einzelvertrag vorformuliert ist, wenn er eine Vielzahl von Personen betrifft.120 Dieses Argument trägt von vornherein nicht, wenn die Namensschuldverschreibung einmalig von einem Emittent begeben und nur bei einem einzigen Investor platziert werden soll (was freilich der Ausnahmefall sein wird). Anders mag es in dem (häufigen) Fall sein, dass die Namensschuldverschreibung zur Platzierung bei einer Vielzahl von Investoren bestimmt ist. Es gibt zahlreiche Indizien, dass der Bundesgerichtshof in einem solchen Fall das Kriterium der Vorformulierung für eine Vielzahl von Verträgen jedenfalls nicht als Hindernis sieht: Der Bundesgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu der Anwendung des AGB-Rechts auf Inhaberschuldverschreibungen nicht nach Eigen- und Fremdemission differenziert.121 In einem Fall hat der Bundesgerichtshof zudem angenommen, dass ein einzelner Vertrag, der zwischen einer Fondsgesellschaft und einem Wirtschaftsprüfer abgeschlossen und im Einzelnen ausgehandelt worden war, für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Klauseln enthielt, weil die vorformulierte Vertragsbedingungen Schutzwirkung für eine unbestimmte Vielzahl von Anlegern hatten.122 Das OLG München hat für die Bedingungen von Genussscheinen, die über eine Fremdemission platziert wurden, angenommen, dass diese für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind.123 Dabei wird argumentiert, dass die 117 Assmann, WM 2005, 1053, 1063. 118 Vgl. etwa BGH v. 16.1.1985 – VIII ZR 153/83, NJW 1985, 853; BGH v. 6.3.1986 – III ZR 195/84, NJW 1986, 1803; BGH v. 3.11.1999 – III ZR 269/98, NJW 2000, 1110, 1111 f. 119 Vgl. Maier-Reimer/Niemeyer, NJW 2015, 1713, 1716. 120 Vgl. v. Randow, ZIP 1994, 28; siehe auch OLG Frankfurt v. 21.10.1993 – 16 U 198/92. 121 BGH v. 28.6.2005 – XI ZR 363/04, juris; vgl. auch für Genussscheine BGH v. 5.10.1992 – II ZR 172/91, AG 1993, 125. 122 BGH v. 19.11.2009 – III ZR 108/08, NJW 2010, 1277, 1278. 123 OLG München v. 21.11.2013 – 23 U 1864/13, juris; vgl. auch OLG Frankfurt v. 21.10.1993 – 16 U 198/92, juris.
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Bedingungen der Schuldverschreibung auf die Gestaltung der Rechtsverhältnisse zwischen dem Emittenten und den späteren Investoren abzielt und aus teleologischen Gesichtspunkten daher auf dieses Verhältnis abzustellen sei.124 Die Rechtsprechung ist zwar in der Sache gerade mit Blick auf den typischen Platzierungsvorgang nicht unplausibel, methodisch aber bedenklich.125 Da nur ein einzelner Begebungsvertrag abgeschlossen wird, lässt sich die Anwendung der §§ 305 ff. BGB konstruktiv nur über eine teleologische Reduktion des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB („Vielzahl von Verträgen“) oder über die Umgehungsvorschrift des § 306a BGB lösen.126 Von einer Umgehung kann schon allein deswegen nicht gesprochen werden, weil die Fremdemission als Platzierungsform lange vor Einführung des AGBRechts praktiziert wurde.127 Auch eine teleologische Reduktion des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB ist nicht unproblematisch. Der Sinn des Kriteriums „Vielzahl von Verträgen“ besteht darin den individuellen Vertragspartner zu schützen, während der Verwender von Bündelungseffekten profitiert. Bei der Fremdemission ist dieser Bündelungseffekt aber im Grundsatz auf beiden Seiten, dem Emittenten und der platzierenden Bank, vorhanden. Die spätere Übertragung der einzelnen Tranchen einer Schuldverschreibung darf eigentlich keinen Unterschied machen. Denn letztlich lässt sich das rechtliche und wirtschaftliche Risiko aus jedem Vertrag auf Dritte übertragen (z. B. durch Factoring, Syndizierung oder Versicherung). Konsequent zu Ende gedacht, müsste die Rechtsprechung dann jeden Individualvertrag der AGB-Kontrolle unterwerfen, bei dem das rechtliche Risiko aus den Vertragsklauseln auf eine Mehrzahl von Dritten übertragen wird. 2. Aushandeln im Einzelnen Der Investor, der von der platzierenden Bank die Tranche einer Namensschuldverschreibung erwirbt, hat typischerweise in nur geringem Maß Einblicke in die Genese der Namensschuldverschreibung. Beruft er sich auf die Unwirksamkeit einer bestimmten Klausel, mag ihm der Emittent entgegen124 Vgl. OLG München v. 21.11.2013 – 23 U 1864/13, juris; Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 2017, § 37 Rz. 30; Habersack in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 793 Rz. 44; Ulmer/Habersack in Ulmer/ Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 72. 125 Siehe auch Assmann, WM 2005, 1053, 1063 f.; Ekkenga, ZHR 160 (1996), 59, 69 ff. 126 Assmann, WM 2005, 1053, 1063 f.; a. A. etwa OLG München v. 21.11.2013 – 23 U 1864/13, juris, das offenbar auch eine Analogie für möglich hält; siehe auch Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 2017, § 37 Rz. 30; Ekkenga, ZHR 160 (1996), 59, 70. 127 Assmann, WM 2005, 1053, 1064; vgl. auch OLG Frankfurt v. 21.10.1993 – 16 U 198/92, juris.
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halten, dass die Bedingungen mit der platzierenden Bank im Einzelnen ausgehandelt wurden (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB).128 Dem Investor wird es im Streitfall schwer fallen, einen solchen Vortrag zu widerlegen.129 Auch hier deutet sich allerdings in der Rechtsprechung an, dass es für ein „Aushandeln“ nicht auf ein etwaiges Aushandeln zwischen dem Emittenten und der platzierenden Bank ankommt.130 Anders als bei massenhaft gehandelten Inhaberschuldverschreibungen131 findet im Fall der hier in Rede stehenden Namensschuldverschreibungen jedoch eine Verhandlung zwischen dem Emittenten und dem Investor als erstem Zessionar statt. Zwar ist eine solche Verhandlung – anders als etwa im Fall eines Auktionsverfahrens bei einem Unternehmenskaufvertrag, wo in der Regel überarbeitete Entwürfe ausgetauscht werden132 – meist rudimentär und beschränkt sich auf wenige Punkte, da die Emittenten erfahrungsgemäß auch mit Blick auf ihre übrigen Gläubiger die meisten Bedingungen der Namensschuldverschreibung nicht verändern wollen. Allerdings sind im unternehmerischen Verkehr bei dem Kriterium des Aushandelns auch die intellektuellen Fähigkeiten und die Geschäfts- und Branchenkenntnisse des Verhandlungspartners sowie das Fehlen eines wirtschaftlichen Machtgefälles zu berücksichtigen.133 Angesichts des Umstands, dass Versicherungsunternehmen eine hohe Erfahrung mit Namensschuldverschreibungen haben und im Grundsatz auch kein wirtschaftliches Machtgefälle besteht, mag es im Einzelfall durchaus zu einem Aushandeln im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB kommen.
128 Das ist nach Siebel, WM 1994, 1781, 1782 und Assmann, WM 2005, 1053, 1057 und 1063 der Regelfall; dagegen Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 2017, § 37 Rz. 30; Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBRecht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 71. 129 Dieser Aspekt wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung kaum diskutiert, vgl. BGH v. 28.6.2005 – XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311; BGH v. 30.6.2009 – XI ZR 364/08, WM 2009, 1500. 130 Vgl. für Genussscheinbedingungen OLG München v. 21.11.2013 – 23 U 1864/13, juris; Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 72; siehe auch BGH v. 19.11.2009 – III ZR 108/08, NJW 2010, 1277, 1278; Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBRecht, 12. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 72. 131 Vgl. für Genussscheinbedingungen OLG München v. 21.11.2013 – 23 U 1864/13. 132 Vgl. Habersack/Schürnbrand in FS Canaris, 2007, S. 359; Maier-Reimer/Niemeyer, NJW 2015, 1713, 1714. 133 OLG Frankfurt a. M. v. 27.8.2013 – 11 U 55/12, BeckRS 2013, 17775; Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 305 Rz. 22.
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3. Leistungsbeschreibung Selbst wenn eine Inhaltskontrolle im Grundsatz möglich sein sollte, sagt dies nichts darüber aus, welche Regelungen Gegenstand einer solchen Inhaltskontrolle sind. Eine Inhaltskontrolle findet nicht statt, soweit die Bedingungen der Namensschuldverschreibung nur den eigentlichen Gegenstand der Leistung beschreiben.134 Im Fall von Schuldverschreibungen sind dies grundsätzlich alle Bedingungen, die das Chance/Risiko-Profil der Anleihe prägen, insbesondere Nennbetrag, Währung, Laufzeit, Höhe und Ausgestaltung der Verzinsung, Sicherheiten sowie Nachrangklauseln.135 Ob auch die Ausgestaltung der außerordentlichen Kündigungsrechte in diesem Sinne reine Leistungsbeschreibung ist136, ist zweifelhaft. Richtig ist, dass zumindest ein Teil der außerordentlichen Kündigungsrechte das Chance/Risiko-Profil und damit auch den Preis bestimmen. So werden bei den hier in Rede stehenden Fällen bereits häufig in dem Term Sheet, das den Inves toren vorgelegt wird, bestimmte außerordentliche Kündigungsrechte aufgeführt, etwa im Fall eines Kontrollwechsels, eines Drittverzugs (cross- default) oder einer Rating-Verschlechterung. Solche Regelungen haben gewiss Einfluss auf das Chance/Risiko-Profil und auf das jeweilige Gebot des Investors. Es ginge aber zu weit, sämtliche Kündigungsrechte als Teil der Leistungsbeschreibung im Sinne der §§ 305 ff. BGB anzusehen.137 Letztlich bestimmen nahezu alle Bedingungen eines Vertrags das Chance/Risiko-Profil. Triebe man dies auf die Spitze ließe sich argumentieren, dass der Gewährleistungsausschluss bei einem Gebrauchtwagenkauf das Chance/ Risiko-Profil dieses Vertrags bestimmt und damit Teil der Leistungsbeschreibung ist. Jedenfalls ist die Veränderung im Kern unabdingbarer gesetzlicher Rechte, insbesondere eines außerordentlichen Kündigungsrechts, kein Teil der Leistungsbeschreibung. Aus diesem Grund hat auch das OLG Frankfurt138 die Kündigungsregelung in einer Anleihe einer Inhaltskontrolle unterworfen (auch wenn es die Unangemessenheit im Ergebnis verneinte). 134 Vgl. Artzinger-Bolten/Wöckener in Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, 2017, § 2 SchVG Rz. 11; Assmann, WM 2005, 1053, 1058 f.; Hartwig-Jakob in Friedl/Hartwig-Jacob, Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 2013, § 2 SchVG Rz. 12; zu vergleichbaren Überlegungen zum Unternehmenskauf siehe bereits Maier-Reimer/Niemeyer, NJW 2015, 1713, 1714 f. 135 Artzinger-Bolten/Wöckener in Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, 2017, § 2 SchVG Rz. 12; Assmann, WM 2005, 1053, 1058 f.; Hartwig-Jakob in Friedl/ Hartwig-Jacob, Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 2013, § 2 SchVG Rz. 12; vgl. auch Habersack in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 793 Rz. 48. 136 Dafür aber Artzinger-Bolten/Wöckener in Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, 2017, § 2 SchVG Rz. 12. 137 Ebenso Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 2017, § 37 Rz. 36. 138 OLG Frankfurt v. 17.9.2014 – 4 U 97/14, AG 2015, 87.
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4. Unangemessenheit Selbst wenn im Einzelfall Bedingungen der Namensschuldverschreibung einer Inhaltskontrolle unterliegen, dürften diese nur im Ausnahmefall139 unangemessen sein, weil sie von dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweichen (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Denn wie bereits gezeigt, enthält das Gesetz für die Namensschuldverschreibung wenige anwendbare Regelungen. Die Zweifelsregelung in § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dürfte in vielen Fällen zu widerlegen sein, weil sich zwar nicht alle, aber doch ein erheblicher Teil von Regelungen unmittelbar auf die Zinshöhe und den späteren Preis auswirken und daher nicht unangemessen sind.140 Hinzu kommt, dass viele Regeln in den Bedingungen von Namensschuldverschreibungen, die bei Versicherungen platziert werden, mehr oder weniger einem Standard entsprechen, der seit vielen Jahrzehnten von den beteiligten Verkehrskreisen akzeptiert wird. Auch daher wird man in den seltensten Fällen von einer unangemessenen Regelung sprechen können. 5. Zwischenergebnis Angesichts dieses Befundes wird sich ein Investor kaum darauf verlassen können, dass die Bedingungen einer Namensschuldverschreibung aufgrund der §§ 305 ff. BGB unwirksam sind. Umgekehrt wären die Emittenten bzw. die platzierenden Banken, die ein Unwirksamkeitsrisiko einzelner Klauseln verringern wollen, gut beraten, eine Verhandlung mit Investoren in größerem Umfang zuzulassen, als dies bisher der Fall ist.
VI. Kündigung Namensschuldverschreibungen sehen häufig umfangreiche Kündigungsrechte vor. Sind die Kündigungsrechte aber eng formuliert, stellt sich die Frage, ob daneben auch gesetzliche Kündigungsrechte bestehen. 1. Kündigungsrecht des Emittenten nach § 489 BGB? Hat sich das Zinsumfeld geändert, kann es für den Schuldner einer langlaufenden Namensschuldverschreibung mit einem fest vereinbarten Zinssatz interessant sein, die Namensschuldverschreibung zu kündigen und vorzeitig zurückzuzahlen. Dem Darlehensnehmer gestattet § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB dies bei gebundenem Sollzinssatz nach Ablauf von zehn Jahren. § 489 BGB findet allerdings auf die Namensschuldverschreibung unmittelbar 139 Zu einem solchen vgl. BGH v. 30.6.2009 – XI ZR 364/08, WM 2009, 1500, 1502, Rz. 23 ff. 140 Vgl. OLG Frankfurt v. 17.9.2014 – 4 U 97/14, AG 2015, 87.
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keine Anwendung, weil das aus dem Begebungsvertrag resultierende Schuldverhältnis – ebenso wie bei Inhaberschuldverschreibungen141 – abstrakt und eben kein Darlehen ist.142 Gleichwohl mag man wegen der wirtschaftlichen Nähe zum Darlehen die Frage stellen, ob nicht zumindest eine analoge Anwendung des § 489 BGB möglich ist. Nach Auffassung des OLG München findet auf das einer Namensschuldverschreibung zugrundeliegende Rechtsverhältnis § 489 BGB keine Anwendung; der Schuldner kann also nicht kündigen.143 Dem ist zuzustimmen. Tatsächlich hatte bereits der Gesetzgeber zur Vorgängernorm des § 609a BGB zum Ausdruck gebracht, dass das im Darlehensrecht vorgesehene Kündigungsrecht des Schuldners auf die Namensschuldverschreibung keine Anwendung findet.144 Dies basiert auf der Überlegung, dass auch zuvor schon – obwohl bis zum Jahr 1986 ein Kündigungsrecht mit § 247 BGB a. F. bestand – Namensschuldverschreibungen „faktisch kündigungsfest“ waren; sie waren nur so lange marktfähig, wie der Erwerber darauf vertrauen konnte, die erwartete Rendite für die gesamte vereinbarte Laufzeit zu erzielen.145 Dies ist auch heute noch richtig: Es gibt zwar durchaus Fälle, in denen sich ein Emittent das Recht ausbedingt, die Namensschuldverschreibung vorzeitig zurückzuzahlen. Allerdings hat der Emittent entweder bei vorzeitiger Rückzahlung eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen oder es wird von vornherein ein höherer Marktzins vereinbart. 2. Kündigungsrecht des Gläubigers nach § 490 BGB? Umgekehrt kann auch der Gläubiger nicht nach § 490 BGB kündigen, wenn sich die Vermögensverhältnisse des Schuldners verschlechtern.146 Da die Namensschuldverschreibung wie dargelegt kein Darlehen ist, ist § 490 BGB nicht unmittelbar anzuwenden. Da die Namensschuldverschreibung gemäß § 314 BGB außerordentlich gekündigt werden kann, ist auch für eine analoge Anwendung des § 490 BGB kein Raum.147 141 Vgl. BGH v. 15.7.2014 – XI ZR 100/13, AG 2014, 701; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 407. 142 Siehe bereits oben Abschnitt III.1. 143 OLG München v. 21.11.2011 – 19 U 3638/11, BeckRS 2011, 28765; zustimmend Berger in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 489 Rz. 4; vgl. auch Schultheiß, WuB 2012, 1535. 144 Referenten-Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 247, 609 BGB), WM 1985, 1488, 1490; dazu auch Hammen, NJW 1987, 2856. 145 BGH v. 23.10.1986 – III ZR 144/85, MDR 1987, 386. 146 Vgl. Maier-Reimer in Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 129, 137. 147 Vgl. BGH v. 31.5.2016 – XI ZR 370/15, Rz. 30, juris; OLG München v. 22.6.2015 – 21 U 4719/14, Rz. 26; vgl. auch OLG Frankfurt v. 17.9.2014 – 4 U
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3. Außerordentliches Kündigungsrecht gemäß § 314 BGB Bei der Namensschuldverschreibung haben beide Seiten ein außerordentliches Kündigungsrecht gemäß § 314 BGB.148 Dies ist bei der Innerhaberschuldverschreibung der Fall149 und es gibt keinen Grund die Namensschuldverschreibung anders zu behandeln. Die Argumente, dass § 314 BGB in einem Abschnitt stehe, der von Schuldverhältnissen aus Verträgen handele und ein solcher nicht bei einer Schuldverschreibung gegeben sei150 und dass das aus der Schuldverschreibung resultierende Schuldverhältnis keine gegenseitigen Pflichten begründe und daher kein Dauerschuldverhältnis sei151, rechtfertigen keinen Ausschluss des § 314 BGB, wenn man sich vor Augen hält, dass § 314 BGB Ausdruck eines allgemeinen Billigkeitsgedankens ist.152 a) Kündigungsgründe Die Frage ist freilich, in welchen Fällen eine Kündigung möglich ist. Die Formulierung des § 314 BGB zeigt, dass dies stark vom Einzelfall abhängt. Insbesondere in den folgenden Fällen wird eine Kündigung aus wichtigem Grund in Betracht kommen: ȤȤ Andauernder Verzug mit der Leistung, ȤȤ schwerwiegender Verstoß gegen die Bedingungen der Namensschuldverschreibung, ȤȤ erhebliche Compliance-Verstöße etwa in Form von Jahresabschlussmanipulationen, ȤȤ Maßnahmen, die wider Treu und Glauben die Veräußerung oder Abtretung erschweren oder behindern, etwa die bewusste Verzögerung der Eintragung des Zessionars in das Register, wenn die Registereintragung Voraussetzung für die Abtretung ist, 97/14, AG 2015, 87; a. A. Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 2017, § 37 Rz. 98. 148 Vgl. OLG Düsseldorf v. 16.7.1992 – 6 U 140/91, BeckRS 1992, 04230, Rz. 36; Dreher in Zerey, Finanzderivate, 4. Aufl. 2015, § 13 Rz. 29. 149 BGH v. 31.5.2016 – XI ZR 370/15, Rz. 30, juris. 150 Maier-Reimer in Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 129, 135. 151 Vgl. Maier-Reimer in Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 129, 135; a. A. (Schuldverschreibung als Dauerschuldverhältnis bejahend) etwa Buchmann, AG 2012, R 341, R 342; Müller-Eising/Bode, BKR 2006, 480, 482; Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 2017, § 37 Rz. 99 und Rz. 102. 152 OLG Köln v. 9.7.2015 – I-3 U 58/12, juris, Rz. 87; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 408; vgl. auch BGH v. 31.5.2016 – XI ZR 370/15, Rz. 30, juris.
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ȤȤ Umstrukturierung des Emittenten153, wenn durch die Umstrukturierung eine konkrete Gefährdung154 im Sinne des § 22 UmwG des Gläubigers eintritt und die von dem Gläubiger daraufhin verlangte Sicherheit nicht gewährt wird155, ȤȤ die Beendigung eines Unternehmensvertrags, wenn der nach der Rechtsprechung beschränkte Anspruch auf Sicherheitsleistung analog § 303 AktG156 nicht ausreicht, um die Rückzahlung des Kapitals auf die Namensschuldverschreibung zu sichern, sowie ȤȤ generell Maßnahmen des Emittenten oder sonstige Entwicklungen, die die Zahlung von Zinsen und die Rückzahlung von Kapital gefährden und nicht durch die Bedingungen der Namensschuldverschreibung oder das Gesetz in adäquater Weise kompensiert werden.157 Nicht zwingend ein Kündigungsgrund nach § 314 BGB – aber in der Praxis regelmäßig als Kündigungsgrund vorgesehen – ist die Liquidation des Emittenten, weil für die aus der Namensschuldverschreibung resultierende Forderung Sicherheit zu leisten ist.158 Eine Kündigung aus wichtigem Grund kommt auch dann in Betracht, wenn sich die Vermögensverhältnisse des Schuldners wesentlich verschlechtern oder eine solche Verschlechterung droht.159 Dabei wird man – 153 Oder des Garantiegebers, vgl. Maier-Reimer in Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 129, 139 f. 154 Eine konkrete Gefährdung liegt vor, wenn nach den neuen Verhältnissen ein Kredit mit entsprechend langen Laufzeiten nicht mehr zu den gleichen Be dingungen gewährt würde, Maier-Reimer in Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 129, 137; Seulen in Semler/Stengel, UmwG, 4. Aufl. 2017, § 22 Rz. 32. 155 Maier-Reimer in Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 129, 137 ff. dort auch mit dem zutreffenden Hinweis, dass die sechsmonatige Frist des § 22 UmwG entsprechend auf die Kündigung aus wichtigem Grund anzuwenden ist. 156 Nach BGH v. 7.10.2014 – II ZR 361/13, MDR 2015, 43 ist der Anspruch der Gläubiger einer abhängigen Gesellschaft auf eine Sicherheitsleistung für Verbindlichkeiten, die bis zur Bekanntmachung der Eintragung der Beendigung des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags begründet, aber erst danach fällig werden, entsprechend den Nachhaftungsregeln in §§ 26, 160 HGB und § 327 Abs. 4 AktG auf Ansprüche, die vor Ablauf von fünf Jahren nach der Bekanntmachung der Beendigung fällig werden, begrenzt. 157 Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 2017, § 37 Rz. 103. 158 Vgl. Niemeyer/König, MDR 2014, 749, 753. Ein Kündigungsrecht nach § 314 BGB besteht allerdings, wenn trotz Liquidation die Sicherheit nicht geleistet wird und das Vermögen trotzdem an die Gesellschafter verteilt wird. 159 Buchmann, AG 2012, R 341, R 342; zurückhaltend für die Inhaberschuldverschreibung BGH v. 31.5.2016 – XI ZR 370/15, juris (im Ergebnis abgelehnt).
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entgegen kritischer Stimmen160 – auf die Grundsätze des § 490 BGB zurückgreifen können.161 Das wiederholt geäußerte Argument, die Übernahme des Bonitätsrisikos bei ungesicherten Anleihen stelle ein Wesensmerkmal des Schuldverhältnisses dar und bestimme maßgeblich Zins und Marktpreis162, ist zu kurz gegriffen. Denn auch beim Darlehen bestimmt die anfängliche Bonität des Darlehensnehmers den Zins und damit den Preis des Darlehens. Es ist aber gerade die Frage, inwieweit auch bei einer Veränderung der Vermögensverhältnisse ein Kündigungsrecht besteht. Auch der Verweis auf die Veräußerungsmöglichkeit des Gläubigers163 ist unergiebig.164 Denn jede Forderung (bzw. das aus ihr resultierende Einbringungsrisiko) aus einem Schuldverhältnis, das nach § 314 BGB gekündigt werden kann, ist unter normalen Bedingungen veräußerbar. Zu Recht wird darüber hinaus darauf hingewiesen, dass allein die Veräußerungsmöglichkeit auch nicht gegen das Risiko eines Vermögensverfalls kompensiert, da ein informierter Erwerber stets das gestiegene Risiko mit einem (erheblichen) Preis abschlag berücksichtigen wird.165 Bei der Interessenabwägung, die im Rahmen des § 314 BGB vorzunehmen ist, kann es im Übrigen keine Rolle spielen, dass der Inhaber der Schuldverschreibung diese von einem Dritten zu einem geringen Preis erworben hat.166 Umgekehrt würden sich die Anforderungen an eine außerordentliche Kündigung ja auch nicht verringern, wenn der Inhaber die hochver 160 BGH v. 31.5.2016 – XI ZR 370/15, juris, Rz. 37; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 409; vgl. auch Maier-Reimer in Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 129, 137. 161 Siehe auch Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 2017, § 37 Rz. 98, der allerdings § 490 BGB analog anwenden will. 162 BGH v. 31.5.2016 – XI ZR 370/15, juris, Rz. 37; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 409. 163 BGH v. 31.5.2016 – XI ZR 370/15, juris, Rz. 37; OLG München v. 22.6.2015 – 21 U 4719/14, AG 2016, 94, 95; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 409. 164 So auch Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 2017, § 37 Rz. 100; Hartwig-Jacob in Friedl/Hartwig-Jacob, Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 2013, § 3 SchVG Rz. 120. 165 Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 2017, § 37 Rz. 100 f.; Hartwig-Jacob in Friedl/Hartwig-Jacob, Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 2013, § 1 SchVG Rz. 120 166 OLG München v. 22.6.2015 – 21 U 4719/14, AG 2016, 94, 95; ähnlich (für § 490 BGB) Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 2017, § 37 Rz. 98. In dem von dem OLG München zu entscheidenden Fall ging es ohnehin um Inhaberschuldverschreibungen, bei denen für die Auslegung der Bedingungen außerhalb der Urkunde liegende Umstände zwar berücksichtigt werden können, allerdings die Auslegung von Schuldverschreibungen für alle Stücke einheitlich und ohne Rücksicht auf Besonderheiten in der Person des einzelnen Inhabers erfolgen muss (RGZ 117, 379, 382; BGH v. 28.6.2005 – XI ZR 363/04, juris; Artzinger-Bolten/Wöckener in Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht,
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zinste Namensschuldverschreibung in einer allgemeinen Niedrigzinsphase zu einem sehr hohen Preis gekauft hätte. b) Ausschluss § 314 BGB ist in seinem Kern zwingend.167 In aller Regel sehen Namensschuldverschreibungen einen Katalog von Kündigungsrechten vor. Entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung168 ist ein solcher Katalog angesichts von § 314 BGB selbst dann nicht notwendigerweise abschließend, wenn dies ausdrücklich in der Namensschuldverschreibung geregelt ist.169 Der Katalog kann allerdings jedenfalls durch Individualvereinbarung170 das Kündigungsrecht nach § 314 BGB konkretisieren, etwa bestimmte Schwellen für eine außerordentliche Kündigung festsetzen.171 So kann etwa wirksam vereinbart werden, dass ȤȤ ein Verzug oder ein schwerwiegender Verstoß gegen die Bedingungen der Namensschuldverschreibung erst zu einem Kündigungsgrund führt, wenn der Verzug bzw. der Verstoß über einen bestimmten Zeitraum nach Verzugseintritt oder Abmahnung andauert, ȤȤ die Verschlechterung der Vermögenslage erst dann zu einem Kündigungsgrund führen soll, wenn sich das Rating des Emittenten in einem bestimmten Maße verschlechtert oder der Emittent zahlungsunfähig ist172, oder
2017, § 2 SchVG Rz. 17). Daher kann der konkret vereinbarte Marktpreis insoweit keine Rolle spielen. 167 BGH v. 8.2.2012 – XII ZR 42/10, NJW 2012, 1431, 1433; Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 2017, § 37 Rz. 99; Habersack in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 793 Rz. 53; Müller-Eising/Bode, BKR 2006, 480, 482; Ostermann, DZWIR 2015, 313; Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 314 Rz. 3; vgl. auch BGH v. 31.5.2016 – XI ZR 370/15, juris. 168 OLG Frankfurt v. 17.9.2014 – 4 U 97/14, AG 2015, 87; zustimmend Seibt/ Schwarz, ZIP 2015, 401, 410. 169 Vgl. auch Hartwig-Jacob in Friedl/Hartwig-Jacob, Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 2013, § 3 SchVG Rz. 121 und Rz. 130; Maier-Reimer in Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 129, 143; Müller-Eising/Bode, BKR 2006, 480, 482. 170 Dreher in Zerey, Finanzderivate, 4. Aufl. 2015, § 13 Rz. 29; Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 314 Rz. 3; weitergehend OLG Frankfurt v. 17.9.2014 – 4 U 97/14, AG 2015, 87. 171 Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 2017, § 37 Rz. 105. 172 Da bei einer unmittelbaren Anwendung § 490 BGB abbedungen werden kann, wird man im Rahmen der Konkretisierung des § 314 BGB großzügig zu verfahren haben.
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ȤȤ eine Umstrukturierung erst dann zu einem Kündigungsrecht führt, wenn sich das Rating in einem bestimmten Maße verschlechtert.173 Darüber hinaus kann der Katalog einzelne konkret beschriebene Situationen vom Kündigungsrecht ausnehmen.174 Stets Voraussetzung ist, dass die Situation ausreichend konkret beschrieben ist. Allerdings sind auch Fälle denkbar, die derart schwerwiegend sind, dass § 314 BGB weder im Wege der Konkretisierung noch durch eine konkrete Einzelausnahme einzuschränken ist. Denn Fälle, in denen durch Gestaltungsmissbrauch der Vertragszweck gefährdet wird, sind der Parteidisposition entzogen.175 Hierher gehört der Fall, dass ein fremdfinanziertes Akquisitionsvehikel die Aktien des Emittenten in bar kauft, mit dem Schuldner verschmolzen wird und dadurch die Rangfolge zwischen Gesellschaftern und Gläubigern im Ergebnis umgekehrt wird.176 Und hierher gehört auch der aus der Praxis stammende Fall, dass die zehn Jahre laufende, von einer oHG begebene und nicht besicherte Namensschuldverschreibung mit einem Nennbetrag von mehreren Millionen Euro kein Kündigungsrecht vorsieht, wenn sämtliche Gesellschafter der oHG bis auf eine mit dem Mindeststammkapital ausgestattete GmbH austreten. Weder das Mindeststammkapital der GmbH noch die fünfjährige Nachhaftung des § 160 BGB stellen einen ausreichenden Schutz für den Gläubiger dar.
VII. Schluss Der vorstehende Beitrag hat gezeigt, dass viele Aspekte der Namensschuldverschreibung nicht zuletzt angesichts einer Reihe von neueren Entscheidungen zur Inhaberschuldverschreibung gut fassbar sind. Freilich bleiben einige Fragen offen und werden dies auch noch einige Zeit bleiben. Denn die geringe Zahl von Urteilen zur Namensschuldverschreibung belegt, dass es selten zu Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten kommt. Dies liegt gewiss auch daran, dass den beteiligten Investoren an einer langfristigen Anlage und weniger an einer konfrontativen Gewinnmaximierung innerhalb kurzer Zeit gelegen ist.
173 Vgl. Maier-Reimer in Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 129, 143. 174 OLG Frankfurt v. 17.9.2014 – 4 U 97/14, AG 2015, 87; Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 2017, § 37 Rz. 105; Maier-Reimer in Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 129, 140. 175 Vgl. auch Florstedt, ZIP 2016, 645, 652. 176 Vgl. Maier-Reimer in Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 129, 142.
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Alliance Inhaltsübersicht
I. 1985–1990 1. The legal landscape between 1960 and 1980 2. The negotiations leading to the Alliance 3. The name issue
II. 1990–1995 Building the joint practice 1. The BCO 2. The existing joint offices 3. The Eastern European market
4. The tax practice as an integrated part of the firm
III. A time of further reflection 1. The next debate on the name 2. The strategy revisited: deepening and strengthening 3. The 14 statements 4. Further steps towards an Alliance Tax Network IV. The UK Link
I. 1985–1990 1. The legal landscape between 1960 and 1980 Law firms are progressing. And the Alliance contributed to this progression. It was one of the Moving Minds. Some perspective can be gained from a short glance back, however. An overview of the separate national markets within Europe is not within the objective or capability of the present contribution. Some general trends were, albeit in various different forms, common to Continental European law firms. They were all impressed by the approach and methods of the US law firms. This was caused or strengthened by the fact that students from European universities, having obtained their degrees, had started spending one or more years at US universities. US law firms were ahead in adopting changes to modernize their practices. Europe followed suit. You could accuse them of copying, but they were, in fact – as the Japanese would more delicately phrase it – learning from them. And, step by step, the trends and methods of the US firms strongly influenced what was happening in Europe. In the words of a typical Belgian saying: when it rains in Paris (for this purpose the US) it drizzles in Brussels (for this purpose Europe). I am excluding the UK here, since it has the benefit of generally having more rain coming over from the ocean than Europe in any event. 161
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In the US in the period 1950–1970, law firms were eager to adapt to meet the needs of the growing large business community. We do not always realize that, prior to the 1950s, also in the US it was exceptional to have firms of more than 20–25 lawyers (read the ‘Industrialization of the Law Firm’, Harrison Barnes). With the growing numbers of lawyers – but also in order to accommodate the need to increase the income of the ‘heads’ of the firm – the concept of the automatic progression of all lawyers in the law firm from associate to partner was changed, in that the automatic character of such progression for everyone was discontinued. Cravath Swaine Moore were the first to make this quite clear in their recruitment process at the law schools. As compensation, they paid salaries which were quite a bit above the average paid to associates at that time. It was only in the 80s that the step was then taken to also make a further distinction within the group of partners. This is a practice which was taken over from consulting firms, which had developed this practice for their own firms. With the trend in law firms to have business consultants advise them on the structuring of the partnership, they simply introduced their own concepts into the law firm structure. The concept of ‘equality amongst partners’ was thus put under pressure through a distinction between equity and non-equity partners, and this pressure subsequently increased further when distinctions were then even introduced within the group of equity partners, mainly with respect to the profit-distribution system. There is also a simple business aspect to these reflections. The majority of the growing business was related to a wave of investments, initially predominantly from US companies and later on from other European countries as well, which was adopted by the Anglo-Saxon firms. To begin with it was predominantly US firms which followed their clients and started setting up branches in Europe, and later on UK firms benefitting from the London financial markets. All these firms concentrated on advisory work. Litigation was left – for the most part – to the domestic firms or individuals. With the European market growing and gaining in credibility, Brussels became an important centre for those needing to closely monitor what was happening within the institutions of the European Community. I am making these remarks because all of the newcomers that drifted over the ocean or sea at a later stage came with their own domestic understanding and belief as to how the profession could be carried out. Important from a historical perspective is that, for the majority of European lawyers and law firms, these ‘modernizing’ trends within law firms, operations and management were quite confrontational. The Alliance’s formation period is strongly characterized by the traditional principles of the legal profession: the equality of partners and thus giving particular attention to involving all partners in the decision-making process for the Alliance concept both from the perspective of the internal culture of the European law firm and from 162
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the perspective of the strict traditional approach and controls by the local bar organizations. For the structured law firm to work, however, it was necessary that all partners felt involved, were behind the concept and would actively support it. There is nothing wrong with this principle, but one must remember that the whole internationalization trend and need to adjust to it came on top of all of the internal growth changes that were already confronting the domestic law firms. The first question was whether to go international or not. But ‘international’ can have many meanings. Is it merely going abroad on one’s own, opening a branch office in New York, London or Brussels? Is it developing closer relationships with existing ‘friends’ or good contacts without any formal or restrictive commitments? Is it joining one of the networks which had been created and principally focused, at least in the start-up period, on providing the potential for a referral network? Is it developing an exclusive relationship with firms in other countries? Is it a merger, takeover or absorption - all of which are ‘laden’ qualifications in marketing and psychological terms? Each of these options offered a number of variations on the same theme. But all entailed the difficulty of having to make a choice. And such choice had to be made by the firm as a whole and not just by its management. The Continental European environment presented a number of specific aspects which complicated the choice even further. The regulatory requirements for the profession of ‘avocats’, notwithstanding the common concern for independence, loyalty to the clients’ interests and the dignity of the profession, had to be taken into account. The regimes were even more different in the individual countries, as this concerned the rules applicable to exercising the profession in the form of grouping or partnership. Confronted with the more ‘commercial’ way of practice drifting over from the US and the approach of the European Single Act, the national legislation remained extremely conservative and restrictive with respect to practicing in the form of a partnership. The Alliance suffered from this, in particular as this affected the name to be used, as will be discussed below. 2. The negotiations leading to the Alliance The second half of the 80s was characterised by the strong growth of the international legal services market. Most national firms in Europe had gone no further than opening their own office in New York in order to be closer to their US clients for purposes of their own national advisory work. Competition was fierce, however, and a lot of the big players were putting in their full weight. A good picture of the positioning climate of law firms can be found in a memo of October 10, 1987 from Carl Bevernage to the De Bandt Van Hecke & Lagae (DBVHL) partners on the existing competition situation: 163
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“The large international or multinational audit firms are branching out into some sort of a law practice. They attract experienced lawyers offering services mainly in the field of tax, company and labour law. I do not know whether they are specializing in EEC-Law. This phenomenon, I learned at the CCBE, is common in all European member-states. 1. The English Law Society, under pressure of the big London law firms has responded by allowing solicitors to advertise and the Law Society has launched the debate on the pros and the cons of a multi-disciplinary practice: ‘If you cannot beat them, join them’. 2. As we know, the CLIFFORD CHANCE mega-merger has been a further reaction to the competition of the audit firms, and other mergers will follow. 3. Predictably the Dutch Nederlandse Orde is following the English example. Advertising as well as multi-disciplinary practice are under review in the Netherlands. 4. Belgium will not be able to stop law firms of member-states from establishing or expanding their activities in our country. No significant progress is being made on an EEC-Directive of free establishment with some inbuilt safeguards against distortions of competition due to major differences in the national codes of ethics. In other words, if the Belgian Nationale Orde does not allow advertising and/or a multi-disciplinary practice, this will not prevent the English and Dutch firms from competing in Brussels with these ‘lethal’ weapons for EEC-related business. 5. In the CCBE the French (Paris) and Belgian (Brussels) delegations are faced with an Anglo-Dutch offensive too. 6. In response thereto, Brussels and Paris are looking for ways to allow progress or evolution by promoting the idea of transnational cooperation or mergers of law practices (France has its particular problem of the competition between the bar practice and that of the conseillers juridiques), without the pure opening of the road for a pure take-over by major foreign firms. 7. The mergers in the UK are also inspired by the necessity to compete with the American firms in the quest for new markets, especially in the FarEast.” The above memo does not address all of the points at stake, but certainly the major ones: the right of establishment in a foreign country, the right to advertise services, and the multi-disciplinary practice. The right of establishment has been a long and difficult struggle. Brussels, because of the European Institutions, was the obvious preferred choice for 164
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anyone who wished to be – or at least wished to be perceived as being – well informed and well located to assist in European competition work and related aspects. Belgium was, however, particularly defensive about opening its doors or cooperating in any constructive way. We had to wait until 1990 for a slackening of this attitude which, to a large extent, was due to the efforts of Carl Bevernage, the then head of the Bar on the Flemish side. The bar organization in Brussels had been split a few years prior thereto into a Dutch-speaking and French-speaking section, each with the right to decide independently of each other. The influx of mainly US law firms to Brussels had long been a matter of debate. It was only in 1995 that an agreement with the American Bar Association on the conditions for US lawyers establishing in Brussels could be signed by Brussels Bars authorizing US lawyers to register on the socalled B-list in Brussels and not only practice home law, but also EC (EU) law and host law via ‘host’ lawyers (generally members of the US firm). A similar agreement was reached with the Law Society of England and Wales and the English Bar Council, which became obsolete after the European Establishment Directive was adopted. Multi-disciplinary practice was the other difficult and delicate issue. The fear of competition from accountants, in particular the big – at that time – 5 accounting firms, was widespread. But De Brauw Blackstone Westbroek (DBBW) had already had notaries in their practice for a long time and Boden Oppenhoff – after a long battle – later also had Wirtschaftsprüfer in their firm. Whatever the position on accountants may be, the professions of notaries and Wirtschaftsprüfer are perfectly compatible with the profession of ‘avocats’. And although these professions were not exercised by these firms outside their country, they still provided a serious stumbling block for any association with ‘such’ firms. The prohibition of publicity was a further, rigidly applied, principle in Belgium. Under pressure from the Anglo-Saxon firms and their use of publicity, also in Belgium, however, a relaxation of these rules was gradually accepted. 1989 can be classed as the Alliance’s conception period. The choice of potential partner firms was made by each member firm in the course of 1989. Existing relationships and experience were obviously important elements in the debate. Partners in the NY offices of DBVHL, DBBW and Boden Oppenhoff had been working together more and more intensively. From 1989 onwards the ‘European way’ became the focus of attention and debate. It was a question of structures, partners and timing, but most of all it was something novel to be developed. The only points of reference and inspiration were the existing US and UK firms. And they were AngloSaxon, large and strong marketers. If we were to develop something new, 165
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then it had to distinguish itself from these characteristics. It therefore had to be European, diversified through its knowledge of national laws of Continental Europe and prepared to be a ‘runner-up’. The start of the ‘Alliance of European Lawyers’ was set for January 1, 1990. The discussions on a number of essential issues, including the name to be used, however, in reality continued into the early months of 1990. An essential part of the concept was the establishment of the Brussels Combined Office (BCO), formed as a separate legal entity to handle all European Law assignments on an integrated basis. The BCO was characterized by the will to pool the EC practices of the Alliance firms, but not necessarily limited to just their work in the Brussels offices. The office location of the BCO was debated to the bitter end. The decision in favour of an integrated operation implied, of course, that the separate Brussels EU practices of the various firms needed to move to one central location. Preferences in favour of the location of the DBVHL offices or a location around the Schumann building, the centre of the EU administration, and the hesitancy about moving to an ‘old fashioned’ building that was still undergoing renovation, caused a broad difference of opinions. However, the decision was finally prompted by the consideration that it would not be a convincing message to clients and the outside world of the ‘serieux’ of the structure if it were to announce a true combination of the forces of the participating top Continental European firms yet start by dividing the one practice which was at least common to all. Hence, the decision was reached to locate the offices of the BCO in the same building as the DBVHL offices. This was the final, logical and, in terms of the market, most convincing choice. It was agreed that the BCO offices would have their separate part of the building, in fact the renovated part of the building at the corner of Brederodestraat and Theresiennestraat, facing the back entrance of the King’s Palace. In this way, they could continue to gratuitously benefit from the extra security of the entrance to the building, thanks to the King of Belgium. The basis for the cooperation was, however, broader than the EU practice alone. The firms agreed to set up an exclusive referral system, based on an existing strong referral practice that had been developed during the period of the preparatory negotiations. It was even recognized that the closer integration of the De Brauw firm and the De Bandt firm, including a Luxembourg firm, which was aimed at a full merger, should be permitted. In addition to the referral system, it was agreed that existing offices in NY and London would also move to a central location so as to create the necessary physical and structural conditions for operating – for the outside world – as an integrated practice which benefitted from the full national expertise of each of the participating firms. The major distinguishing and 166
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novel aspect of this mode of operation was that such expertise was at hand ‘locally’ and on an integrated basis for the American and UK firms and clients, and that the day-to-day collaboration of the lawyers in these offices naturally developed into their working as a fully integrated group with respect to their services. I think it is fair to say that the partners who worked in these offices greatly contributed to the international success and recognition of the Alliance. However, New York and London were not the only places where joint efforts would be deployed to establish a common office. The firms had agreed from the outset that when offices were opened outside the countries of the Alliance members these would be offices common to all of the participating firms. This was more than a marketing ploy. It implied that the firms would then also commit to providing lawyers who would be located in and practice from these offices. The official signing ceremony for the joint venture agreement creating the Alliance of European Lawyers was held in Madrid in the presence of the King of Spain. Here is the speech delivered by Rodrigo Uria at that occasion, as well as a photo of the principal signatories of the agreement. “Your Majesty, Today, Sir, we wish to present to you our common project: the association of four large European law firms, perhaps the most prestigious of Germany, Belgium, France and Holland together with the more modest Spanish firm, Uria & Menéndez, whose aim is to establish joint offices in Brussels and New York and to lay the foundation for a great European law firm that already includes some 500 jurists, providing integrated services for their clients when the Great Single European Market becomes, as we hope, a reality in 1992, We all believe that the Europe of 1993 will either be based on an Integrated Market or it will be insignificant. Eastern Europe is also a top priority objective of the group of law firms represented here through one or other of its members. In all this, we believe we are the first and we wish to offer to you today this first initiative. I remember, Sir, that some months ago when I proposed to our European partners the possibility of starting our association by presenting our joint project to Your Majesty, the unanimous reaction was positive, full of illusions and emotional Why so? Very clear, Sir. It is because Your Majesty has, in perfect synthesis, not only the magnificent qualities of a statesman and champion of a United Europe but also three of the basic qualities of our profession as lawyers
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The defense of law and legality (proof of which You showed to the world sometime in 1981); Prudence in counsel, which is only possible if there is a perfect combination of legal sense and common sense, which You have demonstrated; And, finally, an arbitrary capacity, constitutionally attributed to You and which you practice with so much ability and skill. In you, Sir, is present the testimony of the constitutionalist, whereby the weapon of modern sovereigns is the prestige, not the institutional power. This is the reason why we Jurists and Lawyers of Europe are here before Your Majesty today. And, lastly, Your Majesty, and referring specifically to Uría & Menéndez, I would like to point out that you have before You three generations of jurists who compete for one thing: the degree of loyalty towards Juan Carlos, their King. Rodrigo Uria González, mentor of jurists who at 83 continues in his daily fight for the theory and practice of law; Aurelio Menéndez Menéndez, Professor, maker of laws and a university scholar from head to foot; and he who has dared address Your Majesty and whose only title is, no more nor less, than that of a practicing lawyer Thank you, Majesty”
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The speech was so impressive that Frans Roosendaal fell from his chair in the King’s office. It was then debated whether this was the result of the impressive character of the speech or the quality of the chair. The consensus, after an inspection of the chair, was that it must have been the latter hypothesis. The Alliance had a senior board which consisted of Walter Oppenhoff (Germany), Jean-Pierre De Bandt (Belgium), Jan Schaafsma (Netherlands), Fernand-Charles Jeantet (France) and Rodrigo Uria Gonzales (Spain). The first Management Committee consisted of Dieter Schneider, Michael Oppenhoff (Germany), Roel Nieuwdorp, Patrick Kelley (Belgium), Jan De Vries Robbé, Frans Rosendaal (Netherlands), Gérard Mazet, Jean-Pierre Le Gall (France), Rodrigo Uria Meruendano and José Pérez Santos (Spain). This is the wording of the first client brochure that was developed in what had then already been decided as the new house style: the light, special blue used by the DBBW firm with blue characters. The photos of the prestigious Brederode 13 building facing the back entrance of the Royal Palace were still in black and white. The more sophisticated and developed brochure of 1992 would be more colourful and elaborate, however. “The member countries of the European Community are in the process of removing internal barriers. The Single Market will soon be a reality. The legal profession must adapt to this reality in order to better serve clients’ needs. With this goal in mind, five leading European law firms decided to form a European Economic Interest Grouping, the ALLIANCE OF EUROPEAN LAWYERS. The five member firms are: – the German firm BODEN OPPENHOF RASOR RAUE – the Belgian firm DE BANDT VAN HECKE & LAGAE – the Netherlands firm DE BRAUW BLACKSTONE WESTBROEK – the French firm JEANTET & ASSOCIES – the Spanish firm URIA & MENENDEZ Together, the five member firms currently offer the services of some 580 lawyers.” The Alliance was truly international in its scope and activities, and was not restricted to only US influx. This is evidenced by the first joint initiatives: a seminar in Tokyo, with the assistance of the Keidanren, the official Japanese employers’ association, held on June 4, 1990. This was a great success. Below, the front page of the booklet containing the speeches delivered at the seminar is depicted. 169
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A Swedish member firm was not amongst the founding firms. 1992 and Sweden joining the EEC was yet to come, as well as the accession of Lagerlöf & Leman (L&L). In addition to a Senior Board and a Management Committee, a number of other committees were formed, all composed of at least one partner of each member firm and with the task of developing common positions and products, as well as new initiatives which would appeal to the clients: – Legal Committee – Financial Committee – Fiscal Committee – Brussels Committee – New York Committee – London Committee – Horizontal Cooperation Committee
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3. The name issue The Alliance’s start was not under easy circumstances, however. Whereas it was already difficult enough to come to a common consensus on a number of points, the Belgian bar association had been a serious stumbling block from the outset. The growth in Brussels of what later became the accepted term of ‘business’ firms and ‘business’ lawyers had been treated as a major development in the years beforehand, giving rise to serious concerns of the regulatory bar authorities. Lawyers were not businessmen. This terminology was thus wrong. Furthermore, for many, the practice of law in relation to company business was so far removed from the traditional work of a lawyer that they simply had no understanding of what it was all about. Hence, there was a deep mistrust of the capability of these firms to respect the traditional principles of the profession: confidentiality, independence of judgment, full loyalty to the client’s defence and dignified behaviour vis-àvis the outside world. Such dignity was evident in elements such as the choice of name, the absence of publicity, a refraining from giving interviews, participating in press conferences or making radio or TV announcements. The world of 1990 and that of 2017 has certainly changed a lot, and what is now common practice for young lawyers starting in the profession is thought to have always been a part of the standard rules. It is sometimes difficult for them to understand that the rules and principles were so different during the initial years of the Alliance. It is no surprise that the new name is always a difficult issue when law firms combine. In this respect the Alliance was not different from the others. Where the Alliance situation differed from the classic situation was that it had to face the bar associations of five countries, thus including the Brussels bar. In the initial internal debate the strong preference was to come up with a fantasy name, i.e. not simply a combination of the names of all participating firms. Unsurprisingly, however, this view was not immediately shared by all and required serious debate. The final compromise was to use the term ‘Alliance of European Lawyers’, which naturally had the disadvantage of being a somewhat generic term. However, at that time it was the first combination which had been organized with such a broad scope of participating firms, and firms of prime standing and hence visibility on the market. It was already an achievement to have reached an internal consensus, but this result had yet to be submitted to the Brussels bar authorities. The traditional rule applied by the bar was, however, that the name of a law firm could not be a fantasy name and needed to incorporate names of physical persons who were either active in the firm or founding members thereof. One must also remember that the bar organization in Brussels had been 171
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split into a French-speaking and Dutch-speaking organization, and that each lawyer had to choose whether he or she wanted to register with the one or the other organization. Thus, DBVHL had members belonging to either the Dutch or the French-speaking bar. Each organization was independent in its decision-making, and whereas there was some coordination on a large number of issues, the view taken by either organization could differ and thus so did their decisions. The Belgian lawyers had been living with this situation and had developed some patience and negotiation practices to cope with it, but this situation was now felt full force by all of the foreign participants. On the Alliance side the issue was further complicated not only by the issue of the common name, but also by the dual dimension of the joint and separate practice addresses for DVHL. Under Belgian Bar rules, a lawyer or law firm could only have one address (“unicité” de cabinet”) and nor branch or subsidiary outside the jurisdiction, and certainly not within the same juridsdiction. With this stumbling block in mind for the participation of DBVHL, but based on different considerations, Carl Bevernage was able to convince the Bar to abandon the rule of ‘unicité de cabinet”. As to the name there was on the one hand the combining of the firms’ global practices under a joint venture agreement, and on the other the formation of an integrated European law practice in the Combined Offices in Brussels. For the latter, a European Economic Interest Grouping (EEIG) had been formed, which also needed a name. The latter’s name had to be different from the first, since the EEIG was not supposed to exercise the practice itself, but only provide support activities for exercising the integrated European practice. The request for the approval of the name was first put to both bar associations in October 1990. The debate regarding the name ‘Alliance of European Lawyers’ would create a precedent since it would imply abolishing the Bar rules prohibiting a phantasy name. The issue of the use and acceptance of a fantasy name was already under review by the Dutch-speaking bar in Brussels. The same step had been taken with the French bar, but the resistance to change proved much stronger on this side. The “official” starting date of the Alliance was moved to January 1, 1991. The approval of the bar authorities is summarized in the minutes of the Management Committee of February 4, 1991, and the final decision was only reached in June.
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“1. CLEARANCE FROM BELGIAN BAR RN advised in respect of the required approvals from the three Belgian bars: A. The Flemish Bar has approved the Joint Venture and the EEIG subject only to the proviso that the Joint Venture may not use the fantasy name “ALLIANCE”. Within one month it can be expected that the Flemish Bar will adopt a general rule for all its members dealing with the admission of fantasy names. B. The French Bar and Cassation Bar have not yet reacted on the request filed by DBVHL in October for approval of the Joint Venture and the EEIG. The matter will be on the Agenda of the French Bar’s Council meeting on February 19 1991. In the absence of an explicit ruling, those partners of DBVHL who are members of the French Bar are reluctant, in spite of the existing approval of the Flemish Bar, to openly participate in the Brussels Joint Venture or in the existing EEJG. Therefore, the use of the joint letterhead, different from what had been agreed in the Committee’s January 7, 1991 meeting, had to be delayed.
RU, CM and DS complained that the Joint Venture, while operative since January 1991, is blocked even from using a common letterhead, a proper nameplate in front of the office, etc., this is a substantial impediment to daily work. The four non-Belgian members cannot even make proper announcements of their move to Brederodestraat, which is particularly embarrassing for the Spanish member as a newcomer to Brussels.
