Lexikon Value-Management [Reprint 2018 ed.] 9783486808261, 9783486257243

Wertmanagement ist das Gebot, mit allen Ressourcen verantwortungsvoll umzugehen. Das Lexikon enthält zum Thema Stichwort

177 114 57MB

German Pages 421 [428] Year 2001

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Zu diesem Buch
Was ist Wertmanagement?
Acht Meilensteine der Unternehmensbewertung
Kurzartikel
A
B
C
D
E
F
G
H
I
J
K
L
M
N
O
P
R
S
T
U
V
W
X,Y,Z
Wertmanagement auch in Europa?
Kennzahlen
Literaturverzeichnis
Index
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Lexikon Value-Management [Reprint 2018 ed.]
 9783486808261, 9783486257243

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IMF International Management and Finance Herausgegeben von o. Professor Dr. Klaus Spremann Bisher erschienene Werke: Scott, Wall Street Wörterbuch, Börsenlexikon von A bis Z für den Investor von heute, Englisch-Deutsch, Deutsch-Englisch, 2. Auflage Spremann, Vermögensverwaltung Spremann, Portfoliomanagement Spremann, Wirtschaft, Investition und Finanzierung, 5. Auflage Spremann • Pfeil • Weckbach, Lexikon Value-Management Yamashiro, Japanische Managementlehre - Keieigaku, Japanisch-Deutsch mit Transkription, 1., deutschsprachige Auflage

Lexikon Value-Management Von

Dr. Klaus Spremann o. Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen und Direktor am Schweizerischen Institut für Banken und Finanzen und

Oliver P. Pfeil, lic. oec. HSG, Stefan Weckbach, lic. oec. HSG, wissenschaftliche Mitarbeiter am Schweizerischen Institut für Banken und Finanzen der Universität St. Gallen

R. Oldenbourg Verlag München Wien

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Spremann, Klaus: Lexikon Value-Management / von Klaus Spremann und Oliver P. Pfeil ; Stefan Weckbach. - M ü n c h e n ; Wien : Oldenbourg, 2001 (International Management and Finance) I S B N 3-486-25724-2

© 2001 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. D a s gilt insbesondere f ü r Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Druck: R. Oldenbourg Graphische Betriebe Druckerei G m b H ISBN 3-486-25724-2

Inhaltsverzeichnis

VA L U E -MA N A G EM E NT

7

Zu diesem Buch

13

Für wen das Lexikon gedacht ist, Aufbau und Didaktik Abkürzungen Handbibliothek Dank Die Autoren

Was ist Wertmanagement?

20

Shareholder-Value und DCF

20

Produktion, Absatz, Organisation Eigenkapital als Engpaß-Ressource Shareholder-Value Außenperspektive und Innenperspektive CAPM und Kapitalkosten

20 24 27 37 40

Stakeholder-Value Eine weitere Sicht — Stakeholder-Value Wer entscheidet in einer Institution? Shareholder, Stakeholder und Familien Angelsächsische oder kontinentaleuropäische

13 16 16 18 19

44

Auffassung?

Value-Managementlehre Sind Cashflows prognostizierbar? Norm und Werkzeug Value-Management als Weg Der Weg hat vier Abschnitte Bewegung hält Welche Praktiken löst Wertmanagement ab? Maßnahmenkatalog

58

fit

Öffnung nach außen und nach innen Corporate-Perestroika Dezentral oder zentral? Schaffung interner Märkte Ist der Interne Kapitalmarkt ganz frei?

Acht Meilensteine der Unternehmensbewertung Wert und Preis Paradigma 1: Die Bilanz (um 1920) Paradigma 2: Der Ertragswert (um 1940) Paradigma 3: Der Markenwert (um 1950) Paradigma 4: Wachstum (um 1960) Paradigma 5: Die DCF-Methode (um 1970) Paradigma 6: Corporate-Governance (um 1980) Paradigma 7: Realoptionen (um 1990) Paradigma 8: ICA und BSC (um 2000) Die Startup-com Fallstudie Zwei Trends

44 45 48 53 58 61 63 64 66 67 69

72 72 74 76 78

81 81 85 88 92 94 97 99 102 104 110 111

8

LEXIKON

Kurzartikel von A Accounting-Modell — Economic-Modell Added-Value Agencykosten Agency-Theorie Aktien Aktienoptionsplan

113 113 115 117 119 121 124

ALCHIAN, ARMEN

126

Anreiz- oder Motivationssystem

127

B Badwill Balanced-Scorecard (BSC) Benchmark und Benchmarking Best-Practice Beta Bonität Budgeting Business-Intelligence Businessplan Business-Process-Reengineering (BPR)

C Capital Asset Pricing Model (CAPM) Cashflow Cash-Value-Added (CVA) Change-Management Citizen-Value

129 129 131 133 136 136 139 141 144 147 148

151 151 155 158 160 163

C O A S E , RONALD

165

Corporate-Governance Corporate-Venturing

166 169

D

172

DCF-Methode DCF versus EVA Debt-Capacity Diversifikation Dividenden-Wachstums-Modell Dividendenpolitik

172 178 180 182 185 187

DRUCKER, PETER

189

V A L U E -MA N A G E M E N T

Due-Diligence

E

9

190

192

Economic-Modell

192

Economic-Profit

193

Economic-Value-Added (EVA)

194

Electronic-Commerce

196

Effizienz

200

Entity-Methode

201

Equity-Carve-Out

203

Equity-Story

205

F

207

FAMA, EUGENE

207

Finanzanalyse

208

Finanzielle Re strukturierungen

210

Flexibilität

212

G

214

Generische Wettbewerbsstrategien

214

Globalisierung

218

Going-Concern

220

Going-Private

221

Going-Public

223

Goodwill

225

H

227

Hedging

227

Humankapital

229

1

232

IAS

232

Immaterielle Güter (intangible assets)

234

Informationseffizienz

235

Innovation

238

Intermediation

241

Interner Kapitalmarkt (IKM)

243

Intellektuelles Kapital

245

Investor-Relations

248

10

J

LEXIKON

250 J-Kurven-Effekt

250

JENSEN, MICHAEL

251

K

253

Kapital

253

Kapitalkosten

255

Kapitalstruktur

260

KAPLAN, ROBERT

263

Kernkompetenzen

265

Knowledge-Management

267

Konversionen

269

KRAVIS, HENRY

271

Kreditäquivalente

272

L

275

Leverage-Effekt

275

Leveraged-Buyout (LBO)

276

Lock-In-Effekt

277

M Managerkontrolle

278 278

Markenwert

279

Market-Value-Added (MVA)

281

M A R K O W I T Z , HARRY

285

Mergers & Acquisitions

286

MILKEN, MICHAEL

289

Moral Hazard

290

Multiples

291

Multinationale Unternehmung (MNC)

293

N

295

Nachhaltigkeit

295

Navigator

297

Netzwerkökonomie

298

N O N A K A , IKUJIRO

299

O

301

Ökonomischer Gewinn

301

Opportunitätskosten

304

VALUE-MANAGEMENT

P

11

306

Performance

306

PORTER, MICHAEL

308

Portfolio-Analyse von Unternehmen

309

Private-Equity

311

Prozeßkostenrechnung

312

R

315

RAPPAPORT, ALFRED

315

RAROC und RORAC

316

Realoption

317

Reorganisation und Re strukturierung

319

Risikobegriff

320

Risikomanagement

323

Rückkauf eigener Aktien

327

S

329 Securitisation

329

Shareholder-Value-Ansatz

330

Sicherheitsäquivalent

332

St.-Galler-Management-Konzept

334

Stakeholder-Value-Ansatz

336

STERN, J O E L u n d G . BENNETT STEWART

338

Steuern und DCF

340

Sustainability Management

343

T

344

Tobin-Q

344

Total-Quality-Management (TQM)

345

Turnaround

347

U Übergewinn

349 349

Unternehmensethik

351

US-GAAP

352

V Value Based Compensation

354 354

Value-Reporting

355

Venture-Capital

356

12

LEXIKON

W

360

Wertschöpfungskette Werttreiber Wettbewerbsstrategie Winner-Take - All Game Wissensgesellschaft

X, Y, Z Zirkularitätsproblem

Wertmanagement auch in Europa? Märkte für große Länder, Intermediäre für kleine Länder Banken sind bei Krediten gut Corporate-Governance Adverse Selektion Ein ungewohntes Modell Trennung von Eigentum und Management Rechnungslegung soll Kapitalbeweglichkeit fördern Fortführung versus Liquidation Fremdkapital und Unternehmenskontinuität

360 362 363 366 367

371 371

373 373 375 376 379 381 383 386 387 390

Kennzahlen

395

Literaturverzeichnis

399

A, D, G, K, O, R, U, X,

B, C E. F H, I, J. L, M, N P, Q S, T V, W Y, Z

Index

399 403 406 409 413 415 419 420

422

VALUE-MANAGEMENT

Zu diesem Buch Für wen das Lexikon gedacht ist, der Aufoau und die Didaktik, Hinweise zur Literatur und schließlich ein Dank.

Für wen das Lexikon gedacht ist, Aufbau und Didaktik

Dieses Lexikon behandelt das Wertmanagement der Unternehmung, also die DCF-Methode und damit verwandte Ansätze, beispielsweise den Economic Value Added (EVA) und andere Konzepte zur Messung des Übergewinns. Selbstverständlich werden nicht nur der Shareholder-Value-Ansatz sondern gleichermaßen der Stakeholder-Ansatz behandelt. Hier geht es darum, denkbare und aus Sicht der Shareholder interessante Maßnahmen auszuschließen, wenn sie die Ansprüche anderer Stakeholder negieren oder nicht adäquat kompensieren würden. In einem allgemeiner gefaßten Sinn ist Value-Management jedoch nicht einzig auf das Finanzkapital bezogen oder auf die Beziehung der Unternehmung und allen ihren Stakeholdern. Wertmanagement ist das Gebot, mit allen Ressourcen verantwortungsvoll umzugehen. Hier leisten Rechentechniken wie DCF oder EVA nur einen Teil. Der Mensch und seine intellektuellen Fähigkeiten sind für viele Unternehmen zur wichtigsten Ressource geworden. Value-Management ist ein Ansatz auch zur Führung der Menschen in Unternehmen und in Organisationen. Stichworte sind nicht allein Bonussysteme und die Beteiligung. Auf allen Ebenen einer Organisation müssen ebenso die nicht-finanziellen Ziele verdeutlicht werden, so wie das bei der Balanced-Scorecard (BSC) vorgeschlagen wird oder beim Ansatz des Intellektuellen Kapitals. Selbstverständlich müssen beim Value-Management auch die Leistungsprozesse überdacht werden. Die Stichworte hier sind BestPractice, Benchmarking, Business-Process-Reengineering (BPR) oder Total-Quality-Management (TQM). Dabei geht es nicht nur um Kundennutzen, weil die Wertorientierung verlangt, sich insgesamt der Umwelt gegenüber zu öffnen und von außen zu lernen.

LEXIKON Dieses Lexikon bieten Ihnen über 100 ausführliche Stichworte, die sämtlich den Charakter von Kurzartikeln besitzen. Das Lexikon ist daher für Personen gedacht, die mehr erwarten, als üblicherweise im kurzen Stichwort eines gewöhnlichen Lexikons angeführt wird. Folglich eignet sich das Lexikon Value-Management desgleichen für das Lernen, und nicht nur für das Nachschlagen. So bietet Ihnen dieses Buch einen direkten Zugang zu wichtigen Begriffen, Ansätzen und Techniken des Wertmanagements und zeigt dabei Zusammenhänge auf. Zugleich werden jene Persönlichkeiten vorgestellt, die eine besondere Bedeutung bei der Entwicklung dieser Managementlehre haben. Einige dieser Denker, Forscher und Praktiker sind sogar im Portrait gezeigt. Das Buch soll Studierende ansprechen, die zur Vorbereitung auf (mündliche) Prüfungen und Vorstellungsgespräche schnell die wichtigsten Begriffe, Ansätze und Denkweisen lernen wollen. Die Materialien verdeutlichen, daß es beim Wertmanagement der Unternehmung um den Kern der modernen Betriebswirtschaftslehre geht. Das Lexikon wendet sich daher an Personen, die sich mit aktuellen Fragen der Wirtschaft befassen und die bereits in einer Unternehmung oder einer anderen Organisation arbeiten. Aufbau und Didaktik unterstreichen, daß Ihnen das Lexikon ValueManagement erlaubt, Wissen anzueignen, ohne daß Sie dem linearen Zwang eines traditionellen Lehrbuchs folgen müssen, das von Anfang bis Ende gelesen werden muß, weil die Dinge alle aufeinander aufbauen. Unser Ziel war es, den parallelen Zugang zu fördern, genauer gesagt, den zufälligen Zugang. Sie können blättern und hier oder dort zu lesen beginnen. Das Lexikon verkörpert so die Möglichkeit der zeitgemäßen Art von Wissensaufnahme, bei der das Lesen in einem Buch an die Stelle des Lesens eines Buches getreten ist. Abgesehen von den Kurzartikeln finden Sie zu Beginn und gegen Ende des Lexikons Value-Management in sich geschlossene Texte, mit denen die 100 Stichworte umrahmt sind. Diese Texte sollen Ihnen eine Einführung bieten und den Überblick erleichtern. Die zwei Texte zu Beginn des Lexikons tragen diese Überschriften: •

Was ist Wertmanagement? (Seite 19)



Acht Meilensteine der Unternehmensbewertung (Seite 81).

Der Text zum Ende des Lexikons ist betitelt mit: •

Wertmanagement auch in Europa? (Seite 373).

Das Lexikon enthält ferner eine Zusammenstellung wichtiger Kennzahlen, ein Gesamtverzeichnis der Literatur sowie einen Index.

V A L U E - M A N A G E M E N T

Die Kurzartikel sind fast alle nach dem selben Schema aufgebaut. Im ersten Absatz gibt es in drei bis fünf Zeilen Text eine Begriffserklärung. Anschließend folgen Ausführungen zur Einbettung in den weiteren Kontext. Die Kurzartikel sind, wo immer es sich anbietet, mit einem rezeptartigen "was nun?" abgeschlossen. Mit dem Zeichen •=> am Ende eines Kurzartikels werden Sie auf andere Begriffe geführt, die sich für das weitere Lesen anbieten. Definitionsähnliche Umschreibungen einzelner Stichworte finden Sie mit einem grauen Balken markiert. Ergänzungen und Zusammenfassungen sind in einen Kasten gesetzt.

Etwas Mühe hatten wir bei der Behandlung der Anglizismen. Man mag bedauern, daß diese Managementlehre with a fancy name and its own glossary of technical jargon einhergeht, was SCHNEIDER zu der Bemerkung veranlaßte, daß vieles um angelsächsische Namensgebungen "aufgeplustert" wurde, wobei ein Verzicht auf "Wortkosmetik den Werbetrommlern marktorientierter Unternehmensrechnung deren Vermarktung sehr erschwert" hätte.1 • Am Ende haben wir Value Management zu Value-Management eingedeutscht und sind ähnlich mit anderen Fachbegriffen verfahren. Beispielsweise schreiben wir Added-Value (für den Übergewinn) und Value-Added (für den Deckungsbeitrag und Mehrwert); ein Börsengang ist ein Going-Public. •

Dort wo wir keine Eindeutschung versuchten, wie etwa bei International Accounting Standards (IAS), oder bei Initial Public Offering (IPO), dem Börsengang, werden Sie für den Fall, daß Sie laut lesen, durch Kursivschrift auf die Erfordernis einer vielleicht anderen Aussprache aufmerksam gemacht,

Überdies ist die neuere amerikanische Praxis aufgefallen, zusammengesetzte Worte sogar zu verschmelzen. In den USA wurde buy out inzwischen zu buyout, hold-up zu holdup, start-up zu startup. Vielerorts wurde Re-engineering bereits zu Reengineering umgeschrieben, und wir folgen dieser Praxis. Im Lichte der lebendigen Sprachentwicklung wagen wir deshalb sogar Cashflow zu schreiben.

L i t e r a t u r : 1. JOHN. RUTLEDGE: D e - j a r g o n i n g E V A . Forbes

( 2 5 . 1 0 . 1 9 9 3 ) , p . 1 8 4 . 2. DIETER

SCHNEIDER: Marktwertorientierte Unternehmensrechnung: Pegasus mit Klumpfuss. Der Betrieb

3 0 ( 1 9 9 8 ) , p p . 1 4 7 3 - 1 4 7 7 , h i e r p. 1 4 7 6 .

LEXIKON Abkürzungen Der Jargon bringt eine Reihe von Abkürzungen mit sich. Hier sind jene, die im Lexikon verwendet werden: BPR

Business-Process-Reengineering

BSC

Balanced-Scorecard

CAPM

Capital Asset Pricing Model

CVA

Cash-Value-Added

DCF

Discounted-Cashflows

EVA

Economic-Value-Added

ERP

Enterprise-Resource-Planning

FCF

Freier Cashflow

FER

Fachkommission für Empfehlungen zur Rechnungslegung

IAS

International Accounting Standards

IC

Intellectual Capital

IKM

Interner Kapitalmarkt

IPO

Initial Public Offering

LBO

Leveraged-Buyout

M&A

Mergers und Acquisitions

MBO

Management-Buyout

MVA

Market-Value-Added

SML

Security Market Line

TQM

Total-Quality-Management

US-GAAP

United States Generally accepted accounting principles

VaR

Value-at-Risk

WACC

Weighted Average Cost of Capital

Handbibliothek Auf Quellen und weiterführende Literatur wird an den jeweiligen Stellen entweder im Text selbst oder in Fußnoten verwiesen. An den Zitaten werden Sie erkennen, welche Fachzeitschriften (Journale) Sie vielleicht regelmäßig auf Neuerscheinungen durchsehen sollten.

VALUE-MANAGEMENT

Da sich Studierende wie Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus der Praxis an Seminaren oft Tips zum Aufbau einer Handbibliothek wünschen, folgen nachstehend einige Vorschläge. Eigentlich ist dieser Wunsch jetzt verfrüht — wo Sie gerade ein Buch in den Händen halten, von dem die Autoren hoffen, daß es Ihren Wissensdurst aufs Erste befriedigen kann. Alas, die Welt ist offen, und hier sind Alternativen und Hinweise auf andere Bücher, die sich zum Aufbau einer Handbibliothek eignen. 1. Der Klassiker des Wertmanagements im Sinne des ShareholderValue-Ansatzes ist dieses, auf deutsch verfügbare Buch: ALFRED RAPPAPORT: Creating Shareholder Value: The New Standard for Business Performance, Free Press, New York 1986. 2. Consultingfirmen und Professoren haben diese Ideen nach 1990 aufgegriffen: 1. Von McKinsey: TOM COPELAND, TIM KOLLER und

JACK MURRIN: Valuation — Measuring and Managing the Value of Companies, 3. Auflage, Wiley, New York 2000. 2. Von Price Waterhouse, einer anderen Beratungsfirma: ANDREW BLACK, PHILIP WRIGHT, JOHN E. BACHMAN: In Search of Shareholder Value — Ma-

naging the Drivers of Performance. Pitman Publishing, London 1998. 3. Aus Universitäten: Manfred BRUHN, Markus LUSTI, Werner R. MÜLLER, Henner SCHIERENBECK und Tobias STUDER: Wert-

orientierte Unternehmensführung — Perspektiven und Handlungsfelder für die Wertsteigerung von Unternehmen. Gabler, Wiesbaden 1998. 3. Bedeutsame Weiterentwicklungen der Wertmanagementdiskussion und des Performance Measurement stellen die Beiträge von STEWART s o w i e v o n KAPLAN u n d NORTON d a r : 1. GEORGE BENNETT

STEWART: The quest for value, Harper, New York 1991. 2. ROBERT S. KAPLAN und DAVID P. NORTON: Translating Stratey into action -

The Balanced Scorecard, Harvard Business School Press, Boston 1996. Im ersten Buch wird das Konzept des Economic-ValueAdded (EVA) entfaltet, im zweiten wird die Balanced-Scorecard als Führungsinstrument ausgebaut. 4. Eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Wertmanagement führt bald auf Grundlagen, die in der Finanztheorie (Finance) liegen. Hierzu ein Werk mit Überblicksartikeln sowie zwei Lehrbücher: 1.

ROBERT A .

JARROW,

VOJISLAV MAKSIMOVIC u n d

WILLIAM

T.

ZLEMBA: Finance, Handbooks in Operations Research and Management Science Vol. 9, Elsevier, Amsterdam 1995. 2. ASWATH DAMODARAN: Damodaran on valuation: security analysis for investment and corporate finance, Wiley, New York 1994. 3. JOCHEN DRUKARCZYK: Unternehmensbewertung. 2. Auflage, Verlag Vahlen, München 1998.

LEXIKON 5. Für den Praktiker im Alltag und leicht zu lesen: 1. JYRKI VERANEN und HERBERT HENSLE: Wertorientierung und Rendite, Verlag moderne industrie, Landberg 2000. 2. SUSAN BILAND und MARIA

LUISE HILBER: Verwaltungsrat als Gestaltungsrat. WEKA-Verlag, Zürich 1998. 3. RUDOLF VOLKART: Strategische Finanzpolitik. Ver-

sus, Zürich 1997.

Dank

Dank gebührt zunächst MARC BUERMEYER, der an diesem Lexikon während seiner Tätigkeit als Wissenschaftler an der Universität St. Gallen mitgearbeitet hat, dabei Akribie walten ließ und große Fachkenntnis bewies. Am Schweizerischen Institut für Banken und Finanzen haben CHRISTIANE BÖHMER, PASCAL GANTENBEIN u n d ERIK REDERER i m m e r w i e -

der nützliche Hinweise gegeben. Unser Dank geht weiterhin an THEO SIEGERT, der über die Stiftung von Franz Haniel & Cie. GmbH, Duisburg, einschlägige Projekte gefördert hat. Mit NIKOLAUS WEBER-HENSCHEL, München, sind wir durch eine für die Unternehmensberatung Roland Berger und Partner gestaltete Seminarreihe zum Thema Wertmanagement verbunden. Ebenso befruchtend ist eine Zusammenarbeit mit MARC STEFFEN von der UBS in Zürich bei Seminaren zum Thema Value-Management. LUTZ KRUSCHWITZ, Ber-

lin, hat mit Diskussionen zum Einfluß von Steuern auf die Bewertung geholfen — natürlich wollen wir keine Verantwortung abschieben. Sodann danken wir Autoren für die Geduld seitens MARTIN WEIGERT, München, der das Lexikon-Projekt verlegerisch betreut. Weiter haben uns Personen und Institutionen diverse Materialien zur Verfügung gestellt. Für Materialien danken wir: KATHERINE KENT (Harvard Business School, Cambridge, Massachusetts, USA), DEEPAK SHIMKHADA (Claremont Graduate University, Claremont, California, USA), der Firma Kohlberg, Kravis, Roberts & Company (New York, NY, USA) sowie der Bankberatung FinSys AG (St. Gallen). Das Lexikon enthält außerdem sieben Portraits (auf den Seiten 189, 264, 299, 308, 315, 338, 339) womit jedoch kein Personenkult entfaltet werden soll. Indessen ist es unsere Absicht zu illustrieren, daß auch das Gebiet des Wertmanagements ein von Menschen geprägtes Gebäude ist. Hier danken wir neben Stern Stewart & Company den Professoren PETER DRUCKER

(Claremont),

ROBERT

KAPLAN

(Harvard),

IKUJIRO

NONAKA

(Berkeley und Tokio), MICHAEL PORTER (Harvard) und ALFRED RAPPAPORT

(La Jolla, California) für die Überlassung ihrer Portraits. Nicht zu vergessen sind alle jene in unseren Umgebungen, die uns bei vielen Aktivitäten entlastet haben und uns so den Freiraum gaben, der für eine solche Arbeit unerläßlich ist.

1g

VALUE-MANAGEMENT

Die Autoren

Prof. Dr. KLAUS SPREMANN lehrt an der Universität St. Gallen (seit 1990). Jahrgang 1947, studierte SPREMANN Mathematik an der TU München: 1972 Dipl.-Math., 1973 Dr.rer.nat., Habilitation in Karlsruhe 1975 an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Frühere Lehrtätigkeiten in Ulm (1977-90), an der UBC in Vancouver 1982, an der NTU in Taipei 1987, an der WU in Wien 1989-90, sowie 1993-94 an der HKU als HongKongBank Professor of International Finance. Homepage: www.sbf.unisg.ch, E-Mail: [email protected] OLIVER P. PFEIL, lie. oec., * 1 9 7 4 , ist w i s s e n s c h a f t l i c h e r M i t a r b e i t e r a m

Schweizerischen Institut für Banken und Finanzen. Der gelernte Bankkaufmann studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität St. Gallen sowie an der ESADE in Barcelona. E-Mail: [email protected] STEFAN WECKBACH, lie. oec., * 1 9 7 6 , w i s s e n s c h a f t l i c h e r M i t a r b e i t e r

am

Schweizerischen Institut für Banken und Finanzen, Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität St. Gallen sowie am Rensselaer Polytechnic Institute (NY). E-Mail: [email protected]

St. Gallen, März 2001

KS,

OP,

SW

LEXIKON

20

Was ist Wertmanagement? Der Shareholder-Value-Ansatz mit seinen Elementen, dem Discounted Cashßow (DCF) und den Werttreibern. Anschließend eine etwas erweiterte Sicht, bei der die Ansprüche von Stakeholdern Berücksichtigung finden. Schließlich: Was ist zu tun, wenn die Cashflows kaum prognostizierbar sind? Eine ganzheitliche Sicht definiert Value-Management als Verantwortung für Ressourcen und als Weg der Weiterentwicklung von Organisationen.

Shareholder-Value und DCF Produktion, Absatz, Organisation

Seit Jahrzehnten versucht die Managementlehre den Erfolg unternehmerischen Tuns zu identifizieren und zu messen, oder wie heute gesagt wird: die Performance. Während die Betriebswirtschaftslehre in erster Linie erklären und begründen möchte, steht bei der Managementlehre das Gestaltungsziel im Vordergrund. Letztlich sind Maßnahmenkataloge und Rezepte gesucht, die in der Praxis zu Erfolg führen und die Performance der Unternehmung erhöhen. In der Vergangenheit wurde die Suche nach Erfolgsrezepten immer aus einer speziellen, gleichwohl partiellen Perspektive betrieben. Theoretiker wie Praktiker konzentrierten sich auf einen kritischen Teilbereich oder eine kritische Teilfunktion der Unternehmung. Es handelte sich dabei um einen Engpaß, dessen Nachteiligkeit für das Ganze mit Priorität beseitigt werden sollte. Erfolg durch Engpaßbeseitigung hieß die Devise. Wo gerade der Engpaß lag, war im wesentlichen durch die Technologie und die Umwelt bestimmt. Das prägte sogar den Zeitgeist der Betriebswirtschaftslehre. Um 1960 war die Produktion der Engpaß, die Beschaffung, die Fabrikation, die Bewirtschaftung der maschinellen Anlagen: Nach dem Weltkrieg lebte überall in der Welt das Wirtschaften auf und weitete sich

V A L U E - M A N A G E M E N T

aus. Deutschland sah sich im Wirtschaftswunder. Neue Einkommen bewirkten Nachfrage, die kaum befriedigt werden konnte. Es konnte nicht genug produziert werden. Die Wartezeit für ein neues Auto betrug Jahre. Wissenschaft und Praxis nahmen die Perspektive ein, die Unternehmung primär als Produktionsbetrieb zu sehen um die Produktion verbessern zu können. ERICH GUTENBERG (1897-1984) publizierte als ersten Teil seiner dreibändigen Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre: Die Produktion (1. Auflage 1951). Darin übertrug er die mikroökonomische Analyse auf die betriebliche Produktion und schuf eine Lehre der Produktionsfunktionen. Begriffe wie Grenzkosten oder Faktorsubstitution halfen, zusammen mit dem Operations Research, optimale Produktionspläne für die Praxis aufzustellen. Überall wurde die Kostenrechnung verfeinert, also die rechnerische Abbildung der Leistungserstellung und die Kalkulation. So wurde die damalige Managementlehre fast zur Mathematik. Themenbereiche wie die Lagerhaltung verlangten sogar ein Studium stochastischer Prozesse. Um 1970 wurde man gewahr, daß die Welt und die Welt der Wirtschaft nicht wie bisher weitergehen konnten. Konsum, Ressourcenverbrauch, Belastung der Umwelt nahmen allenthalben zu. Grenzen des Wachstums wurden erkannt, die Sättigung der Märkte wurde evident. Was die Umwelt betraf, so formierte sich der Club of Rome. Der Club of Rome, www.clubofrome.org, versteht sich als a global think tank and centre of innovation and initiative. Er ist ein Verbund von Wissenschaftlern und Wirtschaftsführem aus rund 30 Ländern, die sich zusammenfinden, um die Menschheitsprobleme zu erforschen. Im Jahr 1972 erschien die Analyse über die Grenzen des Wachstums.

Die zunehmende Begrenztheit und die Enge der Welt wurden den Unternehmen spürbar. Sättigungseffekte im Produktmarkt wurden evident. Die Managementlehre verließ die Produktion als Thema und konzentrierte sich fortan auf das Marketing. Es wurden Strategien empfohlen wie beispielsweise die, Nachfrage "zu schaffen," Marknischen zu entdecken, neue Produkte zu entwickeln, neue Absatzwege zu etablieren. Vor allem sollte Werbung "gezielt" eingesetzt werden. Die potentiellen Kunden wurden in Segmente eingeteilt und "spezifisch" angesprochen. Mit dem neuen Paradigma kamen neue Fachbegriffe. Der Erfolg der Unternehmung wurde ab nun primär in der Marketingstrategie gesehen — die Produktion barg zu jener Zeit eigentlich keine Probleme mehr.

22

LEXIKON

Allerorts öffneten sich in jener Zeit die Türen für einen neuen Guru: PHILIP KOTLER, Verfasser von inzwischen zahlreichen Büchern zum Marketing, entwikkelt eine Lehre der Analyse, Planung und Steuerung des Absatzes. Die Lehre empfahl den kombinierten Einsatz von vier Instrumenten. Das sogenannte Marketing-Mix: umfaßt: 1. Produktgestaltung, 2. Preispolitik, 3. Distribution, 4. Werbung.

Etwa u m 1980 wurde wieder eine neue Ausrichtung in der Managementlehre vollzogen. Das Rezept oder der Schlüssel zum Erfolg wurde n u n in Organisation und Führung gesehen. Tatsache: Der Unternehmenstyp, der in jenen J a h r e n am meisten Achtung u n d Beachtung fand, war die multinationale Großunternehmung. Sie tendierte dazu, bürokratische Planungsprozesse zu etablieren u n d wurde generell technokratisch. Bürokraten u n d Techniker hatten d a s Sagen. Starre und eine reine Innensicht machten sich breit. Es hieß, die Unternehmung würde n u r von den Stäben verwaltet. Es gäbe niem a n d e n mehr, der wirkliche Verantwortung u n d "unternehmerisches Denken" zeige. Da k a m e n neue Gedanken auf: Man solle Mitarbeiter nicht als Teil eines Regelsystems begreifen, als kleines Rad, das in einer großen Organisation zu funktionieren habe wie in einem Uhrwerk. Die Organisation solle nicht einfach Budgets durch Stäbe mechanisch fortschreiben lassen. Vielmehr sollten Vorgesetzte menschlich werden, Vorbild sein, auf kreative Weise führen, Verantwortung zeigen, unternehmerisch denken. Die Mitarbeiter wurden anders gesehen, nicht mehr als Stelleninhaber, die auf ihrem Platz zu funktionieren haben, sondern mit allen Dimensionen der menschlichen Existenz. Die Themen dieses neuen Paradigmas der Managementlehre lagen bei der E r k e n n u n g der in der Unternehmung oder Organisation tätigen Menschen sowie bei der Führ u n g dieser Menschen. Der Schlüssel zum Erfolg der Unternehmung wurde in jenen J a h r e n primär darin gesehen, mit der Mitarbeiterschaft "richtig" umzugehen. Ganze Abteilungen widmeten sich der Personalentwicklung. Eine Folge der Managementlehre u m diese Zeit war, d a ß damit begonn e n wurde, Unternehmen laufend umzuorganisieren. Immerhin verlangten neue Führungsprinzipen neue Abteilungsgrößen. Consultingfirmen propagierten Formen bereichsübergreifender Koordination. Die Konzepte behandelten Kernkompetenzen, lernende Organisationen u n d d a s Business-Process-Reengineering.

V A L U E - M A N A G E M E N T

THOMAS J. PETERS u n d ROBERT H. WATERMAN p u b l i z i e r e n ihr B u c h Auf der

Su-

che nach Spitzenleistungen. Es wurde ein Bestseller. Die Methode von PETERS und WATERMAN bestand darin, zahlreiche Unternehmen zu untersuchen und zunächst anhand gewisser Kriterien zu beurteilen, welche als "gut" zu bezeichnen wären. Anschließend wurde gefragt, welche Faktoren die guten Unternehmen gemeinsam hätten. Das Vorgehen ist das der Diskriminanzanalyse. Dieses methodische Vorgehen ist schon deshalb interessant, weil es nicht um ein vertieftes Verständnis oder eine Erklärung geht, sondern einfach um das Auffinden eines durch Korrelationen beschriebenen empirischen Sachverhaltes. Die Frage lautete nicht, warum die eine oder andere Maßnahme eine gute Unternehmung zur Folge habe. Die Frage lautete, welche Maßnahmen empirisch gesehen besonders häufig bei guten Unternehmen ergriffen worden sind. PETERS und WATERMAN schreiben: "Unsere Vorarbeiten hatten uns gezeigt, daß jede intelligente Behandlung des Organisationsproblems wenigstens sieben Variablen einbeziehen (...) muß: die Struktur, die Strategie, die Menschen, den Führungsstil, die Systeme und Verfahren, die Leitmotive und das Wertsystem (das heißt, die Firmenkultur) sowie die vorhandenen oder angestrebten Spezialkenntnisse des Unternehmens. Wir präzisierten diese Vorstellungen und entwickelten daraus das McKinsey-7S-Modell. Mit etwas Nachhelfen erreichten wir, daß alle sieben Variablen mit dem Buchstaben S begannen, und dachten uns ein graphisches Symbol dafür aus." Die sieben S sind auf deutsch übersetzt mit: 1. Struktur, 2. Strategie, 3. Systeme, 4. Stammpersonal, 5. Spezialkenntnisse, 6. Selbstverständnis und 7. Stil.

Mit dem Abstand, den die Zeit bringt, werden viele dieser Entwicklungen heute als Experimente beurteilt. Festzuhalten ist, daß von dem beständigen Umorganisieren abgesehen damals wenig an der Zusammensetzung der Unternehmung aus Geschäftsbereichen geändert wurde; wenig hinterfragt blieb die Zusammensetzung des Unternehmensportfolios. In jener Zeit ging es noch nicht um die Verschlankung oder eine Konzentration auf Kernkompetenzen. Doch eine wichtige Einsicht jener Zeit ist heute noch gültig: Mitarbeiter wurden nicht als Maschinen, sondern als Menschen verstanden. Im Spiegelbild dessen ergänzen Psychologie und Soziologie die mikroökonomische Theorie der Unternehmung. Die Betriebswirtschaftslehre wendet sich den "komplexen sozialen Vorgängen" zu. Einige wirtschaftswissenschaftliche Fakultäten bekennen sich zur sozialwissenschaftlichen Lehre der Ökonomie. Die Universität St. Gallen verpflichtet sich dem ganzheitlichen Denkansatz. 2

2

H A N S U L R I C H u n d W A L T E R KRIEG: St.

1974.

Galler

Management-Modell.

3. Auflage, H a u p t ,

Bern

LEXIKON

Engpaß oder Fokus der Managementlehre

Jargon

Produktion — um 1960

Fixkosten, Grenzkosten, Faktorsubstitution, Deckungsbeitrag, Skalenerträge

Marketing — um 1970

Marketing-Mix, Werbung, Preispolitik, Distribution, Kundennutzen, Kundenbindung

Organisation und Führung — um 1980

Kontrollspanne, Motivation, Weisungsbefugnis, Entscheidungsinstanz, Matrixorganisation

Mensch und Arbeitskraft — um 1990

Soziale Prozesse, ganzheitlicher Ansatz, Kreativität, Harmonie, Innenleitung

Finanzen — um 2000

Kapitalkosten, Risikoprämie, DiscountedCashflows, Added-Value

B i l d 1: F ü n f A u s p r ä g u n g e n d e r d o m i n a n t e n M a n a g e m e n t l e h r e i n i h r e r j e w e i l i g e n Zeit u n d einige Stichworte aus der eigens gebildeten Fachsprache.

Eigenkapital als Engpaß-Ressource Wir möchten diese Linie weiter zeichnen und identifizieren eine neue Lehre: Das Wertmanagement wird zwischen 1990 und 2000 der dominante Ansatz zur Gestaltung der Unternehmung. Mit dem Wertmanagement wurde in der Anfangszeit pointiert die Sicht und Außenperspektive der Kapitalmärkte eingenommen. Inzwischen hatten sich die Finanzmärkte in den Industrieländern entfaltet. Investmentfonds wurden aufgelegt, Medien berichten über das Geschehen an den Börsen. Immer breitere Kreise der Bevölkerung finden in der Aktie eine attraktive Geldanlage.

USA Zeitperiode

Nominale Aktienrendite

Reale Aktienrendite

Nominale Bondrendite

Reale Bondrendite

1802-1870

5,8%

5,7%

5,0%

4,9%

1871-1925

7,2%

6,6%

4,4%

3,8%

1926-1990

9,8%

6,4%

4,6%

1,4%

B i l d 2: G e o m e t r i s c h e D u r c h s c h n i t t s r e n d i t e n f ü r d i e U S A . O h n e

Berücksichti-

g u n g v o n S t e u e r n . Z i t i e r t n a c h RICHARD STEHLE: A k t i e n v e r s u s R e n t e n ; in: H a n d buch Altersversorgung 8 1 5 - 8 3 1 , h i e r p. 8 2 7 .

(CRAMER, FÖRSTER,

RULAND, eds.),

Frankfurt

1998,

pp.

V A L U E - M A N A G E M E N T

Schweiz Zeitperiode 1926-1997

Nominale Aktienrendite

Reale Aktienrendite

8,6%

5,1%

Nominale Bondrendite 4,6%

Reale Bondrendite 1,5%

Bild 3: Geometrische Durchschnittsrenditen für die Schweiz und die 72 Jahre von Januar 1926 bis Dezember 1997, ohne Berücksichtigung von Steuern. Berechnet anhand der für die einzelnen Jahre von PICTET genannten Zahlen. Quellen: 1. DANIEL WYDLER: Swiss stocks, bonds and inflation 1926-1987. Journal of Portfolio Management (Winter 1989), pp. 27-32. 2. Nachführung für 1988 bis 1997 durch die genannte Bank.

Zum Teil wurden Arbeitnehmer ungewollt zu Aktionären. In den USA wird die Malaise der öffentlichen Altersversorgung schmerzlich bewußt. Arbeitnehmer sehen in der privaten Geldanlage das geeignete Substitut. Dabei sind Aktien interessanter als Renten. Die neuen Aktionäre sehen in ihrer Beteiligung keine Liebhaberei, es geht um eine Anlage für den Ruhestand. Aktionäre stellen Kapital zur Verfügung und sie tragen Risiken. Selbstverständlich möchten sie für beides entschädigt werden; die Rendite soll neben dem Zins eine Risikoprämie enthalten. Die Kapitalgeber sind beweglich geworden und bereit, sich von unrentablen Engagements zu trennen. Investoren suchen jene Aktiengesellschaften, die in Relation zu den Risiken die höchste Rendite erwarten lassen. Jeder wird sein eigener Analyst und Marktbeobachter. Das Gespräch über die Börse ersetzt das über den Sport. Die Manager von Investmentfonds sehen sich den Privatinvestoren gegenüber in der Pflicht. Sie werden bei den Unternehmen vorstellig und beginnen mit kritischen Fragen an das Management, ihre Interessen — die Interessen der Käufer von Fondsanteilen — zu vertreten. Bis dahin konnte eine Unternehmung ihre Aktionäre noch als still, passiv und wenig beweglich behandeln. Zwar hat der Kurs an der Börse keinen unmittelbaren Einfluß auf die Höhe des Kapitals — die Unternehmen haben das Eigenkapital bereits. Aber die Unternehmen wollen wachsen, und ab und zu ist dazu eine Kapitalerhöhung nötig. Bei entsprechenden Anträgen erinnern sich die Aktionäre genau an den Kursverlauf der letzten Jahre. Außerdem drohte bei unzufriedenen Finanzergebnissen eine Übernahme. Der Leveraged-Buyout (LBO) wird allenthalben praktiziert: Ein Raider besorgt sich Fremdkapital, kauft so viele Aktien, daß er allein in der Gesellschaft entscheiden kann, setzt das Management ab, zerlegt die Unternehmung in Teile und verkauft so viele Teile der Unternehmung, daß die Schulden getilgt werden können.

LEXIKON

Dem Bankier HERMANN JOSEF ABS wurde das ironische Wort in den Mund gelegt, der Aktionär sei dumm und frech: dumm, weil er eine Aktie gekauft habe, frech, weil er Dividende verlange. Diese Zeit ist definitiv zu Ende. Die Manager der Unternehmen müssen einsehen, daß die Abstimmung der Aktionäre mit den Füßen ein ernst zunehmendes Votum darstellt. Der amerikanische Professor MICHAEL JENSEN propagiert die Theorie des Freien Cashflows: Wenn Manager keine Ideen mehr haben, wie sie das von der Unternehmung vereinnahmte Geld rentabel investieren könnten, und ihnen nur Verwaltungsgebäude, Flugzeuge für Dienstreisen und egozentrische Gigantomanie bei Akquisitionen einfallen, dann wäre es doch besser, sie würden das Geld an die Aktionäre ausschütten. Besser, als eine unrentable Geschäftseinheit zu behalten, ist, sie zu verkaufen und den Erlös den Aktionären zurückzugeben. Sie sind die Anspruchsberechtigten. Wie kann das aus dem Umsatzprozeß stammende Geld an die Aktionäre zurückgegeben werden? Beispielsweise durch Sonderdividenden, durch den Rückkauf eigener Aktien, durch Kapitalherabsetzungen.

Weil das nur kurze Zeit dauert, finden sich Banken, die soviel Fremdkapital bereitstellen, wie erforderlich ist, um eine Unternehmung — auch eine Großunternehmung — zu übernehmen. Für die größte Übernahme im Rahmen eines LBO wurden 50 Milliarden Dollar aufgebracht. Wie so etwas funktioniert, veranschaulicht 1989 ein Kinofilm: Barbarians at the Gate.3 Wehe dem Management, das "stille Reserven" unrentabel eingesetzt hat, nie für eine Verschlankung der Unternehmung sorgte, nicht-betriebsnotwendiges Vermögen nie von sich aus verkauft hat, denn: Die fetteste und langsamste Gans wird zuerst geschlachtet. In der Tat waren viele Großunternehmen um 1990 schwerfällige Einrichtungen geworden. Die ständigen Experimente mit neuen Organisationsformen haben alle Mitarbeiter ermüdet, die Personalentwicklung hat ihren Auftrag eher quantitativ als qualitativ interpretiert, TopManager bauten sich ein Imperium auf. Viele dieser Unternehmen zeigten weder Wachstum noch Rentabilität, schon gar nicht Phantasie und Kreativität.

3

DEBRA SPARKS: Return of the LBO. Business Week, October 16, 2000, pp. 78-84.

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Why valué creation is important — Die Beratungsfirma The Boston Consulting Group hat fünf Gründe zusammengestellt, aus denen das Management versuchen muß, den Börsenkurs zu steigern, obwohl "die Unternehmung schon ihr Kapital" hat (New Perspectives on Value Creation — A Study of the World's Top Performers 2000, BCG Report www.bcg.com): 1. Anziehung und Attraktivität für Kräfte mit Schlüsselfunktion in der Unternehmung. Niemand arbeitet gern in einer Unternehmung, die aus Sicht der Kapitalmärkte absolut oder relativ zurückbleibt. Solche Unternehmen könnten irgendwann übernommen werden und dann droht die Gefahr, daß gerade die Experten und Top-Manager sich umorientieren müssen und dabei ihre Spezialisierung auf die gegenwärtige Funktion wertlos wird. 2. Attraktive Börsenbewertungen erlauben es, Aktionäre anzusprechen und eine Erhöhung des Eigenkapitals einzuleiten. Banken sehen eine Beziehung als interessanter an, wenn sie sehen, dass die Unternehmung wächst, das bisherige Management in seiner Funktion bleibt, und die Aktionäre immer wieder die Eigenkapitalbasis vergrößern. 3. Die Gefahr für eine vom Management unerwünschte Übernahme wird geringer, wodurch die Mitarbeiter nicht verunsichert werden, ob nun der eingeschlagene Weg fortgesetzt werden kann. 4. Der Rechtfertigungsdrang wird geringer, wenn die Börsenkurse steigen, und das Top-Management wird freier in langfristig angelegten strategischen Vorhaben. 5. Bei steigenden Börsenkursen kann die Unternehmung ihren sozialen Verpflichtungen nachkommen.

Shareholder-Value Die Hinwendung zum Value-Management (Synonyme: Wertmanagement, Wertsteigerungsmanagement, Wertsteigerungsanalyse, wertorientierte Unternehmensführung, value-based management) ist die wohl tiefgreifendste Veränderung im Wirtschaftsleben der letzten Dekade. Der Wandel in der Wirtschaftswelt geht einher mit dem rapiden technischen Fortschritt (Transportwesen, Kommunikation, Internet), mit der Entwicklung und Entfaltung der Finanzmärkte, der größeren Beweglichkeit der Menschen und des von ihnen gezeigten, geänderten Verhaltens. Wertmanagement ist geradezu die Antwort auf diese Veränderung der Welt in Wirtschaft, Technik und Gesellschaft.

LEXIKON

Als einer der erfolgreichsten Manager gilt JACK WELCH, von 1981 bis 2001 Chief Executive Officer (CEO) von General Electric (GE). Die Marktkapitalisierung von G E betrug 1981 13 Milliarden USD, gegen Ende seiner Amtszeit 500 Milliarden USD. Ohne zu fragen, wieviel an Dividende ausgeschüttet wurde oder zu welchem Teil die Wertsteigerung einfach auf Kapitalerhöhungen zurückgeht, ist das eine durchschnittliche Wertwachstumsrate von 20% pro Jahr (Business Week, 11. Dezember 2000, pp. 56-59).

Value-Management wurde anfangs spezifisch als Postulat interpretiert, Shareholder-Value zu steigern, womit der Wert einer Unternehmung zugunsten der Eigenkapitalgeber gemeint ist. Bei einer Aktiengesellschaft geht es beim Shareholder-Value-Ansatz darum, den Wert für die Aktionäre zu steigern (die ungeachtet der Zusammensetzung des Aktionärskreises wie eine einzige Person oder eine in sich homogene Gruppe von Personen betrachtet werden). Diese Zielsetzung, die heute übliche Notation und der weitere Ausbau des Shareholder-Value-Ansatzes zu einer regelrechten Managementlehre gehen auf RAPPAPORT zurück.4 Der Wert des Eigenkapitals ist gleich dem Gesamtwert der Unternehmung abzüglich dem Wert der Schulden, der Verpflichtung gegenüber Fremdkapitalgebern. Von daher ist die Zielsetzung, den Shareholder-Value zu steigern, identisch mit dem Ziel, den Gesamtwert der Unternehmung zu steigern — sofern (was in einer ersten Betrachtung akzeptabel ist) davon ausgegangen wird, daß die Maßnahmen keinen Einfluß auf den Wert des Fremdkapitals haben. Selbstverständlich geht es nicht darum, den Shareholder-Value durch den Einbehalt und die Thesaurierung von Gewinnen oder durch Entgegennahme weiterer Einlagen seitens der Aktionäre zu erhöhen. Vielmehr lautet das Postulat, den über die Einlagen hinausgehenden Wert zu maximieren. Dieser "Wert" ist eine Größe, die die Aktionäre nach Belieben realisieren können sollten. Es handelt sich dabei um die Marktkapitalisierung der Aktiengesellschaft, also um den Börsenkurs, multipliziert mit der Anzahl der Aktien in Umlauf.

4

1. ALFRED RAPPAPORT: Selecting Strategies that Create Shareholder Value. Harvard Business Review 59 (Mai/Juni 1981), pp. 139-149. 2. ALFRED RAPPAPORT: Creating Shareholder Value: The New Standard for Business Performance. Free Press, New York 1986.

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Was plausibel klingt, ist mit mikroökonomischen und finanztheoretischen Modellen untersucht worden. Die Fragen lauten: Ist den Aktionären wirklich am besten gedient, wenn der Marktwert der Unternehmung gesteigert wird? Kann, anstelle des Wertes des Eigenkapitals, der Gesamtwert der Unternehmung maximiert werden? Die Theorie antwortet auf beide Fragen mit Ja, aber es müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein. Die drei Voraussetzungen werden in der Fachsprache mit den Stichworten 1. Competitivity, 2. Spanning, 3. Information umschrieben. Sie verlangen, daß der Kapitalmarkt gut funktioniert. WOLFGANG KÜRSTEN erklärt:5 Erforderlich ist die Unbeeinflußbarkeit des Marktwertfunktionals durch die im Unternehmen getroffenen Entscheidungen (Competitivity), die Duplizierbarkeit der Eigen- und Fremdkapitaltitel einschließlich der Arbeitseinkommen der Manager mittels der umlaufenden Wertpapiere (Spanning) sowie die Vorab-Kenntnis der von den Managern getroffenen Entscheidungen beiden davon betroffenen Wirtschaftssubjekten (Information). Die ersten beiden Prämissen sind eher erfüllt als die dritte Voraussetzung. Sie verlangt, daß Aktionäre nicht von den Managern und deren Entscheidungen überrascht werden. In der Tat: Was denkt ein Aktionär, der aufgrund eines Geldbedarfs die Aktie irgendwann verkauft, und schon einen Tag später gibt es eine überraschende Ankündigung, begleitet von einem Kurssprung, für die sich später das Management feiern und loben läßt.

Solche, primär theoretische Argumentationen sind für die Praxis wichtig. Sie zeigen, daß der Shareholder-Value-Ansatz nicht nur Verbesserungen bei Produktion, Absatz und Organisation, sondern ebenso eine neue Art von Informationspolitik beinhalten muß. Aktionäre dürfen nicht über längere Zeit im Unklaren gelassen werden, bis dann und wann eine "große Mitteilung" erfolgt. Vielmehr müssen alle Entwicklungen und Neuigkeiten sofort transparent gemacht werden. Das heißt, daß Informationen oft — und daher in kleinen Schritten — gegenüber den Aktionären kommuniziert werden müssen. Beim Value-Management gilt: Reden ist Gold, Schweigen ist Silber. Gute Projekte, Maßnahmen, neue Produkte und interessante Vorhaben müssen dem Kapitalmarkt kommuniziert werden. Richtig: Die Aktionäre wollen Rendite sehen, doch sie nehmen im Vorfeld jede Information gern entgegen, die auf Rendite in der Zukunft hindeutet. Deshalb sind auch verbale Berichte gefragt. Eine Equity-Story ist immer willkommen.

5 WOLFGANG KÜRSTEN: "Shareholder Value" — Grundelemente und Schieflagen einer politökonomischen Diskussion aus finanzierungstheoretischer Sicht. Zeitschrift fiir Betriebswirtschaft 70 (2000), pp. 359-381.

LEXIKON Kommunikation

^Consulting^ .

Innenperspektive

Außenperspektive

Unternehmerische Maßnahmen

Kursbildung an der Börse

Bild 4: Value-Management verlangt, die in der Unternehmung ergriffenen Maßnahmen dem Kapitalmarkt und überhaupt der Außenwelt gegenüber zu kommunizieren. Zu vermeiden sind große Überraschungen der Aktionäre. Bei einer negativen Entwicklung beispielsweise sind frühzeitig Gewinnwarnungen angezeigt. Die Aktionäre sind nicht zufrieden, wenn sie immer wieder nur verbale Berichte hören, und nie die Wertschaffung in Form von Dividenden oder Kurssteigerungen realisieren können. Doch sind Ankündigungen in einer Welt der Unsicherheit hilfreich, genauere Prognosen zu treffen. Durch Ankündigungen wird Business schnell zum Show Business. Das Stichwort des Show Business verlangt den Hinweis, daß Börsen nicht so irrational sind, wie des öfteren kolportiert wird. Es müssen echte Maßnahmen im Inneren der Unternehmung verwirklicht werden, die in der Außenperspektive der Börse gesehen und geschätzt werden. Finanzmärkte sind (in etwa) informationseffizient. Das heißt, alle Informationen über die Unternehmung fließen in der Regel schnell und unverzerrt in die Kursbildung ein. Die informatorische Leistung der Kapitalmärkte wird zudem durch die Kommunikationspolitik des Managements unterstützt.

Wenn eine Aktie bei 100 Euro notiert, und es wird bekannt, daß die Unternehmung den Umsatz hat steigern können, wird kein Investor die Aktie für 100 Euro verkaufen. Doch Käufer treten auf, der Kurs steigt. Andererseits: Wenn der Vorstandsvorsitzende oder der Chief Executive Officer (CEO) zu auffällig sein Ego pflegt und nur Ankündigungen macht, die sich immer wieder bald als unrealistisch erweisen, werden die Kurse kaum steigen. Am Neuen Markt beispielsweise wurden des öfteren ad hoc Mitteilungen gemacht, um den Kurs nach oben zu treiben, was die Börsenaufsicht dazu veranlaßte, Regularien zu erlassen. Value-Management verlangt, Maßnahmen im Inneren zu ergreifen, die empirisch gesehen oder im (theoretisch fundierten) ökonomischen Verständnis die Basis für Kursavancen bilden. Parallel dazu müssen diese Maßnahmen auf eine sachgerechte Art angekündigt werden.