After discussion, it is agreed that failing immediate approval satisfactory to DBVHL from the Belgian Bar, (i) the Joint Venture and EEIG go to the outside under the name of BODEN, DE BRAUW, JEANTET & URIA, (ii) that the DBVHL name will be added on the nameplate and letterhead of the Joint Venture when the green light is given. The four other members ask DBVHL for the unanimous approval of the DBVHL partners that their firm will continue to be completely committed to the Joint Venture Agreement and all other agreements on an as if basis and as from January 1, 1991. 2. LETTERHEAD MFO reports on the meeting of the Letterhead Committee in Brussels of January 30, 1991 and submits the two letterhead samples agreed upon by that Committee. He explains that in the New York and London
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offices, each firm will use the home office letterhead with the agreed reference to the Alliance on the bottom of the letterhead. It is agreed that this bottom part on each firm’s letterhead will have three blocks, the first one listing the names of the Alliance members, the second listing the location of the members’ offices and the third listing the location of the Alliance joint offices without details of address, telephone numbers, etc. In respect of the Joint Venture letterhead in Brussels it is agreed that there should be no commas between the names of BODEN (DE BANDT) DE BRAUW JEANTET & URIA.” The approval of the name was not the only aspect of the required authorisation, of course. Without an accepted name you cannot finalize your letterhead, start marketing activities or organize events like seminars, or participate in submissions for projects or pitches. This means that everything is on hold. This can hardly be described as “starting with a splash”, of course. A ‘temporary’ solution thus had to be accepted. Since an opening reception had already been planned, that too had to be postponed. The only comfort that could be drawn from this situation was that it provided some extra time to debate the letterhead (short of the name). In particular, the issue of the colour of the paper to be used was addressed. It needed to be distinctive, and thus special. And DBBW had just changed to using a speciality: a light blue colour, which in the firm language later became known as the colour ‘spa blue’. But the ‘blue’ turned out to be such a special combination that only the printer of the DBBW letterhead was able to produce the ‘right’ colour. Hence, after a lot of opinions on just how blue the blue needed to be, the decision fell in favour of ‘spa blue’. The Dutch were happy that it was their blue, and the Belgians that it was SPA. The final letterhead, except for the name (!) was thus accepted in March 1991, provided that the name of the partners working in the BCO office could also appear on it in a way acceptable to both the Alliance and the bar. A subsequent start-up problem was whether a Secretary General was required to organize all aspects of the joint venture. We would not be lawyers if we did not hold different opinions on this matter. Be this necessary or useful, this gave rise to a further question: does this need to be a lawyer or a manager-type? This debate went on for some time. However, consensus was quickly reached to the effect a controller was required for the BCO practice, who was to be Mr. Blokdijk, a former KPMG partner. By the end of 1991 a decision was made to retain Mr. Hans Van Hoeken as the Secretary General, starting as of January 1, 1992.
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II. 1990–1995 Building the joint practice The main challenge for the Alliance was, of course, demonstrating its ability to truly provide its clients with an extra dimension of the legal advisory capacity for which it had been formed. The real building blocks in this respect were the Combined Offices in Brussels, the Joint Offices in New York, London and Eastern Europe and the horizontal Practice Groups. 1. The BCO The particular feature of the BCO formula was that each firm had committed itself to staffing the Brussels office with members (partner and associates) of its home team to conduct the typical ‘European’ work. The Brussels based lawyers could then handle files that had cross-border aspects for clients of one or more of the member firms. In itself this was frequently the case, since most of the ‘European’ work conducted at that time concentrated on mergers, competition law and dumping practices. Obviously, these were not the only practice areas covered by the BCO. Clients also had to particularly observe state aid and regulatory issues structured or inspired by the European rules. The formula differed from the existing ‘cohabitation’ offices organized in Brussels at that time, which were physically located in the same offices but still operated exclusively under their own name and for their own account. The BCO also handled assignments with a mixed team, i.e. composed of lawyers of the various member firms. Furthermore, the BCO practised the concept of sharing the profits in the financial arrangements that had been developed. Obviously, during the few first years this was a practice which had to be started and thus needed financial support in order to build up its working capital, but the objective was that of an integrated firm. This is also why the name and the outside perception of the group were so important. It had to live up to the clients’ expectations: integrated services. This is what made it novel, and hence appealing, to the clients. The tasks outlined from the start focused on quick results. Amongst them: 1. A survey of existing areas of expertise within EEC law, including publications made by the separate member firms on the subject; 2. A ‘Steering Committee’ to coordinate and combine all internal resources; 3. Preparation of law reports or briefings on topical subjects, including: * reciprocity and the Community’s external trade policy * impact of Community policy on taxes * legal protection against hazardous products 175
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* financial services and the Single Market * labour policy and the effect of the Single Market * the European Company and the European Economic Interest Grouping In January 1992 a thorough assessment was made of the development in the first year. Bernard van de Walle started with a global assessment: “the BCO is a reality and a success. The partners cooperate well and office management and staff support have improved. The workload is satisfactory but there is still a lack of ‘transnational work’. The German and Spanish practices have already benefitted from the existence of the BCO.” Major points of concern and attention were those typical for an office startup: more and improved communication, but also the interest and involvement of the various home offices was needed, as well as extra attention to the effective physical presence of partners from the various member firms in the Brussels office. In particular, it was deemed essential for each firm to have a partner physically present in the Brussels office. This was the basis for the outside world’s perception of the office, and for the internal work and financial arrangements. The BCO’s finances after the first year were obviously a major point of both interest and concern. Overall, the BCO performed within budget. However, Michael Oppenhoff strongly insisted on the need for more timely and more detailed financial information. Billable hours were averaged within an acceptable range, but effort would be required to increase them. From a client perspective, the start-up of the office had been well received. No clients had been lost. On the contrary, the combined effort had led to the acquisition of some major clients. Progress was to be followed up in the middle of the year, and proved to be effective. In July the status report indicated that, notwithstanding the fact that the Brussels environment was a tough and highly competitive one, the BCO was clearly viewed as a major player. It had organized an in-house seminar for clients, which had been very well attended. Contact with the home offices had improved, albeit that there was still room for further advancement. Billable hours had also improved, whereby we should note that the hourly fees were already at the top of the market. However, there was a shortage of senior associates, which meant that BCO partners had less time to attend to marketing and internal communication. Nonetheless, a detailed marketing plan was established.
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2. The existing joint offices Most of the member firms had already been operating their own branch offices in New York before signing the agreement. The challenge now was to operate these offices on a ‘joint’ basis. But the New York partners were prepared for this and were eager to proceed. This is evident from the announcement of the opening of the new offices at 645 Fifth Avenue, 18th floor in May 1991: “BODEN OPPENHOFF RASOR RAUE DE BANDT, VAN HECKE & LAGAE DE BRAUW BLACKSTONE WESTBROEK JEANTET & ASSOCIÉS URÍA & MENÉNDEZ REQUEST THE PLEASURE OF YOUR COMPANY AT A COCKTAIL RECEPTION ON THE OCCASION OF THE OPENING OF THEIR COMBINED NEW YORK OFFICE ON MAY 2, 1991 FROM 6:00 TO 8:00 P.M. THE RAINBOW ROOM, PEGASUS SUITES 30 ROCKEFELLER PLAZA NEW YORK CITY” And the same was true for London about a year later at 99 Gresham Street, where the reception was organized next to the Museum of London at the Ironmongers’ Hall, Shaftsbury Place, Aldergates Street:
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3. The Eastern European market A major focus of attention and area of action was what was then commonly referred to as the Eastern European market. This is no surprise in the climate that existed at that time. The Berlin Wall had fallen on November 9, 1989. The German Reunification had been realised by October 3, 1990 and the deadline for the European Single Market had been set for December 31, 1992 by the Single European Act (signed on February 17, 1986 and ratified by the non-signers – Denmark, Greece, Italy and Ireland – on February 28, 1986. Europe had lived through the past years with the expectation of the entry into force of a single market and, for a number of years prior thereto, the business community had anticipated this outcome and had set into motion a wave of mergers, acquisitions and other cross-border actions in preparation for action on a single market. Business law firms had accompanied this preparation and had had to anticipate many of the movements towards the single market. The Alliance’s interest in the movement towards the realisation of the single market was obvious. It was precisely this underlying need for advice within the perspective of a single market which justified ensuring that cross-border legal work could be performed in a smoother, less fragmented manner than before. The US and UK firms were marketing the provision of such services, leaving the domestic Continental European firms behind unless they reacted. Hence, a core decision when setting up the Alliance was the principle that if a member firm were to set up an office abroad, it would not do so on an individual basis but as an Alliance office, i.e. an office which had lawyers of all of the member firms that were active in that country working from the same office, namely one single office. The rationale and purpose of this approach was to offer clients the ease of having an instant service available in real (local) time, from national experts in the countries concerned, for assignments which had an impact in various European countries or a crossborder effect. However, prior to 1991 the member firms had been active, each in their own way, in developing contacts and a strategy for their own Eastern European penetration. These efforts now had to be handled in a uniform way, based on a consensus yet to be developed. In December 1991 the Management Committee held a meeting which was principally oriented at resolving the pending question of a common approach and strategy. The starting point was their different interests with respect to this Eastern European market. Spain did not expect it to become an important market for Spanish companies, hence it was not a priority for them. DBVHL held the opposite view. At the partners’ meeting two months 178
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earlier it had decided to concentrate on this market. Its approach was to work with strong local lawyers, preferably who had had some prior training in member firms and had therefore had a good experience there and held a strong loyalty to one or more Alliance firms. That lawyers from an Alliance branch office might be tempted to leave and start up their own practices was a risk that had to be taken and was difficult to avoid. The Oppenhoff firm was obviously fully involved in the work arising from the German Reunification and considered the expansion towards Eastern Europe to be a positive development for the Alliance. Manpower was a serious problem, however. In addition, they were convinced that a presence needed strong local lawyers in any event as a part of a joint office. Hungary and Czechoslovakia were countries considered, Poland less so. Jeantet had already developed strong ties and an effective practice in this area and was convinced that the Alliance could become a market leader there. However, this would require more than a few local branches. A fully staffed, strong back office would be the basis of an overall concept. The presence of representatives from all five member firms would be essential, as well as a strong central control to avoid people leaving all too easily. De Brauw partners had already expressed a strong positive attitude in October. They believed that Dutch companies would rather look for strong local firms, and that the more realistic attitude would be to develop strong ties with high-quality local firms. With all the preferences and options on the table and their taking the most diverse of directions, the first question that arose was whether or not to take the course of expanding the practice into Eastern Europe. There was no hesitation on this point; the issue was in what form: an Alliance office which would be very akin to the BCO in Brussels, or an Alliance branch office in which strong local lawyers could be attracted to develop the practice? The input from the New Markets Committee, chaired by Patrick Kelley, provided an even different approach. They believed that Eastern European firms would develop very rapidly in their home countries to continue on a stand-alone level, including quality, training and support, with the result that the priority from the beginning should be to sponsor the right firm to develop as a local firm with a specific, known, Alliance link. The Management Committee decided in April that an Alliance office should be created in Prague and that a discussion was to be held with Mr. Sramek, albeit that some additional background checks on him still needed to be carried out. Mr. Valvoda worked out a proposal for a joint office in the form of a separate company based on the involvement of Mr. Sramek and himself as the local strong-holders. The consequences and financial set-up of this project needed to be explored further, in particular in respect of the compensation to be paid to the Jeantet firm and the proposed cost-sharing
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formula. In any event it was agreed that the Secretary General, Mr. van Hoeken, would exercise a supervisory role in the set-up and functioning of the office. Final arrangements for the Prague office were made in November 1992: the establishment of Dutch BV representing the interests of the Alliance firms in the Czech company which owned the assets and client base of the Prague office. This company had entered into an exclusivity agreement with Sramek. 4. The tax practice as an integrated part of the firm The establishment of a truly international practice naturally brought with it many challenges. If we were to be truly international and have broad impact, the tax practice had to be a major focus of attention. Members of the Alliance had quite different tax practice situations. Boden Oppenhoff had its own tax practice and was willing to expand this if required. Jeantet had its own tax practice, likewise Uria. In the Netherlands DBBW had developed a good relationship with the top tax firm in the Netherlands, Loyens and Volkmaars, which in turn had a well-established and recognized broad international network. The relationship was in no way exclusive, however, but presented DBBW and the members of the Alliance with a welcome perspective to show that the Alliance would have, if a combination were possible, a respected national and international tax capability. Michael Oppenhoff was the chairman of the Finance Committee and took the matter in hand in the hope of realising a true, full and comprehensive tax capability for the Alliance within all of the member firms. This turned out to be a more difficult task than expected, however. Thus, from the beginning both De Brauw and Boden Oppenhoff took steps to work on the tax capability for the Alliance’s benefit. In the Netherlands this took the form of negotiations between De Brauw and LOVO. The negotiations resulted in a cooperation agreement between the two firms which envisaged various stages in the steps towards integrating the work of both firms and to concluding their full integration after a number of years. A point of concern was how to deal with the compliance work which for LOVO constituted a sizeable part of their work. An immediate merger was not realistic in view of the size and position held by both firms in the Netherlands, but also since the Alliance itself had not yet developed to the stage of full integration. The fact that discussions had been going on between DBBW and DVHL in the previous years about fully combining both firms had helped, yet simultaneously not helped. Belgium was a specific topic of difficulty throughout the Dutch negotiations since a full integration would also imply the integration of the DBVHL firm and the 180
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Belgian office of LOVO. Whereas the discussions in the Netherlands were being conducted between firms that did not compete with each other, the Belgian panel was different in that they were competitors. Here, the multidisciplinary debate arose in an unexpected way. For Belgium, the tax lawyers working in the Belgian office of LOVO would have to register with the bar, i.e. become qualified Belgian ‘avocats’ when combining their offices with DBBW in the Netherlands. They did not exercise their profession in Belgium as registered ‘avocats’ and, initially, objected to registering mainly because of the complications involved of then having to start as stagiaires at a relatively late age. In the meantime Boden Oppenhoff had gone ahead with its ideas for expanding its tax capabilities by merging with another German tax firm. Contacts had been established with the Rädler firm and were progressing in this same time period. Rädler was also the preferred partner for LOVO in Germany. The problem, however, also extended to France. Although Jeantet had a good tax department, the size and orientation of their group was not sufficient to leave it at that. The Benelux problems thus gained an extra dimension. LOVO was not present in France, but worked closely with ‘Bureau Francis Lefèvre’ (BFL) and wanted to continue this relationship. BFL’s practice was both international and national, but the national work included a fair portion of pure tax compliance work carried out for a clientele that the Alliance did not really focus on. Moreover, BFL was also developing its own legal advisory capacity which, at least to certain extent, was then in competition with the activities of Jeantet, and they also had a publishing division. These discussions progressed with up and downs until 1995. In that year the need was felt within the Alliance to give the cooperation a new impetus and to focus in particular on a new financial structure and a better organizational and management system. The Alliance had started as a kind of novelty in the market, thus creating a precedent and fulfilling a kind of pioneer role, but it had to live up to expectations and progress further. This obviously included the tax integration. Oppenhoff was ready to finalize merger discussions with Rädler. DBBW and LOVO had developed to the stage of deciding on the mutual exclusivity of their relationship. Jeantet was still hesitant with respect to BFL, however. They were in discussions with another French tax firm and were at the point of signing a letter of intent to combine efforts. However, it was clear to everyone that if LOVO were to come on board it would be with BFL from the French side in some form. The Belgian discussions regarding BFL had been proceeding well and were in favour of progressing in that direction.
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Understandably, all of these things were more or less related to each other. It would ultimately be a decision for all of the at that time independent and well recognized firms within their own jurisdictions to combine efforts, thereby losing absolute control over their own activities. This was made quite clear by Michael Oppenhoff during the discussions in early 1995: the LOVO–DBBW discussions were crucial to the Alliance, but likewise the Rädler-LOVO connection also had to work well and the BFL–Jeantet relationship needed resolution. Once all these efforts were combined, the Alliance would be in good – if not to say very good – shape. The matter was taken to heart and the necessary meetings organized. Discussions centred around the need to broaden the scope of the tax work to be performed to a wide enough perspective. It was discussed what the term ‘full service’ meant for the tax practice. LOVO’s understanding of the concept of ‘full service’ from a tax point of view involved accepting work for SMEs and their needs. This would necessitate adequate staffing, since it implied an amount of compliance and administrative work as well. A second point of major concern on the LOVO side was that the decisionmaking process was at stake. They presently had a consensus model and this needed to retained for the time being. In February a task force was then organized to attend to the administrative and financial issues in order to progress on that basis. However, matters did not develop as well as were hoped or expected. It took another two years of discussions. In the meantime Jeantet had progressed with a connection to a French firm. This firm was unknown to the others, however, and no referrals were made to or by them, which led to disappointment on Jeantet’s side. It is fair to say that referrals were not the goal in itself and were not to be the driving force for broadening and combining the tax practices. The principal objective was to establish some prominence and capability for tax work vis-à-vis the outside world. This would constitute a business in itself and the tax practice had its own attraction – and often its own clientele. Tax was not a mere support function, but had its own independent justification.
III. A time of further reflection Taking a step back in time, it is important to look at the other steps taken by the Alliance after its formation. After the start and the inevitable need to set the cooperation in motion and find ways to operate, mid-1993 was the right time to reflect on where the Alliance stood and what strategy was to be followed for the future. This was not a purely theoretical or intellectual concern. Three major events during 182
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the year gave the debate a much broader scope than the mere aspect of whether any improvements had to be envisaged. The joining of a new member from Sweden, the complicated arrangements to set up the Prague joint office and the move of the New York office to new premises had caused debates and concerns with a broader than purely pragmatic impact. In the course of 1992 discussions were held with Lagerlöf and Leman from Sweden to look into the ways to establish cooperation with the Alliance. This quickly turned into a debate as to whether and, if so, how they could join the Alliance as a full member. Their interest in being involved in the EC work in Brussels and in establishing a European-wide perception and capability was their driving force now that Sweden had decided to join the European Community. Working out a limited special arrangement with the BCO was not deemed to be the best decision. The Alliance members had an open attitude and interest towards the possibility of their joining. Obviously, there was a need to get better acquainted, compare businesses and get partners’ support in all of the member firms. The necessary steps were taken and meetings with partners at the various offices were organized. The discussion progressed well and the member firms welcomed the possibility of a Nordic partner. Two representatives of the firm, Messrs. Hasselberg and Söderström, joined the Management Committee meeting on March 1, 1993 in anticipation of the finalization of the firm’s accession to the joint venture agreement. Mr. Oppenhoff reported that the financial issues had been settled and that only the method of payment for the “sunken costs” to be paid by L&L still had to be worked out. The new entrance triggered a new debate on the use of the name, however, as will be discussed further. June 5, 1993 was selected as the date for the starting event. An EC seminar was organized in Stockholm the day before and a dinner party to be held on June 5 would celebrate the issuing of the press release announcing L&L’s accession. The Prague office had opened in the meantime. But the discussions about the office’s use of the name had taken not only a lot of time but also caused a lot of frustration and concerns. The attitude of the Belgian bar associations and the Paris bar had to be taken into account, although this was considered a hindrance from the perspective of the preferred marketing strength of the actual Prague office. The Prague office had 5 Polish partners (Peter Sramek, Vaclav Valvoda, Alexander Cesar, Hanna Heroldova and Ivan Reznicek) as well as three Polish of-counsels: Gabbriel Brenka, Jan Dedic and Josef Mrazek. The only Alliance attorney at that time was Jaap de Keijzer. However, both Boden Oppenhoff and Jeantet sent one or more lawyers of their firms to Prague during the course of the year. The next hard nut to crack was the debate on the proposed move of the New York office to 712 5th Avenue. The proposal was made by DBBW and the 183
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objective was to occupy the 30th floor, which was the floor just above the NY offices of LOVO, Lefebvre and Rädler. The discussion was thus not only a discussion on the costs of the move and the 8 years’ minimum lease term, but also on the perspective of the existing DBBW-LOVO arrangements to find a closer method for integrating the tax practice. The underlying decisions on the renewal of the lease thus involved the willingness to continue an NY presence, lawyers to staff the office, as well as the perspective of favouring the LOVO arrangements and developing towards strong cooperation/integration. These aspects needed to be taken into account and a position solution found. Any other decision would have been interpreted as a step backwards. 1. The next debate on the name The issue of the name, as already indicated earlier, had accompanied the Alliance since its inception. It was only on the day prior to the signing of the Joint Venture Agreement in Madrid that a compromise was reached by the members and documented in art. 1.2 as follows: “The Joint Venture shall act under the name ‘Boden, De Bandt, De Brauw, Jeantet & Uria’, which name shall always be used in conjunction with the name of the EEIC ‘Alliance of European Lawyers’. To the extent permissible, all operations of the Combined Office will be carried out under these names, including, as well, the name of each of the Member Firms.” This was the compromise reached as a result of the attitude of the Brussels bar organizations and the lengthy debate. There was, however, constant confusion between the firm name and the Alliance name. It is fair to say that no one was very happy with this situation, but lacking a better alternative at hand they had to live with it. In a report from the London partners of DBVHL this is clearly voiced as follows: “The London office is also confronted with the disadvantage of the nondistinctiveness of the term Alliance, especially in the English language. This is evidenced by the fact one sees more and more referrals to an alliance or alliances which is not the Alliance (of European Lawyers). In order to convey the unity of the London office, a mere distinguishing common name would be desirable. At a later stage such name should probably move to the top of the letterhead, although maintenance at the top of the letterhead of the individual names of the firms remains very important in view of the goodwill still connected to these names.” The question, therefore, was whether there was a way out of this uncomfortable situation. But, as worded in a note from Jean-Pierre De Bandt of Sept. 2, 1993 distributed to the Alliance Management Committee 184
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in this connection: what were the alternatives? A mere combination of letters would involve the difficulty of finding the right, workable combination. A mere fantasy name was doomed to create problems. A single name of a reputable legal scholar might be an option, all the more so if that name had been used in one of the firms before. The name Blackstone came up. If not used as a single name, it could always be used in combination with the name of a member firm. To use the name of one of the member firms, not in full, but simply the first name of the firm, would be a final alternative and a suggestion was then BODEN. These possibilities were discussed but unfortunately no consensus decision was reached. 2. The strategy revisited: deepening and strengthening All of these discussions showed that there was an urgent need to take up the matter of the strategy to be applied by the Alliance over the next few years and the ultimate objectives it wanted to reach. This discussion had been generally recognized and needed to be sufficiently well prepared. To begin with, a general questionnaire was sent to all partners in the Alliance firms, which would give them the opportunity to provide their own individual assessment and opinion on where the Alliance stood and in what direction it needed to go. The questionnaire is attached for those interested in the questions the parties were asked to answer in the past. It was introduced by the following note by Jean-Pierre Le Gall of April 21, 1993: “THE ALLIANCE AFTER THREE YEARS It is now three years since the Alliance of European Lawyers was created by the agreements signed in Madrid in April 1990 which links the five founder firms. The law firm LAGERLÖF & LEMAN has joined us in April 1993 thereby confirming the esteem in which the Alliance is held in our legal profession. Much has been achieved in the last three years a joint management structure has been set up to direct the major policy decisions of the Alliance (development, publicity, relations with other major firms, etc.) and to coordinate relations between the member firms (conflicts of interest, for example). Two joint offices have been created, in excess of twenty lawyers working at the joint Brussels Office and more than five at the joint Prague Office. At the same time, joint teams practice in the offices of the Alliance members situated in London and New York. Exchange programs for lawyers have been undertaken. Horizontal committees have been set up to 185
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permit the lawyers from the various member firms to exchange ideas and experiences with member firm lawyers of the same specialty, to prepare comparative legal studies, common checklists for major legal transactions and agreements and seminars for clients. Also, three external newsletters (regarding EC, environmental and corporate and financial law) are being issued regularly. Finally, the member firms of the Alliance are increasingly seen by their major international clients as being the elements of an international continental European law firm, capable of providing coordinated assistance on one of the three major world markets. In summary, the Alliance of European Lawyers is a unique venture, without precedent which little by little has taken shape. The task has not yet been completed, however. We consider that two particular issues must be considered. The first issue is in principle a strategic one should the Alliance develop along the same lines that it has taken during the first three years and which can be described as being based on the dual principle of autonomy at home and cooperation abroad. Alternatively, should the Alliance be seen as the first stage of a medium or long term merger? The second major issue is more practical and somewhat tactical: is it possible for the member firms of the Alliance to improve their functioning and increase profits resulting from their co-operation? It is in the light of the above two considerations that the attached questions prepared by the Management Committee should be read. Each partner of the various offices is requested to attach the greatest importance to this consultation. Clearly, it is essential for the Management Committee to understand the needs, desires, areas of satisfaction and dissatisfaction, in a word, the ‘judgement’ of each partner concerning a unique entity, the Alliance of six major law firms . Jean Pierre LE GALL” As intended, this set in motion a debate in all member firms as to the direction the Alliance should follow. The scope of possibilities was broad, from continuing cautiously on the basis of the independence of each member in its own domestic practice, to a full(er) integration of all or a number of the practices. But the main benefit of the debate was that ambitions came to the surface and the test of how far one was willing to go shaped the internal debate amongst the partners in the member firms. It is not possible to reflect the full contents of the debate since the sources of information were on two discussions levels: the internal debate in each 186
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member firm and the overall debate at the Alliance level. However, some of the documents which could be traced back provide valuable insight. A note from Carl Bevernage on the deepening and strengthening of the Alliance, which in itself demonstrates the direction of the line of thinking and the proposals, serves as a good illustration of the points of concern. “THE ALLIANCE OF EUROPEAN LAWYER Eeig GOALS AND STRATEGY FOR 1994–1995 Deepening and strengtheninq The Alliance of European Lawyers Eeig was formed in order to 1. integrate and promote the practice of EC law 2. provide a multi-country legal service 3. combine services in New York and London attracting continental work from the USA and London and providing for continental clients a stepping stone in these two premier centres of international lawyering 4. to enhance and facilitate referrals for domestic clients seeking assistance in the countries covered by the Alliance 5. to explore together at the lowest possible cost new opportunities in countries such as the ones in Central Europe 6. to create within each firm a ‘new frontier’ spirit. One could take the view after two years that goals 1, 4 and 5 and perhaps 6 have been pursued with some success, whereas the objectives sub 2 and 3 have not been achieved. If we discount - should we? the ‘lost’ billable hours of everyone involved and the global financial investment of over (500,000) ECU, the preliminary results may be deemed encouraging but a vast effort is still needed in order to make the Alliance more than a peripheral reality. The achievements and shortcomings of the Alliance can be summarized as follows: 1. NEW FORMULA The Alliance formula is a unique venture; so far no other group of major firms in Europe or in the USA has followed our example or set up an alternative way of joint or combined international legal practices. We regularly receive requests from law firms seeking to join the Alliance.
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None of the member firms is presently contemplating a scaling down of the formula, least of all to abandon the adventure. 2. THE BCO TO LEAD THE WAY The BCO is a potentially viable integrated unit staffed by younger partners and associates with rather limited experience. It has gained considerable visibility and may hope to prosper if all firms within the Alliance increase their commitment to the BCO and, in principle, carry on all EC work in and from the BCO. Within the BCO, the participation of Jeantet remains symbolic, whereas De Brauw has not found a replacement for LvL who is spending more time than ever on De Brauw DB-matters. Only our office and Boden have a meaningful activity. Uria is trying hard and for LL it is too early to tell. The BCO will have to develop its own strategic plan and perhaps its own hiring policy. It should decide to what extent and under what conditions assignments devoid of any national connotation, or not requiring an active knowledge of language(s) not spoken by some, can be shared irrespective of nationality or firm, leading to fully integrated services. 3. THE ALLIANCE MUST BE ABLE TO FUNCTION AS SUPRA-NATIONAL LAW FIRM FOR SPECIFIC ASSIGNMENTS The Alliance is not (yet) perceived as an operational supra-national law firm by the top multinationals or as a possible project manager. We are regarded by those clients or by the lead firms in the USA and the UK as a group of reliable sub-contractors. When major international companies undertake multi-country cooperation/ distribution/ marketing/investment projects, they still tend to rely on wellknown American or London law firms as well as on the Big 5 audit firms when the venture is tax driven. For one thing, the lack of identity and the absence of a good, distinctive and distinguished brand name, remains an important handicap. An overall tax capability is of the essence. We therefore must revisit and encourage forms of cooperation with tax consultant firms such as Lovo and the likes and decide for ourselves how far we can or should advance in this respect. In order to achieve a supranational capability for multi-country projects the Alliance will have to device a ‘commando and co-operational’ structure which can respond quickly and efficiently to demands for international transactional work from top clientele. 188
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This structure must not necessarily coincide with or comprise the present Management committee of the Alliance. It must emerge from a limited number of practice groups or horizontal committees in M&A, financial law, tax etc. with partners and senior associates of the various firms who know each other well. Obviously, on international assignments, the specific EC-regulations must be dealt with by the BCO. The Alliance Management Committee will have to restrict its responsibility and involvement to matters of structure and strategy. This will require less meetings per year. The rotating presidency of the Alliance Management committee is useful, but the tour of duty of each president is too short to allow him/her to visit each firm and e.g. to attend at least one partners meeting of the firms. Furthermore, the role of the secretary-general may have to be enhanced and go beyond its present ‘administrative’ limits. 4. FURTHER INTEGRATION OF THE NEW YORK AND LONDON OFFICES The offices in New York and London are presently on a cost sharing arrangement. So far, only De Brauw is truly profitable in the two locations. A rotation of these associates every two or three years will never allow us to break even. They must be given sufficient exposure over a longer period of time. We must discuss with them some form of specialisation required by the site. Hypothetically, the New York and London offices could offer joint or common ‘Alliance’ products for the American and UK (based) clientele (or for European clients seeking to invest in the USA) , but this would require further integration and a hierarchy in these offices and a common cost and revenue system similar to the one of the BCO. 5. PRAGUE The structuring of the Prague office has not been an easy task. It would appear now that a workable arrangement has been found with the Czech lawyers notwithstanding obvious difficulties of a cultural and legal nature although it is not yet clear whether our Czech friends are partners in spe of the Alliance or whether they are only a — temporary vehicle — for the presence of the Alliance in Prague. Our firm has not been willing or able to second a Belgian lawyer to Prague to liaise with us on a permanent basis. As a result the major efforts of PKE to get the Prague office well under way and the fact that we ‘contribute’ a fair share of clients, has gone almost unnoticed . 189
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We should devote some more time at the regular partners meetings on the development of Prague and the synergies with the other Alliance firms in Prague. 6. TRANSPARENCY The member firms are slow in getting to know each other(‘s firms). A good start was made when we agreed to disclose to each other financials, fee structures etc. We still do not know (except for De Bandt de Brauw) how the internal set-up is of each firm. The questionnaire annexed hereto is a first step, if correctly filled out. We should also inform each other of our respective client bases in order to determine what synergies are possible vis-à-vis common clients. 7. NO IMPROVISED FURTHER EXTENSION The extension of the Alliance to firms from countries such as Italy, Switzerland, Denmark, Portugal, Austria is premature to say the least. This is not to say that in these countries some forms of cooperation should not be welcomed, when premier law firms seek closer ties. This may also be true for UK or US firms. 8. CONCLUSION From the outset our firm has been truly international in scope and mentality. When other Belgian firms followed our lead we tried to retain a competitive edge by opening the New York office, based upon the ‘Sabena opportunity’. The (aborted) partnership with De Brauw led to the Alliance and to our presence in London and will place us shortly before a major structural decision regarding the Lovo link-up. We seem to be in agreement that this type of internationalization is unavoidable. We are probably less unanimous in thinking that it is necessary or even indispensable in order to maintain or to strengthen our existing client base and our image of front-runner. There is no mathematical proof that without New York, the Alliance, London, Prague or the BCO, our standing in the national and international legal community and with clients would have been less prominent. Paradoxically, we have become in twenty years’ time a well-established ‘Belgian’ firm, whereas in 1969 three or four other firms in Brussels monopolized major Belgian work.
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We know what the costs of our international set-up are, we do not know what the proceeds have been so far. This may explain why our policy has been one of stop-and-go. Time spent by all partners on liaising with our own associates in New York and London, has been minimal. Efforts to help them develop their activities in a meaningful way are symbolic. Communication on our contacts and the results thereof, with the Alliance member firms has also been kept to a minimum. To some extent this could also be said about the relationship with the BCO, although the physical vicinity has helped some of us to rely on the BCO on occasion. We will have to change our attitudes or, alternatively, take the step in the dark and withdraw from international structural ventures. Assuming that the latter is not our choice, let us focus on – more referrals within the Alliance – the development of a common client base – taking the Alliance practice groups seriously. Let us also devote once every year a partners meeting to monitor the progress in this field and keep a constant eye on the needs of the New York and London offices. In the nearby future we will be faced with the Lovo decision. It should be made in all clarity as to our true intentions and commitments. Antwerp, October 23, 1993 Carl BEVERNAGE” Michael Oppenhoff as Chairman, with the help of Jean-Pierre De Bandt, Louis van Lennep and Carl Bevernage, were pushing hard to get this reflection process going. It took some time before all firms had answered the questionnaire, but the comments enabled them to concentrate on the issues to be addressed. In a report from Hans Van Hoeken, the Secretary General, it was noted that the usefulness of the questionnaire was that it had also confronted the member firms with their own partners’ opinions as to where Alliance stood. In an effort to concentrate on the main issues that were to be addressed as a result of all this, the following points arose:
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Consolidation True cooperation needed to be based on a better understanding of the other firms. This was set in motion through an exchange of more data on each firm as well as on financial figures and on management structure and style. This would also involve the more detailed existing partnership arrangements. From a marketing point of view an exchange of a list of the major clients would be instrumental in identifying potential cross-member firm efforts to work closer with existing Alliance clients in other countries. A more intensive use of the Law Practice Groups and a better understanding of each other within the group could greatly improve cooperation. The name was still an issue, in particular for marketing purposes. Integration A full merger did not come out as an immediate perspective or desire. Likewise, sharing in the results of each other was still regarded with a dim view. However in the New York and London office a merger was considered a good move, in particular by those who had worked there. Management structure Decision-making was a slow process and was costing a great deal of time and energy. A further delegation of authority for a number of decisions would help in this respect. Time consumed at these meetings was costly for its members and rationalisation of this might be useful. The role of the Chairman was crucial and required more time. Likewise it should be for longer periods. However this involved great effort for the firm which provided the Chairman and it was felt that some form of compensation ought perhaps to be developed. Expansion Although internal matters deserved priority, one should not lose perspective of the need to look at ways to expand. Drawing up a list of preferred law firms to work with in this respect would be very useful. As a first step and in addition to the questionnaire; a note was requested from each member firm with a better description of their place in the
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market, their practice structure and their main competitors on the local market. This enabled an informed debate. Opinions could be challenging and did not shy away from boldness. I am summarizing below a set of personal opinions voiced by Pierre Nijnens and which certainly represented a big step forward. Pierre had worked for a long time in the NY office of DBBW, which put him in the privileged position of having a first-hand view and experience of the attitude and strategy of US law firms. He saw a clear trend on the part of New York law firms to assume a very active part in the European law business. This led to them drafting agreements for their clients themselves, in the ‘New York way’ to use Pierre’s words, and to restricting the role of the Continental European law firms to ‘confirming’ that whatever they had prepared would be enforceable under the domestic applicable law. They were thus practicing foreign law without any great hesitation, being helped thereby by the many European students who had trained at US universities and welcomed a stay in a US firm for a period of time. Advice from the European firms was obviously needed after the US firm had worked on the documents at length – with the benefit of the full background of facts and strategies – and thus needed to be handled urgently, overnight or in real time by those that had offices in New York. All of us recognized this trend and were concerned that our firms were being demoted to the role of delivering only ‘opinions’ on the final products. This brought Pierre to the bold view, and I quote, ‘that the Alliance should be (i) the alternative to US and British law firms trying to conquer the legal market of our home countries and (ii) a competitor of those law firms which consider themselves ‘global players’, particularly in the area which may be considered to be our back yard (i.e. Central and Eastern Europe).’ To realize this objective the Alliance was to develop on the basis of a number of characteristics: 1. Strong domestic clients so that large foreign clients could not ‘avoid’ these firms; 2. Integrated practices in a number of areas: European law, M&A, project financing, environment, taxation, international litigation and arbitration; 3. Working on the basis of true integrated departments in the above areas; 4. An adequate formula for sharing the results of the integrated practices; 5. Presentation of itself as one group, which concerned the issue of the name; 6. To discontinue thinking and acting alone ‘domestically’. 193
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In order to realize this, it was noted that much depended on the attitude and approach of the individual partners in the firm. A great amount of independence in the practice of law existed at the member firms, but an integrated way of operating would require much more (self) discipline. This had to be developed if we wanted to take the bold step of becoming a global player. Likewise, work had to be done on the profit-sharing systems in the various firms, which were quite different from each other. This would not necessarily imply a completely uniform system in all firms, or a fundamental overhaul of the internal system of the domestic firm, but would require at least the effectiveness of finding a common system for those parts of the practice which were truly handled as integrated practices. The main objective was that partners should be encouraged to handle this type of work. Doing so required a better definition of what constituted profits, expenses and how investments were to be handled. There was indeed a general feeling that the Alliance needed to be strengthened. But the feeling alone was not enough. To realize this in dayto-day practice it had to be put into practice. But this was - obviously – the sensitive area of the debate because it all involved changes to the individual firms’ own domestic way of thinking and acting. Strengthening was a common cause and the market was rapid and aggressive. The challenge was recognized, the need to change discussed, and the action debated. The end result of this exercise was a list of the 14 ‘commandments’ of the Alliance, drawn up during the discussions of the Management Committee of the Alliance and communicated on June 8, 1994 to all firms for further comments and proposals. 3. “The 14 statements: Discussion Paper Fourteen statements of the Management Committee to be considered by the Alliance Member Firms in connection with the further development of the Alliance of European Lawyers 1. The Alliance is a joint venture of law firms which will each maintain independence in their national territories and with respect to their own internal organization (e.g. manner of profit distribution, admittance to partnership recruitment). It shall be the objective of the Alliance firms to broaden the common behaviour of their lawyers and to collectively market their service internationally. The Alliance firms shall actively support the contacts and the integration between individual lawyers within the firms as well as direct contacts between individual firms. The use of the Law Practice Groups, associate meetings, associate exchange programs, country desks etc. shall serve this purpose. 194
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2. The reference to Alliance will (subject to applicable bar rules) move from the bottom of each firm’s letterhead to the top, right beneath the name of the member firm. It should be explored to what extent the name Alliance continues to be an appropriate name for the joint venture. 3. The Alliance firms shall continue to focus on a strong local clientele and shall continue to aim at national and international recognition as leaders in their market. 4. In the Alliance jurisdictions, the Alliance firms should position themselves as the natural alternative to US and English law firms attempting to operate on such local markets emphasizing the differences with other international, US and English law firms. 5. The Alliance firms shall be a “European player” in that their services shall not be restricted to the law of the Alliance jurisdictions, but shall progressively extend to other European jurisdictions, with a focus on Central and Eastern Europe. 6. The Alliance shall first concentrate on a further integration of their European law practice thus that European law is practiced by a coherent group of lawyers throughout the six firms and the Brussels Combined Office. The lawyers working in the European law practice shall be interchangeable and assist each other on certain projects. The lawyers shall develop a common strategy. 7. The practice of law in Central and Eastern European countries shall become an integrated practice thus that it shall be ‘Joint Venture Matters’ as such term is defined in the Joint Venture Agreement; therefore revenues of the Central and Eastern Europe practice shall be pooled in the same manner as the European law practice. The Alliance will establish local offices in such countries of Central and Eastern Europe where it is reasonable to expect that the presence of the Alliance will generate sufficient work for the local offices and the home offices. There shall at all times be local lawyers in such local offices assisted by lawyers of some (not necessarily all) Alliance firms. 8. The Alliance ‘through the Law Practice Groups’ shall explore to what extent the following law practices of the six firms can be integrated (entirely or to a certain extent): – international mergers and acquisitions; – international project finance; – international taxation; – international litigation and arbitration.
A further integration of these law practices is a long term goal. 195
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9. It should be explored whether or not the offices in London and New York should become fully integrated offices which will be regarded as separate profit and loss units along the same lines as the Brussels Combined Office. Those lawyers who are most suitable for the practice in Brussels, London and New York shall be assigned to such offices recognizing that an important part of the European law and English/ US market work must continue to be performed out of the local offices in the Alliance jurisdictions. Investigations will be made as to the appropriate structure for each such foreign office. 10. A ‘simpler’ profit pool structure shall be devised which should encourage the cooperation between the firms, which should result in a situation where the best lawyer handles a matter and which does not result in an administrative burden. 11. In order to limit the risks of further integration of practices: – adequate professional liability insurance shall be put in place – it shall be further investigated to what extent certain departments or firms could better be practicing through a different legal structure; – an extensive Alliance quality program shall be put in place, adhered to and monitored. 12. As certain law practices as well as the foreign offices will gradually be integrated, the market will perceive the Alliance as one entity. Hence, conflict of interest and loyalty situations must be dealt with consistently taking into account under which circumstances the perception of the Alliance being one entity should have an effect on the conflict of interest situation. 13. Although at this time the benefit of a cooperation with English or US firms is not apparent yet it is recognized that the suitability of establishing an English or American link must be re-examined with regular intervals. Therefore no actions shall be taken which would prevent such link in the future. 14. A key element for a sound future of the Alliance is perceived to be a tax practice in each firm or a link with an international tax law firm. Expansion of the Alliance is not a priority (other than as contemplated in the previous sentence). Further integration and coherence should be achieved first.” All firms discussed these statements. It cannot be denied that the text is a clear compromise between the various views on the table: the need for respect – and primacy – of the independence of the firm as well as the desire
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to truly integrate at least to a certain extent in order to become an accepted player in the top international legal world, if not a global player. To a large extent the debate therefore centred around the issue of how to improve the existing joint venture arrangement and make it more efficient and visible in the international market, as well as how to develop into a true international player and therefore try to position the Alliance as a player in the league of the global firms. I will not deny that I belonged to the camp, if I can use this term, of the strong believers in the option of having the Alliance become a global player, having always had in mind had the visionary speech on the need to create a true European Law Firm of Walter Van Gerven in 1970. However, the statements remained general without stating precise objectives or steps. It is easy to say so at such a later date, and is in no way a criticism of the intentions of all Alliance member firms. It is, however, a factual assessment that we were not capable of setting ourselves clear objectives. Maintaining independence whilst simultaneously truly integrating core businesses such as corporate, finance and tax, would have been a highly original concept, as novel as the creation of the Alliance itself. But if this had been set as an objective, how difficult might this have been to realize. The objectives formulated remained in the realm of ‘exploration’, whilst the market was going full-steam ahead in the game of realizing the objectives of top league firms. No one doubted the need to be a top firm domestically. Everyone considered this a must, whatever direction was chosen. But international practice was the game to be played. It was fully acknowledged that the ‘exploration’ route would be a difficult one and constituted unknown territory. No precedents were available. Also, the conditions required to fulfil this path would be difficult to realize and might be not desirable for a group of partners. But examples of structures of national firms which operated on an international level did exist in the world of audit firms. It was thus not just a dream. None of the above implies that the Alliance did not take to heart the results of the discussions and the need to improve on a number of levels. 4. Further steps towards an Alliance Tax Network For 5 years the establishment of a strong tax capability throughout Alliance had been a constant focus of attention and efforts. The partner firms all recognized the importance of an Alliance-wide integrated tax law capability. As indicated before, the starting position was not an easy one. Boden, DBVHL, Jeantet, L&L and U&M had tax practices of varying sizes and recognition in the market. But it was a starting position that could be built 197
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upon. DBBW had no tax department, given the traditional strong position of the tax consultant firm Loyens & Volkmaars (LOVO), with which it had a long- standing, good de facto cooperation. They therefore, understandably, did not deem it realistic to try and establish a tax team of their own. LOVO already had its own international network which, for Germany, included Rädler and, for France, Bureau Francis Lefebvre, whilst they had their own well-established office in Belgium. This necessarily had an effect on the other member firms: Boden, Jeantet and DBVHL. Because all member firms recognized the importance of expanding an even stronger practice together, however, they accepted the problem of negotiating a global solution which, at the same time, if successful, would present a unique opportunity. DBBW and LOVO had agreed on a cooperation agreement for the Netherlands. This was to proceed in a step-by-step process but with a view to the ultimate combining of both firms. DBVHL had started negotiations in Belgium to explore the possibility of integrating with LOVO Belgium, but had initially been given the no-go from the Belgian LOVO partners since it required them to join the bar, which at that time was not a requirement of their lawyers. This position changed by the end of 1994, however, which then made a resumption of discussions possible. Boden started its discussions with Rädler in 1994 after its merger with Raue. Upon their conclusion with a full merger, the Alliance member firms naturally needed to approve this step and indeed did so in October 1994. It was considered a major step towards establishing the required Alliancewide tax practice. However, approval was only given on the explicit condition that such consent did not imply a right of BFL to become a member of Alliance itself, or any obligation of Jeantet to seek and come to an arrangement with BFL. The other Alliance members nevertheless hoped that a ‘dream team’ could be created on the tax front. However, Jeantet was asked to commence such discussions with BFL, whereas no strict scenario was imposed nor the requirement of an ultimate merger. The necessary flexibility of the final construction was left open. It was thus quite openly out on the table that France also needed to progress. For this, a meeting was organized with the Alliance Management Committee representatives, J&A and BFL to openly discuss the issues and possibilities. With the hindsight of the events since that time, it is worth taking a look at the resulting positioning of the member firms and the options that were on the table. J&A had made it clear in the February meeting of the Management Committee of the Alliance that it preferred to remain an independent firm 198
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and the sole member of the Alliance. It was willing to invest in additional tax work, including some compliance work, but had a different firm to BFL in mind. It is important to understand that the activities of the LOVO firms not only involved high-level tax advice and the international field of taxation, but also, for a considerable part of their business, tax-compliance related work. The present form of BFL included, like at LOVO, a fair amount of such tax compliance work. For J&A it was neither desirable nor acceptable for them to work with BFL in its existing form and scope of practice at that time. Likewise, in addition to its tax practice, BFL had a legal practice which would then overlap with J&A’s work but which J&A did not consider to be on the same level as that of their own firm. BFL was willing to consider structural changes. It could dissociate its civil and commercial work provided that J&A was willing to absorb the same. Their civil and commercial work was largely a support function for their tax work. But J&A was afraid that it would not be able to fully occupy their non-tax practice. J&A asked BFL to refrain from “abonnement” work, i.e. largely compliance and routine tax work for SME clients. Even if such service were to be separated out of the BFL structure, it was considered an obstacle for J&A. For BFL, the question was then whether the Alliance would consider setting up a joint practice with them in France, without J&A, but in combination with another premier civil and commercial law firm. In BFL’s opinion the question was whether the Alliance wanted to build a multi-service firm which could compete in France (and elsewhere) against other transnational, integrated and multi-service firms; in fact with the firms which at that time belonged to the Big Six. However, J&A took it for granted that - in the absence of the major concessions they had requested from BFL in terms of the structure and scope of their practice - the Alliance would confirm its willingness to treat J&A as the sole member firm in France. It was willing to recruit additional experienced tax lawyers if the Alliance identified the specific and existing needs that required assistance in France and provided that, should such expansion prove not to be self-supporting, the other firms would financially assist it in this exercise. As BFL claimed to have other options from third parties on the table, it wanted the situation clarified within a brief time frame. For the Alliance, however, this created additional considerations that needed to be evaluated: if the Alliance did not proceed with BFL but were to come to terms with LOVO, LOVO had indicated that it at least required that it would not be obliged to work with J&A on tax matters, in respect of which it felt that it had not yet acquired or improved its expertise. The perception of the French 199
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connection was thus clear. The decision for France would have greater effects than for France alone. Needless to say, this then forced everyone, at least in theory, to look into what alternatives needed to be put on the table to ensure that a decision would be taken with the full scope of Alliance options available. Replacing J&A in the hypothesis of BFL becoming a second member firm in France brought the challenge of finding another firm of equal status and reputation in France. At that time this possibility was far from evident, with one or two exceptions. Purely transactional boutique firms would not guarantee the broad scope of practice desired, whilst the separation from the existing joint offices abroad could result in quite negative messages from a marketing point of view. Not proceeding with BFL and maintaining J&A greatly increased the scepticism of some as to whether the desired expansion of the tax capabilities could be realized with sufficient speed. Substituting J&A for an Anglo-Saxon firm would imply that the Alliance was abandoning its main initial goal of building a strong continental firm. Even if this were to be considered, it would imply that the selection would be limited to a firm that already had a strong French presence, which would make this even more difficult. Creating an own firm in France from scratch would be a long shot, requiring a substantial amount of time and a huge investment. Leaving France out of the Alliance altogether would certainly diminish the credibility of it being truly European. Creating an Alliance-LLR group in France with J&A for the full scope of legal, commercial and tax work and BFL for the tax work, which would therewith present Alliance clients with a choice for their French tax work would be a compromise situation with the characteristics of any compromise: it would work as long as both parties continued to play the game. Finally, a decision was reached which is reflected in the following statement issued on July 14, 1995: “STATEMENT The discussion of an approach to integrate L&V and the Alliance was undertaken. The following decisions have been taken (subject to partners’ approval): 1. L&V will join the Alliance. It is understood that appropriate adjustments in structures and by-laws will be made. 2. JA is and remains a member of the Alliance. Two actions will be taken concurrently:
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A. A working group will be created consisting of representatives from L&V/ DBvH&L/O&R/JA and representative(s) of the Alliance Management Committee. The working group will be assisted by Brad Hildebrandt. The purpose of this working group is to develop a business plan for an international and domestic tax practice in France within the offices of JA. This plan will include a specific definition of tax requirements in France of all members of the Alliance. The plan will include a timetable for the recruitment of lawyers necessary to support this practice. This working group is expected to submit its business plan to the MC of the Alliance no later than September 30, 1995. The members of the Alliance will agree on a strict timetable to implement the decision of the MC. B. L&V will enter into discussions with BFL to ascertain whether an agreement can be achieved between L&V and BFL before September 30, 1995. This agreement should include the following: 1. BFL agrees to end its civil law practice and specialize entirely on tax work within a reasonable timetable. 2. BFL commits to make changes to its profit centre approach to compensation that will be acceptable to L&V and the Alliance within a reasonable timetable. If an agreement is achieved between L&V and BFL, the Alliance members will refer French tax work to BFL and once the conditions are fulfilled BFL will be invited to join the Alliance. It is recognized that this will not affect JA’s current tax practice. July 14, 1995” This also put the burden on Belgium to negotiate the terms of an agreement with LOVO Belgium. This task was taken up immediately and a negotiation team was constituted which would have to formulate its mandate for approval by the DBVHL partners in September. A full analysis of the two firms had already been prepared from the beginning of 1995 onwards, so that the necessary material facts and figures were available. It was only in 1997 that LOVO reached a final decision. DBBW had progressed far in working out the possibilities of teaming up with them to the point of moving to the same offices with a view to and in anticipation of the full integration. The disappointment came when LOVO announced its decision not to join the Alliance. In the meantime Oppenhoff had been merged with the Rädler firm for two years and had changed its name accordingly. Jeantet had formalized its relationship with the French firm 201
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Maisons Eck, but no real contacts had been established by then with the other member firms. DBVHL had progressed in its discussions with the LOVO Brussels office. For DBBW, the problem was even more acute. They had developed a step-by-step plan with LOVO to move to a full merger. With LOVO’s decision not to join the Alliance, however, it would become extremely difficult, if not to say impossible, for them to progress further with that integration. This was discussed at length in the firms and communicated by the firms to LOVO in an extensive letter from Pierre Nijnens. All member firms received a copy of this letter and thus information on the consequences and difficulties resulting from LOVO’s decision were put on the table. The Alliance had to take a new look at its strategy on the tax practice, and this was at a time when the pressure and competition from the big auditing firms, with their larger financial power to be aggressive competitors, was mounting. The tax practice group organized sub-groups to look at the various consequences and possibilities. Notwithstanding all efforts to find solutions, the route of integrating LOVO was abandoned and all other avenues entailed the inherent risk of being less appealing to the outside world.