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Offensichtlich können eine Reihe von Maßnahmen zu einer Steigerung des Börsenwertes führen. Immer wieder werden fünf Gruppen von Maßnahmen genannt: 1. Produktion und Absatz: Operative Entscheidungen auf der Ebene der betrieblichen Leistungserstellung — die Optimierung der Produktion und Lagerhaltung, Verbesserungen im Marketing. Einführung neuer Prozesse und Technologien, etwa der Einsatz von Informationstechnologie oder von ressourcensparenden Konstruktionen. Neue Formen von Kundennutzen befriedigen, Lieferzeiten verkürzen, modischere Designs, besserer Service, Qualitätsverbesserungen. Zahlreiche kleine Verbesserungen summieren sich zu einem neuen Bild der Leistungsfähigkeit der Unternehmung. 2. Organisation: Verbesserungen bei der internen Koordination, der Führung und Motivation von Mitarbeitern. Abbau von Bürokratie dort, wo sie nur behindert. Vorgesetzte, die sich mehr um die anvertrauten Ressourcen kümmern, als nur einfach ihre Stelle inne zu haben. Eine Kultur der sachlichen Kritik entfalten. Elektronische Medien für die interne Kommunikation und Koordination einsetzen. 3. Unternehmensportfolio: Entscheidungen über Investitionsprojekte — hierzu gehören Forschung und Entwicklung, Produktentwicklungen, Akquisitionen, Investitionen in das Humankapital ebenso wie Desinvestitionen wie zum Beispiel der Verkauf einer Geschäftseinheit. Das Unternehmensportfolio muß so zusammengesetzt sein, daß es bei den Analysten und Aktionären (draußen im Kapitalmarkt) Gefallen findet. Empire-Building und die Vorliebe der TopManager für ein weltumspannendes Kaiserreich finden außen zumeist keinen Beifall. 4. Finanzen: Gestaltung der Kapitalstruktur der Unternehmung — wobei die Finanzseite vor allem für die Steuern von Belang ist, für das Risikomanagement und für das Signalisieren finanzieller Stärke. Wo können Derivate eingesetzt werden? Sollten die heutigen Finanzinnovationen und etwa die Securitization eingesetzt werden? Wie kann die Bonität der Unternehmung erhöht werden, um die Kosten für die Beschaffung und Bedienung von Fremdkapital zu senken? 5. Kommunikation: Regelmäßige Darstellung der Unternehmung und häufige Berichterstattung. Nutzung von Medien wie etwa des Internets. Eine sichtbare, transparente Informationspolitik fördert, daß die Vorteilhaftigkeit von Maßnahmen der Unternehmung an der Börse beobachtet wird und sich in eine entsprechende Kurssteigerung überträgt. Blumiger Optimismus ist abträglich, doch zeitnahe, sachliche Informationen werden geschätzt.

LEXIKON

Bild 5: Im Zentrum der Argumentation von RAPPAPORT steht die Ermittlung des Barwertes der Freien Cashflows. Die Freien Cashflows ergeben sich aus dem Geschäftsplan der Unternehmung für die kommenden Jahre.

Doch so lautet die Frage, wie kann ein Entscheidungsgremium innerhalb der Unternehmung abschätzen, welche Wirkung eine Maßnahme, über die konkret zu entscheiden ist, auf die Börse haben wird? Hierzu hat R A P P A P O R T ein einheitliches Rechenwerkzeug entwickelt. Es läuft darauf hinaus, alle Maßnahmen und Entscheidungen anhand ihrer jeweiligen Auswirkungen auf den Barwert der für die Zukunft erwarteten Freien Cashflows zu beurteilen.

Bild 6: Die Freien Cashflows ergeben sich aus den Cashflows abzüglich der geplanten Investitionen.

Mit dem Begriff Freier Cashflow soll berücksichtigt werden, daß ein Teil der für die kommenden Jahre geplanten und prognostizierten Cashflows dazu verwendet werden muß, um die im Geschäftsplan vorausgesetzten Investitionen zu bezahlen.

Freier Cashflow = Cashflow - Investitionen.

Das sind also jene Investitionen, deren Realisierung angenommen wurde, als die Cashflows prognostiziert worden sind. Mit anderen Worten: Für die Kapitalgeber ist die Unternehmung ein Strom, eine Kette oder eine Folge von Freien Cashflows aller kommenden Jahre. Der Wert der

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Unternehmung ist für die Kapitalgeber deshalb jener Betrag, der auf den Gegenwartszeitpunkt bezogen als Äquivalent der Folge unsicherer zukünftiger Freier Cashflows gilt. Ob eine Maßnahme, ein Projekt oder eine Variation des Geschäftsplans für die Kapitalgeber von Vorteil ist, zeigt sich am Wert, oder eben an den bewirkten Veränderungen des Wertes. Jedenfalls kommt es auf den Barwert, auf die Summe der diskontierten Freien Cashflows an. Die Summe aller diskontierten Freien Cashflows wird mit DCF abgekürzt, weshalb dieses quantitative Kriterium für die Vorteilhaftigkeit einer Entscheidung als DCF-Methode bezeichnet wird. Üblich ist, die aufgrund der Geschäftsplanung für die kommenden Jahre zu erwartenden Freien Cashflows mit FCFl, FC'F2, FCFJ,... zu bezeichnen. Wir können dann den DCF so schreiben — über den für die Diskontierung anzuwendenden Satz r und die Art der Diskontierung soll gleich etwas gesagt werden:

DCF

=

FCF,1 1+r

+

FCF' FCF,1 V2 + (1 + r) (1 + r)3

Obwohl diese Formel für den DCF (in Varianten) überall praktiziert wird und sie an die Formel des Barwertes erinnert, darf die Intuition nicht täuschen. Die zukünftigen Freien Cashflows sind unsichere Größen und es soll also ein Barwert einer Folge unsicherer Größen berechnet werden. Das setzt eigentlich zwei Operationen voraus: Mit der einen müssen unsichere Zahlungen in gleichwertige, sichere Zahlungen zum selben Zeitpunkt umgerechnet werden. Mit der anderen müssen zukünftige Zahlungen auf den heutigen Zeitpunkt bezogen werden. Beide Operationen werden durch den Finanzmarkt in der Praxis bewerkstelligt. Teilnehmer an den Finanzmärkten tauschen sichere gegen unsichere Zahlungen und sie tauschen Zahlungen zu einem Zeitpunkt gegen Zahlungen zu einem anderen Zeitpunkt. Doch es ist nicht so klar, wie der Barwert einer Kette zukünftiger unsicherer Zahlungen in Einklang mit den Finanzmärkten zu berechnen ist. Mit der DCF-Formel wird postuliert, dies sei möglich, indem die unsicheren zukünftigen Zahlungen — also die Freien Cashflows — zunächst durch ihre jeweiligen Erwartungswerte ersetzt werden. Die Erwartungswerte sind dann mit einer Rate zu diskontieren, die das Risiko widerspiegelt.

LEXIKON

34

Der Natur entsprechend ist es nicht direkt möglich, die Steigerung des Aktienkurses, die mit einer Maßnahme erhofft wird, gleichsam mit einer Formel zu errechnen. Denn die Kursbildung spielt sich in der Außenwelt ab. Hier sind die Denkweisen der Investoren maßgebend, auch die generelle Stimmung am Kapitalmarkt.

1000

Discourited-Cashflow

Bild 7: Ein wesentliches Glied der Argumentationskette des Shareholder-ValueAnsatzes ist die empirisch festzustellende hohe Korrelation zwischen dem DCF und der externen Bewertung an der Börse. Die einzelnen Punkte stellen verschiedene Unternehmen, eventuell in verschiedenen Jahren dar. Der korrelative Zusammenhang hat wohl auch theoretischen Gründe. Offenkundig sind Investoren an Freien Cashflows interessiert. Eine relativ einfache Betrachtung des Rechnungswesens zeigt, von welchen Größen der Freie Cashflow abhängt, so beispielsweise vom Umsatz, von den Produktionskosten und so fort. Hier muß das Management ansetzen.

Man darf nicht hoffen, den komplexen Vorgang der Kursbildung in ein einfaches Kalkül übertragen zu können um direkt auszurechnen, welche Kursveränderung eine Maßnahme bewirken wird. Der Wirkungszusammenhang zwischen Maßnahme und Aktienkurs läßt sich zwar nicht als eine Formel ausdrücken, wohl aber durch eine empirische Korrelation beschreiben. Weil es einen statistischen Zusammenhang zwischen dem DCF und dem Marktwert gibt, eignet sich der DCF als interne Zielgröße. Zudem können bei vielen Maßnahmen wie Umsatzsteigerungen oder Kostensenkungen anhand von Planrechnungen die Wirkungen auf die (erwarteten) Freien Cashflows FCF{, FCF2,FCF2,... vergleichsweise in klar nachvollziehbarer Weise aufgezeigt werden.

V A L U E - M A N A G E M E N T

Ist dann mit einer Behandlung des DCF als Zielgröße für interne Entscheidungen den Aktionären gedient? Ja, denn RAPPAPORT argumentierte, daß der Wert der Unternehmung für die Eigenkapitalgeber, so wie er durch die Kursbildung an der Börse zustande kommt, und der DCF miteinander hoch korreliert sind. Das bedeutet: Wer den DCF steigert, bewirkt mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Anstieg der Marktbewertung der Unternehmung. In Kürze ist die Argumentation diese: 1. Aktionäre sind an einem hohen tatsächlichen Wert ihrer Investition interessiert, also, vereinfachend gesprochen, an hohen Börsenkursen. Der Kurs kommt durch den Handel an der Börse zustande, also vor allem durch Erwartungen, Informationen und Stimmungen. Der Wert der Aktiengesellschaft gehört zu einer Außenperspektive. 2. Die Empirie belegt, daß die Marktkapitalisierung und der DCF, der Wert der Innenperspektive, miteinander hoch korreliert sind: Eine Erhöhung des DCF ist in den meisten Fällen mit einem höheren Börsenwert assoziiert, eine Verringerung des DCF geht vielfach einher mit einem geringeren Börsenwert. Noch nicht gesprochen wurde über den Diskontfaktor, mit dem der Barwert der zukünftigen Freien Cashflows ermittelt wird. Während die Freien Cashflows der Geschäftsplanung für die kommenden Jahre entnommen werden, wird der Diskontfaktor bei der Berechnung des DCF in Höhe der den jeweiligen Risiken entsprechenden Renditeforderung angesetzt. Die Manager der Unternehmung haben daher ihre internen Entscheidungen so zu kalkulieren, daß aufgrund der Entscheidungen erwartet werden darf, daß die Unternehmung die marktübliche Renditeerwartung erwirtschaften kann. Kalkulatorische Ansätze für den Einsatz von Ressourcen werden als Kosten bezeichnet. Von daher fließen die marktgerechten Renditeerwartungen als Kapitalkosten in das Kalkül ein. Eigenkapitalkosten sind der kalkulatorische Ansatz für eine marktgerechte Renditeforderung der Eigenkapitalgeber und dienen der wirtschaftlichen Beurteilung von Projekten, Maßnahmen und Geschäften. Sind die Kalkulationen und die Projektentscheidungen jedoch so, daß die marktübliche Rendite wohl nicht erzielt werden kann, so dürften vermutlich die Kurse fallen, denn die tatsächlichen Maßnahmen des Managements bleiben dem Kapitalmarkt nicht verborgen. Aufgrund der Visibilität unternehmerischer Entscheidungen werden die Kurse nur steigen, wenn das Management durch Projekte und ihre Ausführung die marktüblichen Erwartungen erfüllt oder übertrifft.

LEXIKON

Empirie belegt hohe Korrelation zwischen DCF und Marktkapitalisierung

\ \ \ \

, Innenperspektive

Außenperspektive

DCF, ermittelt aus den Prognosen der zukünftigen Cashflows anhand der Geschäftsplanung

Wert der Aktiengesellschaft als Marktkapitalisierung (Anzahl Aktien multipliziert mit Börsenkurs)

t Privatinvestoren

Institutionelle Investoren

Werttreiber

^^onsulting^ .

Produktion und Absatz, Organisation Unternehmensportfolio Finanzen

Bild 8: Werttreiber — sie zu identifizieren und umzusetzen helfen Unternehmensberatungen — beeinflussen den DCF. Der DCF ist nach RAPPAPORT die wichtigste Wertgröße der Innenperspektive. Wie bereits festgestellt, ist der DCF hoch korreliert mit dem Wert, wie er sich tatsächlich an der Börse einstellt. Die Verbindung zwischen Innenperspektive und Außenperspektive wird somit durch empirische Studien zur Korrelation belegt, die gleichwohl ihre theoretischen Begründung finden kann. Die erwähnten Maßnahmen in den Bereichen Leistungserstellung, Organisation und Unternehmensportfolio beeinflussen primär den DCF. Sie lassen sich gegenüber Analysten und Investoren kommunizieren, so daß die beabsichtigte Kursänderung unmittelbar eintreten dürfte.

Doch wie hoch ist die marktgerechte Rendite, wie hoch sind also die Kapitalkosten? In der Zeit, in der RAPPAPORT den DCF-Ansatz entwikkelte, erlangte das Capital Asset Pricing Model (CAPM) große Beachtung. Das CAPM beschreibt die Höhe der zu erwartenden Rendite, die sich in einem Kapitalmarkt einstellt. Das CAPM besagt: Kurse an den Börsen stellen sich so ein, daß jeder Aktionär eine Rendite erwarten kann, die neben dem Zinssatz eine Risikoprämie enthält, und diese Risikoprämie ist proportional zum "Risiko" des Engagements. Das Risiko wird durch Beta gemessen, ein Maß für das nicht diversifizierbare Risiko der Unternehmung. Die Wünsche der Eigenkapitalgeber können mit diesem Modell als eine "Marktrendite" ausgedrückt und der Höhe nach bestimmt werden.

VALUE-MANAGEMENT

3 7

Die DCF-Methode beruht eigentlich auf einem alten Konzept: Entscheidungen über Projekte werden anhand des jeweiligen Kapitalwertes oder Barwertes kalkuliert. Letzten Endes verbirgt sich hinter dem Kapitalwertkriterium die FisherSeparation, benannt nach dem Mathematiker, Geldtheoretiker und Ökonom IRVING FISHER (1867-1947). Beim Kapitalwertkriterium werden "Beträge" diskontiert, die dem Betreiber des Projektes entweder zufließen oder von ihm für eine andere, als ebenso rentabel unterstellte, Investition verwendet werden können. Neu indessen ist die auf FRAPPAPORT zurückgehende Präzisierung: • Die Kapitalkosten liefern den Nenner bei der Barwertberechnung. Folglich erlauben es die Kapitalkosten zu kalkulieren, welchen Wert ein Projekt besitzt. • Die zu diskontierenden "Beträge" sind weder Gewinne, noch andere Buchgrößen, noch Dividenden. Es sind die für die zukünftigen Jahre zu erwartenden Freien Cashflows. hat um 1990 mit einer Reihe von Arbeiten gerade diese beiden Spezifizierungen vorgestellt und begründet. Er hat um diese Erkenntnis eine Lehre entwickelt, in deren Vordergrund die Identifizierung und die Steuerung von Werttreibern zur Steigerung des Shareholder-Values stehen. Nochmals: Die ursprünglichen Arbeiten zum Wertmanagement haben geklärt, welche Größen eigentlich zu diskontieren sind, wenn der Barwert eines Projektes berechnet wird. Es sind die Freien Cashflows. RAPPAPORT

Außenperspektive und Innenperspektive Die skizzierten Gedankengänge verbinden zwei Perspektiven: Eine der beiden Perspektiven ist die externe Sicht der Börse. Sie wird als Außenperspektive bezeichnet. Die Akteure hier sind die Analysten, die institutionellen und die privaten Investoren. Eine quantitative Beschreibung der Außenperspektive wird als Marktmodell bezeichnet. Das vorherrschende Marktmodell ist das CAPM. Die andere Perspektive ist die der Innenwelt. Hier kann das Management Entscheidungen treffen, Maßnahmen ergreifen. Im Kalkül der Manager können interne Größen, Kennzahlen und Sachverhalte beeinflußt werden, wie beispielsweise die Freien Cashflows. Wie die denkbaren Maßnahmen auf diese Größen, Kennzahlen und Sachverhalte wirken, ist Gegenstand betriebswirtschaftlichen Wissens. Die Außenperspektive ist die Welt der Investoren. Die Innenperspektive ist die Welt der Unternehmer.

LEXIKON Anerkennung der Ansprüche von Investoren heißt, die Innenperspektive so zu gestalten, daß sie der Außenperspektive entgegen kommt. Value-Management verlangt, daß sich die Manager eine Innenperspektive zurecht legen, die sich an die Außenperspektive anpaßt. Vor einigen Jahrzehnten noch hatten die Top-Manager gedacht, sie könnten die Innenperspektive nach eigenem Gutdünken frei wählen, und die Außenperspektive müsse sich angleichen. In jenen Jahren überlegten die Top-Manager, eventuell gemeinsam mit den Ingenieuren und Bürokraten, wie sie ihre Unternehmung "gut" führen wollten. Man suchte nach Kennzahlen zur Messung der Zielerreichung und ließ sich von Consulting-Firmen strategisch beraten. All das vollzog sich in einer Innenwelt, und es wurde kaum gefragt, wie die Investoren das eigentlich beurteilen würden. Vielfach wunderten sich die Manager, daß die Börse nicht erkannte, wie gut zu sein sie selbst glaubten. 1. Value-Management verlangt, die Innenperspektive an die Außenperspektive anzugleichen. Mit den internen Zielen, die in der Unternehmung verfolgt werden, sollen gleichzeitig die Ziele gefördert werden, die in der Außenperspektive im Vordergrund stehen. 2. Ein hinlänglich gutes Modell zur Beschreibung der Außenperspektive ist das CAPM: Das für einen diversifizierenden Investor relevante Risiko wird durch Beta gemessen, und im Kapitalmarkt stellt sich aufgrund von Angebot und Nachfrage nach Aktien ein Gleichgewicht so ein, daß die erwartete Aktienrendite gleich dem Zinssatz plus einer zu Beta proportionalen Risikoprämie ist. Die anzustrebende Angleichung der Innenperspektive an die Außenperspektive verlangt daher, die marktgerechte Rendite allen Kalkulationen in der Unternehmung zugrunde zu legen. Der Einsatz von Ressourcen wird in der Kalkulation durch Kosten bewertet. Also ist die durch das CAPM ermittelbare Renditeerwartung in Form von Eigenkapitalkosten in gleicher Höhe zu berücksichtigen. Zweifellos haben die Überlegungen hinsichtlich der Bedeutung von Kapitalkosten eine deutliche Präzision bei der Kalkulation und bei der Beurteilung von Projekten bewirkt. Wenngleich es in vielen Übungsaufgaben in Lehrbüchern bei einem Projekt immer um die "Anschaffung einer Maschine" geht, vollziehen sich die für Geschäftsleitung wichtigen Projekte auf einer in der Aggregation höheren Ebene. Zu den wichtigsten Projekten gehören jene, bei denen eine Unternehmung umstrukturiert wird, bei denen Geschäftsbereiche ausgegliedert werden. Ebenso stellen Akquisitionen Projekte dar, die es zu bewerten gilt.

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Value-Management die Innenperspektive Außenperspektive

verlangt, an die anzugleichen

>•

Bild 9: Die Innenperspektive oder die Welt der Unternehmung ist auf Größen, Kennzahlen und Sachverhalte ausgerichtet, die mit unternehmerischen Maßnahmen beeinflußt werden können. Die Art und Weise, wie Maßnahmen auf diese Größen, Kennzahlen und Sachverhalte wirken, ist Gegenstand der betriebswirtschaftlichen Forschung. Weil diese Größen, Kennzahlen und Sachverhalte der Innenperspektive direkt beeinflußt werden können und weil man weiß, wie das geht, eignen sie sich als interne Ziele. Beim Value-Management wird verlangt, daß die internen Ziele so gewählt sind, daß indirekt die Ziele angestrebt werden, die in der Außenperspektive im Vordergrund stehen.

Dennoch: Die Entscheidungen, die anhand des Barwertes der Freien Cashflows bewertet werden, betreffen grundsätzlich alle Ebenen der Unternehmung: die Wahl der Strategie, die Gestaltung des Corporate Portfolios, die Grundsätze der Führung, die Festlegung und Ausgestaltung von Investitionsalternativen, den Managementansatz, bis hin zu den täglichen Festlegungen im operativen Geschäft der Unternehmung. In diesem Sinn wurde gerade in der Anfangszeit das ValueManagement als Einsatz der Rechenmethode verstanden, mit deren Hilfe das marktgerecht zu entlohnende Eigenkapital korrekt bewertet werden kann, so daß Investitionsentscheidungen richtig getroffen werden können.

LEXIKON

40

CAPM und Kapitalkosten Aufgrund der Bedeutung des CAPM muß es hier noch etwas eingehender dargestellt werden. Es ist eine alte Geschichte, daß Risiken bis zu einem gewissen Umfang in den Portfolios diversifiziert werden können. Es wäre für den einzelnen Investor ein unnötiger Nachteil, solche Risiken zu übernehmen und zu tragen, die durch Diversifikation ausgeglichen werden könnten. Sofern sich ein risikoaverser Investor rational verhält, ist er optimal diversifiziert. Niemand darf deshalb hoffen, für die Übernahme diversifizierbarer Risiken im Kapitalmarkt irgendeine Entschädigung zu erhalten. Risiken, die im Prinzip mit den zur Verfügung stehenden Instrumenten diversifizierbar wären, heißen unsystematisch Finanzmärkte bieten keinen Renditevorteil für das Tragen unsystematischer Risiken. Andererseits stellen Finanzmärkte für das Tragen nicht mehr weiter finanziell diversifizierbarer Risiken einen Renditevorteil in Aussicht, eine Risikoprämie. Der Grund: Das Kollektiv der Investoren ist risikoavers. Ohne eine Entschädigung dafür zu erhalten, wollte niemand Risiken übernehmen. Solche, nicht weiter diversifizierbare Risiken, deren Übernahme vergütet wird, fj heißen systematisch.

^

Diese Argumentation läßt vermuten, daß die mit einer einzelnen Investition verbundene Renditeerwartung um so höher ist, je größer das systematische Risiko ist. Liegt kein systematisches Risiko vor, sollte das Instrument als Rendite den Zinssatz bieten. Jedoch läßt die bisherige Argumentation zwei Fragen offen: 1. Wie kann das systematische Risiko präzisiert werden und wie hängt es mit der bislang betrachteten Streuung der Rendite zusammen? 2. Wie sieht der genaue Verlauf der Funktion aus, die wiedergibt, wie in Finanzmärkten die Renditeerwartung einer Einzelanlage von ihrem systematischen Risiko abhängt? Beide Fragen werden durch das Capital Asset Pricing Model (CAPM) beantwortet. Das CAPM trifft Aussagen, die für alle Einzelanlagen k = l, 2,..., n gelten, aus denen ein Marktportfolio M gebildet wurde. Die Antwort auf die erste Frage lautet: •

In der durch MARKOWITZ begründeten klassischen Portfoliotheorie wird unter Risiko die Tatsache verstanden, daß die Rendite für die kommende Anlageperiode unsicher ist, und die Unsicherheit kann durch die Streuung (Standardabweichung, Wurzel aus

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der Varianz) der Rendite ausgedrückt werden. D a s Risiko des mit k bezeichneten Instruments wird mit ak bezeichnet. •

Diversifikationsmöglichkeiten w e r d e n durch den Koeffizienten der Korrelation erfaßt. Je kleiner der Korrelationskoeffizient ist, desto größer sind die Möglichkeiten der Diversifikation und desto geringer ist das systematische Risiko. J e größer der Korrelationskoeffizient ist, desto geringer sind die Möglichkeiten der Diversifikation und desto größer ist das systematische Risiko.

Mk

Bild 10: Die Renditeerwartung bei einer Geldanlage in eine Aktie muß mit dem systematischen Risiko zunehmen. Das CAPM besagt: 1. Das systematische Risiko wird durch das Beta gemessen. 2. Die funktionale Beziehung zwischen Renditeerwartung und systematischem Risiko ist linear. 3. Ein Instrument mit einem Beta von 1 hätte eine Renditeerwartung in Höhe der Renditeerwartung des Marktportfolios. Die Darstellung der Aussagen des CAPM im Beta-ReturnDiagramm ist die sogenannte Wertschriftenlinie oder Security Market Line (SML). Alle einzelnen Instrumente sind auf der SML zu positionieren.

Das systematische

Risiko des mit

k

bezeichneten

Instruments

ist

gleich d e m Produkt des Risikos dieser Investition (Renditestreuung a k ) und d e m Koeffizienten der Korrelation pk

M

zwischen der Rendite dieser

Kapitalanlage u n d der Rendite des Marktportfolios,

Systematisches Risiko

=

ak

'PkM

LEXIKON Wird das Systematische Risiko der Einzelanlage H n Relation zum Marktrisiko gesetzt, welches durch a M gegeben ist, entsteht der sogenannte Beta-Faktor oder kurz das Beta der Investition. Das Beta mißt daher das relative systematische Risiko.

ßk

Die Antwort auf die zweite Frage lautet: Die erwartete Rendite fik der Einzelanlage k ist gleich dem Zinssatz i plus einer Prämie, die proportional zu Beta ist, Mk = i +

(Mu-i)-ßk-

Das CAPM spezifiziert überdies die Höhe des bei dieser Linearität auftauchenden Proportionalitätsfaktors: Er ist durch die Überrendite des Marktportfolios bestimmt. Das CAPM beantwortet die Frage nach dem genauen Verlauf der Abhängigkeit der Renditeerwartung pik von dem durch Beta gemessenem systematischen Risiko. Die Abhängigkeit ist linear. Damit sind die beiden Fragen beantwortet. Um das CAPM anzuwenden, um eine Modellrechnung für die im Kapitalmarkt verlangte Renditeerwartung durchzuführen, muß als erstes entschieden werden, wie weit der Kapitalmarkt verstanden wird und welcher Index als Proxy für das Marktportfolio genommen werden kann. Ist es eine Branche, der nationale Markt oder der Weltmarkt. Sodann muß, damit man zu numerischen Ergebnissen gelangt, die Überrendite /uM - i geschätzt werden. Historische Zeitreihen führen hier auf Schätzungen in der Höhe von 4% bis 5%. Schließlich muß das konkrete Beta des zu kalkulierenden Projektes geschätzt werden. Hier tut man sich in der Praxis am schwersten. Vielfach sind nur Analogieschlüsse möglich. Womöglich liefert das CAPM für die praktische Arbeit lediglich Anhaltspunkte: Erstens ist die marktgerechte Rendite um so höher, je größer das Risiko der Investition ist. Zweitens ist es wichtig abzuschätzen, wie hoch die Diversifikation ist.

V A L U E - M A N A G E M E N T

Das CAPM wurde um 1962-1965 entwickelt. Als Schöpfer gilt WILLIAM F. SHARPE (geboren 1934 in Boston). In seiner Autobiographie schreibt SHARPE, daß er seinen Aufsatz zum CAPM 1962 beim Journal ofFinance eingereicht habe. Die Arbeit ist aber erst 1964 erschienen. Auch JOHN LINTNER hatte in dieser Richtung gearbeitet, sein Aufsatz wurde 1965 publiziert. Einige Forscher sprechen daher von der Sharpe-LintnerVersion des CAPM. SHARPE erwähnt, daß JACK L. TREYNOR ähnliche Ergebnisse erzielte und 1963 an amerikanischen Universitäten in unveröffentlichter Form kursieren ließ. Verallgemeinerungen stammen von JAN MOSSIN 1966 und von ROBERTC. MERTON 1973.®

Jüngere empirische Forschungen haben Zweifel genährt, ob das CAPM die Wirklichkeit an den Kapitalmärkten hinreichend genau beschreibe. EUGENE F. FAMA und KENNETH R. FRENCH (University of Chicago) haben zahlreiche historische Zeitreihen untersucht und kamen 1992 zu dem Ergebnis, daß, besonders in gewissen historischen Zeitabschnitten, man zwei anderen Faktoren höhere Erklärungskraft für die Renditeerwartung zubilligen müsse. • Das ist zum einen die Größe der Unternehmung: Kleine Unternehmen zeigten höhere Renditen als große Unternehmen (Size Effect). • Zum anderen hat die Relation zwischen Marktwert und Buchwert empirische Bedeutung. Die sogenannte Market-To-Book-Ratio, kurz M/B ist heute eine von Analysten viel beachtete Kennzahl. Je größer M/B ist, desto geringer ist die Renditeerwartung.7 Trotz dieser und anderer Kritiken hat sich kein anderes Modell als so kraftvoll erwiesen, daß es das CAPM hätte verdrängen können. Das CAPM ist das dominante Modell. Wenn die marktgerechte Rendite, unter Umständen nur mit diesen Anhaltspunkten, ermittelt oder geschätzt wurde, sind indessen noch weitere Aspekte zu berücksichtigen.

Literatur: 1. WILLIAM F. SHARPE: Capital Asset Prices: A Theory of Market Equilibrium under Conditions of Risk. Journal of Finance 19 (September 1964), pp. 425-442. 2. JOHN LINTNER: The Valuation of Risk Assets and the Selection of Risky Investments in Stock Portfolios and Capital Budgets. Review of Economics and Statistics 47 (February 1965), pp. 13-37. 3. JAN MOSSIN: Equilibrium in a Capital Asset Market, Econometrica 34 6

(October

1 9 6 6 ) , p p . 2 6 1 - 2 7 6 . 4. ROBERT C . MERTON: A n I n t e r t e m p o r a l C a p i t a l A s s e t

c i n g M o d e l . Econometrica 7

Pri-

4 1 ( 1 9 7 3 ) 5 , pp. 8 6 7 - 8 8 7 .

EUGENE F. FAMA u n d KENNETH R. FRENCH: T h e C r o s s - S e c t i o n of e x p e c t e d S t o c k R e t u r n s .

Journal

of Finance

4 7 ( 1 9 9 2 ) , p p . 4 2 7 - 4 6 5 . 2. ROBERT C. MERTON: A n I n t e r t e m p o r a l

tal Asset Pricing Model. Econometrica 41 (1973) 5, pp. 867-887.

Capi-

LEXIKON

44

1. Alle Anwendungen des CAPM auf liquide Aktien. Finanzinvestoren verlangen bei wenig liquiden Engagements eine zusätzliche Vergütung, eine Liquiditätsprämie. Die Liquiditätsprämie kann durchaus zwischen 2% und 4% betragen. Daraus wäre die Forderung abzuleiten, Projekte mit höheren Kapitalkosten zu kalkulieren, damit eine Prämie nicht nur für das Risiko sondern auch für die geringe Liquidität eines einzelnen Projektes berücksichtigt wird. Diese Forderung ist jedoch nur dann zu erheben, wenn ein Projekt als eine einzelne Anlagemöglichkeit betrachtet wird und als Single Purpose Company gestaltet wird. In den meisten Fällen ist jedoch ein Projekt Teil einer größeren Unternehmung, deren Aktien liquide gehandelt werden. Dann ist zu fragen, ob die Entscheidung für das Projekt die Liquidität der Aktien der Unternehmung verschlechtert. Die Antwort hierauf ist in diesen Fällen Nein. Es kommt also auf eine Grenzbetrachtung an. 2. Die Anwendungen des CAPM beziehen sich vor allem auf große Aktiengesellschaften, bei denen eine plötzlicher Konkurs fast auszuschließen ist. Wird dagegen ein Projekt in einer Unternehmung bewertet, dann ist in der Regel eine größere Wahrscheinlichkeit gegeben, daß das Projekt nicht wie geplant abläuft, sondern sich vorzeitig als Flop herausstellt. Bei einem substantiellen Flop-Risiko würde jeder Investor eine höhere Rendite fordern. Deshalb muß gegebenenfalls hierfür ein Zuschlag bei den Kapitalkosten vorgesehen werden.

Stakeholder-Value Eine weitere Sicht — Stakeholder-Value Diese Auffassung ist eng auf das Kapital bezogen. Wer diesem Ansatz uneingeschränkt folgt, setzt sich in unserer Gesellschaft dem Vorwurf aus, die bedingungslos auf den Shareholder-Value ausgerichtete Zielsetzung sei einseitig. Ein Argument lautete, der Kreis der Anspruchsberechtigten müsse weiter gezogen werden. Nicht nur die Shareholder, auch andere Personen und Gruppen, so die Argumentation, hätten etwas eingesetzt, auf dem Spiel — oder wie die Angelsachsen es ausdrükken: at the stake. Die Wünsche aller dieser Stakeholder sollten daher bei den Entscheidungen der Unternehmung angemessene Berücksichtigung finden, nicht nur die Interessen der Shareholder allein.

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EDWARD R. FREEMAN hat den Begriff des Stakeholders auf zweifache Weise definiert (Strategie Management — A Stakeholder Approach. Pittman Books, Marshfield 1984): • Im weiteren Sinne sind Stakeholder "any identifiable group or individual who can affect the achievement of an organization's objectives." • Im engeren Sinne werden nur solche Personen oder Gruppen als Stakeholder betrachtet "on which the organization is dependent for its continued survivaf' Der Stakeholder-Value-Ansatz postuliert, der DCF dürfe zur Findung optimaler Entscheidungen und Maßnahmen nur mit der Einschränkung eingesetzt werden, daß die berechtigten Ansprüche seitens der übrigen Stakeholder nicht negiert werden. Entweder werden sie erfüllt oder aber die Stakeholder werden kompensiert. Das ist eine starke Einschränkung gegenüber der bedingungslosen Maximierung des DCF. Diese Betrachtungen haben zu einer intensiven Erörterung des Kreises der Anspruchsberechtigten und der Zielsetzung der Unternehmung geführt. Die Diskussion der Maßnahmen und der Werttreiber darf wie beim Shareholder-Value-Ansatz frei erfolgen. Doch dann werden Maßnahmen nicht weiter verfolgt, wenn sie die Ansprüche der Shareholder entwerten würden. Oder aber es werden explizit Kompensationen bemessen. Sie gehen dann zu Lasten des DCF. 8

Wer entscheidet in einer Institution? Die Wirtschaftswissenschaften untersuchen die Kooperation von Personen bei wirtschaftlicher Aktivität. Niemand lebt in der Welt der Romanfigur ROBINSON C R U S O E , der im wesentlichen allein wirtschaften mußte. Wir alle kooperieren. Dadurch können Vorteile der Spezialisierung und der Größe erzielt werden. Zusammenarbeit ist vorteilhaft. Die "wirtschaftliche" Natur einer Aktivität ist nicht notwendig als gewerbliches Motiv oder als Gewinnstreben zu interpretieren — das wäre zu eng. Aber es geht bei "wirtschaftlicher" Aktivität darum, Ressourcen einzusetzen, dabei ein gewisses Ziel anzustreben, eine Ergebniskontrolle vorzunehmen und allgemeine ökonomische Grundsätze zu beachten wie etwa den der Effizienz, die Vermeidung unnötiger Verschwendung.

g Eine frühe Analyse geht zurück auf: BRADFORD CORNELL und ALAN C. SHAPIRO: Corporate Stakeholders and Corporate Finance. Financial Management ( 1987), pp. 5-14.

LEXIKON

Empirie belegt hohe Korrelation

Innen perspektive

Außenperspektive

DCF, nun abzüglich von Kompensationen, die Stakeholdern gezahlt werden

Wert der Aktiengesellschaft als Marktkapitalisierung (Anzahl Aktien multipliziert mit Börsenkurs)

Abklärung mit den Stakeholdern, ob und inwieweit die diskutierten Maßnahmen ihre Ansprüche entwerten würden, und ob die Maßnahmen deshalb zu unterlassen sind, beziehungsweise ob mit Kompensationszahlungen ein Einverständnis und eine gemeinsame Basis für das weitere Vorgehen erreicht werden kann

Bild 11: Der Ablauf der Wertsteigerung verläuft beim Stakeholder-Value-Ansatz ähnlich wie beim Shareholder-Value-Ansatz, nur kommen von den denkbaren Maßnahmen nur solche für eine Verwirklichung in Betracht, bei denen die Ansprüche der Stakeholder nicht entwertet werden, oder es müssen Kompensationen ausgehandelt werden.

Kooperation setzt voraus, daß sich die Beteiligten koordinieren und daß sie darin übereinkommen, wie das Ergebnis aufzuteilen ist, wer die Risiken trägt, und so fort. Jede Kooperation setzt daher eine Einigung über diese Punkte voraus. Viele Kooperationen wirtschaftlicher Aktivitäten vollziehen sich nicht nur einmalig, sondern wiederholt. Es wäre dann wenig zweckmäßig (unökonomisch), sich jedesmal von neuem darüber zu einigen, wer was einbringt, wie koordiniert, wie aufgeteilt werden soll und wer die Risiken trägt. Diese Regelungen werden einmal getroffen, dann im wesentlichen beibehalten, gleichsam festgeschrieben und allen Interessierten mitgeteilt. Durch solche Einrichtungen entsteht eine Institution. Im heutigen Leben gibt es vielfältige Institutionen. Allen voran ist hier der Typ der Unternehmung zu sehen, und diesen Typ gibt es zweifellos in verschiedenen Varianten. Ebenso gibt es öffentliche Einrichtungen, Kommunen, Universitäten und so fort. Es wäre wohl falsch, sie als "unwirtschaftlich" zu bezeichnen (nur weil sie kein Gewinnziel verfolgen). Sie haben gemeinwirtschaftliche Ziele.

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Wenn für die wiederholte ökonomische Zusammenarbeit Institutionen (Unternehmen, Organisationen) gebildet werden, stellt sich die Frage, wie die Koordination und die Ergebnisverteilung gestaltet werden sollten. Eine erste spontane Antwort könnte lauten: Alle sollten entscheiden. Unser heutiges Wirtschaftsleben weist viele Institutionen auf, und in einigen können tatsächlich "alle" entscheiden. Gemeint sind die Instanzen der demokratischen Willensbildung. Allerdings hat die Geschichte uns Menschen gelehrt, daß Organisationen zweckmäßig sind, in denen nicht alle entscheiden, sondern in denen nur eine Personengruppe entscheidet, während die anderen Personengruppen eine Wahl haben. Die Wahlmöglichkeit dieser anderen Personengruppen besteht darin, zwischen einer Kooperation (unter der besprochenen Leitung) in der Unternehmung oder Organisation oder dem Fernbleiben von der konkreten Institution zu wählen. Wichtig bei einer solchen Wahl ist, daß das Wirtschaftsleben so reichhaltige und vielfältige Gelegenheiten bietet, daß ein Fernbleiben nicht mit unerträglichen Nachteilen verbunden ist. Bei einem Gruppenentscheid stellt sich stets die Frage nach der Zusammensetzung der Gruppe und damit der vertretenen Interessen. Die Wünsche und Ziele welcher der beteiligten Personen oder Personengruppen sollten letztlich der Maßstab und das Kriterium dafür sein, welche Entscheidungen in der Institution getroffen werden und für die Institution als "gut" und "richtig" anzusehen sind. Die Geschichte gelehrt, daß es zweckmäßig ist, in der Institution jene Person oder Personengruppe entscheiden zu lassen, die "auf eine besondere Weise" mit der Institution in Verbindung stehen. Value-Management verlangt im ersten Schritt die Anerkennung berechtigter Ansprüche. In erster Linie sollen bei den Entscheidungen in einem Unternehmen, in einer Organisation oder Institution die Wertvorstellungen jener Gruppe berücksichtigt werden, die auf besondere Weise mit der Unternehmung, Organisation oder Institution in Verbindung steht. 1. Dabei handelt es sich um jene Personengruppe, die entweder das Residuum erhält, also am direktesten die Konsequenzen der Entscheidungen trägt: Wer die Risiken trägt, soll entscheiden. 2. Oder es handelt sich um jene Personengruppe, deren Engagement und Einsatz sehr stark die Unternehmung oder Organisation begünstigen oder beeinträchtigen könnte: Werden größten Einfluß hat, soll entscheiden.

LEXIKON

3. Oder es handelt sich um jene Personengruppe, die eine liquide Ressource zur Verfügung stellt (oder jederzeit entziehen könnte) und daher mit ihren Wünschen und Vorstellungen schon aus rein pragmatischen Gründen im Entscheidungsprozeß berücksichtigt werden muß: Wer am kritischsten ist, soll entscheiden.

Shareholder, Stakeholder und Familien Wir kommen auf den Grundsatz zurück: Wer die Konsequenzen tragen soll, dem muß das Recht zukommen, zu entscheiden. Wenn diese Person oder Gruppe nicht selbst entscheidet sondern diese Aufgabe delegiert, so muß ihr das Recht zugestanden werden, jene Personen frei wählen, berufen und entlassen zu können, an die sie das Management delegieren will. Für die großen und etablierten Aktiengesellschaften, die Blue-Chips, ist diese Gruppe das Aktionärspublikum. Privatpersonen, Fondsmanager (die wiederum für Privatpersonen handeln) und institutionelle Investoren halten die Aktien der Blue-Chips. Die Aktie einer Unternehmung oder die Aktiengesellschaft selbst werden als Blue-Chip bezeichnet, wenn die Gesellschaft eine Marktkapitalisierung in der Größenordnung von 10 Milliarden Euro aufweist. Beträgt die Marktkapitalisierung größenordnungsmäßig 1 Milliarde Euro, wird von einem Mid-Cap gesprochen, bei 100 Millionen von einem Small-Cap und bei 10 Millionen von einem Micro-Cap. Ein Börsengang an den Neuen Markt, ein Initial Public Offering (IPO), setzt eine Marktkapitalisierung von etwa 50 Millionen Euro voraus.

Die Manager ebenso wie die Mitarbeiter der großen Aktiengesellschaften müssen anerkennen, daß Aktionäre Eigenkapital zur Verfügung stellen und ein mit Risiken behaftetes Ergebnis hinnehmen, während Mitarbeiter und Manager für ihren Einsatz eher mit einem festen Lohn honoriert werden. Aktionäre haben Wertvorstellungen, die sich in Börsenbewertungen ausdrücken. Das Postulat des Wertmanagements läuft daher für diese Unternehmungen (Blue-Chips) darauf hinaus, den Shareholder-Value zu steigern. Was bedeutet das? Die Aktionäre von großen und etablierten Gesellschaften sind Portfolio-Finanzinvestoren: •

Sie sind an einer liquiden und rentablen Geldanlage interessiert und möchten, daß von der Unternehmung jene Maßnahmen ergriffen werden, die sich in nicht allzu femer Zukunft als Dividende oder Kurssteigerung bemerkbar machen.

V A L U E - M A N A G E M E N T

49

Sie diversifizieren. Eine jede Aktie ist nur eine der Komponenten gut diversifizierter Portfolios. Dadurch hat das "Schicksal" einer einzelnen Komponente nur beschränkte Bedeutung für das gesamte Portfolio.



In gewissen Umgebungen verlangt Wertmanagement, die Wertvorstellungen weiterer Anspruchsgruppen zu berücksichtigen. Tiefgreifende Restrukturierungen oder die Liquidation der Unternehmung würden die impliziten Ansprüche der Stakeholder entwerten, weshalb gerade diese Veränderungen der Unternehmung bei der Wertvorstellung der Stakeholder nicht in Frage kommen. Dann lautet das Postulat der Wertsteigerung, diese Zusagen einzuhalten, die impliziten Ansprüche der Stakeholder anzuerkennen, allenfalls zu kompensieren. Auf eine Kurzformel gebracht: Der Stakeholder-Value soll gesteigert werden. Das soll bedeuten: Der Shareholder-Value darf nur unter der Nebenbedingung maximiert werden, daß die berechtigten, auf implizite Zusagen zurückgehende, Ansprüche der Stakeholder nicht entwertet werden. Die Situation eines erweiterten Kreises von Anspruchsberechtigten liegt vor, wenn die Unternehmung implizite Zusagen gemacht hat, deren Einhaltung die Fortführung der Unternehmung voraussetzt. In einigen europäischen Ländern haben Familienunternehmen große Bedeutung. Es wird geschätzt, daß der Wert der Familienunternehmen in Deutschland — vielfach sind die Beteiligungstitel (GmbH-Anteile) nicht an einer Börse gehandelt — viermal so groß ist wie die der börsennotierten Aktiengesellschaften. Bei den meisten Familienunternehmen sind die Wertvorstellungen von den beiden bisher genannten Gruppen verschieden. •

Die Familienunternehmung bildet den Hauptteil des Familienvermögens. Das materielle Wohlergehen und die soziale Stellung in der Gesellschaft hängt stark vom Unternehmen ab. In vielen Fällen sind die Familienmitglieder durch eine Führungsaufgabe oder durch Mitarbeit mit der Unternehmung verbunden.



Die Familienmitglieder sind keine Portfolio-Finanzinvestoren. Sie halten keine liquiden Wertpapiere, die jederzeit verkauft werden könnten. Sie tätigen keine leicht reversiblen Investitionen. Sie sind wenig diversifiziert und halten oftmals ihr ganzes Vermögen in der Unternehmung.



Die Gefahr eines Totalverlustes des Familienunternehmens muß stärker kontrolliert werden, als dies die (diversifizierenden) Aktionäre einer Aktiengesellschaft verlangen. Deshalb bieten sich für eine Familienunternehmung andere Tätigkeitsfelder an, in

LEXIKON denen beispielsweise Tradition und Reputation belohnt werden, die sich aufgrund einer langen Verpflichtung aufbauen. •

Der Horizont ist länger als bei Portfolio-Finanzinvestoren. Viele Privatanleger möchten im Altersruhestand aus den Anlageerträgen den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten; Familien denken sehr langfristig in Ketten von Generationen.



Die Unternehmung verschließt sich nach Möglichkeit der Mitwirkung anderer Gruppen, auch anderer Kapitalgeber. Ziel der Investitionspolitik ist deshalb nicht einzig, Projekte zu beginnen, die aus Sicht der Kapitalmärkte "rentabel" sind. Ebenso wichtig ist der Erhalt der Selbständigkeit.

Family-Value

Sustainability und langfristige Unabhängigkeit

Stakeholder-Value

Ausgleich und Fortbestand als Nebenbedingung für das Streben nach Wert, Übergewinn oder Outperformance

Shareholder-Value

Marktgerechtes Verhalten ohne Nebenbedingung

Bild 12: Die wichtigste Q u e l l e der Sicherheit für die Beteiligten bei d e n drei Unt e r n e h m e n s m o d e l l e n , d e r F a m i l i e n u n t e r n e h m u n g , der k o n t i n e n t a l e u r o p ä i s c h e n Firma und der Aktiengesellschaft angelsächsischer Prägung.

Einer Familie kann deshalb nicht in jedem Fall geraten werden, das Unternehmen aus jener Sicht zu führen, die an der Börse vorherrscht und im wesentlichen Wertvorstellungen von Portfolio-Finanzinvestoren reflektiert. Dennoch ist auch hier Wertmanagement als Grundhaltung angebracht, nur werden die Wertvorstellungen von den Besonderheiten der Unternehmerfamilie bestimmt. Wir sprechen vom Family-Value. Der Family-Value ist dem Prinzip der "langfristigen Erhaltbarkeit" (Sustainability) nahe, dem Streben nach sicherem und langfristigem Überleben aus eigener Substanz und Kraft in einer Welt, in der keine Hilfe von außen erhofft werden kann.9

g FRED NEUBAUER u n d ALDEN G. LANK: The Family

ability. MacMillan, London 1998.

Business

— It's Governance

For

Sustain-

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MÉM* Bild 13: Beim Shareholder-Value-Ansatz wird eine tiefgreifende Umstrukturierung oder sogar die Liquidation der Unternehmung in die Menge möglicher Entscheidungen einbezogen, während beim Stakeholder-Value-Ansatz die vielfach damit verbundenen nachteiligen Wirkungen für die Mitarbeiterschaft berücksichtigt werden, so daß dadurch eine Liquidation oft nicht mehr in Frage kommt. Hier eine Karikatur von TRESCKOW (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4.08.2000, Nr. 179, Seite 25).

Öffentliche Unternehmen und Kommunen sollten bei der Grundhaltung des Wertmanagements aus der Perspektive derjenigen geführt werden, die in erster Linie die Konsequenzen zu tragen haben. Das sind in erster Linie die Bürger und Bürgerinnen — weder die beschäftigten Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst noch die Vertreter der Politik. Diese Orientierung wird in der Neuen Finanzwissenschaft (New Public Finance) als Citizen-Value bezeichnet. Schließlich gibt es Organisationen, die primär der Kooperation von Professionals dienen. Hierzu gehören Universitäten, Einrichtungen für Forschung und Entwicklung (F&E, Research and Development, R&D), Partnerschaften in der Rechtsberatung oder in Berufsfeldern wie Architektur, Film und Kunst. Hier ist die Expertise und das Wissen der Professionals die wichtigste Ressource, und die Experten wollen in ihrer Organisation dieses "Kapital" schützen und in es investieren: Sie wollen Expertise und Wissen pflegen und entwickeln.

LEXIKON

JAMES B. QUINN: "With rare exceptions, the economic and producing power of

the firm lies more in its intellectual and service capabilities than its hard assets — land, plant and equipment." (Intelligent Enterprise. The Free Press, New York 1992, p. 241). Intelligenz und Wissen sind knappe Ressourcen und deshalb der Engpaß für schnell wachsende Unternehmen. Wo früher das Kapital und die Gunst von Banken den Erfolg oder Mißerfolg von Unternehmen bestimmten, ist heute die Einstellung kompetenter Mitarbeiter wichtiger geworden. Der besonderen Bedeutung des Intellektuellen Kapitals einer Unternehmung entsprechend wurden neuere, aus der Unternehmenspraxis stammende Management-Tools entwikkelt. Sie versuchen, das Intellektuelle Kapital zu klassifizieren, zu messen und letztendlich monetär zu bewerten.

Viele Fehler wurden gemacht, als man im Überschwang des Shareholder-Value-Ansatzes dachte, eine F&E-Abteilung eines Konzerns müsse nach denselben Maßstäben beurteilt werden, wie die Geschäftseinheit, in der ein reifes Konsumgut produziert und vermarktet wird. In den genannten Organisationen verlangt Wertmanagement die Ausrichtung an den Wertvorstellungen dieser wichtigen Gruppe von Experten. Wir könnten vom Expert-Value sprechen, um dies auszudrücken. Ein verwandter Begriff ist der des Intellektuellen Kapitals 10

Shareholder-Value

Family-Value

Liquidität der Beteiligung ist sehr wichtig, man muß sich jederzeit davon trennen können

Liquidität ist weniger wichtig

Investoren diversifizieren, weshalb die rein auf die einzelne Unternehmung bezogenen Risiken keine Bedeutung haben

Beteiligte sind nicht diversifiziert, die "spezifischen" Risiken der Familienunternehmung sind nicht diversifiziert und müssen voll getragen werden

Tendenz zur "Abstimmung mit den Füßen" (Verkaut der Aktien)

Wünsche müssen durch Führung in der Unternehmung realisiert werden

Rentabilitäts- und Anlageziel für die eigene materielle Versorgung im Ruhestand

Sehr langfristige Orientierung bei unbedingter Sicherung des Kapitals für die Familie

Bild 14: Ein Vergleich von Shareholder-Value und von Family-Value.

10

1. THOMAS A. STEWART: Intellectual Capital - The new wealth of organizations.

New York

1 9 9 7 . 2 . I K U J I R O N O N A K A u n d H I R O T A K A T A K E U C H I : Die

Wie japanische Unternehmen Frankfurt am Main 1997.

eine brachliegende

Ressource

Organisation

nutzbar

Doubleday, des

machen.

Wissens:

Campus,

V A L U E - M A N A G E M E N T

So verstanden ist Wertmanagement umfassender angelegt und teilweise doch anders ausgerichtet als der Ansatz, einzig die Wertvorstellung der Portfolio-Finanzinvestoren, die Mehrung von Börsenkapital und den Shareholder-Value gelten zu lassen. Dennoch haben die fünf genannten Ausrichtungen von Wertmanagement — Shareholder-Value, Stakeholder-Value, Family-Value, Citizen-Value, Expert-Value — eine Reihe von Gemeinsamkeiten. So den Hinweis, die Unternehmung oder die Organisation möge sich den Wünschen der jeweils für sie kritischen Gruppe gegenüber öffnen, eine gewisse Beweglichkeit an den Tag legen und sich den Veränderungen der Umwelt stellen. • Die Familienunternehmung wird so geführt, daß sie aus eigener Kraft und Substanz mit Sicherheit langfristig überleben kann — weil unterstellt wird, daß Hilfe von außen nicht erhofft werden kann. Denn die Familienunternehmung bildet den zentralen Bestandteil des Familienvermögens; das Schicksal und das materielle Wohlergehen der Familie, aber auch die soziale Stellung und ihre Anerkennung in der Gesellschaft wird durch das Los des Unternehmens beeinflußt. •

Die Unternehmung, die nach dem Stakeholder-Value geführt wird, verfolgt das Prinzip des Going-Concern, wobei der Status Quo zwar behutsame Optimierungen erlaubt, jedoch keine Liquidation. Der Grund: Tiefgreifende und plötzliche Veränderungen im Corporate Portfolio, in der Zusammensetzung der Unternehmung aus Geschäftseinheiten, etwa durch M&A Deals, ebenso wie Liquidationen, könnten die (berechtigt aufgebauten) impliziten Ansprüche der Stakeholder entwerten. Ausgleich und Fortbestand als Nebenbedingung für das Streben nach Wert, Übergewinn oder Outperformance.



Die nach dem Shareholder-Value ausgerichtete Unternehmung "segelt hart" im Markt mit dem Ziel der Rentabilität. Selbst eine radikale Umgestaltung des Unternehmensportfolios kommt in Betracht, selbst die Liquidation wird in den Kreis der Möglichkeiten einbezogen. In dieser Welt verschaffen Märkte Sicherheit: Märkte bieten viele Gelegenheiten, und wenn eine ausscheidet, findet sich eine andere.

Angelsächsische oder kontinentaleuropäische Auffassung?

Bei der angelsächsischen Auffassung ist die Unternehmung eine Institution für wirtschaftliche Kooperation, die vor allem von den Anteilseignern, den Shareholdern eingerichtet und verantwortet wird. Die Anteilseigner haben bei der Gründung und bei gelegentlichen Kapitalerhöhungen ihr Geld zur Verfügung gestellt und sie tragen praktisch alle Risiken. Deshalb sollten gerade die Eigenkapitalgeber alle wichtigen Entscheidungen treffen können.

LEXIKON Bei dieser Auffassung wird unterstellt, daß die Faktoren, Inputs und Vorleistungen aller anderen Mitwirkenden (Arbeitnehmer, Kunden, Lieferanten, Banken, Staat) vollständig und marktgerecht vergütet werden. Die Anteilseigner bleiben daher als Gründer und Veranstalter der Unternehmung niemandem etwas schuldig. Sie könnten daher selbst eine Beendigung der Unternehmung ins Auge fassen. Sie könnten die Unternehmung liquidieren, oder insgesamt verkaufen, selbst wenn die neuen Anteilseigner andere Geschäftspläne umsetzen werden. Selbst eine Liquidation der Unternehmung hätte beispielsweise für die Mitarbeiter keinen Schaden, die — so wird bei dem angelsächsischen Unternehmensmodell angenommen — in einem gut funktionierenden und flexiblen Arbeitsmarkt hinreichend schnell eine andere Beschäftigung finden könnten. Bei der angelsächsischen Auffassung ist das Ziel der Unternehmung, Shareholder-Value zu schaffen. Bei einer Aktiengesellschaft beurteilen die Shareholder (Aktionäre) den Grad der Zielerreichung an Ausschüttungen und am Aktienkurs, eben an der Wertveränderung ihrer Anteile im Finanzmarkt. Im Fall einer börsennotierten Aktiengesellschaft ist es daher der Börsenkurs der Aktien, der gesteigert werden soll. Aktionäre wünschen, daß konsequent in der Unternehmung Aktionen, Pläne, Maßnahmen ergriffen beziehungsweise unterlassen werden, bei denen eine Kurssteigerung anstatt ein Kursverlust erwartet werden kann. Eine Liquidation geht bei dieser Auffassung nicht mit unzumutbaren Nachteilen für die Mitarbeiter einher. Die Anteilseigner (Shareholder) folgen mit Gründung und Veranstaltung der Unternehmung ihrem Erwerbsmotiv. Sie beurteilen daher den Erfolg am Wert für Anteilseigner. •

Die Aktionäre sind dabei weder kurzsichtig noch risikoscheu. Nur: Wenn eine Aktion erst in weiter Zukunft interessante Ergebnisse zeigt, dann muß diskontiert werden. Wenn eine Aktion recht riskant ist, dann muß gefragt werden, welche Vergleichsrendite im Finanzmarkt möglich ist, wenn ähnliche Risiken eingegangen werden.



Aktionäre sehen, daß mangelhafte Beweglichkeit einer Unternehmung oder ein wenig liquider Kapitalmarkt für sie nachteilig sind, und sie erwarten deshalb, daß bei Unternehmen mit einer starren Struktur oder bei Beteiligungen, die kaum verkauft werden können, diese Nachteile durch eine Zusatzrendite in marktüblicher Höhe ausgeglichen werden. Die starre Unternehmung hat höhere Kapitalkosten als die flexible. Bei wenig liquiden Beteiligungen ist mit höheren Kapitalkosten zu rechnen im Vergleich zu liquiden Beteiligungen.

V A L U E - M A N A G E M E N T

Alle Aktionen, Pläne, Maßnahmen sollten in die Überlegungen einbezogen werden. Wenn sich herausstellt, daß eine Liquidation der Unternehmung möglich ist und für die Aktionäre interessanter ist als eine Fortführung, dann wird liquidiert. Ob eine Liquidation überhaupt in Erwägung gezogen werden darf oder nicht, macht allerdings den springenden Punkt im Unterschied zwischen Shareholder-Value und Stakeholder-Value aus.

Shareholder-Value

Stakeholder-Value

Die Unternehmung darf Verbesserungen und "Optimierungen im Kleinen" vornehmen und sie darf dabei langsam ihren Geschäftsplan (Produkte, Produktionsprozesse) verändern. Selbstverständlich müssen die Gewinnziele so gestaltet sein, daß die Eigenkapitalgeber befriedigt werden und ein Ziel nachhaltigen Wachstums durch Kapitalerhöhungen tragen. Alle Inputs wie Fremdkapital, Arbeitskraft, öffentliche Infrastruktur sind durch marktgerechte Entlohnung korrekt abgegolten, weshalb die Unternehmung durchaus beendet werden könnte ohne daß diese Gruppen zu Schaden kommen.

Inputs wie Fremdkapital, Arbeitskraft, öffentliche Infrastruktur sind durch komplexe Beziehungen zur Verfügung gestellt worden und durch die Entlohnung nicht vollständig abgegolten. Es bleiben seitens der Stakeholder implizite Ansprüche.

Restrukturierungen, Standortverlagerungen und ähnlich tiefgreifende Veränderungen dürfen unter Verfolgung des Rentabilitätsziels vorgenommen werden.

Deshalb wäre es unfair, die impliziten Ansprüche zu entwerten. Das aber wäre bei einer Liquidation oder einer sehr tiefgreifenden Veränderung der Fall.

Bild 15: G e m e i n s a m k e i t e n u n d U n t e r s c h i e d e z w i s c h e n S h a r e h o l d e r - V a l u e u n d S t a k e h o l d e r - V a l u e . E s ist n i c h t so, d a ß b e i m S t a k e h o l d e r - V a l u e d a s Z i e l d e r U n t e r n e h m u n g d i f f u s bliebe in d e m S i n n , "alle G r u p p e n " m ü ß t e n b e r ü c k s i c h t i g t w e r d e n . E s bleibt w i e b e i m S h a r e h o l d e r - V a l u e d a s klare Rentabilitätsziel. Nur: G e w i s s e M a ß n a h m e n bleiben b e i m S t a k e h o l d e r - V a l u e a u ß e r Betracht, w e i l sie eine E n t w e r t u n g impliziter A n s p r ü c h e b e w i r k e n w ü r d e n .

Hier setzt die kontinentaleuropäische Auffassung andere Akzente: Bei dieser Auffassung ist die Unternehmung eine Form wirtschaftlicher Kooperation, die von den Anteilseignern gemeinschaftlich mit anderen Gruppen veranstaltet wird, namentlich der Mitarbeiterschaft. Zwar tragen die Anteilseigner Risiken, vielleicht sogar die Hauptrisiken der Unternehmung. Doch tragen (aus Sicht des kontinentaleuropäischen Unternehmensmodells) andere Gruppen — so ein großer Teil der Mitarbeiterschaft — ebenso gewisse Risiken. Beispielsweise spezialisieren sich Mitarbeiter in einer Weise, die ihr Schicksal mit dem der Unternehmung verknüpft. Deshalb sollten bei bedeutenden Entscheidungen jene Arbeitskräfte mitbestimmen.

LEXIKON In dem kontinentaleuropäischen Modell wird weiter davon ausgegangen, daß die Inputs der Mitarbeiter, die Mitwirkung der Kunden, der Lieferanten, der Banken und des Staates nicht wie in einem ideal funktionierenden Markt korrekt entlohnt werden. Der Grund: Die entsprechenden Märkte funktionieren nicht so perfekt in der Wirklichkeit, wie in der ökonomischen Theorie angenommen wird. Im Vertrauen auf eine Fortfuhrung der "Beziehung" zur Unternehmung haben alle diese Gruppen — Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Banken, Kommunen, Staat — etwas eingesetzt, das nicht sofort seitens der Unternehmung entgolten wurde. Sie sind damit ebenso zu Investoren geworden, für die etwas auf dem Spiel steht. Sie sind Stakeholder. Mit anderen Worten: Die vielleicht formal allein berechtigten Anteilseigner sind ihnen etwas "schuldig" und die Stakeholder erwarten (unausgesprochen), daß diese sogenannten impliziten Verpflichtungen seitens der Eigner eingelöst werden. Die Anteilseigner dürfen von daher beispielsweise eine Beendigung der Unternehmung nicht ohne weiteres aus Eigeninteresse in die Wege leiten. Denn bei einer Liquidation würden — genau wie bei einem Verkauf — die impliziten Ansprüche der Stakeholder entwertet. Eine Liquidation der Unternehmung kommt daher bei diesem Unternehmensmodell nicht oder nur unter bestimmten Auflagen in Frage. Gegebenenfalls sollten Kompensationen gezahlt werden, die eine Entwertung impliziter Ansprüche ausgleichen. Eine Liquidation würde Mitarbeitern schaden, die keine andere Beschäftigung mehr finden können oder als unzumutbar angesehene, persönliche Kosten der Veränderung zu tragen hätten. Welche der genannten Wertvorstellungen eher zum Tragen kommt, hängt erstens von der Wirtschaftstradition und der Ordnungspolitik des Landes oder Kulturkreises ab, zweitens vom Grad und Ausmaß der Entfaltung von Märkten.11 •

Der Family-Value ist die Orientierung in einer Welt, in der die Familie auf sich selbst gestellt ist. Zumindest gibt es keinen Austausch über Finanzmärkte: Erarbeitetes Geld wird in der eigenen Unternehmung angelegt und es wird versucht, ohne fremdes Kapital auszukommen.



Der Stakeholder-Value basiert auf den "impliziten" Elementen in Arbeitsverträgen und in den Verträgen mit anderen, Faktoren zur Verfügung stellenden Gruppen. Implizite Elemente deuten darauf hin, daß die entsprechenden Faktormärkte noch nicht vollkommen entwickelt sind.

11 OLIVER E. WILLIAMSON: The New Institutional Economics: Taking Stock, Looking Ahead. Journal of Economic Literature XXXVIII (September 2000), pp. 595-613.

V A L U E - M A N A G E M E N T



Entwickelte Märkte dagegen resultieren in einer transparenten, klaren Preisbildung. Der vielleicht deutlichste Ausdruck für explizite Leistungstransfers zu klaren Preisen wird beim Shareholder-Value deutlich, wenn Projekte oder Vorhaben mit Eigenkapitalkosten kalkuliert werden. Hier bleibt nichts implizit.

Gerade im zweiten Schritt des Wertmanagements — Öffnung gegenüber der Außenwelt — zeigen sich daher große Unterschiede in der konkreten Ausprägung dieses Ansatzes. Im zweiten Schritt des Wertmanagements wird anerkannt, daß der Markt ultimativer Maßstab ist und das Bewertungskriterium schlechthin liefert — nicht nur die eine oder andere Kostengröße. Die Unternehmung soll machen, was im Markt Gefallen findet Nun ist der Markt eine Instanz, die nicht nur — wie es in der Literatur immer gesagt wird — Angebot und Nachfrage zum Ausgleich bringt, indem ein "den Markt räumender" Preis (hier: Aktienkurs) bestimmt wird. Der Markt ist vielmehr eine Instanz wirtschaftlicher Kooperation, die über Merkmale, Qualitäten und Aspekte befindet, die geschätzt werden: Der Markt als "Schönheitswettbewerb" sagt der Unternehmung, worauf sie achten sollte. Neben der Unternehmensethik steht das Gebot der Sustainability oder Nachhaltigkeit im ökologischen Sinne Im Vordergrund der Kritiker der engen Gewinnorientierung. Nachhaltigkeit unternehmerischer Tätigkeit zielt auf einen schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen ab und setzt die Eindämmung schädlicher Emissionen und Abfallprodukte voraus. Eine Lösung besteht darin, volkswirtschaftliche Kosten, die von der Privatwirtschaft externalisiert (auf die Allgemeinheit abgewälzt) werden, dem Verursacherprinzip entsprechend den Unternehmen korrekt zu belasten. Die Nutzung öffentlicher Güter, wie der Luft, wird mit einer Gebühr belegt. Es wurde vorgeschlagen und es wird auch praktiziert, erkaufte Nutzungsrechte handelbar zu gestalten. Wie der Ansatz des Intellektuellen Kapitals versucht die Nachhaltigkeit, bisher nicht im finanziellen Zielsystem von Unternehmen enthaltenen Aspekten einen monetären Wert zuzuweisen. Auf diese Weise soll die ökonomische Effizienz die ökologisch und gesellschaftlich verantwortliche Nutzung knapper Ressourcen bewirken. Der Begriff der Wertsteigerung ist weit definiert und nicht auf den ökonomischen Gewinn begrenzt.

LEXIKON

Value-Managementlehre Sind Cashflows prognostizierbar?

Die DCF-Methode eignet sich besonders gut in Bereichen, in denen die Cashflows anhand von Budgets und Geschäftsplänen hinreichend genau prognostiziert werden können. In der Tat bezog sich von RAPPAPORT vorgelegte empirische Untersuchung der Korrelation zwischen DCF und dem Marktwert auf die Automobilindustrie. In dieser Branche können Cashflows ziemlich gut prognostiziert werden.

Allgemeine anerkannte ökonomische Argumente unterstreichen Zusammenhang

Privatinvestoren

Institutionelle^ Investoren

Bild 16: Der Ablauf der Wertsteigerung verläuft bei der Value-Managementlehre der Struktur nach ähnlich wie beim Shareholder-Value-Ansatz, nur können Cashflows nicht oder nur höchst vage geplant werden. Deshalb kann ein DCF nicht errechnet werden und es können keine Werttreiber aufgestellt werden, für die der Zusammenhang mit dem DCF bewiesen ist. Bei der Innenperspektive ist das Ziel "Maximiere den DCF" ersetzt durch die Leitidee, mit allen Ressourcen verantwortungsvoll umzugehen und die Unternehmung weiterzuentwickeln. Daß diese Leitidee zu einer Steigerung des Börsenkurses führen sollte, wird jetzt nicht mehr durch quantitative Studien der Korrelation belegt, sondern durch allgemein anerkannte ökonomische Argumente. Das "Herunterbrechen" der Leitidee auf einzelne Maßnahmen führt auf Indikatoren. Sie nehmen die Stelle der bisherigen Werttreiber ein.

V A L U E - M A N A G E M E N T

Die korrelative Verbindung zwischen DCF (Innenperspektive) und Börsenkurs (Außenperspektive) ist besonders bei Unternehmen nachvollziehbar, die eine reife Position in den Produktmärkten erworben haben und ihre Leistungen in einem stabilen Umfeld produzieren und absetzen, wie das in der Old Economy der Fall ist. •

In Unternehmen oder Bereichen, in denen die Forschung und Entwicklung im Vordergrund steht, bei der Übernahme neuer Technologien und in gänzlich neuen Vorhaben (New Economy) wird die Prognose zukünftiger Cashflows jedoch vage.



Gleiches gilt, wenn Entscheidungen auf den mittleren und unteren Ebenen einer Unternehmung zu treffen sind. Dort ist es in der Regel nicht möglich, die Entscheidungen anhand der von ihnen ausgelösten Folgen für den Cashflow zu beurteilen. Auf den mittleren und unteren Ebenen sind daher ebenenspezifische Ziele zu formulieren, wie das beispielsweise mit der BalancedScorecard (BSC) geschieht.

In solchen Situationen — F&E, Neue Technologien, New Economy, mittlere und untere Ebenen einer Unternehmung — ist die Beurteilung der Wertschaffung anhand des Cashflows zwar im Prinzip nicht falsch geworden, aber eben nicht mehr praktikabel.

Interpretation von ValueManagement ...

... als Shareholder-ValueAnsatz

... als ValueManagementlehre

Imperativ

Ergreife genau jene Maßnahmen, die sich in der Planung als Erhöhung des DCF abbilden

Setze alle Ressourcen verantwortungsvoll ein und entwickle die Unternehmung weiter, damit sie fit für die Veränderungen der Welt wird

Ultimatives Ziel (Außenperspektive)

Steigerung des Marktwertes der Unternehmung

Steigerung des Marktwertes der Unternehmung

Innenperspektive — dies ist das primäre Ziel der Maßnahmen

DCF

Verantwortlicher Ressourceneinsatz

Wie ist Zusammenhang zwischen der Außenperspektive und der Innenperspektive belegt?

Durch empirische Studien, die auf eine hohe Korrelation zwischen DCF und Börsenbewertung hinweisen

Allgemein anerkannte ökonomische Zusammenhänge unterstreichen den Zusammenhang zwischen verantwortungsvollem Ressourceneinsatz und dem Wert der Unternehmung

Maßnahmen

Werttreiber

Indikatoren

Bild 17: Wie Wertmanagement im Rahmen des Shareholder-Value-Ansatzes und im Rahmen der Value-Managementlehre interpretiert wird.

LEXIKON Shareholder-Value-Ansatz

Rechenwerkzeug zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit von Maßnahmen und von Projekten in einer Unternehmung aus Sicht der Eigenkapitalgeber, das heißt, anhand des DCF.

Stakeholder-Value-Ansatz

Berücksichtigung der Ansprüche aller Stakeholder einer Unternehmung wird auferlegt, wozu die DCFMethode eingesetzt wird, jedoch nur unter der Nebenbedingung der Kompensation von Stakeholdern.

Value-Managementlehre

Managementlehre zum verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen und zur Weiterentwicklung von Unternehmen und Organisationen anhand anerkannter Indikatoren in einer sich wandelnden Welt.

Bild 18: V a l u e - M a n a g e m e n t k a n n u n t e r s c h i e d l i c h w e i t definiert w e r d e n . Im eng e r e n S i n n g e h t es u m die strikte A n w e n d u n g einer R e c h e n t e c h n i k , u m z u ermitteln, o b eine M a ß n a h m e , eine E n t s c h e i d u n g , ein P r o j e k t a u s S i c h t der Fin a n z m ä r k t e z u b e u r t e i l e n d e n Wert der U n t e r n e h m u n g e r h ö h t . Im w e i t e s t e n S i n n ist W e r t m a n a g e m e n t eine Lehre, O r g a n i s a t i o n e n in e i n e r sich v e r ä n d e r n d e n W e l t fit z u m a c h e n .

Wir beginnen mit der Präzisierung der Begriffe: Verantwortung heißt, allgemein verfügbares Wissen zu beachten und Entscheidungen in einer Weise zu treffen, die sachverständigen Dritten gegenüber erklärt werden kann. Indikatoren zu suchen heißt, ein ganzheitliches Verständnis für Zusammenhänge zu entwickeln. Dazu muß die Entscheidungsfindung rational und methodisch erfolgen und sie muß — wo Cashflows nicht planbar sind — auf anerkannten Indikatoren beruhen. Das Management einer Unternehmung wird nachvollziehbaren Argumenten folgen und die genauen Ziele sowie das jeweils Erreichte darstellen. Weiter wird das Management die Unternehmung in dem Sinn öffnen, daß von der Umwelt gelernt wird und der Vergleich nicht gescheut wird (Benchmarking). Die Unternehmung wird Best-Practices übernehmen und die Qualität der Prozesse verbessern. Durch schlankere Organisationsstrukturen wird Beweglichkeit gewonnen. Schließlich, und das ist ein vierter Indikator für Value-Management, wird die Unternehmung prüfen, welche eigenen Kräfte aktiviert und mobilisiert werden können. Es wird nicht nur Kapital sondern ebenso die Humanressourcen verantwortungsvoll einsetzen. Hierzu wird das Management nicht nur im Top-Down-Ansatz Ziele umsetzen, sondern verstärkt Informationen beachten, die ihren Weg im Bottom-Up-Ansatz finden. Value-Management ist somit ein Weg der Weiterentwicklung von Unternehmen und von Organisationen in einer sich verändernden Welt. Diese Weiterentwicklung von Unternehmen und von Organisationen in einer sich verändernden Welt vollzieht sich in mehreren Phasen. Im Rahmen der Value-Managementlehre sind unschwer die vier bereits genannten Indikatoren zu erkennen:

V A L U E - M A N A G E M E N T

1. Sicher steht als erstes die Bildung eines klaren Ziels im Vordergrund, wobei berechtigte Interessen anerkannt werden, seien es nun die der Shareholder, die der Stakeholder oder die einer anderen Gruppe. Die Zielerreichung wird sachgerecht gemessen und transparent kommuniziert. 2. Sodann wird der Blick nach außen geöffnet. Was sind BestPractices, welches sind die Qualitätsstandards, welches sind die Wünsche und Wertvorstellungen, die außerhalb der Unternehmung, oder wie gesagt wird, im Markt, gepflegt werden? 3. Die Unternehmung bricht verkrustete Strukturen auf und gestaltet die eigene Organisation empfänglicher für Veränderungen. Flexibilität in der Struktur wird angestrebt. 4. Die Unternehmung besinnt sich der eigenen, internen Kräfte. Sie sind zu mobilisieren. Die Unternehmung wird Mitarbeiter motivieren, die interne Kommunikation fördern, aber sie wird Leistungen deutlicher vergleichen. Interne Kapitalmärkte werden ins Leben gerufen.

Norm und Werkzeug Gelegentlich merken Kritiker an, Wertmanagement sei nur eine Mode und würde ebenso wie andere Managementlehren vorüber gehen; zudem würden die Gurus bereits die Managementliteratur für das dritte Jahrtausend vorbereiten. Dann, so ist zu hören, werde die Unternehmung aus der Erkenntnis geführt, daß mittlerweile Wissen die wichtigste Ressource sei, während Geld und Kapital in den Rang einer Ressource zweiter Priorität zurückfalle. Wer denkt, Wertmanagement sei bald passé, setzt es jedoch in enger Auslegung lediglich mit einem Rechenwerkzeug gleich. •

Die Rechentechnik des DCF bekräftigt den Aspekt, alle unternehmerischen Maßnahmen, Pläne, Projekte und Entscheidungen dahingehend zu beurteilen, welches ihr Wert im Kapitalmarkt ist.



Jedoch greift die Rechentechnik hauptsächlich dort, wo Cashflows genau geplant werden können. Oft sind das die reifen Unternehmungen, die schon längst ihre Produktmärkte erobert haben. Wenn dann verschiedene Alternativen der Veränderung, die in ihren jeweiligen Auswirkungen auf den Cashflow klar prognostizierbar sind, ist die Rechentechnik des DCF geeignet. Vor allem können so verschiedene Varianten für die Restrukturierung der reifen Unternehmung beurteilt werden.

LEXIKON

Die Rechentechnik des DCF wird dagegen vage, wenn Cashflows allenfalls erahnt werden können, aber noch lange kaum planbar sein werden. Die Investoren an den Finanzmärkten sind gleichwohl nicht einseitig auf Rechnungen fixiert und sie sind auch nicht ungläubig. Rendite wird nicht nur dort gesehen, wo Geld bereits in der Kasse liegt. Kapitalgeber sind gewohnt, unter Unsicherheit zu investieren. Sie nutzen deshalb die vielfältigsten Informationsquellen, um eigene Erwartungen hinsichtlich der zu erwartenden Renditen (und der Risiken) zu bilden. In jenen Fällen, wo zukünftige Cashflows kaum geplant werden können, orientieren sich die Investoren an weiteren Informationen, die als Indiz für spätere finanzielle Performance allgemein akzeptiert sind. Das sind Informationen über die Technologie der Unternehmung, die Qualität des Managements, das Knowhow und die Motivation der Mitarbeiter.

Value-Management ist daher nicht einzig ein Beurteilungsverfahren zur Berechnung der Vorteilhaftigkeit von Maßnahmen in Bereichen, wo sich Cashflows planen und Risiken durch Beta messen lassen. Value-Management ist eine Grundhaltung, eine Perspektive, mit den Ressourcen verantwortungsvoll umzugehen, wissend, daß es Anspruchsberechtigte gibt, aber auch wissend, daß die Welt sich verändert, daß Offenheit angezeigt ist, eigene Kräfte zu motivieren und zu mobilisieren sind. •

So verstanden, umfaßt Wertmanagement als Grundhaltung erstens eine normative Empfehlung: Das heißt, Entscheidungen sollten aus dieser Perspektive getroffen werden, die Manager sollten Ressourcen verantwortungsvoll einsetzen.



Zweitens umfaßt Wertmanagement Hinweise zur Umsetzung in der Praxis (wozu der Einsatz des Discounted Cash Flow als Rechenwerkzeug gehört, aber auch der Hinweis, eine Best-Practice zu übernehmen, sich einem Benchmarking zu stellen, Mitarbeiter zu motivieren und so weiter). Die Norm ergibt sich aus der Erkenntnis, daß in einer sich verändernden Welt Fitness erforderlich ist, um nachhaltig bestehen zu können. Fitness heißt Anpassung an die externe Welt und Stärkung von innen heraus. Value-Management ist zugleich Norm und Werkzeug für die verantwortungsvolle Führung von Organisationen.

V A L U E - M A N A G E M E N T

Value-Management als Weg Die Kalkulation ist wichtig, doch darf die mit Value-Management verbundene, allgemeinere Grundhaltung nicht übersehen werden. Jede Grundhaltung postuliert eine Vorgehensweise, eine Richtung, einen Weg. Die Richtung wurde als die größere Fitness beschrieben: Wertmanagement als Perspektive zur Beurteilung von Entscheidungen, um den Anforderungen der sich verändernden Welt gerecht zu werden. Value-Management ist ein Weg der Weiterentwicklung von Unternehmen und von Organisationen in einer sich verändernden Welt. Wie überall ist ein "Weg der Weiterentwicklung" langwierig. Die Adoption geeigneter Rechenwerkzeuge ist aus diesem Grunde nur ein partiell einsetzbares Hilfsmittel auf dem Weg, nicht mit ihm zu verwechseln. Wer sich auf einen Weg macht, muß Verschiedenes bedenken. 1. Man muß sich ein klares Ziel setzen und immer wieder Rechenschaft geben, wie weit man vorangekommen ist. 2. Wer weiter kommen will, sollte nach links und rechts schauen: sehen, lernen und aufnehmen, von dem was es schon gibt. 3. Eigentlich selbstverständlich: man muß sich selbst beweglich machen, denn wie sonst sollte eine Veränderung möglich sein. Starrheit und Ballast, verkrustete Strukturen bremsen und hindern den Übergang. 4. Nicht zu vergessen: wer sich auf einen Weg begibt, muß die eigenen Kräfte fördern, damit sie Antrieb spenden. All das muß jemand, der stehen bleibt, nicht tun. Wer sich nicht fortbewegen will, braucht keine klaren Ziele. Wenn man stehen bleibt, können die Ziele diffus bleiben — am besten zeigen die Wunschvorstellungen in viele Richtungen zugleich, weil das Stillstand rechtfertigt. Zweitens muß, wer sich nicht verändern will, nicht nach außen sehen, um von der Umwelt vielleicht etwas lernen zu können. Drittens muß man keine Beweglichkeit oder Flexibilität entwickeln, wenn man sich nicht weiter entwickeln will. Viertens müssen eigene Kräfte nicht mobilisiert werden, wenn man keine Triebkraft braucht. Value-Management ist daher eine Antwort auf die sich verändernde Welt: Man selbst wird beweglich, hält mit, beobachtet die aktuellen Strömungen, entwickelt ein klares Auge und ein Ziel. Eine andere Antwort wäre, Widerstand gegen Veränderungen zu entwickeln, sich abzukapseln, eine Grenze zu ziehen. Value-Management ist das Postulat, den Stillstand eben nicht zu wählen, sondern sich zu öffnen, zu lernen, beweglich zu werden und sich — nach einer klaren Zielbildung — auf den Weg zu machen.

LEXIKON

Oft wurde gefragt, ob Wertmanagement als Managementlehre auf amerikanische Verhältnisse zugeschnitten sei. In der Tat erleben viele Menschen in den USA die Bewegung als etwas Positives. DIETER THOMÄ formuliert: "Auch wenn die Vereinigten Staaten mit Platz, mit Raum protzen können, sind sie ein Land, das sich über die Bewegung definiert, also mit der Zeit lebt. Wer stehenbleibt, lebt verkehrt, zum Leben gehört Unterwegssein, und Amerika ist der Schauplatz, auf dem die Menschen — auf ganz verschiedene Welse — unterwegs sind. (...) Mal ist die Bewegung innerlich, mal äußerlich. Mal schnellt man auf das Ziel der Zukunft zu wie ein Pfeil, mal treibt man im Fluß der Zeit" (Unter Amerikanern — Eine Lebensart wird besichtigt. C. H. Beck, München 2000, pp. 22-23). Doch bedeutet das nicht, daß die Value-Managementlehre nur für Amerika Bedeutung hätte und nur dort Akzeptanz finden könnte.

Der Weg hat vier Abschnitte Die Unternehmen und Organisationen unseres heutigen Wirtschaftslebens sind dabei ungleich vorangekommen. Die genannten vier Maßnahmenbereiche — 1. ein klares Ziel bilden, 2. von außen lernen, 3. Beweglichkeit schaffen, 4. Mobilisierung der eigenen Kräfte — bilden solcherweise Abschnitte oder Phasen. In der ersten Phase, der Zielbildung, wird nicht willkürlich irgendein spezielles Ziel herausgegriffen, um die bisherige, diffuse Vorstellung durch eine klare Richtung zu ersetzen. Die Unternehmung oder Organisation wird sich bei der Formulierung eines Zieles jener Person oder Gruppe besinnen, die am direktesten die Konsequenzen der Entscheidungen der Unternehmung zu tragen hat und deren Schicksal am engsten mit dem der Unternehmung verbunden ist. Deren Wünsche sind es, die in Zukunft leiten sollen. Für eine große Publikumsgesellschaft sind das die Aktionäre. Für eine Familienunternehmung sind hier die Mitglieder der Familie gemeint, und sie können durchaus andere Ziele haben als ein Portfolio-Investor. Eine der Öffentlichkeit sich verpflichtende Organisation wird sich zum Wert bekunden, den sie für den Bürger, den Citizen, schafft. In der zweiten Phase, der des Lernens von außen, wird sich die Unternehmung oder Organisation der eigenen Stärken und Schwächen bewußt, auch der Chancen die sie besitzt. Hierzu dient eine SWOTAnalyse (von strengths, weaknesses, opportunities, threats). Man stellt sich dem Vergleich (Benchmarking). Hierzu wird gezeigt, wie man es selbst bisher gemacht hat — auch wenn damit die Gefahr verbunden

V A L U E - M A N A G E M E N T

ist, nicht ganz so gut abzuschneiden. Die Unternehmung oder Organisation öffnet sich der Beurteilung durch Außenstehende. Gutes aus dem Umfeld wird übernommen (Best-Practice). In dieser zweiten Phase werden die eigenen Prozesse und Vorgehensweisen auf den neuesten Stand gebracht. Diese Phase ist noch wenig schmerzhaft, weil es vielfach um eine Optimierung im Kleinen geht, um Anpassungen, nicht unbedingt um fundamentale Veränderungen der Struktur als Ganzes. Das ist in der folgenden Phase anders. In der dritten Phase verschafft sich die Unternehmung oder Organisation die Beweglichkeit für tiefgreifende Veränderungen der Struktur. Ernsthaft wird geprüft, welche Teile nur Ballast auf dem Weg des neuen Ziels sind. Es werden die organisatorischen Voraussetzungen gebildet, sich fundamental zu verändern. Gleichsam muß das Skelett aus Knochen, wenn es an der nun einzuschlagenden Bewegung nur hindert, durch einen flexibleren Aufbau ersetzt werden.

1. Phase: klares Ziel bilden

Bildung einer klaren Zielsetzung durch Anerkennung berechtigter Ansprüche, Transparenz im Ausweis des Erreichten

2. Phase: nach außen öffnen

Öffnung nach außen, Analyse der eigenen Stärken und Schwächen unter Blick auf die Best-Practice im Umfeld Benchmarking, Übernahme der Best-Practice

3. Phase: bewegliche Struktur schaffen

Aufbruch starrer Strukturen in der eigenen Organisation

4. Phase: eigene Kräfte mobilisieren

Belebung und Motivation im Inneren, organisatorisches Lernen fördern, Verbesserung der Kommunikation innerhalb der Organisation, Motivation statt Befehlserteilung, Förderung interner Vergleiche für die Ressourcenallokation

Bild 19: Die vier Phasen des Value-Management-Weges einer Organisation

In der vierten Phase erinnert sich die Unternehmung oder Organisation daran, daß sie vielleicht über Jahrzehnte hinweg die eigenen Mitarbeiter nur zu angepaßten Befehlsempfängern gemacht hat. Jetzt sollen gerade sie ihr Wissen und ihre Aktivität einbringen. Dazu muß ihre Initiative geweckt und sie müssen motiviert werden. Die Unternehmung oder Organisation muß zu innerem Leben kommen. Lebendigkeit bedeutet auch Kommunikation und Vergleiche. Interne Märkte werden geschaffen. Die Ressourcenallokation folgt nicht einzig Top-Down nach Anweisungen, Kennzahlen, oder Kriterien, die "oben" festgelegt werden. Im Weg des Bottom-Up, den interne Kapitalmärkte betonen, werden die Kriterien selbst als Ergebnis eines marktähnlichen Wettbewerbs gefunden.

L E X I K O N

Desinvestitionen

1

2

3

4

5

6 7 8

1 2 3 4 5 6 7 8

Infineon Siemens Nixdorf Retaii & Banking Syst. Elektromechanische Komponenten EPCOS Lichtwellenleiter- & Glasfasergeschäff Vacuumschmelze Hanau Kupferkabelgeschäft Schienenfahrzeugtechnik

Akquisitionen 1 Atecs (Bereiche) 2 Elektrowatt (Industriegeschaft) i3"9 8 7 3 Westinghouse Power Generation 4 Shared Medical Systems 5 Moore, Milltronics 6 Motorola Lighting 7 Vickers 8 Entex 9 Applied Automation 10 Mannesmann Rexroth Fahrzeugtechnik

6

5

Bild 20: Größere Akquisitionen und Desinvestitionen von Siemens in der Folge des 10-Punkte-Programmes. Die Größe der einzelnen Elemente gibt die Bedeutung der Geschäftsbereiche entsprechend ihres Umsatzes wieder. Quelle: Siemens Investor Relations 1998.

Bewegung hält fit Value-Management ist eine Form, in der sich verändernden Welt zu bestehen. Die Antwort des Wertmanagements auf die Veränderungen lautet, man solle sich selbst in Bewegung setzen, fort bewegen, weiter gehen. Die Empfehlung lautet nicht, stehen zu bleiben, sich dem Strom entgegen zu stellen. Niemand verlangt indessen, alle Strömungen und Moden mitzumachen. Jeder Mensch hat eine innere Haltung, die gelegentlich Widerstand gebietet. Die Ethik verbietet, sich mit dem Unrecht treiben zu lassen. Doch hier sind technische und wirtschaftliche Veränderungen gemeint wie der Wandel der Wünsche von Konsumenten. Wir müssen mit Bescheidenheit akzeptieren, daß die vielen Menschen unserer wirtschaftlichen und sozialen Umwelt Wünsche und Vorstellungen äußern, und daß diese durch Märkte zu einem gewichtigen Meinungsbild verdichtet werden. Der Einzelne wird nur in Ausnahmen recht haben, wenn er sich gegen den Markt stellt.

V A L U E - M A N A G E M E N T

Wertmanagement bedeutet, sich dem Markt gegenüber zu öffnen. Ist das eine gute Strategie? Kann eine Unternehmung, ein Land, eine Kultur nicht an ihren hergebrachten Werten festhalten? Die Adverse Selektion gibt die Antwort: Betrachten wir eine Unternehmung, ein Gemeinwesen, einen Staat, eine Schicksalsgemeinschaft. Die Menschen kommen in ihrer Mehrheit darin überein, Mechanismen für den "sozialen Ausgleich" zu etablieren, eben nicht in allen Fällen den Markt wirken zu lassen. Dann haben jene, die im Markt Vorteile hätten, eine Motivation die Unternehmung, das Gemeinwesen, oder die Schicksalsgemeinschaft zu verlassen. Gibt es dazu die Möglichkeit, werden sie es tun. Die "wirtschaftlich Stärkeren" verlassen die Gemeinschaft, die "wirtschaftlich Schwächeren" bleiben zurück. Das Gemeinwesen verliert nach und nach die "wirtschaftlich Stärkeren" und wird dabei selbst immer schwächer. Die Adverse Selektion (jene, die ausgewählt werden, in der Gemeinschaft zu bleiben, sind die Schwachen) lehrt, daß die Frage nicht lautet, ob wir den "Markt" lieben oder ein anderes Ideal für wünschenswerter halten. Die Realität zwingt uns dazu, den Marktkräften nicht zu verschließen — ob wir wollen oder nicht.

Welche Praktiken löst Wertmanagement ab?

Der Weg mit den genannten vier Etappen — 1. Scharfe Zielbildung durch Anerkennung berechtigter Interessen; 2. Öffnung nach außen und Lernen; 3. Schaffung von Beweglichkeit und Abbau verkrusteter Strukturen; 4. Öffnung nach innen und Förderung der eigenen Kräfte — könnte wie selbstverständlich wirken. Wir wollen deshalb fragen, was das Postulat der Wertsteigerung nicht sagt, oder welche frühere Form der Strategiewahl, welche bisherigen Führungsgrundsätze, welche alten Entscheidungsprozeduren abgelöst werden. Welche Praktiken also hat das Wertmanagement in den Unternehmen abgelöst? Vorbei ist eine reine Innensicht. Früher haben Unternehmungen oft nicht zur Kenntnis genommen, welche Gruppe unter den kooperativ Mitwirkenden für sie eine besondere und wesentliche Bedeutung hat. •

In der Unternehmung wurden Entscheidungen aus der Tradition heraus getroffen. Oft wurde von "Notwendigkeiten" gesprochen, die vielfach nur Ausdruck bürokratischer Starre waren.

LEXIKON •

Gelegentlich hat ein Top-Manager eine "Vision" verfolgt, die an den Wertvorstellungen der eigentlich wichtigen Gruppe von Mitwirkenden völlig vorbeiging.



In den meisten Fällen jedoch hat die Innensicht dazu geführt, daß Rücksicht auf alle, die "im Boot" saßen, genommen wurde. Es wurde ein Politik des Ausgleichs und der Rücksichtnahme verfolgt.

Die Rücksichtnahme ging so weit, daß der Blick auf Opportunitäten vernebelt blieb. Die Frage lautete nicht, ob man durch eine Investition 100 neue Arbeitsplätze schaffen könnte. Man konzentrierte sich darauf, keine Maßnahme zu ergreifen, bei der vielleicht zehn Arbeitsplätze verloren gehen könnten. Vorbei ist eine reine Ingenieursicht. Besonders in Unternehmen, die technisch anspruchsvolle Erzeugnisse produzieren, haben im Laufe der Zeit die Techniker und Ingenieure praktisch unangefochten entscheiden können, welche Investitionen vorgenommen werden sollen. Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit kam zu kurz, ebenso die Prüfung, ob die Techniker, Ingenieure und Planer mit dem Drang nach Perfektion nicht an den Wünschen der eigentlich Betroffenen, den Kunden, vorbeigingen. Ein Ingenieur der Automobilindustrie drückt es so aus: "Um ein gutes Auto zu bauen, müssen wir nicht die Wünsche der Kunden erfragen, wir können selbst entscheiden was ein gutes Auto ist." Vorbei ist eine reine Innenfinanzierung: Bekanntlich wollen Manager Gewinne thesaurieren und können über Abschreibungen und die Bildung von Rückstellungen Geld — das aus dem Absatz der Produkte zufließt — einbehalten. Dieses Potential für Innenfinanzierung wird durch den Freien Cashfiow gemessen. Diese Gelder konnten früher vom Management verwendet werden, ohne daß eine wirksame Kontrolle der Rentabilität möglich war. Vorbei ist die Immobilität. Früher galt die Zusammensetzung der Unternehmung aus Bereichen als unveränderbar. Heute wird die Beweglichkeit (Mobilität) von Geschäftseinheiten gefördert. Man spricht von einer "atmenden" Unternehmung, wenn deren Portfolio von Beteiligungen ständig ändert. Vorbei ist ein Informationsvorsprung der Manager. Früher hatte das Management versucht, über den Geschäftsgang möglichst wenig bekannt zu geben. Heute wird Sachlichkeit und Transparenz in der Informationspolitik praktiziert.

VALUE-MANAGEMENT

Die Innensicht weicht einer Außensicht. Ingenieure müssen begründen, welchen "Wertbeitrag" die eine oder andere Lösungsvariante erwarten läßt. Es geht um ein Value-Reporting. Anstelle von Innenfinanzierung zwingt die Außenfinanzierung dazu, die Kapitalverwendung transparent zu zeichnen. Anstelle von Immobilität tritt die Beweglichkeit. Dem Management auf natürliche Weise zukommende Informationsvorsprünge werden durch eine berechenbare, transparente Kommunikation abgebaut.

Maßnahmenkatalog

Mit der Verbreitung von Wertmanagement haben sich eine Reihe von Merkmalen herauskristallisiert, die "typischerweise" in Unternehmen anzutreffen sind, die sich dem Wertmanagement verpflichtet fühlen. In Unternehmen mit einer "alten" Führungsphilosophie sind diese Merkmale dagegen weniger oder nur vereinzelt zu finden. Hier ist eine solche Liste. Expertise der Direktoren: Vorstände, Aufsichtsräte und Beiräte werden nach fachlichen Fähigkeiten ausgewählt, nicht aufgrund von Beziehungen oder von familiären Banden. Überdenken der Governance: Wie kann die Unternehmung von Gremien wirkungsvoll geführt werden? Welche externen Ratgeber sollten konsultiert werden? Wie können sich Führungskräfte fortbilden? Beteiligungen der Aufsichtspersonen am Erfolg der Unternehmung (Aktienbesitz) sind erwünscht. Unerwünscht sind Aufsichtsräte, die bei den Sitzungen nur anwesend sind, aber aus eigenem materiellen Interesse kaum motiviert sein dürften. Allianzen müssen aus dieser Perspektive heraus beurteilt werden: Wo liegt "nur" ein Vertrag vor, der bindet, und wo ist eine echte geschäftliche Partnerschaft gegeben, bei der "alle Seiten" gewinnen? Rechnungslegung und Kommunikation: Die Rechnungslegung folgt international anerkannten Prinzipien (IAS, US-GAAP). Zusätzlich werden Wirtschaftlichkeitszahlen wie EVA oder der Return-On-Equity (ROE) neben operativen Erfolgsgrößen (EBIT, NOPAT) berechnet und mitgeteilt. Klare Mitteilungen an die Analysten; Einhaltung der InsiderRegeln. Man belügt sich nicht selbst durch verzerrte und rein interne Wirtschaftlichkeitsrechnungen, um Argumente für ein Wunschprojekt zu erhalten. General Electric, ein großer amerikanischer Konzern, pflegt hierzu ein als "Six Sigma" bezeichnetes Programm. Bei der Siemens AG umfaßt das als "Wertsteigerungsinitiative" bezeichnete Programm zehn Punkte.

LEXIKON

7 0

1. Interne Initiativen: Die Unternehmung leitet Initiativen zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit und der Konkurrrenzfähigkeit ein. Zur Ermittlung der Stärken und Schwächen erstellt die Unternehmung ein leistungsfähiges Management-AccountingSystem, bekundet sich zu Qualitätsstandards bei ihren Prozessen, führt regelmäßig ein Benchmarking durch und implementiert Best-Practices. Kurzfristige Maßnahmen Produktivitätssteigerung, Wachstum bei den im Preis weniger stark schwankenden Produkten, Kapazitätsabbau. 2. Überarbeitung des Top-Programmes Analyse der Geschäftswertbeiträge, aller Geschäftseinheiten, d. h. Orientierung an den Kapitalkosten, Formulierung von Ergebniszielgrößen für die Bereichsverantwortlichen mit vierteljährlichen Ergebnisgesprächen. 3. Bereinigung von Problemgebieten. Desinvestition einzelner Bereiche, die nicht die Zielrenditen erreichen. 4. Stärkung durch Akquisitionen Abrundung bestehender Geschäftsbereiche, um Kompetenzen zu verbreitem oder in neuen Absatzmärkten anbieten zu können. 5. Neuaufstellung von Arbeitsgebieten Anpassung der Konzernorganisation an Marktveränderungen. 6. Maßnahmen zur Reduzierung der Kapitalbindung Insbesondere Maßnahmen der Senkung der Kapitalbindung im Umlaufvermögen (Vorräte und Forderungen) sowie Intensivierung der Bewirtschaftung des Immobilienbestandes. 7. Maßnahmen bei der Kapitalstruktur Rückkauf eigener Aktien, Einführung der Stückaktie und der Namensaktie, Plan für die Ausgabe von Optionen an leitende Mitarbeiter. 8. Anpassung der Rechnungslegung an US-GAAP Anpassung des Rechnungswesen an die Globalisierung des Geschäftes und die Anforderungen des internationalen Kapitalmarktes. 9. Börsengang in den USA Ermöglichung transatlantischer Akquisitionen und Kooperationen, die einen Aktientausch einschließen. 10. Verstärkte Restrukturierung Finanzierung durch außerordentliche Erträge.

Bild 21: Das Programm der Wertsteigerungsinitiative bei der Siemens AG umfaßte zehn Punkte.

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Out-Sourcing: Die Unternehmung konzentriert sich auf jene Funktionen oder Teilschritte der Wertschöpfungskette, bei der sie komparative Vorteile besitzt; für andere Funktionen kooperiert sie über den Markt mit anderen Unternehmen. Nicht alles zu machen, sondern Konzentration (auf das, was man so gut kann, daß man auf diesem Teilgebiet zu den drei Weltbesten gehört), lautet die neue Devise. Unternehmensstatuten und Beteiligungen seitens anderer Unternehmen sollten eine Übernahme nicht ausschließen. Keine gegenseitige Verflechtung (wenn es dafür nicht realwirtschaftliche Gründe gibt). Unfreundliche Übernahmen sollten nicht ausgeschlossen bleiben. Die Organisation soll erlauben, Unternehmensbereiche abzutrennen und zu verkaufen. Incentiveprogramm: Alle Personen, die in der Unternehmung einen Entscheidungsspielraum ausfüllen (und dabei nicht vollständig überwacht werden können), sind zu motivieren. Für sie erkennbar und durch Anstrengungen beeinflußbar soll ein Zusammenhang zwischen Unternehmenswert und persönlicher Partizipation eingerichtet werden. Value-Management ist in einem engen Sinn die Anwendung einer Rechentechnik, die auf dem DCF beruht, dem Barwert Freier Cashflows, zur Beurteilung von Entscheidungen. Das damit verbundene normative Postulat lautet, Shareholder-Value zu mehren. Es verlangt, alle Entscheidungen zu ergreifen, die durch einen positiven DCF bewertet werden. Etwas weiter verstanden, ist Value-Management ein Weg der Weiterentwicklung von Unternehmen und von Organisationen in einer sich verändernden Welt. Damit wird die ultimative Zielsetzung, Cash zu generieren, nicht außer Kraft gesetzt. Nur: Wo Cashflows nicht hinreichend genau prognostiziert werden können, muß man sich an andere Indikatoren halten, die auf spätere Cashflows verweisen.

Vier Indikatoren spiegeln zugleich die vier Phasen der so verstandenen Value-Managementlehre wieder: 1. Es wird verlangt, daß die Unternehmung oder Organisation zunächst die Frage nach dem Sinn und Ziel klar (und nicht diffus) beantwortet. Hierzu wird sie die Bedeutung der für sie wichtigsten Gruppe anerkennen und sich den Wünschen und Werten dieser Gruppe nicht verschließen. 2. Sodann wird sich die Unternehmung oder Organisation ihrer jeweiligen Umgebung gegenüber lernend öffnen, und fit in ihrer jeweiligen Umgebung werden. Hierzu bedarf es nicht nur "Optimierungen im Kleinen" sondern eines Aufbruchs alter Strukturen.

LEXIKON 3. Die Anpassung des Aufbaus und der eigenen Organisation ist wichtig. Innere Beweglichkeit und Flexibilität ist verlangt. 4. Schließlich sollte die Unternehmung oder Organisation die eigenen Kräfte mobilisieren und motivieren.

Öffnung nach außen und nach innen Corporate-Perestroika Restrukturierung heißt auf russisch Perestroika. Der frühere Präsident der UdSSR MICHAEL GORBATSCHOW wählte diesen Begriff für das in seinem Land zur Notwendigkeit gewordene "/it-werden." Damit war noch nicht gesagt, welches die genauen Zielsetzungen sein würden, die nach dem Aufbruch überkommener Strukturen die Entscheidungen in der Wirtschaft bestimmen würden. Indessen scheint klar, daß die Ziele nach der Restrukturierung eher von der Außenwelt bestimmt werden: Die Perestroika sollte nicht die verkrustete Struktur einfach durch eine neue Art von Abkapselung ersetzen. Nicht überraschend ist somit, daß komplementär zur Politik der Perestroika eine Politik der Glasnost (russisch: Öffentlichkeit) eingeleitet und verfolgt wurde. ACKOFF hat den Begriff auf die Unternehmung übertragen und die Forderung nach Corporate-Perestroika erhoben. 12 Auch hier ist nicht gesagt, welches die neuen Zielsetzungen nach der Strukturänderung sein werden. Offensichtlich ist eine Öffnung gegenüber der Außenwelt der Unternehmung gemeint. Beweglichkeit und Lernen von außen bedeutet zu vergleichen. Für die wirtschaftliche Kooperation sind im Verlauf der Jahrtausende verschiedene Institutionen entstanden. Eine dieser Institutionen eignet sich par excellence für das Vergleichen und Verändern. der Markt. Ein Kaufinteressent kann das Angebot vergleichen und seine Wahl treffen. Die Transaktionen verändern die Allokation der Güter. Einen Markt zu schaffen bedeutet, die allgemeinen Möglichkeiten zum Vergleichen und Verändern auszuweiten.

12

Der Begriff Corporate-Perestroika

entstammt einem Vorwort, das ACKOFF für das folgen-

d e B u c h s c h r i e b : WILLIAM E. HALAL, ALI GERANMAYEH u n d JOHN POURDEHNAD: Internal

Mar-

kets — Bringing the Power of Free Enterprise Inside Your Organization. Wiley, New York 1993.

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RUSSELL L. ACKOFF, Forscher auf dem Gebiet des Operations Research, lehrte

nach dem Studium an der University of Pennsylvania und der dortigen Wharton School. Er publizierte 19 Bücher und mehr als 150 Fachaufsätze. Außerdem hat er über 300 Beratungsprojekte durchgeführt. Heute wirkt er als Gründer und Chairman im Board des Instiute for Interactive Management. Damit ist Perestroika generell, auch die Corporate-Perestroika, mit der Schaffung von Märkten verbunden, mit der breiteren Abstützung von Vergleichen und mit einer geringeren Hemmschwelle zur Veränderung. Der Markt — eine Institution der ökonomischen Kooperation — folgt jedoch nicht einfach den Wertvorstellungen einer einzigen Partei, auch nicht den Wertvorstellungen der "Kapitalisten." Der Markt generiert seine Wertvorstellungen selbst. Es ist wichtig zu sehen, daß der Markt keine Einrichtung ist, bei dem etwa die Kapitalisten Preise vorgeben und dann zu allen anderen sagen: Nun spielt mal schön Tausch und GüterAllokation nach unseren Wertungen. Der Markt erzeugt selbst die Kriterien und Wertvorstellungen. Erst das Marktgeschehen liefert die Kriterien. Es wäre verfehlt, das Wertmanagement dahingehend zu interpretieren, die früheren Ziele (Manager bauen eine interne Planungs struktur auf und verwirklichen in Harmonie mit Arbeitnehmern Produktionspläne) seien nun durch die partikularen Ziele einer anderen Gruppe (Manager orientieren sich an Aktienkurssteigerungen) ersetzt worden. Wertmanagement verlangt, die Unternehmung und das unternehmerische Geschehen marktnäher zu gestalten. Das kann durchaus bedeuten, daß auf einmal die am Markt teilnehmenden Kapitalisten (hier: Aktionäre, Eigenkapitalgeber) unbeachtet in der Ecke stehen. Schon heute gibt es Anzeichen dafür. Eigenkapital ist heute nicht mehr überall die Engpaß-Ressource. Diese Rolle nehmen Spitzenkräfte ein, Experten (Informatik, Technologie, Forschung, Entwicklung, Marketing) und Manager (etwa im CorporatePortfoliomanagement). Entsprechend läßt die heutige Unternehmung den Aktionär bereits wissen: Dein Einsatz wird doch marktüblich vergütet! Nun sei still, denn Du bist leicht durch einen anderen Aktionär zu ersetzten: wir müssen uns jetzt um die schwer zu bekommenden Experten kümmern und danach fragen, wie die Unternehmung vorgehen muß, um sie anwerben und halten zu können. So lautet die Frage nicht, ob es die eine oder die andere Zielsetzung sei, nach der Unternehmen vorgehen sollten.

LEXIKON •

In einer historischen Phase mit einem Engpaß an Kapital kann es sein, daß diese Marktbewertungen besonders die Wünsche der Kapitalgeber reflektieren. Doch die Veränderungen in der Welt lassen Kapital zunehmend zu einer Ressource neben anderen werden und ...



... neue Faktoren gewinnen ungeahnte Werte. Es sind dies Experten und Ideen, die sich in Startups manifestieren. Angesichts dieser Veränderungen wird nicht mehr belohnt, wer eine Aktie gekauft hat. Belohnt wird, wer eine Idee hat und dazu ein Team in einem Startup organisieren kann.