IV. The UK Link The issue of looking for a UK link had occasionally arisen in the discussions, but was not really pursued until 1996. In July of that year DBBW worded a request to explicitly look into the question. In its memorandum it recognized the shift of position. At the time of the formation of Alliance it had been a deliberate decision not to have a UK firm as a member. This was based on the assumption that an exclusive link with one UK firm would seriously harm the existing ties with other UK firms. At the time of the formation of Alliance UK firms had made it clear they were not interested in joining the Alliance. In the meantime, certain UK firms had decided to go global and to do so largely by themselves. The only noteworthy exception to this was Slaughter & May. But by 1996, the UK firms were coming under pressure from US firms which were doing the same and were actively pursuing work in Central and Eastern Europe, in addition to their moves into South East Asia. The Alliance would have liked to play a bigger part in the international transactions, at least as far as Continental Europe is concerned but, as stated, it was handicapped by a real or perceived lack of competence, a lesser degree of availability of standard documentation to start on and the frequent, insistent pressure from the financial centres to impose UK law as the governing law of the contracts. 202
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It is also fair to say that the discussions on a further integration as an Alliance had created certain doubts as to whether the Alliance would be capable of achieving this on its own in the near future. This sentiment became even stronger after the collapse of the tax expansion efforts. It was therefore felt by the Management Committee that the time had come to take a closer look at the question of a UK link, and it decided to make it a priority point of discussion for the second half of 1996. Hence a request was made to all member firms to start internal discussions on this point. Such reflection needed to be objective and factual. One would need to define what the Alliance concept stood for and where we wanted to go with such change. This was essential if the Alliance wanted to steer the course of future events. Otherwise, it would imply either staying where we were or simply taking over the UK policies and approach. The latter option certainly was not what was envisaged, neither at the start nor at that time. A first element was the nature of the cooperation within the Alliance. This cooperation was not based on just the referrals for each member firm. The Alliance was more than a referral-driven association of independent law firms. The best evidence of this was the establishment and functioning of the BCO. The major UK firms all had their own Brussels-based European law offices. But they each worked separately. The Alliance had managed to do this in a much more integrated way and this was generally recognized by the market. But also from a content point of view, it is fair to say that whereas competition law was the common pool of work for all of these offices, the development of regulatory and trade practices was probably stronger on the side of the Alliance member firms and benefitted in any event from their domestic competences. The Alliance’s ambition as regards the ‘global player’ concept was, in essence, the possibility of playing a major role in the pan-European work that was growing exponentially and of which UK and US firms were taking an every increasing part. The fundamental reason for believing that an Alliance approach in this area would be an additional strength, even for the AngloSaxon firms, was the fact that most of the domestic, i.e. national, systems in Europe were often traditionally based on the influence of either French, German, Dutch or other Continental European legal systems. This made it easier to evaluate the history and interpretation in the process of adapting these laws to the new European-wide rules and requirements. The contribution from the Alliance’s side was not only clients, office locations and trained lawyers, but also legal content and analysis. The Alliance had to recognize, however, that it was not in the driver’s seat for a large number of global deals, but certainly had the potential to take the driver’s seat in major 203
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deals initiated from European countries. What the Alliance wanted under all circumstances was to avoid becoming a ‘privileged’ supplier of legal opinions, since it was quite obvious that this need would disappear over time, and possibly quite rapidly. In the experience of the US joint office, large US firms were already working from a database of collected opinions in various areas which made them more than capable of handling most of the issues themselves, restricting the function of the legal opinion to an issue of insurance coverage. The visible advantage of the Alliance’s foreign offices would be an easy, immediately available resource on multi-jurisdiction advice in real time where necessary. Alliance lawyers working with a UK firm, at least in an initial period, would be able to provide a valuable contribution with their expertise. The obvious, and therefore not initially mentioned contribution, would be its client base and the quality and reputation of its lawyers. On the other hand it is fair to say that the Alliance and the member firms would greatly benefit from a UK link in a number of areas in which they were lagging behind: law management, business development, documentation, house-style, etc. The choice was thus whether to follow the ‘Club’ approach or the ‘Global Player’ approach. Everyone was aware of the weakness of the first approach; the content of the latter had to be explored and developed, but fall short of a mere take-over. The decision-making process was then set in motion and it absorbed a great deal of attention, interest and concerns in all of the firms. It was not an entirely ‘neutral’ decision, for pros and cons had to be identified and carefully considered. But a decision ultimately had to be taken. It is interesting to retrace the thinking and approach behind the perception at that time of how the Alliance could combine with a UK firm. Issues such as ambitions and values, quality commitments, cultural values (or risks) and deontological attitudes had to be taken into consideration in addition to the purely economic, commercial aspects related to work, clients, fees, conflicts of interest and the like. Furthermore, the structure of such combination needed to be addressed in such a way that the firms would feel comfortable with the expectations retained by them in their analysis process. In a memo from Uria on their firm’s view this was phrased as follows: “the model should carefully combine the merits inherent to a grouping of
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prestigious historic firms, deeply rooted into the respective national markets, with the increasing demand for multinational integrated practices”. In essence, this was an overhaul of the Alliance concept, which was not surprising since all firms had been working for over a year and a half on improving the functioning of the existing joint venture arrangement to make it more efficient, more integrated and effective. In the beginning of 1997 the general Alliance strategy received a great detail of attention, which was aimed at a realistic inventory of what the firms had done over the past years to converge rather than diverge. This concerned management policies, but also the exercise of the practice and the actions taken towards cooperation and true integration. That a more federal approach thus prevailed is no surprise. But this was not an obstacle to a number of clear (but not easy) common points to be resolved: one single place as domicile, one common distinctive name, a central management team, foreign integrated offices, some degree of financial integration, in particular of truly integrated practices regarding the transnational work. The first half of 1997 thus became a busy time and the UK link issue increasingly became a priority. This can best be seen from the preparation of the Alliance partner weekend of that year, planned for April 18 at the Golf hotel in Chantilly, with more than 200 partners attending. Originally, 4 workshops were planned so that partners could choose what appealed to them most and in order to have smaller groups to allow for some interactive discussion. The possibility of a UK Link was one of the 4 choices. This topic was moved from a session title to a full topic for the entire group, however, since it became quite obvious that if this were retained as an option session, the other sessions were likely to attract very little attention. This was even more so since an extensive report on the issue had been prepared by L. Van Lennep and Chris Sunt, who had been the driving forces behind the project all along. That the strategy was a primary issue is further evidenced by the fact that another item on the agenda was the steps towards a common name, for which a professional consultant, Landor, was retained. After the partner’s weekend and the discussion held there, things progressed quickly. In June, all partnerships had come to a formal decision within their partnerships, and this was a favourable decision to go forward and start the discussion process. However, they were concerned that the negotiations needed to be well prepared and that they should not act under undue time pressure. Sufficient autonomy to develop the national practice and retain all legal fields of practice existing within the member firms were prime concerns from the start. 205
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A discussion took place to decide whether the negotiation team needed to include a representative of each firm or whether it should be a more restrictive group. A further consideration was also whether the negotiating team needed to be composed of members of the Management team or not. The final decision was to have the negotiating team composed of a mixture of members and non- members of the Management Committee, and the negotiators were appointed (Roel Nieuwdorp, Pierre Nijnens, Philippe Sarraihlé, Per-Erik Hasselberg, Rudolf Cölle and Louis de Carlos Bertran). Their duty was to work out an MOU. A first internal Alliance meeting was organised for June 23, 1997 and the UK representatives were to join them in the evening. A due diligence list had to be prepared in the meantime and the member firms had to clarify what information they could and could not give. The expected information was such that certain information simply was not available in any event in the then structure and organization of the member firms. A draft text of the MOU was put on the table in order to focus the discussions. Issues which were debated over the next few months were, amongst others, the principle of subsidiarity in terms of the management and development of the member firms to ensure a sufficient degree of independence and control over the strategy for the national market of the member firm, the discussion of the system and method of profit-sharing within the group, the name, the letterhead, the US law practice and the possibility to opt out after a certain period. The profit-sharing issue was, as can be expected, a difficult one. After discussions, the Alliance worked out a compromise system which envisaged two steps: 25% of the profits in a first step, whereby the beginning of that step had yet to be defined, and 50% in a second step, also yet to be defined. Since these profit shifts could go in any possible direction, there would be a cap of 5% on the maximum amount of profits which one firm had to transfer to the common ‘pool’ of profits. There would be room for a discretionary allocation of 1% of the profits for unusual or exceptional performance, the criteria of which had been determined. This compromise position was found difficult to accept by the UK firm, however, on two components: the step to 50% and the cap of 5%. The debate thus needed to continue. I do not think it is important to go into the further details of the system that was finally agreed, however. The present comment serves only an illustration of the Alliance’s initial starting position, obviously after quite a bit of internal work and discussions, and which was confronted by the UK side. 206
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The next hard nut to crack was the name and the letterhead. As a result of the partners weekend and the proposal made by Landor, most of what Landor had suggested (including the proposed use of dual names: a combination of own name and the ‘common’ name) were deemed inappropriate. It was finally Michael Oppenhoff who proposed the use of ‘Linklaters and Alliance’ as the new brand name. The proposal was then put to Linklaters. It was initially not well received by Linklaters. They feared that it would merely be seen by the market as an extension of the present Alliance. Their concern was, in particular, the use of the name on a worldwide basis, whereas the use of a worldwide name was precisely the objective of the Alliance. Separate discussions between Linklaters and each of the firms then took place, a technique known since Roman times. New proposals and counterproposals were formulated, but no final decision could be reached at that time. With respect to the US law practice, the concern of both sides went in opposite directions. Linklaters feared that the International Board of Alliance would then be able to restrict or condition Linklaters’ development of their US practice. The Alliance feared that without a firm commitment to participate in the US development, Linklaters could reserve the development of the US practice for themselves. The decision was bivalent: it was agreed that there would be coordination in the development of the US practice, but Linklaters was greatly concerned about how quality could be ensured. In the discussions, Jeantet’s position remained somewhat unclear since the proposed financial arrangements raised some serious concerns internally within their firm and needed to be addressed separately. The issue for Jeantet was how the existing French practices of both parties would be combined. Linklaters had its own 60 lawyers’ office in Paris and the merger would require both firms to fully integrate both offices, or at least integrate them to a substantial degree. But this unfortunately did not seem feasible. Jeantet therefor decided not to participate in the move to a combined practice. A further setback was Uria’s decision not to participate in the MOU either. The French and Spanish withdrawals were both reported in the Euromoney publications in the following terms: “UK firms Linklaters & Paines is set to link up with four members of the Alliance of European Lawyers though Spanish member Uria & Menendez has surprisingly stayed out. The exclusion of the other member, French firm Jeantet & Associés, was expected: its opposition had been well documented and as reported in IFLrev. In May, Linklaters had suggested relying on its own office of 60 207
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lawyers in Paris. But that found little favour with Uria which had taken a partnership vote in February not to join without a recognized independent French law firm being part of any new group. Negotiations between Linklaters and Jeantet failed…” All points of the MOU were finally settled at the end of June 1998 and the official announcement was scheduled for July 22, 1998; a signing ceremony was organised at Chateau du Lac in Genval near Brussels, and anyone interested in the menu of the dinner following the ceremony can read the details below:
The start of the Linklaters & Alliance venture brought, as expected, the advantage of the UK marketing and organisational experience. At the time of the launching, new brochures had been already been prepared. A part of the initial leaflet containing some of the basic information is shown below:
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The MOU provided in its art. 1.1: ‘The Constituent Firms recognize and acknowledge that the signing of the Heads of Agreement is with the intention of further integration of the Constituent Firms with a view to creating a unified full service international law firm, including all the partners of the Constituent Firms’ The further integration needed some time and work and was required in particular to look at how the financial aspects of the integration would work. Therefor art. 5.41 stated as follows: ‘… a shared financial interest through which each of the Constituent Firms is linked in a meaningful way to the financial performance of L&A is an essential objective and is to be reached within no more than 3 years’. This report on structures and discussions is doing injustice to all the initiatives and actions undertaken by all partners and associates in the member firms during all those years. They are the ones that have given substance and content to the cooperation concept of Alliance through the Practice Groups that were organized and functioning in, but essentially between, the member firms. They not only benefitted in learning from each other, they produced a large number of documents and initiatives which demonstrated for the member firms and the clients the high quality standards aspired by all. The Linklaters accession provided a further boost in the approach towards marketing, communication and support services in addition to original and useful client products. A quite original publication was the strip-album on ‘Hostile Takeover Bid’ by Ph. Francq & Jean Van Hamme, or the booklet ‘Telecommunications and Electronic Business’ which was produced by the I,T&C Practice Group, headed by Michael Abels, which resulted from an earlier Asian Road show in Dec. 1998 and a seminar in Brussels in 1999. Although the agreement was only signed in July 1998, the request to start discussing the merger was already formulated within a year and working groups had been started by June 1999. The objective was to have a full merger agreement by June 2000 so that the merger could take effect on January 1, 2001. For these discussions, a memo dated April 1, 1999 was prepared by Richard Gordon, Stephan König and Kees Peijster: “Creating a unified firm”. This brings me to my conclusion: the Alliance was an innovator and was the first to take bold steps. Others have benefitted from the openings and directions thus created and have done so quickly. But ultimately the dream of a Continental European firm was not realized.
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The writer of this report made it clear when accepting the challenge to look back at Alliance that he would not go further than the commencement of the merger talks. Having not joined in the resulting merger it is considered more appropriate for another author to give a view on what transpired during that period.
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Genehmigungen von Auslandsinvestitionen als Gegenstand von Bedingungen in Angeboten nach dem WpÜG am Beispiel der Volksrepublik China Inhaltsübersicht
I. Einleitung
II. Chinesische Genehmigungs prozesse 1. Genehmigungsverfahren a) MOFCOM b) NDRC c) SASAC d) SAFE 2. Rechtsfolgen 3. Kontinuierliche Fortentwicklung III. Strukturierung von WpÜG-Angebotsbedingungen für staatliche Genehmigungen 1. Erwerbs- und Übernahme angebote 2. Pflichtangebote
IV. Zulässigkeit von Angebots bedingungen in Bezug auf die einzelnen chinesischen Genehmigungsvorbehalte für Auslandsinvestitionen 1. MOFCOM und NDRC a) Zulässigkeit im Allgemeinen b) Zulässigkeit bei Staatsunternehmen im Besonderen 2. SASAC 3. SAFE a) Zulässigkeit im Allgemeinen b) Zulässigkeit bei Staatsunternehmen im Besonderen
V. Verlängerung der Frist zur Einreichung der Angebotsunterlage zur Einholung von staatlichen Genehmigungen für Auslands investitionen
VI. Ergebnisse
I. Einleitung Genehmigungen staatlicher und quasi-staatlicher Aufsichtsbehörden sind ein Hauptanwendungsbereich von Angebotsbedingungen in Angeboten nach dem WpÜG. Der klassische Hauptanwendungsfall ist die Fusionskontrolle.1 Mit Bezug auf konkrete Industrien waren in der Vergangenheit vor allem bei Unternehmen der Finanzindustrie und Großkonzernen mit ent-
1 Vgl. die Übernahmeangebote der Volkswagen AG an die Aktionäre der MAN SE vom 31.5.2011, S. 49 ff.; der Diebold, Incorporated an die Aktionäre der Wincor Nixdorf AG vom 5.2.2016, S. 72 f.; und der HLDCO123 PLC an die Aktionäre der Deutsche Börse AG vom 1.6.2016, S. 103 f.
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sprechenden Tochterunternehmen bank-2 und börsenaufsichtsrechtliche3 Genehmigungen Gegenstand von Angebotsbedingungen. Daneben gab es aber beispielsweise auch eine Bedingung in Bezug auf medienrechtliche Gestattungen.4 Ein weiterer regelmäßiger Anwendungsfall ist die Investitionskontrolle durch den Herkunftsstaat der Zielgesellschaft bzw. ihrer Tochterunternehmen und Unternehmungen.5 In den letzten Jahren stoßen deutsche Unternehmen vermehrt auf das In teresse asiatischer und vor allem chinesischer Bieter. Während zunächst in erster Linie nicht-börsennotierte Zielgesellschaften im Blickpunkt des Erwerbsinteresses standen, ist die Entwicklung längst über diesen Punkt hinaus und es werden in jüngerer Vergangenheit immer mehr öffentliche Angebote an die Aktionäre von börsennotierten Zielgesellschaften durch chinesische oder chinesisch kontrollierte Bieter abgegeben, wie die Beispiele Lenovo/Medion6, Midea/KUKA7 und Grand Chip Investment/AIXTRON8 deutlich belegen. Im Gegensatz zu Unternehmen mit Sitz in der ganz überwiegenden Zahl westlicher Industrienationen unterliegen Auslandsinvestitionen chinesischer Unternehmen je nach konkreter Sachverhaltslage einem oder mehreren Gestattungsvorbehalten durch staatliche Stellen in der Volksrepublik China. Da auch Bietergesellschaften von in der Volksrepublik China ansässigen Konzernen nicht in die Verlegenheit kommen wollen, nach deutschem Recht zum Vollzug eines Angebots verpflichtet zu sein, das sie nach chinesischem Recht nicht erfüllen dürfen, stellt sich für sie die berechtigte Frage, inwieweit sie diese missliche Lage durch eine entsprechende Strukturierung der Angebotsbedingungen vermeiden können. 2 Vgl. die Übernahmeangebote der BNP Paribas Beteiligungsholding AG an die Aktionäre der DAB Bank AG vom 15.9.2014, S. 48 ff.; der UniCredito Italiano S.p.A. an die Aktionäre der Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG vom 26.8.2005, S. 31; und der Volkswagen AG an die Aktionäre der MAN SE vom 31.5.2011, S. 51 f. 3 Vgl. die Übernahmeangebote der HLDCO123 PLC an die Aktionäre der Deutsche Börse AG vom 1.6.2016, S. 104 ff.; und der Alpha Beta Netherlands Holding N.V. an die Aktionäre der Deutsche Börse AG vom 4.5.2011, S. 91 ff. 4 Vgl. das Übernahmeangebot der Axel Springer AG an die Aktionäre der ProSiebenSat.1 Media AG vom 16.9.2005, S. 28. 5 Vgl. die Übernahmeangebote der Volkswagen AG an die Aktionäre der MAN SE vom 31.5.2011, S. 52; und der Grand Chip Investment GmbH an die Aktionäre der Aixtron SE vom 29.7.2016, S. 20 ff. 6 Vgl. das Übernahmeangebot der Lenovo Germany Holding GmbH an die Aktionäre der Medion AG vom 28.6.2011. 7 Vgl. das Übernahmeangebot der MECCA International (BVI) Limited an die Aktionäre der Kuka AG vom 16.6.2016. 8 Vgl. das Übernahmeangebot der Grand Chip Investment GmbH an die Aktionäre der Aixtron SE vom 29.7.2016.
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Genehmigungen von Auslandsinvestitionen am Beispiel Volksrepublik China
Dieser Beitrag soll im Folgenden am Beispiel chinesischer Genehmigungsvorbehalte der Frage nachgehen, inwieweit solche staatlichen und quasi-staatlichen Genehmigungsvorbehalte zulässigerweise mittels einer Angebotsbedingung in einem WpÜG-Angebot adressiert werden dürfen, so dass die erforderliche Genehmigung zulässigerweise erst während oder ggf. nach der Annahmefrist eingeholt bzw. erteilt werden kann. Michael Oppenhoff war einer der ersten deutschen Anwälte, der sich auf die Beratung ausländischer, insbesondere anglo-amerikanischer Unternehmen bei der Übernahme deutscher Unternehmen konzentrierte. Es ist daher reizvoll, in einer ihm gewidmeten Arbeit am Beispiel Chinas darzulegen, wie sehr sich mit der unterschiedlichen Herkunft der Bieterkonzerne die mit der Übernahme verbundenen Fragen verändern können.
II. Chinesische Genehmigungsprozesse Das chinesische Recht der Auslandinvestitionen eignet sich für eine Untersuchung dieser Frage ganz besonders, da Bietergesellschaften von in der Volksrepublik China ansässigen Konzernen gleich mehrfachen Genehmigungsvorbehalten im Hinblick auf eine Auslandsinvestition unterworfen sein können. Diese sind insbesondere von der betroffenen Industrie und dem Investitionsvolumen abhängig. Auch der Sitz der Bietergesellschaft und des Zielunternehmens spielt eine Rolle. 1. Genehmigungsverfahren Für privatrechtliche Unternehmen (in Abgrenzung zu Staatsunternehmen) können für Auslandsinvestitionen Genehmigungen durch das Handelsministerium (Ministry of Commerce (MOFCOM)), die Nationale Reform- und Entwicklungskommission (National Development and Reform Commission (NDRC)) sowie hinsichtlich der Behandlung von Devisen die Staatliche Devisenverwaltung Chinas (State Administration Foreign Exchange (SAFE)) erforderlich sein. Sofern es sich bei dem Konzern der Bietergesellschaft um ein Staatsunternehmen handelt, ist ferner die chinesische Staatsbehörde zur Modernisierung und Umstrukturierung großer Staatsunternehmen (State-owned Assets Supervision and Administration Commission of the S tate Council (SASAC)) zuständig. Nicht von diesen Genehmigungsprozessen der Volksrepublik China erfasst werden Bieter mit Sitz in der Sonderverwaltungsregion Hongkong. Nach den jüngsten Änderungen im Frühjahr 2017 sind die chinesischen Genehmigungsverfahren für Auslandsinvestitionen inzwischen wie folgt strukturiert:
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a) MOFCOM aa) Allgemeines Das MOFCOM wird sowohl als Fusions- als auch Investitionskontrollbehörde tätig. Mit Hilfe der durch sein Antimonopolbüro wahrgenommenen Fusionskontrolle soll sicherstellt werden, dass der Wettbewerb durch Unternehmenszusammenschlüsse nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen wird. Im Rahmen der Investitionskontrolle werden sowohl Übernahmen chinesischer Unternehmen durch ausländische Investoren, als auch Investitionen, die von chinesischen Unternehmen im Ausland getätigt werden, vom MOFCOM überwacht. Ziel der Kontrolle von Inlandsinvestitionen ist es, den von ihnen ausgehenden Einfluss aus dem Ausland auf die chinesische Wirtschaft zu überwachen und ggf. zu limitieren. Mit der Überwachung von Auslandsinvestitionen soll hingegen gewährleistet werden, dass diese nicht die Souveränität, nationale Sicherheit und das öffentliche Interesse der Volksrepublik China beeinträchtigen oder gegen chinesisches Recht verstoßen, die Beziehungen der Volksrepublik China zu den Herkunftsländern und -regionen der Zielgesellschaften stören oder zum Erwerb von Unternehmen führen würden, die von der Volksrepublik China verbotene Produkte oder Technologien exportieren.9 Aus diesem Grund müssen Auslandsinvestitionen grundsätzlich vorab beim MOFCOM angemeldet werden. Bestimmte Auslandsinvestitionen erfordern die vorherige Genehmigung des MOFCOM. Die maßgeblichen Vorschriften zum Anmelde- bzw. Genehmigungsverfahren von Auslandsinvestitionen beim MOFCOM finden sich im Wesentlichen in einer Verfügung des MOFCOM hinsichtlich behördlicher Maßnahmen bei Auslandsinvestitionen (Ministry of Commerce Order [2014] No. 3 – Administrative Measures on Overseas Investments). bb) Zuständigkeiten und Verfahren Für die Investitionskontrolle werden beim MOFCOM zwei Zweige unterschieden – die zentralstaatliche Ebene (MOFCOM (National)) und die Provinz-Ebene (MOFCOM (Provinz)). Zur Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren entscheidet das MOFCOM auf zentralstaatlicher Ebene nur bei ganz bestimmten Vorhaben, während ein großer Teil der zu genehmigenden Vorhaben auf Provinz-Ebene bearbeitet wird.
9 Vgl. Art. 4 Ministry of Commerce Order [2014] No. 3 vom 6.9.2004; vgl. auch Homepage des MOFCOM, http://english.mofcom.gov.cn/column/mission2010. shtml, zuletzt abgerufen am 21.4.2017.
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Genehmigungen von Auslandsinvestitionen am Beispiel Volksrepublik China
Hinsichtlich des Genehmigungs- bzw. Anmeldevorbehalts für Auslands investitionen können grundsätzlich drei Fallgruppen unterschieden werden: ȤȤ Eine Genehmigung des MOFCOM ist erforderlich (Genehmigungsverfahren), wenn es sich um eine Auslandsinvestition in einer als sensibel eingestuften Branche oder Region handelt.10 Für ihre Erteilung ist das MOFCOM (National) zuständig. Als sensibel eingestufte Branchen sind solche, die Produkte und Technologien betreffen, deren Export von der Volksrepublik China eingeschränkt ist und Branchen, die Produkte betreffen, die die Interessen von mehreren Staaten oder Regionen betreffen. Bei Regionen, die als sensibel eingestuft sind, handelt es sich um Staaten, die keine diplomatischen Beziehungen zur Volksrepublik China pflegen oder die von den Vereinten Nationen sanktioniert werden.11 Wird dies vom MOFCOM als erforderlich angesehen, kann es jederzeit eine separate Liste von Staaten und Regionen erstellen, bei deren Beteiligung eine Genehmigung erforderlich sein soll.12 ȤȤ In allen anderen Fällen ist die betreffende Auslandsinvestition lediglich beim MOFCOM anzumelden (Anmeldeverfahren). Das MOFCOM (National) ist hierbei für das Anmeldeverfahren zuständig, wenn die Auslandsinvestition zwar nicht in einer als sensibel eingestuften Branche oder Region erfolgt, sie jedoch von einem staatseigenen Unternehmen auf zentralstaatlicher Ebene getätigt werden soll. ȤȤ Das MOFCOM (Provinz) ist hingegen zuständig, wenn es sich um eine Auslandsinvestition eines lokalen staatseigenen Unternehmens oder um ein sonstiges Unternehmen handelt.13 Für den Anmeldeprozess hat das MOFCOM grundsätzlich drei Arbeitstage Zeit.14 Der Wert der jeweiligen Investition ist für die Entscheidung hinsichtlich der Zuständigkeit heute unbeachtlich. Um einen möglichst reibungslosen Prozess zu gewährleisten, ist es ratsam, die jeweilige MOFCOM-Behörde – wie auch alle anderen für den Genehmigungsprozess zu beteiligenden Behörden – unter Berücksichtigung der einschlägigen Insidervorschriften bereits in einem frühen Stadium des Vorhabens einzubinden. Während zur Anmeldung von Auslandsinvestitionen lediglich Angaben auf einem standardisierten Formular (u. a. zum investierenden Unternehmen, der Zielgesellschaft und der Finanzierung) zu machen sind und dieses 10 Vgl. Art. 6 Abs. 2 Ministry of Commerce Order [2014] No. 3 vom 6.9.2004. 11 Vgl. Art. 7 Ministry of Commerce Order [2014] No. 3 vom 6.9.2004. 12 Vgl. Art. 7 Abs. 2 Ministry of Commerce Order [2014] No. 3 vom 6.9.2004. 13 Vgl. Art. 9 Abs. 1 Ministry of Commerce Order [2014] No. 3 vom 6.9.2004. 14 Vgl. Art. 9 Abs. 3 Ministry of Commerce Order [2014] No. 3 vom 6.9.2004.
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zusammen mit einer Kopie der Gewerbeerlaubnis einzureichen ist15, sind im Rahmen des Genehmigungsverfahrens beim MOFCOM (National) weitergehende Unterlagen erforderlich. Neben Angaben auf einem Antragsformular u. a. zum investierenden Unternehmen, dem Zielunter nehmen, dem Geschäftsfeld, dem Wert der Transaktion und der Finanzierung und einer Kopie der Gewerbeerlaubnis sind Angaben auf einem weiteren über das Verwaltungssystem generierten Antragsformular und vor allem die für die Auslandsinvestition relevanten Verträge sowie Unterlagen der zuständigen Behörden zur Genehmigung des Exports von Produkten, deren Export von der Volksrepublik China eingeschränkt ist, an das MOFCOM (National) zu übermitteln.16 Weitere Unterlagen können vom MOFCOM im Einzelfall nachgefordert werden. Im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens ist es ferner erforderlich, dass die Auslandsvertretung in dem Land der geplanten Transaktion Stellung nimmt.17 Im Fall von Unternehmenskäufen in Deutschland ist demnach die chinesische Botschaft in Berlin einzubeziehen und ihr die wesentlichen Informationen zur Transaktion zur Verfügung zu stellen. Insgesamt soll das MOFCOM innerhalb von 20 bis 30 Arbeitstagen über ein Genehmigungsverfahren entscheiden.18 cc) Untersagungsgründe Die Genehmigung auf einen Antrag kann vom MOFCOM (National) nach den geltenden Vorschriften versagt werden, wenn die jeweilige Auslandsinvestition (i) die Souveränität, die nationale Sicherheit oder das öffentliche Interesse der Volksrepublik China gefährdet oder gegen chinesisches Recht verstößt, (ii) die Beziehungen der Volksrepublik China zu den betreffenden Ländern und Regionen der Zielgesellschaft stört, (iii) gegen internationale Abkommen und Verträge, die von der Volkrepublik China abgeschlossen wurden, verstößt oder (iv) zum Erwerb von Unternehmens führen würden, die von der Volksrepublik China verbotene Produkte oder Technologien exportieren.19 Wird das Genehmigungs- bzw. Anmeldeverfahren erfolgreich absolviert, erstellt das MOFCOM ein Zertifikat, das es dem investierenden Unterneh-
15 Vgl. Art. 9 Abs. 2 Ministry of Commerce Order [2014] No. 3 vom 6.9.2004. 16 Vgl. Art. 10 Ministry of Commerce Order [2014] No. 3 vom 6.9.2004. 17 Vgl. Art. 11 Ministry of Commerce Order [2014] No. 3 vom 6.9.2004. 18 Vgl. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Ministry of Commerce Order [2014] No. 3 vom 6.9.2004. 19 Vgl. Art. 4 Ministry of Commerce Order [2014] No. 3 vom 6.9.2004.
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men erlaubt, die jeweilige Auslandsinvestition vorzunehmen.20 Ohne das Zertifikat darf das Vorhaben hingegen nicht durchgeführt werden. b) NDRC aa) Allgemeines Die NDRC beaufsichtigt die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Volksrepublik China, um diese zu fördern und im Gleichgewicht zu halten. Im Rahmen dessen überwacht sie beispielsweise maßgebliche Projekte in der chinesischen Wirtschaft und erlässt erforderliche Empfehlungen oder Regelwerke.21 Auslandsinvestitionsvorhaben erfordern daher auch ihre Genehmigung oder müssen bei ihr angemeldet werden. Die Grundlage hierfür bildet die von der NDRC erlassene Bekanntmachung von Maßnahmen hinsichtlich der Genehmigung und Anmeldung von Auslandsinvestitionen (Administrative Measures on Approval and Filing for Outbound Investment Projects). bb) Zuständigkeiten und Verfahren Wie im Fall des MOFCOM unterscheidet man bei ihr zwei Zweige, die nationale und die Provinz-Ebene (NDRC (National) und NDRC (Provinz)). Ihre Zuständigkeit richtet sich insbesondere nach dem Volumen der jeweiligen Transaktion und dem jeweiligen Industriezweig oder der Region, in dem das Unternehmen tätig ist.22 Wie beim MOFCOM empfiehlt es sich auch bei der NDRC, diese unter Berücksichtigung der insiderrechtlichen Vorschriften bereits vor Einreichung des formellen Antrags auf Geneh migung über die beabsichtigte Transaktion in Kenntnis zu setzen. Für Vorhaben, deren Wert USD 300 Mio. übersteigt, ist vorab ein Bericht einzureichen, der die grundlegenden Informationen zum Investor und zur beabsichtigten Transaktion enthält. Sofern keine Einwände bestehen, ver sendet die NDRC daraufhin innerhalb von etwa sieben Arbeitstagen ein Bestätigungsschreiben an den jeweiligen Investor, ohne welches der weitere Genehmigungs- bzw. Anmeldeprozess nicht erfolgen kann.23 Ob ein Genehmigungs- oder Anmeldeverfahren bei der NDRC zu durchlaufen ist, hängt – wie im Fall der MOFCOM – davon ab, ob das jeweilige 20 Vgl. Art. 8 Ministry of Commerce Order [2014] No. 3 vom 6.9.2004. 21 Vgl. Homepage der NDRC, http://en.ndrc.gov.cn/mfndrc/, zuletzt abgerufen am 21.4.2017. 22 Vgl. Art. 7 f. Administrative Measures on Approval and Filing for Outbound Investment Projects der NDRC vom 27.12.2014. 23 Vgl. Art. 10 Administrative Measures on Approval and Filing for Outbound Investment Projects der NDRC vom 27.12.2014.
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Investitionsvorhaben in einer als sensibel eingestuften Industrie oder Region erfolgt. Hierzu zählen im Hinblick auf Industrien u. a. die grundlegenden Telekommunikationsdienste, die Strom- und Wasserversorgung und die Informationsmedien und im Hinblick auf Staaten, die keine diplomatischen Beziehungen zur Volksrepublik China pflegen oder für die internationale Sanktionen gelten.24 Ist ein solcher Fall gegeben, ist für die Durchführung des Vorhabens eine Genehmigung der NDRC (National) erforderlich. Liegt der Wert der Transaktion zudem über USD 2 Mrd., muss ferner der Staatsrat seine Genehmigung erteilen.25 Die übrigen Investitionen, die nicht in einer als sensibel geltenden Branche oder Region getätigt werden, sind bei der NDRC grundsätzlich nur anzumelden. Für die konkrete Zuständigkeit ist maßgeblich, ob ihr Wert USD 300 Mio. und mehr beträgt oder unter diesem Schwellenwert liegt. Vorhaben mit einem Wert von weniger als USD 300 Mio. sind bei der NDRC (Provinz), und solche von mindestens USD 300 Mio. bei der NDRC (National) anzumelden.26 Während der Anmeldeprozess lediglich Angaben auf einem standardisierten Formular mit beigefügtem Letter of Intent oder einer Rahmenvereinbarung erfordert und nur ungefähr sieben Arbeitstage bis zum Erlass einer Bestätigung der Anmeldung in Anspruch nimmt, ist für das Genehmigungsverfahren ein umfassenderer Projektantrag erforderlich und mit einer Prüfungszeit von etwa 20 bis 30 Arbeitstagen zu rechnen. Anschließend erteilt die NDRC die Genehmigung oder Ablehnung oder leitet den Antrag ggf. an den Staatsrat weiter.27 Bei Beteiligung des Staatsrats kann nicht sicher vorhergesagt werden, wie lange der Prozess dauern wird. Der einzureichende Projektantrag hat grundlegende Angaben zu dem Projekt zu enthalten. Hierzu zählen Informationen zu den wesentlichen Bedingungen, dem Projekthintergrund und Investitionsumfeld, den spezifischen Risiken, dem relevanten Markt, dem Investitionsvolumen und der Finanzierung. Dem Projektantrag sind ferner die Entscheidung der Geschäftsführung bzw. des Vorstands des Bieters und der Letter of Intent in Bezug auf die Finanzierung durch die finanzierende Bank beizufügen.28
24 Vgl. Art. 7 Abs. 2 und 3 Administrative Measures on Approval and Filing for Outbound Investment Projects der NDRC vom 27.12.2014. 25 Vgl. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 Administrative Measures on Approval and Filing for Outbound Investment Projects der NDRC vom 27.12.2014. 26 Vgl. Art. 8 Administrative Measures on Approval and Filing for Outbound Investment Projects der NDRC vom 27.12.2014. 27 Vgl. Art. 16 Administrative Measures on Approval and Filing for Outbound Investment Projects der NDRC vom 27.12.2014. 28 Vgl. Art. 12 Administrative Measures on Approval and Filing for Outbound Investment Projects der NDRC vom 27.12.2014.
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cc) Untersagungsgründe Sowohl die Genehmigung eines Projektantrags als auch die Anmeldung eines Investitionsvorhabens können insbesondere untersagt werden, wenn die Transaktion nicht mit dem chinesischen Recht im Einklang steht, oder durch sie die Souveränität, Sicherheit, das öffentliche Interesse der Volksrepublik China oder internationale Abkommen verletzt werden. Des Weiteren muss sie mit den Anforderungen der nachhaltigen Entwicklung der Wirtschaft und Gesellschaft sowie den einschlägigen Vorschriften für Finanzprojekte im Einklang stehen und der Bieter die erforderliche Investitionskraft besitzen.29 Wird die Genehmigung nicht erteilt oder das Bestätigungsschreiben hinsichtlich der Anmeldung nicht erlassen, ist es nicht zulässig, das jeweilige Investitionsvorhaben durchzuführen.30 c) SASAC aa) Allgemeines Die SASAC überprüft Investitionen, die von staatseigenen Unternehmen getätigt werden. Ihr Ziel ist es, die dem Staat gehörenden Unternehmen im Sinne des chinesischen Volkes zu verwalten und damit auch auf die mit ihnen verbundenen Einnahmen Einfluss zu nehmen sowie Verluste zu vermeiden.31 Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf Fälle mit Auslandsberührung gelegt. Beabsichtigt ein staatseigenes Unternehmen eine Auslandsinvestition zu tätigen, ist daher eine Genehmigung der SASAC erforderlich. bb) Zuständigkeiten und Verfahren Anhand einer sog. Negativliste, welche im Detail erst noch veröffentlicht werden soll, sind für die jeweiligen Staatsunternehmen Investitionen in bestimmte Branchen kategorisch ausgeschlossen.32 Nach der bisherigen Praxis ist zu erwarten, dass hierzu insbesondere die Bereiche Telekommunikation und Medien gehören werden. Für weitere festgelegte Industriezweige ist eine Auslandsinvestition nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern nur
29 Vgl. Art. 18 und 22 Administrative Measures on Approval and Filing for Outbound Investment Projects der NDRC vom 27.12.2014. 30 Vgl Art. 24 und 25 Administrative Measures on Approval and Filing for Outbound Investment Projects der NDRC vom 27.12.2014. 31 Vgl. Art. 4 Measures for Supervision and Administration of Outbound Investment by Centrally Administered Enterprises der SASAC vom 7.1.2017. 32 Vgl. Art. 9 Measures for Supervision and Administration of Outbound Investment by Centrally Administered Enterprises der SASAC vom 7.1.2017.
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nach vorheriger Genehmigung durch die SASAC erlaubt.33 Hierzu ist der SASAC ein Bericht über die geplante Auslandsinvestition, die relevanten gesellschaftsrechtlichen Genehmigungen, eine Machbarkeitsstudie, ein Finanzierungsplan und ein Bericht zur Risikovermeidung zu übermitteln. Im Einzelfall können von der SASAC weitere Unterlagen angefordert werden.34 Der Antrag zur Genehmigung muss als erster Schritt nach dem Vertragsschluss und noch vor der Einleitung von Verfahren beim MOFCOM und der NDRC eingereicht werden. Möchten Staatsunternehmen einer Provinz oder Stadt eine Auslandsinvestition tätigen, werden die geltenden Bestimmungen jedoch durch lokale Anforderungen ergänzt oder ersetzt. Für die Prüfung hat die SASAC 20 Arbeitstage Zeit.35 cc) Untersagungsgründe Die SASAC soll das jeweilige investierende Staatsunternehmen und das Vorhaben u. a. hinsichtlich der mit ihm verbundenen Risiken, der Kapitalstruktur, Umsätzen und Ausstiegsmöglichkeiten analysieren, um vor allem Verluste zu vermeiden. Die Gründe, die zu einer Versagung der Genehmigung führen können, sind allerdings nicht in Vorschriften niedergelegt. Aufgrund dessen und der Tatsache, dass der SASAC bei ihrer Prüfung ein umfangreiches Ermessen zukommt, lässt sich schwerer als in anderen Verfahren vorhersagen, in welchen Fällen die Erteilung einer Genehmigung verwehrt wird. Ergeht keine Genehmigung, hat dies zur Folge, dass die Durchführung der geplanten Transaktion nicht zulässig ist. d) SAFE aa) Allgemeines Um sich vor Risiken aus grenzüberschreitenden Kapitalflüssen zu schützen und die Stabilität der Landeswährung Renminbi-Yuan zu wahren, bestehen in China für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr Beschränkungen hinsichtlich des Fremdwährungsaustauschs. Die in diesem Zusammenhang notwendige Überwachung wird von der SAFE wahrgenommen.36 33 Vgl. Art. 9 Measures for Supervision and Administration of Outbound Investment by Centrally Administered Enterprises der SASAC vom 7.1.2017. 34 Vgl. Art. 12 Measures for Supervision and Administration of Outbound Investment by Centrally Administered Enterprises der SASAC vom 7.1.2017. 35 Vgl. Art. 12 Measures for Supervision and Administration of Outbound Investment by Centrally Administered Enterprises der SASAC vom 7.1.2017. 36 Vgl. auch Homepage der SAFE, http://www.safe.gov.cn/wps/portal/english/ AboutSAFE/Major, zuletzt abgerufen am 21.4.2017.
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Entsprechend einer Bekanntmachung der SAFE müssen chinesische Unternehmen den Tausch von chinesischer Währung in eine andere Währung oder die Verwendung von ausländischen Währungen bei der relevanten SAFE-Behörde anmelden und registrieren lassen. Neben der Zentrale der SAFE in Peking gibt es weitere lokale und regionale Niederlassungen.37 Neue währungspolitische Erwägungen waren im Frühjahr 2017 der Grund für weitere Änderungen in der bisherigen Praxis bezüglich Auslandsinvestitionen. Während die chinesische Regierung weiterhin strategische Auslandsinvestitionen von chinesischen Unternehmen fördert, sollen Investitionen, die lediglich finanziell motiviert erscheinen und für das Kerngeschäft der investierenden Unternehmen nicht förderlich erscheinen, reguliert werden. Zu diesem Zweck werden die Unternehmen dazu verpflichtet, ihre wirtschaftliche Zielsetzung für die beabsichtigte Investition darzulegen. Auslandsinvestitionen sollten daher idealerweise von Industrieunternehmen getätigt werden, die finanzstark sind und strategische Ziele verfolgen. Ferner sollte die jeweilige Investition zu Synergieeffekten im Geschäft des Investors und des Zielunternehmens führen, mit Chinas nationaler Strategie im Einklang stehen und keinen erheblich hohen Wert aufweisen. bb) Zuständigkeiten und Verfahren Die Kontrolle durch die SAFE erfolgt sowohl hinsichtlich der eigentlichen Kaufpreiszahlung als auch einer möglichen zu leistenden Anzahlung für die Transaktion. Die SAFE ist im Rahmen der Überwachung jedoch grundsätzlich nie unmittelbar involviert. Vielmehr bearbeiten und entscheiden die unter ihrer Aufsicht stehenden Banken zunächst die Fälle und die SAFE nimmt lediglich eine nachträgliche Überprüfung vor.38 Für den Fall, dass für die jeweilige Transaktion eine Anzahlung zu leisten ist, richtet sich das Verfahren nach deren Höhe. Handelt es sich um eine Anzahlung von weniger als USD 3 Mio. und weniger als 15 % des Werts der Auslandsinvestition, ist die Zahlung an die SAFE zu melden, indem entsprechende Angaben auf einem Standardformular an die beauftragte Bank übermittelt werden. Bei einer Anzahlung, die mehr als USD 3 Mio. oder mehr als 15 % des Werts der Investition beträgt, ist bei der beauftragten Bank mit einem Erläuterungsschreiben eine Genehmigung einzuholen, die diese im Namen der SAFE erteilt. Übersteigt die Anzahlung USD 5 Mio., muss dies von der jeweiligen Bank zusätzlich an die Zentrale der SAFE in Peking gemeldet wer37 Vgl. auch Art. 3 des Circular of the State Administration of Foreign Exchange on Issuing the Regulations on Foreign Exchange Administration of the Overseas Direct Investment of Domestic Institutions vom 13.7.2009. 38 Vgl. auch die Bekanntmachung der SAFE vom 13.2.2015 – Hui Fa [2015] No. 3 (Notice of the State Administration of Taxation on Further Simplifying and Improving the Foreign Exchange Management Policies for Direct Investment).
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den und ein besonderes Prüfungsverfahren absolviert werden. Aufgrund der relativ neuen Praxis gibt es hinsichtlich der Bestimmungen noch keine wirklich verlässliche Schätzung der Verfahrensdauer. Nach der bisherigen Praxis sollte das lokale Verfahren drei Arbeitstage in Anspruch nehmen, könnte jedoch nach den letzten Neuerungen auch länger dauern. Auch im Fall von Anzahlungen im Wert von über USD 5 Mio. ist die Dauer des Verfahrens derzeit noch recht ungewiss. Die eigentliche für die Auslandsinvestition zu tätigende Zahlung des Kaufpreises muss registriert werden. Dies geschieht anhand eines standardisierten Antragsformulars seit Kurzem bei der jeweiligen Bank und bei kleineren Beträgen nicht mehr bei der SAFE. Übersteigt die Zahlung USD 5 Mio., muss dies von der jeweiligen Bank zusätzlich an die Zentrale der SAFE in Peking gemeldet werden und ein besonderes Prüfungsverfahren absolviert werden. Neben der Einreichung des Antrags sind Angaben zur Herkunft der verwendeten Devisen, eine Steuerbescheinigung sowie die Vorlage der weiteren Behördengenehmigungen in Bezug auf die Auslandsinvestition, also der MOFCOM und NDRC, erforderlich. Grundsätzlich kann die Registrierung direkt nach der jeweiligen Anmeldung abgeschlossen werden, wobei es noch zu früh ist, die Auswirkungen der Neuerungen auf die bisherige Handhabung vollumfänglich einzuschätzen. Werden für den Kaufpreis Mittel von außerhalb Chinas in Anspruch genommen, gelten abweichende Voraussetzungen. cc) Untersagungsgründe Eine Versagung der jeweiligen Zahlung kommt in Betracht, wenn sie mit den Zielsetzungen der SAFE nicht vereinbar erscheint oder Zweifel an der Glaufhaftigkeit der zu ihr gemachten Angaben bestehen. Bei der Beurteilung kommt den für die SAFE handelnden Banken jedoch ein umfangreiches Ermessen zu. Wurde der Anmeldeprozess nicht erfolgreich abgeschlossen, ist es nicht erlaubt, die jeweilige Zahlung vorzunehmen. 2. Rechtsfolgen Hat das chinesische Unternehmen nicht die jeweils erforderlichen behördlichen Genehmigungen erhalten, ist es ihm untersagt, die Transaktion abzuschließen bzw. die häufig nicht nach chinesischem Recht organisierte Bietergesellschaft abschließen zu lassen.39 Das ist allem Anschein nach auch nicht nur ein abstraktes Risiko: Zwar sind bisher in bedeutenden Fällen kaum Untersagungen öffentlich geworden, aber das kann durchaus den 39 Vgl. u. a. Art. 24 und 25 Administrative Measures on Approval and Filing for Outbound Investment Projects der NDRC vom 27.12.2014.
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kulturellen und politischen Hintergrund haben, dass sich die chinesischen Erwerbsinteressenten nicht öffentlich in Widerspruch zu den staatlichen Stellen der Volksrepublik stellen wollen. Jedenfalls sind in einer Reihe von Auktionen chinesische Bieter sehr plötzlich und ohne offensichtlichen anderen Grund aus dem Verfahren ausgeschieden. In den Fällen der angedachten Erwerbe von Dick Clark Productions durch Dalian Wanda40, von Starwood Hotels durch Anbang41 oder von Novo Banco durch Minsheng Bank42 ging die Presse davon aus, dass den chinesischen Unternehmen bedeutet worden war, dass das Unterfangen kaum Aussicht habe, gestattet zu werden. Die kulturelle und politische Neigung, einen öffentlichen Disput lieber zu vermeiden, dürfte andererseits eher von den Erwerbsinteressenten als den staatlichen Stellen Chinas ausgehen, so dass diese Neigung keine Gewähr dafür bietet, dass die Genehmigung schon erteilt werden wird, wenn sie einmal Gegenstand des veröffentlichten Angebots geworden ist. 3. Kontinuierliche Fortentwicklung Bei den vorstehend dargestellten Genehmigungsvorbehalten ist nur der Wandel beständig. Sie sind Gestaltungsmittel einer durchaus aktiv verfolgten Industriepolitik und deshalb mehr als entsprechende Genehmigungserfordernisse westlicher Industrienationen konstant Veränderungen – auch grundlegender Natur – unterworfen. Es ist also stets zu prüfen und im Verfahren über die Gestattung der Veröffentlichung der jeweiligen Angebotsunterlage ggf. der BaFin darzulegen, ob die Verfahren materiell verändert worden sind.
III. Strukturierung von WpÜG-Angebotsbedingungen für staatliche Genehmigungen Angesichts der schwerwiegenden Belastungen, die ein öffentliches Angebot für die Zielgesellschaft, deren Organe und Aktionäre mit sich bringt und zum Schutz der Integrität des Kapitalmarkts schränkt das WpÜG bekanntlich die Rückzugsmöglichkeiten eines Bieters nach Veröffentlichung eines Angebots stark ein. So muss die durch den Bieter eingereichte Angebotsun40 Barber/Clover, Financial Times, 19.4.2017, Wang Jianlin confirms China blocked Wanda’s US TV deal, abgerufen unter: https://www.ft.com/content/bbb231ea-23 5f-11e7-8691-d5f7e0cd0a16, zuletzt abgerufen am 21.4.2017. 41 Reuters, 1.4.2017, Hotelriese Marriott bei Starwood-Übernahme auf Zielgerade, abgerufen unter: http://de.reuters.com/article/usa-marriott-starwood-idDE KCN0WY3JS, zuletzt abgerufen am 21.4.2017. 42 Wise, Financial Times, 5.1.2017, Lone Star enters final talks to acquire Novo Banco, abgerufen unter: https://www.ft.com/content/962f060e-d338-11e6-b06b680c49b4b4c0, zuletzt abgerufen am 21.4.2017.
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terlage verbindlich sein. Auch darf der Bieter weder eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (invitatio ad offerendum) auf Verkauf ihrer Wertpapiere an die Aktionäre der Zielgesellschaft richten (§ 17 WpÜG) noch darf er sein Angebot unter einen Widerrufs- oder Rücktrittsvorbehalt stellen (§ 18 Abs. 2 WpÜG). 1. Erwerbs- und Übernahmeangebote So ist es nur konsequent, wenn § 18 Abs. 1 WpÜG es dem Bieter verbietet, sein Angebot von Bedingungen abhängig zu machen, deren Eintritt er selbst, mit ihm gemeinsam handelnde Personen oder deren Tochterunternehmen oder im Zusammenhang mit dem Angebot für diese Personen oder Unternehmen tätige Personen ausschließlich selbst herbeiführen können. Auch damit soll die Bindungswirkung des Angebots erhöht und Rückzugsmöglichkeiten aufgrund späterer Willensänderung ausgeschlossen werden. Die Erweiterung des Verbotstatbestands auf gemeinsam handelnde Personen, deren Tochterunternehmen und sonstige Hilfspersonen dient dem Umgehungsschutz – der Gesetzgeber will alle Personen erfassen, die im Lager des Bieters stehen.43 Damit darf nach § 18 Abs. 1 WpÜG ein Angebot nicht unter eine Potestativbedingung gestellt werden.44 Das Verbot umfasst dabei sowohl aufschiebende als auch auflösende Bedingungen45, so dass es irrelevant ist, ob der Bieter den Eintritt einer auflösenden Bedingung einseitig herbeiführen oder den Eintritt einer aufschiebenden Bedingung einseitig verhindert kann. Eingeschränkt wird dieses Verbot wiederum dadurch, dass es ausschließlich der Bieter bzw. die sonstigen erfassten Personen sein müssen, von deren Willen der Bedingungseintritt abhängt. Dies ist gerade in Bezug auf das hier in Rede stehende Thema regulatorischer Genehmigungsvorbehalte von Bedeutung, da deren Erteilung in aller Regel von Anträgen und der Beibringung von Informationen und Unterlagen durch den Bieter abhängt. Insofern wäre es zwar theoretisch möglich, dass der Bieter die für behördliche Genehmigungen erforderlichen Anträge, Informationen und Unterlagen nicht, nicht vollständig oder verspätet einreicht, so dass die behördliche Genehmigung, die Gegenstand der Angebotsbedingung ist, nicht oder nicht rechtzeitig erteilt wird. Dennoch sind auf behördliche Genehmi43 Vgl. auch Geibel/Süßmann in Angerer/Geibel/Süßmann, 3. Aufl. 2017, § 18 WpÜG Rz. 15; Wackerbarth in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2011, § 18 WpÜG Rz. 10. 44 Oechsler in Ehricke/Ekkenga/Oechsler, 2003, § 18 WpÜG Rz. 2; Merkner/Sustmann in Baums/Thoma/Verse, Stand: August 2016, § 18 WpÜG Rz. 32 ff. 45 Krause/Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, 2. Aufl. 2013, § 18 WpÜG Rz. 13a; Scholz in Frankfurter Kommentar WpÜG, 3. Aufl. 2008, § 18 WpÜG Rz. 21.
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gungen abstellende Angebotsbedingungen nicht als Potestativbedingungen zu qualifizieren, da die erforderlichen Mitwirkungshandlungen seitens des Bieters lediglich der Vorbereitung der Genehmigungsentscheidung seitens der zuständigen Behörde dienen. Mithin verbleibt die alleinige Entscheidungsgewalt über die Erteilung der behördlichen Genehmigung bei dieser Behörde und die entsprechende Angebotsbedingung kann nicht ausschließlich vom Bieter oder einer in seinem Lager stehenden Person selbst herbeigeführt werden. Auch ist der Bieter verpflichtet, die entsprechenden Anträge einzureichen und Informationen und Unterlagen beizubringen.46 Nicht verpflichtet ist der Bieter hingegen, sich auf Aufforderung der entsprechenden Behörden zu bestimmten Maßnahmen, wie z. B. der Veräußerung von Unternehmensteilen zu verpflichten um die Erteilung einer Genehmigung zu erreichen.47 Neben § 18 Abs. 1 WpÜG sind Angebotsbedingungen an der Anforderungstrias der Bestimmtheit, der Transparenz und der Übereinstimmung mit dem Beschleunigungsgrundsatz zu messen.48 Dabei sind die Bestimmtheit und Transparenz bei staatlichen Genehmigungsvorbehalten in aller Regel unproblematisch. Für die Frage, ob die Bedingung erfüllt ist, kann in den meisten Fällen an die Erteilung der Genehmigung oder das Auslaufen von Fristen, innerhalb derer die Behörde das angemeldete Zusammenschlussvorhaben untersagen kann, angeknüpft werden. Der in § 3 Abs. 4 WpÜG statuierte Beschleunigungsgrundsatz erfordert im Ansatz, dass der Eintritt oder der Ausfall der Bedingung grundsätzlich am Ende der Annahmefrist49, oder genauer spätestens zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der 46 Vgl. auch Geibel/Süßmann in Angerer/Geibel/Süßmann, 3. Aufl. 2017, § 18 WpÜG Rz. 9; Krause/Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, 2. Aufl. 2013, § 18 WpÜG Rz. 26 und 43; Scholl/Siekmann, BKR 2013, 316, 318. 47 Vgl. z. B. die Mitteilung der London Stock Exchange Group vom 26.2.2017 (RNS Nummer: 8593X), abgerufen unter: http://www.londonstockexchange. com/exchange/news/market-news/market-news-detail/LSE/13139501.html, zuletzt abgerufen am 21.4.2017; die Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 29.3.2017, abgerufen unter: http://europa.eu/rapid/press-release_IP17-789_de.htm, zuletzt abgerufen am 21.4.2017. 48 Krause/Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, 2. Aufl. 2013, § 18 WpÜG Rz. 31 ff.; BaFin-Jahresbericht 2005, S. 174; vgl. für einen besonders umfangreichen Bedingungskatalog das Übernahmeangebot der Viacom Holdings Germany LLC an die Aktionäre der VIVA Medien AG vom 24.8.2004, S. 26 ff.; vgl. hierzu die Übersicht der in der Praxis verwendeten Bedingungen bei Drinkuth in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl. 2014, § 60 Rz. 114. 49 BaFin-Jahresbericht 2006, S. 183; in einem Einzelfall ist es dem Bieter gelungen, entgegen dem insoweit geltenden Beschleunigungsgrundsatz ein Angebot unter eine Bedingung des Nichteintritts aufschiebender Bedingungen bis zum Ende der weiteren Annahmefrist zu stellen, vgl. das Übernahmeangebot der 2026140 Ontario Inc. an die Aktionäre der W.E.T. Automotive Systems AG vom 26.6.2003,
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Ergebnisbekanntmachung nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG50 feststehen muss. Da manche Genehmigungsverfahren in schwierigen Fällen auch viele Monate andauern und damit über die nach dem WpÜG maximal zulässige Angebotsdauer hinausgehen können, hieße es aber Unmögliches vom Bieter zu verlangen, wollte man ihn auf einen Bedingungseintritt bei Ende der Annahmefrist verweisen. Unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung lassen die BaFin51 und die h. M.52 Ausnahmen vom Beschleunigungsgrundsatz für den Fall zu, dass der Bieter wegen des Erwerbs der Beteiligung an der Zielgesellschaft behördliche oder gerichtliche Genehmigungen oder Freigaben einholen muss. Dies gilt sowohl für inländische als auch für ausländische Genehmigungsvorbehalte.53 Der Bieter muss dann aber ein an der tatsächlich zu erwartenden maximalen Verfahrensdauer bemessenes Verfallsdatum für den spätestmöglichen Bedingungseintritt vorsehen und den annehmenden Aktionären entweder die Möglichkeit einräumen, die eingereichten Aktien an der Börse zu handeln oder vom Angebot zurückzutreten, um ihnen eine angemessene Desinvestitionsmöglichkeit zu erhalten.54 Schließlich weist § 13 WpÜG die Verantwortung für die Finanzierung der Angebotsgegenleistung vollständig dem Bieter zu. Deshalb herrscht im Ergebnis Einigkeit darüber, dass der Bieter sein Angebot auch nicht unter die Bedingung des Erhalts oder Fortbestands dieser Finanzierung stellen darf.55
S. 13. Die BaFin würde eine solche Bedingung heute im Zweifel nicht mehr genehmigen. 50 Oppenhoff in Beck’sches Handbuch der AG, 2. Aufl. 2009, § 27 Rz. 66. 51 BaFin-Jahresbericht 2004, S. 205; BaFin-Jahresbericht 2005, S. 174; Merkblatt der BaFin zur Auslegung des § 35 Abs. 3 WpÜG vom 12.7.2007. 52 Fleischer, NZG 2002, 545, 550; Geibel/Süßmann in Angerer/Geibel/Süßmann, 3. Aufl. 2017, § 18 WpÜG Rz. 58; Krause/Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, 2. Aufl. 2013, § 18 WpÜG Rz. 43; Merkner/Sustmann in Baums/Thoma/Verse, Stand: August 2016, § 18 WpÜG Rz. 45; Noack/Holzborn in Schwark/ Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 18 WpÜG Rz. 6; Scholl/Siekmann, BKR 2013, 316, 318. 53 Vgl. die Übernahmeangebote der HLDCO123 PLC an die Aktionäre der Deutsche Börse AG vom 1.6.2016, S. 79 ff.; und der Volkswagen AG an die Aktionäre der MAN SE vom 31.5.2011, S. 35 ff.; vgl. auch Krause/Favoccia in Assmann/ Pötzsch/Uwe H. Schneider, 2. Aufl. 2013, § 18 WpÜG Rz. 51. 54 Geibel/Süßmann in Angerer/Geibel/Süßmann, 3. Aufl. 2017, § 18 WpÜG Rz. 61; Holzborn/Israel, BRK 2002, 982, 985 und 988; Wackerbarth in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2011, § 18 WpÜG Rz. 23. 55 Marsch-Barner/Oppenhoff in Baums/Thoma/Verse, Stand: August 2016, § 13 WpÜG Rz. 37; Hasselbach in KölnKomm. WpÜG, 2. Aufl. 2010, § 18 WpÜG Rz. 84; Noack/Holzborn in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 13 WpÜG Rz. 22.