Dezentral oder zentral?

Ist für die wirtschaftlich-intendierte Zusammenarbeit der Markt oder eine andere Kooperationsform vorzuziehen? Nun, die andere Kooperationsform ist durch zentrale Planung, Hierarchie, und Regeln charakterisierbar. Die Frage lautet, ob für die Zusammenarbeit in der Welt der Wirtschaft der Markt (dezentrale Koordination) oder eine zentrale Planung insgesamt besser ist. Die Frage "Markt oder Zentralplanung" ist nicht neu und wurde immer wieder gestellt.13 Der Umfang der Literatur läßt ahnen, daß die Frage nicht einfach zu klären ist. Ersichtlich lautet die Antwort nicht, der Markt wäre in allen Aspekten einer zentralen Planung überlegen. 1. Die Zentralplanung vermeidet Doppelspurigkeit und setzt Ressourcen sparsamer ein, obliegt jedoch stets der Gefahr, daß die Zielvorgabe der Zentralinstanz falsch ist. 2. Der Markt führt zur Erzeugung zahlreicher Alternativen und zu parallelen Angeboten und Produktionen mit verschiedenen Varianten und setzt daher Ressourcen weniger sparsam ein. 3. Der Markt erzeugt jedoch mit den Parallelentwicklungen eine gewisse Informationsvielfalt, die wertvoll ist, wenn noch nicht klar ist, welches die später gewünschte Variante sein wird.

13 Vergleiche

als A u s w a h l :

1. O S W A L D L A N G E u n d FREDERICK M . T A Y L O R :

On

the

Economic

Theory of Socialism, Minneapolis 1938. 2. FRIEDRICH AUGUST HAYEK: The use of knowledge in society. American Economic Review, 35 (1945), pp. 519-530; 3. ROY RADNER: Hierarchy: The Economics of Managing. Journal of Economic Literature 30 (1992) pp. 1382-1415. 4. RICHARD K. SAH und JOSEPH E. STIGLITZ: The Architecture of Economic Systems: Hierarchies and Polyarchies. American Economic Review 76 (1986), pp. 716-727. 5. SHERWIN ROSEN: Managerial Compensation, Control, and Investment, in: HORST SIEBERT [Hrsg.]: Trends in Business Organization: Do Participation and Cooperation Increase Competitiveness? Mohr, Tübingen 1995, pp. 143-158.

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Auch der Markt hat Nachteile. Offensichtlich bewirkt der Markt eine gewisse Verschwendung volkswirtschaftlicher Ressourcen, weil es stets zahlreiche Parallelentwicklungen gibt. Gehen wir nur in ein Kaufhaus und sehen uns die Auswahl an Fernsehgeräten an: Hier haben Dutzende von Entwicklungsteams unabhängig voneinander die Fernbedienung jeweils neu erfunden, eigens gestaltet und die jeweiligen Besonderheiten in einer hundertseitigen Bedienungsanleitung niedergelegt. Auch die Zentralplanung hat Vorteile. In den USA wurden große Regierungsprojekte (Apollo) erfolgreich nach dem System der zentralen Planung durchgeführt. Es ist zu vermuten, daß diese Ergebnisse nie durch eine marktnahe Kooperation zustande gebracht worden wären. Die Zentralplanung hat mithin den Vorteil der ausgeprägten Ressourcensparsamkeit und den Nachteil, daß der zentral vorgegebene Weg sich später einmal als grundsätzlicher Irrtum erweisen könnte. Der Markt hat den Nachteil einer geringen Ressourcensparsamkeit und den Vorteil, bei der Findung des gewünschten Weges mitzuwirken, so daß die Gefahr einer zu späten Entdeckung irrtümlicher Ziele minimiert wird. Kurz: Der Markt erzeugt Informationen über die richtigen Ziele und findet den richtigen Weg, aber das zu hohen Kosten. Wenn eine Gesellschaft wirtschaftliche Kooperation gestalten möchte, ist demnach die primäre Frage, ob die Ziele und der einzuschlagende Weg schon bekannt sind oder erst gesucht werden müssen. Ist man sich absolut sicher, die richtigen Ziele und den richtigen Weg zu kennen, zählt der Vorteil der Zentralplanung, ressourcensparender zu sein. Besteht noch Unsicherheit, wo es überhaupt lang gehen soll, dann wird der Vorteil des Marktes gewichtig, mit seinem Variantenreichtum Ziel und Weg zu finden. Ob nun das eine oder andere eher der Fall ist? •

In einer statischen Welt, in der Wissenschaft und Kultur nur einen langsamen Erkenntniswandel bewirken, ist die Gefahr eher gering, den falschen Zielen zu folgen und einen Weg einzuschlagen, der sich später als Irrtum erweisen könnte.



In einer dynamischen Welt mit rasantem Erkenntniswandel, ist die Gefahr groß, daß die Gesellschaft nicht alle Informationen richtig antizipiert und verarbeitet um sie einer Zentralinstanz als Leitlinie vorgeben zu können. Hier ist dem Markt, trotz der geringeren Ressourcensparsamkeit, der Vorzug zu geben.

Es liegt auf der Hand, daß uns die Dynamik etwas die Orientierung genommen hat. Daher wäre es gefährlich, irgendeine Zielsetzung und irgendeine Wegweisung einer Zentralplanung zu übertragen. Wir brauchen Varianten und Alternativen, und gerade die experimentellen Irrwege der Markteilnehmer helfen uns, die Richtung wertvollen Tuns zu entdecken.

LEXIKON

Schaffung interner Märkte

Eine Gegenüberstellung der Kapitalisierung internationaler Großunternehmen und ganzer nationaler Börsenplätze zeigt, daß einige Unternehmen wirtschaftliche Systeme sind, deren Größe teilweise diejenige von externen Märkten für Eigenkapital entwickelter Volkswirtschaften übersteigt oder zumindest an diese heranreicht. Angesichts dieser Größenverhältnisse gelten die Betrachtungen für das Abwägen zwischen Markt und Zentralplanung genauso für eine Unternehmung in ihrer internen Organisation. Beispielsweise hat anscheinend General Electric eine höchst wirksame Art, intern Ressourcen zuzuweisen. Andernfalls hätten die Aktionäre schon längst für eine Aufspaltung der Unternehmung gesorgt. Vermutlich hat General Electric im Inneren einen Markt etabliert, der vielleicht sogar besser als eine Börse funktioniert.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Aktienmarkt / Unternehmen USA Japan Großbritannien Deutschland Australien Frankreich Schweiz Kanada Niederlande Hong Kong Italien Spanien Taiwan Schweden General Electric Brasilien Südafrika China R. Dutch/ Shell Exxon

Kapitalisierung (in Mio. USD) 11.308779 2.216.699 1.996.225 825.233 696.656 674.368 575.338 567.635 468.736 413.323 344.665 290.383 287.813 272.730 271.638 255.478 232.069 206.366 195.465 172.499

21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40

Aktienmarkt / Kapitalisierung Unternehmen (in Mio. USD) Mexiko 156.595 Merck 139.845 Belgien 136.965 Nippon Tel 130.586 Indien 128.466 Rußland 128.207 Wal-Mart 123.244 Intel 121.159 Novartis 115.867 Procter & Gamble 112.475 IBM 110.791 Singapur 106.317 AT&T 98.873 Toyota 94.110 Dänemark 93.766 Malaysia 93.608 Philip Morris 90.798 Neuseeland 90.483 Du Pont 87.107 AIG 86.624

Bild 22: Kapitalisierung internationaler Kapitalmärkte. Aktienmarktkapitalisierung: Gesamtkapitalisierung der inländischen börsennotierten Unternehmen zum Jahresende 1997. Quellen: Daten des IFC Emerging Markets Yearbook (1998), pp. 16-17; die Unternehmenskapitalisierungen sind entnommen FORBES GLOBAL 2000 (1998).

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Equity Investors (Share repurchase $ 3,417 Dividends $422)

$2,429 New De tit Interest

£2,725 Corporate Center

1 5

$1,315 (n c m ® M F o B CD ®

c

2 g a) o Q.

O sz

x Accounting-Modell, Economic-Modell, MVA, Kapitalkosten, und STEWART, WACC.

STERN

Electronic-Commerce Mit Electronic Commerce (E-Commerce) werden sämtliche durch Computer und Netzwerke unterstützten wirtschaftlichen Aktivitäten und Transaktionen bezeichnet.

88

1. J E F F B A C I D O R E , J O H N B O Q U I S T , T O D D M I L B O U R N u n d A N J A N T H A K O R : T h e S e a r c h f o r t h e

Best Financial Performance Measure. Financial Analysts Journal 53 (Mai/Juni 1997) 3, p p . 1 1 - 2 0 . 2. KARLHEINZ KOTING und ULRIKE EIDEL: P e r f o r m a n c e - M e s s u n g u n d

Unterneh-

mensbewertung auf Basis des EVA. Wirtschaftsprüfung 52 (November 1999) 21, pp. 829838.

19 7

V A L U E - M A N A G E M E N T

Der Begriff umfaßt daher auch Prozesse innerhalb einer Unternehmung, doch wird er gelegentlich auf Transaktionen eingeengt. Dann wird unter E-Commerce der durch Computer und Netzwerke bewerkstelligte Informationsaustausch und der Handel mit Produkten und Dienstleistungen verstanden, das sogenannte Online Shopping." Treiber der Entwicklung von E-Commerce sind neben der Informations- und Kommunikationstechnologie vor allem das Internet. Das TCP/IP-Protokoll ist Standard geworden, wodurch ein plattformunabhängiger Zugang zum Internet möglich ist (NORBERT HAHN: Technologie Trends: Konvergenz von IT, Medien und Telekommunikation,

in: WALTER GORA u n d ERIKA MANN (Hrsg.):

Handbuch

Electronic Commerce: Kompendium zum elektronischen Handel. Springer, Berlin etc. 1999, pp. 7-16). In den Anfangszeiten des E-Commerce dominierten unternehmensinterne Netze, sogenannte Intranets, sowie separierte, auf Basis von Electronic Data Interchange (EDI) konzipierte zwischenbetriebliche Extranets (EBERHARD HOLLER: Anwendungsszenarien E-Commerce, in: Walter Gora und Erika Mann (Hrsg.): Handbuch Electronic Commerce: Kompendium zum elektronischen Handel. Springer, Berlin etc. 1999, pp. 243-259). Heute geht der Trend jedoch zu internetbasierten elektronischen Kaufhäusern (Electronic Shopping Malis) und offenen Handelsplattformen.

Grundlegend für E-Commerce ist die Disintermediation, das heißt, der Übergang von der integrierten Wertschöpfung zu Netzwerkstrukturen sowie die Ausrichtung der Geschäftsprozesse am Kundenprozeß. Begründet wird diese Desintegration und damit vielfach verbundene Beschränkung der Leistungstiefe mit der Konzentration auf die Kernkompetenzen der Unternehmung. Elektronische Märkte schaffen insbesondere in stark zersplitterten Märkten dadurch Vorteile, daß sie die Informationsbeschaffung sowie den Produkt- und Preisvergleich erleichtern und so die Intermediation durch Zwischenhändler ersetzen.90 So können Produzenten ohne weitere Vertriebspartner direkt über das Internet an Endabnehmer verkaufen. 89

1. A R N O L D PICOT, R A L F REICHWALD u n d R O L F T . W I G A N D : Die

Information,

Organisation

und Management.

grenzenlose

Unternehmung:

3. Auflage, Gabler, Wiesbaden

1998. 2.

ARNOLD HERMANNS u n d MICHAEL SAUTER: Electronic Commerce - Grundlagen, Potentiale, Marktteilnehmer und Transaktionen, in: ARNOLD HERMANNS u n d MICHAEL SAUTER: Manage-

ment-Handbuch Electronic Commerce. Vahlen, München 1999, pp. DEUTSCH: Electronic Commerce: Zwischenbetriebliche Geschäfisprozesse gänge realisieren. 2. Auflage, Gabler-Vieweg, Braunschweig 1999.

13-29. 3. MARKUS und neue Marktzu-

90

JOHN SCHWARTZ u n d NADINE JOSEPH: E-Commerce:

2000), pp. 72-77.

2B

or

not

2B.

Newsweek

(29.

Mai

LEXIKON

19 8

Häufig verhindern aber eingefahrene Strukturen und die Eigeninteressen der Zwischenhändler eine vollständige Disintermediation. Einige Intermediäre versuchen, die Entwicklung für sich auszunutzen, indem sie aus Einzelleistungen verschiedener Anbieter Komplettlösungen in einem bestimmten Segment zusammenstellen. Die Ausrichtung am Kundenprozeß verlangt von den Anbietern eine radikale Restrukturierung und Informatisierung ihrer Geschäftsprozesse (zum Beispiel durch Business-Process-Reengineering). Ziel dabei ist die Schaffung von Kundennähe durch optimale Bedürfnisbefriedigung, durch die Individualisierung der Marktleistungen und durch beschleunigte Geschäftsabläufe. Zu beobachten ist eine zunehmende Dekonstruktion der klassischen Wertschöpfungskette (Deconstruction of the Value Chain) von den Beschaffungsmärkten hin zu den Absatzmärkten. Anders ausgedrückt: War früher die Produktion der interessanteste Teil der Wertschöpfung, so ist es heute vielfach die Kundenbeziehung. Wenn ein Unternehmen andere, selbständige Unternehmen in die Erstellung seiner Marktleistungen einbezieht, entstehen Netzwerke von Unternehmen, sogenannte Business Networks,91 Business Networking, das Management der Abhängigkeiten verschiedener Organisationseinheiten, ermöglicht eine Spezialisierung der Marktleistungen und reduziert die Komplexität des unternehmerischen Geschehens. Durch diesen Einbezug anderer Anbieter in die nach außen dargestellte Marktleistung verschwimmen die Grenzen der Unternehmung zusehends. • Es entstehen symbiotische Unternehmensverbände, die bei einzelnen Teilfunktionen miteinander kooperieren und bei anderen Teilfunktionen als Konkurrenten agieren. Es wird von Co-opetition gesprochen. • Unter dem Begriff E-Procurement schließen sich sogar Konkurrenten zu einem globalen und virtuellen Beschaffungsmarkt zusammen. So bietet die von dem amerikanischen Unternehmen Commerce One betriebene Website www.marketsite.net eine Zentralisierung von Einkaufsfunktionen und eine Harmonisierung der Inhalte verschiedener Zulieferer. Einkäufer können Preise vergleichen, die Verfügbarkeit überprüfen und die Bearbeitung ihrer Aufträge verfolgen.

Elektronische Märkte werden oft im Auktionsverfahren gestaltet. Gerade bei Auktionen beweist das Internet als Informations- und Transakti91

HUBERT ÖSTERLE, ELGAR FLEisch und REINER ALT: Business prise Relationships on the Internet. Springer, Berlin 2000.

Networking:

Shaping

Enter-

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19 9

onsmedium Stärken. Angebot und Nachfrage können nahezu ohne Zeitverzögerung und ohne örtliche Einschränkung transparent allen transaktionswilligen Marktteilnehmern nahegebracht werden. Virtuelle Marktplätze sind perfekte Intermediatoren und schaffen Transparenz in bislang ineffizienten und zersplitterten Märkten. Beim E-Commerce dominieren die folgenden Modelle für den Markt beziehungsweise die Transaktion: •

B2B: der Handel zwischen Unternehmen (Business-to-Business) betrifft den umsatzgrößten Teil des E-Commerce. Schon länger sind elektronisch unterstützte zwischenbetriebliche Märkte bekannt, wie bei Banken (für den Zahlungsverkehr) oder Fluggesellschaften (Reservierungen mit Systemen wie SABRE oder AMADEUS).



B2C: hierunter werden Geschäftsmodelle subsumiert, die den elektronischen Handel zwischen Unternehmen und Endkunden (Business-to-Consumer) betreffen. Beispiele sind der Verkauf von Büchern und Schallplatten, Kosmetika und Vitaminen, von Ferienreisen, Autozubehör, oder von Kleidungsstücken über das Internet.



C2C: Für die Beziehung Consumer-to-Consumer werden Auktionsmodelle zur Verfügung gestellt, mit denen gebrauchte Gegenstände von privat an privat verkauft oder weitergegeben werden. C2C ersetzt auf virtuelle Art die bekannten Kleinanzeigenmärkte. Eine Variante ist P2P (peer to peer), ein Kleinmarkt. Bekanntestes Beispiel ist die Webseite www.napster.com, auf der Musikstücke im Format MP3 getauscht werden können.



C2B: Hier wenden sich Privatpersonen mit ihren Nachfragen an Hersteller und fordern diese auf, ihnen eine Offerte zu unterbreiten (Consumer-to-Business). C2B ist ein kleines, aber innovatives Segment des E-Commerce. So verkauft das USUnternehmen Priceline mit Reverse Auctions Flugreisen (vergleiche www.priceline.com). Die Käufer geben einen Maximalpreis für eine bestimmte Flugreise vor und erhalten von den Anbietern daraufhin ein Angebot.



Ein erst langsam sich entwickelndes Segment des E-Commerce ist dasjenige der öffentlichen Verwaltung. Hier gilt es darum, das Leistungsangebot der Administration von Städten und Kommunen sowie auf Ebene der Länder und Staaten darzustellen, und gewisse Prozesse (zum Beispiel Anfragen, Anmeldungen, Steuerabwicklung) transparent und leicht zugänglich zu machen.



In den Kinderschuhen steckt als neue Form des E-Commerce der Mobile Commerce (M-Commerce). Das besondere Merkmal

LEXIKON

2 0 0

des M-Commerce ist die Nutzung von Mobiltelefonen: Transaktionen sind standortunabhängig möglich. Neue Technologien und Standards in der mobilen Telefonie (wie UMTS) erlauben einen höheren Datendurchsatz und die schnelle Übertragung von Graphiken und Videosequenzen. Business-Process-Reengineering, Netzwerkökonomie.

Effizienz Man spricht von einem Maximum, wenn ein Ergebnis, das durch eine eindimensionale Größe gemessen wird, hinsichtlich dieser Größe nicht übertroffen werden kann. Effizienz liegt vor, wenn ein durch mehrere Dimensionen beschriebenes Ergebnis in keiner Dimension noch übertroffen werden könnte, ohne daß dabei ein Nachteil hinsichtlich einer anderen Dimension hingenommen werden müßte. Beispielsweise führte MARKOWITZ den Begriff des effizienten Portfolios ein. Jedes Portfolio ist durch ein zweidimensionales Ergebnis beschrieben, durch den Erwartungswert und die Streuung der Portfoliorendite. Ein Portfolio A, entstanden durch die Kombination der zugrunde gelegten Einzelrenditen, ist effizient, wenn sich die Einzelrenditen nicht in einer anderen Gewichtung kombinieren lassen wodurch ein Portfolio B entstünde, das entweder hinsichtlich der Renditeerwartung dem ersten überlegen wäre — ohne daß dabei die Streuung der Rendite, das Risiko, zunehmen würde, oder aber B ein geringeres Risiko als A hätte, und gleichzeitig die Renditeerwartung von B nicht geringer als die von A wäre. Die sogenannte Effizienzkurve positioniert alle effizienten Portfolios anhand der beiden Merkmale Renditeerwartung (Return) und Renditestreuung (Risk). Daneben wird der Begriff der Effizienz in der mikroökonomischen Produktionstheorie verwendet. Ein Produktionsprozeß wird als effizient bezeichnet, wenn es keinen anderen Produktionsprozeß gibt, bei dem tendenziell mit weniger Inputs ein Mehr an Outputs erbracht werden könnte. Aus der Produktionstheorie ist der Begriff der Effektivität geläufig, was soviel wie Wirksamkeit bedeutet. Dabei steht im Hintergrund eine physikalische Vorstellung von der Ausbeute, zum Beispiel das Gesetz von der Energieerhaltung, die mit Inputs im Idealfall erbracht werden kann. Ein Produktionsprozeß wird als effektiv bezeichnet, wenn nicht zu viele Inputs, besonders Energie, bei der Transformation unwiederbringlich verloren gehen.

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2 01

Der Begriff der Effizienz wird zudem in der Verteilungstheorie für Allokationen verwendet. Eine Allokation ist eine Darstellung jener Quantitäten der betrachteten Güter, die den Personen oder Wirtschaftssubjekten aufgrund eines ökonomischen Verfahrens (etwa einem Marktmechanismus) zugeteilt werden. Nach dem Nationalökonomen PARETO wird von Pareto-Efiizienz gesprochen, wenn eine Güter-Allokation die folgende Eigenschaft besitzt: Es ist keine andere Verteilung möglich, bei der wenigstens eine Person einen höheren Nutzen, niemand jedoch eine Nutzeneinbuße verzeichnen müßte. Effizienz ist daher eine Mindestforderung: sie besagt, daß nichts verschwendet wird. In aller Regel gibt es viele effiziente Allokationen. Beispielsweise sind sehr extreme Güterverteilungen, bei der eine Person alles erhält, effizient. Denn es wird so sein, daß man zumindest dieser Person etwas wegnehmen müßte (was mit einer gewissen, wenn vielleicht geringen Nutzeneinbuße verbunden wäre), um einen anderen oder mehrere andere Personen besser zu stellen. Man beachte, daß es bei der Effizienz nicht um eine Kennzahl geht, die den "Grad erreichter Effizienz" ausdrücken würde. Entweder ist ein Portfolio, ein Produktionsprozeß, eine Allokation effizient, oder nicht. Im letzteren Fall ist das Portfolio, der Produktionsprozeß, die Allokation dominiert. •=> C A P M ,

FAMA,

Intermediation.

Entity-Methode Die Entity-Methode oder Bruttomethode ist eine der beiden Varianten der DCF-Methode und dient genau wie die Equity-Methode (Nettomethode) der Bewertung von Projekten oder Unternehmen. Die Entity-Methode möchte aber den Gesamtwert zugunsten aller Kapitalgeber berechnen, faßt also Eigenkapitalgeber und Fremdkapitalgeber zusammen. Alle Kapitalgeber zusammengefaßt können aber nicht nur die Freien Cashflows als Ergebnis zu ihren Gunsten betrachten, sondern die Summe aus den Freien Cashflows und den gezahlten Zinsen. Bei der Equity-Methode wird also aufgrund der Geschäftsplanung wieder von den erwarteten Cashflows der zukünftigen Jahre ausgegangen und es werden die geplanten Investitionen abgezogen:

LEXIKON

2 0 2

FCFt =£[£,-/,],

FCF2=E[C2-I2\...

Sodann werden die in den einzelnen Jahren zu zahlenden Zinsen addiert; sie seien mit Z,,Z2,... bezeichnet. Zur Diskontierung wird ein durchschnittlicher Kapitalkostensatz verwendet, der mit WACC (weighled auerage cost of capital) bezeichnet wird und sich als gewichtetes Mittel der marktgerechten Renditeansprüche von Eigenkapitalgebem und Fremdkapitalgebern errechnet. Der Barwert ist dann der Gesamtwert der Unternehmung, das heißt, die Summe aus dem heutigen Marktwert des Eigenkapitals, EK0, und dem heutigen Marktwert des Fremdkapitals FK0.

^ EK0 + FK0 0

0

=

FCK+Z. FCF?2+Z, FCF, + Z, ! L+ ^ + ? +... 2 1+ WACC (1+ WACC) (1 + WACC)

Wenn das unternehmerische Geschehen zu einem Zeitpunkt T völlig beendet wird, kann die gesamte Unternehmung vielleicht verkauft oder liquidiert werden. Der Erlös ist (aus heutiger Sicht) unsicher, doch soll eine Prognose gebildet werden können. Der erwartete Erlös aus Verkauf oder Liquidation sei mit LT bezeichnet. Diese Größe ist mit den durchschnittlichen Kapitalkosten zu diskontieren. Im Fall einer Beendigung müssen die Eigenkapitalgeber die dann noch bestehenden Forderungen der Fremdkapitalgeber FKT erfüllen. Sie lassen sich vergleichsweise gut prognostizieren und sollen auf den heutigen Zeitpunkt mit dem Zinssatz für Fremdkapital, iFK bezogen werden. Dann gilt:

EK0

FKT FCF+Z. FCF2+Z2 FCFT + ZT LT = -—___.__+—— __,+...+ ' • ' ' 1+ WACC (1 + WACC) (1 + WACCy (1 + WACCy (1 + iFK)

Oft wird die Entity-Methode gegenüber der Equity-Methode bevorzugt. Beide Varianten der DCF-Methode führen eigentlich auf dieselben Werte, es sei denn, der Wert des Eigenkapitals hänge aufgrund von nicht-finanzierungsneutralen Steuern von der Kapitalstruktur ab. DCF-Methode, Steuern und DCF, Kapitalkosten.

2 0 3

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Equity-Carve-Out Equity-Carve-Out ist die Bezeichnung für einen zweistufigen Prozeß: Zunächst werden von einer Aktiengesellschaft Assets oder Unternehmensteile auf eine neu gegründete und rechtlich selbständige Tochtergesellschaft übertragen; anschließend wird ein Teil des Eigenkapitals der Tochtergesellschaft an der Börse plaziert.92 Equity-Carve-Outs werden von der Börse als interessante Deals bewertet und führen vielfach zu einer Wertsteigerung. Beachtenswert ist, daß die neu verkauften Aktien bei der Muttergesellschaft zu Geldeinnahmen führen und das Management diese Mittel wieder neu investieren kann, ohne daß die Aktionäre hierbei große faktische Kontrollmöglichkeiten hätten. Vielfach führt schon die Ankündigung eines EquityCarve-Outs zu einer Kurssteigerung beim ausgliedernden Unternehmen. Andererseits versuchen einige Konzerne, mit dem Verkauf von vielleicht sogar überbewerteten Konzernteilen ein gutes Geschäft zu machen. Dementsprechend widersprechen sich empirische Vergleiche der Performance von Equity-Carve-Outs in ihren Ergebnissen.93 Unternehmen streben Wettbewerbsvorteile durch eine Konzentration auf ihre Kernkompetenzen an. Dies bedeutet in vielen Fällen eine Zerlegung des Unternehmensportfolios. Während Konzerne in früheren Jahren ihr Unternehmensportfolio durch den Verkauf von Geschäftseinheiten bereinigten, werden heute Tochtergesellschaften ausgegliedert und dann über die Börse veräußert. Aufsehenerregende Equity-CarveOuts waren beispielsweise die von T-Online, SAP Systems Integration oder Infineon Technologies.

92 Literatur:

1. PATRICIA L .

ANSLINGER,

DENNIS CAREY,

KRISTIN FINK

und

CHRIS

GAGNON:

Equity Carve-Outs: A New Spin on Corporate Structure. McKinsey Quarterly 1 (1997), pp. 165-172. 2. GEORG SCHULTZE: Der Spin-off

als Konzernspaltungsform.

Lang, F r a n k f u r t a m

Main 1998. 93 1. PATRICIA L . ANSLINGER, STEVEN J . KLEPPER u n d

G o o d to Do. McKinsey

Quarterly

S O M U SUBRAMANIAM: B r e a k i n g

up

is

1 (1999), pp. 16-27. 2. ANAND M . VIJH: L o n g - t e r m R e t u r n s

from Equity Carve-Outs. Journal of Financial Economics 51 (1999), pp. 273 - 308. 3. RONALDO H. SCHMITZ: Going Public von Tochtergesellschaften deutscher Konzerne. Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 18 (1993), pp. 842 - 844.

204

Bild 43: Der Equity-Carve-Out einer Tochtergesellschaft nach

LEXIKON

SCHULTZE

1998.

Zumeist behält die Muttergesellschaft eine Mehrheitsbeteiligung am Eigenkapital der Tochter, um weiterhin Einfluß auf ihre Geschäftspolitik nehmen zu können. Maßgebliche Beteiligungen können weiterhin bei der Muttergesellschaft bilanziert werden. Trotzdem müssen nun sämtliche Geschäftsbeziehungen zwischen Mutter und ehemaliger Tochtergesellschaft zu Marktkonditionen abgewickelt werden. Eine Quersubventionierung verlustreicher Geschäftseinheiten durch gewinnbringende Töchter ist nicht länger praktikabel. Die ausgegliederten Töchter werden nicht mehr von der Konzernmutter mit Eigenkapital versorgt, sondern erlangen dieses direkt vom Kapitalmarkt durch Kapitalerhöhungen. Besonders Geschäftseinheiten, die in stark wachsenden Geschäftsbereichen tätig sind, können sich als eigenständige Gesellschaft leicht mit Kapital versorgen. Es ist für sie vielfach leichter, strategische Allianzen und Joint Ventures einzugehen. Ziel eines Equity-Carve-Outs ist es, sowohl für die ausgliedernde Muttergesellschaft als auch die nun eigenständige Tochtergesellschaft die Geschäftssituation sowie die Kapitalstruktur zu verbessern. Der häufig beobachtete Konzernabschlag — höhere Kapitalkosten für wenig transparente und effiziente Konzern strukturen — kann reduziert werden. Verkrustete Strukturen werden aufgebrochen und erlauben ein dynamisches und auf unternehmerisches Handeln ausgerichtetes transparentes Unternehmensumfeld. •=> Finanzielle Restrukturierungen.

V A L U E - M A N A G E M E N T

2 0 5

Equity-Story Das Management kommuniziert gegenüber Investoren auf vielfältige Weise, doch lassen sich drei Gruppen von Berichten unterscheiden. 1. Zahlen aus der Finanzrechnung; hierzu gehören vor allem die Höhe der Gewinne und die Erklärung, wie sie sich aus einzelnen Sparten zusammenrechnen, verbunden mit einem Bericht zu diesen Zahlen (wie Bericht zum Jahresabschluss), der weitgehend eine Erläuterung der Zahlen darstellt. 2. Equity-Story: Die pointierte Zusammenfassung versprechender Entwicklungen, eine verbale Skizze von Highlights, etwa zu Produkten, die in der Pipeline sind. Equity-Stories sollen sich also in zwei oder drei Jahren konkretisieren — oder eben als falsch herausstellen. 3. Gelegentlich werden Visionen gezeichnet, also Vorhaben, denen ein Zeitraum von zehn bis fünfzehn Jahren zugrunde liegt. Früher war die Unternehmensbewertung eng auf die erstgenannten Informationen — Abschlüsse und Zwischenabschlüsse mit Bericht und Erläuterung — bezogen. Equity-Stories wurden kaum formuliert; Visionen wurden nicht gegenüber der Finanzwelt gezeichnet, sondern eher gegenüber jungen Menschen oder in Medien mit futuristischen Interessen. Inzwischen möchten die Investoren eine Vorausschau auf die kommenden zwei oder drei Jahre geboten bekommen und Gründe erfahren, weshalb sie in einer Branche der einen oder der anderen Unternehmung den Vorzug geben sollten. Hierzu dienen Equity-Stories.

Thema Corporate Portfolio: Wachstum und Mix der Geschäftseinheiten Kostenkontrolle, Restrukturierung, Out-Sourcing Stand der Technologie, Entwicklungen, Produkte, Forschung und Entwicklung (Research and Development, R&D) Management, Klarheit der Strategie, Kommunikation Finanzkraft, Cashflow, Gestaltung der Finanzen, Corporate Risk Management Know-how der Mitarbeiter, Motivation, Teamgeist Programm zum Rückkauf eigener Aktien

Bild 44: Mögliche Themen für Equity-Stories.

heute erreicht

in drei Jahren

LEXIKON Equity-Stories zeichnen in verbalen Kurzaussagen Entwicklungen auf, die zwar schon in Gang aber noch nicht abgeschlossen sind, und die sich noch nicht in einer Änderung der Zahlen in den Abschlüssen manifestieren. Außerdem liefern sie Argumente für Investoren, gerade die Aktien der betreffenden Gesellschaft zu kaufen. Investor-Relations, Interner Kapitalmarkt.

V A L U E - M A N A G E M E N T

207

F FAMA, Finanzanalyse, Finanzielle Restrukturierungen, Flexibilität.

FAMA, EUGENE Zahlreiche theoretische und empirische Untersuchungen im Finance stammen von EUGENE F. FAMA, Distinguished Professor of Finance an der University of Chicago. FAMA, geboren 1939, hatte zuerst in Medford und dann an der University of Chicago studiert (1960-1963 MBA), und dort 1964 den Ph.D. mit einer Dissertation The Behavior of Stock Market Prices erworben. Er griff früh die Idee der Informationseffizienz auf und entwarf Tests. FAMA zitiert hierzu HARRY V. ROBERTS, ebenfalls Professor an der Uni-

versity of Chicago, der die Ideen der Informationseffizienz für die Kursbildung an den Finanzmärkten zwischen 1950 und 1960 aufbrachte und die drei Formen schwacher, semi-starker und starker Informationseffizienz unterschied. Die Informationseffizienz liefert die Begründung für ein passiv geführtes Portfolio. Eine ebenso bekannte empirische Arbeit, gemeinsam publiziert mit KENNETH R. FRENCH, betont die Bedeutung zweier Unternehmenskennzahlen für die Renditeerwartung: •

Die Relation zwischen Marktwert und Buchwert



sowie die Größe der Unternehmung — deren Bedeutung für die Erklärung der Renditeerwartung erstmals 1982 von ROLF W. BANZ aufgezeigt worden ist.

Des weiteren hat sich FAMA durch empirische Untersuchungen zur praktischen Relevanz des CAPM einen Namen gemacht.94 o Effizienz, CAPM. 94

EUGENE F. FAMA: Efficient Capital Markets: A Review of Theory and Empirical Work.

Journal

of Finance

2 5 ( 1 9 7 0 ) , p p . 3 8 3 - 4 1 7 . EUGENE F. FAMA u n d KENNETH R . FRENCH: T h e

cross-section of expected stock returns. Journal of Finance 47 (1992), pp. 427-465.

LEXIKON

208

Finanzanalyse Viele Menschen denken, es sei im Portfoliomanagement durch genaue Beobachtung der Marktsituation möglich, Zeitpunkte zu bestimmen, die entweder für einen Einstieg in die Börse oder für einen (zumindest temporären) Ausstieg sprechen. Investitionsstrategien, die darauf abheben, werden als Timing oder als Market-Timing bezeichnet. Ebenso denken viele Anleger daß sich immer wieder einzelne Wertpapiere identifizieren lassen, die unterbezahlt oder überbezahlt sind. Angenommen, solche Differenzen zwischen dem Kurs (Preis) und dem Wert würden sich im Laufe der Zeit ausgleichen, dann sollte ein Portfoliomanager als unterbezahlt identifizierte Wertpapiere kaufen und überbezahlte Wertpapiere verkaufen. Das entsprechende Vorgehen wird als Selektion oder als Titelselektion bezeichnet. Zur Selektion müssen insbesondere Wirtschaftssektoren und Aktiengesellschaften bewertet werden. Finanzanalyse (oder kurz Analyse) dient der Bewertung von Investitionsmöglichkeiten und bezeichnet alle Tätigkeiten, die der Beschaffung und Aufbereitung von Informationen über Finanzmärkte, über Währungsgebiete, über Wirtschaftssektoren und über einzelne Unternehmen dienen und die das Ziel haben, dem Portfoliomanager in einem Report Hinweise zum Markt-Timing und zur Titelselektion zu geben.95 Die Analysten spezialisieren sich. •

Personen, die eher aus einer volkswirtschaftlichen Perspektive ganze Wirtschafts- oder Währungsgebiete im Hinblick auf die Frage beurteilen, ob sich dort empfehlenswerte Investitionen bieten, untersuchen die Zinssätze, die Inflationsrate, Länderrisiken, politische Risiken, die Konjunktur, die Fiskalpolitik und die Geldpolitik. Diese Form der Analyse wird vielfach als Research bezeichnet.



Bei der Beurteilung von Unternehmen als Investitionsobjekt sind eher betriebswirtschaftliche Aspekte dominant. Stichworte sind hier die Unternehmensgewinne, das Unternehmenswachstum, sowie Daten über neue Produkte und Berichte (Equity-Stories) über Entwicklungsperspektiven der Gesellschaften.

95

1. BENJAMIN GRAHAM UND DAVID DODD: Security

Analysis.

McGraw-Hill, New York und

London 1934. 2. ASWATH DAMODARAN: Damodaran on valuation: security analysis for investment and corporate finance. Wiley, New York 1994.

V A L U E - M A N A G E M E N T

2 0 9

Das Management einer Unternehmung mißt heutzutage den Treffen mit Analysten hohe Bedeutung bei. Das oberste Gebot lautet, nie die Unwahrheit zu sagen. Zudem beurteilen Anleger die Transparenz, mit der das Management Informationen ihnen direkt oder über die Analysten mitteilt. • Die Analysten fragen selbstverständlich nach Kennzahlen und Größen wie beispielsweise dem Gewinn, oder dem Gewinn pro Aktie (EPS, earnings per share) und der Veränderung des Gewinns von Jahr zu Jahr. Außerdem erkundigen sie sich nach Investitionen und den Risiken. • Zudem wird das Management in freier Kommunikation und überschriftsartig Mitteilungen machen, die sich für eine Zeile in dem Report eignen (EquityStories). Gegenwärtig wird es nicht als Verletzung der Gesetze und Regeln gegen Insiderhandel betrachtet, wenn das Management alle Analysten einlädt und wenn zum Treffen wenigstens drei Analysten erscheinen. Jedoch wird bereits gefordert, die Mitteilungen auf diesen Treffen sollten zeitgleich vom Management über das Internet allen Interessierten zugänglich gemacht werden. In zunehmendem Umfang können Meetings zwischen Management und Analysten auch über das Internet mitgehört werden. In der Tat wurde früher die Finanzanalyse mit der Analyse von abschlüssen gleichgesetzt. Man verstand unter Finanzanalyse wertung unternehmerischer Tätigkeit, und diese bewertende wurde von Personen vorgenommen, die in der Unternehmung ten (sogenannte interne Analyse) sowie von Personen, die nicht ternehmung angehören (externe Analyse).

Jahresdie BeAnalyse arbeiteder Un-

Während die internen Analysten meist über umfassende, aktuelle und sehr detaillierte Informationen verfügen konnten, waren die externen Analysten auf Bilanzen und sonstige Informationen angewiesen, die von der Unternehmung periodisch oder fallweise Dritten zur Verfügung gestellt worden sind. Von daher ist die frühere Gleichsetzung von Finanzanalyse und Jahresabschlußanalyse zu verstehen. Hier standen Kennzahlen und ihre Interpretation im Mittelpunkt der Analyse. Analysten arbeiten mit verschiedensten Datenquellen und Methoden. Die Unterscheidung von Fundamentalanalyse dürfte geläufig sein.

und Technischer

Analyse



Während die eine sogenannte Fundamentaldaten wie Bilanzen und Berichte der jeweiligen Unternehmung auswertet,



ist die letztere auf die "technische" Verfassung des Marktes konzentriert. Sie wird anhand der historischen Kursentwicklung

2 10

LEXIKON deutlich, weiter an Durchschnittslinien und an Statistiken zum Handelsvolumen.

Es zeigt sich, daß die Methoden der Finanzanalyse nicht einzig für Aktien Gültigkeit besitzen sondern ebenso bei anderen Wertpapieren greifen. Hier sind Anleihen zu nennen oder Wertpapiere, die Rechte an Immobilien verbriefen. Selbst für Futures und Optionen bleiben die Bewertungsprinzipien der Finanzanalyse gültig. Infolgedessen werden die Begriffe Finanzanalyse und Wertpapieranalyse (Security Analysis) oft gleichgesetzt. •=> Aktien, Equity-Stories, Performance.

Finanzielle Restrukturierungen Diversifizierte Großunternehmen werden kritisiert, es heißt, die Diversifikation solle besser in den Portfolios der Aktionäre stattfinden als innerhalb einer Unternehmung. Gleichzeitig wird das Postulat vertreten, eine Unternehmung solle sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. |

Wertorientierung verlangt Angleichungen des Unternehmensportfolios, also eine Restrukturierung der Zusammensetzung der Unternehmung aus Bereichen. Unternehmensbereiche werden ausgegliedert und "an den Finanzmärkten" verkauft. Diese Vorgänge werden als finanzielle Restrukturierung bezeichnet.

Achtung: Die bei einem Distress, bei einer Zahlungsschwierigkeit eingeleiteten Verhandlungen mit den bisherigen Kapitalgebern — mit dem Ziel, fortführen und einen Turnaround vornehmen zu können — führen auf eine Neugestaltung der Finanzkontrakte und es ist die "Finanzseite" der Bilanz betroffen. Dennoch wird in diesen Fällen nicht von finanzieller Restrukturierung gesprochen sondern von einer Reorganisation. Die häufigste Maßnahme finanzieller Restrukturierung ist der direkte Verkauf eines Unternehmensteils oder eines Unternehmensbereiches an eine andere Unternehmung. Oftmals handelt es sich um einen (bisherigen) Konkurrenten im Produktmarkt. Man spricht von einem Trade-Sale. Üblich ist, den betreffenden Unternehmensbereich in eine neu zu gründende Aktiengesellschaft einzubringen, und deren Aktien zu verkaufen. Diese Maßnahmen werden als Spin-Off, als Equity-Carve-Out und mit Tracking-Stocks angesprochen.

2 11

V A L U E - M A N A G E M E N T



Unter Spin-offs wird dabei die Ausgliederung eines Unternehmensbereiches in eine separate Einheit verstanden, deren Aktien vollständig entweder den Aktionären der ehemaligen Muttergesellschaft angedient oder am Markt plaziert werden.



Bei einem Equity-Carve-Out wird demgegenüber nur ein Teil der Beteiligung abgegeben.



Tracking-Stocks sind dadurch charakterisiert, daß Aktien mit einem Ertragsanspruch bezüglich eines bestimmten Unternehmensbereiches emittiert werden, ohne daß die Assets dieses Bereiches getrennt und herausgelöst werden.

Hinsichtlich der Wahl der unterschiedlichen Formen der Restrukturierungen lassen sich verschieden Argumente anführen: 96 •

Spin-Off. Fehlen bedeutender Synergien oder Kompetenzen im Verhältnis zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften; widerstreitende strategische Ziele.



Equity-Carve-Out Kapitalbedarf insbesondere für Akquisitionen, Dezentralisierungsbedarf, wenig Komplexität bei der Bestimmung der Transferpreise.



Tracking-Stocks: Sie bieten sich aus steuerlichen Gründen an, wenn eine der Gesellschaften Verluste ausweist, die von einem anderen zu versteuernden Konzerngewinn in Abzug gebracht werden können. Außerdem werden sie bei Aktienoptionsplänen eingesetzt.

Finanzielle Restrukturierungen werden vorgeschlagen, wenn Mutterund Tochtergesellschaften in verschiedenen Branchen tätig sind, die Wachstumsraten besonders große Unterschiede aufweisen, die Entwicklung der Tochtergesellschaft von Analysten kaum beachtet wird oder wenn eine Abwanderungstendenz wichtiger Mitarbeiter zu kleineren Unternehmen zu beobachten ist. Argumente, die Wertsteigerungen durch solche Restrukturierungen begründen, sind 1. Die Milderung von Informationsproblemen und eine verbesserte Transparenz gegenüber Finanzinvestoren. 2. Motivationssyteme für das Management können spezifisch an die mittels des Aktienkurses gemessene Wertentwicklung einzelner 96

L i t e r a t u r : 1. PATRICIA L . ANSLINGER, STEVEN J . KLEPPER u n d S O M U SUBRAMANIAM,

Breaking

up is good to do - Restructuring through spin-offs, equity carve-outs, and tracking stocks can

create

shareholder

value.

McKinsey

Quarterly

(1999)

M A R I E E . SUSHKA u n d STEVEN R . FERRANO: A c o m p a r i s o n

1,

16-27.

2. MIRON B .

SLOVIN,

of the i n f o r m a t i o n c o n v e y e d

by

equity carve-outs, spin-offs, and asset sell-offs. Journal of Financial Economics 37 (1995), 89-104.

LEXIKON

2 12

Geschäftsbereiche ausgerichtet werden. Sie beziehen sich deshalb nicht mehr auf die allgemeine Aktienkursentwicklung des Gesamtunternehmens. 3. Zusätzliche Attraktivität für neue Investoren. Studien der Kursentwicklung im Zusammenhang der Restrukturierung zeigen eine durchwegs positive Performance sowohl der Muttergesellschaft als auch der separierten Geschäftsbereiche. •=> Equity-Carve-Out, Change-Management, Kernkompetenzen.

Flexibilität Flexibilität ist die Option, den ursprünglichen Geschäftsplan ohne große Kosten revidieren zu können, falls die Umstände dies nahe legen sollten.97 Wenn ein Unternehmen bei der Investition stufenweise vorgeht, können zwischenzeitliche Informationen berücksichtigt werden, wobei die Änderung des ursprünglichen Plans oft möglich ist. Solche Arten von Flexibilität heißen Asset Option. Des weiteren haben Unternehmungen hinsichtlich ihrer Kapitalseite eine mehr oder minder große Flexibilität. Für den Fall hoher Bonität können die Banken bereit sein, der Unternehmung jederzeit weitere Kredite zu gewähren. Im Fall niedriger Bonität besteht das Risiko, daß das Kreditlimit überschritten wird und die Kredite von seiten der Bank gekündigt werden. Auch hinsichtlich der Eigenkapitalgeber kann eine mehr oder minder große Flexibilität bestehen. Ein vermögender Großaktionär wird in der Regel zu seiner Unternehmung stehen und im Bedarfsfall eher neue Eigenmittel einschießen als zahlreiche Kleinaktionäre. All diese Arten von Flexibilität bilden für die Unternehmung entweder ökonomische Vor- oder Nachteile, die Eingang in die Berechnung des Unternehmungswertes finden müssen. Flexibilität hat Optionscharakter. Man hat mit der Festlegung noch etwas Zeit, und kann die Wahl anhand weiterer Informationen treffen, und das alles zu ursprünglichen Konditionen. Optionen sind um so wertvoller, je volatiler die Umwelt ist. Größeres Risiko ist an sich für die 97

1. KLAUS SPREMANN: Flexibilität. Die Unternehmung - Schweizerische

triebswirtschaftliche

Forschung

und

Praxis

4 (1995), pp.

219-224.

Zeitschrift für be-

2 . LENOS TRIGEORGIS:

Real Options and Interactions with Financial Flexibility. Financial Management 22 (1993), pp. 202-224.

3 . AVINASH K. DIXIT u n d ROBERT S . PINDYCK: Investment

Princeton University Press, Princeton 1994.

under

uncertainty.

V A L U E - M A N A G E M E N T

2 13

Investoren abträglich, weil sie risikoavers sind. Wenn eine Unternehmung aber über viele Optionen verfügt, dann wird sie wertvoller, wenn die Risiken der Umwelt zunehmen. Flexibilität ist daher geeignet, den Wert der Unternehmung zu steigern, und zwar besonders in stürmischen Zeiten (Finanzmarkt, technologische Umwälzungen, Verhaltensänderungen der Konsumenten). In ruhigen Zeiten haben dagegen Optionen einen vergleichsweise geringen Wert, und wenn sich alles berechenbar und planbar abspielt, ist Flexibilität kein großer Vorteil. O Realoption

LEXIKON

2 14

Genetische Wettbewerbsstrategien, Globalisierung, Concern, Going-Private, Going-Public, Goodwill.

Going-

Generische Wettbewerbsstrategien Jedem ist geläufig, daß es einem Monopolisten möglich ist, höhere Preise zu erzielen, als sie sich bei vollkommener Konkurrenz einstellen würden. Alle Wettbewerbsstrategien zielen darauf ab, den Produktmarkt (oder Faktormärkte) zu verändern und ihm gewisse Aspekte des Monopols oder der monopolistischen Konkurrenz zu verleihen, und die Unternehmung zum Nutznießer dieser Aspekte werden zu lassen. Bei Referaten und in der Managementliteratur werden die mikroökonomischen Begriffe des Monopols oder der monopolistischen Konkurrenz durch den Begriff Wettbewerbsvorteil ersetzt und die eben skizzierten Zielrichtungen werden als Wettbewerbsstrategien bezeichnet. Einschlägige Arbeiten gehen auf PORTER zurück, der eine Lehre der genetischen Wettbewerbsstrategien entwickelt hat.98 Das sind drei Strategien: 1

1. das Anstreben niedriger Kosten, 2. die Differenzierung im Produktmarkt gegenüber der Konkurrenz und 3. die Konzentration auf einzelne Schwerpunktbildung

98

Kundensegmente

und die

1. MICHAEL E. PORTER: Wettbewerbsvorteile: Spitzenleistungen erreichen und behaupten. 5. Auflage, Campus Verlag, Frankfurt am Main 1999. 2. MICHAEL E. PORTER: Wettbewerbsstrategie: Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurrenten. 10. Auflage, Campus Verlag, Frankfurt am Main 1999.

2 15

VALUE-MANAGEMENT

In der Lehre von PORTER werden zwei Grundtypen von Wettbewerbsvorteilen unterschieden: niedrige Kosten und die Differenzierung im Produktmarkt. Bei diesen Wettbewerbsvorteile kann eine Unternehmung ein engeres oder ein weiteres Ziel verfolgen. Durch die Kombination entsteht eine Matrix mit vier Feldern. WETTBEWERBSVORTEILE Niedrige Kosten

Weites Ziel

1. Kostenführerschaft

Differenzierung

2. Differenzierung

WETTBEWERBSFELD Enges Ziel

3a. Kostenschwerpunkt

3b. Differenzierungsschwerpunkt

Bild 45: Drei generische Wettbewerbsstrategien nach PORTER.

Wenn zwei der vier Felder zusammengefaßt werden, liefert die Matrix die drei zuvor genannten generischen Wettbewerbsstrategien: 1. die Kostenführerschaft, 2. die Differenzierung und 3. die Konzentration auf Schwerpunkte, die sich wiederum entweder auf Kosten (3a) oder auf Differenzierung im Produktmarkt (3b) fokussieren kann. 1. Nachhaltige Wettbewerbsvorteile können in der Lehre von PORTER nur durch die Wahl einer Strategie erzielt werden. Deshalb müssen sich Firmen entscheiden, welcher der drei Strategien sie folgen. Eine Mischlösung oder eine Kombination ist nicht möglich, denn dadurch kann sich ein Unternehmen nicht von der Konkurrenz absetzen — es ist, wie die Amerikaner sagen, stuck in the middle. 2. Alle drei Strategietypen führen jeweils auf ihre Art und Weise zum angestrebten Ziel. Voraussetzung für die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit der gewählten Strategie sind die Anpassung der Unternehmensorganisation und der Unternehmenskultur an die Grundstrategie. Sowohl die neue Organisationsstruktur als auch die neuen Normen und Werte tragen dann zum Erreichen des angestrebten Wettbewerbsvorteils bei. Die drei Grundtypen seien im folgenden kurz erläutert:

2 16

LEXIKON

1. Kostenführerschaft. Eine Unternehmung strebt als Kostenführer das Ziel an, der kostengünstigste Hersteller der Branche zu werden. Dazu ist es notwendig mit einer kostengünstigen Produktion Economies of Scale zu realisieren. In der Regel werden Kostenführer eine hierarchische Struktur und ein ausgefeiltes Controlling aufweisen. Die Unternehmenskultur ist durch Disziplin und klare Verantwortlichkeiten geprägt. 2. Differenzierung: mit dieser Strategie versucht ein Unternehmen in einigen, von seiner Kundschaft als wichtig erachteten Merkmalen gegenüber seiner Konkurrenz einmalig zu sein. Diese können in einem bestimmten Produktdesign oder Markennamen, einer Technologie oder einem Geschäftsprozeß liegen. Durch die Differenzierung gegenüber der Konkurrenz positioniert sich das Unternehmen im Markt in einer günstigen Situation gegenüber der Konkurrenz. Durch die Einmaligkeit der Abdeckung des Kundenbedürfnisses erhöht sich die Kundenbindung. Gleichzeitig reduziert sich die Preissensitivität der Kunden und die Gewinnspanne des Unternehmens wächst. Natürlich dürfen die Kosten für der Differenzierung trotz dieser Ausnahmesituation nicht ausufern. Dieser Strategietyp entwickelt sich in Organisationen mit einer starken Innovationsorientierung. 3. Konzentration auf Schwerpunkte: bei diesem Strategietyp wählt das Unternehmen ein Branchensegment oder ein Teilsegment einer Branche, um in diesem die Bedürfnisse seiner Kunden optimal zu befriedigen. Es handelt sich also nicht um einen allgemeinen, sondern einen für eine gewisse Zielkundschaft, eine Marktnische, speziell zugeschnittenen Wettbewerbsvorteil Dieser kann entweder ein Kosten- oder ein Differenzierungsschwerpunkt sein. Der Differenzierungsvorteil nutzt besondere Kundenbedürfnisse in einem bestimmten Kundensegment, während der Kostenschwerpunkt die hohe Preissensitivität einer bestimmten Zielkundschaft ausnutzt. Organisationsstrukturen und Untemehmenskultur des anwendenden Unternehmens müssen auf das jeweils angepeilte Zielsegment abgestimmt sein und richten sich nach dem gewählten Schwerpunkt. In der Managementlehre wurden weitere Ansätze zur strategischen Positionierung von Unternehmen entwickelt. Im Jahre 1965 stellte IGOR ANSOFF eine nach ihm benannte Matrix zusammen, in der vier nach den Dimensionen Produkt und Markt kategorisierte generische Wettbewerbsstrategien dargestellt werden.