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2. Pflichtangebote Pflichtangebote sind nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich bedingungsfeindlich.56 Das ist im Wortlaut des WpÜG unglücklich umgesetzt: Denn § 39 WpÜG schließt nur die Anwendung des Verbots von Potestativbedingungen in § 18 Abs. 1 WpÜG auf Pflichtangebote aus, woraus sich die Zulässigkeit jeglicher Bedingungen ergäbe.57 Dass dies nicht mit dem Sinn und Zweck der Pflichtangebotsregel vereinbar ist, leuchtet ein. Denn was bliebe von der Pflicht eines Kontrollerwerbers zur Angebotsunterbreitung übrig, wenn er zwar ein Pflichtangebot abgeben, dessen Durchführung jedoch von langen Bedingungskatalogen abhängig machen könnte? Zulässig sind jedoch Pflichtangebote, die unter die Bedingung der Erteilung rechtlich erforderlicher Genehmigungen oder Freigaben gestellt werden.58 Auch dies gebietet die Einheit der Rechtsordnung, denn andernfalls könnte der Bieter verpflichtet sein, ein Angebot rechtswidrig zu vollziehen.59 Die genaue Grenzziehung ist umstritten. Zum Teil wird vertreten, dass in Fällen, in denen kein Vollzugsverbot besteht oder der Bieter die Möglichkeit hat, sich von einem Vollzugsverbot befreien zu lassen, eine Bedingung nicht in Betracht kommt.60 Das würde den Bieter aber unter Umständen den einander widersprechenden Pflichten aussetzen, das Angebot zunächst zu vollziehen und die Zielgesellschaft dann mangels Freigabe des Erwerbs umgehend wieder veräußern zu müssen, und überzeugt daher nicht.61 Insofern ist es ausreichend, dass der Kontrollerwerber die Freigabe einholen muss. Ein entsprechendes Vollzugsverbot ist nicht erforderlich, denn die Rechtsordnung kann den Kontrollerwerber nicht zur Durchführung eines Pflichtangebots verpflichten, wenn zu befürchten steht, dass er
56 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 62; Liebscher, ZIP 2001, 853, 862. 57 Ries/Schlitt in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2011, § 39 WpÜG Rz. 23; Baums/ Hecker in Baums/Thoma/Verse, Stand: August 2016, § 35 WpÜG Rz. 230; von Bülow in KölnKomm. WpÜG, 2. Aufl. 2010, § 39 WpÜG Rz. 49; a. A. Pötzsch/ Assmann in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, 2. Aufl. 2013, § 39 WpÜG Rz. 17. 58 Von Bülow in KölnKomm. WpÜG, 2. Aufl. 2010, § 39 WpÜG Rz. 48 ff.; Pötzsch/ Assmann in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, 2. Aufl. 2013, § 39 WpÜG Rz. 18; a. A. Ekkenga in Ehricke/Ekkenga/Oechsler, 2003, § 39 WpÜG Rz. 6. 59 Von Bülow in KölnKomm. WpÜG, 2. Aufl. 2010, § 39 WpÜG Rz. 50. 60 Pötzsch/Assmann in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, 2. Aufl. 2013, § 39 WpÜG Rz. 18; Baums/Hecker in Baums/Thoma/Verse, Stand: August 2016, § 35 WpÜG Rz. 243; Steinmeyer in Steinmeyer/Häger, 3. Aufl. 2013, § 39 WpÜG Rz. 7. 61 Von Bülow in KölnKomm. WpÜG, 2. Aufl. 2010, § 39 WpÜG Rz. 50.
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infolge der Verweigerung der Freigabe umgehend zur Rückabwicklung des entsprechenden Aktienerwerbs verpflichtet wird.62
IV. Zulässigkeit von Angebotsbedingungen in Bezug auf die einzelnen chinesischen Genehmigungsvorbehalte für Auslandsinvestitionen Für die Frage, ob einzelne chinesische Genehmigungen für Auslandsinvestitionen zum Gegenstand von Angebotsbedingungen gemacht werden dürfen, sind die einzelnen Genehmigungen zunächst an den zuvor dargestellten Maßstäben zu messen. In einem zweiten Schritt ist für Genehmigungen, die grundsätzlich zum Gegenstand einer Angebotsbedingung gemacht werden können, zu hinterfragen, ob wegen verfahrenstechnischer Wechselwirkungen mit anderen Genehmigungsverfahren etwas anderes gelten muss. Dabei ist stets zu beachten, dass die Genehmigungsverfahren jedenfalls in den letzten Jahren stetigen Veränderungen unterworfen waren, so dass stets zu prüfen bleibt, ob sie in für die vorliegende Fragestellung erheblicher Weise geändert wurden. Dies ist der BaFin im Gestattungsverfahren über die Veröffentlichung der Angebotsunterlage ggf. nachzuweisen.63 1. MOFCOM und NDRC a) Zulässigkeit im Allgemeinen Die Genehmigungsverfahren bei MOFCOM und NDRC für Auslandsinvestitionen chinesischer Konzerne sind in technischer Hinsicht Verfahren, die deutschen und europäischen Freigabeverfahren vergleichbar erscheinen. Zwar kennt das deutsche Recht kein grundsätzliches Genehmigungserfordernis für Auslandsinvestitionen deutscher Konzerne, aber weder das Antragserfordernis noch die beizubringenden Informationen noch der Verfahrensgang und die -dauer weichen wesentlich von denen entsprechender deutscher Verfahren ab. Auch sehen insbesondere die Regelungen über die MOFCOM‑Genehmigung Untersagungsgründe vor, die in ähnlicher Form auch in deutschen Regelungen zu finden sind.64 Ungewöhnlicher lesen sich die Untersagungsgründe für die NDRC‑Genehmigung, soweit sie auf die Anforderungen der nachhaltigen Entwicklung der Wirtschaft und 62 Vgl. das Pflichtangebot der Volkswagen Aktiengesellschaft an die Aktionäre der MAN SE vom 31.5.2011, S. 34, 49 ff.; Wird die Freigabe verweigert, müsste der Kontrollerwerber seine Beteiligung aber auf unter 30 % der Stimmrechte reduzieren, wozu ihn die BaFin im Zweifel auch im Rahmen der Missstandsaufsicht nach § 4 WpÜG verpflichten würde. 63 Siehe oben unter Ziffer II. 3. 64 Vgl. z. B. §§ 59 Abs. 1 und 62 Abs. 1 Außenwirtschaftsverordnung.
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Gesellschaft sowie die einschlägigen Vorschriften für Finanzprojekte und die erforderliche Investitionskraft des Bieters Bezug nehmen, weil weder das deutsche noch das europäische Recht entsprechende Untersagungsvorschriften kennen. Gleichwohl sind diese Untersagungsgründe von nachvollziehbaren, wenn auch uns fremden staatlichen Entwicklungsinteressen getragen, die nicht grundsätzlich im Widerspruch zum Sinn und Zweck der Regelungen über die Angebotsbedingungen stehen. Bei dem Untersagungsgrund der erforderlichen Investitionskraft des Bieters kann man weiter fragen, ob dieser nicht in einem gewissen Widerspruch zur Verpflichtung des Bieters zur unbedingten Sicherstellung der Gegenleistung nach § 13 WpÜG steht. Das ist aber nicht der Fall, weil die Finanzierungsverpflichtung des Bieters unbedingten Geltungsanspruch hat und der Bieter die Finanzierung und die Finanzierungsbestätigung spätestens bei Veröffentlichung der Angebotsunterlage (in der Praxis in der Regel bei Einreichung der Angebotsunterlage zur Prüfung durch die BaFin) sichergestellt haben muss. Die Finanzierung ist nach § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 WpÜG im Einzelnen in der Angebotsunterlage darzustellen und die Finanzierungsbestätigung ist der Angebotsunterlage beizufügen. Eine Untersagung durch die NDRC kann sich demgegenüber inhaltlich nur auf weitergehende im staatlichen Interesse einzuhaltende generelle Regeln zur Investitionskraft gründen und steht damit der Finanzierungsverantwortung des Bieters nach § 13 WpÜG nicht entgegen. Genehmigungen durch MOFCOM und NDRC können deshalb zum Gegenstand von Bedingungen nach dem WpÜG gemacht werden.65 Da es sich bei den Genehmigungen durch MOFCOM und NDRC um zwingend erforderliche staatliche Genehmigungen handelt, gilt dies ohne Unterschied für Erwerbs-, Übernahme und Pflichtangebote. b) Zulässigkeit bei Staatsunternehmen im Besonderen Involvierter wird die Frage, wenn der Bieter zur Gruppe eines chinesischen Staatsunternehmens zählt, weil sich dann die Frage, ob die Aufnahme von MOFCOM‑ oder NDRC‑Genehmigungen in die Angebotsbedingungen gegen § 18 Abs. 1 WpÜG verstößt, anders stellt. Dies könnte dann der Fall sein, wenn der Träger der Genehmigungsstellen gleichzeitig ein mit dem Bieter gemeinsam handelndes Unternehmen ist. Ob ein kontrollierender Gesellschafter des Bieters automatisch ein mit dem Bieter gemeinsam handelndes Unternehmen ist, ist wegen der unglückli-
65 Vgl. das Übernahmeangebot der MECCA International (BVI) Limited an die Aktionäre der Kuka AG vom 16.6.2016, S. 44; sowie das Übernahmeangebot der Grand Chip Investment GmbH an die Aktionäre der Aixtron SE vom 29.7.2016, S. 20 f.
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chen Formulierung von § 2 Abs. 5 Satz 3 WpÜG umstritten.66 Aus der Vorschrift ergibt sich zwar eindeutig, dass das Tochterunternehmen eine mit dem kontrollierenden Gesellschafter gemeinsam handelnde Person ist. Ob das auch für den kontrollierenden Gesellschafter im Verhältnis zum Tochterunternehmen gilt, kommt weniger deutlich zum Ausdruck, wobei die Formulierung diesen Schluss bei genauer Betrachtung nicht fernliegend erscheinen lässt. Da aber Schwesterunternehmen, also Gesellschaften deren Verhältnis zur Zielgesellschaft über den kontrollierenden Gesellschafter vermittelt wird, wiederum unzweifelhaft von der unwiderleglichen Vermutung des § 2 Abs. 5 Satz 3 WpÜG erfasst werden, spricht wenig dafür, dass allein der kontrollierende Gesellschafter von der Vermutungswirkung ausgespart sein soll.67 Dies entspricht auch der Verwaltungspraxis der BaFin.68 Sind der Träger der Genehmigungsstellen und der Bieter gemeinsam handelnde Personen, wäre § 18 Abs. 1 WpÜG im Hinblick auf Angebotsbe dingungen, die entsprechende Genehmigungen zum Gegenstand haben sollen, dem Wortlaut nach einschlägig. Nun ist bei staatlichen Genehmigungsverfahren die Willensbildung der Genehmigungsbehörde typischerweise durch den Zweck des Genehmigungsverfahrens, die entsprechenden Regeln und die Verwaltungspraxis zur Durchsetzung eines spezifischen staatlichen Auftrags formalisiert. Hat die Genehmigungsbehörde im Rahmen dieser Entscheidungen auch kein freies Ermessen, muss ihre Entscheidung in gleichen Umständen gleich ausfallen, unabhängig davon, ob der 66 Dafür Versteegen in KölnKomm. WpÜG, 2. Aufl. 2010, § 2 WpÜG Rz. 189 f.; Merkner/Sustmann in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 16 Rz. 23; dagegen Angerer in Angerer/Geibel/Süßmann, 3. Aufl. 2017, § 2 WpÜG Rz. 43 f.; Noack/Holzborn in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 2 WpÜG Rz. 36; Wackerbarth in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2011, § 2 WpÜG Rz. 64; zweifelnd Uwe H. Schneider/Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, 2. Aufl. 2013, § 2 WpÜG Rz. 121. 67 Versteegen in KölnKomm. WpÜG, 2. Aufl. 2010, § 2 WpÜG Rz. 189 f. 68 Vgl. die Übernahmeangebote der AVIC International Engineering Holdings Pte. Ltd. u. a. an die Aktionäre der KHD Humboldt Wedag International AG vom 21.11.2013, S. 21; das Übernahmeangebot der Lenovo Germany Holding GmbH an die Aktionäre der Medion AG vom 28.6.2011, S. 15; und der Volkswagen AG an die Aktionäre der MAN SE vom 31.5.2011, S. 15 f.; in der Angebotsunterlage sind nach § 2 Nr. 1 WpÜG-AngebotsVO alle Tochterunternehmen im Sinne von § 2 Abs. 6 WpÜG der mit dem Bieter gemeinsam handelnden Person aufzuführen, so dass in dem Fall, dass die Volksrepublik China eine mit dem Bieter gemeinsam handelnde Person ist, eine äußerst umfangreiche Liste an gemeinsam mit dem Bieter handelnden Unternehmen in die Angebotsunterlage aufzunehmen ist (vgl. Anlage 2 des Übernahmeangebots der AVIC International Engineering Holdings Pte. Ltd. u. a. an die Aktionäre der KHD Humboldt Wedag International AG vom 21.11.2013, S. 69 ff.).
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Antragsteller ein privatwirtschaftliches oder ein Staatsunternehmen ist. Würde einem privatwirtschaftlichen Unternehmen unter gleichen Umständen die Auslandinvestition untersagt, wäre aber der Schutzzweck von § 18 Abs. 1 WpÜG nicht betroffen, weil es nicht mehr um den Rückzug von einem ungewollten Angebot sondern um die Durchsetzung staatlicher Interessen und zwar in einer durch die Regelungen des Genehmigungsverfahrens bereits vor der Abgabe des Angebotes standardisierten Form geht.69 In diese Richtung deutet auch die in den Frühzeiten des WpÜG und insbesondere vor der Einführung der unwiderleglichen Vermutung in § 2 Abs. 5 Satz 3 WpÜG ergangene Entscheidung der BaFin, einem Tochterunternehmen der im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland stehenden Deutsche Bahn AG nachzulassen, das Angebot von einer Genehmigung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen nach § 65 Abs. 3 Bundeshaushaltsordnung abhängig zu machen.70 Betrachtet man die objektiv gehaltenen Untersagungsvoraussetzungen für das MOFCOM‑Verfahren spricht vieles dafür, dass der Schutzzweck von § 18 Abs. 1 WpÜG nicht einschlägig ist und eine entsprechende Bedingung auch für Staatsunternehmen im Grundsatz zulässig sein sollte. Räumt das Genehmigungsverfahren der Behörde dagegen ungebundenes Ermessen oder die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Bewertung der Transaktion ein, besteht jedoch ein Risiko, dass die Genehmigungsbehörde das Genehmigungsverfahren zum Rückzug vom Angebot aus wirtschaftlichen Gründen nutzen könnte. Dann ist für eine zweckgerichtete Ausnahme kein Raum mehr.71 Im Hinblick auf die Genehmigung durch die NDRC könnten die auf die Anforderungen der nachhaltigen Entwicklung der Wirtschaft und Gesellschaft, die einschlägigen Vorschriften für Finanzprojekte und die erforderliche Investitionskraft der Bietergruppen bezogenen Untersagungsgründe in ihrer jeweiligen Fassung entsprechende Einfallstore bieten. Will ein chinesisches Staatsunternehmen die NDRC‑Genehmigung zum Gegenstand einer Angebotsbedingung machen, wäre dies nur zulässig, wenn der Bieter der BaFin nachweisen kann, dass entsprechendes Ermessen bzw. Prüfungsbefugnisse im Hinblick auf die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit der Transaktion nicht bestehen. Weiter ist zu beachten, dass zwingend vorgegebene Verfahrensabfolgen nicht dazu führen dürfen, dass die MOFCOM‑ oder NDRC‑Genehmigung deswegen verwehrt werden könnte, weil eine zwingend vorrangig einzuho-
69 Zurückhaltender Hippeli, AG 2014, 267, 269 f.; Merkner/Sustmann in Baums/ Thoma/Verse, Stand: August 2016, § 18 WpÜG Rz. 37. 70 Vgl. das Übernahmeangebot der DB Sechste Vermögensverwaltungs GmbH an die Aktionäre der Stinnes AG vom 7.8.2002, S. 20. 71 Im Ergebnis wohl ebenso Hippeli, AG 2014, 267, 269 f.; Merkner/Sustmann in Baums/Thoma/Verse, Stand: August 2016, § 18 WpÜG Rz. 37.
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lende Genehmigung, die ihrerseits nicht zum Gegenstand einer Angebotsbedingung erhoben werden darf, nicht erteilt wird.72 2. SASAC Der Genehmigungsvorbehalt der SASAC gilt überhaupt nur für chinesische Staatsunternehmen. Gegenstand der behördlichen Prüfung ist die konkrete Transaktion insbesondere auch mit dem Ziel, Verluste des chinesischen Staatsunternehmens zu vermeiden. In anderen Worten würde es die Zwecksetzung des Genehmigungsverfahrens auch gebieten, die Genehmigung zu versagen, wenn die Transaktion wirtschaftlich nicht (mehr) attraktiv ist. Deshalb spricht wenig dafür, dass die Genehmigung einer Transaktion durch SASAC zum Gegenstand einer Angebotsbedingung gemacht werden darf, wenn der Bieter und der Träger der jeweiligen Genehmigungsbehörde gemeinsam handelnde Personen im Sinne von § 2 Abs. 5 WpÜG sind. Mit einer Versagung dieser Genehmigung würde sich das spezifische Risiko verwirklichen, dessentwillen § 18 Abs. 1 WpÜG die Zulässigkeit von Angebotsbedingungen einschränkt, nämlich die sachliche Neubewertung der Transaktion durch eine Person im Dunstkreis des Bieters. Ist der Schutzzweck des Verbots von Potestativbedingungen derart zentral betroffen, hilft es nicht mehr, dass SASAC als staatliche Behörde tätig wird und bei ihrer Entscheidungsfindung Regelungen anwendet, die abstrakt geltende politische und wirtschaftliche Zweckerwägungen umsetzen, die zeitlich bereits vor der Abgabe des eigentlichen Angebots mit genereller Wirkung in Kraft getreten sind. Wegen der spezifischen Verbindung von Bieter und der Träger der jeweiligen Genehmigungsbehörde als gemeinsam handelnde Personen hilft es auch nicht, dass das WpÜG einem Bieter auch bei staatlichem Einfluss grundsätzlich wertneutral gegenübertritt.73 Eine Genehmigung durch SASAC bzw. entsprechende lokale Behörden wird deshalb allenfalls dann zum Gegenstand einer Bedingung in einem Angebot nach dem WpÜG gemacht werden können, wenn der Bieter und der 72 Siehe dazu im Folgenden unter IV. 3. 73 Allerdings wird erwogen, im außenwirtschaftsrechtlichen Investitionskontrollverfahren spezifische Untersagungsmöglichkeiten für Unternehmen mit erheblicher ausländischer staatlicher Finanzierung zu schaffen, vgl. Gemeinsamer Brief von Bundeswirtschaftsministerin Zypries und den Wirtschaftsministern Frankreichs und Italiens, Michel Sapin und Carlo Calenda, an EU-Handelskommissarin Malmström einschließlich Eckpunktepapier „Proposals for ensuring an improved level playing field in trade and investment“, beide Februar 2017, abgerufen unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/S-T/schreiben-de-fr-it-an-malmstroem.pdf?__blob=publicationFile&v=5 und https://www. bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/E/eckpunktepapier-proposals-for-ensuringan-improved-level-playing-field-in-trade-and-investment.pdf?__blob=publica tionFile&v=4, zuletzt abgerufen am 21.4.2017.
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Träger der jeweiligen Genehmigungsbehörde keine gemeinsam handelnden Personen sind. 3. SAFE a) Zulässigkeit im Allgemeinen Auch das Genehmigungsverfahren bei SAFE für bestimmte Währungstausch- und Geldtransfertransaktionen chinesischer Unternehmen ist in technischer Hinsicht ein Verfahren, dem die deutschen und europäischen Freigabeverfahren vergleichbar erscheinen. Sowohl das Antragserfordernis, die beizubringenden Informationen als auch Verfahrensgang und -dauer halten sich im Rahmen dessen, was in deutschen und europäischen Genehmigungsverfahren üblich ist. Auch die Beleihung von Banken mit der Durchführung wesentlicher Teile des Verfahrens steht nicht in Widerspruch zu der Zielsetzung der Regelungen über die Zulässigkeit von Angebotsbedingungen nach dem WpÜG. Die Zielsetzungen des Genehmigungsvorbehalts, nämlich die Kontrolle des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs durch Prüfung des Tauschs von chinesischer Währung in eine andere Währung oder die Verwendung von ausländischen Währungen durch chinesische Unternehmen und die Unterbindung von Investitionen, die lediglich finanziell motiviert erscheinen, und für das Kerngeschäft der investierenden Unternehmen nicht förderlich erscheinen finden im deutschen Recht keine Entsprechungen. Sie sind aber von vernünftigen staatlichen Interessen getragen, schließlich nimmt auch das deutsche Außenwirtschaftsrecht Auslandszahlungsverkehrstransaktionen als Anknüpfungspunkt für Meldepflichten.74 Unterfällt die fragliche Zahlungstransaktion dem Vorbehalt einer Genehmigung durch SAFE, darf der Bieter aber die für die Begleichung der Angebotsgegenleistung vorgesehenen Mittel nicht vor der Genehmigung durch SAFE auszahlen, d. h. der Bieter mag zwar eine vollständige Finanzierung gesichert haben und mag diese auch abrufen dürfen, er dürfte sie aber nicht auszahlen. Insofern liegt die Frage auf der Hand, ob es nicht dem Gebot der vollständigen Finanzierung des Angebots durch den Bieter widersprechen würde, wenn er die SAFE‑Genehmigung zum Gegenstand einer Angebotsbedingung machen dürfte. Es wäre sicher zu kurz gesprungen, wenn man argumentieren wollte, dass der Genehmigungsvorbehalt durch SAFE nicht die Sicherstellung der Finanzierung hindere, sondern nur die Auszahlung der entsprechenden Mittel an die annehmenden Aktionäre. Man wird § 13 Abs. 1 WpÜG dahingehend verstehen müssen, dass er nicht nur den Zugriff des Bieters auf die Mittel, sondern auch die Sicherstellung der Möglichkeit, 74 Vgl. § 11 Abs. 2 Außenwirtschaftsgesetz sowie §§ 67 ff. Außenwirtschaftsverordnung.
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diese an die annehmenden Aktionäre auszahlen zu können, erfasst. Ansonsten wäre für den durch § 13 Abs. 1 WpÜG angestrebten umfassenden Schutz der Aktionäre vor unsoliden Angeboten nichts gewonnen. Andererseits ist anerkannt, dass das Gesetz vom Bieter nichts Unmögliches verlangen kann und will. So ist für Kapitalerhöhungen zur Leistung einer Gegenleistung in Aktien anerkannt, dass einzelne Schritte der Durchführung einer Kapitalerhöhung nach der Angebotsveröffentlichung und sogar nach dem Ende der Annahmefrist zum Gegenstand von Angebotsbedingungen gemacht werden dürfen, wenn nur dieser Schritt unter Kontrolle eines Gerichts oder einer Behörde stattfindet.75 Diesen Anforderungen entspricht das SAFE-Verfahren aber wieder voll und ganz. Auch stört sich niemand daran, dass auch ausländische fusionskontrollrechtliche Genehmigungen zum Gegenstand von Angeboten nach dem WpÜG gemacht werden, obwohl jedenfalls in der heute üblichen Ausgestaltung von Angeboten die Kaufpreiszahlung wegen der damit Zug-um-Zug verbundenen Übertragung der Aktien, für die das Angebot angenommen würde, gegen viele der ausländischen fusionskontrollrechtlichen Vollzugsverbote verstoßen würde.76 Das Alles spricht dafür, dass der Erhalt einer Genehmigung durch SAFE grundsätzlich zulässiger Gegenstand einer Bedingung eines Angebots nach dem WpÜG sein kann. Dies entspricht auch der Praxis der BaFin.77 Da es sich bei der Genehmigung durch SAFE um eine zwingend erforderliche staatliche Genehmigung handelt, gilt dies ohne Unterschied für Erwerbs-, Übernahme und Pflichtangebote. b) Zulässigkeit bei Staatsunternehmen im Besonderen Ebenso wie bei den Genehmigungen durch MOFCOM und NDRC kann dies anders zu beurteilen sein, wenn ein chinesisches Staatsunternehmen der Genehmigung durch SAFE bedarf. Für die Zulässigkeit der entsprechenden Bedingung nach § 18 WpÜG ist dann maßgeblich, ob der Bieter der BaFin nachweisen kann, ob die Genehmigung nach den dann maßgeblichen Verfahrensregeln auf Basis von vorher erlassenen abstrakt-generellen Regelungen in einem gebundenen Verfahren erteilt wird. Ist dem so, darf die SAFE-Genehmigung zum Gegenstand einer Bedingung in einem Angebot nach dem WpÜG gemacht werden. Hat die Genehmigungsbehörde freies Ermessen oder prüft sie die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit der
75 Oppenhoff in Beck’sches Handbuch der AG, 2. Aufl. 2009, § 27 Rz. 63. 76 Art. 7 Abs. 2 Fusionskontrollverordnung (Verordnung (EG) 139/2004 vom 20.1.2004) und § 41 Abs. 1a GWB sehen dagegen spezielle Ausnahmen vom Vollzugsverbot für öffentliche Angebote vor. 77 Vgl. das Übernahmeangebot der Grand Chip Investment GmbH an die Aktionäre der Aixtron SE vom 29.7.2016.
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Transaktion bei der Erteilung der SAFE-Genehmigung, ist die Bedingung unzulässig.78 Auch im Hinblick auf die SAFE-Genehmigung ist zu beachten, dass zwingend vorgegebene Verfahrensabfolgen nicht dazu führen dürfen, dass die SAFE-Genehmigung deswegen verwehrt werden könnte, weil eine zwingend vorrangig einzuholende Genehmigung, die ihrerseits nicht zum Gegenstand einer Angebotsbedingung erhoben werden darf, nicht erteilt wird.79
V. Verlängerung der Frist zur Einreichung der Angebots unterlage zur Einholung von staatlichen Genehmigungen für Auslandsinvestitionen Kann eine der erforderlichen chinesischen Genehmigungen für Auslands investitionen nicht zum Gegenstand einer Bedingung in einem Angebot nach dem WpÜG gemacht werden, fragt sich, ob der Bieter nicht wenigstens die Verlängerung der Frist zur Einreichung der Angebotsunterlage nach § 14 Abs. 1 Satz 3 WpÜG erwirken kann. Nach dieser Vorschrift kann die BaFin die Frist zur Einreichung der Angebotsunterlage um bis zu vier Wochen verlängern, wenn dem Bieter die Einhaltung der im Normalfall geltenden 4-Wochen-Frist auf Grund eines grenzüberschreitenden Angebots oder erforderlicher Kapitalmaßnahmen nicht möglich ist. Dem liegt in der im vorliegenden Zusammenhang interessierenden Alternative die Erwägung zugrunde, dass die Frist von vier Wochen in den Fällen zu kurz bemessen sein kann, in denen es sich um ein grenzüberschreitendes Angebot handelt und der Bieter nach den ausländischen Regelungen andere Fristen als nach dem WpÜG zu beachten hat.80 Damit ist die Einholung einer Genehmigung für Auslandsinvestitionen sicherlich nicht der Standardfall, der dem Gesetzgeber vorgeschwebt hat, denn die Fristen, die ihn zu der Regelung in § 14 Abs. 1 Satz 3 WpÜG veranlasst haben, waren offensichtlich mit dem WpÜG konkurrierende Fristen nach entsprechenden ausländischen Vorschriften in Fällen, in den das Angebot nicht nur der Gestattung der Veröffentlichung der Angebotsunterlage durch die BaFin, sondern auch der Zulassung durch ausländische Behörden bedarf. Dass der Gesetzgeber ausländische Genehmigungserfordernisse außerhalb der Zulassung von öffentlichen Angeboten im Gesetzgebungsverfahren nicht im direkten Blick hatte, schließt die Anwendung der Vorschrift aber nicht aus, wenn sich dieser Anwendungsfall unter den Wortlaut der Vorschrift subsumieren lässt und auch von deren Sinn und Zweck getragen wird. 78 Siehe dazu oben IV. 1. b). 79 Siehe dazu oben unter IV. 3. 80 BT-Drucks. 14/7477, S. 52.
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Der hier relevante Begriff des grenzüberschreitenden Angebots wird im Gesetz nicht definiert und war – soweit ersichtlich – bisher auch nicht Gegenstand sehr detaillierter rechtswissenschaftlicher Diskussion. Die in der Literatur verwendeten Beschreibungen stellen zum Teil (primär) darauf ab, dass die Aktionäre der Zielgesellschaft auch im Ausland sitzen81, wahrscheinlich weil dies der typische Anknüpfungspunkt ausländischer Vorschriften ist, einen Bieter zur Zulassung eines öffentlichen Angebots im betreffenden Ausland zu verpflichten, während andere auch den Sitz des Bieters im Ausland für ausreichend erachten.82 Ein von der Gesetzesbegründung unbeeinflusster Leser würde unter einem grenzüberschreitenden Angebot in erster Linie das Angebot eines ausländischen Bieters bzw. einer deutschen Bietergesellschaft einer ausländischen Bietergruppe verstehen und bestenfalls in zweiter Linie eine Zielgesellschaft mit ausländischen Aktionären. Auch die gesetzgeberische Zielsetzung, eine zeitlich immer noch stark begrenzte Verlängerung der Einreichungsfrist für die Angebotsunterlage von maximal vier Wochen nach Gestattung durch die BaFin zuzulassen, wenn ein Zielkonflikt mit ausländischen Vorschriften besteht, unterstützt keine übertrieben enge und vom natürlichen Wortlautverständnis abweichende Interpretation dieses Tatbestandsmerkmals. Schließlich ist der nicht anders auszuräumende Zielkonflikt zwischen der deutschen Einreichungsfrist und den fraglichen ausländischen Vorschriften der BaFin im Antrag nach § 14 Abs. 1 Satz 3 WpÜG nachzuweisen. Insofern erfasst der Begriff des grenzüberschreitenden Angebots auch Angebote eines ausländischen Bieters bzw. der deutschen Bietergesellschaft eines ausländischen Bieterkonzerns. Neben dem grenzüberschreitenden Angebot ist für die Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 3 WpÜG ferner erforderlich, dass ein Zielkonflikt zwischen der vierwöchigen Einreichungsfrist und den fraglichen ausländischen Vorschriften besteht. Darf die chinesische Bietergesellschaft bzw. Muttergesellschaft das Angebot nach dem WpÜG einerseits nicht vor Genehmigung durch die chinesischen Behörden vollziehen, andererseits diese Genehmigung nicht zum Gegenstand einer Angebotsbedingung machen, besteht für sie das Risiko durch die Veröffentlichung der Angebotsunterlage mit einem in diesem Punkt unbedingten Angebot bei dem dann erforderlichen Vollzug des Angebots chinesische Rechtsvorschriften verletzen zu müssen. Auch wenn die Veröffentlichung der Angebotsunterlage – anders als in der Regel in Fällen in denen bereits das Angebot der Zulassung nach einem ausländischen Recht bedarf – nicht als solche den Verstoß gegen die chinesischen Vorschriften begründen mag, ist in der im fraglichen Punkt unbe81 Süßmann/Angerer in Angerer/Geibel/Süßmann, 3. Aufl. 2017, § 14 WpÜG Rz. 23; Thoma in Baums/Thoma/Verse, Stand: August 2016, § 14 WpÜG Rz. 36. 82 Assmann in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, 2. Aufl. 2013, § 14 WpÜG Rz. 11.
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Genehmigungen von Auslandsinvestitionen am Beispiel Volksrepublik China
dingten Angebotsunterlage die Verpflichtung zum Vollzug angelegt, so dass der Bieter dann einem von ihm zwar durch zügige Bearbeitung von Informationsanfragen beeinflussbaren, aber in letzter Konsequenz seiner Kontrolle entzogenen Risiko des Rechtsverstoßes ausgesetzt ist. Auf diesen Fall trifft aber der Grundgedanke der Möglichkeit, die Einreichungsfrist verlängern zu lassen, nämlich den Bieter nicht widersprechenden rechtlichen Verpflichtungen aussetzen zu können, ebenso zu, wie auf den Fall der Notwendigkeit einer zusätzlichen ausländischen Zulassung des Angebots. Insofern besteht auch für den Fall, dass ein chinesischer oder sonst ausländischer Bieterkonzern Genehmigungen für Auslandsinvestitionen einholen muss, die nicht zum Gegenstand von Angebotsbedingungen gemacht werden können, die Möglichkeit die Frist zur Einreichung der Angebotsunterlage bei der BaFin nach § 14 Abs. 1 Satz 3 WpÜG um bis zu vier Wochen verlängern zu lassen. Der Bieter muss diese Verlängerung beantragen und der BaFin darlegen, weshalb für ihn das Risiko eines von ihm nicht kontrollierbar zu verhindernden Rechtsverstoßes besteht.
VI. Ergebnisse Ein Bieter kann nach derzeitigem Stand der chinesischen Genehmigungserfordernisse für Auslandsinvestitionen in ein Angebot nach dem WpÜG Genehmigungen seitens MOFCOM und NDRC grundsätzlich als Angebotsbedingung aufnehmen. Dies gilt im Grunde auch dann, wenn der Bieter und der Träger der Behörde, die die Genehmigung zu erteilen hätte, gemeinsam handelnde Personen im Sinne von § 2 Abs. 5 WpÜG sind. Dann obliegt es dem Bieter allerdings, der BaFin nachzuweisen, dass insbesondere die NDRC‑Genehmigung der Genehmigungsbehörde kein weites freies Ermessen bzw. eine Beurteilung der Transaktion im Hinblick auf deren ökonomischer Vorteile einräumt. Ein Bieter kann nach derzeitigem Stand der Genehmigungserfordernisse eine Genehmigung durch SASAC bzw. entsprechender chinesischer regionaler Genehmigungsbehörden nur dann zum Gegenstand einer Bedingung eines Angebots nach dem WpÜG machen, wenn er und der Träger der Genehmigungsbehörde keine gemeinsam handelnden Personen im Sinne von § 2 Abs. 5 WpÜG sind. Ein Bieter kann nach derzeitigem Stand der Genehmigungserfordernisse in ein Angebot nach dem WpÜG Genehmigungen seitens SAFE grundsätzlich als Angebotsbedingung aufnehmen. Dies gilt im Grunde auch dann, wenn der Bieter und der Träger der Behörde, die die Genehmigung zu erteilen hätte, gemeinsam handelnde Personen im Sinne von § 2 Abs. 5 WpÜG sind. Dann obliegt es dem Bieter allerdings, der BaFin nachzuwei241
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sen, dass die SAFE‑Genehmigung der Genehmigungsbehörde kein weites freies Ermessen bzw. eine Beurteilung der Transaktion im Hinblick auf deren ökonomischer Vorteile einräumt. Darf der Bieter eine nach chinesischem oder sonstigem ausländischen Recht erforderliche Genehmigung einer Auslandsinvestition nach dem WpÜG nicht zu einer Angebotsbedingung machen, so kann er nach § 14 Abs. 1 Satz 3 WpÜG auf Antrag durch die BaFin die Einreichungsfrist für die Angebotsunterlage um bis zu vier Wochen verlängern lassen, wenn für ihn das Risiko besteht durch Vollzug des entsprechend unbedingten Angebots gegen chinesisches oder sonstiges ausländisches Recht zu verstoßen.
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Alexander Pirlet und Tilman Fischer
Die Rheinische Musikschule Köln in Geschichte und Gegenwart Inhaltsübersicht
I. Einleitung
II. Eine kurze Geschichte der Rheinischen Musikschule 1. Von der Gründung bis zur Musikhochschule
2. Abschied vom Konservatorium
III. Die Rheinische Musikschule heute IV. Ausblick
I. Einleitung Die Rheinische Musikschule Köln wurde 1845 gegründet und ist damit eine der ältesten Institutionen ihrer Art in Deutschland. Grundlage war die Entscheidung des Kölner Rats vom Januar 1845, für die die Gründungen der Konservatorien in Paris und Wien sowie das zwei Jahre zuvor in Leipzig gegründete Pate gestanden haben dürften. Bedeutende Persönlichkeiten der Musikgeschichte lehrten und lernten hier. Zu nennen wären beispielhaft die Komponisten Engelbert Humperdinck, Max Bruch und Walter Braunfels, oder die legendäre Pianistin Elly Ney, die Cellisten Friedrich Grützmacher und Emmanuel Feuermann oder Dirigenten von Weltrang wie Fritz Busch, Hans Knappertsbusch, Willem Mengelberg und William Steinberg. Beeindruckend geradezu die Liste der Komponisten, die ab den Sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts im Rahmen der Kurse für Neue Musik mit der Rheinischen Musikschule verbunden waren. Von Karlheinz Stockhausen bis Mauricio Kagel, von Luciano Berio bis Henri Pousseur reicht die Liste der Teilnehmer und Dozenten, die hier arbeiteten und Musikgeschichte im 20. Jahrhunderts geschrieben haben. Wichtige Ereignisse und Rahmendaten der deutschen Geschichte spiegeln sich in der wechselvollen Geschichte der Rheinischen Musikschule: die Wirren der 1848 Revolution, die einen Neustart unter Ferdinand Hiller 1850 nötig machten, die Weltkriege, die große Inflation in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts oder das barbarische Regime der Nationalsozialisten, die gleich zu Beginn der nationalsozialistischen Diktatur, am 2. Mai 1933, den damaligen Direktor der Rheinischen Musikschule, Walter Braunfels aller Ämter enthoben. Sofort nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde er wieder von dem damaligen Kölner Oberbürgermeister Dr. Konrad Ade243
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nauer zurückgeholt und war ab 1946 wieder Direktor der Rheinischen Musikschule. Mit dem vorliegenden Beitrag soll ein kurzer Überblick über die Geschichte der Rheinischen Musikschule Köln vermittelt werden, mit besonderer Berücksichtigung des Vereins der Freunde und Förderer der Rheinischen Musikschule und ihres Kuratoriums unter dem Vorsitz von Michael Oppenhoff sowie eine gegenwärtige Standortbestimmung der Rheinischen Musikschule mit besonderen Schwerpunkten, Zielen und Herausforderungen.
II. Eine kurze Geschichte der Rheinischen Musikschule 1. Von der Gründung bis zur Musikhochschule Als die Rheinische Musikschule im Mai 1845 aus der Taufe gehoben wurde, beschränkte sich das Angebot auf Klavier- und Violinspiel, Solo- und Chorgesang sowie obligatorischen Unterricht in Musiktheorie, womit man sich bewusst „…auf die Kernfächer in der Kölner Nachfrage nach Musikunterricht“ (Lindlar 1975) konzentrieren wollte. Der erste Unterricht fand am Neumarkt, vis à vis Richmodis, statt. Schon damals zeichnete sich ab, was heute als Leitmotiv, wenn nicht gar als „Leidmotiv“ der Rheinischen Musikschule bezeichnet werden kann: der Unterricht in unzulänglichen Räumen und die Suche nach einem adäquaten Domizil. Denn damals, zur Zeit der Gründung, sollte nach dem Vorschlag des Mitkurators J.M. Farina sen. (Farina Gegenüber/Original Kölnisch Wasser/ Gegründet 1709) die Rheinische Musikschule in einen Anbau zum Gürzenich an den Quatermarkt übersiedeln. Daraus wurde nichts, wie ein kurzer Blick in Kölner Annalen deutlich macht. Denn 1850 erteilte die „Rheinische“ ihren Unterricht in den Räumen der Musikalischen Gesellschaft am Marienplatz, die ebenfalls als unzulänglich beschrieben werden. Unterrichtet wurden Schülerinnen und Schüler, die mindestens fünfzehn Jahre alt waren, wobei die Schülerzahl der Anfangsjahre unklar bleibt. Von anfänglichen Aufnahmequoten von 10 bis drei Kandidaten/innen pro Jahr ist die Rede. Hingegen sind für das Jahr 1850 klare Zahlen überliefert: Demnach erteilten acht Lehrkräfte siebzehn Studierenden mit 36 Wochenstunden Musikunterricht am Marienplatz. Will man aus heutiger Sicht über die primäre Ausrichtung der musikalischen Arbeit eine Aussage treffen, so lässt sich in Anlehnung an Heinrich Lindlar (Lindlar 1972) wohl vermuten, dass es sich in den Anfangsjahren der Rheinischen Musikschule eher um eine „Vorform eines Musiklehrerseminars“ handelte als um ein auf solistische Leistungen und Ausbildung angelegtes Konservatorium. 244
Die Rheinische Musikschule Köln in Geschichte und Gegenwart
Abb. 1: Ferdinand Hiller, Direktor der Rheinischen Musikschule 1849-1884
Dies sollte sich jedoch recht bald ändern. Denn nach sehr erfolgreichen Jahren unter der Leitung Ferdinand Hillers wurde schließlich 1858 die Rheinische Musikschule umgetauft in „Conservatorium der Musik in Coeln“, und zog 1859 in „zweckdienlichere Räume“ in der Glockengasse um. 1861 schließlich erteilte ein Preußischer Erlass der Lehranstalt als erster ihrer Art im Königtum das Recht einer Juristischen Person. Trotz wohlklingender Adresse, dauerte es noch bis zum Jahr 1873 bis die Irrfahrt durch verschiedene unzureichende Unterrichtsräumlichkeiten – von der Glockengasse weiter zu einem Interim in der Marzellenstraße – mit dem Bezug des Gebäudes in der Wolfsstraße ein Ende fand, das bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg einen adäquaten Rahmen für das stetig wachsende internationalen Renommee der Rheinischen Musikschule abgab. Einen wichtigen Wendepunkt in der Geschichte der Rheinischen Musikschule stellt das Jahr 1925 dar. Ausgelöst durch die verheerenden Auswirkungen der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg, geriet auch die Rheinische Musikschule als eigenständige juristische Person finanziell mehr und mehr in Schieflage, vor allem da den städtischen Zuschüssen 1923 von der Preußischen Zentralregierung Einhalt geboten wurde. Nach dem Berliner 245
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Abb. 2: Die Rheinische Musikschule in der Wolfsstraße (1873–1943)
Vorbild sollte auch in Köln die musikalische Bildung in zwei Häuser aufgeteilt werden: eine staatliche Hochschule für Musik, die von Preußen finanziert werden sollte, und eine städtische, eben die Rheinische Musikschule, mit dem Schwerpunkt auf „Volksbildung und Studienvorbereitung“. Am 5. Oktober 1925 fand auf dem Gürzenich der Festakt zur Eröffnung der neuen Musiklehranstalt statt. Beim daran anschließenden Frühstück im Muschelsaal des historischen Rathauses regte der damalige Oberbürgermeister von Köln, Dr. Konrad Adenauer, die Gründung eines Vereins der Freunde und Förderer für die Rheinische Musikschule an, der noch im glei246
Die Rheinische Musikschule Köln in Geschichte und Gegenwart
chen Jahr gegründet wurde. Ganz in der Tradition Kölner Bürgerlichen Engagements, wie er bereits 1875 in der Hiller Stiftung zum Ausdruck kam, die seinerzeit gegründet wurde, „… vornehmlich zur Aufbesserung der Lehrergehälter und zur Schaffung von Freistellen …“ (Lindlar 1972). Seither ist der Verein der Freunde und Förderer der Rheinischen Musikschule dank des unerschütterlichen Engagements Kölner Bürger für die Musik ihrer Stadt zu einem unverzichtbaren Begleiter der Arbeit der Rheinischen Musikschule geworden. Große Kölner Persönlichkeiten standen und stehen ihm vor: etwa der Kölner Oberbürgermeister Dr. h.c. Theo Burauen in der Zeit von 1962 bis 1977, dem Dr. Heinz R. Haacke, Kölner Bürger und Staatssekretär im Ministerium der Finanzen in Düsseldorf für weitere 18 Jahre an der Spitze des Fördervereins folgte. 1996 wurde Rechtsanwalt Burkhard Kamps zum Vorsitzenden gewählt, der sich vordringlich um die innere Stärkung des Vereins bemühte und dessen Arbeit mit einem Mitgliederstand von 800 Mitgliedern gekrönt wurde. In seine Amtszeit fällt auch die Gründung des Kuratoriums, das 1996 zur Förderung der Rheinischen Musikschule ins Leben gerufen wurde. Heute, unter dem Vorsitz von Alexander Pirlet, kann der Förderverein auf ein Fördervolumen von knapp einer Million Euro in den letzten beiden Jahrzehnten verweisen, die in ambitionierte Projekte der Rheinischen Musikschule flossen, und den exzellenten Ruf weit über die Stadtmauern hinaus begründen. Aber darüber gleich mehr. 2. Abschied vom Konservatorium Die 60er und 70er Jahre des letzten Jahrhunderts nahmen aus Sicht der Rheinischen Musikschule einen wechselvollen Verlauf: Zunächst war die räumliche und inhaltliche Trennung von der Hochschule für Musik in der Dagobertstraße zu vollziehen, wo Rheinische Musikschule und Musikhochschule nach dem Krieg gemeinsam unter einem Dach arbeiteten. Einmal mehr in der Geschichte der Rheinischen Musikschule wurde die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten zu einem vordringlichen Geschäft. Im St. Joseph-Haus, einem ehemaligen Kinderheim in der Vogelsanger Straße wurde 1962 ein provisorisches Quartier gefunden, das die Rheinische Musikschule nur vorläufig beziehen sollte. Sie „residiert“ bis heute dort, wobei der unveränderte Zustand der Gebäude seit dem Tag des Einzugs allen Energieeinsparungs-, Brandschutz- und sonstigen Verordnungen zum Trotz als bahnbrechende denkmalschützende Leistung eines nicht unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes betrachtet werden könnte. Einmal mehr und dafür umso deutlicher hat Köln bewiesen, dass nichts dauerhafter ist als ein Provisorium. „Et het halt emmer jot jejange“, wie der Kölner so zutreffend zu sagen pflegt ...
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Davon war aber in jenen Tagen noch nichts zu spüren. Vielmehr wurde mit hochfliegenden Plänen in die Zukunft geblickt: Die Umwandlung der Rheinischen Musikschule in eine Fachhochschule wurde als Ziel formuliert und betrieben, der Titel „Konservatorium der Stadt Köln“ 1962 wieder hinzugefügt und das Musikgymnasium bzw. der Musikzweig am Humboldt Gymnasium als Kaderschmiede für den musikalischen Nachwuchs 1966 gegründet. Die siebziger Jahre bereiteten all diesen hochfliegenden Plänen ein Ende. Nachdem 1972 die berufsausbildenden Studiengänge an die Hochschule abgegeben waren, mussten 1975 auch noch die international renommierten Kurse für Alte Musik und Neue Musik (zuletzt unter der Leitung von Maurizio Kagel) wegen Einsparmaßnahmen eingestellt werden. Als schließlich bundesweit Konservatorien als musikalische Ausbildungsstätten zum Auslaufmodell erklärt wurden und viele Schüler der Rheinischen Musikschule ins Umland abwanderten, wo durch die breite Gründungswelle kommunaler Musikschulen in Nordrhein-Westfalen flächendeckend neue Musikschulen entstanden, blieb von den ambitionierten Plänen der Direktoren Hugo Wolfram Schmitz und später Prof. Heiner Lindlar nicht mehr viel übrig. Eine neue Satzung für die Rheinische Musikschule, die 1983 vom Rat der Stadt Köln verabschiedet wurde, zementierte den endgültigen Abschied von den Plänen der 60er und 70er Jahre und legte zugleich aber auch den Grundstein für einen Neuanfang. Kernstücke dieser Satzung sind die dezentrale Ausrichtung auf eigenständige Regionalschulen, Unterrichtsangebote sowohl für Kinder als auch für Erwachsene und die Berücksichtigung aller musikalischer Leistungsstufen und Stilistiken. Bürgernähe war jetzt der zentrale Auftrag der Stadt Köln an ihre Rheinische Musikschule.
III. Die Rheinische Musikschule heute Heute, mehr als 30 Jahre später, unterrichtet die Rheinische Musikschule an acht Regionalschulen sowie an über 60 kooperierenden allgemeinbildenden Schulen und Kindertagesstätten insgesamt zwischen 9.000 und 10.000 Schüler und ist damit eine der größten Bildungseinrichtungen der Stadt Köln. Eine Erwachsenenakademie mit über 500 Teilnehmern hat weit über Köln hinaus Vorbildfunktion. 2016 war der jüngste Schüler 6 Monate und die älteste 92 Jahre alt. An acht weiterführenden Schulen unterhält die Rheinische Musikschule Bläserklassen, in denen Kinder im Klassenverband das Spielen eines Blasinstruments erlernen und gemeinsam als Orchester zusammenspielen. Jährlich nehmen etwa 340 Jugendliche daran teil. Als ein wichtiger Indikator für die Leistungsfähigkeit der Rheinischen Musikschule hinsichtlich Bildungsgerechtigkeit kann der Anteil an KölnPass-Inhabern bei den Schülerinnen und Schülern der Rheinischen Musikschule gelten, der derzeit bei ca. 14 % liegt. Die damit verbundenen Minder 248
Die Rheinische Musikschule Köln in Geschichte und Gegenwart
einnahmen der Rheinischen Musikschule (KölnPass-Inhaber zahlen nur die Hälfte der laut Gebührensatzung fälligen Gebühren) liegen bei rund 250.000 Euro jährlich, die übrigens nicht von der Stadt Köln refundiert werden, sondern von der Rheinischen Musikschule erwirtschaftet werden müssen. Damit dürfte endlich das Vorurteil widerlegt sein, dass musikalische Bildung begüterten Familien vorbehalten sei. Unterrichtet werden alle möglichen musikalischen Stilistiken, von der klassischen Musik über Jazz, Rock, Pop bis zu Folklore oder Weltmusik. Als besondere Stärken erweisen sich die Möglichkeit interdisziplinären Austauschs innerhalb der Musikschule und vor allem das gemeinsame Musizieren. Mehr als 100 Ensembles haben sich an der Rheinischen Musikschule formiert. Die großen Ensembles insbesondere das Symphonische Jugendblasorchester, das Jugendsinfonieorchester und das in seiner Art in der Musikschullandschaft einzigartige Ensemble für Zeitgenössische Musik entwickelten sich zu Leuchttürmen mit einer Strahlkraft weit über Köln hinaus. Chöre mit populärem musikalischem Repertoire wie etwa die „lucky kids“, die regelmäßig im nationalen Fernsehen auftreten oder der stetig wachsende „After Work Chor“ zeigen, dass die Rheinische Musikschule eine wichtige und zukunftsträchtige Rolle im Stadtleben einnimmt. Doch zurück zum Verein der Freunde und Förderer, der all diese wechselvollen Jahre der Rheinischen Musikschule mit Rat und Tat unterstützend zur Seite stand und steht. Durch die Förderung herausragender Projekte, insbesondere der Förderung der in dieser Zeit neu erstandenen Klangkörper, dem Jugendsinfonieorchester und dem Jugendblasorchester, trägt er mit dazu bei, dass die Rheinische Musikschule selbst in schwierigsten finanziellen Zeiten seinen hohen Ansprüchen hinsichtlich Begabungsförderung und Bildungsgerechtigkeit gerecht werden kann. 2013 übernimmt Michael Oppenhoff von Prof. Dr. Bruno Braun das Amt des Vorsitzenden des Kuratoriums der Rheinischen Musikschule. Er betritt die Brücke in unruhiger See. Zwar war der Umbau der altehrwürdigen Rheinischen Musikschule vom Konservatorium zu einer dezentralen, bürgernahen Musikschule mit engagierter Breitenförderung wie oben beschrieben, erfolgreich vorangeschritten. Aber wie schon bei der Gründung, so machte sich auch jetzt das Leitmotiv der Rheinischen Musikschule, die Unzulänglichkeit der Räumlichkeiten, von Jahr zu Jahr mehr bemerkbar. Schließlich stand dem Wachstum der Schülerzahlen um das Doppelte in der Amtszeit von Direktor Michael Kobold von 1996 bis 2013 ein unverändertes Raumprogramm gegenüber. Mehr noch: Durch die vorangegangenen Schulreformen (Verkürzung der gymnasialen Ausbildung auf acht Jahre und allgemeine Verbreitung des schulischen Ganztags) drohte die gute Praxis der Rheinischen Musikschule, allgemeine Schulräumlichkeiten außerhalb der Schulzeiten zu nutzen, obsolet zu werden. Da der Unterricht nun allerorten bis in den späten Nachmittag wenn nicht gar Abend hinein dauerte, stieß das bisher 249
Alexander Pirlet und Tilman Fischer
Abb. 3: Das ehemalige Rautenstrauch-Joest Museum am Ubierring
ausgeübte best practice Modell einer dezentralen Rheinischen Musikschule mit Schulraumnutzung in allgemeinbildenden Schulen immer deutlicher an ihre Grenzen oder brach gar in sich zusammen. Das Raumangebot für die Rheinische Musikschule wurde dramatisch knapp. Schließlich steuerte auch das sogenannte „Interim“ aus dem Jahre 1963 an der Vogelsanger Straße auf ein „rekordverdächtiges“ Jubiläum zu, ganz zu schweigen vom katastrophalen Zustand des Gebäudes. Die Nutzung des absehbar freiwerdenden Rautenstrauch-Joest-Museums am Ubierring sollte diesen Unzulänglichkeiten nicht nur ein Ende bereiten, sondern für die Rheinische Musikschule eine ebenso würdige wie adäquate Adresse abgeben, passend zur Strahlkraft der Arbeit der Rheinischen Musikschule weit über Köln hinaus. Doch die Bemühungen um die Nutzung des ehemaligen Rautenstrauch- Joest-Museums am Ubierring hatten 2013 bereits einen ersten Höhepunkt überschritten: Eine 2008 in der Stadt breit angelegte Unterschriftenaktion mit rund 7000 Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern, die diesen Plan unterstützten, konnte im Januar 2009 an den damaligen Oberbürgermeister Fritz Schramma übergeben werden. In Folge dieser Aktion bekannten sich nicht wenige Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu diesen Plänen und wurden Unterstützer dieses Projekts. Seither jedoch schien Stillstand bei dem Bemühen eingetreten zu sein, das historische Gebäude am Ubierring für die Rheinische Musikschule zu gewinnen und gemeinsam mit anderen Kooperationspartnern das sehr großzügig 250
Die Rheinische Musikschule Köln in Geschichte und Gegenwart
bemessene Raumangebot als ein zukünftiges Zentrum für Musik und Tanz nach Rotterdamer Vorbild zu nutzen. Und liest man das Protokoll der Kuratoriumssitzung vom 16. März 2013 richtig, so lassen sich in dem Vorschlag, auf das Heliosgelände in Ehrenfeld auszuweichen, erste resignative Tendenzen erkennen. Eine wichtige Ursache hierfür dürfte in dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs im Jahre 2009 zu suchen sein, was einerseits große Ressourcen der Stadtverwaltung band aber auch möglicherweise zu einer größeren Zurückhaltung bei neuen Bauvorhaben führte. Darüber hinaus sorgte der bevorstehende Ruhestand des langjährigen und erfolgreichen Direktors der Rheinischen Musikschule, Michael Kobold, für Unsicherheit. Für ihn galt es eine Nachfolge zu finden. In diese Bemühungen war auch Michael Oppenhoff als Vorsitzender des Kuratoriums aktiv eingebunden, der den gesamten Prozess und die Auswahlgespräche persönlich begleitete. Im November 2013 trat Dr. Tilman Fischer die Nachfolge von Michael Kobold als Direktor der Rheinischen Musikschule an. Die Grundzüge seiner Ziele und Planungen, die er in der Kuratoriumssitzung vom 24. Oktober 2013 präsentierte, finden sich wieder im Leitbild, das ein gutes Jahr später von den zentralen Gremien der Rheinischen Musikschule verabschiedet werden konnte. Es zeigt, dass die Ziele der neuen Leitung überzeugend kommuniziert werden konnten und vom Kollegium der Rheinischen Musikschule auch als wichtigste Grundlage für weitere strategische Planungen akzeptiert und aktiv mitgetragen werden. Wieder einmal findet Zeitgeschichte ihren Niederschlag in der Arbeit der Rheinischen Musikschule, hier im Leitbild, und wieder einmal bestätigt sich das Innovationspotenzial und die Fähigkeit zur Weiterentwicklung der Rheinischen Musikschule auch unter der neuen Führung: von der Implementierung des Inklusionsgedankens als Folge des 2006 verabschiedeten und am 26. März 2009 in Kraft getretene Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNBRK) bis zur Gleichwertigkeit von Breiten- und Begabtenförderung; von wirksamen Maßnahmen gegen die allgemein beklagten Folgen der gerade umgesetzten Schulreformen bis hin zu Konzepten und Ideen, die Rheinische Musikschule im Stadtleben sichtbarer zu machen. Und über alle dem schwebend wie ein Damokles-Schwert, die prekäre Haushaltssituation der Stadt Köln. Vor allem aber wurde die Antwort des neuen Direktors auf die Frage nach den unzulänglichen Räumlichkeiten und insbesondere nach den Bemühungen um das Rautenstrauch-Joest-Museum am Ubierring mit Spannung erwartet. Nachdem seitens der Stadt noch einmal eine Anmietung im Mediapark ins Spiel gebracht wurde, legte die Rheinische Musikschule zu Beginn des Jahres 2014 ein neues Konzept vor, das einvernehmlich und in enger Zusammenarbeit mit dem Vorstand des Vereins der Freunde und Förderer und dem Kuratorium entwickelt wurde, wobei das persönliche
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Alexander Pirlet und Tilman Fischer
Engagement von Kuratoriums-Mitglied Kaspar Kraemer an dieser Stelle besonders hervorzuheben ist. Demnach wurde von den Vorhaben, sowohl in das ehemaligen Rautenstrauch–Joest-Museum am Ubierring zu ziehen als auch einer Neuanmietung von Räumen im Mediapark Abstand genommen. Stattdessen wurde das bestehende Gebäude und Gelände an der Vogelsanger Straße ins Zentrum der Betrachtung gerückt. Eine ersten Machbarkeitsstudie, die freundlicherweise durch das international renommierte Architektenbüro Kaspar Kraemer zur Verfügung gestellt wurde, ergab, dass sich auf dem bestehenden Gelände, das sich in städtischem Eigentum befindet, der Raumbedarf der Rheinischen Musikschule durch einen Erweiterungsbau und eine Sanierung des bestehenden Gebäudes für die kommenden Jahrzehnte befriedigen lässt. Das Gelände an der Vogelsanger Straße, das 1963 von der Rheinischen Musikschule als vorübergehendes Provisorium bezogen wurde, weist bis heute eine Baulücke auf, die auf das Bombardement Kölns im Zweiten Weltkrieg zurückgeht. Die zerstörten Gebäude auf dem Gelände Piusstraße 37 und 39 sowie Vogelsanger Straße Nr 30 wurden nach dem Krieg nicht wieder aufgebaut. Auf diesem heute als Parkplatz genutzten Gelände lässt sich ohne Mühen ein Gebäude errichten, das eine über siebzig Jahre alte Baulücke schließt und mehr als ausreichend Platz für eine zukunftsweisende Musikschule in Köln zulässt. Gründe für diese Entscheidung waren in erster Linie in der Ankündigung seitens der Stadt zu suchen, dass im Falle einer Anmietung im Mediapark oder bei einer Nutzung des Rautenstrauch–Joest-Museums das städtische Grundstück an der Vogelsanger Straße verkauft würde und damit der Rheinischen Musikschule, die dieses Gebäude überwiegend als Regionalschule Ehrenfeld nutzt, nicht mehr zur Verfügung stünde. Da sich aber nirgends ein entsprechendes Ersatzquartier für die Regionalschule Ehrenfeld abzeichnete, hätte eine solche Entscheidung das Ende der Regionalschule Ehrenfeld bedeutet, die wiederum zu den größten und erfolgreichsten der „Rheinischen“ zählt. Gerade der rasante Aufschwung, auf den Ehrenfeld zurückblicken kann (selbst die Süddeutsche Zeitung spricht davon, dass Ehrenfeld der neue Liebling von Kreativen und jungen Familien ist), und die schiere Größe der Regionalschule Ehrenfeld verboten jeden Rückzug der musikalischen Bildung an dieser Stelle. Die damit verbundene Verkleinerung um mehr als ein Achtel und entsprechende jährlichen Mindereinnahmen von mindestens 400.000 Euro, denen aber im Falle eines Umzugs ein Doppeltes an Mietausgaben gegenüberzustellen gewesen wäre, wären einer bildungspolitischen Kapitulation gleich gekommen. Ein Umzug in den Mediapark, der ja immerhin ein Ersatz für die Regionalschule Ehrenfeld hätte sein können, kam deshalb nicht Betracht, da die dort zur Verfügung stehenden Flächen geringer waren, so dass auch hier das geschilderte Problem in aller Schärfe ohne Lösungsperspektive blieb. Auch machte ein statistischer Vergleich mit den Musikschulen in Deutschland 252
Die Rheinische Musikschule Köln in Geschichte und Gegenwart
und Nordrhein-Westfalen deutlich, dass die Rheinische Musikschule in Köln relativ zur Größe der Stadt eine „kleine“ Musikschule ist. Bei einer bundesweit durchschnittlichen Belegung von ca. 1,3 % der Gesamtbevölkerung an der lokalen Musikschule müsste die Rheinische für die Millionenstadt Köln mittlerweile mindestens 13.000 Plätze bereithalten, was aber gerade die geschilderte Raumnot verhindert. Mit Fug und Recht kann deshalb von einer signifikanten Unterversorgung der Stadt Köln hinsichtlich musikalischer Bildung gesprochen und ein entsprechendes Entwicklungspotenzial festgestellt werden. Im Vergleich zur Option am Ubierring hatte die Erweiterungslösung am Standort Vogelsanger Straße den Vorteil der Möglichkeit einer klaren und verlässlichen Kostenkalkulation, da die Kosten für einen Neubau auf einem leeren und als unproblematischen geltenden Grundstück in der Regel geringer und einfacher zu ermitteln und einzuhalten sind als bei der Instandsetzung eines historischen unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes. Ein Argument, das durch den kurz darauf bekannt gewordenen Eklat bei der Sanierung des Kölner Opernhauses am Offenbachplatz noch zusätzliches Gewicht bekam. Es wird vermutlich für Außenstehende nie vollständig nachvollziehbar sein, mit welch unermüdlichen und zeitraubenden Einsatz sich Kuratorium und Vorstand des Fördervereins für diese neue Lösung in Politik und Verwaltung der Stadt Köln einsetzten. Ein Bericht über die vielen Besuche und die Briefe, die Politik und Verwaltung verschickt wurden, würde vermutlich Bände füllen. Schließlich standen auch die Wahlen für das Amt des Oberbürgermeisters an und viele der Veranstaltungen im Rahmen des Wahlkampfs wurden von den Vertretern des Kuratoriums und des Vorstand des Fördervereins in bewunderungswürdigem Engagement genutzt, um die dringenden Bedürfnisse und Forderungen der Rheinischen Musikschule den Kandidaten nachdrücklich deutlich zu machen. Dieser Einsatz wurde recht bald belohnt. Denn ein Jahr darauf, am 10. September 2015, beschloss der Rat der Stadt Köln ohne Gegenstimme die Aufnahme der Planungen für einen Erweiterungsbau und Sanierung oder Neubau des Bestandsgebäudes an der Vogelsanger Straße und stellte für die Planungsarbeiten 350.000 Euro bereit. Trotz dieser hoch engagierten und ressourcenzehrenden Aktion für eine Verbesserung der Raumsituation konnten mit Hilfe von Förderverein und Kuratorium während dieser Zeit auch auf anderen Arbeitsfeldern wichtige Fortschritte erzielt werden. Insbesondere ein wichtiges Anliegen von Michael Oppenhoff, Kindern von benachteiligten Familien Zugang zu musikalischer Bildung und damit kultureller Teilhabe zu ermöglichen, konnte weiter ausgebaut werden. Noch in der Amtszeit von Michael Kobold konnte die Rheinische Musikschule dank des großen persönlichen Engagements
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der Familie Oppenhoff das Programm „Grundschulen mit Schwerpunkt Musik“ an vier Grundschulen in ausgewiesenen Kölner Sozialräumen starten (GGS Alzeyer Straße, GGS Porz-Mitte, GGS Friedrich-List-Schule, GGS James-Krüss-Schule). Im Rahmen dieses Programms arbeiten erfahrene Gesangspädagogen/innen bzw. Chorleiter der Rheinischen Musikschule einmal wöchentlich in rund 20 Schulklassen im Klassenverband mit den jeweiligen Klassenlehrerinnen musikalisch zusammen, um ein musikalisches Programm zu erarbeiten, das einmal jährlich einem großen Klassen- und schulübergreifenden Konzert präsentiert wird. Nach Einführung des landesweiten Musikalisierungsprogramms „JeKits“ im Jahr 2015 (siehe unten) konnte dieses Programm erfolgreich damit verbunden werden, so dass dieser Initiative eine nachhaltige Perspektive eröffnet werden konnte. Die Einführung von „JeKits“ in Köln durch die Rheinische Musikschule kann als ein Meilenstein der musikalischen Breitenförderung bzw. als breit angelegtes Musikalisierungsprogramm für Grundschulen gelten. JeKits, eine Abkürzung für „Jedem Kind Instrumente, Tanzen, Singen“ ist ein kulturelles Bildungsprogramm für Grundschulen in Nordrhein-Westfalen. Es ist das landesweite Nachfolgeprogramm von „Jedem Kind ein Instrument“, das im Jahr 2007 für das Ruhrgebiet entwickelt wurde und ist landesweit zum Schuljahr 2015/16 gestartet. Die Rheinische Musikschule ermöglicht neun Grundschulen in Köln die Teilnahme an diesem Programm im Rahmen ihres erklärten Ziels der musikalischen Breitenförderung. Weitere wichtige Projekte der Breitenförderung und zur kulturellen Teilhabe konnten im Rahmen des Programms „Kultur macht stark“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in mehreren Kölner Kindertagesstätten durchgeführt werden. Hier besonders hervorhebenswert die sehr geglückte Zusammenarbeit der Rheinischen Musikschule mit dem Gürzenich-Orchester Köln. Neben der sehr erfolgreichen musikpädagogischen Zusammenarbeit der Mitglieder des Orchesters mit den Pädagogen/innen der Rheinischen Musikschule ist ein Probenbesuch des Orchesters der Kinder der teilnehmenden Kindertagesstätten in der Kölner Philharmonie ein absolutes Highlight. Dadurch wird den Kindern aus zumeist Familien, die durch Arbeitslosigkeit und Migrationshintergrund gezeichnet sind, ein wirksamer und nachdrücklicher Einstieg in das städtische Kulturleben und Gemeinwesen geebnet. Im Bereich Spitzen- bzw. Begabtenförderung war ein erklärtes Ziel der neuen Leitung, dem allgemeinen Lamento, ausgelöst durch die Schulreformen der vorangegangenen Jahre, dadurch zu begegnen, das Angebot der Rheinischen Musikschule durch internationale Begegnungen und Reisen noch attraktiver zu machen. Die Schulreformen hatten zur Folge, dass nunmehr den Schülerinnen und Schülern nicht nur weniger Zeit für außerschulisches Engagement, wie etwa musizieren in Musikschulen, aber auch Sport
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Die Rheinische Musikschule Köln in Geschichte und Gegenwart
in Vereinen übrig blieb, sondern es fiel auch ein kompletter Jahrgang weg, was sich auch entsprechend in den Mitgliederzahlen in Vereinen, Kultureinrichtungen und Musikschulen niederschlug und lautstark von den entsprechenden Verbänden beklagt wurde. Durch Internationalisierung, also durch internationalen Austausch und internationale Konzertreisen sollte diese Attraktivitätssteigerung besonders für die großen Klangkörper der Rheinischen Musikschule erreicht werden. Gleichzeitig sollte mit dieser Internationalisierung der Rheinischen Musikschule innerhalb der Stadt aber auch überregional und international mehr Gewicht verliehen werden und Köln als Musikstadt auch im Bereich der musikalischen Nachwuchsförderung auf allen Ebenen durch die Rheinische Musikschule repräsentiert werden. Dass solche Bemühungen zusätzlicher Mittel bedürfen, liegt auf der Hand und entsprechend war das Verfolgen dieser Strategie ohne Unterstützung des Vereins der Freunde und Förderer und vor allem des Kuratoriums unter Michael Oppenhoff nicht denkbar. Den Anfang machte ein Austausch mit der Accademia Ruggero Leoncavallo in Montecatini Terme in der Toskana. Zunächst besuchte eine Gruppe aus Montecatini im Mai 2014 die Rheinische Musikschule in Köln und gab gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der Rheinischen Musikschule ein Konzert im Italienischen Kulturinstitut. Ein Jahr später, vom 5. bis 10.5.2015, erfolgte der Gegenbesuch des damals neu gegründeten Ensembles für Zeitgenössische Musik der Rheinischen Musikschule anlässlich des Festivals Rassegna Musicale Europea in Montecatini. Im Gepäck der jungen Leute aus Köln war auch die Komposition eines gerade 15-jährigen Schülers der „Rheinischen“, die in Italien großen Eindruck machte. Kurz darauf wurde das Symphonische Jugendblasorchester zum XII. Europäischen Musikfest der Jugend, EMUSIK 2016, nach San Sebastian eingeladen. Mit Konzerten in Pamplona und San Sebastian sowie einem grandiosen Eröffnungskonzert im Stadion von San Sebastian wurde diese Reise ins Basken land nicht nur musikalisch für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einem unvergesslichen Erlebnis. Bisheriger Höhepunkt dieser Bemühungen aber dürfte wohl der Austausch und die Partnerschaft der Rheinischen Musikschule mit dem Central Conservatory of Music (CCOM) in Kölns chinesischer Partnerstadt Peking markieren. Den Auftakt dazu bildete der Besuch des Junior Orchestra der Middle School Attached to the Central Conservatory of Music in Köln mit Konzerten im Klaus-von-Bismarck-Saal des Westdeutschen Rundfunks und in der Kölner Philharmonie, die nur durch die Unterstützung durch das Kuratorium der Rheinischen Musikschule möglich wurden. Im Gegenzug besuchte das Jugendsinfonieorchester der Rheinischen Musikschule im Oktober 2016 Peking und gab gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der chinesischen Gastgeber Konzerte im Konzertsaal der Middle School und in der Beijing Concert Hall. Höhepunkt der Reise war die Unterzeich255
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Abb. 4: Jugendsinfonieorchester in der Beijing Concert Hall (2016)
Abb. 5: Unterzeichnung des Kooperationsabkommens in Peking (Oktober 2016)
nung eines Partnerschaftsabkommens zwischen der Rheinischen Musikschule und der Middle School attached to the CCOM in einer feierlichen Zeremonie. Die Anwesenheit von Vertretern der Deutschen Botschaft in Peking, des Präsidenten des CCOM und von Vertretern des chinesischen Ministeriums für Erziehung unterstrich die Bedeutung, die diesem Abkommen beigemessen wird. Das staatliche Fernsehen CCTV berichtete ausführlich und auch die Deutsche Botschaft in Peking würdigte dieses Ereignis auf ihrer Webseite.
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IV. Ausblick „Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollte man ihn unergründlich finden?“ mutmaßte Thomas Mann zu Beginn seines ersten als „Höllenfahrt‘“ titulierten Kapitels in seinem Jahrhundertroman „Joseph und seine Brüder“. Auch wenn sich mit dem Gründungsjahr 1845 für die Rheinische Musikschule ein Grund dieses Brunnens ausmachen lässt, dürfte das Ausschöpfen desselben doch wieder – wie so oft in Köln – zu einem unerschöpflichen Unterfangen geraten. Immerhin: Eine Höllenfahrt ist die Geschichte der Rheinischen Musikschule wohl nicht geworden, sicherlich aber eine Odyssee, in deren Verlauf eine der größten und erfolgreichsten Bildungseinrichtungen Kölns durch an Nomadisierung grenzende Flexibilität und einer herausragenden Leistungsbereitschaft aller Mitarbeitenden es über Jahrzehnte hinweg geschafft hat, sich als überzeugendes und anerkanntes Kompetenzzentrum und als Fackelträger für herausragende musikalische Arbeit zu etablieren. In der Zukunft wird es für die Rheinische Musikschule neben dem vordringlichen Ziel, ein belastbares Domizil zu finden, eine wichtige Aufgabe bleiben, an der Erhaltung und Steigerung der Qualität weiterzuarbeiten und dadurch auch in Zukunft eine erste Adresse zu bleiben: für die musikalische Breiten- und Begabungsförderung ebenso wie für herausragende Musiker- und Pädagogenpersönlichkeiten. Darüber hinaus sollen die Kernkompetenzen im Bereich gemeinsames Musizieren (Ensemblearbeit) weiter ausgebaut und gestärkt und weiter an innovativen Konzepten gearbeitet werden, speziell mit Blick auf den demografischen Wandel in Köln. Wichtigstes Ziel ist es, möglichst vielen Menschen in Köln aktive Teilnahme am kulturellen Leben der Stadt zu ermöglichen, Menschen durch Musik zu verbinden und ihr Leben mit Musik zu bereichern. Damit leistet die Rheinische Musikschule einen wichtigen Beitrag zum Wohl unserer Stadtgesellschaft: die Gestaltung eines friedlichen und toleranten Miteinanders. Bleibt zu hoffen, dass die Stadt Köln die Zeichen erkennt, auf diese Signale reagiert und im Jahr 2020, dem 175. Jubi läum der Rheinischen Musikschule, der musikalischen Bildung in der Musikstadt Köln nicht mehr und die Rahmenbedingungen von „Jägern und Sammlern“ zuweist. Abbildungsverzeichnis: Abb. 1: Ferdinand Hiller, Direktor der Rheinischen Musikschule 1849–1884 Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid= 2553865
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Abb. 2: Rheinische Musikschule in der Wolfsstraße (1873-1943) Quelle: Konservator Stadt Köln Foto 115380) Abb. 3: Das ehemalige Rautenstrauch-Joest Museum am Ubierring Quelle: Rheinisches Bildarchiv Abb. 4: Jugendsinfonieorchester in der Beijing Concert Hall (2016) Quelle: Richard Meyer Abb. 5: Unterzeichnung des Kooperationsabkommens in Peking (2016) Quelle: Deutsche Botschaft Peking (http://www.china.diplo.de/ Vertretung/china/de/06-ku/austauschjahr/161018-K_C3_B6ln. html) Literatur: Heinrich Lindlar (1975): 130 Jahre Rheinische Musikschule Köln – Erbe und Auftrag, 1975, Verlag W. Frings, Köln
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Die Sozietät zwischen Anwaltsnotar und Wirtschaftsprüfer Inhaltsübersicht
I. Einführung
II. Die berufsrechtlichen Grund lagen III. Die Entscheidung des BVerfG vom 8.4.1998 IV. Die Novelle 1998 und die weitere Entwicklung
V. Die Sozietätsbeschränkungen durch § 14 Abs. 5 BNotO
VI. Die Ausweitung des § 9 Abs. 2 BNotO VII. Das Fremdbesitzverbot VIII. Ergebnis
I. Einführung Probleme der interprofessionellen Zusammenarbeit aus anwaltlicher Sicht sind von hoher Aktualität. Neben den viel diskutierten, bisher aber vergeblichen Versuchen, die enge Begrenzung des § 59a Abs. 1 BRAO aufzulockern, hat dazu vor allem auch die Horn-Entscheidung des BVerfG vom 12.1.2016 beigetragen, die eine Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern für zulässig erklärt hat.1 Deutlich weniger im Blickfeld der Diskussionen befindet sich der Anwaltsnotar. Der vorliegende Beitrag will den Versuch machen, die für diese Personen entstehenden Sonderfragen näher auszuleuchten. Der Beitrag ist Michael Oppenhoff zu seinem 80. Geburtstag in Dankbarkeit gewidmet. Als der Autor dieser Zeilen im April 1986 als Nachfolger von Gottfried Baumgärtel an die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln berufen wurde, führten ihn die ersten Kontakte zur Praxis mit mehreren Rechtsanwälten aus der damaligen Sozietät „Boden, Oppenhoff und Schneider“ zusammen. Die freundschaftliche Aufnahme in der Kölner Anwaltschaft und die vielfältigen Anregungen für die wissenschaftliche Forschung haben den beruflichen Start in Köln höchst angenehm gestaltet. Heute lässt sich mit großer Freude sagen, dass diese wertvollen Kontakte zwischen Wissenschaft und Praxis in den vergangenen 30 Jahren stets auf-
1 BVerfG v. 12.1.2016 – 1 BvL 6/13, NJW 2016, 700 = AnwBl 2016, 261 = EWiR 2016, 195 mit Anm. Prütting.
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recht erhalten blieben und das überaus angenehme menschliche Zusammenwirken in Köln geprägt haben.
II. Die berufsrechtlichen Grundlagen Rechtsanwalt und Notar sind zwei verschiedene Berufe mit sehr unterschiedlichem Berufsbild. Der Rechtsanwalt ist gemäß §§ 1-3 BRAO ein freier Beruf und ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. Er zeichnet sich durch absolute Staatsferne („freie Advokatur“) aus. Seine Tätigkeit unterliegt der freien und unreglementierten Selbstbestimmung des Anwalts. Dem gegenüber ist der Notar gem. § 1 BNotO der Träger eines öffentlichen Amtes. Er wird nach Bedürfnis (§ 4 BNotO) vom jeweiligen Bundesland auf Lebenszeit bestellt (§§ 1, 3 Abs. 1, 5, 6 BNotO). Er erfüllt staatliche Aufgaben in hoheitlicher Form.2 Gemäß § 14 Abs. 1 BNotO ist der Notar nicht Vertreter einer Partei, sondern unabhängiger und unparteiischer Betreuer der Beteiligten. Der Rechtsanwalt darf sich gemäß § 59a BRAO nur mit Patentanwälten, Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern zur gemeinsamen Berufsausübung zusammentun. Der Notar darf mit keinem anderen Beruf eine Berufsgemeinschaft eingehen (§ 9 Abs. 1 BNotO). Der sogenannte Anwaltsnotar ist daher nur deshalb rechtlich möglich, weil § 3 BNotO die Notariatstätigkeit als Hauptberuf (Abs. 1) oder als Nebenberuf (Abs. 2) vorsieht. Der Notar im Nebenberuf und damit die Person des Anwaltsnotars ist eine rein historisch erklärbare Sonderform. Sie wirft aber Abgrenzungsprobleme auf. So sagt § 59a Abs. 1 Satz 3 BRAO: „Rechtsanwälte, die zugleich Notar sind, dürfen eine solche Verbindung nur bezogen auf ihre anwaltliche Berufsausübung eingehen.“ Umgekehrt ergibt sich aus § 24 Abs. 2 BNotO, dass der Anwaltsnotar bei Betreuung und Vertretung der Beteiligten deutlich abgrenzen muss, ob er als Rechtsanwalt oder als Notar handelt. Diese berufsrechtlichen Ausgangspunkte zeigen, dass Rechtsanwalt und Notar in der Tat zwei sehr unterschiedliche Berufe sind. Die Bezeichnung als Anwaltsnotar, wie sie die Praxis und das Gesetz in den §§ 3 Abs. 2, 9 Abs. 2 BNotO verkürzend benutzen, ist daher eigentlich irreführend. Eine Person kann im Bereich des § 3 Abs. 2 BNotO allenfalls Rechtsanwalt und Notar (mit strikt getrenntem Tätigkeitsbereich) sein. Seine konkrete Tätigkeit muss sich stets auf einen der beiden Bereiche beziehen. 2 Zum Streit um die hoheitliche oder privatrechtliche Form bei der Betreuung gemäß § 24 BNotO vgl. Frenz in Eylmann/Vaasen, BNotO, 4. Aufl. 2016, § 1 Rz. 18 ff.
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Die Sozietät zwischen Anwaltsnotar und Wirtschaftsprüfer
Ähnlich dem Rechtsanwalt übt der Wirtschaftsprüfer gemäß § 1 Abs. 2 WPO einen freien Beruf aus. Trotz seiner öffentlichen Bestellung ist er daher staatsfern und darf ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis nicht eingehen (vgl. § 44a WPO). Für das Verhältnis zum Anwaltsnotar bestimmt § 44b Abs. 1 Satz 2 WPO: „Mit Rechtsanwälten, die zugleich Notare sind, darf eine Sozietät nur bezogen auf die anwaltliche Berufsausübung eingegangen werden. Im Übrigen richtet sich die Verbindung mit Rechtsanwälten, die zugleich Notare sind, nach den Bestimmungen und Anforderungen des notariellen Berufsrechts.“
III. Die Entscheidung des BVerfG vom 8.4.1998 Die BNotO vom 24.2.1961 enthielt bis zum Jahre 1998 keine Regelung zu der Frage, mit wem sich ein Anwaltsnotar zur gemeinsamen Berufsausübung verbinden durfte. In der Rechtsprechung des BGH wurde den Anwaltsnotaren eine Sozietät mit Steuerberatern erlaubt3, nicht dagegen mit Wirtschaftsprüfern.4 Dagegen bestimmte die BRAO in ihrer seit der Novelierung vom 2.9.1994 geltenden Fassung in § 59a Abs. 1 folgendes: „Rechtsanwälte dürfen sich mit Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer und der Patentanwaltskammer, mit Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern in einer Sozietät zur gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen der eigenen beruflichen Befugnisse verbinden. […] Rechtsanwälte, die zugleich Notar sind, dürfen eine solche Sozietät nur bezogen auf ihre anwaltliche Berufsausübung eingehen. Im übrigen richtet sich die Verbindung mit Rechtsanwälten, die zugleich Notar sind, nach den Bestimmungen und Anforderungen des notariellen Berufsrechts.“
In einem konkreten Streit, der der Entscheidung des BVerfG zugrunde lag, haben sieben Berliner Anwaltsnotare angezeigt, dass sie in überörtlicher Sozietät mit Wirtschaftsprüfern verbunden sind. Diese sieben Anwaltsnotare waren die Berliner Anwaltsnotare in der durch die Verschmelzung von Boden Oppenhoff Rasor Raue und Rädler Raupach Bezzenberger zum 1.1.1995 gebildeten Sozietät Oppenhoff & Rädler. Sieben andere Sozietätsmitglieder an den Standorten Frankfurt am Main und München waren außerhalb der Sozietät auch als Wirtschaftsprüfer tätig. Die sieben Berliner Anwaltsnotare der Sozietät haben einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, dass die untersagenden Verfügungen des zuständigen Landgerichts-Präsidenten aufgehoben werden. Das Kammergericht hatte diesem Antrag stattgegeben. Der BGH dagegen hat die Entscheidung des Kammergerichts aufgehoben und die Verfügungen des Landgerichtspräsidenten wieder hergestellt. Dazu hat er auf die Gefahr von Interessenkon3 BGH v. 1.12.1969 – NotZ 7-8/69, BGHZ 53, 103. 4 BGH v. 22.10.1979 – NotZ 5/79, BGHZ 75, 296.
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flikten hingewiesen. Es müsse schon der Anschein einer Gefährdung vermieden werden. Das BVerfG5 hat festgestellt, dass die Entscheidung des BGH gegen Art. 12 Abs. 1 GG und gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG hat das BVerfG beanstandet, dass für das ausgesprochene Verbot einer beruflichen Zusammenarbeit die erforderliche gesetzliche Grundlage fehle. Insoweit hat das Gericht seine frühere Auffassung ausdrücklich aufgegeben. Ob die Neuregelung des § 59a Abs. 1 BRAO den zu entscheidenden Sachverhalt erfasst oder eine bewusste Lücke enthält, hat das Gericht ausdrücklich offen gelassen. Darüber hinaus hat das BVerfG ein eventuelles Sozietätsverbot an Art. 3 Abs. 1 GG gemessen und inhaltlich beanstandet. Es hat die ausdrückliche Erlaubnis des Anwaltsnotars, mit einem Steuerberater eine Sozietät einzugehen, mit dem Beruf des Wirtschaftsprüfers verglichen und zwischen diesen Berufen eine Nähe der Tätigkeit gesehen, die eine Differenzierung ausschließe. Speziell als Grund für eine Differenzierung abgelehnt hat das BVerfG die Überlegung, dass Wirtschaftsprüfer häufig in großen Gesellschaften organisiert sind und deshalb Gefahren für die Unabhängigkeit zu befürchten seien. Zurückgewiesen hat das BVerfG ferner die Argumentation des BGH, durch eine Sozietät von Anwaltsnotar und Wirtschaftsprüfer werde eine unerwünschte Änderung des Rechtsbewusstseins bewirkt. Allerdings räumt das BVerfG ausdrücklich ein, dass sich durch eine solche Sozietätsmöglichkeit das Berufsbild des Anwaltsnotars von dem des Nur-Notars noch weiter entfernt. Trotz der konstatierten auffallenden Unterschiede innerhalb des Notariatsbereichs hat allerdings das BVerfG die Auffassung vertreten, dies bedürfe keiner Vertiefung. Es hat also im Jahre 1998 die auffallenden Unterschiede innerhalb des deutschen Notariats nicht beanstandet.
IV. Die Novelle 1998 und die weitere Entwicklung Schon seit den berühmten Entscheidungen des BVerfG vom 14.7.1987 zum anwaltlichen Berufsrecht6 war relativ klar, dass auch das notarielle Berufsrecht einer gründlichen Novellierung bedurfte. In den Jahren 1993 bis 1998 wurde die Modernisierung der BNotO intensiv diskutiert. Am 21.3.1996 wurde ein Regierungsentwurf hierzu veröffentlicht.7 Im Rahmen der abschließenden Beratungen wurde sodann die Entscheidung des BVerfG vom 8.4.1998 zur Zulässigkeit von Sozietäten zwischen Anwaltsnotaren und Wirtschaftsprüfern bekannt und noch in das Änderungsgesetz eingearbeitet. Das dritte Gesetz zur Änderung der BNotO wurde am 31.8.1998 erlas5 BVerfG v. 8.4.1998 – 1 BvR 1773/96, BVerfGE 98, 49 = DNotZ 1998, 754. 6 BVerfG v. 14.7.1987 – 1 BvR 537/81, 1 BvR 195/87, BVerfGE 76, 171; 1 BvR 362/79, BVerfGE 76, 196. 7 BT-Drucksache 13/4148.
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Die Sozietät zwischen Anwaltsnotar und Wirtschaftsprüfer
sen und trat am 8.9.1998 in Kraft.8 Es stellt die mit Abstand umfassendste Reform des notariellen Berufsrechts seit der Neuordnung 1961 dar. Neben vielen anderen Änderungen wurde auch die Einbeziehung weiterer Berufsgruppen in den Anwendungsbereich der §§ 8, 9 BNotO und damit die Sozietätsmöglichkeiten für Anwaltsnotare deutlich erweitert. § 9 Abs. 2 BNotO stimmt im Regelungsgehalt mit § 59a Abs. 1 BRAO überein. Die spezielle Norm zur gemeinsamen Berufsausübung von Anwaltsnotaren mit anderen Berufen (§ 9 Abs. 2 BNotO) trifft keine Aussage über die konkreten Formen dieser Zusammenarbeit. Angesichts der Entwicklungen im anwaltlichen Berufsrecht und der Anerkennung von Rechtsanwalts-GmbH und Rechtsanwalts-AG neben der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und der Partnerschaftsgesellschaft ist es aber heute nicht mehr ernstlich zweifelhalt, dass alle diese Organisationsformen auch dem Anwaltsnotar offen stehen.9 Ebenso ist heute wohl unstreitig, dass neben der örtlichen Sozietät auch die überörtliche und die internationale Sozietät dem Anwaltsnotar offen stehen. Die entscheidenden Grenzen dieser Entwicklung sind einmal § 9 Abs. 3 BNotO, wonach die gemeinsame Berufsausübung für den Anwaltsnotar nicht die persönliche und eigenverantwortliche Amtsführung, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit beeinträchtigen dürfen. Weiterhin gilt der Grundsatz, dass die berufliche Verbindung des Anwaltsnotars sich immer nur auf die anwaltliche Tätigkeit beziehen kann (§ 59a Abs. 1 Satz 3 BRAO). Schließlich stellt sich die bis heute nicht abschließend geklärte Frage, ob die zulässigen beruflichen Verbindungen durch § 14 Abs. 5 BNotO beschränkt sind. 10
V. Die Sozietätsbeschränkungen durch § 14 Abs. 5 BNotO § 14 Abs. 5 BNotO schränkt die Beteiligungsmöglichkeiten des Notars an Gesellschaften ein. Die Norm ist mit der Novelle 1998 in das Gesetz eingefügt worden und soll einer Gefährdung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit begegnen. Die Norm schließt daher insbesondere Beteiligungen an einer erwerbswirtschaftlichen Gesellschaft aus, die einen Unternehmensgegenstand aufweist, der gemäß § 8 BNotO nicht genehmigungsfähig ist, soweit der Notar (direkt oder indirekt) durch seine Mehrheitsbeteiligung einen beherrschenden Einfluss in dieser Gesellschaft ausüben kann. Im Lichte der Entscheidung des BVerfG vom 8.4.1998 hat die Norm bereits
8 Drittes Gesetz zur Änderung der BNotO und anderer Gesetzte v. 31.8.1998, BGBl. I 2585. 9 Vgl. zur Diskussion Maaß, ZNotP 2005, 330. 10 Vgl. Roscher-Meinel, DNotZ 2014, 643.
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verfassungsrechtliche Zweifel ausgelöst.11 Darüber hinaus hat Roscher-Meinel den Versuch gemacht, die Norm als Einschränkung der Tätigkeit des Anwaltsnotars in einer Wirtschaftsprüfergesellschaft zu aktivieren.12 Richtig daran ist, dass der Anwaltsnotar zwei Berufe ausübt und sich gesellschaftsrechtlich oder im Anstellungsverhältnis nur als Rechtsanwalt mit anderen Berufsgruppen verbinden kann. Soweit der Anwaltsnotar Weisungen unterliegt, dürfen diese sich nicht auf seine Tätigkeit als Notar beziehen. Soweit sich die Weisungen auf seine Tätigkeit als Rechtsanwalt (oder als Steuerberater usw.) beziehen, muss die Beurteilung der Zulässigkeit dem dortigen Berufsrecht folgen, nicht der BNotO.13
VI. Die Ausweitung des § 9 Abs. 2 BNotO § 9 Abs. 2 BNotO wird ebenso wie § 59a Abs. 1 BRAO als eine abschließende gesetzliche Regelung für die interprofessionelle Zusammenarbeit verstanden. Mit der Entscheidung des BVerfG vom 12.1.201614 entsteht daher zwangsläufig die Frage, ob die zu § 59a Abs. 1 BRAO ergangene Rechtsprechung künftig auch für § 9 Abs. 2 BNotO Geltung beanspruchen darf. Diese Frage ist im Lichte der Tatsache zu beantworten, dass § 9 Abs. 2 BNotO ausschließlich für den Anwaltsnotar in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt gilt. Von daher kann an der Anwendbarkeit der BVerfG-Entscheidung auf den Anwaltsnotar kein ernsthafter Zweifel bestehen. Offen ist dagegen die Frage, ob und in welchem Umfang die neue Rechtsprechung des BVerfG über die entschiedenen Fälle von Arzt und Apotheker hinaus Anwendung finden kann. Das BVerfG hat die Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts hervorgehoben und betont, dass dieses Postulat nicht auf den Anwalt beschränkt ist, sondern wesentliches Kennzeichen aller freien Berufe ist. Soweit also durch eine Berufsgruppe diese Unabhängigkeit und weitere zentrale Grundpflichten wie die Verschwiegenheit gegeben sind, wird man künftig eine Ausdehnung über den Bereich von Arzt und Apotheker hinaus bejahen müssen.
VII. Das Fremdbesitzverbot In einer Rechtsanwaltsgesellschaft gilt gemäß § 59e Abs. 2 BRAO das zwingende Gebot, dass die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte Rechtsanwälten zustehen muss. Es soll also die Möglichkeit einer reinen 11 Vgl. Sandkühler in Frenz (Hrsg.), Neues Berufs- und Verfahrensrecht der Notare, 1999, Rz. 84. 12 Roscher-Meinel, ZNotP 2014, 206. 13 Insoweit wohl a. A. Roscher-Meinel, ZNotP 2014, 206, 209. 14 BVerfG v. 12.1.2016 – 1 BvL 6/13, AnwBl 2016, 261.
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Kapitalbeteiligung externer Dritter an Rechtsanwaltsgesellschaften ausgeschlossen sein. Über diese Frage ist eine heftige rechtspolitische Diskussion entstanden, seit in England und Wales die sogenannten Alternative Business Structures (ABS) im Jahre 2012 zugelassen wurden, die sogar eine hundertprozentige Fremdkapitalbeteiligung erlauben. In Deutschland wird diese Entwicklung bisher weithin und zurecht abgelehnt, weil andernfalls die Unabhängigkeit der anwaltlichen Berufsausübung und der Schutz der Vertraulichkeit wohl nicht gewährleistet wären. Dass § 59e BRAO auch für den an einer Rechtsanwaltsgesellschaft beteiligten Anwaltsnotar gilt, ist unstreitig. Offen ist dagegen die Frage, ob das Verbot der Fremdbeteiligung im Lichte der Entscheidung des BVerfG vom 14.1.201415 weiterhin aufrecht erhalten werden kann. In dieser Entscheidung wurde die Regelung für verfassungswidrig erklärt, die eine gemeinsame Gesellschaft von Rechtsanwälten und Patentanwälten für berufsrechtlich unzulässig erklärt, soweit nicht die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte den Rechtsanwälten überlassen sind. Aus dieser Entscheidung ist jedoch nicht zwingend zu entnehmen, dass ein solches Verbot auch die Frage des Fremdkapitals an Anwaltsgesellschaften betrifft. Dies dürfte schon daraus folgen, dass das BVerfG seine Entscheidung insbesondere auch damit begründet hat, dass die in einer solchen Gesellschaft tätigen Rechtsanwälte und Patentanwälte sehr ähnlichen berufsrechtlichen Grundpflichten unterliegen. Mit einer solchen Argumentation ist aber die Situation einer reinen Fremdkapitalbeteiligung, deren Träger möglicherweise keinerlei Berufsrecht unterliegen, nicht vergleichbar.
VIII. Ergebnis Der Anwaltsnotar übt zwei verschiedene Berufe aus. Er ist Rechtsanwalt und Notar. Diese beiden Bereiche muss er nach Tätigkeit und Pflichtenprogramm strikt trennen (vgl. § 24 Abs. 2 BNotO). Die hergebrachte gesetzliche Regelung führt dazu, dass der Anwaltsnotar in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt zwangsläufig an allen Tätigkeitserweiterungen gesellschaftsrechtlicher, berufsrechtlicher und interprofessioneller Art teilnimmt, die sich in jüngerer Zeit entwickelt haben und noch entwickeln werden. Diese Feststellung ist im Grunde schon seit der Entscheidung des BVerfG vom 8.4.1998 geklärt. Andererseits führt diese Rechtsentwicklung zwangsläufig zu einem immer stärkeren Auseinanderdriften des Berufsbildes zwischen Anwaltsnotar und Nur-Notar. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. Das BVerfG und die Praxis haben diese Entwicklung bisher als historisch verfestigten Ausgangspunkt ohne Beanstandung hingenommen. 15 BVerfG v. 14.1.2014 – 1 BvR 2998/11, 1 BvR 236/12, ZIP 2014, 368 = EWiR 2014, 203 mit Anm. Henssler.
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Man sollte sich aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die künftige Entwicklung an einen Punkt führen könnte, an dem der Dualismus von Nur-Notar und Anwaltsnotar nicht mehr hinnehmbar erscheint. Spätestens wenn die europarechtliche Entwicklung dazu führen sollte, dass das deutsche Fremdbesitzverbot im anwaltlichen Bereich beseitigt werden würde, wird zugleich die Frage auf den Prüfstand kommen, ob die Kombination von Anwaltsberuf und Notar im Nebenamt künftig noch eine hinnehmbare und zulässige Kombination sein kann.
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Böhmermanns „Schmähkritik“ und die Justiz Und selbst abends heißt’s statt schlafen, Fellatio mit hundert Schafen. Inhaltsübersicht
I. Das Schmähgedicht und seine Folgen 1. Das Vorspiel 2. Das „Juristische Pro-Seminar“ 3. ZDF, Bundeskanzlerin, Mathias Döpfner
II. Bisher vorliegende juristische Konsequenzen aus dem Vortrag des „Schmähgedichtes“ 1. Böhmermann bleibt straflos 2. Zivilgerichtliche Verfahren 3. Entscheidung der Verwaltungsgerichte a) Wiedergabe des Gedichtes auf einer Demonstration b) Auskunftsanspruch des Tagesspiegels gegen das Auswärtige Amt
c) Auskunftsanspruch des Tagesspiegels gegen das Bundeskanzleramt III. Rechtliche Würdigung 1. Satire und Kunstfreiheit? 2. Beurteilungsmaßstab bei derartiger Realsatire a) Verbot nur bei schwerwiegender Persönlichkeitsbeeinträchtigung b) Gerechte Interpretation und Gesamtbetrachtung c) Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums, das bereit ist, den Gesamtbeitrag zu berücksichtigen
Es ist gute, berechtigte und deshalb auch richtige Tradition, in einer einem Jubilar gewidmeten Festschrift Themen abzuhandeln, die dem Augenblick Dauer verleihen – und nicht über Streitigkeiten zu sinnieren, die brandaktuell aber noch nicht einmal rechtskräftig entschieden sind. Dieser – dem Respekt, ja der Bewunderung für den Empfänger einer Festschrift geschuldeten – Tradition weiß sich auch der Verfasser dieser Zeilen verpflichtet, will aber er mit seinem kleinen Beitrag diesmal dem deutschen Merkvers Wahrheit verleihen: Keine Regel ohne Ausnahme! Das mag in unserem Falle deshalb nicht nur gerechtfertigt, sondern geboten sein, weil Michael Oppenhoff ein Mann ist, der den „schönen Künsten“ unserer Tage sich über Jahrzehnte verpflichtet weiß und dafür sein „außerberufliches Herz“ (wenn es denn so etwas gibt) immer hat schlagen lassen. Hinter dem aktuellen Streit, ob die jedem Zeitungsleser bekannte „Schmähkritik“ von Jan Böhmermann noch zulässige Satire oder schon „bewusst verletzende“ und daher unzulässige Persönlichkeitsrechtsverletzung ist, wird 267
Peter Raue
seit dem 1. April 2016 nicht nur unter Juristen, sondern auch unter Journalisten und den Fernseh-Verantwortlichen heftig gestritten.1 Entschieden ist der Streit noch keineswegs. Nur etwas mehr als eine Minute dauert die Verlesung der „Schmähkritik“, die trotz der Kürze unvorstellbare Reaktionen ausgelöst hat: Der türkische Ministerpräsident stellt Strafanzeige, die Bundeskanzlerin telefoniert nach Ankara, entschuldigt sich und bedauert später die Entschuldigung, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Majestätsbeleidigung, Erdogan verklagt den Satiriker Böhmermann vor dem Zivilgericht, Böhmermann zieht sich für Wochen aus dem Fernsehgeschäft zurück. Insofern dürfte die „Schmähkritik“ einen intellektuellen Beitrag zur Chaosforschung liefern, die uns lehrt: „Der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien kann einen Tornado in Texas auslösen.“ Das Strafverfahren ist endgültig eingestellt, die Unterlassungsklage Erdogans erstinstanzlich zu seinen Gunsten entschieden, der Weg über das Oberlandesgericht2 zum BGH bis zum Bundesverfassungsgericht vorgezeichnet, Böhmermann tritt wieder im Fernsehen auf. An dieser Stelle lassen wir uns kurz nieder, um darüber zu sinnieren, ob der Schutzmantel des Art. 5 Abs. 3 GG so dicht ist, dass Böhmermann unbeschädigt aus diesem Streit hervorgeht.
I. Das Schmähgedicht und seine Folgen Wenngleich die causa Böhmermann einen höheren Bekanntheitsgrad hat als die erotischen Eskapaden des Wetterfrosches Kachelmann, sei sie kurz repetiert: 1. Das Vorspiel 14 Tage bevor Böhmermann sein Gedicht verliest, strahlt der NDR in dem Satiremagazin „extra 3“ ein ziemlich dümmliches, harmloses, satirisches Liedchen aus mit dem Titel „Erdowie, Erdowo, Erdogan“. Zu der Melodie von Nenas „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ wird der repressive Umgang des türkischen Präsidenten Erdogan mit der Meinungsfreiheit in der Türkei kritisiert. Auf diese Petitesse angesichts der Verhaftungswellen in der Türkei, des Niederschlagens von Demonstrationen, der Machtgelüste von Erdogan reagiert empört Erdogan: Er lässt den deutschen Botschafter ins türkische Außenministerium einbestellen, von der Bundesregierung verlangt er, den Beitrag aus der Mediathek zu nehmen, weitere Schritte kündigt er 1 Ausführlicher Überblick hierzu unter https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3% B6hmermann-Aff%C3%A4re#Deutschland (abgerufen am 28.3.2017). 2 OLG Hamburg – 7 U 34/17 (anhängig).
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an. Die Bundesregierung lässt sich nicht einschüchtern und durch die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung formulieren: „Sendungen wie die beanstandete […] gehören selbstverständlich […] zur deutschen Medienlandschaft dazu, sind von der Presse- und Meinungsfreiheit umfasst.“
2. Das „Juristische Pro-Seminar“ Der Satiriker und Moderator Jan Böhmermann nimmt den Beitrag in „extra 3“ und die anmaßenden Wutausbrüche Erdogans zum Anlass für einen insgesamt knapp viereinhalbminütigen Beitrag, der am 31. März 2016 von „ZDFneo“ ausgestrahlt wird. Innerhalb dieses Beitrages verliest er seine „Schmähkritik“.3 Böhmermann bezieht sich ausdrücklich auf die „extra 3“-Satire, die „diese Woche fast den dritten Weltkrieg ausgelöst“ habe. Er stellt sich hinter diesen Beitrag, denn er sei „in Deutschland, in Europa gedeckt von der Kunstfreiheit, von der Pressefreiheit, von der Meinungsfreiheit“. Böhmermann und sein Counterpart Kabelka diskutieren nun, was denn eine (nicht mehr zulässige) Schmähkritik im Vergleich zu einer (gerade noch zulässigen) Satire sei. Den Unterschied zwischen der zulässigen Satire und der unzulässigen Schmähkritik will Böhmermann, wie er es formuliert, „an einem praktischen Beispiel mal ganz kurz erklären“ und sein Gedicht, an dem er das demonstrieren wolle, heiße „Schmähkritik“. Nun verliest er – durch kurze Einschübe unterbrochen – Kabelka: „Das darf man nicht machen.“ – das Gedicht von rund 60 Sekunden Dauer. Und Böhmermann sinniert danach: „Also, wenn die Türkei oder ihr Präsident da was dagegen hätte, müsste er sich erst mal ’nen Anwalt suchen.“ Die Bombe war gezündet. 3. ZDF, Bundeskanzlerin, Mathias Döpfner Die Wellen schlagen hoch, die Reaktionen kommen schnell: ȤȤ Das ZDF nimmt den Beitrag am Folgetag aus der Mediathek mit der Begründung: „Die Parodie zum Umgang des türkischen Präsidenten mit Satire entspricht nicht den Ansprüchen, die das ZDF an die Qualität von Satiresendungen stellt.“ ȤȤ Die Bundeskanzlerin Angela Merkel telefoniert mit dem türkischen Ministerpräsidenten, ein Gespräch, das der Regierungssprecher in dem Satz zusammenfasst: 3 Trotz aller juristischen Schritte ist der Beitrag nach wie vor abrufbar unter https:// vimeo.com/162455052; ein Transkript findet sich unter http://www.spiegel.de/ kultur/tv/jan-boehmermann-das-sind-die-fakten-der-staatsaffaere-a-1086571. html (jeweils abgerufen am 28.3.2017).
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Peter Raue „Die Bundeskanzlerin und der Ministerpräsident stimmten überein, dass es sich dabei um einen bewusst verletzenden Text handelt.
ȤȤ Am 10. April 2016 bekundet der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer SE Dr. Mathias Döpfner seine Solidarität mit Jan Böhmermann4: „Sie wollten nach dem ziemlich lendenlahmen Erdogan-Veräppelungs-Song in der ARD die illiberale Reaktion des türkischen Staatspräsidenten ironisieren […].“ und fügt seiner Solidaritätserklärung ein Postskriptum an mit einem bemerkenswerten Text: „P.S. Ich möchte mich […] allen Ihren Formulierungen und Schmähungen inhaltlich voll und ganz anschließen und sie mir in jeder juristischen Form zu eigen machen. [Dass Erdogan ernstlich wegen dieser Solidaritätserklärung Döpfners (naturgemäß erfolglos) zu Gericht gezogen ist, sei wenigstens angemerkt.5] Vielleicht lernen wir uns auf diese Weise vor Gericht kennen. Mit Präsident Erdogan als Fachgutachter für die Grenzen satirischer Geschmacklosigkeit.“
II. Bisher vorliegende juristische Konsequenzen aus dem Vortrag des „Schmähgedichtes“ Bei Abfassen meines Textes Ende März 2017 ergibt sich folgendes Bild: 1. Böhmermann bleibt straflos Am 4. Oktober 2016 stellt die Staatsanwaltschaft Mainz die Ermittlungen gegen Böhmermann ein, die Beschwerde Erdogans weist die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz bereits zehn Tage später am 14. Oktober 2016 zurück. Eine private Strafanzeige gemäß § 185 StGB verfolgt Erdogan, offensichtlich von der Erfolglosigkeit seines Tuns überzeugt, nicht weiter. Damit steht eines fest: Böhmermann bleibt straflos. Die Voraussetzungen der „Majestätsbeleidigung“ gemäß §§ 103, 185 StGB – so die Staatsanwaltschaft – sind nicht gegeben, letztlich, weil es am Vorsatz fehle. Immerhin zweifelt die Staatsanwaltschaft, ob überhaupt der objektive Tatbestand eines Beleidigungsdeliktes verwirklicht ist („Es könnte bereits fraglich sein, [ …].“).6 In Kürze:
4 Der Beitrag ist abrufbar unter https://www.welt.de/debatte/kommentare/article 154171281/Solidaritaet-mit-Jan-Boehmermann.html (abgerufen am 28.3.2017). 5 LG Köln v. 10.5.2016 – 28 O 126/16, juris; OLG Köln v. 21.6.2016 – 15 W 32/16, juris – Erdogan-Gedicht. 6 Staatsanwaltschaft Mainz v. 4.10.2016 – 3113 Js 10220/16, abgedruckt in Generalstaatsanwaltschaft Koblenz v. 13.10.2016 – 4 ZS 831/16, AfP 2016, 556, 557 f.