2 17

V A L U E - M A N A G E M E N T

Gegenwärtige Produkte

Gegenwärtige Märkte

1. Marktdurchdringungsstrategie

Neue Märkte

2. Marktentwicklungsstrategie

Neue Produkte

3. Produktentwicklungsstrategie

4. Diversifizierungsstrategie

Bild 46: Die Matrix nach IGOR H. ANSOFF 1965.

hat so vier Strategien aufgezeigt: 1. die Marktdurchdringungsstrategie, 2. die Produktentwicklungsstrategie, 3. die Marktentwicklungsstrategie und 4. die Diversifikationsstrategie.99 Demnach kann ein Unternehmen entweder durch neuentwickelte Produkte oder die Erschließung neuer Märkte wachsen, letzteres beispielsweise mittels neuer Absatzkanäle oder einer geographischen Expansion.100

ANSOFF

1. Mit der Marktdurchdringungsstrategie wählt ein Unternehmen, mit dem bestehenden Produktangebot in den gegenwärtig bearbeiteten Märkte weiter zu wachsen. 2. Des weiteren kann das Unternehmen mit seinen jetzigen Angeboten neue Märkte erschließen: Marktentwicklungsstrategie. 3. Entscheidet es sich jedoch für die Produktentwicklungsstrategie, so will es seine gegenwärtigen Abnehmer mit neuen Produkten bedienen, die es zu entwickeln gilt. 4. Schließlich kann sich das Unternehmen diversifizieren, indem es mit neuen Produkten auf neuen Märkten auftritt. Diese Diversifikationsstrategie sollte gewählt werden, wenn sich das Unternehmen von seinen gegenwärtigen Produkten kein aussichtsreiches Erfolgs- und Marktpotential verspricht. u nach einer Möglichkeit gesucht, das Wissen der Arbeitnehmer zu messen. Ziel war eine möglichst effiziente Verwendung des menschlichen Leistungspotentials zur unternehmerischen Wertsteigerung.

113

1. RENSIS LIKERT: Human Resource Accounting: Building and Assessing Productive Organizations. Personnel (May/June 1973), p. 8ff. 2. ERIC G. FLAMHOLTZ: Human Resource Accounting. Jossey-Bass Publishers, 2. Auflage, San Francisco 1985. 3. ROLF BOESCH: Human Resource Accounting. Der Schweizer Treuhänder 53 (1979) 3, pp. 6-11.

2 3 1

V A L U E - M A N A G E M E N T

I

Für das Individuum stellt Humankapital den Barwert aller zukünftigen Einkommen aus Erwerbstätigkeit dar.

Dieses Erwerbseinkommen kann bei verschiedenen Arbeitgebern erzielt werden. Der Arbeitnehmer diskontiert die erwarteten Zuflüsse je nach Lebensabschnitt und wirtschaftlichen Perspektiven. Ein junger Arbeitnehmer beispielsweise hat noch eine große Unsicherheit bezüglich seiner persönlichen Weiterentwicklung und wird deshalb einen höheren Diskontfaktor verwenden als ein älterer Arbeitnehmer. In der Volkswirtschaftslehre hingegen wird versucht, die monetären und psychischen Auswirkungen von Investitionen in Humankapital, wie etwa Schulbildung, Gesundheitsfürsorge oder berufliche Weiterbildung abzuschätzen. Des weiteren wird in der Volkswirtschaftslehre der Einfluß von Bildungsinvestitionen auf Innovationen und volkswirtschaftliches Wachstum untersucht.114 •=> Balanced-Scorecard, Innovation, Knowledge-Management, NONAKA, Intellektuelles Kapital, Wissensgesellschaft.

114

1. GARY S. BECKER: Human Capital: A Theoretical and Empirical Analysis with Special Reference to Education. The University of Chicago Press, 3 Auflage, Chicago 1993. 2.

FRIEDHELM P F E I F F E R u n d M A R T I N FALK: Der

Faktor

Humankapital

in der

Volkswirtschaft:

Be-

rufliche Spezialisierung und technologische Leistungsfähigkeit. Nomos, Baden-Baden 1999.

LEXIKON

2 3 2

IAS, Immaterielle Güter, Informationseffizienz, Innovation, Intermediation, Interner Kapitalmarkt (IKM), Intellektuelles Kapital, Investor-Relations.

IAS Die IAS sind die vom International Accounting Standards Committee (einer internationalen Vereinigung der Berufsorganisationen abschlußprüfender Berufe) publizierten Rechnungslegungsnormen, die sich an den Informationsbedürfnissen der Eigenkapitalgeber orientieren.115 Unternehmensberichterstattung nach internationalen Rechnungslegungsstandards tritt bei vielen Unternehmen, die sich einer stärkeren Kapitalmarktorientierung verschreiben, neben die klassische Berichterstattung nach HGB oder FER. Neben den amerikanischen Standards (US-GAAP) sind hierbei vor allem die vom International Accounting Standards Committee publizierten International Accounting Standards zu nennen. Ausgehend von der Annahme, daß für eine fortzuführende Geschäftstätigkeit (Going-Concern) eine periodengerechte Erfolgsermittlung (accrual basis) durchzuführen ist, sollen verschiedenen Interessierten, primär aber den Kapitalgebern, Daten präsentiert werden, die ein Bild der Geschäftstätigkeit vermitteln, welches dem Prinzip einer fair presentation entspricht. Die Konkretisierung erfolgt in Stufen, wobei zunächst im Rahmen eines allgemeinen Rahmens (Framework for the preparation and presentation of financial statements) qualitative Charakteristika (understandability, relevance, reliability) und einschränken-

115

1. D i e

IAS

im

Internet: www.iasc.org.uk.

2 . ANN-KRISTIN ACHLEITNER u n d

GIORGIO

BEHR: International Accounting Standards: ein Lehrbuch zur internationalen Rechnungslegung, Beck, München 1998. 3. JÖRG BAETGE (Hrsg.): Rechnungslegung nach International Accounting Standards (IAS): Kommentar auf Grundlage des deutschen Bilanzrechts, Schäffer-Poeschel, Stuttgart 1997; 4. KARL BORN: Rechnungslegung nach IAS, US-GAAP und HGB im Vergleich, Schäffer-Poeschel, Stuttgart 1999.

V A L U E - M A N A G E M E N T

2 3 3

de Nebenbedingungen formuliert worden sind. Diese Kriterien wurden in der Folge in 40 Standards umgesetzt: IAS 1 IAS 2 IAS 3 IAS 4 IAS 5 IAS 6 IAS 7

IAS 8

IAS 9

IAS 10

Presentation of Financial Statements Inventories No longer effective. Replaced by IAS 27 and IAS 28. Withdrawn. Replaced by IAS 16, 22, and 38. No longer effective. Replaced by IAS 1. No longer effective. Replaced by IAS 15. Cash Flow Statements

Profit or Loss for the Period, Fundamental Errors and Changes in Accounting Policies Research and Development Costs (will be superseded by IAS 38 effective 1.7.99) Events After the Balance Sheet Date

IAS 21 IAS 22 IAS 23

The Effects of Changes in Foreign Exchange Rates Business Combinations Borrowing Costs

IAS 24

Related Party Disclosures

IAS 25

Accounting for Investments

IAS 26

Accounting and Reporting by Retirement Benefit Plans Consolidated Financial Statements and Accounting for Investments in Subsidiaries Accounting for Investments in Associates

IAS 27

IAS 28

IAS 29

Financial Reporting in Hyperinflationary Economies

IAS 30

IAS 11

Construction Contracts

IAS 31

IAS 12

Income Taxes

IAS 32

IAS 13

IAS 33 IAS 34 IAS 35

Interim Financial Reporting Discontinuing Operations (1.1.99)

IAS 16 IAS 17

No longer effective. Replaced by IAS 1. Segment Reporting Information Reflecting the Effects of Changing Prices Property, Plant and Equipment Leases

Disclosures in the Financial Statements of Banks and Similar Financial Institutions Financial Reporting of Interests In Joint Ventures Financial Instruments: Disclosures and Presentation Earnings Per Share

IAS 36 IAS 37

IAS 18 IAS 19

Revenue Employee Benefits

IAS 38 IAS 39

IAS 20

Accounting for Government Grants and Disclosure of Government Assistance

IAS 40

Impairment of Assets (1.7.99) Provisions, Contingent Liabilities and Contingent Assets Intangible Assets Financial Instruments: Recognition and Measurement Investment Property

IAS 14 IAS 15

Bild 48: Die 40 IAS Standards.

Die Motive der Berichterstattung nach IAS sind die Erleichterung der Börsenzulassung an überregionalen Börsenplätzen, die vereinfachte Aufstellung von Konzernabschlüssen internationaler Tochtergesellschaften und die Schaffung einer gemeinsamen Sprache für das Reporting und Controlling internationaler Konzerne. Daneben ist der Konzernabschluß nach IAS frei von Verzerrungen, die sich auf die Aus-

234

LEXIKON

schüttung oder die Steuern beziehen könnten. IAS eignet sich somit gut zur Kommunikation. Empirische Studien zeigen, daß die Verwendung internationaler Rechnungslegungsstandards gegenüber der Publizität nach HGB einen positiven Effekt auf die Genauigkeit der Prognosen von Finanzanalysten aufweist. •=> Going-Concern, US-GAAP.

Immaterielle Güter (intangible assets) Während der Buchwert eines Unternehmens durch das materielle Vermögen, wie zum Beispiel Anlagen, Maschinen, Vorräte (und natürlich durch die Schulden) bestimmt wird, tragen zum Marktwert der Unternehmung weitere, von der traditionellen Rechnungslegung nicht erfaßte "Werte" bei. Sie werden als immaterielle Güter oder immaterielle Aktiva (Intangible Assets oder kurz Intangibles) bezeichnet. Besondere Beachtung fanden immaterielle Güter durch offenkundig gewordene Differenzen zwischen Markt- und Buchwerten börsennotierter Unternehmen. Die ungewöhnlich hohen Aktienkurse von Biotechfirmen und Internet-Unternehmen (sogenannte dot.coms) in den Jahren 1998 und 1999 förderten die Auseinandersetzung mit der Differenz zwischen Markt- und Buchwerten. Eine traditionelle Bilanzanalyse konnte die hohen Marktwerte oft nicht erklären, denn die Unternehmen der New Economy besitzen nur wenige materielle Aktiva. Statt dessen basieren ihre Geschäftspläne allein auf dem Einsatz von Intellektuellem Kapital, das heißt, auf immateriellen Werten wie Patenten, der Qualität des Managements, und den Chancen, die mit den neuen Märkten greifbar schienen. Zu immateriellen Gütern zählen: Patente, Lizenzen, Goodwill, Marken, Forschungsergebnisse, Produktentwicklungen, Software, Datenbanken mit Kundendaten, und ähnliche, nur unter besonderen Umständen aktivierbare Sachverhalte und Positionen. Die moderne Rechnungslegung, wie beispielsweise die International Accounting Standards (IAS), unterscheidet nach erworbenen (derivativen) und selbst geschaffenen (originären) immateriellen Gütern. Während derivative Immaterialgüter bilanziert werden dürfen, wenn sie einen für das bilanzierende Unternehmen meßbaren Nutzen erzeugen, gelten für originäre Immaterialgüter schärfere Kriterien. Sie müssen:

V A L U E - M A N A G E M E N T

235



einzeln identifizierbar sein und



einen meßbaren Nutzen über mehrere Jahre erzeugen,



ihre Herstellkosten müssen einzeln meßbar sein und



die zur Fertigstellung und Vermarktung benötigten Ressourcen sollten der Unternehmung zur Verfügung stehen.

Problematisch ist die bei einer Aktivierung erforderliche Bewertung der Intangibles. Da es selten einen liquiden Markt für Immaterielle Güter gibt, wird in der Praxis versucht, auf die DCF-Methode zurück zu greifen. Die erforderliche Prognose der zukünftigen Zahlungsströme und der Wachstumsraten ist jedoch gerade bei Intangibles mit großer Unsicherheit behaftet. Neuerdings wird auch der Ansatz der Realoptionen als Bewertungsmethode versucht. Unter dem Gesichtspunkt der Option werden Intangibles ein Wert zugewiesen. Der Punkt dabei ist, daß Optionen um so wertvoller sind, je höher die Unsicherheit ist. Wer hinter einem Geschäftsplan einer Unternehmung einen Optionscharakter erkennt, oder Vermögenspositionen sieht, die Optionscharakter aufweisen, wird daher zu dem Schluß kommen, daß diese Unternehmung bei größerer Unsicherheit und bei Wandel des Umfeldes einen höheren Wert hat, während traditionelle Unternehmen (Old Economy) mit einer Zunahme der Unsicherheit und des Wandels in der Welt an Wert verlieren. Der Wert dieser Optionen kann kaum analytisch durch eine Formel ermittelt werden, aber es werden Simulationsmodelle eingesetzt. 116 ^ DCF-Methode, Goodwill, IAS, Intellektuelles Kapital, Wissensgesellschaft.

Informationseffizienz Oft werden auf einem Markt Güter, Dienste oder Verträge in verschiedenen Varianten angeboten oder gehandelt. Die Varianten unterscheiden sich hinsichtlich gewisser qualitativer Merkmale. Dann taucht schnell die Frage auf, ob die Preise "genau" den gebotenen Qualitäten entsprechen oder ob die Relation zwischen Preis und Wert nicht einheitlich ist.

116 EDUARDO SCHWARTZ u n d MARK MOON: R a t i o n a l P r i c i n g of I n t e r n e t C o m p a n i e s .

Analyst Journal 56 (May / June 2000), pp. 62-75.

Financial

LEXIKON

23 6



Im ersteren Fall wird ein Kaufinteressent kaum noch eigene Anstrengungen unternehmen, um die Frage der Qualität zu klären: er wird die Qualität direkt aus dem Preis ablesen, wissend, daß alle Qualitäten gleich "preiswert" sind. Der Preis darf als eine öffentliche und offen liegende Information betrachtet werden.



Sind jedoch die Varianten unterschiedlich preiswert, wird ein Kaufinteressent weitere Informationen beschaffen, selbst wenn dies einen gewissen Aufwand bedeutet, um die nicht offenliegende und nicht immer dem Preis entsprechende Qualität genauer herauszufinden.

Die Frage, ob Preise und Werte einander entsprechen, hat natürlich besondere Bedeutung, wenn es um beträchtliche Investitionen geht, also beim Kauf von Wertpapieren. Hier könnte der Kaufinteressent für sich einen geringeren Informationsstand vermuten und würde dann erst nach aufwendigen Analysen eine Geldanlage tätigen. Ein Finanzmarkt heißt informationseffizient, wenn sich alle (neuen) Informationen quasi sofort und korrekt in den Preisen oder Kursen niederschlagen, so daß stets jeder Kurs die — aufgrund der (im Prinzip vorliegenden) Informationen — mit einem Wertpapier erzielbaren Renditen, sachgerecht risikoadjustiert, widerspiegelt. Diese Definition wird FAMA zugeschrieben, der wiederum auf ROBERTS verweist, der wohl als erster die Idee der Informationseffizienz für die Kursbildung an den Finanzmärkten um 1960 aufbrachte.117 Später hat JENSEN eine äquivalente Definition formuliert: Ein Finanzmarkt heißt informationseffizient, wenn es durch Beschaffung und Auswertung von eigenen Informationen nicht möglich ist, eine Anlagestrategie zu konzipieren, die dem direkten Kaufen und Halten (Buy-and-Hold) überlegen wäre, die also nach Transaktionskosten und nach Adjustierung hinsichtlich der eingegangenen Risiken eine höhere Rendite erwarten ließe. Beide Definitionen besagen, daß in informationseffizienten Märkten weder überbezahlte noch unterbezahlte Wertpapiere gefunden werden können. Alle Wertpapiere sind zu allen Zeitpunkten sachgerecht bewertet. Folglich sind in informationseffizienten Märkten die uninfor-

1. EUGENE F. FAMA: Efficient Capital Markets: A Review of Theory and Empirical Work. Journal of Finance 25 (1970), pp. 383-417. 2. EUGENE F. FAMA: Efficient Capital Markets: II. Journal of Finance 46 (1991) 5, pp. 1575-1617. 3. STEPHEN F. LEROY, Efficient capital markets and martingales. Journal of Economic Literature 27 (1989), pp. 1583-1621. 4. 117

RAIMUND SCHIRMEISTER u n d ARMGARD WIPPLER: I n f o r m a t i o n s e f f i z i e n z v e r s u s

quidität. Journal für Betriebswirtschaft

(1995) 4, pp. 244-255.

Kapitalmarktli-

V A L U E - M A N A G E M E N T

237

mierten Marktteilnehmer geschützt. Sie haben, wenn sie kaufen, halten, und später verkaufen, dieselbe Performance wie ein aktiver Anleger, der sich informiert und der sich aufgrund der beschafften Informationen ein "Schema" zurechtlegt, nach dem er Titel kauft und verkauft. Die erste Definition erlaubt noch eine Folgerung hinsichtlich des Prozesses der Kursentwicklung: •

Informationen sind nur neu, wenn sie unerwartet sind, wenn sie überraschen — andernfalls hätte man die Nachrichten aus bereits Bekanntem erschließen können.



Nun muß das "Überraschende" zufällig sein, denn sonst wäre es berechenbar, vorhersehbar. Der Strom neuer Nachrichten also ist rein zufällig.



Da in einem informationseffizienten Aktienmarkt die Kurse zu jedem Zeitpunkt die dann vorhandenen Nachrichten korrekt widerspiegeln, muß der Prozeß der Kursentwicklung ebenso ein Zufallsprozeß sein. Von daher haben mit der Diskussion der Informationseffizienz der Random-Walk (diskrete Zeitpunkte) oder die Brownsche Bewegung (stetige Zeit) Bedeutung zur Beschreibung der Kurse beziehungsweise der Renditen erlangt.

Ob Aktienmärkte nun informationseffizient sind oder nicht, ist primär eine empirisch zu klärende Frage. Zahlreiche Tests wurden durchgeführt um zu prüfen, etwa ob sich Kursbewegungen als Random-Walk auffassen lassen oder ob es mit gewissen Handelsstrategien möglich ist, Oberrenditen zu erzielen. Was das letztere anbelangt, so kommt schnell die Frage auf, welche Informationen genutzt werden dürfen, um eine solche Handelsstrategie zu implementieren. Im Licht der Möglichkeit, die "im Prinzip vorliegenden Informationen" unterschiedlich weit zu verstehen, wird eine Begriffsverfeinerung vorgenommen. • Ein Finanzmarkt heißt schwach-informationseffizient, wenn es nicht möglich ist, unter Verwendung historischer Kurse eine Strategie zu finden, die Buyand-Hold überlegen wäre. • Ein Markt heißt semistark-informationseffizient, wenn neben historischen Kursreihen alle publizierten Nachrichten (zum Beispiel Jahresabschlüsse und daraus entnommene Kennzahlen) mit ausgewertet werden dürften. • Ein Finanzmarkt wird als stark-informationseffizient bezeichnet, wenn es nicht möglich ist, selbst unter Verwendung von Insiderwissen eine Strategie zu finden, die Buy-and-Hold überlegen wäre.

LEXIKON

2 3 8

Aktienmärkte sind nicht stark-informationseffizient. Doch viele empirische Forschungen zeigen, daß die Hauptmärkte (von vereinzelten Gegenbeispielen abgesehen) als semistark-informationseffizient betrachtet werden dürfen. Allerdings wurden Handelsstrategien formuliert, die sogar die schwache Informationseffizienz in Frage stellen.118 Für das Management einer Unternehmung lehren diese Betrachtungen die Bedeutung der Informationspolitik gegenüber der Öffentlichkeit. Ohne eine klare und formalisierte Struktur der Kommunikationspolitik könnten schnell gewisse Aktionärsgruppen, insbesondere Kleinaktionäre, benachteiligt werden. Zudem wird die Bedeutung von Ankündigungen für die Kursbildung offensichtlich. Da Analysten auf Equity-Stories achten, wird eine Unternehmung ihre Projekte in Art und zeitlicher Struktur so wählen, daß ihr ein beständiger Strom von Ankündigungen möglich ist.119 O

Effizienz,

FAMA.

Innovation Ein Mensch ist innovativ, wenn er immer wieder neue Ideen hat und Aktivität ergreift. In der Managementwissenschaft ist die Phase der Innovation jedoch jene, die auf die Phase der Erfindung und der frühen Aktivität folgt. 1. Als Innovation (im engeren Sinne) oder Produktinnovation wird die Einführung neu entwickelter Produkte im Markt bezeichnet. Innovationstreiber sind folglich der technologische Fortschritt auf Grundlage von Forschung und Entwicklung sowie die Veränderungen des Bedarfs und der Nachfrage im Kundenmarkt.

I

2. Aktivitäten zur Förderung der Innovation im engeren Sinn, die zu neuen und marktfähigen Produkten oder Dienstleistungen fuhren sollen, werden unter dem Begriff Innovationsprozeß zusammengefaßt. Dieser Prozeß beschreibt die Innovation im weiteren Sinn.

118 1. W I L L I A M B R O C K , J O S E F LAKONISHOK u n d

BLAKE LEBARON:

Simple Technical

Trading

Rules and the Stochastic Properties of Stock Returns. Journal of Finance XLVII (December 1992) 5, pp.

1731-1764.

2 . JOSEF LAKONISHOK, ANDREW SHLEIFER u n d ROBERT W .

VISHNY:

Contrarian Investment, Extrapolation and Risk. Journal of Finance 49 (December 1994), pp.

119

1541-1578.

KLAUS SPREMANN: Finanzielle Führung und interner Kapitalmarkt. Die

52 (1998) 5/6, pp.

339-346.

Unternehmung

2 39

V A L U E - M A N A G E M E N T

Die Gestaltung dieses Prozesses umfaßt alle Teiltätigkeiten von der Initiierung im Bereich Forschung und Entwicklung bis zur Markteinführung. 120 Innovationen im Sinne der Marktlancierung neuer Produkte und Dienstleistungen sind entscheidende Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen. Voraussetzung für eine erfolgreiches Projekt im Bereich Forschung und Entwicklung sind die Mitarbeiter, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten.

Volkswirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit

Bild 49: K o n z e p t des Z u s a m m e n h a n g s v o n F o r s c h u n g u n d E n t w i c k l u n g

mit

W e t t b e w e r b s f ä h i g k e i t n a c h B R O C K H O F F 1 9 9 9 , p. 2 4 .

Nicht nur Umsatzwachstum, sondern ebenso der Erhalt des gegenwärtigen Markterfolgs erfordern Investitionen in Forschung und Entwicklung. Schließlich haben Produkte eine begrenzte Lebenszeit. Zudem verlangt der immer kürzer werdende Produktlebenszyklus aufgrund sich wandelnder Kundenbedürfnisse und technologischer Neuerungen eine laufende Erneuerung des Produktportfolios. Unternehmen, die einen Großteil ihres Umsatzes mit alten Produkten erzielen, können von Konkurrenten mit neueren Produktvarianten angegriffen werden. Ne120

1. KLAUS BROCKHOFF: Forschung

und Entwicklung:

V e r l a g , 5. A u f l a g e , M ü n c h e n / W i e n

onsmanagement:

Von der Produktidee

Stuttgart

3.

1999.

ROBERT

A.

Planung

und Kontrolle.

Oldenbourg

1 9 9 9 . 2. DIETMAR VAHS u n d RALF BURMESTER:

zur erfolgreichen

BURGELMAN,

WHEELWRIGHT: Strategie Management cago 1996.

MODESTO,

of Technology

Vermarktung. A

MAIDIQUE

and Innovation.

Innovati-

Schäffer-Poeschel, und

STEVEN

C.

2. Auflage, Irwin, Chi-

240

LEXIKON

ben einer ständigen Produktpflege wird deshalb in der Sättigungsphase des Produktlebenszyklus versucht, ältere Produkte durch das Hinzufügen aktueller Innovationen und intensiver Marketingmaßnahmen — einem sogenannten Relaunch — für die Kunden attraktiver zu gestalten oder auf ein Konkurrenzangebot zu reagieren. Die Lebenszeit des Produktes, gemessen durch die Zeitspanne vom Break-Even-Punkt bis zum Ende der Produktlebenszeit, soll auf diese Weise verlängert werden. Das Unternehmen gewinnt so Zeit für die Neugestaltung eines Nachfolgeproduktes.

Bild 50: Der Verlauf von Umsatz und von Gewinn im Produktlebenszyklus.

Die Produktlebenszykluskurve stellt die typische Umsatzentwicklung eines Produktes dar. Sie zeigt mit ihrem s-förmigen Verlauf, daß Produkte Umsatzphasen durchlaufen und eine nur begrenzte Lebensdauer haben. Strebt ein Unternehmen eine Umsatzsteigerung und höhere Gewinne an, so muß es versuchen, eine "Pipeline" neuer Produkte und Innovationen zu erzeugen. In den Anstrengungen um Abnehmer für ihre Produkte und Dienstleistungen konkurrieren Unternehmen heute in ausgeprägten Käufermärkten. Konsumenten haben ein breite Auswahl, und viele an sich interessante Produktentwicklungen treffen nicht genau den Marktgeschmack. Die Eigenständigkeit der Entwicklungsteams und die oftmals geringe Marktkenntnis der Konstrukteure erhöhen die Gefahr, die Mode nicht zu treffen. Aufgrund der kürzer werdenden Produktlebenszyklen gewinnt der Faktor Zeit an Bedeutung. Entsprechende Anstrengungen werden mit Time-to-Market umschrieben.

2 4 1

V A L U E - M A N A G E M E N T

So wird heute mit der Faustregel gerechnet, daß eine sechs Monate über der Planung liegende Entwicklungsdauer eine Ergebniseinbuße von 25% bedeutet. Zur Kontrolle der Entwicklungszeiten werden Netzpläne und andere Terminplanungstechniken eingesetzt. Für die Steuerung der Innovationsprozesse werden Kennzahlen herangezogen. Beispiele: Umsatz aus neuen Produkten, Umsatz und Gewinn pro F&E-Mitarbeiter, Abweichungen vom Entwicklungszeitplan und die Quote der abgebrochenen Projekte.121

Unternehmen sind bestrebt, den Innovationsprozeß besser zu steuern und einem integrierten Controlling zu unterstellen. Der Innovationsprozeß muß also laufend überprüft und so gestaltet werden, daß ein günstiges Verhältnis von Entwicklungs- und Marktphase erzielt wird. Generische Wettbewerbsstrategien, Prozeßkostenrechnung.

Intermediation Intermediäre reduzieren Transaktionskosten der ansonsten unkoordinierten Suche nach Tauschpartnern für verschiedene Güter und Dienstleistungen. So reduzieren sie Kosten für die Anbahnung, die Vereinbarung, die Vertragsabwicklung, die Kontrolle und nachträgliche Anpassung.122 Die Intermediation hat sich in vielen Bereichen gebildet, weil sich keine Märkte gebildet haben, die gleichsam von allein gut funktionieren würden. Wie COASE betonte, sind auch Markttransaktionen mit Kosten verbunden, und einen liquiden Markt in Gang zu bringen, setzt eigentlich sehr hohe Transaktionsvolumina und damit eine hohe Uniformität der Güter oder Dienste voraus, für die Tauschpartner gefunden werden müssen. Sind Transaktionen seltener oder sind die Güter und Dienste heterogen, funktionieren Märkte von allein nicht oder nicht so gut. Dann sind Intermediäre nützlich, und sie versuchen, die von ihnen geleisteten Funktionen noch etwas anzureichern, beispielsweise verknüpfen sie die Funktion der Allokation mit einer Beratung.

121

GEORGE DONNELLY: A P & L f o r R & D . CFO Europe

(April 2000), p p . 26-31.

122

DAVID SPULBER: Market microstructure and intermediation. Journal of Economic spectives,

10 ( 1 9 9 6 ) 3 ,

135-152.

Per-

LEXIKON

242

Die Bedeutung der Intermediation in einer Volkswirtschaft wird vielfach unterschätzt. Auch in Wirtschaftssystemen mit Märkten, die als besonders funktionstüchtig gelten, ist der Anteil der Intermediation am Bruttosozialprodukt beträchtlich. So nennt SPULBER für die Vereinigten Staaten eine Wertschöpfung der Intermediation von rund 25%. Wahr ist jedoch, daß die durch Menschen, Teams und Firmen bewerkstelligte Intermediation an Bedeutung verliert, weil die Funktionen der Intermediation von elektronischen Märkten übernommen werden.

Bild 51: Volkswirtschaftliche Bedeutung der Intermediation: Anteil, den die Intermediation am Bruttosozialprodukt hat ( S P U L B E R 1996, p. 138).

Intermediäre im Finanzbereich123 treten als Mittler zwischen Kapitalnachfrage und -angebot auf und erfüllen in diesem Kontext klassische Funktionen des Finanzsystems. Finanzintermediäre können als Makler, Market-Maker, Broker, Dealer, Transformator und Produzent auftreten. 1. Makler schließen mit möglichst vielen transaktionswilligen Personen Basisverträge ab und entwickeln dann die Allokation mit dem besten Fit, und schlagen Konditionen für die endgültigen Transaktionen vor. 2. Market-Maker treten bei transaktionswilligen Marktteilnehmern als Gegenseite auf. Im Laufe der Zeit kommt es zu internem Matching und Saldieren, was voraussetzt, daß es um einen Tausch von Commodities geht.

123 1. STUART I. GREENBAUM u n d ANJAN V . THAKOR: Contemporary

Financial

Intermediation.

D r y d e n Press, Fort W o r t h (Texas) 1995; 2. SUDIPTO BHATTACHARYA u n d ANJAN V. THAKOR:

Contemporary Banking Theory. Journal of Financial Intermediation 3 (1993), pp. 2-50. 3. THOMAS

HARTMANN-WENDELS,

schaftslehre, Berlin 1998.

ANDREAS

PFINGSTEN

und

MARTIN

WEBER:

Bankbetriebswirt-

2 4 3

V A L U E - M A N A G E M E N T

3. Broker verhelfen Transaktionswilligen zu einem Marktzugang, der ihnen verwehrt ist, weil der Handel in einem geschlossenen professionellen Kreis abgewickelt wird. 4. Dealer beteiligen sich an einem Markt und erhöhen Liquidität und Informationsgehalt der Preise. 5. Transformatoren erfüllen die vom Market-Maker bekannte Funktion in einer erweiterten Breite der Kontraktwünsche, so daß die Commodities eine größere Sortimentsbreite aufweisen. 6. Produzenten erzeugen interessante, komplementäre Zusatzdienste wie Informationen oder Garantien.

•=> COASE.

Interner Kapitalmarkt (IKM) Unter einem internen Kapitalmärkten wird die Gesamtheit aller unternehmensinternen Systeme und Verfahrensweisen für die Zuweisung (Allokation) von Cashflows auf verschiedene Projekte, Entwicklungsaktivitäten und Geschäftsbereiche verstanden, sofern diese marktnah gestaltet sind.124 Ressourcen werden in Organisationen oder in Gemeinschaften nach verschiedensten Gesichtspunkten zugewiesen: Nach Alter oder Rang des Antragstellers, nach Bedürftigkeit, nach der sozialen Beliebtheit, nach der innenpolitischen Stellung und Macht, oder nach dem Grad, in dem vorgegebene Kriterien (Kennzahlen) erfüllt werden. Sie alle werden in Unternehmen praktiziert. Davon spielt besonders die innenpolitische Macht eine Rolle, weswegen viele in Organisation tätige Personen ver124 1. R O B E R T H . G E R T N E R , D A V I D S . SCHARFSTEIN u n d J E R E M Y C . S T E I N : I n t e r n a l v e r s u s

ex-

ternal capital markets. Quarterly Journal of Economics 109 (1994), pp. 1211-1230. 2. JEREMY C. STEIN: Internal capital markets and the competition for corporate resources. Journal

of Finance

52 (1997), pp.

1 1 1 - 1 3 3 . 3 . H Y U N - H A N SHIN u n d R E N É M . S T U L Z : A r e

in-

ternal capital markets efficient? Quarterly Journal of Economics 113 (1998), pp. 532-552; 4. KLAUS SPREMANN: Finanzielle Führung und interner Kapitalmarkt. Die Unternehmung (1998), pp. 339-346. 5. MARC BUERMEYER: Corporate Capital Efficiency: Zur Effizienz externer und interner Kapitalmärkte unter besonderer Berücksichtigung der Börseneinführungsentscheidung.

Dissertation

U n i v e r s i t ä t St. G a l l e n

2000.

6.

MARGRIT OSTERLOH, B R U N O S.

FREY und JETTA FROST: Was kann das Unternehmen besser als der Markt? Zeitschrift für Betriebswirtschaft 69 (1999), 1245-1262.

244

LEXIKON

suchen, Macht zu erlangen. Ebenso bedeutend für die Ressourcenzuweisung in der Praxis ist die Frage, in welchem Ausmaß der betreffende Antrag eine rentable Verwendung der Mittel verspricht, was allerdings — und das ist der Punkt — aus Sicht der von oben vorgegebenen Kriterien und Maßstäbe (Antragsformular, Kennzahlen) beurteilt wird. Der Punkt jedoch ist, daß sowohl anerkannte Machtpositionen wie die von oben festgelegten Maßstäbe zur Starrheit neigen weshalb in einer sich wandelnden Welt oftmals das Neue und Innovative übersehen wird. Organisationen, die sich in einer beweglichen Umwelt befinden, versuchen daher, die Meinungsbildung im Bottom-Up-Verfahren zu fördern. 1. Stellen, die Ressourcenzuweisungen beantragen, sollen dazu untereinander in einen wettbewerbsähnlichen Vergleich treten und nicht nur einzeln und nacheinander gegenüber den oberen Instanzen belegen, daß sie die von oben vorgegebenen Kriterien erfüllen. 2. Der Vergleich oder Wettbewerb erzeugt seine Kriterien selbst. Deshalb sind Interne Kapitalmärkte auch gegenüber einer Veränderung der Ziele offen. Das ist in einer sich wandelnden Welt positiv. 3. Allerdings ist zu sehen, daß bei einem IKM Personen "mit fremdem Geld" spielen. Die Stellen, die hier in den Wettbewerb treten, sind oft Abteilungsleiter, verpflichtet nur ihrem Team und den eigenen Arbeiten, Entwicklungen und Ideen. Nur selten berücksichtigen sie, wenn sie in den Wettbewerb um Ressourcen treten, die Wünsche der externen Anspruchsberechtigten. Daher müssen Interne Kapitalmärkte stark reguliert werden. Bei der Gestaltung eines IKM muß demnach einerseits Freiheit gewährt werden, anderseits ist Regulierung oder Eingriff deshalb erforderlich, weil die Spieler das Geld anderer setzten, und nicht ihr eigenes. Hier kommt es auf die Balance zwischen den Vorgaben oberer Instanzen und der Regulierung einerseits und dem freien Spiel des Wettbewerbs andererseits an. Diese Balance bestimmt, ob ein IKM die Allokation der Ressourcen verbessert oder nicht. Empirisch ist festzustellen, daß in allen Finanzsystemen intern generierte Mittel den größten Betrag zur Finanzierung von Neuinvestitionen leisten. Bei der Gestaltung Interner Kapitalmärkte zeigt sich: Interne Märkte stoßen dort an ihre Grenzen, wo die Entstehungsgründe der Institution Unternehmung tangiert werden. •=> Corporate-Governance, Kapitalkosten.

245

V A L U E - M A N A G E M E N T

Intellektuelles Kapital Die Differenz zwischen Marktwert und Buchwert des Eigenkapitals einer Unternehmung wird (in Anlehnung an STEWART) als Intellektuelles Kapital (Intellectual Capital, IC) bezeichnet.125 Ziel der Begriffsbildung ist es, für die Unternehmung Ansatzpunkte und Wege zu finden, um den Wertunterschied, das IC, besser zu verstehen, zu erklären, und auf Faktoren und Bestimmungsgründe zurückzuführen, die als Werttreiber erkannt und optimal gestaltet werden können. Das IC ist daher nicht einzig ein Begriff des Rechnungswesens, sondern eher eine neue Managementlehre, die darauf zielt, Werte zu schaffen. Doch sind als Werttreiber nicht primär Faktoren wie Umsatz, Marge, Kosten gesehen, sondern die Möglichkeiten, die Intelligenz des Managements und der Mitarbeiter besser einzubringen. Bei den meisten Aktiengesellschaften übersteigt der Marktwert des Eigenkapitals (Anzahl der ausgegebenen Aktien multipliziert mit dem Kurs) den Buchwert des Eigenkapitals, wie er in der Bilanz ausgewiesen wird. Ähnlich erzielen nicht an einer Börse notierte Unternehmen bei einem Wechsel der Eigentümer einen Preis, der in der Regel über dem Buchwert liegt. •

Diese Differenz wurde früher als Goodwill (Firmenansehen) bezeichnet. Das mit Goodwill verbundene betriebswirtschaftliche Thema war früher vor allem steuerrechtlicher Natur.



Heute werden die Fragen thematisiert, wie die Differenz zwischen Marktwert und Buchwert zustande kommt, und durch welche Maßnahmen der Wert einer Unternehmung über den Buchwert hinaus gesteigert werden kann. Hier ist die alte Bezeichnung Goodwill wenig hilfreich. Eine überzeugendere Antwort lautet, daß die Differenz zwischen Markwert und Buchwert auf die "Intelligenz" einer Unternehmung zurückgeht, mithin das "Intellektuelle Kapital" darstellt. Der Buchwert (Anlagevermögen und Umlaufvermögen) ist sinnbildlich die Hardware, die Intelligenz die Software einer Unternehmung.

125 L i t e r a t u r : 1. LEIF EDVINSSON u n d M I C H A E L S . M A L O N E : Intellectual

Capital:

Realizing

Your

Company's True Value by Finding its Hidden Brainpower. Harper Business, New York 1 9 9 7 . 2 . T H O M A S A . STEWART: Intellectual bleday,

New

York

1997.

Capital

3. JOHAN ROOS,

- The

New

GÖRAN ROOS,

Wealth

of Organizations.

NICOLA C .

DRAGONETTI

Douund

LEIF

EDVINSSON: Intellectual Capital: Navigating in the New Business Landscape. Macmillan Business, L o n d o n

1 9 9 7 . 4 . K A R L E R I K SVEIBY: The

New

Organizational

Wealth:

Managing

Measuring Knowledge-Based Assets., Berrett-Koehler Publishers, San Francisco 1997

and

LEXIKON

2 4 6

in

IC als Immaterielles Vermögen

IC als Differenz zwischen Marktwert und Buchwert des Eigenkapitals

a ra c

n

O) Ul (A X¡

H

Rahmen der traditionellen Bilanz

Anlagevermögen zu Buchwerten

Umlaufvermögen zu Buchwerten

Buchwert des Eigenkapitals

Fremdkapital

« N u < •¡5C 2 HÑ 3 x CO H Ökonomischer Gewinn, Sustainability Management.

V A L U E - M A N A G E M E N T

2 9 7

Navigator Der Navigator ist eine Darstellung der Zielsetzungen für den einzelnen Arbeitsplatz wie auch das ganze Unternehmen. Basis bildet eine Weiterentwicklung der Balanced-Scorecard, bei der verstärkt das Intellektuelle Kapital des Unternehmens Berücksichtigung findet. Der Navigator ist daher ein Management-Tool, mit dessen Hilfe das gesamte Kapital der Unternehmung auf allen Stufen gemessen und gemanagt werden soll. 153

cn

Customer Focus

Process Focus

Renewal & Development Focus

Bild 65: Grundaufbau des Navigators der Firma Skandia.

Der Navigator wurde von dem schwedischen Versicherungskonzern Skandia entwickelt und zeigt finanzielle und nicht-finanzielle Kennzahlen in einem Berichtsbogen. Er soll die Transparenz der eigenen Leistungen fördern, Werttreiber verdeutlichen, sowie natürlich letztendlich eine Steigerung des Unternehmenswertes bewirken. Die Meßgrößen werden dem inhaltlichen Zusammenhang entsprechend in den fünf Fokusbereichen des Navigators in übersichtlicher Weise zusammengefaßt. => Balanced-Scorecard, Kapital, Intellektuelles Kapital, Werttreiber.

153 Quellen:

1. LEIF EDVINSSON u n d MICHAEL S . M A L O N E : Intellectual

Capital:

Realizing

Your

Company's True Value by Finding its Hidden Brainpower. Harper Business, New York 1997, p. 68. 2. Die Webseite der Firma Skandia: www.Skandia.com/capital/idx_ic.htm

LEXIKON

298

Netzwerkökonomie

8

Jedes Netzwerk ist ein System von Knoten, die untereinander in gewissen Verbindungen stehen. Bei wirtschaftlichen Netzwerken dienen die Verbindungen der Koordination und dem Austausch von Leistungen. Die Knoten liefern vielfach komplementäre Leistungen, so daß erst durch das Netzwerk das eigentliche Ergebnis erbracht wird. Unter dem Begriff der Netzwerkökonomie werden jene wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen und Modelle zusammengefaßt, die sich mit der Gestaltung wirtschaftlicher 2I Netzwerke befassen.154 Alltäglich sind Infrastrukturnetzwerke wie das der Eisenbahn, der Telekommunikation einschließlich Internet. Es muß aber nicht immer eine physische Verbindung vorhanden sein; auch Standardisierungen fördern die Austauschbarkeit von Leistungen.

* Wertzuwachs

Leistung Beispiele: Häufigkeit Geographische Abdeckung Anzahl Transfers Wert des Vielfiiegerprogrammes

Kosten Beispiele: Flugzeugaustastung Flugpersonalkosten Gateauslastung Transaktionsvolumen

Bild 66: Netzwerkeffekte am Beispiel einer Luftfahrtgesellschaft.

Netzwerken werden positive Skalenerträge zugeschrieben. Neue Knoten können relativ günstig hinzugefügt werden, bestehende Verbindungen erlauben eine Zunahme von Austauschbeziehungen und Leistungstransfers zu Grenzkosten. Viele Netzwerke haben zudem die Ei154

Quellen: 1. NICHOLAS ECONOMIDES: The Economics of Networks. International Journal of

Industrial

Organization

1 4 ( 1 9 9 6 ) , p p . 6 7 3 - 6 9 9 . 2 . CARL SHAPIRO u n d H A L R . V A R I A N :

Infor-

mation Rules: A Strategie Guide to the Network Economy. Harvard Business School Press, Boston 1998. 3.: www.stern.n3a1.edu/networks/site.html. 4. www.sims.berkeley.edu/ resources/ 5. Fallstudien finden sich bei MICHAEL REIS (Hrsg.): Netzwerk-Unternehmer: Fallstudien Netzwerkintegrierter Spin-offs, Ventures, Start-ups und KMU. Vahlen, München 2000.

VALUE-MANAGEMENT

299

genschaft positiver Extemalität in dem Sinn, daß der Nutzen für einen Knoten steigt, wenn sich mehr Nutzen im Netzwerk für eine Transaktion bieten. Andererseits kann es, wie aus der Theorie der Clubs bekannt ist, bei steigender Anzahl von Mitgliedern (Knoten) zu einer Anonymisierung und zu Erscheinungen der Überlastung von Verbindungen kommen, die den Nutzen schmälern. In solchen Fällen hat das optimale Netzwerk eine beschränkte Größe.155 •=> Portfolio-Analyse.

NONAKA, IKUJIRO IKUJIRO NONAKA, geboren 1935 in Tokio, gilt als Begründer jener Richtung der Managementlehre, die das Wissen in den Mittelpunkt stellt.

B i l d 6 7 : IKUJIRO NONAKA, M i s t e r K n o w l e d g e ( E c o n o m i s t ) , h a t d i e k o m p l e x e n P r o zesse der Schaffung, Speicherung, Verteilung u n d Nutzung von Wissen aufgezeigt.

NONAKA studierte Politikwissenschaften an der Waseda Universität. Nach einer praktischen Tätigkeit bei Fuß Electric promovierte und habilitierte er sich an der Universität von Kalifornien in Berkeley (1968 MBA, 1972 Ph.D. in Business Administration). Danach wurde er als

1 5 5 Literatur: 1. MICHAEL KATZ und CARL SHAPIRO: Network Externalities, Competition and Compatibility. American Economic Review 75 (1985) 3, pp. 424-440. 2. STAN J. LIEBOWITZ und STEPHEN E. MARGOLIS: Network Externalities (Effects), in: The New Palgrave's Dictionary of Economics and the Law. MacMillan, 1998.

LEXIKON

300

Professor an die Nanzan Universität berufen, an die National Defense Academy und schließlich an die Hitotsubashi Universität in Tokio. •



Weltweite Aufmerksamkeit erlangte NONAKA durch seinen für das Knowledge-Management wegweisenden Aufsatz 1991 über The Knowledge-Creating Company. Zusammen mit HIROTAKA TAKEUCHI schrieb NONAKA ein Buch

über Knowledge-Management und den japanischen Ansatz im Wissensmanagement. Dieses Buch hielt sich fast zwei Jahre an der Spitze der Oxford University Press Bestsellerliste. Derzeit ist "Mister Knowledge", wie ihn das Wirtschaftsmagazin Economist nannte,156 Dean am Japan Advanced Institute of Science and Technology (JAIST) in Hokuriku. Seit 1997 hält er außerdem den weltweit ersten Lehrstuhl für Wissensmanagement inne als Xerox Distinguished Professor for Knowledge an der Universität von Kalifornien, Berkeley.157 o Knowledge-Management, Wissensgesellschaft.

156

157

Economist: Mr Knowledge. (31.05.1997) p. 73. 1. IKUJIRO NONAKA: The Knowledge-Creating Company. Harvard

(November/December

Business

Review

1 9 9 1 ) , p p . 9 6 - 1 0 4 . 2. IKUJIRO NONAKA u n d HIROTAKA TAKEUCHI:

Organisation des Wissens: Wie japanische Unternehmen nutzbar machen. Campus, Frankfurt am Main 1997.

eine brachliegende

Die

Ressource

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30 1

o Ökonomischer Gewinn,

Opportunitätskosten.

Ökonomischer Gewinn Der ökonomische Gewinn ist jener Teil des in Geldeinheiten ausgedrückten Ergebnisses wirtschaftlicher Aktivität, der am Ende einer Periode entzogen werden könnte, ohne daß dadurch das für den Erfolg nötige Kapital reduziert wird. Anders ausgedrückt: Der ökonomische Gewinn stellt jenen Teil des Periodenergebnisses dar, der entnommen werden kann, ohne daß die Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen Leistung gefährdet wird. Werden einer Wirtschaftseinheit immer wieder Mittel in Höhe des buchhalterischen Gewinns entzogen, kann es dazu kommen, daß sich die Leistungskraft im Laufe der Zeit schmälert. Mit dem ökonomischen Gewinn soll ermittelt werden, wie hoch Entnahmen sein dürften, ohne daß die Leistungskraft verringert wird. Vielfach ist der ökonomische Gewinn geringer als der Buchgewinn, und die Differenz wird dann als Scheingewinn bezeichnet. Der Begriff des ökonomischen Gewinns beruht auf diesen Erkenntnissen: 1. Realkapital altert. Es verbraucht sich mit der Zeit und mit der Nutzung. Der ökonomische Gewinn verlangt daher eine korrekte Erfassung der Abschreibungen. Die Abschreibungen sollten sich auf Wiederbeschaffungswerte beziehen. 2. Realkapital mit spezieller Funktion unterliegt der Obsoleszenz, das heißt, es kann wirtschaftlich aus der Mode kommen obwohl es physisch noch funktionsfähig wäre. Die Möglichkeit, mit Realkapital wirtschaftliche Ergebnisse zu erzielen, hängt somit von der Umgebung und von den Märkten ab, und die Veränderungen der Welt können Realkapital zusätzlich entwerten. Obsoleszenz bewirkt eine Verringerung des ökonomischen Gewinns.

LEXIKON

302

3. Schließlich ist der Erfolg in Geld ausgedrückt, aber es gibt in allen Währungen Inflation. Eventuell ist daher der ökonomische Gewinn so zu bemessen, daß der Erfolg nicht nur nominal sondern real erhalten wird. Zur Erhaltung der realen Leistungskraft ist eine gewisse nominale Kapitalsteigerung erforderlich, um die Geldentwertung zu kompensieren. Möglicherweise sind auch Steuern zu berücksichtigen, die auf sogenannte Scheingewinne zu entrichten sind. 4. In einer wachsenden Welt kann es angezeigt sein, von Nachhaltigkeit des Erfolgs nur dann zu sprechen, wenn der Erfolg in Relation zum Rest der Wirtschaftswelt nicht zurückfällt. Das verlangt eine Dynamisierung. Aus den vier genannten Gründen ist der ökonomische Gewinn geringer als der Buchgewinn. Andererseits kann der Gewinn einer Unternehmung in der Rechnungslegung bereits dadurch geschmälert sein, daß vom Erfolg verschiedene Aufwandspositionen in Abzug gebracht worden sind, mit denen eher eine Erhöhung der wirtschaftlichen Leistungskraft verbunden ist. Dann könnte es sein, daß der ökonomische Gewinn größer als der Buchgewinn ist. Hierzu gehören Einmalabschreibungen auf gekaufte Anlagen und Ausrüstungen, die gleichwohl mehrere Perioden wirtschaftlich eingesetzt werden können. Der in der heutigen Praxis wohl wichtigste Grund, aus dem der ökonomische Gewinn größer als der Buchgewinn sein kann, ist indessen die Tatsache, daß viele Unternehmen Aufwendungen (Löhne) für Forschung und Entwicklung und Marketing aufbringen, ohne die Arbeitsergebnisse zu aktivieren. Die Schaffung Intellektuellen Kapitals mit eigenen Forschungsabteilungen führt auch zu der Formel

Ökonomischer

Gewinn

=

Gewinn + Investivaufwand

.

Der ökonomische Gewinn ist jedenfalls kein Übergewinn. Um vom ökonomischen Gewinn ausgehend einen Übergewinn zu bestimmen, müßte man einen üblicherweise zu erwartenden Gewinn (Kapitalkosten) abziehen. Das geschieht bei der Berechnung des Economic-Value-Added:

EVA

=

Ökonomischer

Gewinn

-

Kapitalkosten.

V A L U E - M A N A G E M E N T

303

Obwohl Economic Profit die Übersetzung von "ökonomischer Gewinn" ist, sind die Begriffe doch unterschiedlich. Der Economic Profit ist eine Variante des Übergewinns, die von der Beratungsfirma McKinsey & Company propagiert wird. Wichtig ist, daß der ökonomische Gewinn eine Vorstellung darüber voraussetzt, was genau unter dem Erhalt der wirtschaftlichen Leistungskraft verstanden werden sollte. Wenn eine Familienunternehmung, die heute 10% des Marktes von Wasserstoffpumpen bedient und als technologisch innovativ gilt, für die Berechtigten Familienmitglieder jedes Jahr 1 Million Euro abwerfen soll und dieser Betrag sich entsprechend der Geldentwertung im Laufe der Zeit erhöhen soll, dann ist das eine andere Vorstellung, als wenn die Leistungskraft als Erhalt des zehnprozentigen Marktanteils definiert wird. Eine dritte Vorstellung wäre die, daß die wirtschaftliche Leistungskraft erhalten bleibt, wenn die Unternehmung weiterhin ihre technologische Spitzenposition behält. Jede der drei Vorstellungen führt auf einen anderen ökonomischen Gewinn. Im Jahr 1990 hat der Stuttgarter Automobilkonzern Daimler Benz (heute DaimlerChrysler) eine Untersuchung in Auftrag gegeben, zwei Konzepte der "richtigen" Rendite für Aktionäre zu vergleichen. • Bei einem Konzept wurde gefragt, welche Rendite Aktionäre im Kapitalmarkt mit einer anderen Aktie vergleichbaren Risikos erwarten können. • Bei dem anderen Konzept wollte man den Aktionären einerseits eine Dividende in gewohnter Höhe bieten und die Dividenden über die Jahre hinweg auch ansteigen lassen — wie das in der Vergangenheit stets der Fall gewesen ist. Zusätzlich sollte aber in einer dynamischen Welt die wirtschaftliche und technologische Leistungskraft des Unternehmens nachhaltig gesichert bleiben. Beide Konzepte führen auf unterschiedliche "Kapitalkosten" und letztlich auf unterschiedliche Investitionsentscheidungen. Beachtenswert ist eine spezielle Vorstellung davon, was es bedeuten solle, die Leistungskraft zu erhalten. Wird diese Bedingung als Erhalt des Marktwertes des Kapitals in nominaler Höhe verstanden, dann entspricht der ökonomische Gewinn dem Produkt aus der finanziellen Rendite und dem eingesetzten Kapital.

=> Economic-Profit, EVA, Kapitalkosten, Intellektuelles Kapital.

LEXIKON

304

Opportunitätskosten Unter Opportunitätskosten versteht man den Gewinn, der mit der nächstbesten Alternative, auf die verzichtet wird, verbunden wäre. Wenn eine Ressource in einer gewissen Weise eingesetzt werden soll, stellt sich die Frage, welcher Gewinn mit einem alternativen Einsatz der Ressource verbunden wäre — immerhin verzichtet man auf diesen Gewinn, wenn die Ressource nicht der Alternative zugewiesen wird. Der "entgangene Gewinn" wird als Opportunitätskosten bezeichnet. •

Der Begriff stammt aus der Optimierung. Wenn eine Ressource optimal oder auf beste Weise eingesetzt wird, kann die Frage gestellt werden, welcher Gewinn mit einem zweitbesten Einsatz der Ressource verbunden wäre.



Wird dieser entgangene und als Opportunitätskosten bezeichnete Gewinn dazu verwendet, den Einsatz der Ressource zu bewerten, genau wie das mit Kosten sonst auch geschieht, dann muß sich der Ressourceneinsatz bei der optimalen Lösung rechnerisch als vorteilhaft erweisen.