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ȤȤ Der Beitrag diene doch nur als Beispiel für eine Überschreitung der Meinungsfreiheit, gebe deshalb keine Ansicht des Beschuldigten auf Eigenschaften des türkischen Präsidenten wieder. ȤȤ Karikatur und Satire seien dann nicht beleidigend, wenn die Überzeichnung menschlicher Schwäche keine ernsthafte Herabwürdigung der Person enthalte. ȤȤ Überdies sei der Schutzbereich der Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG eröffnet. Der Kunstgattung der Satire und Karikatur sei wesenseigen, mit Übertreibungen, Verzerrungen und Verfremdungen zu arbeiten. Weil die Staatsanwaltschaft den Vorsatz verneint, kann sie ihre Überlegungen zur Tatbestandsverwirklichung offen lassen. Auch die Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz verneint den Vorsatz, stärkt aber noch deutlicher die Zweifel an der Erfüllung des objektiven Tatbestandes der Beleidigung, die – wenn die Zivilgerichte die Überlegungen ernst nehmen – auch ins Zivilverfahren greifen müssten.7 Der Kern der Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft: ȤȤ Es sei fraglich, ob eine Ehrverletzung vorliege, da nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes eine Verurteilung bei mehrdeutigen Äußerungen nur dann in Betracht kommt, wenn die anderen möglichen Auslegungen hinreichend verlässlich auszuschließen seien. ȤȤ Bei der Beurteilung der Rechtsverletzung seien Anlass und Begleitumstände ebenso zu berücksichtigen wie das „Recht zum Gegenschlag“. Der türkische Präsident habe schließlich mit drastischen Mitteln auf einen nach deutschem Rechtsverständnis eindeutig zulässigen Beitrag (in „extra 3“) reagiert. 2. Zivilgerichtliche Verfahren Erdogan verlangt von Böhmermann eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, die dieser naturgemäß nicht abgibt. Sowohl im einstweiligen Verfügungsverfahren als auch in dem ihm folgenden Hauptsacheverfahren verbietet das Landgericht Hamburg 18 der 24 Zeilen des Gedichtes. Es reduziert das Gedicht auf sechs zulässige Zeilen.8 Diese Entscheidung wird in das Raritätenkabinett peinlicher richterlicher Entscheidungen auf dem Gebiet der Kunstfreiheit eingehen. Bei Böhmermann lässt die Aneinanderreihung von ziemlich obszönen Kalauern sofort erkennen, dass nicht reelle Eigenschaften von Erdogan geschildert werden: so behauptet kein Ver7 Generalstaatsanwaltschaft Koblenz v. 13.10.2016 – 4 ZS 831/16, AfP 2016, 556. 8 LG Hamburg v. 17.5.2016 – 324 O 255/16, juris; LG Hamburg v. 10.2.2017 – 324 O 402/16, juris.
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nunftbegabter, mit der eingangs zitierten Zeile werde wirklich behauptet, die nächtliche Beschäftigung des Präsidenten bestehe darin, sich der „Fellatio mit hundert Schafen“ zu erfreuen. Anders der Rest-Text, der nach Ansicht des Landgerichtes nunmehr verbreitet werden kann. Er hat ernstlich folgenden Wortlaut: „Sackdoof, feige und verklemmt, ist Erdogan, der Präsident. Er ist der Mann, der Mädchen schlägt und dabei Gummimasken trägt. Und Minderheiten unterdrücken, Kurden treten, Christen hauen.“
Sieht man von dem geradezu dadahaften Text, den das von literarischen Überlegungen nicht angehauchte Landgericht zulässt, einmal ab, so bleibt eine einzige „Tatsachen“-Behauptung übrig: Erdogan ist „der Mann, der Mädchen schlägt und dabei Gummimasken trägt“. Mit dieser Abbreviatur des Böhmermann-Textes verwandelt sich der satirische Text zur Tatsachenbehauptung, wird seines Satirecharakters entkleidet und damit: unzulässig. Sieht man von diesen sechs angeblich zulässigen Zeilen ab, hält die Pressekammer des Landgerichtes den Rest des Gedichtes für unzulässig und judiziert – zusammengefasst: Erdogan sei eine Person des öffentlichen Lebens und Repräsentant eines Staates. Daher müsse er sich Kritik „im besonderen Maße“ gefallen lassen. Aber – sehe man von den sechs Zeilen ab – der Text sei unzulässig, obwohl der Rezipient weiß und erkennt, dass die Behauptungen im Gedicht („Ziegen ficken“ / „Kinderpornos schauen“ / „dieser Mann ist schwul, pervers, verlaust und zoophil“ / „sein Kopf so leer wie seine Eier“) nicht vorgeben, irgendetwas mit der Wirklichkeit zu tun zu haben oder wahre Begebenheiten zu schildern. Die Äußerungen seien aber deshalb nicht hinzunehmen, weil hier sexuelle (aber nie realisierte!) Verhaltensweisen aufgegriffen werden, die als inakzeptabel gelten und Abscheu erzeugten. Von den bei der Formulierung der Gründe dem Landgericht vorliegenden Entscheidungen aus Mainz und der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz lässt sich das Landgericht keineswegs beeindrucken. 3. Entscheidung der Verwaltungsgerichte Der Vollständigkeit halber sei noch berichtet, dass nicht nur die Strafbehörden und Zivilgerichte, sondern auch die Verwaltungsgerichte sich mit dem Gedichtlein des Herrn Böhmermann befassen mussten.
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a) Wiedergabe des Gedichtes auf einer Demonstration Bevor irgendein Zivilgericht in Deutschland zu Böhmermanns Versen Stellung genommen hat, musste das Verwaltungsgericht in Berlin sich mit dem Werk auseinandersetzen, nämlich überprüfen, ob die Auflage an eine geplante Demonstration zulässig war, mit der den Teilnehmern untersagt wurde, das Gedicht „Schmähkritik“ öffentlich zu zeigen oder zu rezitieren. Der Veranstalter hatte geplant, dass die Teilnehmer der Demonstration vor der türkischen Botschaft in Berlin – mit Ziegenmasken und Kopftüchern verkleidet – stillschweigend Texttafeln mit Teilen des Gedichtes vor sich hertragen. Dieses Vorhaben hat das Verwaltungsgericht zu Recht verboten, da bei dem „puren“ Zitieren des Gedichtes genau der „quasi-edukatorische Gesamtkontext“ fehle.9 (Was das Landgericht in Hamburg verkennt!) b) Auskunftsanspruch des Tagesspiegels gegen das Auswärtige Amt Ein weiteres Mal musste sich das Verwaltungsgericht Berlin im November 2016 mit dem „Schmähgedicht“ auseinandersetzen. Auf Antrag eines „Tagesspiegel“-Redakteurs hat es das Auswärtige Amt im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO) verpflichtet, Auskunft über den Inhalt einer rechtlichen Bewertung der Strafbarkeit des „Schmähgedichtes“ zu erteilen.10 Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wies die Beschwerde des Auswärtigen Amts gegen diese Entscheidung kurz vor dem Jahreswechsel zurück.11 c) Auskunftsanspruch des Tagesspiegels gegen das Bundeskanzleramt Nur wenig überraschend hat das Verwaltungsgericht Berlin dann jüngst auch einen weiteren Auskunftsanspruch des „Tagesspiegels“ bejaht, mit dem das Bundeskanzleramt nunmehr verpflichtet wird, die Entscheidungsgrundlage offenzulegen, anhand derer die Bundeskanzlerin zu ihrer Einschätzung kam, das Gedicht sei „bewusst verletzend“ (die sie später als Fehler bezeichnete). Dabei ist gegenüber der Presse insbesondere darüber Auskunft zu erteilen, ob der Bundeskanzlerin vor ihrer vielzitierten Äußerung in dem Telefonat mit dem damaligen türkischen Ministerpräsidenten Davutoglu die juristische Einschätzung des Auswärtigen Amtes zur Strafbarkeit des „Schmähgedichtes“ vorlag – und ob sie sich Böhmermanns Beitrag überhaupt einmal angesehen hatte.12 9 VG Berlin v. 14.4.2016 – 1 L 268.16, juris. 10 VG Berlin v. 2.11.2016 – 27 L 475.16, unveröffentlicht. 11 OVG Berlin-Brandenburg v. 30.12.2016 – 6 S 29.16, juris. 12 VG Berlin v. 13.3.2017 – 27 L 502.16, juris; bestätigt durch OVG Berlin-Brandenburg v. 3.8.2017 – 6 S 9.17, juris.
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III. Rechtliche Würdigung „Bewusst verletzend“ und deshalb unzulässig oder zulässige Satire, das ist hier die Frage! Darf Böhmermann sich mit seinem Schmähgedicht – im Kontext der Sendung, in der es vorgetragen wurde – auf Kunst- und Satirefreiheit berufen oder kann Sensibelchen Erdogan – türkisches Staatsoberhaupt, Presseverfolger und Rechtsstaatsverächter – eine solche Darstellung verbieten lassen, weil sie das Persönlichkeitsrecht des Mannes verletzt? 1. Satire und Kunstfreiheit? Daran kann es keinen ernsten Zweifel geben: Der gesamte viereinhalbminütige Beitrag Böhmermanns ist Satire und durch Art. 5 Abs. 3 GG grundsätzlich geschützt. Gilt das für den vierminütigen Beitrag im Allgemeinen, so gilt das auch für den 60 Sekunden währenden Vortrag des „Schmähgedichtes“. In diesem Ausgangspunkt sind sich alle – Staatsanwaltschaft Mainz13, Generalstaatsanwalt Koblenz14, Landgericht Hamburg15 und die meisten Kommentatoren16 – einig. Und auch über den nächsten juristischen Ausgangspunkt werden sich alle schnell einigen: Satire kann (und wird es in aller Regel auch) Kunst sein, aber nicht über jeder Satire ist der Schirm der Kunstfreiheit geöffnet. Ob die verfassungsrechtliche Garantie der Kunstfreiheit greift, hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Darstellung „das geformte Ergebnis einer freien schöpferischen Gestaltung ist, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zur unmittelbaren Anschauung gebracht werden“.17 13 Staatsanwaltschaft Mainz v. 4.10.2016 – 3113 Js 10220/16, abgedruckt in Generalstaatsanwaltschaft Koblenz v. 13.10.2016 – 4 ZS 831/16, AfP 2016, 556, 558. 14 Generalstaatsanwaltschaft Koblenz v. 13.10.2016 – 4 ZS 831/16, AfP 2016, 556, 558. 15 LG Hamburg v. 17.5.2016 – 324 O 255/16, juris Rz. 4; LG Hamburg v. 10.2.2017 – 324 O 402/16, juris Rz. 32 ff. 16 So etwa Christoph, JuS 2016, 599; Klass, AfP 2016, 477; Rusch/Becker, AfP 2016, 201; Schneider/Fleischmann, juris PR-ITR 20/2016, Anm. 2; Raue in Theater heute Jahrbuch 2016, S. 28. Anderer Auffassung ist freilich Ladeur, ZUM 2016, 775, 776, der Böhmermanns „regressive Entsublimierung, […] unkontrollierte Infragestellung der Grenze zwischen einer sexualisierten privaten Alltagssprache (insbesondere männlicher) Jugendlicher und den Regeln des Öffentlichen, innerhalb dessen es immer auch um die mindestens partielle Disziplinierung von Affekten, die Öffnung für das andere und die anderen geht“ nicht zur Kunst rechnen will. 17 BVerfG v. 24.2.1971 – 1 BvR 435/68, juris Rz. 48 – Mephisto; BVerfG v. 17.7.1984 – 1 BvR 816/82, juris Rz. 34 – Anachronistischer Zug; BVerfG v. 10.7.2002 – 1 BvR 354/98, juris Rz. 8 – Bonnbons.
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Dabei dürfen die Grenzen des guten Geschmacks durchaus überschritten werden, denn Kunst ist einer staatlichen Stil- oder Niveaukontrolle nicht zugänglich.18 Dass auch engagierte Kunst, die zu tagespolitischen Ereignissen Stellung nimmt, vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG erfasst ist, ist juristischer Gemeinplatz.19 In dem in grenzenloser Reimlust (à la Wilhelm Busch: „Wofür sie besonders schwärmt / wenn er wieder aufgewärmt“) formulierten Text gibt es keine einzige Zeile, bei der der Hörer oder Leser annehmen kann, hier werde die Wirklichkeit widergespiegelt. Karikatur! („Von Ankara bis Istanbul / weiß jeder, dieser Mann ist schwul / pervers, verlaust und zoophil / Recep Fritzl Priklopil.“). Und glaubt denn irgendein Leser oder Hörer, dass eine Zeile wie „sein Kopf so leer wie seine Eier“ irgendeine Eigenschaft des Erdogan widerspiegelt? Kann am Satirecharakter des Schmähgedichtes kein Zweifel aufkommen, so gilt das auch für das Tatbestandsmerkmal der freien schöpferischen Gestaltung, die die Satire zu Kunst macht. Böhmermann trägt sein Gedicht nicht „out of the blue“ vor, sondern als Antwort auf die keulenschwingende Reaktion Erdogans, seine hysterische Reaktion auf die „extra 3“-Satire. In einer an Bert Brechts Lehrstücke gemahnenden Weise bearbeitet Böhmermann den Übergriff von Erdogan anlässlich der „extra 3“-Sendung, diskutiert mit seinem „Side-Kick“ Ralf Kabelka, wo die Zulässigkeit der Satire aufhört und das Unzulässige beginnt. Wie klar der gesamte Beitrag als pädagogische Realsatire angelegt ist, belegt der Umstand, dass Böhmermann sich in der Sendung direkt an den türkischen Präsidenten wendet durch Verlesen seines albern-gereimten Gedichts – vorgetragen mit staatstragender Mine und vor eingeblendeter Kulisse (Musik, türkische Flagge, Erdogan-Portrait) – und seinen Text auch noch mit der Ankündigung abschließt, dass Erdogan sich wohl nun einen Anwalt nehmen müssen. Wie nah der Böhmermann-Beitrag an der Realsatire ist, lässt sich auch daran ablesen, dass genau eintritt, was er prophezeit. Das ZDF nimmt den Beitrag aus der Mediathek, Erdogan geht zu Gericht, ein Strafverfahren wird eingeleitet. 2. Beurteilungsmaßstab bei derartiger Realsatire Das Bundesverfassungsgericht hat dankenswerterweise immer deutlicher herausgearbeitet, welche Besonderheiten bei der Bewertung der Rechtmäßigkeit satirischer Beiträge gelten.
18 BVerfG v. 3.6.1987 – 1 BvR 313/85, juris Rz. 18 – Strauß-Karikatur; BVerfG v. 7.3.1990 – 1 BvR 266/86, juris Rz. 45 – Bundesflagge. 19 Siehe zuletzt BVerfG v. 7.3.1990 – 1 BvR 266/86, juris Rz. 45 – Bundesflagge.
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a) Verbot nur bei schwerwiegender Persönlichkeitsbeeinträchtigung Ein Verbot eines Beitrages kommt nur dann in Betracht, wenn sich durch diesen Beitrag eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zweifelsfrei (!) feststellen lässt. Nur dann greift der Schutzbereich der Kunstfreiheit nicht mehr.20 b) Gerechte Interpretation und Gesamtbetrachtung Typisches Ziel der Satire – so das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung – ist es, durch Übertreibung, Verzerrung und Verfremdung (z. B. durch eine erkennbar unernste, durch Wortwitz bis zur Albernheit geprägte Sprache) den Zuhörer und Zuschauer auf Kosten des Karikierten zum Lachen zu reizen.21 Es ist eine Gesamtbetrachtung des Werkes erforderlich (auf die das Landgericht Hamburg bezeichnenderweise vollständig verzichtet). Unverzichtbares Element der Interpretation eines satirischen Beitrages ist die Gesamtschau des Werkes. Unzulässig ist es deshalb, einzelne Teile eines Kunstwerkes aus dem Zusammenhang zu lösen und gesondert darauf zu untersuchen, ob sie als rechtswidrig zu würdigen sind.22 c) Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums, das bereit ist, den Gesamtbeitrag zu berücksichtigen Die Gerichte werden zu entscheiden haben, wie ein beliebig zusammengesetztes Fernsehpublikum die Darstellung auffassen konnte. Es kommt bekanntlich weder auf den in künstlerischen Erscheinungsformen völlig Unbewanderten, noch auf den umfassend künstlerisch Gebildeten an, sondern auf den nicht nur flüchtigen, sondern die Umstände bedenkenden Rezipienten.23 So wie ein literarisches Werk – etwa ein Roman – grundsätzlich als Fiktion anzusehen ist24, gilt diese Fiktionsvermutung auch bei einer karikierenden Darstellung einer realen Figur. Wir verkennen nicht: Ist eine Äußerung mehrdeutig – könnte der eine das Gedicht als groteske, wirklichkeitsferne Übertreibung, der andere es als die realitätsbezogene Beschreibung des Se20 BVerfG v. 17.7.1984– 1 BvR 816/82, juris Rz. 39 – Anachronistischer Zug; BVerfG v. 3.6.1987 – 1 BvR 313/85, juris Rz. 25 – Strauß-Karikatur; BVerfG v. 13.6.2007 – 1 BvR 1783/05, juris Rz. 80 – Esra. 21 BVerfG v. 25.3.1992 – 1 BvR 514/90, juris Rz. 41 – Titanic (geb. Mörder); BVerfGv. 12.11.1997 – 1 BvR 2000/96, juris Rz. 17 – Münzen-Erna; BVerfG v. 10.7.2002 – 1 BvR 354/98, juris Rz. 16 – Bonnbons. 22 BVerfG v. 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91, juris Rz. 125 – Soldaten sind Mörder. 23 BVerfG v. 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91, juris Rz. 125 – Soldaten sind Mörder. 24 BVerfG v. 13.6.2007 – 1 BvR 1783/05, juris Rz. 84 – Esra.
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xualverhaltens von Erdogan deuten – so wäre eine solche Äußerung bereits unzulässig. Der Grundsatz „in dubio pro libertate“ gilt im Strafrecht25, aber – nach der Stolpe-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes – ausdrücklich nicht für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch im zivilrechtlichen Bereich.26 Immerhin haben in der Grundsatz entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Maxim Billers Roman „Esra“ die Richterin Hohmann-Dennhardt und Richter Gaier der Mehrheit der Richter im 1. Senat die Gefolgschaft genau zu dieser Frage verweigert.27 Selbst wenn man der Rechtsprechung des BVerfG insoweit folgt, gebieten die Gesamtumstände der causa Böhmermann die Zulässigkeit seines Textes. Deshalb wird die Entscheidung des Landgerichts spätestens beim Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben: Der Böhmermann-Angriff ist gerichtet an einen der prominentesten und unter dem Blickpunkt rechtsstaatlichen Handelns nicht akzeptablen Staats präsidenten und Despoten. Vor ihm hat die Funktion der Presse als „Wachhund der Öffentlichkeit“28 besonderes Gewicht. Wer das Recht mit Füßen tritt, nach Belieben verhaftet und Menschen ohne Urteil monate-, gar jahrelang im Gefängnis schmoren lässt, wer Demonstrationen gewaltsam niederschlagen lässt, Andersdenkende gnadenlos und konsequent verfolgt, der muss sich auch besonders scharfe, überzogene, polemische Kritik gefallen lassen. Wer über 2.000 Strafverfahren gegen türkische Staatsbürger wegen angeblicher „Beleidigung des Staatspräsidenten“ anstrengt und diese Personen verhaften lässt, den Ausnahmezustand zur Diktatoren-mäßigen Regel werden lässt, der muss sich auch Zeilen gefallen lassen, wie „Sein Gelöt stinkt schlimm nach Döner / selbst ein Schweinefurz riecht schöner“. Böhmermann betreibt die Demontage eines Tyrannen mit Mitteln der Satire – und gerade darum ist seine Wortwahl zwar abgeschmackt, aber zulässig. Weil Erdogan bereits mit seinem Angriff auf den „extra 3“-Beitrag „mit Kanonen auf Spatzen“29 geschossen hat, darf Böhmermann auf diesen groben Klotz einen genauso groben Keil schlagen. Böhmermann als Satiriker, Journalist und Moderator handelt stellvertretend für die von Erdogan verfolgte, verhaftete Berufsgruppe der Journalisten insbesondere in der Tür25 BVerfG v. 3.6.1987 – 1 BvR 313/85, juris Rz. 32 – Strauß-Karikatur; BVerfG v. 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91, juris Rz. 126 – Soldaten sind Mörder; BVerfG v. 10.7.2002 – 1 BvR 354/98, juris Rz. 12 – Bonnbons. 26 BVerfG v. 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, juris Rz. 33 ff. – Stolpe. 27 BVerfG v. 13.6.2007 – 1 BvR 1783/05, juris Rz. 116 (Abweichende Meinung 1) – Esra: „Ein solches Ansinnen schränkt die Kunstfreiheit in nicht hinnehmbarer Weise ein, denn es führt letztlich zu einer der Kunst verordneten Tabuisierung des Sexuellen, […].“. 28 Vgl. BVerfG v. 13.6.2006 – 1 BvR 565/06, juris Rz. 15 m. w. N. – Prinz Ernst August von Hannover. 29 Generalstaatsanwaltschaft Koblenz v. 13.10.2016 – 4 ZS 831/16, AfP 2016, 556, 563.
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kei. Dieses Recht zum auch derben Gegenschlag hat das Bundesverfassungsgericht immer wieder anerkannt, etwa beim Gegenschlag zweier Kunstkritiker, die auf den kritischen Rundumschlag eines Bildhauers mit harscher Kritik antworten.30 Es ist bezeichnend, ja klärt geradezu die Fehlsamkeit der Entscheidung des Landgerichts Hamburg, dass es den Aspekt des vom Bundesverfassungsgericht abgesegneten „Rechtes zum Gegenschlag“ nicht einmal erwähnt. Die Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz argumentiert da wesentlich klüger und zutreffender.31 Die Entscheidung über die zivilrechtliche Zulässigkeit der „Schmähkritik“ wird davon abhängen, wie man die Einkleidung bewertet, die Böhmermann seinem Vortrag umgehängt hat. Er bezeichnet seine Knittelverse, den Text ankündigend, als „unzulässige Schmähkritik“, die einige Verfahren nach sich ziehen wird. Nur im Kontext des gesamten Vortrags können auch die so obszönen wie komischen Formulierungen gelesen werden. Bei der Beurteilung der Verse treffen wir auf ein Phänomen, über das sich das Landgericht Hamburg offensichtlich keine Gedanken gemacht hat: Der Schutz der Kunstfreiheit wird immer wieder von Gerichten vor allem dann versagt, wenn einem Text eine „sexuelle Komponente“ innewohnt. Damit schreibt das Landgericht Hamburg fort, was sich seit dem (grotesken) Verbot der Strauß-Karikaturen durch das Bundesverfassungsgericht irgendwie verselbständigt hat. Die Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung wird schnell dann als „besonders schwerwiegend“ angesehen, wenn ihr auch nur irgendein – wie auch immer gearteter – sexueller Bezug zu entnehmen ist. Diese verklemmt puritanische „Tabuisierung des Sexuellen“32 ist offensichtlich die Leitschnur bei der Entscheidung des Landgerichts Hamburg (Deshalb zulässig: „der Mann, der Mädchen schlägt / und dabei Gummimasken trägt“. Aber unzulässig: „statt schlafen / Fellatio mit hundert Schafen“.). Kein Zweifel: die Intimsphäre genießt in Deutschland zu Recht absoluten Schutz. Die Intimsphäre ist aber nur dann betroffen, wenn Äußerungen Dritter genau diesen Bereich wirklich meinen. Dass keine der Anwürfe („pervers, verlaust und zoophil“, „sein Kopf so leer wie seine Eier“) etwas mit dem wahren Erdogan und seinem niemanden interessierenden Sexualverhalten zu tun haben, kann das Landgericht Hamburg verkennen, allein deshalb, weil diese Satire mit (phantasierten) sexuellen Handlungen arbeitet. Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg ist die Folge der – damals schon falschen – Entscheidung zur Strauß-Karikatur, wenn das Bundesverfassungs-
30 BVerfG v. 13.5.1980 – 1 BvR 103/77, juris Rz. 28 – Kunstkritik. 31 Generalstaatsanwaltschaft Koblenz v. 13.10.2016 – 4 ZS 831/16, AfP 2016, 556, 558. 32 BVerfG v. 13.6.2007 – 1 BvR 1783/05, juris Rz. 116 (Abweichende Meinung 1) – Esra.
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Böhmermanns „Schmähkritik“ und die Justiz
gericht seinerzeit – vor 30 Jahren! – zu einer Karikatur kopulierender Schweine (Strauß/Justiz) formuliert hat33: „Nicht seine menschlichen Züge, seine persönlichen Eigenarten, sollten dem Betrachter durch die gewählte Verfremdung nahegebracht werden. Vielmehr sollte gezeigt werden, dass er ausgesprochen ‚tierische‘ Wesenszüge habe und sich entsprechend benehme. Gerade die Darstellung sexuellen Verhaltens, […] sollte den Betroffenen als Person entwerten, ihn seiner Würde als Mensch entkleiden.“
Damit verfehlt das Bundesverfassungsgericht den Aussagekern, den es selbst dahin formuliert, Strauß mache sich „die Justiz in anstößiger Weise seinen Zwecken zunutze“ und lege das Verständnis nahe, er „empfinde an einer ihm willfährigen Justiz ein tierisches Vergnügen“.34 Diese Scheu insbesondere des Landgerichts Hamburg vor satirischen Beiträgen mit Sexualbezug ist nicht neu: Bereits 1999 hat die Pressekammer über einen satirischen Beitrag der „Harald Schmidt Show“ befunden. Dort wurde die geplante Hollywood-Karriere der – als Schauspielerin völlig unerfahrenen – Susan Stahnke aufs Korn genommen. Die damalige „Tagesschau“-Sprecherin hatte sich im „stern“ in schwarzen Strapsen abbilden lassen und zugleich mitgeteilt, ein bekannter Hollywood-Agent habe ihr ein Drehbuch angeboten. Ihre Karriere und das Foto waren in der Folgezeit Gegenstand ausführlicher Presseberichterstattung; Stahnke kündigte seinerzeit ihren Vertrag mit der ARD. Harald Schmidt hat dies zum Anlass für einen Beitrag genommen, in dem er das Foto thematisiert, Stahnkes angeblich ersten Hollywood-Film ankündigt und schließlich ein angebliches „Making-Off “ zeigt. Anhand eines Original-Ausschnitts aus „Basic In stinct“ mit Sharon Stone, der mit einer neuen Tonspur unterlegt ist, wird über die fiktiven Dreharbeiten berichtet und Stahnkes Talentlosigkeit als Schauspielerin (übertriebene sprachliche Schwächen und 25 Takes für eine Filmszene) und ihre Naivität überzeichnet dargestellt. Das Landgericht Hamburg hat den Beitrag untersagt unter Verweis auf die Intimsphäre, obwohl – wie das Gericht nicht verkennt – es annimmt, dass dem Zuschauer bewusst sei, die im Beitrag gezeigte Frau sei nicht die Klägerin und diese strebe auch keine Pornokarriere an. Das Verbot rechtfertigt das Landgericht Hamburg ernstlich damit, die Filmsequenz sei „darauf ausgerichtet, dass sich der Zuschauer […] vorstellen soll, es handele sich bei der den Geschlechtsverkehr ausübenden Schauspielerin um die Klägerin.“35 Vor diesem – das Abwägungsverbot keineswegs verkennenden, aber auf die notwendige Gesamtbetrachtung des Böhmermann-Beitrages hinweisen33 BVerfG v. 3.6.1987 – 1 BvR 313/85, juris Rz. 24 – Strauß-Karikatur. 34 BVerfG v. 3.6.1987 – 1 BvR 313/85, juris Rz. 23 – Strauß-Karikatur. 35 LG Hamburg v. 13.8.1999 – 324 O 106/99, NJW-RR 2000, 978, 980 – Susan Stahnke.
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Peter Raue
den – Hintergrund erweist sich die Satiresendung insgesamt und der Vortrag des Schmähgedichtes im Besonderen als von der Kunst- und Satirefreiheit gedeckt. Erst durch die absurd-grotesk anmutende Anhäufung von schmuddeligen Reimen gehen die Behauptungen ins Absurde, ins Leere, ins nicht mehr betroffen Machende. Böhmermann hat in der Tat ein „juristisches Pro-Seminar“ abgehalten und wollte sein Publikum – und erst Recht Erdogan – „provozieren“, es auf Kosten Erdogans zum Lachen reizen und diesen verspotten: Aber all dies ist unschädlich, weil Böhmermann die typischen Stilmittel der Satire und der Ziele eines solchen Beitrages benutzt, ausreizt, das Wagnis des Verbots eingeht. Es bleibt zu hoffen, dass der Jubilar und Empfänger dieser Festschrift bei nicht nachlassender Neugier auf die Welt der Kunst und Künste diesem kleinen Beitrag bei bester Gesundheit eines Tages wird hinzufügen können: Böhmermann – Erfolg durch Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom…
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Jochem Reichert
Die personalistische Aktiengesellschaft Gestaltungsmöglichkeiten, Alternativen, Reformperspektiven Inhaltsübersicht
I. Einleitung
II. „Personalisierung“ der Aktionärszusammensetzung 1. Vinkulierungsmöglichkeiten und Einziehung 2. Alternativen: GmbH und KGaA 3. Flexibilisierung de lege ferenda III. „Personalisierung“ der Unternehmensleitung 1. Satzungsstrenge und konsortialvertragliche Regelungen
2. Besetzung von Vorstand und Aufsichtsrat a) Vorstand b) Aufsichtsrat c) Alternative: KGaA 3. Leitungsstrukturen: Alternativen und Reformbedarf a) Alternative Mehrheits erfordernisse in der SE b) Wahlmöglichkeiten in der SE c) Wahlmöglichkeiten in der AG de lege ferenda
I. Einleitung Obwohl der Begriff in der juristischen Literatur geläufig ist und auch in Urteilen immer wieder auftaucht1, handelt es sich bei der „personalistischen“ oder „personalistisch geprägten“ Aktiengesellschaft – jedenfalls zur Zeit noch – um keine Rechtsform sui generis. Der Ausdruck bezeichnet vielmehr eine typische Konstellation in der Praxis und zugleich eine Abweichung von dem seit der grundlegenden Aktienrechtsreform von 1884 maßgeblichen Leitbild der durch das Prinzip der Satzungsstrenge geschützten Publikumsgesellschaft, an dem sich der Gesetzgeber im 19. und 20. Jahrhundert orientierte und bis heute orientiert.2 1 Vgl. nur aus der jüngeren Rechtsprechung OLG München v. 12.5.2016 – 23 U 3572/15, AG 2017, 441, 445: „personalistische, durch Mitarbeit geprägte AG“; OLG München v. 26.3.2015 – 23 AktG 1/15, NZG 2015, 1027, 1028: „[…] wird dabei insbesondere bei der personalistisch geprägten AG mit guten Gründen ein Bedürfnis für die Möglichkeit eines Zwangsausschlusses als ultima ratio gesehen.“ 2 Ausführlich dazu Bayer, Empfehlen sich besondere Regelungen für börsennotierte und für geschlossene Gesellschaften?, Gutachten E zum 67. DJT, 2008, S. E22 ff.
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Bisweilen sind auch andere Begriffe im Umlauf, wie z. B. die „Familien-AG“, um auf das gleiche Phänomen – die Ausdifferenzierung des aktienrechtlichen Spektrums – hinzuweisen.3 In der Tat spielen angesichts der Bedeutung des Mittelstandes für die deutsche Wirtschaft Aktiengesellschaften mit familiären Bindungen zwischen den Aktionären eine nicht unerhebliche Rolle. Aber natürlich kann ein Bedarf an personalistisch geprägten aktienrechtlichen Strukturen auch unter anderen ökonomischen Vorzeichen bestehen, etwa bei expandierenden Start-ups, bei der Beteiligung von Finanzinvestoren usw. Zwei Kennziffern mögen genügen, um sich die Relevanz der AG jenseits der Publikumsgesellschaft vor Augen zu führen: Als Unterscheidungsmerkmal kommt namentlich die Börsennotierung in Betracht. Die Zahl der börsennotierten Aktiengesellschaften ist im Verhältnis zur Zahl der nicht börsennotierten Gesellschaften seit langer Zeit verschwindend gering. Der Anteil liegt bei unter 5 % – oder umgekehrt: mehr als 95 % der deutschen Aktiengesellschaften sind nicht börsennotiert.4 Rechtstatsächliche Untersuchungen haben ferner ergeben, dass 40 % aller deutschen Aktiengesellschaften und sogar mehr als 52 % der nicht kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaften (sowie 61 % der nicht kapitalmarktorientierten Neugründungen) über Vinkulierungsklauseln verfügen5, obwohl die Vinkulierung im Aktienrecht im Vergleich zum GmbH-Recht stiefmütterlich geregelt ist (dazu II.). In Anbetracht dieser rechtstatsächlichen Entwicklung verwundert es nicht, dass die Problematik in der Rechtspolitik und in der Rechtswissenschaft inzwischen ganz weit oben auf der Agenda steht. Ein verlässlicher Indikator dafür ist die Präsenz des Themas auf den Deutschen Juristentagen. Vor allem das Gutachten von Walter Bayer für den Juristentag in Erfurt 2008 hat der Diskussion neue Nahrung gegeben.6 Darin plädiert Walter Bayer mit Nachdruck für eine stärkere Differenzierung zwischen der börsen- und der nichtbörsennotierten AG und spricht sich ebenso entschieden für eine bereichsspezifische Deregulierung des Aktienrechts aus, wodurch die nichtbörsennotierte AG ein Mehr an Gestaltungsfreiheit erlangt.7 Des Weiteren war die geschlossene Kapitalgesellschaft Gegenstand der Verhandlungen auf dem 19. Weltkongress der „International Academy of 3 Zu Begriff und Merkmalen der „Familiengesellschaft“ Holler in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 7, 5. Aufl. 2016, § 75 Rz. 7 ff. 4 Bayer/Hoffmann, Aktienrecht in Zahlen (AG-Sonderheft), 2015, S. 5, 7 f. 5 Bayer/Hoffmann, AG 2007, R375, R376. 6 Bayer, Empfehlen sich besondere Regelungen für börsennotierte und für geschlossene Gesellschaften?, Gutachten E zum 67. DJT, 2008. 7 Bayer, Empfehlen sich besondere Regelungen für börsennotierte und für geschlossene Gesellschaften?, Gutachten E zum 67. DJT, 2008, S. E126 f.
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Comparative Law“ in Wien 2014. Insbesondere Holger Fleischer hat sich intensiv mit der vergleichenden Corporate Governance in der geschlossenen Kapitalgesellschaft beschäftigt8 und zahlreiche Untersuchungen angestoßen.9 Aus deutscher Sicht ist zwar in erster Linie die GmbH betroffen, aber der Befund, dass geschlossene Kapitalgesellschaften „keine bloßen Miniaturausgaben großer Publikumsgesellschaften“ sind (oder sein sollten) und „grundlegend andere Governance-Probleme“ aufwerfen10, darf Gültigkeit auch für die personalistische AG beanspruchen, wenngleich es teilweise noch an den gesetzlichen Grundlagen fehlt, um in der Praxis interessengerechte Ergebnisse zu erzielen. Die nachfolgende Skizze zielt nicht darauf, die rechtsdogmatische und rechtspolitische Debatte in allen Details abzubilden und letztgültige Lösungen vorzuschlagen. Vielmehr möchte ich praktische Gestaltungsfragen mit Seitenblicken auf Rechtsformalternativen und Erwägungen zu einigen aktienrechtlichen Reformvorhaben kombinieren. Auf diese Weise hoffe ich, den Interessen und Ansprüchen einer so versierten Anwaltspersönlichkeit wie Michael Oppenhoff gerecht zu werden. Zwei Aspekte möchte ich in den Mittelpunkt stellen: die Frage, wie sich die Aktionärszusammensetzung steuern lässt (II.), und das Problem adäquater Strukturen und die Personalauswahl auf Leitungsebene (III.).
II. „Personalisierung“ der Aktionärszusammensetzung Zentrales Merkmal einer personalistischen Aktiengesellschaft ist die Kontrolle über den Kreis der Aktionäre.11 Es hat verschiedene Facetten: Angesprochen ist zum einen die – präventive – Kontrolle darüber, wer Zutritt zur Aktiengesellschaft erhält; namentlich mittels Vinkulierungsklauseln kann der Erwerb von Anteilen durch unerwünschte Personen verhindert oder deren Einfluss zumindest begrenzt werden.12 Zum anderen geht es um die Frage, ob man – und wenn ja unter welchen Voraussetzungen – von einem Aktionär verlangen kann, dass er die Gesellschaft wieder verlässt und wie ein solches Verlassen ausgestaltet und geregelt wird.
8 Eingehend jüngst Fleischer, ZHR 179 (2015), 404 ff. 9 Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, 2012. 10 Fleischer, ZHR 179 (2015), 404, 404. 11 Dazu bereits Reichert in Röthel/K. Schmidt (Hrsg.), Internationale Familienunternehmen, 2016, S. 1, 14 f.; ders., ZIP 2014, 1957, 1962 f. 12 Vgl. Merkt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2008, § 68 AktG Rz. 206.
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1. Vinkulierungsmöglichkeiten und Einziehung Nach § 68 Abs. 3 AktG ist die Schaffung vinkulierter Namensaktien zulässig, so dass die Übertragung von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig gemacht werden kann. Die Entscheidung hierüber kann der Hauptversammlung oder dem Aufsichtsrat übertragen werden. Darüber hinaus kann trotz grundsätzlicher Vinkulierung statuiert werden, dass bei der Übertragung auf einen bestimmten Personenkreis – etwa auf Familienangehörige – die Vinkulierung nicht greift, eine solche Übertragung also vom Zustimmungsvorbehalt ausgenommen ist.13 Keine Einigkeit herrscht hingegen in der Frage, ob statutarische Zustimmungsverbote zulässig sind, also Anweisungen, dass die Zustimmung in bestimmten Konstellationen grundsätzlich verweigert werden muss. Die herrschende Meinung erachtet solche Verbote mit der Begründung als unzulässig, der Gesellschafter müsse Entscheidungsfreiheit über seine Zustimmung erhalten. In § 68 Abs. 2 Satz 4 AktG heißt es, die Satzung könne die Gründe bestimmen, aus denen die Zustimmung verweigert werden dürfe, dies stehe der Annahme einer Bestimmung entgegen, wonach die Zustimmung verweigert werden müsse.14 Das Argument überzeugt mich nicht15, doch tut man in der Praxis gut daran, der herrschenden Meinung Rechnung zu tragen. Insofern lässt sich mittels aktienrechtlicher Vinkulierungsklauseln nicht sicherstellen, dass beispielsweise Nicht-Familienangehörige oder Wettbewerber oder sonstige Personen, die aufgrund gewisser Eigenschaften keinen Zutritt in die Aktiengesellschaft erhalten sollen, auch tatsächlich keinen Zutritt erhalten. Zustimmung verdient die herrschende Auffassung immerhin darin, dass ein gänzlicher Ausschluss der Übertragbarkeit problematisch wäre. Auch die Etablierung von Vorkaufs- und Erwerbsrechten hat in § 68 AktG keine Grundlage.16 Folglich sind solche Bestimmungen wohl allein konsortialvertraglichen Regelungen vorbehalten. Aus ähnlichen Gründen scheitern Klauseln, die etwa den Zugang zur Gesellschaft dann erschweren oder ausschließen, wenn jemand durch Hinzuerwerb von Aktien eine gewisse Mehrheitsschwelle überschreiten würde. § 68 Abs. 2 Satz 4 AktG taugt auch 13 Koch in Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl. 2016, § 68 AktG Rz. 14; Bayer in MünchKomm. GmbHG, 2. Aufl. 2015, § 68 GmbHG Rz. 58; Cahn in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. 2015, § 68 AktG Rz. 37. 14 Koch in Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl. 2016, § 68 AktG Rz. 14; Bayer in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2016, § 68 AktG Rz. 62; Cahn in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. 2015, § 68 AktG Rz. 53; H. P. Westermann in FS U. Huber, 2006, S. 997, 999 f. 15 Vgl. bereits Reichert, AG 2016, 677, 679; ders. in Röthel/K. Schmidt (Hrsg.), Internationale Familienunternehmen, 2016, S. 1, 14. 16 Koch in Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl. 2016, § 68 AktG Rz. 14; Bayer in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2016, § 68 AktG Rz. 39.
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nicht dazu, Vorerwerbsrechte insoweit zu verdinglichen, als bestimmt wird, dass eine Zustimmung zur Übertragung erst dann erteilt werden darf, wenn das Vorkaufsverfahren durchlaufen ist.17 Bedauerlicherweise erlaubt es das Recht der Namensaktie, nur einen kleinen Ausschnitt der aus Sicht der Kautelarpraxis wünschenswerten Regeln zu implementieren. Eine Beschränkung des Kreises zulässiger Aktionäre scheidet aus und kann allenfalls über Einziehungsbefugnisse oder im Wege konsortialvertraglicher Regelungen erreicht werden, die einen geringeren Grad an Rechtssicherheit gewährleisten. Weniger problematisch dürfte es sein, denjenigen, der aufgrund des Fehlens einer gewissen Eigenschaft nicht mehr Aktionär sein soll, im Wege der Einziehung aus der Gesellschaft auszuschließen.18 Doch volle Rechtssicherheit bietet auch dieser Ansatz nicht. Man müsste sich insoweit über die Bedenken hinwegsetzen, den Verstoß gegen rein konsortialvertraglich vorgesehene Bestimmungen durch Einziehungsbefugnisse zu sanktionieren. Außerdem ist die Zulässigkeit von Abfindungsbeschränkungen bislang nicht rechtssicher geklärt.19 Hinzu kommt, dass der BGH sogar die Frage offengelassen hat, ob sich Aktionäre durch schuldrechtliche Verträge mit der AG verpflichten können, an diese oder Mitaktionäre ihre Aktien unter bestimmten Voraussetzungen zu übertragen.20 Ein Bedarf für solche Regelungen ergibt sich bei Management- oder Mitarbeiterbeteiligungsmodellen oder bei Aktiengesellschaften, die auf eine persönliche Mitarbeit angelegt sind. 2. Alternativen: GmbH und KGaA Anders als in der AG steht in der GmbH ein ganzes Arsenal an Möglichkeiten zur Verfügung, um den Kreis der Anteilseigner zu kontrollieren.21 Der Zugang zur GmbH lässt sich von vornherein auf bestimmte Gesellschafter beschränken, etwa Angehörige einer Familie oder Personen, die aktiv in 17 Zu entsprechenden Reformvorschlägen vgl. Bayer, Empfehlen sich besondere Regelungen für börsennotierte und für geschlossene Gesellschaften?, Gutachten E zum 67. DJT, 2008, S. E104. 18 Vgl. Oechsler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2016, § 237 AktG Rz. 41. 19 Vgl. Koch in Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl. 2016, § 237 AktG Rz. 17; Oechsler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2016, § 237 AktG Rz. 65 ff. Die Möglichkeit der Beschränkung eines Abfindungsanspruchs in der GmbH-Satzung jüngst bejahend OLG München v. 12.5.2016 – 23 U 3572/15, AG 2017, 441 ff. 20 BGH v. 22.1.2013 – II ZR 80/10, DNotZ 2013, 697; dazu Noack, NZG 2013, 281; Cziupka/Kliebisch, BB 2013, 715. 21 Zur Vinkulierung vgl. nur Reichert/Weller in MünchKomm. GmbHG, 2. Aufl. 2015, § 15 GmbHG Rz. 393 f.; Reichert, GmbHR 2012, 713.
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der GmbH tätig sind. Man kann überdies dinglich wirkende Vorerwerbsund Vorkaufsrechte festschreiben und Anordnungen treffen, wann die Zustimmung verweigert werden muss.22 Ferner ist es zulässig – jedenfalls in dem Rahmen, den die Hinauskündigungsrechtsprechung vorgibt – Personen, die die entsprechende Eigenschaft verlieren (etwa nicht mehr Mitarbeiter sind, der Familie nicht mehr angehören usw.), aus der Gesellschaft durch Einziehung zu entfernen.23 Was die KGaA anbelangt, so sind für sie grundsätzlich die für die AG geltenden Regelungen maßgeblich, woraus man den Schluss ziehen könnte, dass insoweit beide Gesellschaftsformen die gleiche Regelungsinflexibilität aufweisen. Dabei würde man jedoch übersehen, dass die Übereinstimmung nur die Ebene der KGaA betrifft.24 Hinsichtlich der Komplementärin besteht die Möglichkeit, sehr viel flexiblere Regelungen aufzunehmen, wenn man dort eine GmbH oder GmbH & Co. KG einsetzt. Da alles, was bei der AG und der KGaA an den Formulierungen des § 68 Abs. 2 AktG scheitert, in der GmbH keinen Beschränkungen unterliegt, gibt es in Bezug auf die Geschäftsführungsgesellschaft der KGaA eine große Variationsbreite hinsichtlich satzungsfester Vinkulierungsbestimmungen. Ein Rückgriff auf konsortialvertragliche Regelungen ist dann nicht mehr erforderlich. 3. Flexibilisierung de lege ferenda Aktienrechtliche Reformvorhaben sollten von der Absicht getragen sein, die AG zu flexibilisieren und damit – auch im Kontext des europäischen Gesellschaftsrechts – ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.25 Als Konkurrenten im Wettbewerb der Rechtsformen kommen etwa die niederländische N.V. oder die englische PLC in Betracht. Selbstverständlich darf die Reputation der AG nicht durch unbedachte Innovationen Schaden nehmen. Zumindest in der nicht börsennotierten Gesellschaft würde man sich als Berater von Familiengesellschaften oder sonstigen Gesellschaften mit einem überschaubaren Aktionärskreis wünschen, auf ähnlich flexible Optionen der Satzungsgestaltung wie bei der GmbH zurückgreifen zu können. Erstrebenswert sind nicht nur umfassende Vinkulierungsmöglichkeiten, vielmehr sollten unter bestimmten Voraussetzungen auch das Einziehen von Aktien mit Abfindungsbeschränkungen und statutarische Abtretungsverpflichtungen zulässig sein. 22 Reichert/Weller in MünchKomm. GmbHG, 2. Aufl. 2015, § 15 GmbHG Rz. 93 ff.; Reichert, GmbHR 2012, 713, 721 ff. 23 Vgl. Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 34 GmbHG Rz. 9a. 24 Reichert in Röthel/K. Schmidt (Hrsg.), Internationale Familienunternehmen, 2016, S. 15. 25 Reichert, AG 2016, 677, 678 f.
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Die wissenschaftliche Diskussion darüber, wie weit eine Flexibilisierung und Lockerung der Satzungsstrenge gehen sollte, ist allerdings nach wie vor im Fluss. In dem erwähnten Gutachten zum 67. Deutschen Juristentag spricht sich Walter Bayer in Bezug auf nichtbörsennotierte Gesellschaften für die Möglichkeit aus, Vorkaufs- und Ankaufsrechte wirksam in der Satzung zu vereinbaren („höchst sinnvoll“). Insbesondere sollten Angebotspflichten im Falle des Ausscheidens aus der AG – Übertragung der Aktien an die AG oder Mitaktionäre – vorgesehen werden können.26 Zu weitgehende Angleichungen an das GmbH-Recht lehnt Bayer allerdings ab. Auch die nichtbörsennotierte AG müsse strukturell noch als AG erkennbar und von der GmbH unterscheidbar bleiben. Eine generelle Freistellung vom Prinzip der Satzungsstrenge komme daher weder bei der börsen- noch bei der nichtbörsennotierten AG in Betracht.27 Bayers Plädoyer für eine moderate Ausdifferenzierung des Aktienrechts und die Beibehaltung des Prinzips der Satzungsstrenge ist auf Zustimmung gestoßen.28 Es gibt aber auch Stimmen, die eine viel weitergehende Liberalisierung und Deregulierung des Aktienrechts fordern.29 Auf lange Sicht wird man sich in Deutschland nicht von internationalen Rechtsentwicklungen abkoppeln können. In einer viel beachteten Entscheidung hat der österreichische Oberste Gerichtshof 2013 die satzungsmäßige Festlegung eines Vorkaufsrechts der Mitgesellschafter anerkannt.30 Nach deutschem Recht scheitert nach ganz h. M. eine solche Regelung an dem hierzulande weniger offen gestalteten Prinzip der Satzungsstrenge.31 Dem wird inzwischen vorsichtig widersprochen: Gehe man von einer bloßen Ergänzung i. S. des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG aus, erscheine es nicht ausgeschlossen, ein statutarisches Vorkaufsrecht zumindest bei vinkulierten Namensaktien schon nach geltendem Recht anzuerkennen.32 Die österreichische Entscheidung hat jedenfalls zur Erneuerung der Forderung geführt, statutarische Vor- und Ankaufsrechte in § 68 AktG de lege ferenda ausdrücklich zuzulassen.33
26 Bayer, Empfehlen sich besondere Regelungen für börsennotierte und für geschlossene Gesellschaften?, Gutachten E zum 67. DJT, 2008, S. E104. 27 Bayer, Empfehlen sich besondere Regelungen für börsennotierte und für geschlossene Gesellschaften?, Gutachten E zum 67. DJT, 2008, S. E128. 28 Habersack, AG 2009, 1, 7 ff. 29 Spindler, AG 2008, 598 ff. 30 OGH Österreich v. 8.5.2013 – 6 Ob 28/13f, AG 2013, 716 ff. 31 Vgl. BayObLG v. 24.11.1988 – BReg. 3 Z 111/88, AG 1989, 173 Rz. 23 ff.; Bayer in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2016, § 68 AktG Rz. 39; Koch in Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl. 2016, § 68 AktG Rz. 14. 32 Kalss/Fleischer, AG 2013, 693, 702. 33 Kalss/Fleischer, AG 2013, 693, 702 f.
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III. „Personalisierung“ der Unternehmensleitung Die Kontrolle über den Kreis der Aktionäre ist meist nicht das einzige Anliegen derer, die zwar die Vorzüge einer Kapitalgesellschaft nutzen, nicht aber ihren persönlichen Einfluss gemindert sehen wollen. Wie flexibel sich die Corporate Governance gestalten lässt, hat ebenfalls erhebliche Bedeutung für die Wahl der Rechtsform. 1. Satzungsstrenge und konsortialvertragliche Regelungen In der AG gilt der Grundsatz der formellen Satzungsstrenge. Aufgaben und Befugnisse der Organe sind durch das Aktiengesetz in weitem Umfang zwingend vorgegeben.34 Für abweichende Regelungen in der Satzung besteht nur ein geringer Spielraum. Der Umstand, dass die Satzungsstrenge gewisse Grenzen zieht, bedeutet aber nicht, dass sich nicht auch bei der AG – teilweise unter Rückgriff auf konsortialvertragliche Vereinbarungen – ein angemessener Einfluss einzelner Personen oder Personengruppen etablieren ließe. Zwar gibt es grundsätzlich keine Weisungsrechte. Satzungsklauseln, die bestimmen, dass der Vorstand Familienzugehörigkeit haben oder einer sonstigen eng definierten Personengruppe angehören muss, erscheinen im Hinblick auf die damit einhergehenden allzu starken Beschränkungen der gesetzlich vorgesehenen Entscheidungsautonomie des Aufsichtsrats jedenfalls nicht unproblematisch (dazu 2.a.). Durch Konsortialvereinbarungen, die die Zusammensetzung des Aufsichtsrats regeln, gegebenenfalls auch flankiert durch Entsendungsrechte, ist aber Abhilfe möglich.35 Daran anknüpfend kann im Konsortialvertrag eine Bemühungspflicht, auf eine bestimmte Konstellation im Vorstand Einfluss zu nehmen, verankert werden (ohne dass damit eine unzulässige Beeinflussung des Aufsichtsrats verbunden wäre).36 Auf diese Weise gelingt es bei entsprechenden Mehrheitsverhältnissen in aller Regel, auch auf die Zusammensetzung des Vorstands einzuwirken. Sowohl die Bemühungsklauseln als auch der faktische Einfluss versagen allerdings dann, wenn es zu Zerwürfnissen innerhalb der maßgeblichen Aktionärsgruppe kommt.
34 Kalss/Fleischer, AG 2013, 693, 693 f.; Habersack, AG 2009, 1, 6; Spindler, AG 2008, 598 ff.; ders. in Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 2007, § 22 Rz. 1 ff. 35 Reichert in Röthel/K. Schmidt (Hrsg.), Internationale Familienunternehmen, 2016, S. 1, 5. 36 Zur Reichweite vgl. Reichert, ZGR 2015, 1, 27 ff.; Reichert/Ott in FS W. Goette, 2011, S. 397, 401.
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2. Besetzung von Vorstand und Aufsichtsrat Der Einflussnahme auf die Besetzung von Vorstand und Aufsichtsrat sind somit grundsätzlich Grenzen gesetzt. Über die Einzelheiten besteht im Schrifttum allerdings kein Konsens. a) Vorstand Nach herrschender Auffassung ist es zulässig, persönliche und sachliche Eignungsvoraussetzungen für Vorstandsmitglieder in der AG-Satzung vorzusehen, solange dies das Aufsichtsratsermessen nicht unverhältnismäßig einschränkt.37 Zulässig sind etwa Vorgaben zu Mindest- und Höchstalter oder Voraussetzungen, die an eine hinreichende Ausbildung und Erfahrung zur Leitung eines Unternehmens anknüpfen.38 Die in Bezug auf Familienunternehmen relevante Frage, ob auch Auswahlkriterien zur Sicherung des Familieneinflusses auf den Vorstand in die Satzung aufgenommen werden können, ist noch nicht hinreichend geklärt. Die Unübersichtlichkeit des Meinungsstandes resultiert daraus, dass innerhalb der verschiedenen Auffassungen zum Teil zwischen mitbestimmten und nicht mitbestimmten Gesellschaften unterschieden wird. Auf der Grundlage des allgemeinen Aktienrechts – also für nicht mitbestimmte Gesellschaften – sollen nach der h. M. (wiederum mit unterschiedlichen Akzenten) Eignungsvoraussetzungen zulässig sein, solange das Auswahlermessen des Aufsichtsrats nicht praktisch ausgeschlossen wird.39 Mit Blick auf mitbestimmte Gesellschaften legt die h. M. strengere Maßstäbe an, indem sie nur solche Auswahlkriterien akzeptiert, die sachbezogen sind und dem Unternehmensinteresse entsprechen sowie die Mitbestimmungsrech-
37 Koch in Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl. 2016, § 76 AktG Rz. 26; Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 84 AktG Rz. 28; Wiesner in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. 2015, § 20 Rz. 6; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 3. Aufl. 2013, § 31 MitbestG Rz. 15; a. A. (AR kann sich über Auswahlkriterien nach pflichtgemäßen Ermessen hinwegsetzen) Mertens/Cahn in KölnerKomm. AktG, 3. Aufl. 2010, § 76 AktG Rz. 116; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. 2014, Rz. 341; Hommelhoff, BB 1977, 322 ff.; Meier/Pech, DStR 1995, 1195 ff. 38 Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 84 AktG Rz. 28, 32 ff.; Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. 2015, § 76 AktG Rz. 128; Wiesner in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. 2015, § 20 Rz. 6 f. 39 Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 84 AktG Rz. 28; Koch in Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl. 2016, § 76 AktG Rz. 26; Wiesner in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. 2015, § 20 Rz. 6 f.
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te der Arbeitnehmervertreter nicht übermäßig einschränken.40 Es komme immer auf den Einzelfall an.41 Was speziell die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie als Eignungsvoraussetzung anbelangt, so gehen selbst innerhalb ein und desselben Lagers die Ansichten weit auseinander. So spricht sich innerhalb der herrschenden Meinung ein Teil der Literatur gegen familienbezogene Satzungs klauseln bei mitbestimmten Gesellschaften aus, weil sich auf diesem Weg entgegen dem Geist des Mitbestimmungsrechts die Auswahl des Aufsichtsrats von vornherein auf von der Anteilseignerseite favorisierten Kandidaten beschränken ließe.42 Ein anderer Teil der Literatur nimmt solche Klauseln zumindest dann hin, wenn sie lediglich darauf zielen, dass das Kriterium der Familienzugehörigkeit bei sonst gleichwertigen Bewerbern den Ausschlag geben soll.43 Vergleichbare Meinungsverschiedenheiten bestehen innerhalb der h. M. in Bezug auf nicht mitbestimmte Gesellschaften44, obwohl insoweit die Einschränkung der Satzungsfreiheit noch zweifelhafter ist.45 b) Aufsichtsrat Der Einfluss der Mehrheit der Aktionäre auf den Aufsichtsrat ist dann begrenzt, wenn es sich um einen mitbestimmten Aufsichtsrat handelt. Aus der Perspektive von Personen oder Personengruppen, die ihren Einfluss behalten und gelten machen wollen, verschlechtert sich die Situation zusätzlich, wenn eine Börseneinführung ansteht oder aus sonstigen Gründen 40 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 3. Aufl. 2013, § 31 MitbestG Rz. 12 f.; Duden, ZHR 142 (1977), 144, 175; Reuter, AcP 179 (1979), 509, 526 f.; Koch in Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl. 2016, § 76 AktG Rz. 26; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 35 GmbHG Rz. 25; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, 4. Aufl. 2011, § 31 MitbestG Rz. 11. 41 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 3. Aufl. 2013, § 31 MitbestG Rz. 14. 42 Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, 4. Aufl. 2011, § 31 MitbestG Rz. 12; Reuter, AcP 179 (1979), 508, 527; Duden, ZHR 141 (1977), 145, 175. 43 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 3. Aufl. 2013, Rz. 12 f.; Ballerstedt, ZGR 1977, 133, 156; Overlack, ZHR 141 (1977), 125, 132. 44 Zulässig: Wiesner in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. 2015, § 20 Rz. 7; unzulässig oder nur unter engen Voraussetzungen zulässig: Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 76 AktG Rz. 110; vgl. auch Immenga, ZGR 1977, 249, 255. 45 Dazu Koch in Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl. 2016, § 76 AktG Rz. 26; Spindler in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 84 AktG Rz. 28.
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dritte Kapitalgeber beteiligt werden sollen, und infolge dessen das eigene Lager nicht mehr über die Hauptversammlungsmehrheit verfügt.46 Aber auch im Vorfeld solcher Überlegungen – gerade bei der nicht börsennotierten, mehrheitlich in Familienbesitz befindlichen Gesellschaft – erhebt sich die Frage, wie man die Zusammensetzung des Aufsichtsrats durch statutarische oder konsortialvertragliche Bestimmungen beeinflussen kann, um die Mitwirkung der Familie in Leitungs- und Kontrollorganen zu gewährleisten und gegebenenfalls die Kontrollbefugnisse des Aufsichtsrats zu stärken. Dass persönliche Eignungsvoraussetzungen für den Aufsichtsrat einer AG vorgesehen werden können – beispielsweise Altersgrenzen oder auch Anforderungen an die berufliche Qualifikation – ist grundsätzlich anerkannt. Ihre Grenzen finden solche Erfordernisse dort, wo sie in unzulässiger Weise in das Auswahlermessen der Hauptversammlung eingreifen.47 Ob ein solcher Fall vorliegt, wenn vorgeschrieben ist, dass die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat einer bestimmten Familie angehören müssen, wird unterschiedlich beurteilt. Die wohl herrschende Meinung in der Literatur verneint diese Möglichkeit und verweist darauf, dass eine solche statutarische Bestimmung auf ein verkapptes Entsendungsrecht hinauslaufe.48 Angesichts dessen wird man eine „Durchbesetzung“ des Aufsichtsrats der AG nur unter der Bedingung erreichen können, dass man über die Hauptversammlungsmehrheit verfügt und die notwendigen Abstimmungen unter den Familienmitgliedern auf konsortialvertraglichem Weg erfolgen. Flankierend kommen Entsendungsrechte und statutarische Eignungsvoraussetzungen in Betracht. Durch Zustimmungsvorbehalte lässt sich ferner die Kontrollfunktion des Aufsichtsrats stärken.
46 Reichert in Röthel/K. Schmidt (Hrsg.), Internationale Familienunternehmen, 2016, S. 8. 47 Im Ausgangspunkt einh. M., vgl. RGZ 133, 90, 94; Koch in Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl. 2016, § 100 AktG Rz. 20; Habersack in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 100 AktG Rz. 54; Mertens/Cahn in KölnerKomm. AktG, 3. Aufl. 2013, § 100 AktG Rz. 46. 48 Für die SE verneinend: Paefgen in KölnerKomm. AktG, 3. Aufl. 2012, Art. 40 SE-VO Rz. 57; Schwarz, SE-VO, 2006, Art. 40 SE-VO Rz. 48; Seibt in Habersack/ Drinhausen, SE-Recht, 2013, Art. 40 SE-VO Rz. 45; für die AG: Möglichkeit verneinend Koch in Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl. 2016, § 100 AktG Rz. 20; Spindler in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. 2015, § 100 AktG Rz. 41; Mertens/Cahn in KölnerKomm. AktG, 3. Aufl. 2013, § 100 AktG Rz. 46; Habersack in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2014, § 100 AktG Rz. 54; zustimmend Simmons in Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014, § 100 AktG Rz. 41.
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c) Alternative: KGaA Was die Einflussnahme auf den Vorstand anbelangt, besteht in der KGaA, deren Komplementär eine beschränkt haftende Gesellschaft ist, eine weit höhere Flexibilität als in der AG. Freilich muss man bei der KGaA mit zwei Gesellschaften operieren, was andere Probleme mit sich bringt.49 Weitere Komplikationen ergeben sich daraus, dass es sich um eine Mischform handelt, bei der personen- und kapitalgesellschaftsrechtliche Strukturelemente in Einklang zu bringen sind.50 Die Gestaltungsfreiheit zwischen und unter den Gesellschaftergruppen ist ein großer Vorteil der KGaA. So lässt sich das Verhältnis unter den Komplementären oder gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre flexibel ausgestalten, da gemäß § 278 Abs. 2 AktG das Recht der KG gilt und nicht der Grundsatz der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) zur Anwendung gelangt. Häufig ist in der Satzung geregelt, dass den Kommanditaktionären das Zustimmungserfordernis bei Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen (§ 278 Abs. 2 AktG; § 164 HGB), genommen und folglich die Geschäftsführungsbefugnis des Komplementärs gestärkt wird.51 Um den Einfluss einer Familie oder einer anderen Personengruppe auf die Geschäftsführung zu sichern, besteht in der KGaA die Möglichkeit, als Komplementärin eine GmbH oder eine GmbH & Co. KG einzusetzen, der die Geschäftsführung in der KGaA obliegt. Die Anteile an der GmbH oder GmbH & Co. KG kann man ausschließlich der bevorzugten Personengruppe zuweisen und festlegen, dass nur sie Geschäftsführer sein dürfen. Auch lässt sich mit Hilfe entsprechender Weisungsbefugnisse zugunsten der Familiengesellschafter deren Einfluss sichern.52 Was die Aufsichtsratsbesetzung anbelangt, ergeben sich bei der KGaA Einschränkungen aus § 285 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Satz 3 AktG, der anordnet, dass ein Komplementär, der Kommanditaktien hält, von der Wahl des Aufsichtsrats ausgeschlossen ist.53 Man streitet darüber, inwieweit sich das Stimmrechtsverbot auch auf die Gesellschafter der Aktien haltenden Komplementärgesellschaft erstreckt. Die herrschende Lehre lässt unter be-
49 Bachmann in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. 2015, § 278 AktG Rz. 7. 50 Zu den offenen Rechtsfragen vgl.: Perlitt in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2015, § 278 AktG Rz. 313 ff. 51 Perlitt in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2015, § 278 AktG Rz. 31. 52 Reichert in Röthel/K. Schmidt (Hrsg.), Internationale Familienunternehmen, 2016, S. 8. 53 Perlitt in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2015, § 278 AktG Rz. 25 ff.; Bachmann in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. 2015, § 285 AktG Rz. 16.
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stimmten Voraussetzungen eine Erstreckung mit dem Argument zu, dass einem Interessenkonflikt nur so begegnet werden könne.54 Mich überzeugt indes die Ausdehnung des Anwendungsbereichs nicht. Zu Recht hat der BGH55 zu § 287 Abs. 3 AktG festgestellt, eine Ausdehnung der Vorschrift auf sämtliche unmittelbaren und erst recht auf die mittelbaren Gesellschafter der Komplementärgesellschaft widerspreche dem grundsätzlich geltenden Prinzip der Trennung zwischen der Gesellschaft als selbstständigem Rechtsträger und ihren Mitgliedern. Auch ginge sie über den Sinn und Zweck der Vorschrift hinaus. Selbst die Befürworter der Ausweitung begrenzen sie auf Gesellschafter, die mehr als nur unmaßgeblich an der Komplementärgesellschaft beteiligt sind.56 Richtigerweise darf man im Wege einer etwaigen analogen Anwendung der Vorschrift allenfalls diejenigen Gesellschafter der Komplementärgesellschaft einbeziehen, welche in ihr eine organschaftliche Leitungsfunktion tatsächlich ausüben oder an der Komplementärgesellschaft maßgeblich beteiligt sind und deshalb bestimmenden Einfluss auf deren Geschäftsführung ausüben können.57 Folgt man dem, sind Schwierigkeiten einzukalkulieren, wenn gewichtige Gesellschafter, deren Einfluss auf den Aufsichtsrat sichergestellt werden soll, in der Komplementärgesellschaft als solche tätig sind oder einen maßgeblichen Einfluss haben. Darin liegt ein Nachteil der KGaA als „personalistische“ Rechtsform. Man darf dabei aber nicht übersehen, dass die Rechte des Aufsichtsrats in der KGaA weit hinter denen in der AG zurückbleiben. Schließlich verfügt er weder über die Personalkompetenz noch über die sogenannte Kompetenz-Kompetenz. An der Feststellung der Bilanz wirkt er ebenfalls nicht mit.58 3. Leitungsstrukturen: Alternativen und Reformbedarf Neben der Frage, inwieweit sich ein Einfluss auf die Vorstands- und Aufsichtsratsbesetzung festschreiben lässt, spielt in der Praxis die Ausgestaltung der Leitungsstrukturen eine große Rolle. Nach geltendem Recht weist die AG insoweit die größten Schwächen auf. Eine „Personalisierung“ ist auf diesem Terrain kaum möglich. Dass es auch anders geht, zeigt die SE, die 54 M. w. N. Bachmann in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. 2015, § 285 AktG Rz. 25 f. 55 BGH v. 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 198. 56 Bachmann in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. 2015, § 285 AktG Rz. 26; Assmann/ Sethe in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 285 AktG Rz. 25; Schaumburg, DStZ 1998, 526 f.; Hoffmann-Becking/Herfs in FS Sigle, 2000, S. 273, 289. 57 BGH v. 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 198; Bachmann in Spindler/ Stilz, AktG, 3. Aufl. 2015, § 285 AktG Rz. 26; Hoffmann-Becking/Herfs in FS Sigle, 2000, S. 273, 289; weitergehend: Wichert, AG 2000, 268, 274; Halasz/Kloster/ Kloster, GmbHR 2002, 77, 85. 58 Vgl. Perlitt in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2015, § 278 AktG Rz. 282.
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im Vergleich zur AG einen veritablen Modernisierungsvorsprung für sich reklamieren kann. a) Alternative Mehrheitserfordernisse in der SE Ein Fortschritt gegenüber der AG bedeutet Art. 50 Abs. 1 SE-VO.59 Nach dieser Bestimmung kann das Mehrheitserfordernis für Beschlussfassungen im einheitlichen Leitungsorgan oder auch – bei dualistischem System – im Aufsichtsrat bis hin zur Einstimmigkeit verschärft werden.60 Schon die Einführung qualifizierter Mehrheiten ermöglicht es, einem Minderheitsgesellschafter Vetorechte bei der Leitung der SE zu verschaffen. Ihm kann das Recht zugewiesen werden, ein Drittel der Organmitglieder zu benennen. Ferner kann man die von ihm benannten Board-Mitglieder durch qualifizierte Mehrheitserfordernisse faktisch mit einem Vetorecht bei allen weit reichenden Entscheidungen ausstatten. Ein Modell dieser Art wäre mit Hilfe einer AG nicht zu realisieren, da diese Rechtsform neben der einfachen Stimmenmehrheit im Aufsichtsrat bei Entscheidungen kraft Gesetzes keine weiteren Verschärfungen zulässt.61 b) Wahlmöglichkeiten in der SE Im Unterschied zu vielen ausländischen Kapitalgesellschaften ist für die deutsche AG zwingend eine dualistische Verfassung vorgeschrieben. Doch auch im deutschen Recht steht mit der SE eine Gesellschaftsform zur Verfügung, die den Beteiligten die Wahl lässt zwischen einer dualistischen Verfassung und einer monistischen Corporate Governance.62 Neben den sachlichen Gründen, die für oder gegen die monistische bzw. dualistische Verfassung sprechen, ist es häufig der Grad der Vertrautheit, der den Ausschlag gibt bei der Gestaltung der Leitungsstruktur. Es mag nahe liegen, dass deutsche Unternehmer gewöhnlich das ihnen aus dem Umgang mit deutschen Aktiengesellschaften bekannte dualistische System bevorzugen werden. Zwingend ist das nicht. Insbesondere bei international aufgestellten Unternehmen kann es vorkommen, dass jedenfalls die Gesellschafter, die im Ausland leben, mit der monistischen Verfassung besser vertraut sind
59 Reichert in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 6, 2013, § 62 Rz. 89. 60 Vgl. Reichert/Brandes in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2012, Art. 50 SE-VO Rz. 22 ff. 61 Vgl. Koch in Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl. 2016, § 108 AktG Rz. 8. 62 Zum Folgenden Reichert in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 6, 2013, § 62 Rz. 87 und den Überblick bei Ihrig/Wagner, BB 2004, 1749, 1756 ff.; Teichmann, BB 2004, 53 ff.; Merkt, ZGR 2003, 650, 651.
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als mit dem deutschen Dualismus und sie daher als Organisationsstruktur bevorzugen.63 In solchen Fällen stellt die SE eine attraktive Alternative dar. Sie erlaubt die Schaffung eines einheitlichen Boards, das die Funktionen von Vorstand und Aufsichtsrat vereinigt. An die Stelle des rigiden Dualismus deutscher Prägung tritt – dem französischen Boardmodell folgend – die Unterscheidung zwischen Verwaltungsrat und geschäftsführenden Direktoren. Der Verwaltungsrat ist oberstes Geschäftsführungsorgan. Er trägt die Gesamtverantwortung für die Unternehmensleitung, legt die Grundlinien der Unternehmenspolitik fest und verfügt über ein Weisungsrecht gegenüber den geschäftsführenden Direktoren, welche er zugleich zu überwachen hat.64 Der Verwaltungsrat wird, wie in der Aktiengesellschaft der Aufsichtsrat, von der Hauptversammlung bestellt.65 Die geschäftsführenden Direktoren, die vom Verwaltungsrat ernannt werden, sind ein diesem untergeordnetes Handlungsorgan66, was nicht ausschließt, dass sie als executive directors auch gleichzeitig dem Verwaltungsrat angehören. Die nicht geschäftsführenden Direktoren, die non executive directors, müssen im Verwaltungsrat allerdings in der Mehrheit sein. Den geschäftsführenden Direktoren obliegt die Führung des Tagesgeschäftes. Sie vertreten die SE im Außenverhältnis.67 Die monistische Ausgestaltung der SE ermöglicht die Einführung eines CEO-Modells nach amerikanischem Vorbild. Der Vorsitzende des Verwaltungsrats kann also gleichzeitig als executive director den Vorsitz in der Geschäftsführung übernehmen68 und zusätzlich mit einem Zweitstimmrecht bei Stimmengleichheit69 sowie mit einem Vorschlagsrecht hinsichtlich der übrigen geschäftsführenden Direktoren ausgestattet werden. Das CEO-Modell empfiehlt sich für Familiengesellschaften mit einem starken Familienoberhaupt.70 In der abgeschwächten Version übernimmt das Familienoberhaupt, der „Firmenchef “, nur den Vorsitz im Verwaltungsrat und überlässt die Positi63 Reichert in Röthel/K. Schmidt (Hrsg.), Internationale Familienunternehmen, 2016, S. 10. 64 Vgl. dazu insgesamt Reichert/Brandes in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2012, Art. 43 SE-VO Rz. 8 ff. 65 Vgl. Art. 43 Abs. 3 Satz 1 SE-VO. 66 Allgemein zu den geschäftsführenden Direktoren: Ihrig, ZGR 2008, 809 ff. 67 Vgl. dazu insgesamt Reichert/Brandes in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2012, Art. 43 SE-VO Rz. 13 ff. 68 Zum Folgenden Reichert in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 6, 2013, § 62 Rz. 88. 69 Vgl. Art. 50 Abs. 2 Satz 1 SE-VO. 70 Reichert in GS Gruson, 2009, S. 321, 330.
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on des geschäftsführenden Direktors beispielsweise dem designierten Nachfolger („Patriarchen-Modell“). Das hat im Vergleich zum dualistischen System den Vorteil, dass der „Firmenchef “ sich nicht mit dem Tagesgeschäft befassen muss. Da er Teil der Unternehmensleitung bleibt, kann er dennoch auf strategische Entscheidungen Einfluss nehmen.71 Uneingeschränkt zu empfehlen ist die SE in Angelegenheiten der Corporate Governance allerdings nur solchen Gesellschaften, die nicht oder jedenfalls noch nicht der unternehmerischen Mitbestimmung unterliegen.72 In allen anderen Fällen bietet die SE mit ihrer Wahlmöglichkeit zwischen monistischem und dualistischem System keine Vorteile. Das liegt an der undifferenzierten Mitbestimmungsgewährleistung im deutschen Recht, an der man nicht vorbeikommt, soweit eine Mitbestimmung zu etablieren ist.73 Versteht man die Auffanglösung nämlich so, dass die Mitbestimmung – etwa die paritätische Mitbestimmung – eins zu eins auf das Leitungsorgan zu übertragen ist74, würde sich die Mitbestimmung nicht, wie bisher, auf die Kontrolle, sondern auch auf die unternehmerischen Leitungsentscheidungen erstrecken.75 Eine solche Ausdehnung der Mitbestimmung wäre nicht zu rechtfertigen, vielleicht sogar verfassungswidrig.76 In Ermangelung einer gesetzgeberischen Klarstellung dahingehend, dass sich die Parität oder Drittelparität ausschließlich auf die non executive directors im Leitungsor gan erstreckt, bleibt nur die schwierige Aufgabe, derartige Modelle im Rahmen der Verhandlungslösung zu verwirklichen. c) Wahlmöglichkeiten in der AG de lege ferenda In Anbetracht dessen, dass dank der SE das monistische System nicht mehr als Anomalie oder Fremdkörper im deutschen Recht gelten kann, liegt es nahe, dieses Modell auch als Alternative in der AG zuzulassen.77 Walter Bayer hat, wie schon eingangs erwähnt, sich in seinem Gutachten von 2008 dafür ausgesprochen und die Attraktivität des monistischen Modells gera-
71 Bayer/Schmidt, AnwBl 2008, 327, 331. 72 Dazu Reichert in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 6, 2013, § 62 Rz. 92. 73 Vgl. dazu Reichert/Brandes, ZGR 2003, 767 ff.; Gruber/Weller, NZG 2003, 297 ff.; Niklas, NZA 2004, 1200 ff.; Weiss/Wöhlert, NZG 2006, 121, 126; Götz, ZIP 2003, 1067; Horn, DB 2005, 152. 74 So z. B. Köstler, ZGR 2003, 800, 804 f.; Niklas, NZA 2004, 1200, 1204. 75 Damit dürfte freilich auch ein erhöhtes Haftungsrisiko der Arbeitnehmervertreter im Vergleich zur Mitgliedschaft im Aufsichtsrat einhergehen. 76 Vgl. hierzu ausführlich Jacobs in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2017, § 35 SEBG Rz. 17 ff. 77 Zum Folgenden bereits Reichert, AG 2016, 677, 680 f.
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de auch für mittelständische, nicht börsennotierte Unternehmen betont.78 Auf der Grundlage des Gutachtens von Mathias Habersack79 optierte schließlich der 69. Juristentag für eine solche alternative Wahlmöglichkeit: Die Zulassung des monistischen Systems werde die Wettbewerbsfähigkeit der AG sowohl im Vergleich zur SE als auch im Vergleich zu anderen europäischen Kapitalgesellschaften verbessern. Gegen die Einführung des monistischen Systems sind in der Vergangenheit verschiedene Argumente ins Feld geführt worden.80 Kritiker verweisen z. B. darauf, dass es nicht so recht überzeuge, Leitung und Kontrolle weiter verschwimmen zu lassen, zumal auch das stärker unterscheidende dualistische System dem Bedürfnis des Aufsichtsrats, in gewisse strategische Fragestellungen eingebunden zu werden, mehr und mehr entspreche.81 Die Bedenken sind nicht völlig von der Hand zu weisen, überzeugen mich aber letztlich aus folgenden Gründen nicht: Die Vor- und Nachteile des dualistischen wie des monistischen Systems sind seit Jahren Gegenstand zahlloser Studien und wissenschaftlicher Debatten.82 Trotz aller Anstrengungen kann keine Rede davon sein, dass Übereinstimmung erzielt wurde.83 Aus Sicht der Principal-Agent-Analyse ist das wenig überraschend. Ein Principal-Agent-Verhältnis, wie es für Kapitalgesellschaften typisch ist, kennzeichnen zwei Friktionen: einerseits der Informationsvorsprung der Handelnden gegenüber den Kontrolleuren84, andererseits Interessenkonvergenzen zwischen Handelnden und Kontrolleuren zu Lasten Dritter, also hier der Anteilseigner.85
78 Bayer, Empfehlen sich besondere Regelungen für börsennotierte und für geschlossene Gesellschaften?, Gutachten E zum 67. DJT, 2008, S. E112 f. 79 Habersack, Staatliche und halbstaatliche Eingriffe in die Unternehmensführung, Gutachten E zum 69. DJT, 2012, S. E71. 80 Vgl. zu den Gründen für die (aus seiner Sicht) geringe Bedeutung der monistischen SE Bücker in Bergmann/Kiem/Mülbert/Verse/Wittig (Hrsg.), 10 Jahre SE, 2015, S. 203. 81 Zur Konvergenz zwischen ein- und zweigliedrigen Board-System Cromme in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 283; Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 641 f. 82 Vgl. nur (monographisch) S. Fischer, Monistische Unternehmensverfassung. Ökonomische Analyse und Plädoyer für ein Wahlrecht im deutschen Aktienrecht, 2010; ferner (m. w. N.) Reichert/Brandes in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2012, Art. 38 SE-VO Rz. 18 ff. 83 Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 468; Jungmann, ECFR 2006, 426. 84 S. Fischer, Monistische Unternehmensverfassung. Ökonomische Analyse und Plädoyer für ein Wahlrecht im deutschen Aktienrecht, 2010, S. 41 ff. 85 S. Fischer, Monistische Unternehmensverfassung. Ökonomische Analyse und Plädoyer für ein Wahlrecht im deutschen Aktienrecht, 2010, S. 46 ff.
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Das eine Problem stellt gleichsam die Kehrseite des anderen dar, denn wenn sich Handelnde und Kontrolleure sehr nahe sind, können sich die Kontrolleure besser informieren, doch geht das mit der Gefahr einher, dass wegen gleichgerichteter Interessen Fehler nicht hinreichend aufgeklärt und sanktioniert werden. Umgekehrt bewirkt eine größere Distanz zwischen Handelnden und Kontrolleuren, dass zwar weniger aufeinander Rücksicht genommen wird, sich dafür aber auch der Austausch von Informationen schwieriger gestaltet. Da die Vor- und Nachteile beider Modelle struktureller Natur sind, sollte man nicht fragen, welches der beiden Systeme überlegen ist, sondern ob der Gesetzgeber für den Rechtsanwender verbindlich die Entscheidung treffen oder ob man letzterem zutraut sollte, selbst beurteilen zu können, welches Modell in der konkreten unternehmerischen Situation vorzuziehen ist.86 Für die Wahlfreiheit streitet, dass man in der SE bisher keine negativen Erfahrungen mit dem monistischen System gesammelt hat. Statistische Erhebungen darüber, wie verbreitet es ist, sind zwar nicht eindeutig, zeigen aber, dass das monistische SE-System auf Resonanz stößt und jedenfalls keine absolute Ausnahme darstellt87 – obwohl für die große Gesellschaften aus Gründen der Mitbestimmung das monistische System ungünstig ist.88 Monistische Leitungsstrukturen dürften vor allen Dingen für kleinere, personalistische Aktiengesellschaften, die nicht der Mitbestimmung unterliegen und nicht börsennotiert sind, interessant sein. Ein gleitender Übergang vom Tagesgeschäft zur Erledigung eher konzeptioneller, strategischer Aufgaben in Nachfolgesituationen ist ein Beispiel unter vielen, in denen das monistische System derzeit in der SE eine Rolle spielt und zukünftig auch in der AG eine Rolle spielen könnte.89
86 Reichert, AG 2016, 677, 681. 87 Der Erhebung der Hans-Böckler-Stiftung zufolge gab es zum 1.7.2016 in Deutschland 202 „normale“ SE, davon 70 mit einer monistischen Struktur, was einer Quote von immerhin 34,7 % entspricht: http://www.boeckler.de/pdf/pb_ mitbestimmung_se_2016_6.pdf 88 Reichert in Röthel/K. Schmidt (Hrsg.), Internationale Familienunternehmen, 2016, S. 1, 11 f.; Reichert/Brandes, ZGR 2003, 767, 788 ff.; Bücker in Bergmann/ Kiem/Mülbert/Verse/Wittig (Hrsg.), 10 Jahre SE, 2015, S. 203, 210 f.; Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 467; Bachmann, ZGR 2008, 776, 797; Habersack, ZHR 171 (2007), 613, 626. 89 Reichert in Röthel/K. Schmidt (Hrsg.), Internationale Familienunternehmen, 2016, S. 1, 11; ders., ZIP 2014, 1957, 1959.
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Finanzkraft in der Fusionskontrolle Inhaltsübersicht
I. Der historische Hintergrund und die Entwicklung 1. Der neue Tatbestand der überragenden Marktstellung und die Einführung einer Fusionskontrolle durch die 2. GWB-Novelle 2. Eine verpasste Gelegenheit – der Fall o.b. 3. Der Fall Kfz-Kupplungen 4. Die weitere Entwicklung im deutschen Recht 5. Finanzkraft in der europäischen Fusionskontrolle
II. Die aktuelle Rechtslage
1. Der Prüfungsmaßstab bei konglomeraten Effekten im europäischen Recht a) Verstärkung einer markt beherrschenden Stellung durch die überragende Finanzkraft des Erwerbers als konglomerater Effekt b) Der anzuwendende Prüfungsmaßstab 2. Die Übernahme dieses Prüfungsmaßstabs in das deutsche Recht mit der Einführung des SIEC-Tests 3. Finanzkraft spielt beim SIEC-Test im engeren Sinne keine Rolle III. Fazit
In den siebziger Jahren spielte der Jubilar im Fall Kfz-Kupplungen eine nicht ganz unwesentliche Rolle. Dies war der erste Fall, in dem die Untersagung eines Zusammenschlussvorhabens wegen der Finanzkraft des Erwerbers bis zum Bundesgerichtshof gelangte, der – anders als das Kammergericht – die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts bestätigte. Schon damals spielte die heute im Hinblick auf die Übernahme des SIEC-Tests in das deutsche Recht wieder aktuelle Frage nach der Prüfungstiefe eine zentrale Rolle. Anlass genug, vor dem Hintergrund des damals entschiedenen Falls zu fragen, welche Bedeutung das Prüfungskriterium der Finanzkraft heute in der Fusionskontrolle hat und unter welchen Voraussetzungen eine Untersagung heute noch auf dieses Kriterium gestützt werden könnte.
I. Der historische Hintergrund und die Entwicklung 1. Der neue Tatbestand der überragenden Marktstellung und die Einführung einer Fusionskontrolle durch die 2. GWB-Novelle Die 2. GWB-Novelle von 1973 brachte zwei hier interessierende grundlegende Neuerungen. Zum einen führte Deutschland mit ihr als erster Staat in Europa eine Fusionskontrolle ein. Zum anderen nutzte der Gesetzgeber 299
Dirk Schroeder
die Gelegenheit, die Legaldefinition des marktbeherrschenden Unternehmens in § 22 Abs. 1 GWB (damaliger Fassung) zu verbessern. Bis dahin war ein Unternehmen nur marktbeherrschend, wenn es keinem oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt war. Die 2. GWB-Novelle führte einen neuen, zusätzlichen Tatbestand der Marktbeherrschung ein, der auf die überragende Marktstellung eines Unternehmens im Verhältnis zu anderen Unternehmen auf demselben Markt abstellte (heute in § 18 Abs. 1 Nr. 3 GWB). Nach dem Gesetzestext war hierbei neben dem Marktanteil des Unternehmens auch seine Finanzkraft zu berücksichtigen (heute § 18 Abs. 3 Nr. 2 GWB).1 Da der materielle Prüfungsmaßstab der Fusionskontrolle der klassische Marktbeherrschungstest war, es also darauf ankam, ob durch einen Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung entstehen oder verstärkt werden würde, waren der neue Tatbestand der überragenden Marktstellung mit seinem Finanzkraftkriterium und die Fusionskontrolle von Anfang an miteinander verknüpft. 2. Eine verpasste Gelegenheit – der Fall o.b. Das Bundeskartellamt machte von seinen neuen Befugnissen zügig Gebrauch. So untersagte es schon am 18.11.1974 das Vorhaben von Johnson & Johnson, eine Mehrheitsbeteiligung an der Dr. Carl Hahn GmbH zu erwerben. Hahn war auf dem Markt der Tampons mit der Marke o.b. marktbeherrschend. Dem Amt zufolge ließ der Zusammenschluss eine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung durch Vergrößerung des wettbewerblichen Handlungsspielraums von Hahn durch die Finanzkraft von Johnson & Johnson erwarten. Falls ein Konkurrenzunternehmen mit einem verbesserten Produkt auf den Markt träte, würde es der Zuwachs an Finanzkraft Hahn erlauben, durch eine ohne den Zusammenschluss im gleichen Ausmaß nicht mögliche Ausweitung der Werbung einen Angriff auf die be stehende marktbeherrschende Stellung abzuwehren. Auch würde es der Zuwachs an Forschungs- und Entwicklungspotential Hahn erlauben, möglichen verbesserten Konkurrenzprodukten durch verstärkte Entwicklungsarbeit schneller und erfolgreicher zu begegnen.2 Im Beschwerdeverfahren hob das Kammergericht allerdings den Beschluss auf, weil das Bundeskartellamt die für eine Untersagung bestehende Frist von einem Jahr versäumt hatte.3
1 Vgl. hierzu den RegE zur 2. GWB-Novelle, BT-Drucks. VI/2520, S. 21 ff. 2 BKartA v. 18.11.1974 – B 8 – 259/74 – o.b., WuW/E BKartA 1561, 1568 f. 3 KG v. 16.2.1976 – Kart. 4/75 – Hygiene-Artikel, WuW/E OLG 1712 ff.
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3. Der Fall Kfz-Kupplungen Im Fall Kfz-Kupplungen bot sich dem Amt dann jedoch die Gelegenheit, diese Scharte auszuwetzen. Die Guest, Keen & Nettlefolds Ltd. (GKN) beabsichtigte, eine Anteilsmehrheit an der Sachs AG zu übernehmen, die u. a. eine Beteiligung an der Fichtel & Sachs AG hielt. Fichtel & Sachs war auf den Märkten für Kupplungsdruckplatten und Kupplungsscheiben marktbeherrschend. Der einzige inländische Wettbewerber hatte einen deutlich kleineren Marktanteil. GKN war auf den genannten Märkten nicht tätig, so dass es nicht zu einer Erhöhung der Marktanteils von Fichtel & Sachs kam. Das Amt erwartete aber, dass durch den Zusammenschluss die hinter der marktbeherrschenden Stellung von Fichtel & Sachs stehende Finanzkraft erheblich vergrößert und zu einer spürbaren Erweiterung des Verhaltensspielraums des Unternehmens im Verhältnis zu Abnehmern und Wettbewerbern führen würde. Potentielle Wettbewerber müssten mit einem erheblich vergrößerten Abwehrpotential des auf diesen Märkten bereits herrschenden Unternehmens rechnen.4 In der Beschwerdeinstanz entschied das Kammergericht allerdings, dass durch den Zusammenschluss keine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von Fichtel & Sachs mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei. Unter Berufung auf die Regierungsbegründung der 2. GWB-Novelle meinte das KG, dass sich für das Merkmal der Erwartung (Erwartung einer Verstärkung der bestehenden marktbeherrschenden Stellung) abstrakte Möglichkeiten aufgrund bestimmter Umstände zu einem gesteigerten Grad von Wahrscheinlichkeit für einen zu erwartenden Erfolg verdichten müssten. Konkrete Umstände müssten für eine Veränderung der Wettbewerbslage sprechen. Für die Veränderung müsse eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen. Die Veränderung müsse alsbald eintreten. Die Fusion müsse für die Veränderung kausal sein. Im konkreten Fall sei nicht ersichtlich, dass für Fichtel & Sachs in absehbarer Zeit der Einsatz besonderer finanzieller Mittel überhaupt erforderlich werden könnte. Es fehlten überdies Umstände, aus denen geschlossen werden könnte, Sachs sei ohne die Fusion nicht in der Lage, jede wettbewerbliche Situation mit den eigenen finanziellen Mitteln vollauf zu bewältigen. Schließlich fehlten Anhaltspunkte, dass potentielle Wettbewerber sich von einem Markteintritt infolge der beabsichtigten Fusion abschrecken lassen würden.5 Der BGH meinte auch, dass im Einzelfall zu prüfen sei, ob eine mögliche Wirkung (wie die der Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung) zu erwarten stehe, ihr Eintritt also wahrscheinlich sei.6 Wenn das KG aber meine, es müssten konkrete Umstände für eine Verbesserung der Wettbe4 BKartA v. 12.5.1976 – B 7 – 67/75 – GKN-Sachs, WuW/E BKartA 1625, 1628 f. 5 KG v. 1.12.1976 – Kart. 51/76 – Sachs, WuW/E OLG 1745, 1753 ff. 6 BGH v. 21.2.1978 – KVR 4/77 – Kfz-Kupplungen, WuW/E BGH 1501, 1507.
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werbslage des marktbeherrschenden Unternehmens sprechen, die alsbald und mit hoher Wahrscheinlichkeit eintrete, habe es den Rahmen seiner Überzeugungsbildung zu eng gesetzt. Nicht die künftige Wettbewerbsentwicklung sei zu prüfen, sondern nur die Wettbewerbsverhältnisse, wie sie vor und nach dem beabsichtigten Zusammenschluss vorlägen, miteinander zu vergleichen. Hierbei seien wegen der Unumkehrbarkeit der durch einen Zusammenschluss hervorgebrachten strukturellen Veränderungen gerade auch deren längerfristige Wirkungen ins Auge zu fassen.7 Entscheidend für die hier maßgeblichen Überlegungen sei nur, ob Sachs nach dem Zusammenschluss wegen der andersartigen Geschäftspolitik und marktstrategischen Zielsetzung im Rahmen des konglomerierten Großunternehmens mit Hilfe einer erhöhten Finanzkraft eher und nachhaltiger zur Abwehr eines Preiswettbewerbs motiviert und entschlossen angesehen werde, als dies bei Aufrechterhaltung ihrer Selbständigkeit der Fall sei. Die maß gebende Wirkung des Zusammenschlusses liege in seinem unmittelbaren Einfluss auf die Vorstellung der aktuellen und potentiellen Wettbewerber über das mutmaßliche weitere Marktverhalten des erworbenen Unter nehmens. Sachs werde sich nach der Übernahme durch ein stark konglomeriertes Großunternehmen mit erheblicher Finanzkraft schon wegen der andersartigen Geschäftspolitik und marktstrategischen Planung den Marktbeteiligten jedenfalls eher und nachhaltiger zur Abwehr eines Preiswettbewerbs motiviert und entschlossen zeigen, als dies bei Aufrechterhaltung der Selbständigkeit dieses Unternehmens zu erwarten sei. In aller Regel sei damit zu rechnen, dass ein hoch-konglomeriertes Großunternehmen, soweit es sich nicht nur um eine Finanzbeteiligung, sondern um einen Markterweiterungszusammenschluss handele, das Zielunternehmen seiner umfassenderen Geschäftspolitik einordnen werde.8 Um hier schon ein Wort der Kritik fallen zu lassen: Es fällt auf, dass der BGH den Prüfungsansatz des KG nicht nur beschränkt und vereinfacht, er operiert dann auch mit nicht näher bewiesenen Erfahrungssätzen. Warum sollte sich ein Monoproduktunternehmen bei einem durch auf seinen Heimatmarkt drängende Importeure ausgelösten Preiskampf nicht ebenso heftig zur Wehr setzen wie ein konglomeriertes Großunternehmen? Für Ersteres wäre es ein Überlebenskampf, für Letzteres nicht. Aus heutiger Sicht ist ohnehin schon die Tatsache kurios, dass ein einen Automobilzulieferer betreffender Zusammenschluss untersagt wird. Fusionen zwischen Automobilzulieferern werden angesichts der Nachfragemacht (und mangels Beschwerden) der Marktgegenseite regelmäßig genehmigt.
7 BGH v. 21.2.1978 – KVR 4/77 – Kfz-Kupplungen, WuW/E BGH 1501, 1508. 8 BGH v. 21.2.1978 – KVR 4/77 – Kfz-Kupplungen, WuW/E BGH 1501, 1509 ff.
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4. Die weitere Entwicklung im deutschen Recht Mit Kfz-Kupplungen war dann auch schon der Höhepunkt des Finanzkraftkriteriums in der deutschen Fusionskontrolle erreicht. Jedenfalls werden heute Zusammenschlüsse ersichtlich nicht mehr allein wegen der Finanzkraft des Erwerbers untersagt. Finanzkraft ist meist nur ein Faktor unter mehreren.9 Der BGH fuhr allerdings noch in einer Reihe von Entscheidungen fort, in diesem Bereich Sätze der Lebenserfahrung zu produzieren. So zeigt beispielsweise ein finanzstarkes Großunternehmen, das ein anderes Unternehmen kauft, gerade durch diesen Kauf seine Bereitschaft zu Investitionen auf dem relevanten Markt. Es kann demnach im Allgemeinen auch erwartet werden, dass es seine Finanzkraft auf diesem Gebiet einsetzen wird.10 Bei einer 50%-Beteiligung gilt das wohl auch; es soll jedenfalls die Rückführung der Beteiligung des Erwerbers an dem Zielunternehmen auf 50 % nicht Auswirkungen der Finanzkraft des Erwerbers auf die Marktstellung des geschaffenen Gemeinschaftsunternehmens aufheben.11 Kurioserweise wird die 50 %-Beteiligung eines finanzstarken Unternehmens an einem Wettbewerber anders beurteilt. In solch einem Fall heißt es, es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Wettbewerber aufgrund der 50 %-Beteiligung der Degussa an ihm deren Ressourcen zugutekämen.12 Wir lernen weiter, dass ein Konzern, der unter den hundert größten Unternehmen der Bundesrepublik etwa in der Mitte liegt, nicht schon wegen einer länger anhaltenden Konjunkturabschwächung und Verlusten auf einem bestimmten Tätigkeitsbereich die Fähigkeit, durch seine Finanzkraft auf die Wettbewerbsverhältnisse der Tochtergesellschaft einzuwirken, zu verlieren braucht.13 Die Bereitschaft eines erwerbenden Konzerns, seine Ressourcen zugunsten des Beteiligungsunternehmens einzusetzen, belegt sich etwa aus dem Umstand, dass der Konzern damit begonnen hat, eine Dienstleistung für das Beteiligungsunternehmen durchzuführen, wie auch aus einem Optionsrecht zum Erwerb einer weiteren Kommanditbeteiligung.14
9 Vgl. etwa OLG Düsseldorf v. 25.9.2013 – VI Kart 4/12 (V) – Xella/H + H ECLI:DE:OLGD:2013:0925.VI.KART4.12V.00; OLG Düsseldorf v. 1.7.2015 – VIKart 8/11 (V) – Sauenschlachtung, WuW/E DE-R 4791, 4804 f. 10 BGH v. 24.6.1980 – KVR 5/79 – Mannesmann-Brueninghaus, WuW/E BGH 1711, 1717; bestätigt in BGH v. 25.6.1985 – KVR 3/84 – Edelstahlbestecke, WuW/E BGH 2150, 2157. 11 BGH v. 2.12.1980 – KVR 1/80 – Klöckner-Becorit, WuW/E BGH 1749, 1756. 12 BGH v. 25.6.1985 – KVR 3/84 – Edelstahlbestecke, WuW/E BGH 2150, 2156. 13 BGH v. 2.12.1980 – KVR 1/80 – Klöckner-Becorit, WuW/E BGH 1749, 1756. 14 BGH v. 28.9.1982 – KVR 8/81 – Springer-az Anzeigenblatt, WuW/E BGH 1954, 1958.
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Zuweilen widerspricht sich der BGH auch, ohne es zu merken. So werden Rechtsbeschwerdeführer, die meinen, dass der Umsatz kein geeignetes Mittel zur Bemessung der Finanzkraft sei, darauf hingewiesen, dass es auf den Abschreckungs- und Entmutigungseffekt bei den aktuellen und potentiellen Wettbewerbern ankomme und deshalb auf deren Vorstellungen abzustellen sei. Aus der Sicht der Außenstehenden bestimme sich die finanzielle Stärke eines Unternehmens vorrangig nach seinem Umsatz, zumal die anderen Kriterien, wie z. B. die tatsächliche Verfügbarkeit von Mitteln, der Öffentlichkeit regelmäßig nicht bekannt seien.15 Keine vier Jahre später rügt der BGH das KG, das entsprechend den Vorgaben des BGH aus Umsatzergebnissen auf überlegene Finanzkraft schließt, weil Umsatzstärke nicht notwendig mit Ertragsstärke verbunden sei.16 Vielleicht steckt hier aber auch die Überlegung dahinter, mittelständische Unternehmen würden sich einfach am Umsatz ihrer Wettbewerber orientieren, während größere Unternehmen die Lage sehr viel differenzierter analysieren. Wenn dem so wäre, hätten wir es mit einer komplizierten Schadenstheorie (theory of harm) zu tun, der man Realitätsnähe kaum noch nachsagen könnte. 5. Finanzkraft in der europäischen Fusionskontrolle Als 1989 nach vielen vergeblichen Versuchen die EG-Fusionskontrolle aus der Taufe gehoben wurde, enthielt auch sie – nach dem Vorbild der deutschen Fusionskontrolle – ein Kriterium der Finanzkraft. Nach Art. 2 Abs. 1 lit. b FKVO berücksichtigt die Kommission bei der Prüfung der Vereinbarkeit von Zusammenschlüssen mit dem Gemeinsamen Markt (heute Binnenmarkt) u. a. „die Marktstellung sowie die wirtschaftliche Macht und die Finanzkraft der beteiligten Unternehmen“. Dieser Wortlaut galt schon unter der Ägide des Marktbeherrschungstests und blieb unverändert, als 2004 der SIEC-Test eingeführt wurde, der allerdings den Marktbeherrschungstest als Regelbeispiel erhielt. Die Europäische Kommission beschäftigte sich schon früh in einer Reihe von Entscheidungen mit dem Kriterium der Finanzkraft der beteiligten Unternehmen, maß ihm jedoch nie ausschlaggebende Bedeutung zu.17 Anders als die frühe deutsche Fusionskontrollpraxis hat die Europäische Kom-
15 BGH v. 25.6.1985 – KVR 3/84 – Edelstahlbestecke, WuW/E BGH 2150, 2157. 16 BGH v. 7.3.1989 – KVR 3/88 – Kampffmeyer – Plange, WuW/E BGH 2575, 1582. 17 Vgl. Europäische Kommission v. 28.11.1990 – M.23 – ICI/Tioxide, Rz. 13; v. 29.5.1991 – M.43 – Magneti Marelli/CEAc, Rz. 16; v. 31.7.1991 – M.12 – Varta/ Bosch, Rz. 32; v. 19.12.1991 – M.139 – VIAG/EB Brühl, Rz. 18; v. 28.4.1992 – M.126 – ACCOR/Wagons-Lits, Rz. 25; v. 11.10.1993 – M.196 – Volvo/Procordia, Rz. 12; vgl. auch die weiteren Nachweise in Drauz/Schroeder, Praxis der Europäischen Fusionskontrolle, 3. Aufl. 1995, S. 114 ff.
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mission in keiner einzigen Entscheidung ausschließlich auf die Finanzkraft als Untersagungskriterium abgestellt.18 Zwei Fälle illustrieren allerdings sehr schön, wie die Kommission das Kriterium der Finanzkraft ergänzend heranzieht, um eine Untersagung zu begründen. So nahm die Kommission in Boeing/McDonnell Douglas u. a. auf das durch die Übernahme von McDonnell Douglas gestiegene Gesamtfinanzpotential von Boeing Bezug, um eine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von Boeing zu begründen.19 In General Electric/Honeywell stellte die Kommission auf die Finanzkraft von GE ab, die sich insbesondere aus der Beteiligung an GE Capital herleitete, um einerseits marktbeherrschende Stellungen von GE zu begründen20 und um andererseits vertikale Effekte aus der Verknüpfung der Finanzdienstleistungen von GE und den Geschäftsfeldern von Honeywell abzuleiten.21 Die Analyse der Kommission hielt allerdings nicht der Überprüfung durch das Gericht der Europäischen Union (damals noch Gericht erster Instanz) stand. Das EuG stimmte zwar noch der Feststellung der Kommission zu, spezifische Fälle hätten gezeigt, dass GE bewusst die kommerziellen Möglichkeiten eingesetzt habe, die sich für die Förderung ihres Triebwerkgeschäfts aus der Finanzkraft von GE Capital ergeben hätten, und dass die Nutzung dieser geschäftlichen Hebelwirkung zur beherrschenden Stellung von GE beigetragen habe.22 Die Kommission habe jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass die durch den Zusammenschluss entstehende Einheit die aus der Position von GE Capital erwachsende Finanzkraft der Unternehmensgruppe nutzen würde, um künftig die Erzeugnisse des ehemaligen Honeywell-Unternehmens zu fördern.23 Zudem habe die Kommission nicht nachgewiesen, dass solche Praktiken, selbst wenn sie in die Tat umgesetzt würden, voraussichtlich beherrschende Stellungen auf den verschiedenen Märkten der betreffenden Avionikprodukte und sonstigen Erzeugnisse von Honeywell begründen würden.24 Die Entscheidung des EuG zeigt, dass in der europäischen Fusi18 Petrasincu, Horizontale, vertikale und konglomerate Zusammenschlüsse in der europäischen und amerikanischen Fusionskontrolle, 2009, S. 311. 19 Kommission v. 30.7.1997 – M.877 – Boing/McDonnell Douglas, Rz. 72 – 83. 20 Kommission v. 3.7.2001 – M.2200 – General Electric/Honeywell, Rz. 162 ff., 173, 190, 216, 225, 229. 21 Kommission v. 3.7.2001 – M.2200 – General Electric/Honeywell, Rz. 342 ff., 405, 409, 438, 442, 478, 497. 22 EuG v. 14.12.2005 – T-210/01 – General Electric, Slg. 2005, II-5575, ECLI:EU:T:2005:456, Rz. 242, 325. 23 EuG v. 14.12.2005 – T-210/01 – General Electric, Slg. 2005, II-5575, ECLI:EU:T:2005:456, Rz. 326 – 340. 24 EuG v. 14.12.2005 – T-210/01 – General Electric, Slg. 2005, II-5575, ECLI:EU:T:2005:456, Rz. 354 – 364.
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onskontrolle eine eingehendere richterliche Kontrolle auf Finanzkraft gestützter Fusionskontrollentscheidungen stattfindet als im (alten) deutschen Recht.
II. Die aktuelle Rechtslage 1. Der Prüfungsmaßstab bei konglomeraten Effekten im europäischen Recht a) Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung durch die überragende Finanzkraft des Erwerbers als konglomerater Effekt In der Fusionskontrolle unterscheidet man horizontale, vertikale und kon glomerate Effekte.25 Letztere hat das Kammergericht auch schon diagonale Effekte genannt.26 Horizontal bedeutet, dass sich die Zusammenschlussparteien als (aktuelle oder potentielle) Wettbewerber auf derselben Marktstufe gegenüberstehen. So ist die durch einen Zusammenschluss bewirkte Kumulation von Marktanteilen ein horizontaler Effekt. Von vertikalen Effekten spricht man, wenn eine Zusammenschlusspartei auf einem vorgelagerten Markt, die andere auf einem diesem nachgelagerten Markt tätig ist, wenn beispielsweise die Produkte des vorgelagerten Markts auf dem nachgelagerten Markt als Rohstoffe eingesetzt werden. Konglomerat bedeutet nichts anderes, als dass sich die Parteien des Zusammenschlusses weder in einem Horizontalverhältnis noch in einem Vertikalverhältnis gegenüberstehen.27 Letzteres ist genau die Situation bei den reinen Finanzkraftfällen. Eine Partei ist schon vor dem Zusammenschluss marktbeherrschend; es kommt aber zu keiner Erhöhung des Marktanteils durch die andere Partei. Die Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung wird vielmehr durch die Finanzkraft der anderen Partei bewirkt. Diese Finanzkraft stammt zwangsläufig aus anderen Märkten als dem, auf dem die erste Partei marktbe herrschend ist, und sie stammt regelmäßig auch nicht aus vor- oder nachgelagerten Märkten. Es ist vielmehr unerheblich, aus welchen Märkten die Finanzkraft stammt. Zwar klingt gelegentlich an, dass eine gewisse Markt-
25 Vgl. hierzu etwa die Leitlinien der Europäischen Kommission zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse, ABl. EU 2004 Nr. C 31, S. 5, Rz. 5, und die Leitlinien der Kommission zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse, ABl. 2008 Nr. C 265, S. 6, Rz. 2 – 5. 26 KG v. 1.12.1976 – Kart. 51/76 – Sachs, WuW/E OLG 1745, 1753. 27 EuG v. 14.12.2005 – T-210/01 – General Electric, Slg. 2005, II-5575, ECLI:EU:T:2005:456, Rz. 65.
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nähe des Erwerbers eine Rolle spielen kann28, das ist dann aber eine Frage der Interessenlage, nicht eine der Herkunft der Finanzkraft. Deswegen ist es richtig, die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung durch Finanzkraft zu den konglomeraten Effekten zu zählen. Das schließt natürlich nicht aus, dass bei einem horizontalen Zusammenschluss neben dem Marktanteil auch die Finanzkraft wachsen kann.29 Dass Kommission und EuG im Fall General Electric/Honeywell von vertikaler Integration sprechen30, liegt ausschließlich daran, dass die Finanzkraft von GE in einer Tochtergesellschaft zu verorten war, die Finanzdienstleistungen anbot (GE Capital). Soweit Finanzdienstleistungen von einem Zusammenschlussbeteiligten auf dem Markt angeboten werden, kann man diesen Markt natürlich auch als vorgelagerten sehen, auf dem sich die andere Partei des Zusammenschlusses bedient, um ihre nachgelagerten Produkte mit Hilfe der vorgelagerten Dienstleistung herzustellen. Die Schadenstheorie ändert sich aber dadurch nicht. Das EuG hatte auch keine Schwierigkeit, die vertikal integrierte Finanzkraft unter der Überschrift „Zu den Konglomerat-Wirkungen“ abzuhandeln.31 Die Frage kann im Ergebnis ohnehin dahinstehen, weil der durch den EuGH etablierte Prüfungsmaßstab für vertikale und konglomerate Effekte der Gleiche ist. b) Der anzuwendende Prüfungsmaßstab Die europäische Judikatur verlangt bei vertikalen und konglomeraten Effekten neben der Möglichkeit solcher Effekte auch den Nachweis der Wahrscheinlichkeit und Erheblichkeit solcher Effekte.32 Entsprechend sieht auch die Europäische Kommission in ihren Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse stets eine dreistufige Prüfung vor, nämlich jeweils (a) der Fähigkeit zur Abschottung, (b) des Anreizes zur Abschottung
28 Vgl. BGH v. 21.2.1978 – KVR 4/77 – Kfz-Kupplungen, WuW/E BGH 1501, 1511; Bechtold/Bosch, Kartellgesetz, 8. Aufl. 2015, § 18 GWB Rz. 44. 29 So richtig Thomas in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 2, 5. Aufl. 2014, § 36 GWB Rz. 262. 30 Kommission v. 3.7.2001 – M.2200 – General Electric/Honeywell, Rz. 342, 344, 348, 405, 409, 433, 438, 442, 478, 497; EuG v. 14.12.2005 – T-210/01 – General Electric, Slg. 2005, II-5575, ECLI:EU:T:2005:456, Überschrift vor Rz. 315: „Zur Finanzkraft und vertikalen Integration“. 31 EuG v. 14.12.2005 – T-210/01 – General Electric, Slg. 2005, II-5575, ECLI:EU:T:2005:456, Überschrift vor Rz. 315. 32 Vgl. EuG v. 25.10.2002 – T-5/02 – Tetra Laval, Slg. 2002, II-4381, ECLI:EU:T:2002:264, Rz. 137 – 140, 155, 191 ff.; EuGH v. 15.2.2005 – C-12/03 – Kommission/Tetra Laval, Slg. 2005, I-987, ECLI:EU:C:2005:87, Rz. 44, 74; EuG v. 14.12.2005 – T-210/01 – General Electric, Slg. 2005, II-5575, ECLI:EU:T:2005:456, Rz. 65 ff., 69, 327.