Die Opportunitätskosten können folglich dazu verwendet werden, ein Optimum zu charakterisieren. Der Begriff ist intuitiv einsichtig. Wenn für eine Ressource keine Marktpreise gegeben sind, vielleicht weil es im gegebenen Augenblick und am gegebenen Ort keinen Markt dafür gibt, und jemand möchte die Ressource kaufen, dann wird der augenblickliche Verwender der Ressource sich fragen, auf welchen "Gewinn" oder "Nutzen" er mit Übereignung der Ressource verzichtet, was sie ihn in diesem Sinn "kostet." Dennoch hat der Begriff immer wieder zu kritischen Bemerkungen geführt. Viele Betriebswirte führen an, daß es hierbei nicht wie sonst bei Kosten um einen bewerteten Einsatz von Inputs geht, da Opportunitätskosten einen entgangenen Gewinn darstellen. Mathematiker führen zudem an, daß durch den Begriff der Opportunitätskosten die Aufgabe, ein Optimum zu finden, nicht erleichtert wird. Denn die Bestimmung der Opportunitätskosten setzt voraus, daß das Optimum und folglich auch die zweitbeste Lösung bekannt sind. Hat man das Optimum gefunden, sind eigentlich die Opportunitätskosten, mit denen das Optimum charakterisiert werden kann, überflüssig.

VALUE-MANAGEMENT

3 0 5

Beim Value-Management werden die Opportunitätskosten in Zusammenhang mit den Kapitalkosten gebracht. Es heißt dann, die Kapitalkosten seien gleich der Rendite, die mit dem Kapitaleinsatz bei einer anderen Investitionsgelegenheit (Opportunität) erzielbar wäre. Dennoch sind die Begriffe "Opportunitätskosten" und "marktübliche Rendite" zu unterscheiden.158 Es sei eine Unternehmung betrachtet, die völlig losgelöst vom Finanzmarkt ist, und deren Kapital entweder mit einer Rendite von 3% (Projekt A) oder von 2% (Projekt B) investiert werden kann. Eine Ausbezahlung komme nicht in Frage. Natürlich ist die Investition A unter diesen Einschränkungen vorteilhaft. Die Opportunitätskosten des Kapitals sind 2%. Selbst wenn das Projekt A neu kalkuliert wird, und der Kapitaleinsatz mit 2% Kapitalkosten kalkuliert wird, erweist sich das Projekt A als vorteilhaft. Gibt es einen funktionierenden Kapitalmarkt, dann bietet der Kapitalmarkt gleichsam unendlich viele weitere Gelegenheiten und die Opportunitätskosten und die marktübliche Rendite stimmen überein. Würde sich die Unternehmung dem Kapitalmarkt gegenüber öffnen oder eine Ausbezahlung des Kapitals in Erwägung ziehen, dann könnte die Unternehmung oder ihre Eigner vielleicht Finanzanlagen mit einer Rendite von 8% tätigen. Beide Projekte A und B wären dann unvorteilhaft.

•=> Kapitalkosten, Interner Kapitalmarkt.

158 PETER NIPPEL u n d ROLAND SCHEINERT: Kapital- u n d O p p o r t u n i t ä t s k o s t e n bei U n s i c h e r heit. Wirtschaftswissenschaftliches

Studium

WiSt ( O k t o b e r 2 0 0 0 ) 10, pp. 5 5 7 - 5 6 1 .

LEXIKON

306

P Performance, PORTER, Portfolio-Analyse, Private-Equity, zeßkostenrechnung.

Pro-

Performance Bei vielen Investitionen steht das finanzielle Ziel im Vordergrund, weshalb die Güte der Investition durch die Rendite gemessen wird. Die Rendite ist eine Kennzahl, bei der das in einer Periode erzielte Ergebnis durch den Kapitaleinsatz (zu Beginn der Periode) geteilt wird. Für das Folgende betrachte man eine vergangene Periode, etwa das letzte Jahr. Angenommen, der Investor hätte zu Beginn des vergangenen Jahres teilweise Fremdmittel für die Finanzierung der Investition herangezogen, dann wäre durch den Leverage-Effekt die Rendite verändert worden, wenngleich auch die Risiken sich anders dargestellt hätten. Generell kann durch ein mehr an Risiko eine höhere Rendite erwartet werden. Die Rendite erlaubt daher nur eine Beurteilung des Investitionserfolges, wenn auch etwas über die Risiken gesagt wird. Kennzahlen der Performance adjustieren die Rendite um das eingegangene Risiko.159

Die Sharpe-Ratio hat sich in der Praxis am meisten durchgesetzt. Die Kennzahl orientiert sich an der Idee der Konstruktion des Tangentialportfolios, womit die Klassische Portfoliotheorie den Bezugsrahmen bildet. Folglich eignet sich die Sharpe-Ratio für eine Messung und Beurteilung Performance sofern die Voraussetzungen der klassischen Portfoliotheorie gegeben sind, namentlich die Normalverteilung einfacher

159

1. MARK GRINBLATT und SHERIDAN TITMAN: Portfolio Performance Evaluation: Old Issues and New Insights. Review of Financial Studies 2 (1989), pp. 807-822. 2. MARCO WILKENS und HENDRIK SCHOLZ: Systematik grundlegender Performancemaße. Finanz Betrieb 9 (1999), pp. 250-254; sowie von denselben Autoren: Von der Treynor-Ratio zur Market Risk-Adjusted Performance. Finanz Betrieb (10/1999), pp. 308-315. 3. ANDREAS BICKEL: Moderne Performance-Analyse und Performance Presentation Standards. Bank- und finanzwirtschaftliche Forschungen 312, Verlag Haupt, Bern 2000.

307

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Renditen. Das Tangentialportfolio wird gefunden, indem man die Gerade mit der höchsten Steigung an die Effizienzkurve legt. Im Licht dieser Konstruktion hat SHARPE vorgeschlagen, die Performance eines Portfolios oder einer Investition P im Berichtsjahr durch die Steigung jener Geraden zu messen, die vom Zinssatz i zu jenem Punkt führt, der die Rendite rF und die Streuung SD,, dieses Portfolio im Berichtsjahr darstellt. Je größer diese Steigung, desto besser ist die Performance:

SDP

Die Sharpe-Ratio SR drückt jene Überrendite aus, die mit einem Risiko von 100% — gemessen durch die Streuung der einfachen Rendite in der Berichtsperiode — hätte erzielt werden können. Anders ausgedrückt wird mit der Sharpe-Ratio die Überrendite oder der Reward je Einheit Gesamtrisiko oder Variabilität (denn eine Streuung von 100% ist eine Streuung von 1) ermittelt. Das erklärt die ursprüngliche Bezeichnung Reward-to-Variability-Ratio.160 Um die Sharpe-Ratio zu berechnen, wird die einfache Rendite des Portfolios im Berichtsjahr benötigt sowie der Einjahreszinssatz — so, wie er zu Beginn des Berichtsjahres gegolten hat. Soweit sind die Datenanforderungen minimal. Die tatsächlich erzielte Überrendite wird durch die Streuung der Portfoliorendite oder der Rendite der Investition geteilt. Hier wird es etwas schwieriger, was die Daten anbelangt: Ist nur der Portfoliowert zu Beginn und zu Ende des Berichtsjahres bekannt, weiß man zunächst nichts über die Renditestreuung. Einfach ist es, wenn der Portfoliomanager die Renditen für einige der letzten Jahre angibt und beteuert, eine im Hinblick auf das Risiko gleichmäßige Anlagepolitik verfolgt zu haben. Dann würden wir die Streuung als Stichprobenstreuung schätzen. •=> Leverage-Effekt,

MARKOWITZ.

WILLIAM F. SHARPE: Mutual Fund Performance. Journal of Business 39 (1966) 1, pp. 119-138.

160

30 8

LEXIKON

PORTER, MICHAEL MICHAEL E. PORTER, Professor an der Harvard Business School, wird als bedeutendster Experte im Bereich der Wettbewerbsstrategie angesehen.

Bild 68: M I C H A E L P O R T E R (Harvard University) gilt als Experte für W e t t b e w e r b s strategien v o n U n t e r n e h m u n g e n u n d v o n Ländern.

PORTER studierte Ingenieurwissenschaften an der Princeton Universität und absolvierte danach 1971 an der Harvard Business School das MBA-Programm. Seinen Ph.D., erhielt er 1973 in Business Economics, ebenso von der Harvard University. PORTER wurde mehrfach mit der Würde eines Ehrendoktors ausgezeichnet, unter anderem von der Stockholm School of Economics, der Erasmus Universität Rotterdam und der HEC Paris. PORTER ist Verfasser von 16 Büchern und mehr als 60 wissenschaftlichen Artikeln. Er berät Unternehmen und Regierungen und schreibt Leitartikel für das Wall Street Journal. Seine Bücher über Wettbewerbsstrategie und Wettbewerbsvorteile sind Standardwerke. In The Competitive Advantage of Nations ist eine neue Theorie über den Wettbewerb zwischen Nationen, Staaten und Regionen entfaltet.161 •=> Generische Wettbewerbsstrategien, schöpfungskette.

Wettbewerbsstrategie,

Wert-

161 Literatur: 1. MICHAEL E. PORTER: Wettbewerbsstrategie. 10. Auflage, Campus, Frankfurt am Main 1999. 2. MICHAEL E. PORTER: Wettbewerbsvorteile: Spitzenleistungen erreichen und behaupten. 5. Auflage, Campus, Frankfurt am Main 1999. 3. MICHAEL E. PORTER: Nationale Wettbewerbsvorteile. Ueberreuter, München 1993.

V A L U E - M A N A G E M E N T

309

Portfolio-Analyse von Unternehmen Ein Unternehmensportfolio entsteht durch die Unterteilung der Unternehmung in Divisionen, Bereiche, und Unternehmensbeteiligungen. Rechtlich selbständige Beteiligungen können unter einem gemeinsamen Dach (einem Holdingkonzern) gebündelt oder als strategische Geschäftseinheiten (SGE) in einem diversifizierten Konzern geführt werden. Die Portfolio-Analyse von Unternehmen beschäftigt sich mit der Bestimmung einer ausgewogenen Konzernstruktur. Mit Hilfe eines Analyse-Tools, wie zum Beispiel der Matrix der Boston Consulting Group, der BCG-Matrix, kann das Unternehmensportfolio beurteilt werden. Eine Unternehmung tätigt in der Regel verschiedene Kapitalanlagen oder Investitionen. Sie beteiligt sich auch an anderen Unternehmen. Aus klassischen Einproduktunternehmen werden somit diversifizierte Konzerne, die in mehreren Branchen tätig sind und mit unterschiedlichen Produkten oder Dienstleistungen am Markt auftreten. Es ist sinnvoll, diese Teile nicht einzeln und unabhängig zu betrachten, sondern sie zusammenzufassen, wobei ein Portfolio entsteht. Bei der Portfolio-Analyse von Unternehmen wird aber, im Gegensatz zur Portfoliotheorie des Finanzmanagements, lediglich die Ausgewogenheit des Bestandes an Beteiligungen betrachtet. Das Portfolio wird gesamthaft gewählt, das heißt, aus einer einheitlichen Perspektive heraus strukturiert und gemanagt. So gibt es auch Holdingkonzerne, die sich ausschließlich der Optimierung ihres Portfolios an Beteiligungen widmen und nicht in deren operatives Geschäft eingreifen (Finanzholdings). Holdings wie diversifizierte Konzerne optimieren ihre interne Ressourcenallokation mit Hilfe der PortfolioAnalyse. Als Hilfsmittel zur Portfolio-Analyse und zum Portfoliomanagement verwenden Unternehmen verschiedene Analyse-Tools. Das wohl bekannteste Analyse-Tool ist die sogenannte BCG-Matrix.162 Darin werden die verschiedenen SGE der Unternehmung in einer Matrix in vier Feldern eingeteilt.

1. BOLKO VON OETINGER (Hrsg.): Das Boston Consulting Group Strategie-Buch: Die wichtigsten Managementkonzepte für den Praktiker. 4. Auflage, Düsseldorf 1995, pp. 281-326.

162

2 . B R U C E D . HENDERSON: T h e P r o d u c t P o r t f o l i o , i n : C A R L W . S T E R N u n d G E O R G E S T A L K , JR.

(Hrsg.): Perpectives on Strategy from the Boston Consulting Group. Wiley, New York 1998, pp. 35-39. 3. HANS H. HINTERHUBER: Strategische Unternehmensführung: Band 1 Strategisches Denken— Vision, Untemehmenspolitik. 5. Auflage, de Gruyter, Berlin 1992.

310

LEXIKON

Stars

Q u e s t i o n Marks

ro 5

Normstrategie: selektiv vorgehen

Dogs

""X

< \

Normstrategie: fördern, investieren

Cash Cows

Normstrategie: desinvestieren

Normstrategie: konsolidieren, ernten

Relativer Marktanteil

Bild 6 9 : Die M a t r i x der Boston

Consulting

Group.

Die Matrix wird durch zwei Kriterien aufgespannt, nämlich durch den relativen Marktanteil (x-Achse) und das Marktwachstum (y-Achse). Die Ausprägungen können gering oder hoch sein. So entstehen vier Felder. Die in der BCG-Matrix positionierten SGE werden wie folgt charakterisiert: •

Question Marks: Diese SGE operieren in wachstumsstarken Märkten, verfügen aber nur über einen geringen Marktanteil. Um weiter wachsen zu können, wären Investitionen erforderlich. Diese Geschäftsfelder verursachen Kosten und tragen zum Cashflow nur gering bei.



Stars: Ein Star ist ein Unternehmensteil, der Marktführer in einem Wachstumsmarkt ist. Ein Star erwirtschaftet Gewinne und treibt das Unternehmenswachstum voran.



Cash Cows: Läßt das Marktwachstum eines Stars nach, so entwickelt er sich zu einer Cash Cow, die Gewinne einfährt und einen großen Beitrag zum Cashflow der Unternehmung leistet. Das geringere Marktwachstum verlangt weniger Investitionen für Kapazitätserweiterungen. Die Cash Cow kann ihre Größenvorteile im Markt ausspielen und durch das "Ernten" der Erträge der Cash Cow können Investitionen in andere SGE finanziert werden.



Dogs: Die in diesem Quadranten positionierten SGE sind die Problemfälle des Unternehmens. Sie bewegen sich in einem langsam wachsenden oder stagnierenden Markt und weisen nur einen geringen Marktanteil auf. Oftmals sind sie verlustbringend.

Nach der Einordnung der Strategischen Geschäftseinheiten in die Matrix kann festgestellt werden, ob das betrachtete Portfolio ausgewogen

V A L U E - M A N A G E M E N T

3 11

ist oder nicht. Das Management muß dann entscheiden, wie es das Portfolio weiterentwickeln will. Dazu wurden von BCG verschiedene Normstrategien vorgeschlagen, die in den jeweiligen Quadranten der Matrix notiert sind. Generell gültige Patentrezepte für die strategische Ausrichtung sind natürlich nicht möglich. Zu beachten ist, daß die BCG-Matrix die Dimensionen Marktwachstum und Marktanteil auswählt, doch diese beiden müssen nicht unbedingt die wichtigsten Indikatoren für ein erfolgreiches Geschäft darstellen. Zudem könnte eine Begrenzung der Matrix auf vier Quadranten eng wirken, weshalb in der Folgezeit von anderen Unternehmensberatungen Analyse-Tools mit mehreren Feldern entwikkelt worden sind.163 •=> Diversifikation, Wettbewerbsstrategie.

Private-Equity Wenn Investitionen finanziert werden, besorgt sich der Manager oder Investor Geld, und die Geldgeber verlangen im Gegenzug Rechte. Die vertraglichen Regelungen sind das Kapital. Gleichsam ist jeder Vertrag anders, und damit die Übersicht gewahrt bleibt, wird Kapital in Gruppen eingeteilt, wofür sich verschiedene Kriterien anbieten. •

Eine ist die Unterscheidung danach, ob der Vertrag rein privat zwischen zwei Parteien — dem Kapitalnehmer und dem Kapitalgeber — abgeschlossen und nicht ohne weiteres übertragen werden kann. Man spricht von Private Capital. Es steht im Unterschied zu Public Capital, bei dem die Verträge übertragbar und in Form von Wertpapieren gekleidet sind, und es Märkte gleichsam jedem erlauben, die Rolle des Kapitalgebers zu übernehmen.



Eine zweite Unterscheidung ist die, ob es sich um Eigenkapital (Equity) oder um Fremdkapital (Debt) handelt.

Unter Private-Equity wird Eigenkapital von nicht börsennotierten Unternehmen verstanden, bei dem der Kreis der Eigenkapitalgeber feststeht und ein weiterer Finanzinvestor nicht ohne Willensbildung der bisherigen Eigenkapitalgeber eine Beteiligung erwerben kann.

Für eine Neun-Feld-Matrix vergleiche HANS MEINHARDT: Optimierung des Portfolios in diversifizierten Unternehmen, in: HERBERTA. HENZLER (Hrsg.): Handbuch Strategische Führung. Gabler, Wiesbaden 1988, pp. 135-146.

LEXIKON

3 12

Equity Wertpapiere, öffentlicher Handel, Märkte oder Market Makers

Privates Kapital, bilaterale Verträge, keine Fungibllität

Aktien von

Debt

Blue-Chips

Anleihen

Bankkredit

I

f

Bild 70: Zwei Kriterien — Eigenkapital oder Fremdkapital (debt) beziehungsweise gebändeltes Wertpapier oder nicht fungibler Vertrag — verhelfen zu einer Einteilung von Kapital.

Praktisch gesehen ist Private-Equity das Eigenkapital von kleineren Unternehmungen, von Neugründungen (Startups), und von Unternehmungen, die sich in einer frühen Phase befinden. Hier sind die Risiken oftmals enorm, weshalb Private-Equity in vielen Fällen den Charakter von Venture-Capital aufweist. Zentrales Merkmal ist der Mangel an Sicherheiten und gelegentlich ist auch noch kein richtiger Absatzmarkt gefunden worden.164 Businessplan, Kapital, Leveraged-Buyout, Venture-Capital,.

Prozeßkostenrechnung Mit einer Prozeßkostenrechnung werden Ketten einzelner Produktionsschritte, eben Prozesse, als einheitliches Kalkulationsobjekt

164 1. GEORGE W . FENN, NELLIE LIANG u n d STEPHEN PROWSE: T h e P r i v a t e E q u i t y

Industry:

An Overview. Financial Markets, Institutions and Instruments Series

6 (1997) 4, Blackwell,

Boston 1997. 2. HANSPETER BADER: Private Equity als Anlagekategorie.

Haupt, Bern 1996.

3 13

VALUE-MANAGEMENT

J

betrachtet. Hierzu gehören auch Ketten von Verarbeitungsschritten in der Verwaltung.

Herkömmliche Kostenrechnungssysteme sind im Kostenstellendenken verhaftet. Demgegenüber stehen im Mittelpunkt der Prozeßkostenrechnung nicht Stellen und Abteilungen, die ein eher passives Konzept der Zugehörigkeit ausdrücken. Vielmehr werden Prozesse betrachtet, also Tätigkeiten oder Sequenzen von Vorgängen, die geeignet sind, operative Abläufe und die Verantwortlichkeiten hierfür abzubilden. Durch die prozessuale Sichtweise können alle Beteiligten ihre jeweilige Tätigkeit einem Prozeß zuordnen und mit seinen Auswirkungen auf die Kostensituation verfolgen. Prozesse führen in der Regel auf eine Dienstleistung, die dann abgegeben oder weitergegeben wird. Prozesse sind daher Zusammenfassungen von Aktivitäten, die für bestimmte Zielkunden verrichtet werden

Indirekte Kostenstellen Beschaffung

Logistik

Produktion

Produktionsaufträge abwickeln

Artikelnummern verwalten

Bild 71: Hauptprozesse als abteilungsübergreifende Vorgänge.

Die Bestimmungsgrößen für die Kosten der Prozesse heißen Cost DriDie Prozeßkostenrechnung verwendet statt einer großen Anzahl von Kostenstellen eine wesentlich übersichtlichere Anzahl von Prozessen. Die Prozeßkostenrechnung strebt eine bessere Steuerung der Gemeinkosten eines Unternehmens an und soll die Genauigkeit strategischer

3 1 4

L E X I K O N

Produktkalkulationen, die einen mittelfristigen Horizont betreffen, erhöhen.165 Business-Process-Reeingineering, KAPLAN.

1 6 5 1. REINHOLD MAYER: Prozeßkostenrechnung und Prozeßkostenmanagement: Konzept, Vorgehensweise und Einsatzmöglichkeiten, in: IFUA HORVATH 8T. PARTNER (Hrsg.): Prozeßkostenmanagement. Vahlen, München 1991, pp. 75-99. 2. KLAUS SPREMANN: Aufbau einer Bankkostenrechnung zur Unterstützung dezentraler Verantwortung, in: KLAUS DELLMANN und KLAUS PETER FRANZ: Neue Entwicklungen im Kostenmanagement. Haupt, Bern 1994,

pp.

681-710.

3.

WOLFGANG

MÄNNEL:

Zur

Bedeutung

WOLFGANG MÄNNEL (Hrsg.): Prozeßkostenrechnung: rungen,

Softwarelösungen.

der

Bedeutung,

Prozeßkostenrechnung,

Methoden,

in:

Branchenerfah-

G a b l e r , W i e s b a d e n 1995, pp. 15-22. 4. PETER HORVATH:

Con-

trolling. 7. Auflage, Vahlen, München 1998. 5. IFUA HORVATH & PARTNER (Hrsg.): Prozeßkostenmanagement: Methodik und Anwendungsfelder. 2. Auflage, Vahlen, München 1998. 5. HENNER SCHIERENBECK u n d MICHAEL LISTER: Value

ter Unternehmensfuhrung.

Controlling:

Oldenbourg, München 2001.

Grundlagen

wertorientier-

V A L U E - M A N A G E M E N T

3 15

RAPPAPORT, RAROC und RORAC, Reorganisation und Resini kturierung, Realoption, Risikobegriff, Risikomanagement.

RAPPAPORT, ALFRED geboren 1932, Professor of Managerial Accounting, baute seit 1968 den Shareholder-Value-Ansatz durch zahlreiche Einzelaufsätze in der Harvard Business Review und im Accounting Review Schritt für Schritt zu einem abgerundeten Konzept aus, das 1986 in geschlossener Form als Buch erschien: Creating Shareholder Value. Andere Bücher von RAPPAPORT befassen sich mit der Rechnungslegung und der finanziellen Berichterstattung.166

ALFRED RAPPAPORT,

Bild 72: A L F R E D R A P P A P O R T hat zwischen 1980 und 1990 die G r u n d l a g e n für den Shareholder-Value-Ansatz u n d die D C F - M e t h o d e geschaffen.

1. ALFRED RAPPAPORT: Selecting Strategies that create shareholder value, Harvard Business Review, 59 (Mai - Juni 1981), pp. 139-149. 2. ALFRED RAPPAPORT: Creating Shareholder Value: The New Standard for Business Performance, Free Press, New York 1986. 3. ALFRED RAPPAPORT: Creating Shareholder Value: A Guide for Managers and Investors. Free Press, New York 1998. 166

3 16

LEXIKON

Nach seinem Studium an der University of Illinois (M.S. 1961, Ph.D. 1963) war RAPPAPORT von 1979 bis 1990 Leonard Spacek Distinguished Professor und ab 1990 Adjunct Professor an der J.L. Kellog Graduate School of Management der Northwestern University. Nebenbei gründete er 1979 — z u s a m m e n mit CARL M. NOBLE, JR. — die Beratungsgesell-

schaft Alcar, die später mit der Consultingfirma LEK verschmolzen wurde. DCF-Methode, Kapitalkosten, Shareholder-Value-Ansatz, Werttreiber.

RAROC und RORAC Eine der wichtigsten Neuerungen beim Wertmanagement ist die Berücksichtigung von Eigenkapitalkosten. Die Eigenkapitalkosten sind ein kalkulatorischer Ansatz für die Entschädigung der Überlassung von Kapital in der Zeit (das wäre der Zinssatz) sowie für die Übernahme von Risiken seitens der Eigenkapitalgeber — letzteres wäre die Risikoprämie. Auf diese Weise kommen Erfolgsmessungen und Beurteilungen der Vorteilhaftigkeit zustande, die alle Aktivitäten, Pläne und Projekte vor dem Hintergrund der damit verbundenen Risiken beurteilen. Solche Erfolgsmessungen und Beurteilungen nehmen eine Risikoadjustierung des Ergebnisses und führen damit auf ein Maß der Performance. Eine Form der Risikoadjustierung mündet in RAROC, eine ganz konkret definierte Kennzahl. Dieser Kennzahl wurden inzwischen Varianten (RORAC, RARORAC) an die Seite gestellt. Gelegentlich wird mit RAROC die Gruppe aller dieser Varianten bezeichnet.

I

1. RAROC heißt risk-adjusted return on capital und bezeichnet eine Kennzahl für die Performance. RAROC ist gleich der Rendite abzüglich der Risikoprämie. Die Kennzahl drückt aus, wieviel Prozent mit dem Kapitaleinsatz erwirtschaftet wurde, wenn die marktübliche Vergütung für die Übernahme der Risiken abgerechnet wird. 2. Die Kennzahl RAROC setzt (wie jede Rendite) voraus, daß die Höhe des Kapitaleinsatzes genau bestimmt ist. Einzelnen Geschäften, Projekten, Geschäftseinheiten oder Teilen einer Unternehmung ist jedoch kein Kapital zugeordnet. Deshalb wurde eine Variante für die Risikoadjustierung vorgeschlagen: RORAC (return on risk-adjusted capital).

3 17

V A L U E - M A N A G E M E N T

Wenn mit RORAC ein Geschäftsfeld beurteilt werden soll, wird gefragt, • welche Arten von Risiko (Operative Risiken, Marktrisiken, Gegenparteirisiken) mit den Geschäften verbunden waren, • und "was da so hätte passieren können." Aus den Antworten der Riskcontroller wird abgeleitet, welcher Kapitaleinsatz zur Deckung dieser Risiken als sachgerecht angesehen wird. Wenn es beispielsweise heißt, daß bei den Operativen Risiken durch Fehler Kundenforderungen von 1 Million entstehen können, dann wird davon ausgegangen, daß dieser Betrag "eigentlich" für das Tragen dieser Risiken erforderlich ist. Ebenso wird der Kapitalbetrag bestimmt, der zum Tragen von Marktrisiken und von Gegenparteirisiken erforderlich ist. Die Summe der Kapitalbeträge, gebildet über die einzelnen Risikoarten, liefert das "risk-adjusted capital" und damit den Nenner der Kennzahl RORAC. Im Zähler steht das Ergebnis der Periode, beispielsweise eine Gewinngröße.

Besonders bei Unternehmen im Finanzsektor haben diese Kennzahlen das Bewußtsein dafür geweckt, daß es nicht allein darauf ankommt, welche Ergebnisse der Höhe nach erzielt werden, sondern auch darauf, welche Risiken eingegangen werden mußten, um zu diesen Ergebnissen zu gelangen. 167 => Performance.

Realoption Realoptionen sind Flexibilität, und eine Unternehmung verfügt über Realoptionen, wenn sie ohne größeren Aufwand den Geschäftsplan ändern kann, wenn dies die Umstände nahelegen sollten.

167

1. CHRIS MATTEN: Managing Bank Capital. 2. Auflage, Wiley, New York 2000. 2. NEIL

STOUGTON u n d J O S E F Z E C H N E R : Optimal

Capital

Allocation

using

RAROC

and

EVA,

Working

Paper (1998), University of California at Irvine und Universität Wien, www.ssrn.com.

LEXIKON

3 18

Die Kapitalwertmethode und andere Methoden, die auf dem Prinzip der Diskontierung von zukünftigen Cashflows nach einem einzigen Geschäftsplan basieren, ignorieren die Flexibilität.168 Drei Arten von Realoptionen werden immer wieder beachtet:169 1. Lernoptionen: Das sind Möglichkeiten, neue Informationen abzuwarten und dann erst Entscheidungen über Investitionen oder Desinvestitionen zu treffen. Anwendungsbeispiele sind mehrstufige Entwicklungsinvestitionen. 2. Wachstumsoptionen: Eine Wachstumsoption eröffnet dem Unternehmen Möglichkeiten zur Festigung und Bildung strategischer Erfolgspositionen und somit zukünftige Gewinnmöglichkeiten. Hierzu zählen beispielsweise Investitionen in die Grundlagenforschung oder die Bildung eines Markennamens und somit eines Markenwertes. 3. Versicherungsoptionen: Mit Versicherungsoptionen kann ein Unternehmen auf negative Entwicklungen oder Einflüsse mit der Reduzierung zukünftiger Ausgaben reagieren. Beispiele sind Ausstiegsoptionen aus Verträgen, aber auch Optionen zur Absicherung von Währungsrisiken. Realoptionen sind nicht leicht zu bewerten, aber es wäre falsch, sie deshalb ganz außer Acht zu lassen. Eine Besonderheit ist zu erwähnen: Eine Option ist um so wertvoller, je höher die Unsicherheit ist. Eine Unternehmung ohne Option verliert an Wert, wenn die Unsicherheit zunimmt. Unternehmen mit Optionen können sogar im Wert steigen, wenn die Unsicherheit zunimmt. •=> DCF-Methode, Flexibilität, Markenwert.

1. MICHAEL KILKA: Realoptionen: Optionspreistheoretische Ansätze bei Investitionsentscheidungen unter Unsicherheit. Knapp Verlag, Frankfurt am Main 1995. 2. FLORIAN MEISE: Realoptionen als Investitionskalkül: Bewertung von Investitionen unter Unsicherheit. Oldenbourg Verlag, München 1998. 3. KLAUS SPREMANN: Realoptionen — Finanzoptionen:

168

Gemeinsamkeiten

und

U n t e r s c h i e d e , in: HORST ALBACH, EGBERT EYMANN, ALFRED LUHMER

und MARION STEVEN (Hrsg.): Die Theorie der Unternehmung in Forschung und Praxis. Spring e r , B e r l i n 1999, p p . 4 0 9 - 4 1 9 . 4. AVINASH K. DIXIT u n d ROBERT S. PINDYCK: Investment

un-

der uncertainty. Princeton University Press, Princeton 1994. 5. ASWATH DAMODARAN: The Promise and Peril of Real Options. Stern School of Business, www.stern.nyu.edu/ -adamodar/. 7. www.rogroup.com/;www.real-options.de 169

Literatur:

1. ULRICH HOMMEL u n d GUNNAR PRITSCH: M a r k t o r i e n t i e r t e

wertung mit dem Realoptionsansatz. Finanzmarkt und Portfoliomanagement

Investitionsbe-

2 (1999), pp.

1 2 1 - 1 4 4 . 2. THOMAS COPELAND und P.T. KEENAN: H o w m u c h is flexibility w o r t h ? Quaterly

2 (1998), pp.

38-49.

McKinsey

V A L U E - M A N A G E M E N T

3 19

Reorganisation und Restrukturierung Beide Begriffe umschreiben Sondermaßnahmen und Veränderungen, die eine krisenhafte Entwicklung beenden und einer Unternehmung die weitere Existenz ermöglichen sollen. Die Reorganisation umfaßt Maßnahmen zur Verbesserung der Determinanten der Leistungswirtschaft, die Restrukturierung regelt die Kontrakte im finanzwirtschaftlichen Bereich neu.

¡

Wenn die Krise eher schleichend über eine längere Zeit eingetreten ist, dann zeigt sie sich oft in einer ungünstigen Zusammensetzung und Struktur der Vermögenspositionen. Vielleicht wurden die falschen Unternehmensbereiche gehalten oder es wurde zu wenig Gewicht auf Kostensenkung oder auf Innovation gelegt. Hier müssen Verbesserungen einerseits bei den Vermögenswerten ansetzen und andererseits beim Geschäftsplan. Also müssen auch Positionen im Management neu überlegt werden. Solche Maßnahmen werden als Reorganisation bezeichnet. Bei der Reorganisation wird meist mit einer Erhebung der Stärken und Schwächen begonnen und die Unternehmung wird auf wenige Geschäftsbereiche fokussiert. Hierzu werden nicht zum Kerngeschäft gehörende Bereiche ausgegliedert und verkauft oder liquidiert. Weiter werden Maßnahmen zur Kostensenkung und zur Umsatzsteigerung ergriffen. Wenn die Krise eher plötzlich durch gravierende Veränderungen der Umgebung und der Märkte eingetreten ist, wenn also gewisse, mit Risiken behaftete Positionen eine nachteilige Wertentwicklung erfahren haben, kommt es zu einer entsprechenden Reduktion der Eigenmittel im Vergleich zum Fremdkapital der Unternehmung. Wenn man so will, war die Unternehmung eigentlich gut geführt, nur hatte sie Pech gehabt. Vielleicht hatte es Fehler im Risikomanagement gegeben, aber soweit die leistungswirtschaftliche Seite betroffen ist, besteht kein Handlungsbedarf. Eigentlich sollte in einer solchen Situation die Unternehmung fortgeführt werden, und dies ist auch das Votum der Eigenkapitalgeber — die zwar viel verloren haben und kaum mehr verlieren können, jedoch die Chance für zukünftige Gewinne sehen. Jedoch besteht in einer Situation geringen oder gering gewordenen Eigenkapitals ein Interessenkonflikt zwischen den Eigenkapitalgebern und den Gläubigern. Die Gläubiger sehen, daß bei einer Fortfuhrung das Fremdkapital stärker gefährdet ist und möchten deshalb eher liquidieren, weil dann ihre Forderungen noch erfüllbar oder fast vollständig erfüllbar sind. Um diesen Interessenkonflikt zu mildern und zu erreichen, daß auch die Fremdkapitalgeber in eine Fortführung einwilligen, müssen ihnen besondere Kompensationen für das erhöhte Risiko geboten werden. Dazu

3 20

LEXIKON

werden die Finanzkontrakte neu ausgehandelt. Beispielsweise werden den Gläubigern Optionen gegeben, mit denen sie im Erfolgsfall am Ergebnis teilhaben. Solche Neuverhandlungen der Finanzkontrakte werden als Restrukturierung bezeichnet. •=> Business-Process-Reeingineering, Debt-Capacity, Interner Kapitalmarkt, Kapitalkosten.

Risikobegriff Jede Steuerung und Bewältigung von Risiken setzt voraus, daß Risiken identifiziert worden sind. Hierzu muß gefragt werden, was unter "Risiko" zu verstehen ist. Es gibt mehrere Definitionen: 1. Risiko = Schaden an einem Teil. Im Versicherungswesen wird Risiko als die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintretenden Möglichkeit verstanden, daß ein (klar definierbarer und isolierterer) Schaden eintritt. Der Schaden entsteht durch Bruch, Fehlverhalten, oder externe Einwirkungen. Das aktuarische Risiko ist demnach durch die Art des möglichen Schadens, finanziell bewertet durch die Höhe des Schadens, sowie die Eintrittswahrscheinlichkeit beschrieben. 2. Risiko = Unerwünschtes Gesamtergebnis. Das Lexikon definiert Risiko als die Möglichkeit eines unerwünschten oder abträglichen Ausganges wirtschaftlicher Aktivität. Mit dem "Ausgang wirtschaftlicher Aktivität" wird eher ein Gesamtergebnis angesprochen, weniger — wie das beim aktuarischen Risikobegriff der Fall ist — ein isolierter Schaden an einer einzelnen Stelle. Was "unerwünscht" ist, hängt von den Präferenzen ab. Bei einer Unternehmung drücken sich Präferenzen durch Kosten aus, die im Fall schlechter Ergebnisse zusätzlich entstehen. W a s "abträglich" ist, hängt von der individuellen Situation der Unternehmung ab. Hier können Verpflichtungen eine Rolle spielen, genereller die Kapitalstruktur und allgemein die Fähigkeit, Risiken tragen zu können. Für eine hoch verschuldete Unternehmung sind deshalb andere Ergebnisse abträglich als bei einer Kapitalstruktur mit mehr Eigenmitteln. Wichtig: ein "unerwünschter oder abträglicher Ausgang" muß weder ein Desaster noch eine Existenzbedrohung sein. Abträglich sind auch Entwicklungen, die dazu zwingen, den Geschäftsplan zu ändern, aufwendige Sondermaßnahmen einzuleiten, schlechte Nachrichten zur Unzeit kommunizieren zu müssen, oder wenn interessante Opportunitäten nicht ergriffen werden können.

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3 2 1

3. Risiko = Gefahr eines Desasters. Fast immer stellt die Existenz und Fortführung der Unternehmung einen wichtigen Wert dar — beispielsweise weil immaterielle Güter, der Markenname, Mitarbeiter mit spezifischem Wissen nur wertschöpfend eingesetzt werden können, sofern die Unternehmung fortgeführt wird. So liegt die Perspektive des KonTraG nahe, sich auf die Möglichkeit "existenzgefährdende Entwicklungen" zu konzentrieren. 4. Risiko = Streuung der Rendite. In der klassischen Portfoliotheorie, wie sie von MARKOWITZ, SHARPE, TOBIN und anderen entwickelt worden ist, wird Risiko nicht einzig als Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit für eine abträgliche Entwicklung angesehen. Der Risikobegriff der Finanztheorie ist eher mit Unsicherheit assoziiert. Unsichere Entwicklungen können auch gut ausgehen oder besser als erwartet. Mit anderen Worten: In der Finanztheorie wie in der praktischen Welt der Finanzen umfaßt der Begriff des Risikos Gefahren und Chancen zugleich.

Anlageergebnisse, finanzielle Resultate oder Renditen werden als unsicher modelliert, wobei aufgrund von Informationen oder historischen Vergleichen Wahrscheinlichkeitsverteilungen angegeben werden können. Das Risiko ist die Streuung der Rendite. Von Volatilität wird gesprochen, wenn die Streuung der in stetiger Schreibweise notierten Rendite gemeint ist. Die Streuung oder Standardabweichung ist ein Maß dafür, wie stark die Renditen und damit die finanziellen Ergebnisse wohl von ihrem Erwartungswert abweichen werden — das Quadrat der Streuung, die Varianz, ist bekanntlich die mittlere quadratische Abweichung. Risiko ist damit ein Maß für entweder den inhärenten Zufall oder für die aufgrund geringerer Informationen unpräzise Prognostizierbarkeit von Entwicklungen. Nicht zum Ausdruck kommt bei diesem Begriff zunächst, wie abträglich ein in Relation zum Erwartungswert schlechtes finanzielles Ergebnis (Downside-Risk) und wie vorteilhaft ein in Relation zum Erwartungswert besseres finanzielles Ergebnis (Upside-Potential) wäre. Bei der Definition von Risiko als Streuung der Rendite ist zunächst kein Hinweis gegeben, welcher Nachteil oder welche Nutzenreduktion oder welcher Wertrückgang mit einer gewissen Streuung verbunden ist. 5. Risiko = Beta. Gleiches gilt, wenn das finanzielle Risiko durch Beta gemessen wird. Beta ist ein Maß für jene Renditestreuung, die durch Diversifikation nicht weiter verringert werden könnte. Beta drückt das systematische, das nicht mehr diversifizierbare Risiko aus. Beta ist eine Größe, die ihre besondere Rolle in einem Modell spielt, dem CapitalAsset-Pricing-Modell, CAPM.

LEXIKON

32 2

6. Risiko = Shortfall-Risiko. In der Portfoliotheorie wurde auch eine Variante des finanziellen Risikobegriffs (Streuung der Rendite, Beta) entwickelt, bei der nur das Downside-Risk betrachtet und das UpsidePotential ausgeklammert wird. •

Der Investor oder finanzielle Begünstigte äußert zunächst ein finanzielles Ziel, ein Target, ein Mindestergebnis oder eine Mindestrendite. Dieses Ziel ergibt sich vielfach aus der finanziellen Situation, aus Gewinnzielen, aus der Kapitalstruktur, aus Verpflichtungen: Der Investor möchte aus dem Anlageergebnis der Assets die Liabilities bedienen können.



Das Ereignis, die Mindestrendite zu verfehlen, wird als Shortfall bezeichnet. Die Wahrscheinlichkeit, diese Mindestrendite zu verfehlen, heißt Shortfall-Risiko.



Ziel des Portfoliomanagers ist dann die Asset-Allokation oder die Risikopolitik so zu wählen, daß das Shortfall-Risiko nicht größer ist als eine gewisse, vorher festgesetzte, kleine Zahl wie etwa 1% oder 5%.

Der Shortfall-Ansatz wird daher als besonders relevant für Unternehmen im Finanzbereich angesehen. 7. Risiko = VolR. Diese Sicht kommt im Value-at-Risk (VaR) zum Ausdruck, einem modernen Risikomaß, das zu von Regulierungsbehörden für Finanzinstitutionen favorisiert wird. Der VaR stellt die Frage nach dem schlechtesten Anlageergebnis oder nach dem größten Verlust. Für die Angabe des größten Verlustes wird auch eine Frist unterstellt. Oft ist das die Zeitspanne, innerhalb der Notmaßnahmen umgesetzt werden können. Bei Banken zum Beispiel ist hier 10 Tage die Norm. Jedoch zielt der VaR nicht auf das Worst-Case-Szenario und den maximal denkbaren Verlust ab. Der Worst-Case bedeutet in vielen Fällen, alles zu verlieren. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist in praktischen Situationen oft sehr gering. Der Blick auf den Worst-Case würde nur extreme Sicherungsvorkehrungen bedeuten, die vollständige Vermeidung eines Exposures. Der Blick auf den WorstCase verhilft nicht zu einer Politik, die zwar vorsichtig ist, dennoch nicht extrem auf absolute Sicherheit hin ausgerichtet wird. Aus diesen Überlegungen wird beim VaR eine Wahrscheinlichkeit vorgegeben, vielfach 1 Prozent, und gefragt, welches der maximale finanzielle Verlust ist, der innerhalb der zugrunde gelegten Frist eintreten kann, wenn die 1% der schlechtesten Entwicklungen ausgeklammert bleiben.

•=> Beta, CAPM, Diversifikation, Markowitz, Performance.

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3 2 3

Risikomanagement Vor Jahrzehnten hatten Unternehmen eine für "Risikomanagement" zuständige Person. Sie war beauftragt, mit der internen Revision und mit dem technischen Sicherheitsdienst zusammenzuarbeiten. Unfälle sollten verhütet, Diebstähle abgewehrt werden. Für weitere Risiken und Schäden, etwa durch Unwetter, Stromausfall und andere Einflüsse ausgelöst, war Versicherungsschutz zu suchen. Das heutige Risikomanagement unterscheidet sich von den skizzierten Anfängen. Es gilt heute weit mehr Risikoarten zu berücksichtigen, und die Portfoliosicht verlangt, das Risikomanagement als Teilaspekt der strategischen Unternehmensplanung auf höchster Ebene anzusiedeln. Deshalb muß Risikomanagement in geeigneter Weise auf allen organisatorischen Ebenen der Unternehmung angesiedelt werden.

Erstens werden heute mehr Risiken und weitere Risikoarten in die Betrachtung einbezogen. 1. Technische Risiken: Die zuvor genannten "technischen" Risiken bestehen zwar heute noch, sie sind jedoch vielschichtiger geworden, weil die Abläufe und Leistungsprozesse komplexer geworden sind und schneller bewältigt werden müssen. An vielen Stellen in den Prozessen gibt es ein Interface oder Medienbrüche (zum Beispiel: von Telefon zu Papier zu elektronischer Eingabe), wo leicht Fehler auftreten können. Die heute als operative Risiken bezeichneten Störungen und Gefährdungen bilden jedoch nur einen Teil der heute zu beachtenden Risiken. 2. Marktrisiken: Unternehmen müssen heute "näher an den Märkten" operieren und sind den dortigen Preisschwankungen deshalb naturgemäß stärker ausgesetzt. Marktrisiken zeigen sich im Rohstoffbereich, bei den Währungsparitäten, bei der Bewertung von Beteiligungen und Wertpapieren und bei Verpflichtungen. Quasi verwandt sind Gegenparteirisiken. Sie entstehen, weil Vertragsparteien ausfallen oder Aufträge stornieren können. 3. Systemische Risiken: Sodann ist die Unternehmung durch die heute geforderten schlanken und dezentralen Strukturen vermehrt Risiken ausgesetzt, die im "System" liegen, daß viele Institutionen miteinander verkettet. Hier liegen die Risiken im wirtschaftlichen und im fiskalischen Umfeld, in den Gesetzen (Produkthaftung), in möglichen Technologiesprüngen, und in der Abhängigkeit von anderen Institutionen — die wiederum auch

32 4

LEXIKON direkt oder indirekt durch Risiken belastet werden könnten, so daß die Unternehmung wie in einer Kette von Dominosteinen umgerissen werden könnte.

4. Strategische Risiken: Durch die zunehmende Dynamik im Wirtschaftsleben, die Globalisierung und die Verschärfung des Wettbewerbs haben sodann "strategische" Risiken einen höheren Stellenwert als früher. Hier wirkt hinein, daß Unternehmen heute schneller reagieren können sollten, und daß sie mögliche Flexibilität genau mit den Kostenvorteilen starrer Prozesse abwägen. Bei allem muß im Rahmen einer Betrachtung strategischer Risiken das Gegenspiel von Konkurrenten beachtet werden. Zweitens hat die Portfoliotheorie gelehrt, wie Finanzmärkte funktionieren: Für die Übernahme gewisser Risiken, sogenannter systematischer Risiken, kann eine Prämie als Renditevorteil erwartet werden. Deshalb gibt es einen Trade-Off zwischen Rendite und Sicherheit. Für das Abwälzen systematischer Risiken ist andererseits eine Prämie zu erarbeiten. Deshalb müssen die Kalkulationsgrundlagen für Produkte und für Projekte überarbeitet werden. Ein kalkulatorischer, risikogerechter Zuschlag — bezeichnet mit Kapitalkosten — ist vorzusehen. Da ein Teil der Risiken, die unsystematischen Risiken, diversifiziert werden können, ist eine Portfoliosicht angebracht. Unternehmen müssen als Portfolio betrachtet werden, dessen Komponenten die einzelnen Geschäftseinheiten oder Projekte und Vorhaben sind. Jedes dieser Teile ist wiederum den verschiedenen Risikoarten ausgesetzt: Operative Risiken, Finanzielle Risiken, Systemrisiken und so fort. Aufgrund der planerischen Zusammenführung als Portfolio wird das Risikomanagement Aufgabe der obersten Entscheidungsebene. Es wirkt daher untrennbar in die Gesamtsteuerung und Gesamtplanung der Unternehmung hinein. Rentabilität kann ohne Beachtung des Risikos nicht mehr gesteuert und beurteilt werden, laufend muß im Trade-Off zwischen Rendite und Sicherheit abgewogen werden. Diese Aufgabe kann nicht für die einzelnen Unternehmensteile separat erfolgen — eine Portfoliosicht ist notwendig. Wird nun die Entfaltung der Finanzmärkte für Derivate bedacht, die sich für eine teilweise Absicherung anbieten, dann wird offenkundig: Risikomanagement erfordert eine umfassende Sicht und ist Aufgabe der obersten Unternehmensleitung geworden. Es kann nicht mehr wie früher an eine Person delegiert werden, die zusammen mit einem Versicherungsagenten und einer Spürnase für Unfälle eine Betriebsbesichtigung vornimmt.

3 2 5

V A L U E - M A N A G E M E N T

/V Board: Verständnis für die Risiken und Beurteilung des Risikomanagements

/

/

/

Management-Group: Festlegung der Risikopolitik und wichtige Einzelentscheidungen

\

Risiko-Management-Gruppe: Funktionsausführung im Risikomanagement-Prozeß

1. Identifikation

+

2. Beurteilung und Bewertung

3. Entscheidung und Steuerung

Ï

4. Überwachung und Kritik

K

Alle Ebenen: Risikokultur

Bild 73: Das integrierte Risikomanagement verlangt eine organisatorische Umsetzung auf der höchsten Ebene der Unternehmung.

So wie die finanzielle Sicht und die Idee der Wertsteigerung heute die Führung durchdrungen hat, so erfordert auch das Risikomanagement eine genaue Organisation über alle Stufen hinweg. •

Zweifellos spricht die eben anhand der finanziellen Risiken begründete zusammenführende, integrierende Portfoliosicht dafür, das Risikomanagement organisatorisch als Top-Down-Prozeß zu gestalten. Risikomanagement als reine Chefsache, oft gefordert, ist jedoch nicht umsetzbar. Viele Daten und Informationen werden in den Bereichen und auf tieferen Hierarchiestufen gesammelt.



Hier muß neben der formalen Organisation eine Risikokultur entfaltet werden, die alle Menschen in der Unternehmung risikobewußt macht. Die peripher gesammelten Informationen müssen dann in einem Bottom-Up-Prozeß an eine zentrale Instanz gegeben werden.

Es ist also durch die formale Organisation und durch kulturelle Aspekte eine Balance zwischen den zentralen und den dezentralen Elementen des Risikomanagements anzustreben. Bei allem darf das Risikomanagement nicht losgelöst von den sonstigen Führungssystemen gleichsam als neue Berichts- und Entscheidungsstruktur ein Eigenleben entfalten.

LEXIKON

326

zz^ Risk Management

Contr

Treasurung

Risk Controlling

Bild 74: Traditionelle Funktionen wie Controlling und Treasorie müssen um das Controlling und das Management der Risiken ergänzt werden.

Ein Risk-Controlling wird möglichst nahtlos in das Gesamt-Controlling eingebettet. Risikomanagement ist integraler Teil des Führungssystems und der Organisation und ist mit dieser verzahnt. Die Bedeutung von Risikomanagement wird durch den Gesetzgeber betont. Alle Kapitalgesellschaften (mit Ausnahme der kleinen Kapitalgesellschaft) müssen im Lagebericht auch auf "die Risiken der zukünftigen Entwicklung" eingehen (§ 289 Abs. 1 HGB); ähnliches gilt für den Konzernlagebericht (§315 Abs. 1 HGB). Das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 30. April 1998 (KonTraG) betrifft börsennotierte Aktiengesellschaften und Unternehmen vergleichbarer Komplexität. Der Vorstand soll Maßnahmen ergreifen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, um den Fortbestand der Unternehmung gefährdende Entwicklungen frühzeitig zu erkennen. Überwachung ist hierbei als ein fortlaufender Prozeß mit begleitender Dokumentation und Berichterstattung zu verstehen. Der Begriff System verlangt das methodische, geordnete, geplante Vorgehen bei der Überwachung. Der Fortbestand soll im Hinblick auf Konkurstatbestände beurteilt werden, wobei von einer möglichen Kumulation und Verkettung von Einzelrisiken auszugehen ist. Gefährdende Entwicklungen ergeben sich vor allem aus dem Geschäftsrisiko, aus Fehlern, falschen Einschätzungen, unrichtiger Rechnungslegung sowie aus Verstößen gegen gesetzliche Vorschriften. Die frühzeitige Erkennung soll so rechtzeitig erfolgen, daß noch reagiert werden kann. Kapitalkosten, Netzwerkökonomie, Risikobegriff, Portfolio-Analyse.

VALUE-MANAGEMENT

3 2 7

Rückkauf eigener Aktien Unternehmen, die in reifen Industrien tätig sind, daher einen hohen Freien Cashflow erzielen aber oft nur wenige rentable Investitionen tätigen können, hatten früher Finanzanlagen getätigt, um das Geld anzulegen. Mit der Hinwendung zum Value-Management möchte die Unternehmung die freien Mittel den Aktionären zukommen lassen. Ein Weg dazu sind Ausschüttungen. Wenn Aktionäre Dividenden beziehen, fallen jedoch höhere Steuern an als wenn Kursgewinne zu verzeichnen sind. Deshalb sind Unternehmen in den USA schon vor einigen Jahren dazu übergegangen, eigene Aktien zurückzukaufen, eventuell mit der Absicht, anschließend eine Kapitalherabsetzung durchzuführen. Dieser Vorgang sollte im Prinzip mit einer Kurssteigerung einher gehen: Wenn beispielsweise zunächst der Unternehmenswert von 10 Milliarden Euro auf 100 Millionen Aktien entfällt und der Kurs bei 100 Euro liegt, und wenn nach dem Rückkauf der unveränderte Unternehmenswert auf 95 Millionen Aktien entfällt, dann sollte bei rationaler Kursbildung der Kurs 105,25 Euro betragen. Da die Kursbildung an Finanzmärkten Erkennbares antizipiert, springt der Kurs gleich bei Ankündigung des Rückkaufs eigener Aktien seitens des Managements auf das neue Niveau. Inzwischen sind auch in den meisten europäischen Ländern Rückkäufe eigener Aktien erlaubt und wurden verschiedentlich praktiziert. Es gibt gewisse gesetzliche Beschränkungen. Aktiengesellschaften in der Schweiz dürfen bis zu 10% der eigenen Aktien kaufen. Auch sind verschiedene Formen praktiziert. Die rechnerische Kurssteigerung kann de facto höher oder geringer ausfallen. • Zum einen wird ein Rückkauf eigner Aktien als ein positives Signal interpretiert. Analysten und Aktionäre denken, das Management würde wohl keine eignen Aktien kaufen, wenn sie aus Sicht der intern verfügbaren Informationen teuer sind. Deshalb wird aus der Ankündigung herausgelesen, daß die Aktien im Licht interner Informationen im Augenblick eher einen zu geringen Kurs haben. Dieses Signal würde den Effekt der Kurssteigerung bei einer Ankündigung verstärken. • Andererseits verpflichtet sich das Management selten zu einer Kapitalherabsetzung. Die Aktien könnten beispielsweise zurückgekauft werden, um sie für Aktienoptionsprogramme für das Management bereit zu haben. Vielleicht handelt es sich dabei auch um Inhalte der Arbeitsverträge, die von den Aktionären

328

LEXIKON noch nicht so genau zur Kenntnis genommen worden sind. Unter Umständen werden die Aktien auch deshalb zurückgekauft, weil das Management eine Akquisition vorbereitet und die Aktien als "Währung" für den Kauf anderer Unternehmen einzusetzen gedenkt. Das wäre eher ein schlechtes Signal.

Von daher überrascht es nicht, daß die empirische Literatur zum Rückkauf eigener Sinne zu gemischten Resultaten gelangt.

3 2 9

V A L U E - M A N A G E M E N T

Securitisation, Skareholder-Value-Ansatz, Sicherheitsäquivalent, St.-Galler-Management-Konzept, Stakeholder-ValueAnsatz, STERN und STEWART, Steuern und DCF, Sustainability Management.

Securitisation Als Securitisation wird die Verbriefung von Finanzkontrakten bezeichnet, also der Trend, sie in Wertpapierform zu kleiden damit sie handelbar werden. In diesem Zusammenhang werden Finanzkontrakte vielfach zerlegt, und die Rechte der Kapitalgeber werden einzeln verbrieft und über die Finanzmärkte unterschiedlichen Gruppen von Investoren angeboten.170 Eine leichtere Handelbarkeit (Fungibilität) von Finanzkontrakten unterstützt die Bildung von Märkten, die wiederum die Entstehung von effizienten Allokationen ermöglichen. Für Banken bedeutet das, daß sie Wertpapiere, insbesondere Forderungen gegenüber schwierigen Schuldnern, leicht über die Börse weitergeben können. Die Bindung von Schuldner und Gläubiger wird so reduziert. Eine Spezialform von securitisierten Finanzkontrakten sind kollateralisierte Instrumente, sogenannte Asset-backed securities (ABS): Der Begriff faßt alle Geschäfte, Transaktionen, Kredite oder Wertpapiere zusammen, bei denen ein verpfändetes Aktivum zur Verbesserung der Kreditqualität dient.

1. STEFAN LATERNSER: Konzept, Struktur und Bewertung von kollateralisierten Anleihen (Asset-backed securities). Dissertation Universität St. Gallen - HSG, Verlag Paul Haupt, Bern et. al. 1997. 2. NIKLAS BARTELT: Asset-Backed Securities - Ein Produkt für deutsche Banken. Deutscher Universitätsverlag / Gabler Verlag, Wiesbaden 1999. 3. LEON T. 170

KENDALL

und

bridge/London

MICHAEL 1996.

J.

FISHMAN:

4.

JOHN

A

Primer

HENDERSON

Woodhead-Faulkner, New York 1988.

on und

The

Securitization. JONATHAN

P.

MIT

SCOTT:

Press,

Cam-

Securitisation.

LEXIKON

330

Historischer Ursprung der ABS sind die in den siebziger Jahre erstmals in den USA emittierten Mortgage backed securities, also die Verbriefung hypothekarisch gesicherter Kredite. Als verbriefbare Aktiven dienen Forderungen, Wertschriften, Cashflows, Kreditkarten, Leasingverträge, Studiendarlehen, sowie kurzfristige Kredite. Die Verbriefung von Aktiven hat sowohl volks- wie betriebswirtschaftliche Wirkungen.

Volkswirtschaftliche Effekte

Betriebswirtschaftliche Effekte

Liquidisiemng bisher illiquider Aktiven

Verbessertes Risikomanagement

Senkung der Zinsen

Erhöhte Effizienz durch Konzentration auf untemehmensspezifische Stärken Verbesserte Kapitalversorgung Effiziente Risikoallokation

B i l d 7 5 : E f f e k t e d e r S e c u r i t i s a t i o n (LATERNSER 1 9 9 7 , p p . 1 - 2 5 ) .

In einer engeren Definition steht Securitisation für eine innovative Form der Finanzierung, deren Ursprung in den USA liegt, die aber in zunehmendem Masse auch in Europa angewandt wird. Hierbei werden Assets aus der Unternehmensbilanz ausgegliedert und von einem eigens gegründeten Finanzintermediär über die internationalen Geld- und Kapitalmärkte refinanziert. Falls diese Refinanzierung durch Wertpapiere erfolgt, spricht man von Asset-backed securities, falls sie durch Kredite erfolgt von Asset-backed loans,171 => Kapital, Debt-Capacity.

Shareholder-Value-Ansatz Der Shareholder-Value-Ansatz beruht auf drei Postulaten: 1. Unternehmen sollen bei der Bewertung von Projekten, Maßnahmen und Perioden eine ökonomisch korrekte Rechnung anstellen und dazu die DCF-Methode einsetzen. 2. Das Management soll ausnahmslos danach trachten, Werte zu schaffen; andere Ziele sind dem untergeordnet. 3. Shareholder haben aufgrund des Wesens der Unternehmung allein Anspruch auf das Residuum. 171

HANS PETER BÄR: Asset Securitisation.

Verlag Paul Haupt, Bern/Stuttgart/Wien 1997.

3 3 1

V A L U E - M A N A G E M E N T

Erstens: Die Bewertung von Unternehmen und von ihren Teilen (Divisionen, Produktbereiche, Projekte) soll anhand des Barwerts der aufgrund des Geschäftsplans erwarteten Freien Cashflows erfolgen — Einsatz der DCF-Methode. Die Vorteilhaftigkeit unternehmerischer Maßnahmen (wie Umorganisation, Betriebserweiterung, Investitionsprojekte) wird beurteilt, indem die durch sie bedingten Veränderungen der Freien Cashflows diskontiert werden. Wenn der Barwert der unternehmerischen Maßnahme positiv ist, wird sie als vorteilhaft angesehen. Der Periodenerfolg der Unternehmung ergibt sich, indem der Wert (DCF) zu Beginn und der DCF zu Ende der Periode verglichen werden. Zweitens ein normatives Gebot Die Unternehmung, vertreten durch das Management, soll den DCF steigern und keine anderen Ziele verfolgen. Insbesondere soll das Management keine Maßnahmen mit negativem Barwert der erwarteten Freien Cashflows ergreifen. Das Management soll Unternehmensteile verkaufen, wenn ein Verkaufserlös erzielt werden kann, der über dem Barwert der erwarteten Freien Cashflows bei eigener Fortführung liegt. Drittens: Eine verteilungspolitische Sicht: Shareholder haben allein Anspruch auf das Residuum: Ihnen gehört die ganze Unternehmung, sofern sie die Schulden tilgen. Alle anderen Faktoren, die an der Unternehmung mitwirken, werden marktgerecht entlohnt und dürfen daher keine weiteren Ansprüche erheben. Der Shareholder-Value-Ansatz ist ursprünglich aus einer Kritik an der klassischen Unternehmenssteuerung mit einer Orientierung an bilanziellen Gewinngrößen und einer wenig reflektierten Orientierung an der Sicherung des Bestandes des Unternehmens entwickelt worden. Hier hat der Shareholder-ValueAnsatz dazu beigetragen, daß unternehmenspolitische Entscheidungen des Managements zunehmend weniger arbiträr und diskretionär gefällt werden, sondern verstärkt nach objektiven, externen Maßstäben zumindest einer Anspruchsgruppe zu rechtfertigen sind.

Das normative Fundament des Postulates der Maximierung des Shareholder-Values als Leitlinie der Unternehmenspolitik fußt auf einer Analyse der sozialen Interaktion, die durch vollkommene und vollständige Märkte gekennzeichnet ist. Die normative Vertretbarkeit des Ansatzes ist insofern umstritten, als viele Märkte in der Realität nicht als vollkommen und vollständig angesehen werden können.172 172 1.

REINHARDT

"Shareholder

Value",

H.

SCHMIDT u n d

JENS

MASSMANN:

Drei

Mißverständnisse

i n : BRIJ N I N O KUMAR e t a l . : Unternehmensethik

in der

zum

Thema

Transformation

des Wettbewerbs. Schaeffer-Poeschel, Stuttgart 1999. 2. WOLFGANG KORSTEN: Shareholder Value — Grundelemente und Schieflagen einer polit-ökonomischen Diskussion aus finanzierungstheoretischer Sicht. Zeitschrift für Betriebswirtschaft 70 (2000), pp. 359-381.

LEXIKON

3 3 2

Hier wird d a n n wieder die Bedeutung a u c h a n d e r e r A n s p r u c h s g r u p p e n im R a h m e n eines Stakeholder-Value-Ansatz gefordert. Im Vergleich z u m Shareholder Value Ansatz erscheint hier m o m e n t a n jedoch kein vergleichbar ausgereiftes E n t s c h e i d u n g s i n s t r u m e n t a r i u m zu existieren, wenngleich Prozesse in Form von Verfahren der Mediation u n d des allgemeinen politischen Prozesses zur Verfügung zu stehen. ^ Cashflow, DCF-Methode,

RAPPAPORT,

Stakeholder-Value-Ansatz.

Sicherheitsäquivalent D a s Sicherheitsäquivalent eines u n s i c h e r e n Ergebnisses bek a n n t e r Wahrscheinlichkeit, einer Lotterie, ist j e n e r Geldbetrag, bei d e m eine Person zwischen d e m Geldbetrag u n d der Lotterie indifferent ist. Etwas Mathematik: Wenn die Präferenz der betrachteten Person durch den Erwartungsnutzen beschrieben ist, dann entscheidet die Person über ein unsicheres Ergebnis z anhand des Erwartungswertes der durch eine Risikonutzenfunktion, u, transformierten Resultate, also anhand von E\u(z)]. Zwei unsichere Ergebnisse, y und z , werden in der Präferenz als gleich gut angesehen — es besteht Indifferenz — wenn gilt £ [ « ( y ) ] = E[u(z)]. Es besteht daher Indifferenz zwischen einem sicheren Betrag in Höhe und einem unsicheren Ergebnis z , wenn = E\u{z)\ gilt, also u(s) = Zs[w(z)] oder s = «" 1 (£'[«(z)]). Das ist das Sicherheitsäquivalent. Bekanntlich läßt sich das Sicherheitsäquivalent in einem speziellen Fall. Bezeichnet als Hybrides Modell, recht einfach ausrechnen. Das Hybride Modell verbindet zwei Annahmen. Wenn einerseits die zu bewertende Lotterie z normalverteilt ist und andererseits die Risikonutzenfunktion den speziellen Typus einer Exponentialfunktion aufweist, u(x) = - e x p ( a - j r ) , a sei positiv, was auf konstante (absolute) Risikoaversion hinausläuft, -u'(x) / u" x) = a, dann gilt

,

=

E[x}-^-Var[x}.

Das Sicherheitsäquivalent ist so hoch wie der Erwartungswert, korrigiert um eine Abzug, der proportional zur Varianz des unsicheren Ergebnisses ist.

V A L U E - M A N A G E M E N T

3 33

Wer eine Unternehmung kauft um Geld anzulegen, erwirbt unsichere Rückflüsse in der Zukunft. Etwas vereinfachend wird ein heutiger Geldbetrag gegen eine unsichere Zahlung zu einem einzigen zukünftigen Zeitpunkt getauscht. Die Unternehmensbewertung verlangt in diesem einfachen Gedankenexperiment die Beantwortung dreier Fragen. 1. Frage: Wie sieht die Wahrscheinlichkeitsverteilung des an den Investor zurückfließenden Betrags z zu dem zukünftigen Zeitpunkt aus? Welches ist der Verteilungstyp, welches sind die Parameter, insbesondere der Erwartungswert £[z]und die Streuung oder die Varianz Var[z ] ? Die Antwort hängt von der konkreten Unternehmung ab und wird durch die Finanzanalyse gegeben. 2. Frage: Wenn viele Personen zu dem zukünftigen Zeitpunkt, zu dem die unsichere Zahlung bekannter Wahrscheinlichkeitsverteilung erfolgen wird, diese mit einem sicheren Geldbetrag s zum selben Zeitpunkt vergleichen, wie hoch wäre dann der Geldbetrag, bei dem viele Personen indifferent wären? Dieser Geldbetrag ist das Sicherheitsäquivalent. In einem Finanzmarkt bestimmt sich 5 selbstverständlich nicht aufgrund der Präferenz eines Investors, sondern aufgrund der Risikopräferenzen zahlreicher Marktteilnehmer und ist daher eine Marktgröße. 3. Frage: Welches ist der heutige Wert, der Barwert des Sicherheitsäquivalentes 5? Hier wird mit dem Zinssatz, der Geldanlagen und Geldaufnahmen unter Sicherheit beschreibt, diskontiert. Dieser Zinssatz sei wie bisher auch mit i (wie interest) bezeichnet. Insgesamt ist der heutige Wert der zukünftigen unsicheren Zahlung z durch s/(l + i) gegeben, einmal unterstellt, daß die unsichere Zahlung in einem Jahr erfolgen wird. Sind die eben dargestellten Annahmen des Hybriden Modells gegeben und gilt aus diesem Grund 5 = £jx] -{all)dann ist der "Unternehmenswert" durch (£[?] - { a l l ) - Far[x])/(l + /') ausgedrückt. Bei einer anderen Umrechnung der unsicheren zukünftigen Zahlung wird das Sicherheitsäquivalent umgangen und es wird versucht, das Risiko der unsicheren Zahlung z dadurch zu berücksichtigen, daß mit einem über dem Zins liegenden Kapitalkostensatz diskontiert wird. Dieser Satz sei mit r bezeichnet, und der "Unternehmenswert" ist dann

LEXIKON

3 34

gleich £[z]/(l + r). Hier werden die in den oben gestellten Fragen 2 und 3 beschriebenen Schritte in einen einzigen zusammengefaßt.173 => Kreditäquivalent.

St.-Galler-Management-Konzept Das St.-Galler-Management-Konzept (SGMK) ist ein Ansatz, um auf viele Fragen der Führung, Gestaltung und Organisation von Unternehmen Antworten zu finden, die nicht nur partiell jeweils für sich richtig sind, sondern die in einem ganzheitlichen Sinn als eine aufeinander abgestimmte Gesamtantwort verstanden werden können. Im Kern des SGMK steht die Integration vielfältiger Einflüsse und die Darstellung ihrer gegenseitigen Zusammenhänge in einem Netzwerk von Beziehungen.174 Wird ein Gesamtproblem in Teilfragen zerlegt, und werden die Teilfragen mit partialanalytischen Untersuchungen jeweils für sich beantwortet, so besteht die Gefahr, daß sie keine in sich geschlossene, konsistente Lösung des Gesamtproblems liefern. Das SGMK bietet sich mit seinem ganzheitlichen Verständnis daher als Denkmuster in einer komplexen Welt an, um der Führungskraft einer Organisation eine widerspruchsfreie Haltung zu ermöglichen. Im SGMK werden eine normative, eine strategische und eine operative Dimension unterschieden. Nach BLEICHER sind die drei Dimensionen des SGMK so definiert: 1. Das Management auf der normativen Ebene konzentriert sich auf die generellen Ziele des Unternehmens mit Prinzipien, Normen und Spielregeln. Im Mittelpunkt steht die unternehmerische Vision, auf der das unternehmenspolitische Handeln, die Unternehmensverfassung und die Kultur basieren. Ziel des normativen Managements ist die Nutzenstiftung für die Bezugsgruppen, für die inneren und äußere Umwelt des Unternehmens. 173

PETER NIPPEL u n d ROLAND SCHEINERT: K a p i t a l - u n d O p p o r t u n i t ä t s k o s t e n b e i U n s i c h e r -

heit. Wirtschaftswissenschaftliches 174

Studium WiSt (Oktober 2000) 10, pp. 557-561.

1. KNUT BLEICHER: Normatives Management — Politik, Verfassung und Philosophie des Unternehmens. Campus, Frankfurt am Main 1994. 2. KNUT BLEICHER; Das Konzept Integriertes Management — das St. Galler Management-Konzept. Campus, Frankfurt am Main 1996. 3. MARKUS SCHWANINGER: Integrale Untemehmensplanung. Campus, Fankfurt am Main 1989, pp. 191 ff.

335

V A L U E - M A N A G E M E N T

Managementphilosophie Horizontale Integration

Normatives M a n a g e m e n t Unternehmens-

Untemehmens-

Untemehmens-

verfassung

politik

kultur

Organisa-

Strategisches M a n a g e m e n t

tionsstrukturen Management-

Problem-

Programme

verhalten

systeme

Operatives M a n a g e m e n t

Vertikale

Unternehmens-

Integration

verfassung

Leistungs- und Aufträge

Kooperationsverhalten

Strukturen

Aktivitäten

Verhalten

Unternehmensentwicklung Innere U E

Äussere U E

'.nnere u n d Äussere U E

Bild 76: Das St.-Galler-Management-Konzept (BLEICHER 1996, pp. 76-81).

2. Strategisches Management bedeutet den Aufbau, die Pflege und Nutzung von Erfolgspotentialen, für die Ressourcen eingesetzt werden müssen. Ausgangspunkt sind die Missionen des normativen Managements. Unterschieden werden bestehende und zukünftige Erfolgspotentiale: Bestehende Erfolgspotentiale stehen für realisierte strategische Erfolgspositionen, wogegen neue Erfolgspotentiale auf die Fähigkeit abzielen, zukünftig gegenüber dem Wettbewerb zu profilieren. 3. Das operative Management sorgt für die operative Umsetzung des normativen und strategischen Managements. Die Ausrichtung des operativen Managements erfolgt im ökonomischen Bereich auf der Ebene leistungs-, finanz- und informationswirtschaftlicher Prozesse sowie im sozialen Bereich auf die Effektivität der Führung der Mitarbeiter. •=> Wettbewerbsstrategie.

LEXIKON

3 3 6

Stakeholder-Value-Ansatz Der Stakeholder-Value-Ansatz ist als Reaktion auf die Betonung des Shareholder-Value-Ansatzes zu betrachten. Kerninhalt ist das Postulat, bei unternehmenspolitischen Entscheidungen nicht allein die Auswirkungen auf das Vermögen der Eigenkapitalgeber zu betrachten, sondern die Konsequenzen auf die Werte anderer, mit der Unternehmung verbundener Personen oder Gruppen, einzubeziehen.175 Stakeholder sind alle jene, die, weil die Unternehmung einmal etwas von ihnen erhalten hat, das nicht explizit bezahlt wurde, implizite Ansprüche hegen. Die Problematik der Beziehung zu unterschiedlichen Stakeholdem resultiert aus zwei Quellen. 1. Verträge sind oft nur unvollständig geschlossen und gewisse Erwartungen bleiben implizit. 2. Es gibt externe Effekte und Stakeholder erwarten, daß diese in Krisensituationen der Unternehmung für sie minimiert werden. Wenn der Erfolg einer Unternehmung stark abhängig von den unternehmensspezifischen Investitionen einer bestimmten Gruppe — oder allgemeiner der Fähigkeit zum Abschluß von Verträgen mit impliziten Komponenten — ist, dann greift das normative Gebot des StakeholderAnsatzes: Der Unternehmenswert darf nur unter der Nebenbedingung maximiert werden, daß die impliziten Ansprüche berücksichtigt oder kompensiert werden. Andernfalls wäre zu erwarten, daß die spezifischen Investitionen der Stakeholder nur in einem suboptimalen Ausmaß getätigt würden. Die Orientierung am Stakeholder-Value kann also durchaus im Interesse auch der Aktionäre sein und somit als mit der Maxime des Shareholder-Value kompatibel betrachtet werden — eine Interpretation des Stakeholder-Value-Ansatzes, die als instrumenten bezeichnet wird.176 175

1. EDWARD R. FREEMAN: Strategie Management. A stakeholder approach. Pittman Books,

M a r s h f i e l d 1 9 8 4 . 2 . BRADFORD CORNELL u n d ALAN C . SHAPIRO: C o r p o r a t e S t a k e h o l d e r s

and

Corporate Finance. Financial Management 16 (1987), pp. 5-14. 3. GERHARD SPECKBACHER: Shareholder Value und Stakeholder Ansatz. Die Betriebswirtschaft 57 (1997), pp. 630639.

1. PETER ULRICH: Die Grossuntemehmung als quasi-öffentliche Institution. Stuttgart 1977. 2. PETER ULRICH und EDGAR FLURI: Management. 6. Auflage, Haupt, Bern 1992, p. 74 und folgende. 3. MILTON FRIEDMAN: The social responsibility of business is to increase its profits. The New York Time Magazine, September 13, 1970, p. 32 und folgende (wieder abgedruckt in VINCENT E. BARRY: Moral issues in business. 3. Auflage, Wadworth, Belmont 176

1986, pp.

144-148.

V A L U E - M A N A G E M E N T

3 3 7

Anspruchsgruppe

Oberziel / Nutzen

Teilnutzen

Wertgenerator

Aktionär

Steigerung des Wertes der Unternehmung

Dividende

Umsatzwachstum

Kursgewinn

Gewinnmarge

Macht

Investitionen Kapitalkosten Steuerrate

Mitarbeiter

Lebensqualität

Existenzsicherung

Einkommen

Lebensunterhalt

Arbeitsplatzsicherheit

Selbstverwirklichung

Arbeitsplatzbedingungen Beteiligung

Kunden

Bedürfnis-befriedigung

Marktleistung

Produktqualität

Preis

Preiswürdigkeit

Sicherheit

Produktsicherheit

Periphere Leistungen

Versorgungsqualität

Eigene Wertsteigerung

Nachfragemacht

Unabhängigkeit

Stabile Beziehung

Sicherheit

Preisgestaltung

Image Lieferanten

Existenzerhaltung und entwicklung

Umsatz /Investitionen Fremdkapitalgeber

Staat

Attraktivitätssteigerung der Investitionen

Wohlfahrt

Kapitalverzinsung

Fremdkapitalkosten

Sicherheit

Amortisation

Macht

Umsatz/Investitionen

Wirtschaftswachstum

Steuern, Gebühren

Verteilungsgerechtigkeit

Aufgabenentlastung

Konjunkturelle Stabilität

Einhaltung von Vorschriften, Normen

Unabhängigkeit Machtausgleich

Propsperität der Privatwirtschaft

Umweltqualität Öffentlichkeit / Gesellschaft

Gerechte Zukunftssicherheit

Offenlegung / Kontrolle wirtschaftlicher Tätigkeit Gerechtigkeit Förderung des Gemeinwohls

Spenden / Stiftungen Informationssystem Umweltschutz Einhaltung von Werten und Normen

Bild 77: Ziele verschiedener Anspruchsgruppen und dazugehörige Werttreiber (JANISCH 1992).

Es gibt auch Kritik an der Betonung des Stakeholder-Value als Zielgröße. Zum Einen bleibt ungeklärt, wie widersprüchliche Interessen ge-

LEXIKON

3 38

geneinander abgewogen werden könnten. Zum anderen wird betont, daß eine Ausrichtung an zu vielen verschiedenen Zielen die Unternehmensführung nur noch intransparenter macht, was wiederum höhere Agencykosten impliziert.177 Oft wird in der praktischen Umsetzung des Stakeholder-Value-Ansatzes eine Risikominimierungsstrategie abgeleitet. Weiterhin heißt es, die Unternehmung dürfe sich gegenüber dem Markt für Unternehmenskontrolle nicht ohne weiteres öffnen.178 •=> Shareholder-Value-Ansatz.

STERN, J O E L u n d G . BENNETT STEWART und G . BENNETT STEWART, III, arbeiten seit ihrer Gründung 1982 für die nach ihnen benannte Unternehmensberatung Stern Stewart & Company, STERN als Managing Partner und STEWART als Senior Partner.

JOEL M . STERN

Bild 78: JOEL M. STERN, Managing Partner der U n t e r n e h m e n s b e r a t u n g Stern Stewart & C o m p a n y , gilt als Pionier des VaJue-Managements. Die Consultingfirma setzt sich für die V e r w e n d u n g des Übergewinns in der Variante Economic V a l u e - A d d e d ein u n d hat diesen zu einem B e r a t u n g s w e r k z e u g erweitert.

177

OLIVER HART: Corporate

Governance,

W o r k i n g P a p e r , L o n d o n : C E P R 1999. MICHAEL C.

JENSEN: Value Maximization, Stakeholder Theory, and the Corporate Objective Function, in: MICHAEL BEER UND NITHAN NORIA (HRSG.): Breaking

the Codes

of Change,

Boston: Harvard

Business School Press 2000. 178

RANDALL MORCK UND LAWRENCE H. SUMMERS: " B r e a c h of T r u s t in H o s t i l e T a k e o v e r s " . In:

Alan Auerbach (Hrsg.): Corporate Takeovers: Causes and Consequences.

V A L U E - M A N A G E M E N T

3 39

Beide hatten vor Gründung der genannten Consultingfirma für Chase Financial Policy gearbeitet, den Bereich finanzieller Beratung der Chase Manhatten Bank. STERN als deren Präsident, STEWART als Vice President. JOEL M. STERN hält Kontakt zu verschiedenen amerikanischen Universitäten, wo er als Adjunct Professor lehrt. Er hat zwei Bücher verfaßt, betitelt Analytical Methods in Financial Planning und Measuring Corporate Performance. Außerdem ist er durch Kolumnen bekannt, in denen er über Jahre hinweg in Zeitungen wie The Financial Times oder The Wall Street Journal Themen der Unternehmensfinanzen kommentiert hat.

Bild 79: G. BENNETT STEWART, III. Er hatte 1982 gemeinsam mit J O E L M. STERN die Unternehmensberatung Stern Stewart & Company gegründet, und sich vor allem durch das Buch The Quest for Value einen Namen gemacht, in dem das Konzept des Economic-Value-Added zu einem Beratungswerkzeug ausgebaut wurde.

G. BENNETT STEWART hatte nach einem ersten Abschluß als Elektroingenieur (Princeton University) Finance und Economics an der University of Chicago Graduate School of Business studiert. Er ist dann durch verschiedene Buchpublikationen zu Corporate Finance und zur Restrukturierung der Unternehmung hervorgetreten. Artikel von STEWART sind unter anderem in Fortune und im Harvard Business Review erschienen. STEWART wirkt als Executive Editor der Fachzeitschrift The Journal of Applied Corporate Finance, die von seiner Consultingfirma betreut wird. O Economic-Value-Added, Market-Value-Added, Value Based Compensation.

340

LEXIKON

Steuern und DCF Unternehmen müssen verschiedenste Steuern entrichten. Sie können ähnlich wie Auszahlungen für Produktionsfaktoren behandelt werden, schmälern die Cashflows, und in der Folge ist auch der Barwert der Freien Cashflows geringer, als wenn es keine Steuern gäbe. Der Barwert der Freien Cashflows ist auch geringer, weil die Unternehmung die Stromrechnung bezahlen muß, und der Unternehmenswert wäre höher, wenn in dem betreffenden Land Energie gratis bezogen werden könnte — das Beispiel ist keine Ironie: Unternehmen, die viel Strom verbrauchen (Aluminiumherstellung) verlagern ihren Standort in Länder mit geringen Energiepreisen. Die Formel, auch die Formel für die Kapitalkosten, bleibt von all diesen Betrachtungen unberührt. Steuern werden deshalb zu einem Thema bei der DCF-Methode, weil sie in gewissen Fällen nicht finanzierungsneutral sind. Das bedeutet, daß die Steuern Eigenkapital und Fremdkapital unterschiedlich behandeln, und daß deshalb der Wert der Unternehmung von der Kapitalstruktur abhängt und mit dem Verschuldungsgrad variiert. Für eine ganz konkrete, bestimmte Kapitalstruktur gilt: Nach wie vor ist die Formel gültig, daß der Wert des Eigenkapitals gleich ist dem Barwert der Freien Cashflows, und das ist nun ein Cashflow nach Steuern. Ebenso gilt bei der Entity-Methode wie zuvor, daß der Gesamtwert (Eigenkapital plus Fremdkapital) gleich ist der Summe der Barwerte der Freien Cashflows plus der Zinsen, und wieder sind bei den Cashflows die Steuern schon abgezogen. Bei der Entity-Methode ist auch wieder der für die Diskontierung anzuwendende Satz durchschnittlicher Kapitalkosten durch die gewichtete Summe der Eigenkapitalkosten und der Fremdkapitalkosten gegeben. Die alten Formeln bleiben also für eine konkrete Kapitalstruktur gültig. Kompliziert wird die Thematik der Steuern, wenn die eben für eine konkrete Kapitalstruktur beantwortete Frage nach dem Wert verallgemeinert werden soll, und wenn der Wert für alle Verschuldungsgrade durch eine analytische Formel ausgedrückt werden soll. Das ist recht komplex. Schon wenn für eine Unternehmung verschiedene Szenarien hinsichtlich der Finanzierung gerechnet werden, zeigt sich: Mit dem Verschuldungsgrad verändert sich: 1. Der Cashflow (aufgrund der Gewinnsteuern), 2. Der zu zahlende Zins (weil bei höherer Verschuldung mehr Zinsen zu zahlen sind), 3. Die durchschnittlichen Kapitalkosten (weil sich die relativen Gewichte des Eigenkapitals und des Fremdkapitals verändern), 4. Der Wert der Unternehmung.

3 4 1

V A L U E - M A N A G E M E N T

Es ist kaum zu hoffen, daß sich alle vier Auswirkungen in einer geschlossenen Formel darstellen lassen. Dennoch finden sich immer wieder Formeln, bei denen die durchschnittlichen Kapitalkosten so definiert werden:

WACC =

= EK

EK + FK

Eisenkapitalkosten

+

(l-i)

FK EK+FK

Fremdkapitalkosten

Hierbei bezeichnet 5 die steuerliche Belastung. In dieser Formel werden bei Fremdfinanzierung die Kapitalkosten immer geringer, und sie kann schon deshalb nur dann korrekt sein, wenn beim DCF-Ansatz im Zähler nicht die Freien Cashflows stehen, sondern Größen, die ebenso kleiner als die wahren Freien Cashflows sind. Meistens wird dabei eine Besteuerung angenommen, die größer ist als die eigentlich zu zahlenden Steuern, eben weil es keine zweifache Besteuerung jener Wertschöpfung gibt, die den gezahlten Zinsen gegenübersteht. Im konkreten Fall ist jedoch eine detaillierte Betrachtung abgebracht. Wir müssen uns hier mit einigen Bemerkungen begnügen, die vor allem den vierten Punkt betreffen: Selbstverständlich müssen Eigenkapitalgeber ebenso wie Fremdkapitalgeber Einkünfte versteuern. Von daher haben Investoren keine besondere Präferenz, ob die ihnen zukommenden Ergebnisse aus einer Geldanlage als Eigenkapital oder als Fremdkapital deklariert werden. Allerdings ist es in vielen Länder so, daß Zinseinkünfte voll als Einkommen zu versteuern sind, während Ergebnisse aus einer Investition von Eigenmitteln dagegen nur insoweit als Einkommen zu versteuern sind, als sie in Form von Dividenden zufließen. Insoweit diese Ergebnisse als Steigerung eines Marktwertes (Kursgewinne) zu verzeichnen sind, muß der private Investor keine Einkommensteuer darauf entrichten (es sei denn, gewisse Spekulationsfristen würden nicht eingehalten). Insgesamt führen diese steuerlichen Gegebenheiten dazu, daß Privatanleger ihr Geld 1. lieber als Eigenkapital (etwa Aktien) denn als Fremdkapital (etwa als Anleihen oder als Gesellschafterdarlehen) zur Verfügung stellen, und daß sie es 2. vorziehen, wenn die Unternehmung keine Gewinne ausschüttet, sondern thesauriert und (im Sinne der Eigner) investiert — oder bei Mangel an Ideen und rentablen Projekten Finanzanlagen tätigt. Andererseits muß eine Unternehmung in allen Ländern die Gewinne versteuern, während die den Zinsen gegenüberstehende wirtschaftliche Leistung im wesentlichen nicht zu versteuern ist, weil Zinsen als Auf-

342

LEXIKON

wand den Gewinn schmälern. Von daher würde eine Unternehmung versuchen, ihre wirtschaftliche Leistung eher in Form von Zinsen darzustellen als in Form von Gewinnen. In einigen Staaten, zum Beispiel in den USA und in der Schweiz, kommt es tatsächlich zu einer doppelten Besteuerung. Die Unternehmung zahlt Steuern auf die Gewinne, und die Eigenkapitalgeber zahlen nochmals Steuern, wenn sie die Gewinne (in irgendeiner Form) erhalten. Dagegen zahlt die Unternehmung keine Steuern auf die wirtschaftlichen Ergebnisse, aus denen sie Zinsen zahlt. Zinsen werden dann nur einmal versteuert, wenn sie vom Kapitalgeber vereinnahmt werden. Es kommt ein Weiteres hinzu: Ein großer Teil des Fremdkapitals wird von Pensionskassen und von Sozialversicherungsträgern zur Verfügung gestellt, die für die vereinnahmten Zinsen keine Steuern zu entrichten haben, und die Versicherten haben vielfach gewisse Steuerbefreiungen, weil auf diesem Weg die private Altersvorsorge gefördert werden soll. In anderen Staaten, so in Deutschland, erhält der Aktionär eine Steuergutschrift. Dadurch wird die doppelte Besteuerung wieder korrigiert. Zusammenfassend läßt sich sagen: • Wirtschaftliche Ergebnisse, die aufgrund der Kapitalstruktur dem Eigenkapital zugerechnet werden, werden je nach Land und Dividendenpolitik zwischen dem 0,5-fachen und dem 2-fachen mit Steuern belastet. • Wirtschaftliche Ergebnisse, die dem Fremdkapital zugerechnet werden, unterliegen zwischen dem 0-fachen und dem 1-fachen der Steuer. Das macht die Bestimmung einer optimalen Kapitalstruktur nicht gerade leicht und verbietet eigentlich eine geschlossene Formel für den DCF.

In praktische Fällen muß jedoch die Steuergutschrift eigens berücksichtigt werden. Dann wären bei der Equity-Methode die Cashflows (nach Steuern), abzüglich der geplanten Investitionen, plus eventueller Steuergutschriften zu diskontieren. Für die Diskontierung wäre der Eigenkapitalkostensatz heranzuziehen. Bei der Entity-Methode wären zu diskontieren die Cashflows (nach Steuern), abzüglich der geplanten Investitionen, plus eventueller Steuergutschriften plus Zinszahlungen. Für die Diskontierung wären die durchschnittlichen Kapitalkosten WACC, wie definiert, heranzuziehen. •=> Cashflow, DCF-Methode, Entity-Methode, Kapitalkosten, Kapitalstruktur.

343

V A L U E - M A N A G E M E N T

Sustainability Management Sustainability oder Nachhaltigkeit ist ein im Rahmen der Diskussion der Integration ökologischer Aspekte in gesellschaftliche oder wirtschaftliche Prozesse geprägtes Leitmotiv. Ein der Konferenz von Rio (1992) vorhergehende Report der Brundtland Kommission definiert Sustainability so: Development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs."179 Eine an Nachhaltigkeit orientierte Gesellschaft verfolgt drei Prinzipien: 1. Der Verbrauch erneuerbarer Ressourcen übersteigt nicht deren Regeneration. 2. Der Verbrauch nicht-erneuerbarer Ressourcen übersteigt den Umfang nicht, in dem nachhaltig erneuerbare Substitute entwikkelt werden. 3. Der Umfang in dem verunreinigende Stoffe emittiert werden übersteigt nicht die Assimilationskapazität der Umwelt. Ansatzpunkte für Managementmaßnahmen, die Nachhaltigkeit fördern, lassen sich so ermitteln: 1. Zunächst sind Möglichkeiten der Produktivitätssteigerung sämtlicher natürlicher Ressourcen zu ermitteln. 2. Daneben sollten Produkte anhand ihres gesamten Lebenszyklusses beurteilt werden, um so ökonomische und ökologische Kostenwahrheit zu erreichen. 3. Vielfach läßt sich das Nachhaltigkeitsniveau auch dadurch steigern, daß eine prononciert lösungsorientierte Perspektive einer produktorientierten Sicht vorgezogen wird. 4. Nicht zuletzt sollte, wenn man eine Knappheitssituation bei natürlichen Ressourcen zugrunde legt, Investitionen in ihren Wiederaufbau tätigen. => Nachhaltigkeit.

179 1. W O R L D C O M M I S S I O N ON E N V I R O N M E N T AND D E V E L O P M E N T : Our

Common

Future.

University Press, Oxford 1987. 2. HERMAN DALY: Institutions for a steady-state

Oxford

economy.

S t e a d y State E c o n o m i c s , I s l a n d P r e s s 1991. 3. AMORY B. LOVINS, L. HUNTER LOVINS u n d

PAUL HAWKEN: A roadmap for natural capitalism. Harvard Business Review (March / April 1999), pp.

54-69.

LEXIKON

344

Tobin-Q, Total-Quality-Management (TQM), Turnaround.

Tobin-Q Eine Kapazitätserweiterung kann auf unterschiedliche Art erfolgen. •

Zum einen kann eine Unternehmung durch Anschaffung von Maschinen, durch den eigenen Aufbau von Infrastruktur und die Einstellung von Personal selbst neue Produktionskapazitäten schaffen. Sinnbild dieses Weges ist die "Fabrik auf der grünen Wiese." Hierfür entstehen Kosten, die den geschätzten Kosten für Ersatzinvestitionen der einzelnen Vermögensteile entsprechen. (estimated replacement costs).



Zum anderen könnte die Unternehmung einen Konkurrenten aufkaufen, also eine bereits existierende Produktionseinheit insgesamt übernehmen, wozu ein Preis entrichtet werden muß, der dem Niveau entspricht, zu dem Unternehmen an der Börse und am Market of Corporate Control gehandelt werden.

Selbstverständlich gibt es auch Zwischenwege, die nicht eigens ausgeführt werden müssen. Die Kennzahl Q, auch nach ihrem Schöpfer JAMES TOBIN mit Tobin-Q (Tobin's q) benannt, setzt die Kosten für eine Kapazitätserweiterung oder einen Kapazitätsaufbau per Übernahme einer garuzen Unternehmung — den sogenannten Marktpreis für Assets — in Relation zu den Kosten für einen eigenen Aufbau durch Beschaffung der einzelnen Teile und Elemente an den Faktormärkten und deren Zusammenbringen, also den Ersatzkosten.180

180 ney,

1. JAMES TOBIN: A General Equilbrium Approach to Monetary Theory. Journal of MoCredit

and

Banking

1 ( 1 9 6 9 ) p p . 1 5 - 2 9 . 2 . FUMIO HAYASHI: T o b i n ' s M a r g i n a l a n d A v e r -

a g e q : A N e o c l a s s i c a l I n t e r p r e t a t i o n . Econometrica

50 (1982), pp. 213-24.

345

V A L U E - M A N A G E M E N T

Tobin -Q

^

=

Marktpreis der Assets Ersatzkosten

In einer sehr langfristigen Perspektive sollte das Tobin-Q ungefähr gleich 1 sein — sofern man: 1. beim Aufbau einer Fabrik auf der grünen Wiese nicht gewisse Produktionsfaktoren übersieht, wie beispielsweise den Markennamen oder andere Intangibles. 2. hinreichend Zeit für den Aufbau der neuen Fabrik hat (Welt ohne Eile) und 3. begabtes Management hat, das diese Aufgabe bewerkstelligt. In anderen Situationen könnte das Tobin-Q auch größer als 1 sein. Große Tobin-Q deuten daher darauf, daß "neues" immaterielles Vermögen auf einmal höher bewertet werden, daß es eine Marktform gibt, in der man sich beeilen muß, weil der Schnellste alles nimmt (WinnerTakes-All), und in der es nicht gelingt, Führungskräfte zu akquirieren. => Immaterielles Vermögen, Ökonomischer Gewinn, Winner-Take-All Game.

Total-Quality-Management (TQM) Das Total-Quality-Management Konzept (TQM) ist ein Leitbild qualitätsorientierter Unternehmensführung und zielt auf die Mitwirkung des Menschen, die permanente Verbesserung, sowie die Aspekte der Strukturen, des systematischen Vorgehens und der Sicherung des Erreichten ab.181 TQM integriert Konzepte der Qualitätslenkung, der Qualitätssicherung und Systeme nach ISO 9000. Die Sicht, TQM und ISO stünden in einer Konkurrenz zueinander, ist widerlegbar; regelmäßig sind Systeme nach ISO 9000 Bestandteil eines TQM.

181 1. H A N S D I E T E R SEGHEZZI: Integriertes Carl Hanser, M ü n c h e n TQM.

Qualitätsmanagement

-

Das

St.

Galler

1 9 9 6 . 2 . CHRISTIAN M A L O R N Y u n d KRISTIAN K A S S E B O H M :

S c h ä f f e r - P o e s c h e l , S t u t t g a r t 1 9 9 4 . 3 . H A N S - U L R I C H FREHR:

in: WALTER MASING: Handbuch Qualitätsmanagement.

Konzept. Brennpunkt

Total-Quality-Management

Carl Hanser, München 1994. 4.

H A N S D I E T E R SEGHEZZI u n d STEPHAN D A H L E M : S c h r i t t f ü r S c h r i t t z u T Q M : e i n

Stufenmodell

für die Entwicklung des Unternehmens von ISO 9001 in Richtung TQM. Qualität und Zuverlässigkeit

4 2 ( 1 9 9 7 ) 5, p p .

553-558.

LEXIKON

346

Durch simultane Berücksichtigung der Faktoren Qualität, Zeit und Kosten wirkt TQM in mehrdimensionaler Richtung und ist nicht lediglich auf den Bereich der Qualitätsbewirtschaftung eingeengt. Der Inhalt des TQM läßt sich nach menfassen:182

SEGHEZZI

in sechs Punkten zusam-

1. Ausrichtung der Unternehmung auf die Erfüllung der Bedürfnisse der Kunden und der Öffentlichkeit. 2. Fehler werden als Chance zum Lernen betrachtet. Bei repetitiven Aufgaben wird das Nullfehlerprinzip angestrebt. 3. Unter dem Postulat ständiger Verbesserung werden alle Mitarbeiter in die Bemühungen zur Verbesserung einbezogen. 4. Jeder Mitarbeiter trägt Qualitätsverantwortung. 5. TQM berücksichtigt traditionelle Stärken und Erfolgspositionen der Unternehmung. 6. TQM muß von der obersten Hierarchieebene getragen und geführt werden. Der Mensch als Führungskraft ist beim TQM von großer Bedeutung. Für einen Erfolg des TQM-Konzeptes in der Unternehmung ist zudem das ausgewogene Zusammenspiel sogenannter weicher Faktoren (wie Kultur, Stil, gemeinsame Werte und Qualitätsbewußtsein) mit den "harten" Faktoren (Struktur und Systeme) zu beachten. In Europa wird seit 1992 jährlich der European Quality Award von der European Foundation für Quality Management (EFQM) verliehen wird. Doch wichtiger als der Preis ist das zugrundeliegende Modell, das einen Weg zum Aufbau eines TQM in einem Unternehmen beschreibt. In den USA ist der Malcolm Baldrige National Quality Award zu nennen, der neue Anstöße zur Verbesserung des Qualitätsmanagements geben soll.

Die Bedeutung des Qualitätsmanagements für den Wert der Unternehmung ist unbestritten. Auch andere Organisationen öffnen sich gegenüber einer Prüfung, um eine Akreditierung zu erhalten. •=> Business-Process-Reeingineering, Wettbewerbsstrategie.

182

HANS DIETER SEGHEZZI: Konzepte, Strategien und Systeme qualitätsorientierter

nehmen

in: HANS DIETER SEGHEZZI u n d J. R. HANSEN: Qualitätsstrategien.

lag, München/Wien 1993.

Unter-

Carl Hanser Ver-

VALUE-MANAGEMENT

347

Turnaround Unter einem Turnaround werden intensive, die gesamte Unternehmung betreffende Verbesserungen (vor allem in den Bereichen Produktion und Absatz) verstanden, die mit dem Ziel eingeleitet werden, eine Phase sich verschlechternder finanzieller Performance zu beenden und wieder eine nachhaltig erkennbare Zeit der Rentabilität einzuleiten.183 Die häufigsten Maßnahmen im Turnaround bestehen •

in einer Kostenreduktion (Personalbestand, Beschaffung),



in der Entwicklung neuer Produkte, sowie



in der Aktivierung neuer Vertriebskanäle, um den Absatz zu erhöhen.

Ein Turnaround verlangt etwa zwischen fünf und acht Jahren Zeit. Nicht alle Unternehmen schaffen das angestrebte Ziel. Dem Turnaround, verstanden als Prozeß der Heilung, gehen verschiedene Krankheitszustände voraus, die langsam oder auch plötzlich eingetreten sind. 1. Zu Anfang steht oft eine Krise der Strategie: Es wird erkennbar, daß die Unternehmung sich neuen Tätigkeitsfeldern zuwenden sollte, daß sie vielleicht auf die falschen Produkte gesetzt hatte oder daß eine Marktbearbeitung eingeschlagen worden ist, die erfolglos blieb. Zu Beginn kann aber auch Pech stehen, eine plötzlich eintretende und sich als Gefahr manifestierende Entwicklung einer offenen Position, eines Exposures. 2. Anschließend wird eine Krise der Ergebnisse deutlich. Sie zeigt sich an einem Rückgang des ROI, einem Gewinnschwund, einem Abfall der Kreditwürdigkeit und eventuell verlassen auch wichtige Personen die Gesellschaft. 3. Der dritte Zustand ist durch das Eingreifen der Instanzen charakterisiert: Der Vorstand oder die Aktionäre verlangen vom Management, ein Turnaround zu beginnen. Meistens werden dann externe Consulting-Firmen oder erfahrene Experten mit der Aufgabe betraut, den Prozeß zu beginnen. Das Management tritt also die ihr übertragene Aufgabe der Führung teilweise an den Turnaround-Experten ab.

183

R. S. SLOMA: The Turnaround Manager's Handbook. New York 1985.

348

LEXIKON

Empirische Studien haben verschiedene Erfolgsfaktoren für einen Turnaround identifiziert.184 Demnach sind hohe Erfolgschancen 1. bei großen Unternehmen anzutreffen, 2. bei Unternehmen, die nicht allzu schnell und zu tief gefallen waren (sondern nur langsam leidend wurden), sowie 3. bei Unternehmen aus einer Branche, die nicht insgesamt krisenhaft ist.

•=> Business-Process-Reengineering, Total-Quality-Management.

184

FRANZ NOTHARDT: Corporate Turnaround and Corporate Stakeholders: An empirical Examination of the Determinants of Corporate Turnaround in Germany with a Focus on financial Stakeholder Theory. Dissertation, Universität St. Gallen 2000.

V A L U E - M A N A G E M E N T

349

u Übergewinn, Unternehmensethik, US-GAAP

Übergewinn l Werden vom Gewinn eines Jahres die Eigenkapitalkosten subtrahiert, entsteht der Übergewinn. Da die Eigenkapitalkosten eine ; marktgerechte "Gewinnerwartung" ausdrücken, liegt bei einem i Übergewinn ein über der Erwartung liegendes Ergebnis vor. Der Übergewinn mißt daher die Outperformance oder die Wertschafi fung (Value Creation). Vielfach wird vom betrieblichen Gewinn | ausgegangen und von ihm werden nur die Kapitalkosten für das betrieblich notwendige Vermögen abgezogen. So entsteht der bej triebliche Übergewinn. Die Idee, einen Übergewinn zu ermitteln, wird ALFRED MARSHALL (1842-1924) zugeschrieben. Der britische Nationalökonom definierte die "earnings of undertaking or management' als jenen Teil des Gewinns, der nach Abzug der Kapitalkosten bleibt. Hier wird deutlich, daß der Übergewinn oder die Wertschaffung dem schöpferischen Management zugeschrieben wird.

Das Konzept des Übergewinns kann ähnlich wie der Gewinnbegriff im Rahmen von Buchhaltung und Jahresabschluß verstanden werden, also im Accounting-Modell gemessen werden. Ebenso ist es möglich, eine ökonomische Betrachtung anzustellen, das heißt, ein Economic-Modell zugrunde zulegen. Ein besonderer Punkt bei der Entscheidung zwischen AccountingModell und Economic-Modell sind die Kapitalkosten. Die im Kapitalmarkt übliche Renditeerwartung wird durch ein Economic-Modell ermittelt, etwa durch das CAPM. Die einem gleichgewichtigem Kapitalmarkt entsprechende Renditeerwartung wird das Management der Unternehmung in ihren Entscheidungen berücksichtigen. Hierzu wird

LEXIKON

350

das Management die Renditeerwartung durch Eigenkapitalkosten abbilden, und als eine Kostengröße in die Kalkulationen und bei der Entscheidung einfließen lassen. So findet, wenn die marktgerechte Renditeerwartung in Eigenkapitalkosten übersetzt wird, ein gewisser Übergang zum Accounting-Modell statt. Ansätze, den Übergewinn zu messen, variieren daher vor allem hinsichtlich der Festlegung, ob für die Messung von Gewinn und von Kapitalkosten eher ein Accounting-Modell oder eher ein Economic-Modell gewählt wird. Es gibt Zwischenstufen und entsprechend wurden eine Reihe von Ansätzen, die sich leicht unterscheiden, zur Messung des Übergewinns vorgeschlagen. Vier solcher Ansätze haben größere Beachtung gefunden und werden von Universitäten oder von Consultingfirmen propagiert. Diese vier Ansätze sind der Added-Value, der Economic-Value-Added (EVA), der Economic-Profit und der Cash-ValueAdded (CVA).

Added-Value

London Business School

DAVIS und KAY (1991)

EVA

Stern Stewart & Co.

STEWART ( 1 9 9 1 )

Economic-Profit

McKinsey & Company, Inc.

COPELAND, KOLLER UND

MURRIN (1994) CVA

Boston Consulting Group

LEWIS ( 1 9 9 4 )

Bild 80: Die vier bekanntesten Konzepte für die Beurteilung der Wertschaffung (Value Creation) nach dem betrieblichen Übergewinn.

Unabhängig davon, ob der Übergewinn nun näher am AccountingModell (Sicht der Buchhaltung) oder am Economic-Modell definiert wird: er dient primär der Ermittlung der Performance oder der Wertschaffung in einem Jahr. Allerdings wurde von den genannten Institutionen in den jeweils vertretenen Konzepten gewisse Erweiterungen vorgenommen. Sie dienen dazu, die Unternehmung anhand der Übergewinne vieler Jahre zu bewerten. •=> Accounting-Modell — Economic-Modell, Added-Value, CAPM, CashValue-Added, Economic-Value-Added, Economic-Profit, Kapitalkosten, Konversionen, Market-Value-Added, Ökonomischer Gewinn, Performance.

3 51

V A L U E - M A N A G E M E N T

Unternehmensethik Ethische Unternehmensführung bedeutet, nur solche Handlungen und Entscheidungen zu ergreifen, die vor der kritischen Öffentlichkeit mit nachvollziehbaren Gründen gerechtfertigt werden können.185

1 1

Gleichzeitig verlangt Unternehmensethik, daß die Leitung der Unternehmung ethische Handlungsanweisungen selbst vorlebt, sich immer wieder zu ihnen bekennt, und innerhalb der OrganiIS sation ethisches Verhalten anerkennt. Die Tatsache, daß unternehmerische Entscheidungen immer mehr im Licht der Öffentlichkeit betrachtet werden und somit einer Beurteilung durch diese unterstehen, zwingt die Unternehmung dazu, gesellschaftliche Wertfragen in ihre Entscheidungen mit einzubeziehen. Hierfür gibt es im deutschsprachigen Raum drei Lehren: 1. die dialogorientierte Unternehmensethik nach STEINMANN und LÖHR, 1 8 6



die institutionenökonomische Wirtschafts- und Unternehmensethik nach HOMANN,187



das Konzept der integrativen Unternehmensethik nach ULRICH.188

ULRICH formuliert fünf Thesen: 1. Moderne Unternehmensethik beginnt mit der kritischen Reflexion des traditionellen Unternehmerethos: Ethikbewußte Unternehmensführung ist nicht nur ein Modethema, vielmehr ist unternehmerisches Handeln schon immer unausweichlich in einem Unternehmerethos fundiert.

5

1. PETER ULRICH u n d JOSEF WIELAND: Unternehmensethik

in der Praxis

- Impulse

aus

den USA, Deutschland und der Schweiz. Verlag Paul Haupt, 2. Auflage, Bern et. al. 1999. 2. PETER ULRICH: Integrative Untemehmensethik - Grundlagen einer lebensdienlichen Ökonomie. Haupt, Bern 1997. 186

HORST STEINMANN u n d ALBERT LÖHR: Grundlagen

der

Untemehmensethik.

2. A u f l a g e ,

Stuttgart 1994. 187 1. K A R L H O M A N N u n d

FRANZ B L O M E - D R E E S :

Wirtschafts-

und

Untemehmensethik.

Uni-

T B - V e r l a g , Stuttgart 1992. 2. KARL HOMANN u n d INGO PIES: W i r t s c h a f t s e t h i k in der M o d e r -

ne: Zur Theoriestrategie einer modernen Wirtschaftsethik, in: Streitforum fiir Erwägungskultur (1994) 1, pp. 3-12.

188

REGINE TIEMANN: Ethische Branchenstandards. moralischen Dilemmata. Harapp, München 1999.

Ein Lösungsweg fiir Unternehmen aus

LEXIKON

3 5 2

2. Es gibt kein ethisch begründbares Gewinnprinzip: Die Position, daß das Gewinnprinzip — nicht nur das Recht des Unternehmers, sondern dessen oberste Pflicht sei, ist keine ethisch legitime Position, da sie in ihrer logischen Konsequenz eine Unterordnung aller anderen Ziele und Werte unter das Gewinnprinzip bedeuten würde. 3. Untemehmensethik ist nicht als äußere Grenze, sondern als innere Grundlage des unternehmerischen Erfolgsstrebens zu konzipieren: Der integrative Ansatz der Unternehmensethik sieht diese als Fundament für das legitime Erfolgsstreben und nicht als Beschränkung. 4. Untemehmensethik ist mehr als Geschäftsethik: Die Integration von Ethik und Erfolgsstreben ist eine unternehmerische Herausforderung. Hierzu müssen sich die Unternehmungen ihrer ordnungspolitischen Mitverantwortung bewußt sein. 5. Unternehmerische Verantwortung ist im Dialog wahrzunehmen: Ziel ist es, bei Differenzen der Interessen und Wertvorstellungen alle Stakeholder in den Entscheidungsprozeß mit einzubeziehen um so eine von allen akzeptierte Lösung zu finden. •=> Stakeholder-Value-Ansatz.