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und (c) der wahrscheinlichen oder anzunehmenden Gesamtauswirkung auf einen wirksamen Wettbewerb.33 Die Prüfung geht damit im europäischen Recht weit über die bisherige deutsche Praxis hinaus, die insbesondere bei konglomeraten Zusammenschlüssen die reine Möglichkeit negativer Effekte genügen ließ34 oder sich bei der Frage der Wahrscheinlichkeit mit der Berufung auf nicht weiter belegte „wirtschaftliche Erfahrungssätze“ begnügte35. 2. Die Übernahme dieses Prüfungsmaßstabs in das deutsche Recht mit der Einführung des SIEC-Tests Mit der Übernahme des schon 2004 eingeführten SIEC-Tests in das deutsche Fusionskontrollrecht mit der 8. GWB-Novelle ist eine europarechtliche Norm in § 36 Abs. 1 Satz 1 GWB übernommen worden und kein deutsches aliud erfunden worden.36 Dies ergibt sich klar aus dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 2 f. FKVO und von § 36 Abs. 1 Satz 1 GWB, der Systematik und dem Normzweck.37 Wie Verf. in der Festschrift für Wulf-Henning Roth untersucht und im Einzelnen ausgeführt hat, bedeutet dies, dass § 36 Abs. 1 GWB unionsrechts orientiert auszulegen ist.38 Dies gilt auch für den Marktbeherrschungstest, der nunmehr sowohl im europäischen als auch im deutschen Recht nur noch ein Regelbeispiel für den SIEC-Test ist39, und insbesondere auch für die Frage der Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung durch die Finanzkraft des Erwerbers. Es ist nun nicht mehr möglich, wie es der BGH 1978 in Kfz-Kupplungen tat, die Wahrscheinlichkeit des Einsatzes verstärkter Finanzkraft mit einem einfach behaupteten Erfahrungssatz zu belegen. Entsprechend der europä33 Leitlinien der Kommission zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse, ABl. 2008 Nr. C 265, S. 6, Rz. 95 – 118 für konglomerate Fusionen und Rz. 29 – 57 sowie 60 – 77 für vertikale Fusionen. 34 Vgl. etwa BKartA v. 19.1.2006 – B 6 – 103/05 – Springer/ProSiebenSat.1, WuW/E DE-V 1163; hierzu Lettl, WuW 2013, 706, 710 f. 35 Vgl. OLG Düsseldorf v. 3.12.2008 – VI-Kart 7/06 (V) – Springer/ProSiebenSat.1, WuW/E DE-R 2593, Rz. 170 („Dem Grundsatz folgend, dass ein wirtschaftlich denkender Unternehmer eine wirtschaftlich sinnvolle Maßnahme auch ergreifen wird …“), insoweit in WuW nicht abgedruckt; BGH v. 8.6.2010 – KVR 4/09 – Springer/Pro Sieben II, WuW/E DE-R 3067, Rz. 48. 36 Esser/Höft, NZKart 2013, 447, 457; Schroeder in FS Roth, 2015, S. 583, 591; a. A. Körber, WuW 2014, 250. 37 Vgl. im Einzelnen Schroeder in FS Roth, 2015, S. 583, 588 ff. 38 Schroeder in FS Roth, 2015, S. 583, 591 f. m. w. N. 39 Schroeder in FS Roth, 2015, S. 583, 593 f.
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ischen Judikatur müssen die Wahrscheinlichkeit und die Erheblichkeit der Auswirkung im konkreten Fall aus dessen Umständen heraus belegt werden. Anders ausgedrückt: aus heutiger Sicht hatte das Kammergericht 1976 recht.40 Eine Absage muss auch jüngeren Rufen erteilt werden, im Hinblick auf die Finanzkraft bestimmter Erwerber mit starker Marktstellung deren Akquisitionen zu untersagen.41 Es ist nicht angebracht, die finanzielle Leichtigkeit, mit der ein Unternehmen ein anderes kauft, als Kriterium heranzuziehen. Maßgeblich können immer nur die Wirkungen eines Zusammenschlusses sein. Soweit die Gefahr besteht, dass durch Aufkäufe eines marktbeherrschenden Unternehmens neue Technologien den Wettbewerbern entzogen oder daran gehindert werden, sich zu entwickeln, gibt es in der Fusionskontrolle ein dafür geeignetes Instrumentarium, vgl. hierzu schon die frühe Entscheidung der Kommission in Sachen MSG Media Service42. 3. Finanzkraft spielt beim SIEC-Test im engeren Sinne keine Rolle Ergänzend sei noch angemerkt, dass auch nach der Übernahme des SIECTests ins deutsche Recht die Bedeutung des Finanzkraftkriteriums auf das Regelbeispiel der Marktbeherrschung beschränkt bleiben wird. Im Bereich des SIEC-Tests im engeren Sinne (also des Bereichs, in dem der SIEC-Test über den Marktbeherrschungstest hinausgeht) ist Finanzkraft kein relevanter Faktor. Bei durch den Zusammenschluss naher Wettbewerber oder die Eliminierung eines Mavericks in einem oligopolistisch strukturierten Markt ausgelösten Erst- und Zweitrundeneffekten spielen viele Umstände eine Rolle, wie etwa hohe Marktanteile der fusionierenden Unternehmen, begrenzte Möglichkeiten der Kunden, zu einem anderen Anbieter zu wechseln, oder die Unwahrscheinlichkeit einer Erhöhung des Angebots durch die Wettbewerber bei Preiserhöhungen.43 Die Finanzkraft der beteiligten Unternehmen gehört nicht dazu.
40 KG v. 1.12.1976 – Kart. 51/76 – Sachs, WuW/E OLG 1745, 1753 ff. 41 So beispielsweise Podszun in seiner Düsseldorfer Antrittsvorlesung am 10. Juli 2017; gemeint sind „MAGAF“, nämlich Microsoft, Amazon, Google, Apple und Facebook. 42 Kommission v. 9.11.1994 – M.469 – MSG Media Service. 43 Vgl. die Leitlinien der Europäischen Kommission zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse, ABl. EU 2004 Nr. C 31, S. 5, Rz. 24 – 38.
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III. Fazit Das Kriterium der Finanzkraft spielt mittlerweile nur noch eine untergeordnete Rolle44, was auch daran liegen mag, dass die Bedeutung der finanziellen Ressourcen für die Stärke eines Unternehmens auf einem konkreten Markt wohl geringer ist, als man zunächst annehmen könnte45. Soweit das Finanzkraftkriterium in der Fusionskontrolle jedoch noch mit herangezogen wird, müssen im Hinblick auf die europäische Rechtsprechung und die Angleichung des deutschen an das europäische Recht die Wahrscheinlichkeit und die Erheblichkeit der Auswirkung gesteigerter Finanzkraft im konkreten Fall aus dessen Umständen heraus belegt werden. Die Entscheidung Kfz-Kupplungen des BGH von 1978 hat keine Bedeutung mehr. Zudem beschränkt sich die Relevanz des Kriteriums der Finanzkraft auf das Regelbeispiel der Marktbeherrschung.
44 So ausdrücklich der Leitfaden des Bundeskartellamts zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle v. 29.3.2012, Rz. 54; Thomas in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 2, 5. Aufl. 2014, § 36 GWB Rz. 261; a. A. Paschke in Jaeger/Kokott/Pohlmann/Schroeder, Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, § 18 GWB Rz. 260 m. w. N. 45 Thomas in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 2, 5. Aufl. 2014, § 36 GWB Rz. 261.
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Deutsche Rechtsanwälte auf dem Weg zur großen Wirtschaftskanzlei – ein sehr persönlicher Erfahrungsbericht – Inhaltsübersicht
I. Die Ausgangslage Mitte der 1970er-Jahre 1. Einige Zahlen im Überblick 2. Das Streben nach größeren Einheiten
II. Hindernisse auf dem Weg zur großen Wirtschaftskanzlei 1. Juristische Stolpersteine a) Das Lokalisationsprinzip b) Die Unzulässigkeit der überörtlichen Sozietät und das Zweigstellenverbot c) Die Vorschriften hinsichtlich des Kanzleinamens d) Das Werbeverbot e) Die Regeln für den Abschluss von Honorarvereinbarungen
2. Mangelnde Erfahrung im Umgang mit größeren Einheiten
III. Erfahrungsaustausch 1. Die Anfänge eines Erfahrungsaustausch-Kreises (Erfa-Kreises) 2. Die Erweiterung des Erfa-Kreises 3. Ausschuss Büroorganisation, Unterausschüsse 4. Die Themen der Sitzungen a) Die Themen der Sitzungen des Plenums b) Die Themen der Ausschuss sitzungen IV. Zur Entwicklung der Kanzleien des Erfa-Kreises
I. Die Ausgangslage Mitte der 1970er-Jahre 1. Einige Zahlen im Überblick In der Bundesrepublik praktizierten 1955 17.149 Rechtsanwälte. 1965 waren es 20.088 und 1975 28.708.1 1969 existierte in der Bundesrepublik noch keine Sozietät mit 10 oder mehr Anwälten. 1972 praktizierten deren 6.2 In den USA war man da schon weiter. 1967 gab es dort Sozietäten mit bis zu 170 Anwälten. Und auch in England waren zu jener Zeit Sozietäten mit 70 bis 80 Anwälten keine Seltenheit;
1 Winters, Der Rechtsanwaltsmarkt, 1990, S. 10. 2 Winters, Der Rechtsanwaltsmarkt, 1990, S. 19.
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dies trotz des noch in Kraft befindlichen Limited Partnerships Act von 1907, der die Zahl der Partner einer Partnerschaft auf 20 beschränkte.3 2. Das Streben nach größeren Einheiten Es war Dr. Walter Oppenhoff, der Vater unseres Jubilars, der 1967 auf dem Bremer Anwaltstag in einem ebenso grundlegenden wie mit Humor gespickten Vortrag seinen Zuhörern vor Augen führte, dass im Zeitalter immer komplexer werdender Rechtsordnungen und im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr Zusammenschlüsse zu großen Anwaltsgemeinschaften unerlässlich sind.4 Was Walter Oppenhoff an Argumenten vortrug, ist heute weitgehend Allgemeingut und muss hier nicht wiederholt werden. In Erinnerung gebracht werden darf aber, dass damals die Notwendigkeit, größere Einheiten zu bilden, und innerhalb dieser Einheiten Spezialisten heranzubilden, keineswegs unumstritten war. So zitierte Walter Oppenhoff etwa aus dem Aufsatz „Wider die Todsünde der Fachanwaltschaften“, den der Kollege Neuhäuser 11 Jahre zuvor im Anwaltsblatt veröffentlicht hatte5: „Das öffentliche Recht hat seit geraumer Zeit unser gesamtes Leben so stark durchdrungen, dass auch verhältnismäßig einfache Fragen des Zivilrechts ohne Kenntnis ihrer Beeinflussung durch öffentlich-rechtliche Normen nicht mehr zu bewältigen sind. Wie sollte etwa ein Anwalt seinen Klienten bei dem Erwerb von Grundeigentum beraten, wenn er nicht über die (öffentlich-rechtlichen) Fragen der Siedlungsgenehmigung und der Bauerlaubnis sowie über die bei Versagung dieser Verwaltungsakte gegebenen Rechtsbehelfe unterrichtet wäre? Wer sich weiter ausschließlich oder auch nur vorwiegend der einen oder anderen Materie widmen wollte, wäre kein Rechtsanwalt, sondern ein gemeingefährlicher Stümper.“
Bemerkenswert ist Walter Oppenhoffs Vortrag aber noch in einer ganz anderen Hinsicht. Walter Oppenhoff redete in der direkten Ansprache den Kreis seiner Zuhörer zwar in der Regel mit „meine Damen und Herren“ an, zuweilen aber auch, ohne dass es dafür einen sachlichen Grund gegeben hätte, nur mit „meine Herren“. Das Wort „Anwältin“ kommt in dem Vortrag, soweit ich sehe, an keiner Stelle vor. Immer nur das Wort „Anwalt“. So stellt sich Walter Oppenhoff auch nur die Frage: „Was wird man einem jungen Juristen, der sich für unseren Beruf entscheidet, hinsichtlich seiner Aussichten sagen müssen?“ Die Antwort kann da nicht mehr überraschen:
3 Walter Oppenhoff, Anwaltsgemeinschaften, ihr Sinn und Zweck, AnwBl 1967, 267, 271. 4 Walter Oppenhoff, Anwaltsgemeinschaften, ihr Sinn und Zweck, AnwBl 1967, 267, 271. 5 Neuhäuser, AnwBl 1956, 54, 55.
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Deutsche Rechtsanwälte auf dem Weg zur großen Wirtschaftskanzlei „Man wird ihm sagen müssen, dass selbst bei vorausgesetzter ausreichender juristischer Ausbildung andere Eigenschaften viel wichtiger sind, um es als Anwalt zu Erfolg zu bringen, nämlich dass er kontaktfähig sein muss, dass er …, … dass er schließlich eine Frau finden muss, die das alles selbstverständlich und richtig findet, die zwar Haushalt und Kinder ohne Hilfe betreut, aber immer strahlend aussieht, denn sie muss ja zum Image des freien Berufes beitragen, die auch sonntags einen kleinen Schriftsatz schreibt, oder wenigstens ins Auto hüpft, um eine Sekretärin herbei- und wieder wegzuschaffen…“
1967, als Walter Oppenhoff seinen Vortrag hielt, gab es in Deutschland keine 1.000 Rechtsanwältinnen. Am 1.1.2016 waren es 55.474!6
II. Hindernisse auf dem Weg zur großen Wirtschaftskanzlei7 1967 und auch noch viele Jahre danach lagen auf dem Weg zur großen Wirtschaftskanzlei etliche juristische Stolpersteine. Auch fehlte es den deutschen Anwälten an Erfahrungen im Umgang mit größeren Einheiten. 1. Juristische Stolpersteine Die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) in der 1967 und auch noch Jahrzehnte danach geltenden Fassung räumte der Bundesrechtsanwaltskammer die Kompetenz ein, für die Anwaltschaft Standesrichtlinien fest zulegen (§ 177 Abs. 1 Nr. 2 BRAO). Die Bundesrechtsanwaltskammer ist ein Zusammenschluss der örtlichen Rechtsanwaltskammern (§ 175 Abs. 1 BRAO), die jeweils von ihrem Präsidenten vertreten werden. Noch 1994 praktizierten in Deutschland 57 % der Anwälte als Einzelanwälte; 39 % waren Mitglieder kleiner Sozietäten. Dementsprechend waren auch die Präsidenten der Rechtsanwaltskammern und der Bundesrechtsanwaltskammer fast durchweg Einzelanwälte oder Anwälte einer kleinen Sozietät. Die Folge war, dass die Standesrichtlinien stark von den Interessen solcher Anwälte beherrscht waren. Zu ändern begann sich dies erst im Anschluss an die Beschlüsse des BVerfG vom 14.7.19878, durch die der Bundesrechtsan6 Statistik der Bundesrechtsanwaltskammer zum 1.1.2016. 7 Siehe dazu auch Sigle in FS Geiß, 2000, S. 167, 171 ff. 8 BVerfG v. 14.7.1987 – 1 BvR 537/81, 1 BvR 195/87, NJW 1988, 191; 1 BvR 362/79, NJW 1988, 194.
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waltskammer die Kompetenz zur Feststellung verbindlicher Standesrichtlinien abgesprochen wurde. Welches waren die gewichtigsten juristischen Stolpersteine? a) Das Lokalisationsprinzip Soweit Anwaltszwang bestand, durften die deutschen Rechtsanwälte vor keinem anderen Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit auftreten als vor dem, bei dem sie zugelassen waren (§ 18 BRAO i. V. m. § 78 ZPO). Das war eine Regelung zum Schutz der örtlichen Anwaltschaft. Bei Streitigkeiten von großer wirtschaftlicher Bedeutung war die Praxis dann die, dass der Vertrauensanwalt des Mandanten den Verkehr mit dem Mandanten pflegte, die Schriftsätze fertigte, sich von einem örtlichen Anwalt zum Gericht begleiten ließ und dort „auf Wunsch“ des örtlichen Anwalts und mit Einverständnis des Gerichts für den Mandanten das Wort übernahm. Beide Anwälte erhielten ihre Gebühren nach der Gebührenordnung. Eine Gebührenteilung war unzulässig. Geändert hat sich dies durch das Gesetz zur Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft vom 26.3.2007, durch das § 18 BRAO ersatzlos aufgehoben wurde. Seitdem ist jeder Rechtsanwalt berechtigt, bei allen deutschen Gerichten aufzutreten. Eine Ausnahme gibt es nur noch beim Bundesgerichtshof in Zivilsachen (§§ 162 ff. BRAO). b) Die Unzulässigkeit der überörtlichen Sozietät und das Zweigstellenverbot Eine überörtliche Sozietät zu gründen, wurde überwiegend für unzulässig gehalten.9 Der BGH hat sich in seiner Entscheidung vom 27.4.198110 der herrschenden Meinung angeschlossen. In seinem Beschluss vom 18.9.198911 ist er von ihr abgerückt. Die Bundesrechtsanwaltskammer stand der überörtlichen Sozietät weiterhin ablehnend gegenüber.12 Doch die Wirtschaftskanzleien schufen Fakten, die der Gesetzgeber nicht negieren konnte. Durch die am 2.9.1994 in Kraft getretene Novelle zur BRAO wurde § 59a eingeführt und damit die überörtliche Sozietät ausdrücklich zugelassen.
9 Papier, Aktuelle Rechtsfragen der überörtlichen Anwaltssozietät, BRAK-Mitt. 1991, 2 m. w. N. 10 BGH v. 27.4.1981 – StbStR 5/80, NJW 1981, 2477. 11 BGH v. 18.9.1989 – AnwZ (B) 30/89, NJW 1989, 2890. 12 Busse, Deutsche Anwälte, 2010, S. 609 m. Fn. 346.
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Mit Zweigstellen verhält es sich ähnlich. Auch sie unterlagen einem Verbot, das inzwischen entfallen ist.13 c) Die Vorschriften hinsichtlich des Kanzleinamens Nach § 64 S. 1 der Standesrichtlinien in der Fassung vom 11.5.1957 durfte der Name eines verstorbenen Rechtsanwalts nur während eines Zeitraums von höchstens 6 Monaten auf dem Briefbogen und den Kanzleischildern weitergeführt werden. Durch die Neufassung der Richtlinien im Jahr 1973 wurde die Frist auf 5 Jahre erweitert. Die Beschränkung fiel mit den beiden Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 14.7.1987. Heute dürfen die Namen ausgeschiedener Rechtsanwälte ohne zeitliche Begrenzung weitergeführt werden. Auch sind Kurzbezeichnungen möglich.14 d) Das Werbeverbot Bis zu den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 14.7.1987 galt für Rechtsanwälte ein rigides Werbeverbot.15 Heute erlaubt § 43b BRAO die Werbung, „soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist“. e) Die Regeln für den Abschluss von Honorarvereinbarungen Den Rechtsanwälten war es grundsätzlich verboten, geringere als die gesetzlichen Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern. Es war, wie bereits gesagt, auch nicht zulässig, Gebühren zwischen Prozessanwalt und Verkehrsanwalt zu teilen. § 49b BRAO hat dies geändert. Das allgemeine Verbot, geringere als die gesetzlichen Gebühren und Auslagen zu vereinbaren, gilt nur noch für den forensischen Bereich.16 Die Gebührenteilung zwischen Prozessanwalt und Verkehrsanwalt wurde ausdrücklich zugelassen.17
13 Siehe dazu im Einzelnen Prütting in Henssler/Prütting, 3. Aufl. 2010, § 59i BRAO Rz. 9 ff. 14 Prütting in Henssler/Prütting, 3. Aufl. 2010, § 43b BRAO Rz. 6 ff. 15 Prütting in Henssler/Prütting, 3. Aufl. 2010, § 43b BRAO Rz. 4. 16 Weyland in Feuerich/Weyland, Bundesrechtsanwaltsordnung, 7. Aufl. 2007, § 49b Rz. 4. 17 Nach Auffassung von Kleine-Cosack, Bundesrechtsanwaltsordnung, 6. Aufl. 2009, § 49b Rz. 2, ist § 49b BRAO wegen seiner Beschränkungen für Honorarvereinbarungen verfassungs- und europarechtswidrig.
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2. Mangelnde Erfahrung im Umgang mit größeren Einheiten Mit dem Wachstum der Kanzleien in größere Einheiten stellten sich Fragen, für die es in Deutschland noch kaum Antworten gab. Wie firmiert die Kanzlei? Wie wird in der Kanzlei kommuniziert und wie werden die Entscheidungen getroffen? Wie ist ein Höchstmaß an Transparenz zu erreichen? Soll es Kontrollen geben? Wie kann man die Abläufe rationalisieren, wie die ständig sich erneuernden Techniken nutzen? Wie öffnet man die Kanzlei für neue Fachgebiete? Wie rekrutiert man den juristischen Nachwuchs und wie bildet man ihn weiter? Wie ist das Abrechnungssystem zu optimieren? Wie werden die Gewinne verteilt? Sollen Altersversorgungszusagen gemacht werden? Sollen Regeln für pro-bono-Tätigkeiten aufgestellt werden? Wie geht man mit Kollegen um, die sich politisch betätigen und dafür viel Zeit aufwenden? Wer wirkt in Standesorganisationen mit? Usw.
III. Erfahrungsaustausch Viele deutsche Wirtschaftsanwälte, die mit ihren Kanzleien nach größeren Einheiten strebten, machten sich Gedanken darüber, wie sie ihrem Ziel trotz der bestehenden rechtlichen Hindernisse und trotz der fehlenden Erfahrungen am besten näher kommen könnten. Für solche Anwälte lag es nahe, sich mit in gleicher Weise interessierte Kollegen zusammen zu tun, um gemeinsam zu überlegen, wie man den Anschluss an die Entwicklung der großen Wirtschaftskanzleien in den USA, in England und anderwärts finden könnte. 1. Die Anfänge eines Erfahrungsaustausch-Kreises (Erfa-Kreises) In der 1. Hälfte der Siebzigerjahre war ich gemeinsam mit den Kollegen Prof. Dr. Wolfgang Schilling von Schilling, Zutt und Anschütz, Mannheim, und Dr. Gerhard Schmidt von Ronkel, Schmidt und von der Osten, Essen, damit befasst, die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse einer in Süddeutschland ansässigen Familiengesellschaft neu zu ordnen. Die Gesellschafter waren zerstritten und die Verhandlungen mühselig; aber wir Anwälte verstanden uns gut und bemühten uns redlich. Wolfgang Schilling und Gerhard Schmidt waren erfahrene, ältere Anwälte, die in Deutschland mit ihren alteingesessenen Kanzleien eine ausgezeichnete Reputation hatten. Ich selbst war vergleichsweise jung und meine Kanzlei Jauch & Sigle in Stuttgart war es ebenfalls. Rolf Jauch und ich hatten die Kanzlei erst 1962 gegründet. Ich sah in der guten Zusammenarbeit mit den älteren, erfahrenen Kollegen, die über gute Kontakte in allen deutschen Großstädten und auch über Verbindungen zu amerikanischen und englischen Wirtschaftskanzleien ver316
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fügten, eine sich kaum wiederholende Gelegenheit, zu Erfahrungswissen zu kommen. Zugleich hielt ich es für nicht unwahrscheinlich, dass auch diese Kollegen am Austausch von Erfahrungen interessiert sein könnten, natürlich weniger am Austausch von Erfahrungen mit mir als vielmehr am Austausch von Erfahrungen mit erfahrenen Kollegen aus anderen deutschen Großstädten. So kam es im Juli 1975 am Rande einer Verhandlung in besagter Gesellschaftssache zu einem Gespräch, mit dem ein Erfa-Kreis ins Leben gerufen wurde, den alle Beteiligten für fruchtbar hielten und der, wenn ich richtig orientiert bin, heute noch immer existiert, auch wenn die Personen, die dem Kreis heute angehören, und die Probleme, mit denen sich der Kreis heute beschäftigt, andere sind als damals. Ich habe über das Gespräch vom Juli 1975 unter dem 23.7.1975 eine Aktennotiz gefertigt, aus der ich im Folgenden (wörtlich unter Beibehaltung von Schreibfehlern) zitiere: „Besprechung mit den Herren Rechtsanwalt Prof. Dr. Schilling (Mannheim) und Rechtsanwalt Dr. Schmidt (Essen) aus Anlaß einer Verhandlung i. S. … Ich habe in der Besprechung angeregt, einen Erfahrungsaustausch von Anwälten größerer Kanzleien zu organisieren auf folgenden Gebieten: Büroorganisation Unternehmensrecht. Die Herren Schilling und Schmidt haben meine Anregung überraschend bereitwillig aufgenommen. Ganz offensichtlich besteht ein Bedürfnis, sich in diesen Dingen auszutauschen. Wir haben folgendes vereinbart: 1. Es soll zunächst nur jeweils ein einziger Seniorpartner aus einem einzigen großen Büro einer Großstadt angesprochen werden. Wir haben uns dann darauf geeinigt, daß an der ersten Besprechung – soweit jeweils Bereitschaft besteht – teilnehmen sollen: Schilling, Mannheim Schmidt, Essen Sigle, Stuttgart Oppenhoff, Köln … Schilling hat es übernommen, die einzelnen Beteiligten anzusprechen. Schmidt wird überdies unabhängig von Schilling Oppenhoff ansprechen. 2. Es wurde ins Auge gefaßt, daß eine erste Sitzung am 16.10.1975 in Köln stattfinden soll. 3. …“
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So schnell, wie hier ins Auge gefasst, ging es dann aber doch nicht. Eine grundlegende Sitzung fand erst 2 Jahre später am 22.11.1977 in unserem Büro in Stuttgart statt. Die Teilnehmer Noerr, Oppenhoff, Schmidt, Sigle und Zutt kamen u. a. wie folgt überein (Zitat aus meiner Aktennotiz vom 23.11.1977 wörtlich unter Beibehaltung von Schreibfehlern): „2. Hinsichtlich des weiteren Erfahrungsaustausches waren wir uns über folgendes einig: a) Im Erfahrungsaustausch sollen höchstens 6 bis 10 Kollegen größerer Büros vertreten sein. Die beteiligten Kollegen sollen sich – jedenfalls in den nächsten Jahren – nicht vertreten lassen können. Es ist jedoch daran gedacht, Arbeitskommissionen zu bilden, die durch jeweils andere Kollegen der Büros besetzt sind. b) Aus folgenden weiteren Kanzleien soll ein Kollege um Teilnahme gebeten werden: – Büro Büsing (Genscher), Bremen (Schmidt nimmt Kontakt auf über Bundesaußenminister Genscher), – Sieveking, Hamburg (Schmidt nimmt Kontakt auf), – Volhard, Frankfurt a. M. (Oppenhoff nimmt Kontakt auf), – Pestalozzi u. Gmuer, Zürich (Oppenhoff nimmt Kontakt auf). c) Tagungsfrequenz zwei- bis dreimal im Jahr. Tagungsort wechselnd. Nächste Zusammenkunft in Essen. Dann in Köln.“ Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde sehr offen über Büroorganisation, Zuständigkeiten für die Öffnung der täglichen Post, Kommunikation in der Kanzlei, Zeiterfassung, Gehälter u. A. gesprochen. Walter Oppenhoff berichtete über seine Mitgliedschaft in einem internationalen Gesprächskreis. Dem Kreis gehörten, wie er sagte, vorwiegend Anwälte aus europäischen Staaten an. Die Staaten seien jeweils nur mit einem einzigen Anwalt vertreten. Die USA seien nicht beteiligt. Man treffe sich ein- bis zweimal im Jahr. Es bestehe Kontakt zu einem entsprechenden südamerikanischen Kreis, mit dem man sich auch ein bis zweimal im Jahr treffe. 2. Die Erweiterung des Erfa-Kreises Der Erfa-Kreis erweiterte sich rasch im Rahmen der ursprünglichen Planung. Keiner, der in den Kreis gebeten wurde, sagte ab. Meine Aufschriebe über die Sitzung vom 27.11.1978 verzeichnen folgenden Teilnehmerkreis: Gmuer (Pestalozzi & Gmuer, Zürich) Lichtenauer (Stegemann, Sieveking & Lutteroth, Hamburg)
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Müffelmann (Büsing, Helling & Müffelmann, Bremen) Nörr (Nörr, Stiefenhofer & Lutz, München) Oppenhoff (Boden, Oppenhoff & Schneider, Köln) Schneider (Boden, Oppenhoff & Schneider, Köln) Schmidt (Ronkel, Schmidt & v. der Osten, Essen) Sigle (Jauch & Sigle, Stuttgart) Volhard (Pünder Volhard & Weber, Frankfurt) Zutt (Schilling, Zutt & Anschütz, Mannheim) In der Folgezeit vergrößerte sich der Kreis nur noch wenig. Die Kollegen wurden älter und Nachfolger rückten nach. Kanzleien änderten ihre Namen und fusionierten zu größeren Einheiten. 24 Jahre später, am 27.11.2002 bei der Sitzung in Köln, trugen sich die nachbenannten Kollegen in die Teilnehmerliste ein: Dr. Hans Bollmann (Pestalozzi Lachenal Patry, Zürich, vormals Pestalozzi & Gmuer) Dr. Klaus Anschütz (Shearman & Sterling, Mannheim, vormals Schilling, Zutt & Anschütz) Dr. Rüdiger Volhard, Dr. Thomas Gasteyer, Dr. Hans-Josef Schneider (Clifford Chance Pünder, Frankfurt, vormals Pünder Volhard & Weber) Dr. Michael Lichtenauer (Freshfields Bruckhaus Deringer, Hamburg, vormals Stegemann, Sieveking & Lutteroth) Dr. Rudolf Nörr, Dr. Dieter Schenk (Nörr, Stiefenhofer & Lutz, München) Michael Oppenhoff (Linklaters, Oppenhoff & Rädler, Köln, vormals Boden, Oppenhoff & Schneider) Dr. Frank Roitzsch (Wilmer, Cutler & Pickering, Berlin, vormals Gaedertz Vieregge Quack Kreile) Prof. Dr. Hellwig Torggler (Schönherr Rechtsanwälte, Wien, vormals Schönherr Barfuss Torggler & Partner) Dr. Herbert Müffelmann (Büsing, Müffelmann & Theye, Bremen, vormals Büsing, Helling & Müffelmann) Prof. Dr. Walter Sigle (CMS Hasche Sigle, Stuttgart, vormals Jauch & Sigle). Gefehlt haben in der Sitzung Prof. Dr. Gerd Krieger von Hengeler Mueller, Düsseldorf, der 2001 zum Kreis hinzugestoßen war, sowie Jochen Schmidt von Schmidt v. der Osten & Huber (vormals Ronkel, Schmidt & v. der Osten). 319
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Ich selbst zog mich am 29.4.2003 aus Altersgründen aus dem Kreis zurück. Den Vorsitz, den ich seit Jahren in der Nachfolge von Gerhard Schmidt innehatte, übernahm auf meinen Vorschlag und mit einstimmiger Zustimmung der Mitglieder des Kreises Dr. Thomas Gasteyer. Von ihm hörte ich 2016, dass der Kreis noch immer tagt. 3. Ausschuss Büroorganisation, Unterausschüsse Schon bald nach seiner Gründung installierte der Erfa-Kreis als ständigen Ausschuss den Ausschuss Büroorganisation. In den Ausschuss entsendet jede der beteiligten Kanzleien einen Kollegen, der in besonderem Maße mit Fragen der Büroorganisation befasst ist. Der Ausschuss kann für besondere Fragen – ad hoc oder mit Langfristtendenz – Unterausschüsse bilden. Er machte von dieser Möglichkeit in der Vergangenheit wiederholt Gebrauch, so etwa durch Einsetzung der Unterausschüsse Bürotechnik und Interessenkollisionsprüfung. 4. Die Themen der Sitzungen a) Die Themen der Sitzungen des Plenums Die Gespräche im Plenum dienen dem Meinungs- und Erfahrungsaustausch. Jedes Mitglied kann Themen auf die Tagesordnung setzen lassen, die ihm für die Berufsausübung wichtig erscheinen. Dementsprechend groß ist der Themenkreis. Es wird offen diskutiert. Es besteht keine Verpflichtung, aus der eigenen Kanzlei Dinge offenzulegen, die man nicht offenlegen will. Aber wer etwas hören will, muss auch was bieten! Doch niemand ist gehalten, sich die Ergebnisse zu Eigen zu machen, zu denen die Diskussion mehrheitlich führt. Es kann hier nicht die Fülle der Themen ausgebreitet werden, die im Laufe der Jahre und Jahrzehnte Gegenstand der Erörterung waren, und schon gar nicht die Vielfalt der Argumente und Berichte, die dazu jeweils vorgetragen wurden. Nur beispielhaft kann das eine oder andere angesprochen werden. Ein Thema, das alle Mitglieder des Kreises dauerhaft beschäftigte, war die Gewinnverteilung. Was ist gerecht? Alle Partner gleich beteiligen? Die Beteiligung nach Ancienität staffeln wie beim Lock-step-System? Das Generieren neuer Mandate als maßgebendes Kriterium festlegen? Mit welcher Gewichtung? Wie ist die Arbeitsleistung für Kanzleiinterna, die Tätigkeit in Standesorganisationen oder pro-bono-Arbeit zu bewerten? Hat das Ansehen eines Partners besondere Bedeutung? Sind Fachvorträge, die ein Partner hält, und Publikationen Privatsache? Was ist, wenn die Kräfte schwinden?
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Auf jede dieser Frage gab es unterschiedliche Antworten. Aber es war für jeden Teilnehmer wichtig zu wissen, wie die Kollegen denken und wie diese die Probleme lösen. Sehr unterschiedlich waren die Meinungen auch zur Altersbegrenzung. Beim Einzelanwalt und beim Anwalt in einer kleinen Sozietät ist es regelmäßig so: Er stirbt in den Sielen! In der großen Sozietät kann man die Dinge so nicht treiben lassen. Das wäre für die jüngeren Kollegen eine zu große Belastung. Hier muss es Regeln geben, wann der Partnerstatus endet. Was aber ist das richtige Alter für das Ausscheiden? So mancher Kollege ist schon mit Ende 50 ausgebrannt. Ein anderer ist mit 70 oder 80 noch gut im Schuss – so wie der eine oder andere Regierungschef oder der Papst. Kollegen, die überwiegend mit M&A beschäftigt sind und es dabei vornehmlich mit Vorständen und leitenden Angestellten zu tun haben, sind ab Ende 50 immer weniger gefragt. Bei Beratern von Familienunternehmen und -unternehmern ist das anders. Die Mandanten wollen ihren vertrauten Berater solange behalten, wie es irgend geht. Dennoch muss es in der Kanzlei eine einheitliche Altersgrenze geben. Denen, die hernach noch gut im Schuss und gut im Geschäft sind, kann man einen vernünftigen Of-counsel-Status anbieten. Tut man dies nicht, sucht der ausscheidende Kollege anderwärts eine Tätigkeitsbasis, was dazu führen kann, dass mit ihm Mandatsbeziehungen aus der Kanzlei abwandern. Soll den ausgeschiedenen Partnern eine Altersversorgung gewährt werden? Üblicherweise müssen in großen Kanzleien neue Partner kein Eintrittsgeld bezahlen. Die Verpflichtung, ausgeschiedene Partner im Alter zu versorgen, könnte ein Ausgleich dafür sein. Aber wird die Last dann nicht zu groß? Und muss bei den ausgeschiedenen Partnern differenziert werden? Wenn ja, nach welchen Gesichtspunkten? Ist statt an eine Altersversorgung an eine Abfindung beim Ausscheiden zu denken? Wie denken die Beteiligten über den juristischen Nachwuchs? Dass bei der Entscheidung über eine Anstellung die juristischen Examina wichtige Kriterien sind, ist communis opinio. Aber es gibt Eierköpfe, die für die Praxis nur bedingt taugen, und es gibt Examensschwache, die, wie man weiß, ausgezeichnete Anwälte wurden. Wie filtert man? Wie gewichtet man einen Auslandsaufenthalt, wie einen Doktortitel? Die Briefkopffrage spielt bei großen Kanzleien keine Rolle mehr, aber die Frage, wann jemand Partner wird, und ob es Vorstadien gibt, schon. Angesichts der zahlreichen Zusammenschlüsse von Anwaltskanzleien, an denen immer wieder auch Kanzleien des Erfa-Kreises beteiligt waren, kann es nicht überraschen, dass auch Erfahrungen mit solchen Zusammenschlüssen häufig Thema waren. Mit besonderem Interesse aufgenommen wurde, was Michael Oppenhoff, unser Jubilar, der schon frühzeitig seinem 321
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Vater als Vertreter seiner Kanzlei im Erfa-Kreis nachgefolgt war, dazu zu berichten wusste. In der Sitzung vom 24.3.1998 informierte er den Kreis über seine Erfahrungen mit der Fusion von Oppenhoff & Rädler, die damals „3 Jahre 2 Monate und 24 Tage alt“ gewesen sei. Ganz problemlos verlaufen sei die Fusion nur an all denjenigen Standorten, an denen die jeweiligen Einheiten in ein Büro zusammengezogen seien. Einige Monate später, in der Sitzung vom 5.11.1998, berichtete er über den „gerade 4 Tage alten“ Zusammenschluss mit Linklaters. Er warf die Frage auf, ob nach einem solchen Zusammenschluss die Dominanz eines Partners von Nachteil sein könne, fügte aber sofort hinzu, die Dominanz von Linklaters sei in der neuen Einheit „nicht so gravierend“, weil Linklaters nicht nur Oppenhoff & Rädler, sondern „die gesamte Allianz“ gegenüberstehe. b) Die Themen der Ausschusssitzungen In den Ausschüssen stehen vorwiegend Themen der Büroorganisation und der Bürotechnik auf der Agenda. Für die Abläufe im Büro bedarf es in größeren Einheiten fester Regeln. Es kann nicht mehr nur nach dem Grundsatz der offenen Tür kommuniziert werden, wonach ein Partner eben ins Zimmer eines andern geht, wenn er etwas mitteilen oder erfahren möchte. Auch sind seit der Gründung des Erfa-Kreises die technischen Möglichkeiten, mit denen man Betriebsabläufe steuern kann, in einem Umbruch, wie man ihn zuvor noch nicht erlebt hat. Es können auch hier nur beispielhaft einige Themen angesprochen werden, die die Ausschüsse beschäftigt haben und, sollten sie noch bestehen, möglicherweise auch heute beschäftigen. Viel diskutiert wurde über die Managementstrukturen von Großkanzleien. Die Meinungen waren nie ganz einheitlich. Übereinstimmung herrschte im Wesentlichen darüber, dass eine Großkanzlei einen Seniorpartner braucht, der die Kanzlei nach außen repräsentiert und der die Partnerversammlungen leitet. Ebenso darüber, dass es sich nicht empfiehlt, dem Seniorpartner auch die Kompetenz zu übertragen, „die Kanzlei zu managen“, so dass er auch für die Betriebsabläufe zu sorgen, Material zu beschaffen, Personal einzustellen und sich um Mietverträge zu kümmern hätte. Man braucht dafür einen Kanzlei-Manager. Aber muss er Anwalt sein? Kann es ein Betriebswirt besser machen? Sollen ein oder mehrere Partnerausschüsse eingerichtet werden? Welche Kompetenzen sollen sie haben? Sollen sie korrigierend in die Gewinnverteilung eingreifen können, etwa bei Outperformern oder wenn Partner schwächeln? Ein häufiges Thema war der Informationsaustausch. Kleine wie große Kanzleien funktionieren nur, wenn für die Partner Transparenz besteht und wenn auch die angestellten Anwälte über wichtige Geschehnisse auf 322
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dem Laufenden gehalten werden. Dafür bedarf es nach übereinstimmender Meinung regelmäßiger Versammlungen – mal der Partner unter sich, mal der Partner mit den angestellten Anwälten. In den Versammlungen ist zu informieren; es dürfen Fragen gestellt werden; und es muss ganz offen diskutiert werden. Schriftliche Informationen sind zwar für manche Vorgänge – etwa für Mandatseingänge – unerlässlich; sie sind aber kein tauglicher Ersatz für Versammlungen. Von großem Interesse war stets auch das Thema Kostenmanagement. Liegt man mit der eigenen Kostenstruktur einigermaßen richtig? Zeitweise gab es anonymisierte Betriebsvergleiche, die zeigten, welchen Umsatzanteil die Kanzleien im Durchschnitt etwa für Personalkosten, Mieten, Buchhaltung, Reisen, EDV und anderes aufwendeten. Heute können entsprechende Durchschnittszahlen einschlägigen Publikationen entnommen werden. In ständigem Fluss waren die Antworten auf die Fragen nach der geeignetsten Hardware und der besten Software für die Datenerfassung und die Datenverarbeitung. Der technische Fortschritt forderte die Kanzleien in besonderem Maße heraus. Die Zeit, da Akten noch abgeschrieben werden mussten und die Anwälte ihren Sekretärinnen ins Stenogramm diktierten, war bei Gründung des Erfa-Kreises schon länger vorbei. Es gab sowohl Kopier- als auch Diktiergeräte. Aber es wurde noch per Telefax kommuniziert. Die ersten Heimcomputer (PC) kamen gerade erst auf den Markt. Die Erfindungen des Handys und der E-Mail lagen noch in der Ferne. Mit der Entwicklung Schritt zu halten, war eine große Herausforderung. Auf diesem Gebiet profitierte jedes Mitglied des Kreises von den Informationen und Diskussionen in besonderem Maße. Die Ausschüsse berichteten dem Plenum regelmäßig über ihre Arbeit; teils schriftlich, teils in Sitzungen. Das Plenum griff viele der Themen auf und behandelte sie weiter.
IV. Zur Entwicklung der Kanzleien des Erfa-Kreises Die Kanzleien des Erfa-Kreises sind nach der Gründung des Kreises oder nach ihrem späteren Beitritt alle gewachsen. Doch haben sie sehr unterschiedliche Entwicklungen genommen. Die folgende kurze Übersicht (in der Reihenfolge des Alphabets der Namen, die die Kanzleien bei der Gründung oder bei ihrem späteren Beitritt führten) mag dies unterstreichen. Boden Oppenhoff & Schneider, Köln Fusioniert 1989 mit Rasor & Schiedermair zu Boden Oppenhoff Rasor Schneider & Schiedermair. 1991 Fusion der Kanzlei mit Raue Braeuer Kuhla zu Boden Oppenhoff Rasor Raue. 1995 Fusion mit Rädler Raupach zu
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Oppenhoff & Rädler. 1999 Gründung der Allianz Oppenhoff & Rädler Linklaters Alliance mit Linklaters. 2001 Fusion Oppenhoff & Rädler mit Linklaters zu Linklaters LLP. 2008 scheidet Michael Oppenhoff mit anderen früheren Partnern von Oppenhoff & Rädler aus der LLP aus. Sie gründen Oppenhoff & Partner. 63 Rechtsanwälte in Deutschland.18 Büsing, Helling & Müffelmann, Bremen Seit 1978 Führung der Kanzlei unter dem Namen Büsing Müffelmann und Theye (BMT). Über 40 Rechtsanwälte in Deutschland. Gaedertz Vieregge Quack Kreile, Berlin Anfang 2002 Zusammenschluss mit der US-amerikanischen Kanzlei Wilmer, Cutler & Pickering unter dem Namen Wilmer, Cutler & Pickering Quack. Nach ihrem Zusammenschluss mit Hale und Dorr firmiert die Kanzlei (auch) in Deutschland Wilmer Cutler Pickering Hale and Dorr LLP. Seit 2005 ist der Firmenname WilmerHale. Hengeler Mueller, Düsseldorf Die Kanzlei ist ihrem Namen treu geblieben. Hat auch nicht fusioniert. 238 Rechtsanwälte in Deutschland.19 Jauch & Sigle, Stuttgart Nach Ausscheiden von Dr. Rolf Jauch 1982 Fortführung der Kanzlei unter dem Namen Sigle Loose Schmidt-Diemitz & Partner. 1999 Gründung des internationalen Kanzleiverbundes CMS (Akronym aus Cameron McKenna Sigle). Verbundpartner u. A. Cameron McKenna, London. 1999 auch Fusion mit Hasche Eschenlohr Peltzer Riesenkampff Fischötter. Seit 1.1.2002 führt die Kanzlei den Namen CMS Hasche Sigle. 647 Rechtsanwälte in Deutschland.20 Nörr, Stiefenhofer & Lutz, München 1992 Änderung des Namens in Noerr LLP. 352 Rechtsanwälte in Deutschland.21 Pestalozzi & Gmuer, Zürich Nach Fusionen firmiert die Kanzlei heute unter Pestalozzi Rechtsanwälte AG. Über 150 Rechtsanwälte. Pünder Volhard & Weber, Frankfurt 1990 Zusammenschluss mit der Düsseldorfer Kanzlei Axter zu Pünder Volhard Weber & Axter. 2000 Zusammenschluss mit einer englischen und 18 Juve Handbuch Wirtschaftskanzleien 2016/17. 19 Juve Handbuch Wirtschaftskanzleien 2016/17. 20 Juve Handbuch Wirtschaftskanzleien 2016/17. 21 Juve Handbuch Wirtschaftskanzleien 2016/17.
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einer amerikanischen Anwaltssozietät zu Clifford Chance LLP. 299 Rechtsanwälte in Deutschland.22 Ronkel, Schmidt & v. der Osten, Essen Die Kanzlei führt heute den Namen Schmidt v. der Osten & Huber. Über 30 Rechtsanwälte. Schönherr Barfuss Torggler & Partner, Wien Nach Namens- und Rechtsformänderungen wird die Kanzlei heute unter der Firma Schönherr Rechtsanwälte AG geführt. Über 300 Rechtsanwälte. Schilling, Zutt & Anschütz, Mannheim 2000 Fusion mit der amerikanischen Kanzlei Shearman & Sterling LLP. 2008 scheiden die Mannheimer Partner aus Shearman & Sterling LLP aus und gründen die Schilling, Zutt & Anschütz Rechtsanwalts AG. 69 Rechtsanwälte in Deutschland.23 Stegemann, Sieveking & Lutteroth, Hamburg Auf dem Weg über eine Fusion mit Bruckhaus Kreifels Winkhaus & Lieberknecht ist die Kanzlei ein Teil von Freshfields Bruckhaus Deringer LLP geworden. 492 Rechtsanwälte in Deutschland.24
22 Juve Handbuch Wirtschaftskanzleien 2016/17. 23 Juve Handbuch Wirtschaftskanzleien 2016/17. 24 Juve Handbuch Wirtschaftskanzleien 2016/17.
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Adele Schlombs
Ein Hase mit Bernsteinaugen
Michael Oppenhoffs Liebe zur ostasiatischen Kunst begann mit seiner Liebe zu Inge, die ihm zur Hochzeit im Jahr 1964 ein Netsuke in Form eines kleinen Hasen schenkte (Abb. 1). Bekanntlich sind Hasen wendig, schlagen Haken und laufen nie geradeaus. Auch nach mehr als 50 Jahren Ehe geben Michael und Inge Oppenhoff nie das Bild eines „gesetzten“ Paars ab: Sie sind wendig und ständig unterwegs, beide schlagen Haken, und doch sind sie immer eng beieinander. Als ich den kleinen Hasen zum ersten Mal sah, musste ich spontan an das Buch von Edmund de Waal „Der Hase mit den Bernsteinaugen. Das verborgene Erbe der Familie Ephrussi.“ denken, das 2011 in deutscher Übersetzung erschien. Das Netsuke in Form eines Hasen mit Bernsteinaugen bildet die unsichtbare Achse, an der de Waal die Geschichte seiner Familie rekonstruiert. Im Fall von Michael und Inge Oppenhoff kann man Eines mit absoluter Gewissheit konstatieren: Der kleine Hase mit den Bernsteinaugen hat gleich zu Beginn ihrer Ehe die gemeinsame Begeisterung für die Kunst und für das Sammeln zu Tage gebracht. Im Laufe der Jahrzehnte haben Michael und Inge eine beachtliche Sammlung von Netsuke zusammengetragen mit Stücken, die weitaus bedeutender und seltener sind, als der kleine Hase mit den Bernsteinaugen. Die Faszination dieser Miniaturskulpturen liegt darin, dass bei ihrer Fertigung die natürliche Beschaffenheit des Materials einfallsreich genutzt wurde, um ein perfektes Objekt, weich und warm anzufassen, mit lebendigem, oftmals humorvollem Ausdruck zu schaffen. Die Besonderheit besteht darin, dass ein Netsuke nicht ausschließlich für das Auge gedacht ist, sondern immer auch für das Fühlen und Fassen. Jedoch soll es an dieser Stelle nicht darum gehen, die Sammelleidenschaft der Oppenhoffs zu würdigen, vielmehr möchte ich anlässlich seines 80. Geburtstags Michael Oppenhoff gratulieren und ihm für sein Wirken für das Museum für Ostasiatische Kunst von Herzen danken. Seit 2012 ist er für die Geschicke des Fördererkreises des Museums als Vorsitzender verantwortlich. Ein großes Glück für den Verein, vor allem aber für das Museum! Denn es wurden seither viele bedeutende Ankäufe und Restaurierungen verwirklicht, etwa der Ankauf der monumentalen Bronze-Plastik Usagi Kannon von Leiko Ikemura (geb. 1951, Abb. 2), die seit 2016 einen festen Platz in dem großzügigen Museumsfoyer einnimmt, oder das sensationelle
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Abb. 1
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Abb. 2; Foto: Alexandra Malinka
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Abb. 3; Foto: mit freundlicher Genehmigung der Van Ham Kunstauktionen / Saša Fuis
Gemälde von Katsushika Hokusai (1760-1849, Abb. 3) mit den abgeschnittenen Köpfen im Stil einer nature morte, das wir gemeinsam ersteigerten, oder die in Japan ausgeführte Restaurierung von Harumasas (1750-1818) „Enso“ (Abb. 4), einer Kalligrafie mit dem Schriftzeichen für „Kreis“, der Unendlichkeit und das Absolute der Buddha-Natur symbolisiert (Abb. 4). Der Fördererkreis hat außerdem wichtige Belange unterstützt, welche die Außenwirkung des Museums verbessern und aus dem städtischen Budget nicht finanzierbar sind. Dazu zählen zum Beispiel die Gestaltung einer vorbildlichen Homepage und die Instandsetzung des Ehrengrabs der Museumsgründer auf dem Friedhof Melaten. Last but not least hat der Fördererkreis unter Michael Oppenhoffs Vorsitz eine Reihe von eindrucksvollen Reisen in den fernen Osten, nach Japan, Korea und Taiwan, aber auch zu näher gelegenen Ausstellungszielen im europäischen Raum unternommen. Dankbar bin ich für die Sensibilität und den Sachverstand von Michael Oppenhoff. Wenn man mit ihm spricht, spürt man, er hört zu, er versteht; es bedarf keiner endlosen Diskussionen und Erklärungen. Doch ist er sich nie
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Abb. 4; Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln
zu schade, Überzeugungsarbeit zu leisten und den Vorstand in die Entscheidungsprozesse einzubinden, um einen Konsens herbeizuführen. Auch kritische Meinungen werden gehört und reflektiert. Egal, welche Fragen sich stellen, ob es um einen großen Ankauf, das 100. Eröffnungsjubiläum des Museums und die Aufarbeitung seiner Geschichte geht, oder ob es notwendig ist, die Interessen des Museums gegenüber Politik und Verwaltung zu vertreten und Verbesserungen einzufordern, Michael Oppenhoff KANN das. Mit Geschick und Einfühlungsvermögen, klug, verlässlich, geduldig, sachlich, niemals arrogant, aber durchaus mit Ironie und Humor begabt, bewegt ihn immer das, was ist - und - was sein könnte. Er ist ein hervorragender Ratgeber und Moderator. All dies sind Fähigkeiten, die er in sein berufliches Schaffen mit großem Erfolg eingebracht hat.
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Es muss eine Natur gegebene Großzügigkeit sein, die Michael Oppenhoff motiviert, seine außergewöhnlichen Fähigkeiten und seinen Sachverstand für die Belange der civitas einzusetzen. Dabei geht es nicht nur um die Zeit und Geduld, die der Vorsitz des Fördererkreises eines Museums erfordert, es geht auch um das Gemeinwohl und das Gefühl der Verantwortung gegenüber den Belangen von Kunst und Kultur in der öffentlichen Sphäre. Sich für ein ostasiatisches Museum einzusetzen, ist keine Selbstverständlichkeit, und angesichts des hinlänglich bekannten Sanierungsstaus in Köln ist es auch kein Zuckerschlecken. Aber es sind damit Neugier, Offenheit, Herausforderung und Freude über jeden Erfolg verbunden. Voller Dankbarkeit wünsche ich Michael Oppenhoff, dass seine Großzügigkeit und seine Neugier niemals versiegen mögen, denn sie sind ein Lebenselixier nicht nur für ihn, sondern auch für das Museum!
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