US-GAAP US-GAAP ist die Abkürzung für US-Generally Accepted Accounting Principles und umfaßt einerseits formale Regeln und andererseits die durch Fälle kommunizierte Praxis der Erstellung von Jahresabschlüssen. Da einem Wirtschaftsprüfer in den USA nur erlaubt ist, ein Testat auf Basis der US-GAAP zu erteilen, sind die USGAAP dort verbindlicher Standard.189 Die formalen Vorschriften des US-GAAP sind zum Teil nicht in Staatsoder Bundesgesetzen gefaßt, sondern durch Institutionen und Berufsvereinigungen vorgelebt und praktiziert. Dazu gehören der Financial Accounting Standards Board (FASB) und die amerikanische Börsenauf189

1. WOLFGANG BALLWIESER (HRSG.): US-amerikanische

Vergleiche

mit dem deutschen

K P M G DEUTSCHE TREUHAND GRUPPE: Rechnungslegung

zen: eine Einführung

Rechnungslegung:

Grundlagen

und

Recht. 4. Auflage, Schaeffer-Poeschel, Stuttgart 2000. 2. nach

US-amerikanischen

in die US-GAAP und die SEC-Vorschriften.

D ü s s e l d o r f 1999. 3. RUDOLF J. NIEHUS u n d ALFRED THYLL: Konzemabschluß

Grundlagen und Gegenüberstellung Stuttgart 1998.

mit den deutschen

Grundsät-

IDW-Verlag, 2. Auflage,

Vorschriften.

nach

US-GAAP:

Schäffer-Poeschel,

V A L U E - M A N A G E M E N T

3 5 3

sieht, die Security and Exchange Commission (SEC). Da die SEC die USGAAP für alle an amerikanischen Börsen notierte Gesellschaften verlangt, besteht bei den großen Aktiengesellschaften auch in Europa Interesse an der US-GAAP. Um die Erstellung von Jahresabschlüssen nach US-GAAP hierzulande zu fördern, wird zudem erörtert, ob deutschen Aktiengesellschaften, die nach US-GAAP bilanzieren, nicht der sonst nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) erforderliche Jahresabschluß erlassen werden kann. In der Schweiz beispielsweise ist dies akzeptierte Praxis. 1. Zweck der Rechnungslegung nach US-GAAP sind financial statements, die in umfassender Weise über die Vermögens-, Finanz-, und Ertragslage informieren sollen. 2. Schwerpunkt ist die Darstellung des Periodenergebnisses und die Frage, wie es sich zusammensetzt und wie es entstanden ist. 3. Die Rechnungslegung ist somit primär vergangenheitsorientiert. Es soll aber zugleich erkennbar werden, wie die weitere Fähigkeit der Unternehmung, liquide Mittel in der Zukunft zu erzeugen, einzuschätzen ist. 4. Außerdem soll sie auf die Managementqualität eingehen im Sinne der Rechenschaft über anvertraute Mittel. Ferner soll die Rechnungslegung dem Aktionär Gründe nennen, aus denen er seine Beteiligung fortführen (und nicht verkaufen) sollte.

Konkrete Beispiele für eine schwächere Berücksichtigung des Gläubigerschutzes zugunsten einer marktnäheren Bewertung äußern sich bei einzelnen Bilanzpositionen wie folgt: •

Herstellkosten: Bewertung der Aktiva zu Vollkosten



Wertpapiere des Umlaufvermögens: Erfolgswirksame Verrechnung unrealisierter Gewinne



Unfertige Leistungen: Gewinnrealisierung nach Projektfortschritt



Valutaposten: Gewinnrealisierung bei Kursänderung

=> Accounting-Modell — Economic-Modell, IAS.

LEXIKON

354

Value Based Compensation, Value-Reporting, Venture-Capital.

Value Based Compensatio*! Unbestritten ist, daß Führungskräfte und Mitarbeiter der oberen Ebenen — alle die einen großen diskretionären Handlungsspielraum haben und Verantwortung für den Einsatz von Ressourcen hoher Plastizität tragen, also mit Führung betraut sind — geeigneten, auch monetären Motivationen ausgesetzt werden sollten. Mit Aktienoptionsplänen ist ein Weg dazu beschrieben, bei dem sich die Belohnung genau an jenem Ergebnis orientiert, mit dem auch die Aktionäre selbst konfrontiert sind. Allerdings entsteht der Aktienkurs in der äußeren Welt (Außenperspektive), und nicht alle Einflußfaktoren unterliegen der Kontrolle des Managements. Mit einer Value Based Compensation wird ein anderer Weg beschritten. Sie orientiert sich an dem Economic-Modell, das noch zur Innenperspektive gehört. Hier sehen die Manager klar, wie sie durch Entscheidungen die ihnen zukommende Kompensation beeinflussen können. Unter Value Based Compensation werden Regeln und Schemata verstanden, die den Mitgliedern des Managements (und eventuell auch anderen Personen mit Führungsaufgaben) einen Teil ihrer totalen Bezüge von derjenigen Wertschaffung abhängig machen, wie sie im Economic-Modell (Innenperspektive) errechnet wird. Bei einer Value Based Compensation übernehmen gleichsam die Aktionäre das Risiko, daß der Aktienkurs nicht den Werten oder der Wertschaffung oder der Outperformance folgt, die im Economic-Modell errechnet werden. Ein Vorteil jedoch ist, daß die in das Schema einzubeziehenden Führungskräfte nicht mit Marktentwicklungen belastet (oder begünstigt) werden, die sie ohnehin nicht beeinflussen können.

V A L U E - M A N A G E M E N T

355

Die bekannteste Vorgehensweise bietet das Beratungswerkzeug EVA® von Stern Stewart & Company. 1. Bonusbank: Der Economic-Value-Added wird zu vielleicht 30% in ein Konto eingestellt, wozu zunächst keine Zahlungsmittel erforderlich sind, wenn das Konto innerhalb der Unternehmung geführt wird. Jedes Jahr wird ein gewisser Prozentsatz des Kontobestandes an die Führungskräfte ausgeschüttet — für diesen Teil ist natürlich Geld erforderlich. Die Betreffenden sehen klar, wie sie die Höhe ihrer Kompensation beeinflussen können: Sie müssen den Economic-Value-Added erhöhen — für den empirische Studien belegen, daß er mit Änderungen der Aktienkurse korreliert ist. Andererseits gibt es durch die Führung des Kontos einen gewissen Glättungseffekt, der die Einkommen stabilisiert. 2. Von Stern Stewart & Co. wurden weitere Formen für die Value Based Compensation vorgeschlagen. Etwa könnte sie einen ersten Teil umfassen, der proportional zum EVA desselben Jahres ist, sowie einen zweiten Teil, der proportional zur Steigerung des EVA gegenüber dem EVA des Vorjahres ist. Es liegen bereits Erfahrungsberichte vor: Mit solchen Schemata kompensierte Manager versuchten, mit weniger Kapital auszukommen (denn die Kapitalkosten reduzieren EVA) und konnten die Rentabilität steigern: •

Sie erwiesen sich bei neuen Investitionen vorsichtiger, und erhöhten die Rückzahlungen an Aktionäre mit Rückkäufen von Aktien.



Sie nutzen das verfügbare Kapital wirksamer und waren zum Verkauf unrentabler Unternehmensteile bereit.190

•=> Accounting-Modell — Economic-Modell, Aktienoptionsplan, Anreizoder Motivationssystem, Economic-Value-Added.

Value-Reporting Value-Reporting ist die Bezeichnung für die Kommunikation und Darstellung der von einem Unternehmen geschaffenen Werte gegenüber den Investoren mit dem Ziel, die Informationsasymmetrie zwischen internem und externem Rechnungswesen zu verringern. 190

JAMES S. WALLACE: Adopting Residual Income-Based Compensation Plans: Do you Get what you Pay for? Journal of Accounting and Economics 24 (1997) 3, pp. 275-300.

LEXIKON

356

Finanzinvestoren sehen natürlich den Börsenkurs, aber sie wollen auch etwas über die interne Sicht erfahren. Die Rechnungslegung (Accounting-Modell) wird dem nicht gerecht. Das Management wird daher die Größen des Economic-Modells darstellen, und das geschieht mit dem Value-Reporting. 191 P.D. WRIGHT und D.P. KEEGAN erläutern: In the 1990's, a new view of shareholder value is taking root in the minds of executives and investors in many parts of the world — and a new type of reporting is emerging. We call it value reporting. In essence, value reporting focuses on long-term cash — i.e., cash that will come through the company's door at some future date — and other types of performance information that impact shareholder waelth, the company's prospects, and the financial markets' assessment of the company (Pursuing Value: The Emerging Art of Reporting on the Future, Price Waterhouse LLP, 1997)..

•=> Accounting-Modell — Economic-Modell

Venture-Capital Venture-Capital ist Eigenkapital oder nachrangiges Fremdkapital für neu gegründete Unternehmen, das durch risikobereite Investoren mit Know-how und durch Finanzierungsgesellschaften in den frühen Entwicklungsphasen bereitgestellt wird. Das Kapital ist nicht verbrieft und wird nicht über Publikumsmärkte gehandelt, es ist Private-Equity oder Private-Debt.192 Investitionen in Unternehmen oder Projekte dieser Phasen sind durch besondere Risiken gekennzeichnet: Die finanziellen Erträge der Investitionsprojekte weisen eine geringe Stabilität auf, die Gefahr des Scheitern ist relativ hoch, die Veräußerung einer Beteiligung ist mit erhöhten 191

1. PETER A. LABHART: Value Reporting: Informationsbedürfnisse des Kapitalmarktes und Wertsteigerung durch Reporting.Versus Verlag, Zürich 1999. 2. HEINZ-JOACHIM NEUBÖRGER: Wertorientierte Unternehmensführung bei Siemens. Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 52 (März 2000), pp. 188-196. 192 1. PAULA. GOMPERS UND JOSH LERNER: The venture

capital cycle.

Cambridge, Mass.: MIT

Press 1999; 2. OECD: Venture Capital in OECD Countries. Financial (Februar

1996), pp.

Market Trends 63

1 5 - 4 4 . 3. WILLIAM A . SAHLMANN: T h e S t r u c t u r e a n d G o v e r n a n c e

of

Venture-Capital Organizations. Journal of Financial Economics, 27 (1990) 2, pp. 473-521; 4 . A L F R E D S C H E I D E G G E R , H E L M U T HOFER u n d G E R H A R D S C H E U E N S T U H L : I n n o v a t i o n —

re Capital — Arbeitsplätze. Haupt, Bern 1998.

Ventu-

3 5 7

V A L U E - M A N A G E M E N T

Schwierigkeiten verbunden, asymmetrische Information zwischen Insidern und Financiers sind ausgeprägt.

I

Private Equity

Public Equity

I Later stage

4. Buyout

5. Restructuring

I

IPO

Bild 81: Veranschaulichung der Beziehung zwischen Venture-Capital und Private-Equity sowie ein Blick auf die Phasen.

Was die Risiken anbelangt, so gibt es beträchtliche Verhaltensrisiken. Die Firmengründer könnten das wirtschaftliche Ziel aus den Augen verlieren, sich als schwache Manager erweisen, oder sich sogar untereinander streiten. Deshalb wollen die Geber regelmäßig ausgedehnte Informationsrechte, vielleicht auch Entscheidungsrechte oder sogar die Mehrheit. Vielfach bieten sie auch Know-how im technischen Bereich oder bei der Vermarktung. Insgesamt geben sie nicht nur Geld sondern Geld plus Rat, sogenanntes Smart Money. Als Schutz gegen die nicht vorhandene Liquidität der Finanzkontrakte wünschen sie explizit vereinbarte Regelungen für den Austritt (ExitRegeln). Neu gegründete Unternehmen durchlaufen Phasen. 1. Seed-Phase. Hier begeistern sich sind die Gründer für ihre Erfindung. Sie verbünden sich, um das Geschäft gemeinsam zu beginnen. Die Partnerschaft ist paritätisch, auch wenn die Gründer höchst ungleich sind. Man findet sich. Jeder zeigt Großzügigkeit dem anderen gegenüber. Die Gründer müssen nun eine Geschäftsidee formulieren. Gelegentlich gibt es einen externen Gönner, der die "Bastelei in der Garage" finanziell fördert.

358

LEXIKON

2. Startup-Phase. Es gibt es bereits eine Rechtsform, eine Firma. Jetzt müssen die "Basteleien" in echte Produkte umgesetzt werden, die vermarktet werden könnten. Erste Interessenten tauchen auf: Die junge Firma probiert, in welche Richtung sie gehen könnte. Sie versucht, es wird experimentiert, welche Mitarbeiter sich für welche Leistungen eignen. Die Suche in alle Richtungen ist wichtig, weil noch nicht vollständige Klarheit besteht. Es ist aber auch teuer, wenn man in viele Richtungen gleichzeitig geht. Ein junge Firma kann das nur, wenn die finanzielle Risiken getragen werden. Auf einmal werden unterschiedliche Perspektiven deutlich. Der eine möchte mehr Controlling, der andere hinterläuft es mit schnellen Entscheidungen. Interessensunterschiede sind naturgemäß mit dieser Phase (Startup) verbunden; sie haben nichts mit den konkreten Personen zu tun. Vielleicht gelingt es, dass man sich mit Achtung begegnet und weiß, dass diese Phase (Startup) eine des Suchens in viele Richtungen ist, und daß es Diskussionen gibt. Schade, wenn es emotional wird und die ursprüngliche Gemeinsamkeit der Seed-Phase in Vergessenheit gerät. 3. Innovation oder Expansion. Mit Innovation ist nicht die "Erfindung" gemeint, sondern das Wachstum der Unternehmung und die Markterschliessung. In dieser Phase muss die Firma eine wichtige Veränderung bewerkstelligen. Sie muss aus dem Suchen in viele Richtungen heraus eine Festlegung treffen. Die zu treffende Festlegung in der Innovations-Phase lautet: Bei welchen der versuchten Leistungen und Richtungen haben wir ein "dominantes Design" mit dem wir wirklich Markterfolg haben werden und nachhaltiges Wachstum generieren können? Besteht hierüber Klarheit, kann man sich konzentrieren und wachsen. Die Umsetzung verlangt Kraft und Abstand: Der beim Suchen (Startup) angesammelte Babyspeck stört bei der Konzentration auf eine Richtung. Außerdem muß der Markt in Richtung des dominanten Designs erschlossen werden. Zudem müssen Ressourcen, auch finanzielle Ressourcen für das Wachstum systematisch geplant werden. Ein "starkes Management" ist wichtig. Unter Umständen sind die alten Personen jetzt hinderlich. Der eine war in der Such-Phase zu sehr mit dem Betrieb verhaftet, als dass er nun mit Unabhängigkeit die Fokussierung und das Abstoßen des Babyspecks schaffen könnte. Der andere war gut für die Seed-Phase, die Imagebildung und den Startup, hat Außenwirkung, ist aber kein professioneller Manager, der ein Budget aufstellen könnte. Von Private-Equity-Firmen ist immer wieder zu hören, dass Gründer in dieser dritten Phase der Innovation scheitern. Gelegentlich wäre es besser, wenn sich die Gründer zurückziehen.

V A L U E - M A N A G E M E N T

3 5 9

All das ist leichter zu schaffen, wenn ein professioneller Manager hinzu gezogen wird, der neutral ist, und der unternehmerisch handelt. Klarere Zuständigkeiten sind für diese Phase förderlich. Wenn professionelles Management in dieser Phase wichtig ist, dann ist es auch die klare Gewaltenteilung, die Planung, und das Controlling.

•=> Corporate-Venturing, Innovation, Private-Equity.

LEXIKON

3 6 0

w Wertschöpfungskette, Werttreiber, Wettbewerbsvorteile, Winner-Takes-All,

Wettbewerbsstrategie, Wissensgesellschafl.

Wertschöpfungskette Wird die unternehmerische Leistungserstellung auf einer hoch aggregierten Ebene, also in einer Gesamtschau dargestellt, und dann in Teilbereiche zerlegt, die in der Logik der Leistungserstellung aufeinanderfolgen (vertikale Gliederung), und werden für diese Teilbereiche der jeweilige wirtschaftliche Erfolg und die jeweilige Wettbewerbsposition im einzelnen ermittelt, entsteht die Wertschöpfungskette (Value Chain). Die Wertschöpfungskette stellt den Gesamtwert des Prozesses der Leistungserstellung für eine Gruppe von Produkten oder Dienstleistungen beziehungsweise für die gesamte Unternehmung dar. Sie zeigt die wertschaffenden Aktivitäten und die jeweilige Gewinnmarge auf. Die Wertschöpfungskette fördert das Verständnis für den Prozeß der Leistungserstellung insgesamt und erlaubt es, zu erkennen, in welchen Teilbereichen die Unternehmung eine starke Marktposition hat und in welchen Teilbereichen sie eher schwach ist. Die Wertschöpfungskette liefert damit Ansätze für die Wahl der bei den Gliedern jeweils passenden Wettbewerbsstrategie (Differenzierung oder Kostenführerschaft). 193 Um eine betriebswirtschaftliche Lehre zu schaffen, die hieran anknüpft, hat PORTER hat eine generische Wertschöpfungskette entworfen. Das ist eine Wertschöpfungskette, die einen typischen Produktionsbetrieb in seinen verschiedenen Tätigkeiten repräsentiert.

193

1. MICHAEL E. PORTER: Wettbewerbsvorteile: Spitzenleistungen erreichen und behaupten. Campus Verlag, 5. Auflage, Frankfurt am Main York 1999. 2. HENRY MINTZBERG: Generic S t r a t e g i e s , in: HENRY MINTZBERG u n d JAMES BRIAN QUINN: The

Strategy

and Contexts. Prentice Hall, Englewood Cliffs (NJ) 1992, pp. 70-82.

Process:

Concepts

VALUE-MANAGEMENT

36 1

P r i m ä r e Aktivitäten

Bild 82: Die Wertschöpfungskette nach PORTER.

An die Wertschöpfungskette eines Unternehmens schließen sich die Glieder der Wertschöpfungsketten direkter Geschäftspartner an, so daß durch Verbindung mehrerer Wertschöpfungsketten eine Verbindung von den Rohstoffmärkten zu den Endverbrauchern hergestellt werden kann. Allerdings ist diese Sicht stark auf die Verarbeitung materieller Ressourcen und den Materialfluß in der Fertigung bezogen: Rohstoffe werden gewonnen, es entstehen verschiedene Zwischenprodukte, und dann schließlich Produkte für den Endverbraucher. Das Konzept der Wertschöpfungskette stammt daher noch aus der Old Economy und möchte für eine Unternehmung mit hoher vertikaler Konzentration erkennen lassen, welche der Kettenglieder vielleicht besser ausgegliedert werden sollten. Die Ideen der Arbeitsteilung haben sich in der New Economy noch verstärkt. Besonders im Bereich des E-Commerce wird von der Aufspaltung der Wertschöpfungskette (deconstruction of the value chain) gesprochen. Die Geschäftsmodelle in der New Economy sehen einen auf mehrere Unternehmungen aufgespaltenen Prozeß der Leistungserstellung vor. Jede Unternehmung konzentriert sich auf eine oder einige wenige Aktivitäten. Allerdings vollzieht sich in der New Economy die Arbeitsteilung nicht entlang der Schritte des Materialflusses, sondern an Kompetenzen und Wissenspakten, die nicht linear (wie die Glieder einer Kette) miteinander verknüpft sind. Daher wird das Konzept der Wertschöpfungskette als weniger geeignet angesehen, Vorschläge für die auch in der Wissensgesellschaft erforderliche Spezialisierung und Arbeitsteilung zu liefern. ^

E-Commerce, PORTER, Werttreiber, Wettbewerbsstrategie.

3 62

LEXIKON

Werttreiber Werttreiber (Value Driver) sind Einflußfaktoren auf Zielgrößen wie Wert oder Outperformance, die im Economic-Modell abgebildet werden. Der Begriff der Value Driver geht auf RAPPAPORT zurück. Nach seiner Erkenntnis, der Wert sei als Barwert der Freien Cashflows bestimmt, stellte Rappaport die Frage, von welchen Größen der Freie Cashflow und der für die Diskontierung herangezogene Kapitalkostensatz nun abhängen.

Corporate Objective

Valuation Components

Value Drivers

Management Decisions

Bild 83: Das Werttreiber-Netzwerk nach RAPPAPORT.

Hier können fünf Einflußfaktoren erkannt werden: 1. Der Umsatz, 2. die Marge, 3. das Anlagevermögen, 4. das Umlaufvermögen, 5. die Kapitalstruktur und die Steuerbelastung.

V A L U E - M A N A G E M E N T

363

So können verschiedene Ansätze zur Steigerung des Unternehmenswertes gefunden werden, die auf einen oder einzelne dieser Werttreiber bezogen sind. Diese Ansätze sind logisch miteinander verknüpft, und sie haben für die unterschiedlichen Ebenen des Managements eigene Bedeutungen. Die Darstellung der Werttreiber in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit und für die verschiedenen Ebenen wird als WerttreiberNetzwerk bezeichnet. Zudem hat sich herausgestellt, daß die Werttreiber mit den generischen Wettbewerbsstrategien harmonieren, sich also konkret beispielsweise als Kostenführerschaft oder als Differenzierung ausgestalten lassen. •=> Accounting-Modell — Economic-Modell, Genetische Wettbewerbsstrategien, RAPPAPORT.

Wettbewerbsstrategie Jede Unternehmung muß planen, mit welcher Politik oder Strategie sie im Produktmarkt als Wettbewerber auftreten möchte, sie muß eine Wettbewerbsstrategie wählen.194 Die Wettbewerbsstrategie bezieht sich primäre auf den Produktmarkt, doch wird eine Unternehmung möglicherweise auch in den Märkten für Faktoren eine Strategie für den Auftritt eigens festlegen. Bekanntlich haben Automobilkonzerne im vergangenen Jahrzehnt eine besondere Strategie gegenüber den Zulieferern umgesetzt. Consulting-Firmen oder Investmentbanken haben oft keine besonderen Probleme beim Absatz ihrer Dienstleistungen, sind aber laufend um eine bessere Akquisition von Hochschulabsolventen bemüht. In allen diesen Märkten für Produkte und Dienstleistungen beziehungsweise für Faktoren spielen geplante und ungeplante Elemente in die konkreten Entscheidungen einer Unternehmung hinein. Eine Wettbewerbsstrategie kann sowohl beabsichtigt und geplant als auch, wie gesagt wird, emergent sein. Letzteres bezeichnet eine ungeplante und spontane Verhaltensweise, die sich aus der Erfahrung eines Senior Managers ergibt, der fallweise entscheidet, ob einem Kunden ein Preisnachlaß geboten werden soll. Die Wettbewerbsstrategie kann also formal festgelegt und schriftlich kommuniziert oder durch die Kultur vorgelebt und so erkennbar gemacht werden.

LEXIKON

3 64

Bild

84:

Triebkräfte des Branchenwettbewerbs nach

PORTER

(1999, p. 34).

Bei der Wahl der Wettbewerbsstrategie gibt es zahlreiche Einflußfaktoren oder Nebenbedingungen. Es kommt auf die eigenen Fähigkeiten an, auf das Verhalten der Kunden, auf die Technologie der Leistungserstellung, auf die Politik konkurrierender Anbieter sowie auf das regulatorische Umfeld. Die Planung der Wettbewerbsstrategie setzt die Beantwortung verschiedener Fragen voraus: •

Wer sind gegenwärtig die Wettbewerber in der eigenen Branche? Wer könnte in Zukunft als Wettbewerber auftreten?



Welche Technologien für die Produktion und Distribution werden eingesetzt, welcher Wandel zeichnet sich hierbei ab?



Wer sind die Abnehmer oder Kunden, die Lieferanten für Vorleistungen und welche Substitute gibt es? Welche Rolle spielen Markennamen oder Moden? Hat die nächste Generation ein anderes Verhalten?



Wie sind die betreffenden Märkte reguliert? Welche Rolle spielen spezielle Steuern?

Die Analyse des Wettbewerbsumfelds soll das Management dazu befähigen, das Unternehmen im Wettbewerb zu positionieren. 194

1. MICHAEL E. PORTER: Wettbewerbsstrategie.

10. Auflage, Campus Verlag, Frankfurt

a m M a i n 1 9 9 9 . 2 . HENRY MINTZBERG: Five P s f o r S t r a t e g y , in: HENRY MINTZBERG u n d JAMES

BRIAN QUINN: The Strategy Process: Concepts and Contexts. Prentice Hall International, Englewood Cliffs (NJ) 1992, pp. 12-19.

3 6 5

V A L U E - M A N A G E M E N T

Veränderungen dieser Faktoren sind oft absehbar, und können gelegentlich anhand von Frühwamindikatoren erkannt werden.195 • Viele Märkte (Finanzdienstleistungen, Luftfahrt) werden heute dereguliert. Schon deshalb müssen althergebrachte Wettbewerbsstrategien revidiert werden. •

Des weiteren öffnen sich die Märkte nicht nur insofern als geographisch entferntere Anbieter auf einmal in den lokalen Wettbewerb treten. Die Märkte öffnen sich auf einmal auch für branchenfremde Anbieter. Beispielsweise werden heute Finanzdienstleistungen von Nichtbanken angeboten.



Zudem verlagert sich die Bedeutung von den Produkten auf Kanäle (Channels).

Es gibt also grundlegende Veränderungen, die eine Revision der Wettbewerbsstrategie bedingen können. Die heute üblichen Ansätze zur Bestimmung der Wettbewerbsstrategie fußen vielfach auf einer Analyse der Branche. Doch wird neuerdings gesehen, daß es Formen technischen Wandels gibt, die branchenfremden Unternehmen den Zutritt auf die Märkte ermöglichen. Die gegenwärtige Branchenstruktur — Frage: welchem Wirtschaftssektor gehören wir an? — ist daher wenig geeignet, als Basis für die strategische Positionierung des Unternehmens zu dienen. Das Unternehmen wird sich also statt dessen als Portfolio von Kernkompetenzen verstehen — was können wir eigentlich? — und so die Verwurzelung in einer Branche relativieren. Sie wird nicht im traditionellen Organisationsschema der Strategischen Geschäftseinheiten mit ihren Strategischen Erfolgspositionen verhaftet bleiben — wo stehen wir bisher im Markt gut da?196 Sind die Fähigkeiten oder Kernkompetenzen einmal identifiziert, dann wird die Unternehmung daraus erst die Kernprodukte ableiten, die dann in den Geschäftseinheiten die Grundlage für verschiedene Marktleistungen darstellen werden. Die so beschriebene Bestimmung der Gesamtentwicklung kann eher durch eine klar formulierte Ambition ausgedrückt werden, die Zukunft zu gestalten, als durch das Resultat einer partiellen Analyse der hergebrachten Branche. Um das Unternehmen auf eine möglicherweise neue Aufgabe auszurichten, ist folglich ein ehrgeiziger Einsatz (Ambition) 195 ULRICH KRYSTEK u n d G Ü N T E R M Ü L L E R - S T E W E N S : Frühaufklärung

fikation und Handhabung Stuttgart 1993. 196

zukünftiger

Chancen

1. G A R Y H A M E L u n d C . K . PRAHALAD: The

Business

Review

(Mai-Juni

nen. Haupt, Bern 1992.

Core

für

und Bedrohungen.

Competence

of the

Unternehmen:

Identi-

Schäffer-Poeschel,

Corporation.

1 9 9 0 ) , p p . 7 9 - 9 1 . 2 . C U N O PÜMPIN: Strategische

Harvard Erfolgspositio-

LEXIKON

366

verlangt oder, etwas konkreter, Absichtserklärung.197

ein Strategie Intent, eine strategische

In der Tat hört man heute zunehmend Ankündigungen, daß eine Unternehmung in diesen oder jenen Forschungsbereich oder Markt eintreten möchte. Mit dieser Verhaltensweise sollen mögliche Konkurrenten frühzeitig orientiert und abgeschreckt werden, eine ähnliche Richtung einzuschlagen. Die frühe Ankündigung (zur Abschreckung von Nachahmern) ist eine Strategie, die in der Spieltheorie untersucht wird. Die Spieltheorie lehrt, wann ein Mitwirkender durch einen ersten Schritt sich einen dauerhaften Vorsprung sichert (first-mover advantage). Einen ersten Schritt kann man gehen, oder, wenn die Zeit drängt, auch einfach ankündigen. Überhaupt wird zunehmend die Spieltheorie als Methode eingesetzt, um die Politik gegenüber Konkurrenten zu bestimmen. Eine andere spieltheoretische Lösung ist beispielsweise jene Empfehlung an den Besten, stets den zweitbesten zu beobachten und zu imitieren, um sich dagegen abzusichern, daß der Zweitbeste mit einem Manöver (welches der Beste vielleicht nicht ausführt) auf einmal vorrücken könnte. Beispielsweise wurde Microsoft vorgeworfen, es habe nicht mehr das Ziel im Auge, Software selbst und kreativ weiter zu entwickeln, sondern beobachte lediglich, was Konkurrenten entwickeln, um sich mit einer Imitation und der noch ungebrochenen Kraft des Ersten an die Spitze neuer Entwicklungen zu setzen und den eigentlichen Erfinder der Neuheit in den Schatten zu stellen. => Kernkompetenzen,

PORTER,

Wettbewerbsstrategie.

Winner-Take-All Game Durch den technischen Fortschritt bei Transport und Verpackung sowie die leichtere Koordination von Geschäftsaktivitäten haben viele Produktmärkte eine Struktur gewonnen, bei der ein einziger Unternehmer den gesamten Markt weltweit bedienen könnte. Es gibt deutliche Skalenerträge. Der Marktmechanismus führt dann nicht wie früher zu einer Aufteilung des Kuchens, bei der jeder eine mehr oder minder große Scheibe erhält. Es ist wie beim Sport: Einer der Spieler siegt und trägt die Trophäe davon.

197

GARY HAMEL und C. K. PRAHALAD: Competing for the Future. Harvard Business School Press, Boston 1994.

VALUE-MANAGEMENT

367



Es ist derjenige Anbieter, der am schnellsten ist und einen hinreichend großen Markterfolg erzielt.



Achtung: es muß sich dabei nicht um den Erfinder eines Produktes oder einer Dienstleistung handeln.



Derjenige Anbieter gewinnt, der ein Portal am schnellsten (auf hinreichend attraktive Weise) besetzt.

Diese Art von Marktgeschehen wird mit dem Bild The winner takes all (WTA) umschrieben oder als Winner-Take-All Game bezeichnet. Alle anderen Anbieter bleiben dann aus Sicht der Abnehmer nachrangig und können ihre vielleicht vorhandene Attraktivität nicht mehr zur Geltung bringen. Sie können dann keine Abnehmer mehr direkt bedienen und müssen sich zufrieden geben, wenn sie für den Gewinner Hilfsdienste ausführen dürfen. Die genaue Allokation, die in einem Markt zustande kommt, hängt — abgesehen von den Startbedingungen für Tausch und Produktion — im wesentlichen von Grenzraten der Substitution ab. Praktisch geht es dabei um Produktionskosten, um Transportkosten und um die Rate, mit der Abnehmer bereit sind, Güter zu substituieren. In der Wissensgesellschaft sind die Einsichten und Modelle der MikroÖkonomie nicht außer Kraft gesetzt, jedoch haben die Kosten- und Nachfragefunktionen verändert. => Lock-In-Effekt, Wissensgesellschaft

Wissensgesellschaft Die historische Entwicklung des Wirtschaftslebens und der Gesellschaft hat auf verschiedene Produktionsfaktoren oder Technologien den Schwerpunkt gelegt. So sprechen wir beispielsweise von der Agrargesellschaft oder der Industriegesellschaft. Derzeit ist wieder ein Paradigmenwechsel erkennbar, der zur Wissensgesellschaft führt. In der Wissensgesellschaft sind die wertvollsten Faktoren nicht mehr hart wie Fabriken und Maschinen, sondern weich wie Software und Know-how. Der Wechsel, der von der Industrie- zur Wissensgesellschaft führt, wurde vor allem von DRUCKER beschrieben. Der Faktor Wissen wird die wettbewerbsentscheidende Basisressource, während in den zurückliegenden Jahrhunderten die Basisressourcen aus den Produktionsfakto-

LEXIKON

36B

ren Arbeit, Land und Kapital bestanden haben. 198 DRUCKER prägte auch den Begriff Wissensgesellschaft. Das Wissen wird zum wichtigsten Faktor, und die Bedeutung des Wissens strahlt auf die Gesellschaft aus. Das bedeutet: Diese neue Perspektive führt zu einem neuen Verständnis von der Unternehmung und von den Aufgaben des Managements — verantwortungsvoller Umgang mit der Ressource Wissen. Um für Phänomene der Wissensgesellschaft bessere Erklärungen zu erhalten, wurde die wissensbasierten Theorie der Unternehmung entworfen. Die wissensbasierte Theorie der Unternehmung geht von der strategische Bedeutung des Faktors Wissen zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen aus. 199 Eines ihrer Grundpostulate besagt, daß Unternehmen im Vergleich zu anderen Formen ökonomischer Kooperation die natürlichen Träger des Wissens sind. Unternehmen, als Organisationsform, können also sehr effizient sein, weil sie überragende Möglichkeiten zur Erzeugung und Ausnutzung von Wissen besitzen — etwa im Unterschied zum Markt, wo die Transakteure mit vergleichsweise wenig Kommunikation den Tausch bewerkstelligen. Zwar haben Unternehmen auch Kosten für die interne Koordination (man denke an bürokratische Planung und die Hierarchie). Früher wurde daher die Frage gestellt, warum Unternehmen nicht zerfallen und alle kooperativen Transaktionen über einen Markt zustande kommen. Die von COASE gegebene Antwort auf diese Frage war, daß es trotz der internen Ineffizienzen Unternehmen gibt, weil auch die organisatorische Alternative, der Markt, nicht ganz "reibungsfrei" funktioniert und Transaktionskosten verursacht. Das Grundpostulat der wissensbasierten Theorie der Unternehmung lautet, daß trotz gewisser interner Kosten für Bürokratie und Hierarchie die Unternehmung anderen Organisationsformen wie etwa dem Markt überlegen ist, weil ihr der inzwischen wichtig gewordene Transfer von Informationen und Wissen effizienter gelingt (als dem Markt).

198

Literatur: 1. PETER F. DRUCKER: Post-Capitalist

1 9 9 3 . 2 . IKUJIRO NONAKA u n d HIROTAKA TAKEUCHI: Die

nische Unternehmen eine brachliegende Frankfurt am Main 1997.

199

Ressource

Society. Harper Business, New York Organisation

nutzbar

des

machen.

Wissens:

Wie

Campus

japa-

Verlag,

1. ROBERT M. GRANT: Towards a Knowledge-Based Theory of the Firm. Strategic Management Journal 17 (Winter Special Issue 1996) pp. 109-122. 2. JANINE NAHAPIET und SUMANTRA GHOSHAL: Social Capital, Intellectual Capital, and the Organizational Advantage. Academy of Management Review 23 (April 1998) 2, pp. 242-266. 3. GARY HAMEL: Competition for Competence and Inter-Partner Learning within International Strategic Alliances. Strategic Management Journal 12 (1991), pp. 83-103.

V A L U E - M A N A G E M E N T

3 6 9

Die Effizienz der Unternehmung in der Wissensgesellschaft wird als organizational advantage bezeichnet. Sie begründet neu, weshalb trotz insgesamt geringerer Transaktionskosten für das Marktgeschehen (geringere Transportkosten, geringere Informationskosten durch E-Commerce) die Unternehmen nicht einfach zerfallen. Unternehmen haben weiterhin oder sogar verstärkte Existenzgründe — eben die überlegene Fähigkeit, neues Wissen zu schaffen, dieses innerhalb der Unternehmensgrenzen zu transferieren und dadurch nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu generieren.200

In der Wissensgesellschaft wird Wissen zum zentralen Produktionsfaktor. •

Der sogenannte resource-based uiew ist Grundlage der wissensbasierten Theorie der Unternehmung und versucht, Wettbewerbsvorteile anhand der unterschiedlichen Ausstattung von Unternehmen mit kritischen Fähigkeiten und Ressourcen zu erklären.201



Er steht damit im Gegensatz zum traditionellen enuironmentbased view, der Wettbewerbsvorteile anhand unterschiedlicher Produkt-Markt-Positionen erklärt, aber die spezifische Ausstattung von Unternehmen mit Ressourcen und Fähigkeiten eher vernachlässigt.

Beim enuironment-based uiew wird das Unternehmen in der Form einer Wertschöpfimgskette betrachtet, die alle strategisch relevanten Tätigkeiten repräsentiert. Diese Aktivitäten sind Grundlage für die beiden Grundtypen von Wettbewerbsvorteilen: Kostenvorteile und Differenzierungsmöglichkeiten gegenüber der Konkurrenz. Während also der enuironment-based uiew das Umfeld betrachtet, wendet sich der resource-based uiew dem "Inneren" der Unternehmung zu. Deshalb können nur einzigartige Ressourcen und Fähigkeiten zu Wettbewerbsvorteilen führen. Um das herauszufinden, werden die im Un-

1. BRUCE KOGUT und UDO ZANDER: What Firms Do? Coordination, Identity, and Learning. Organization Science. 7 (September/October 1996) 5, pp. 502-518. 2. SUMANTRA GHOSHAL und PETER MORAN: Bad for Practice: A Critique of the Transaction Cost Theoiy. Academy of Management Review 21 (January 1996) 1, pp. 13-47. 200

201 1. GILBERT P R O B S T , BETTINA B Ü C H E L u n d STEFFEN R A U B : K n o w l e d g e

as a Strategie

s o u r c e , i n : G E O R G VON K R O G H , JOHAN R O O S u n d D I R K KLEINE ( H r s g . ) : Knowing

derstanding,

Managing and Measuring Knowledge.

in Firms:

ReUn-

Sage, London 1998, pp. 240-252. 2.

G E O R G VON K R O G H u n d M A R K U S VENZIN: A n h a l t e n d e W e t t b e w e r b s v o r t e i l e

durch

Wissens-

management. Die Unternehmung 6 (1995), pp. 417-436. 3. Auch der KernkompetenzAnsatz basiert auf dem resource-based view, vergleiche GARY HAMEL und C.K. PRAHALAD: The Core Competence of the Corporation. Harvard Business Review (Mai-Juni 1990), pp. 81 und folgende.

LEXIKON

370

ternehmen vorhandenen Fähigkeiten und Ressourcen anhand von bestimmten Kriterien bewertet.

Anhaltende Wettbewerbsvorteile —_ durch.... _

Bild 85: D i e G e n e r i e r u n g a n h a l t e n d e r W e t t b e w e r b s v o r t e i l e d u r c h W i s s e n .

Um zu Wettbewerbsvorteilen führen zu können, müssen die Fähigkeiten folgende vier Kriterien erfüllen: Sie müssen wertvoll sein, das heißt, direkten Kundennutzen stiften. Sie müssen 2. selten und 3. nicht imitierbar sein und sie sollen 4. keine gleichwertigen Substitute haben.202 Als maßgeblich für die Existenz von anhaltenden Wettbewerbsvorteilen gelten die Kriterien 3 (nicht imitierbar) und 4 (keine Substitute). Wendet man die oben genannten vier Kriterien auf den Faktor Wissen an, dann führt insbesondere die schwere Imitierbarkeit von Wissen beziehungsweise ein nur langsam einholbarer Wissensvorsprung zu Wettbewerbsvorteilen. Denn im Gegensatz zu anderen Ressourcen kann Wissen nicht einfach über einen Markt bezogen werden, sondern muß durch langwierige Erfahrungsprozesse eigenständig aufgebaut werden (Genauer: implizites Wissen muß selbst gesammelt werden, explizites Wissen kann teilweise über den Markt besorgt werden203). Dies wird im Rahmen des Knowledge-Managements angestrebt. •=> E-Commerce, COASE, DRUCKER, Kernkompetenzen, Management, Wertschöpfungskette.

202

Knowledge-

JAY B. BARNEY: Firm Resources and Sustained Competitive Advantage. Journal of Ma-

nagement

17 ( 1 9 9 1 ) , p p . 9 9 - 1 2 0 .

203

Zum Unterschied zwischen explizitem und implizitem Wissen (tacit knowledge) vergleiche IKUJIRO NONAKA: The Knowledge-Creating Company. Harvard Business Review 69 ( N o v e m b e r / D e c e m b e r 1991), pp. 9 6 - 1 0 4 .

VALUE-MANAGEMENT

3 7 1

X,Y,Z Zirkularitätsproblem.

Zirkularitätsproblem "S

Der Unternehmenswert ist bei der Entity-Methode als Barwert der erwarteten Freien Cashflows definiert. Die Diskontfaktoren ergeben sich aus den Kapitalkosten (WACC). Sie sind als gewichtetes Mittel der Eigenkapitalkosten und der Fremdkapitalkosten bestimmt. Die Gewichte entsprechen den relativen Anteilen von Eigenkapital und Fremdkapital. Um sie zu bestimmen, muß jedoch der Unternehmenswert gegeben sein. Also: Um den Unternehmenswert zu berechnen, muß man ihn schon kennen. Man spricht vom Zirkularitätsproblem.

Mathematisch gesehen liegt kein besonderes Problem vor: Man hat eben nicht eine Gleichung zur Bestimmung des Unternehmenswertes, sondern ein Gleichungssystem. Dessen beide Gleichungen lauten:

EK + FK

=

WACC

=

FCF.+Z, !

1

1+ WACC

+

FCF2+Z2 1 V +••• (1+ WACC)1

EK FK //«•+" 171/ , Z7f EK + FK ™ EK + FK

Die beiden Unbekannten sind der Marktwert des Eigenkapitals, EK, und die Höhe der durchschnittlichen Kapitalkosten, WACC. Der Marktwert des Fremdkapitals darf als gegeben betrachtet werden; ebenso gegeben sind die Eigenkapitalkosten, //, und die Fremdkapitalkosten, i. Gleichfalls sind die prognostizierten Freien Cashflows FCFX,FCF2,... sowie die Höhe der zu zahlenden Zinsen Z,, Z2,... gegeben. In der Rechenpraxis wird das Gleichungssystem iterativ gelöst. Man errechnet den Wert (oberste Gleichung) für approximativ bestimmte Ka-

LEXIKON

372

pitalkosten, nimmt dann den Wert, um die Kapitalkosten (untere Gleichung) genauer zu bestimmen, geht damit wieder in die obere Gleichung, und so fort. Ein weiteres Zirkularitätsproblem entsteht, weil auch die Eigenkapitalkosten von der Kapitalstruktur abhängen.204 Es möge das CAPM gelten und es bezeichne ßa das Beta der Unternehmung, wäre sie unverschuldet. Ist die Unternehmung vollständig eigenfmanziert, wären die Eigenkapitalkosten durch //= i + ßQ -;') gegeben. Dabei steht /uM für die Renditeerwartung auf das Marktportfolio und i ist der Einjahreszins am Kapitalmarkt. Mit zunehmender Verschuldung (Leverage) steigen jedoch die Eigenkapitalkosten, und zwar in der folgenden Weise:

FK

Man könnte nun argumentieren, die WACC seien deshalb vom Verschuldungsgrad unabhängig. Wenn jedoch die Fremdkapitalkosten iFK der Unternehmung und der Einjahreszins am Kapitalmarkt, i, nicht übereinstimmen, oder wenn gewisse steuerliche Überlegungen hinein spielen, ist das nicht der Fall und es entsteht das zweitgenannte Zirkularitätsproblem. => Beta, CAPM, Entity-Methode, Kapitalkosten, Leverage-Effekt.

204 1. BERNHARD SCHWETZLER u n d NIKLAS DARIJUSCHUK: U n t e r n e h m e n s b e w e r t u n g m i t H i l f e

der DCF-Methode — eine Anmerkung zum Zirkularitätsproblem. Zeitschrift für wirtschaft

6 9 ( 1 9 9 9 ) , p p . 2 9 5 - 3 1 8 . 2. PETER NIPPEL: Z i r k u l a r i t ä t s p r o b l e m e

nehmensbewertung. Betriebswirtschaftliche

Betriebs-

in der

Unter-

Forschung und Praxis 51 (1999), pp. 333-347.

3 7 3

V A L U E - M A N A G E M E N T

Wertmanagement auch in Europa? Können und sollen die Ideen des Wertmanagements in die Unternehmenslandschaft Europas verpflanzt werden? Zur Beantwortung dienen drei Argumente: 1. Die Zielsetzung einer Unternehmung steht in Zusammenhang mit der Ordnungspolitik und kann nicht losgelöst von ihr gewählt werden. 2. Die ordnungspolitischen Systeme der USA und Europas unterscheiden sich, doch ist keines dem anderen überlegen, beide sind effizient. 3. Es gibt keine freie Wahl, weil Märkte "von allein" vordringen und weil die Adverse Selektion dazu zwingt, Schritte in Richtung auf ein marktkonformes System zu gehen. Also: Kann Value-Management auf die Unternehmenslandschaft in Europa übertragen werden? Ja, aber es muß die Ordnungspolitik geändert werden. Sollen die Ideen des Wertmanagements auf Europa übertragen werden? Es bleibt nichts anderes übrig.

Märkte für große Länder, Intermediäre für kleine Länder Vor 125 Jahren wurden mit den Erfindungen in Elektrotechnik, Stahlbau und Chemie fundamentale Veränderungen der Wirtschaft in Gang gesetzt, die zur industrialisierten Welt führten. Zunehmende Skalenerträge bei den neuen Technologien begünstigten die Entstehung großer Fabrikanlagen und weitgespannter Organisationen. Zum Aufbau der Industrie waren einerseits erhebliche Investitionsmittel und die Übernahme von Risiken erforderlich. Andererseits gab es Einkommen in bis dahin nicht gekannter Höhe, das zu einem Teil wieder angelegt werden konnte. Im Zuge der Industrialisierung verzeichnete deshalb der Finanzsektor einen großen Aufschwung; Börsen und Banken wurden für die Wirtschaft immer bedeutender.205 205 1. A L E X A N D E R GERSCHENKRON: Economic

backwardness

in historical

Cam-

perspective.

bridge University Press, Cambridge 1962. 2. RICHARD H. TILLY: German Banking 18501914: Development Assistance to the Strong. Journal of European Economic History 15, pp.

1 1 3 - 1 5 2 . 3 . M A R T I N H E L L W I G : Banking,

financial

i n : A L B E R T O GIOVANNI u n d COLIN M A Y E R : European sity Press, C a m b r i d g e

intermediation financial

and

integration.

corporate Cambridge

finance, Univer-

1 9 9 1 . 4 . J O N A T H A N BARRON B A S K I N u n d P A U L J . M I R A N T I , J R . : A

ry of corporate finance. Cambridge University Press, Cambridge 1997.

histo-

LEXIKON

3 74

Charakteristika

Angelsächsisches Finanzsystem

Kontinentaleuropäisches Finanzsystem

Universalbanksystem

nein

ja

Anzahl bedeutender Banken

groß

klein

Langfristige Kreditbeziehungen zwischen Banken und Unternehmen

selten

verbreitet

Wettbewerb zwischen Banken und Finanzmärkten

hoch

gering

Finanzkapital in der Hand von Banken relativ zu anderen Finanzinstitutionen

unbedeutend

bedeutend

Verschuldungsgrad

niedrig

hoch

Anteil Bankkredite am Fremdkapital

niedrig

hoch

Anteil Anleihen a m Fremdkapital

hoch

gering

Bankbeteiligungen an Industrieunternehmen

niedrig

hoch

Eigentümerkonzentration

gering

hoch

Eigentumsverflechtungen

gering

hoch

Kontrolltransfers

häufig

selten

Kapitalmarktentwicklung im Hinblick auf hoch das Diversifikationspotential Markt für Unternehmenskontrolle

entwickelt

niedrig nicht entwickelt

Bild 86: Traditionelle Unterscheidungsmerkmale angelsächsischer und kontin e n t a l e u r o p ä i s c h e r F i n a n z s y s t e m e . Q u e l l e n : BERGLÖF ( 1 9 9 1 , p. 2 5 0 ) , ALLEN u n d GALE ( 1 9 9 5 ) .

Was die relative Gewichtung von Finanzmarkt und Finanzintermediär innerhalb des Finanzsektors betrifft, so gab es von Anfang an Unterschiede zwischen Amerika und Kontinentaleuropa. In den USA wie auch in England entfalteten sich die Börsen schneller als das Bankwesen, während in den kontinentaleuropäischen Ländern und später auch in Japan das Umgekehrte zutraf: Hierzulande entfalteten sich Banken schneller als sich die Finanzmärkte entwickeln konnten. Ein Grund für diese Verschiedenheit kann darin liegen, daß sich in großen Ländern Märkte leichter etablieren lassen als in kleinen Wirtschaftsräumen. Denn damit Finanzmärkte die einem Markt zugedachten Funktionen erfüllen können, müssen sie hinreichend liquide sein. In einem großen Land wie den USA konnten viel früher gut funktionierende Märkte entstehen als in den vergleichsweise kleineren Ländern des fragmentierten Europas. Wo ein liquider Markt möglich ist, brauchen die transaktionswilligen Partner weder einen Makler noch einen Intermediär, um zusammenzufinden. Viele Transaktionen wurden in den USA also frühzeitig direkt über Märkte bewältigt. Das Marktsystem wurde zum dominanten Design im Finanzbereich.

V A L U E - M A N A G E M E N T

375

In der Folge der zunehmenden Leistungskraft der Finanzmärkte in den USA, des weiteren durch die Gesetzgebung (Glass-Steagall-Akt) unterstützt, wurden die amerikanischen Banken auf einzelne Funktionen eingeschränkt. Abgesehen von der Einschränkung auf eine Geschäftssparte behielten sie oft den lokalen Charakter einer auf einen US-Staat beschränkten Institution und blieben — gemessen an der Größe und Wirtschaftskraft der USA — schwach.206 In den europäischen Ländern verzeichneten dagegen Finanzintermediäre, vor allem Universalbanken und Versicherungsgesellschaften, einen deutlichen Aufstieg, während die Entfaltung der Finanzmärkte zurückblieb. Hier wurden die Intermediäre zum dominanten Design. Den Ausschlag zugunsten dieser Gewichtung dürften nicht oder nicht nur die Präferenz europäischer Investoren zugunsten festverzinslicher Depositen und Anlagen oder ihre größere Risikoaversion gegeben haben. Liquide und stabile Finanzmärkte zu schaffen, ist eben in kleineren Ländern aufwendig. Dort bieten Intermediäre günstigere Formen der Kooperation. Eine Bank oder Versicherungsgesellschaft kann die Aufgaben der Kapitalallokation besser bewerkstelligen als ein zu dünner und wenig liquider Markt. Sind aber einmal die Banken und Versicherungen das dominante Design eines Landes, dann bleiben sie es auch für lange Zeit. "Die Banken sind schon da, und wenn sie keine Fehler machen, müssen sie nicht so schnell weichen" meint ein Industrieökonom.

Banken sind bei Krediten gut

Weil in den kontinentaleuropäischen Ländern — zumindest in den anfänglichen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts — Finanzmärkte für Eigenkapital nur schwach entwickelt waren, stellte es gesamtwirtschaftlich gesehen eine bessere Lösung dar, daß die Aufgabe der Kapitalallokation von Banken und anderen Finanzintermediären übernommen wurde. Finanzintermediäre, die selbst Positionen übernehmen, können sich jedoch nur dann hinreichend günstig refinanzieren, wenn sie über die Reputation verfügen, sicher zu sein. Um diese Reputation der Sicherheit aufbauen zu können, haben Banken wie Versicherungen eine deutliche Präferenz fiir Fremdkapital Zudem ist der informatorische Aufwand, der den Banken und Versicherungen für die Vergabe und Überwachung von Krediten entsteht, geringer als bei der Bereitstellung von Eigenkapital.

2 0 6 MARK J. ROE: Strong managers, weak owners - The political roots of american finance. Princeton University Press, Princeton 1994.

corporate

3 7 6

LEXIKON

Banken können die Allokation von Fremdkapital besser als die von Eigenkapital vornehmen, was die relativ große Bedeutung des Fremdkapitals in den kontinentaleuropäischen Ländern erklärt.

Das bedeutet, daß die Banken als Intermediäre Fremdfinanzierung pflegten und ausbauten, die Finanzierung mit Risikokapital aber nicht als ihr Geschäftsfeld ansahen. In den USA, wo Finanzmärkte schnell das dominante Design wurden, konnte jedoch ebensogut die Allokation von Risikokapital bewerkstelligt werden wie die von Krediten. 1. Ein Ergebnis dieser unterschiedlichen Entwicklung ist, daß die angelsächsischen Unternehmen eher eigen- als fremdfinanziert sind, während kontinentaleuropäische Unternehmen im Durchschnitt einen deutlich höheren Verschuldungsgrad aufweisen.207 2. Ein weiteres Ergebnis sind die Unterschiede in den ordnungspolitischen Rahmenbedingungen und im jeweiligen Verständnis von Rolle und Ziel der Unternehmung, die sich in Amerika einerseits und in Europa andererseits herausgebildet haben. 3. Mit den Rahmenbedingungen und der Ordnungspolitik hat auch die Corporate-Govemance — die Beziehung zwischen dem Management einer Unternehmung und den Kapitalgebern und damit verbunden auch die Zielsetzung der Unternehmung selbst —in den USA und England eine andere Gestalt gefunden als in den kontinentaleuropäischen Ländern und in Japan.

Corporate-Govemance Diese Unterschiede zwischen Amerika und Europa sind durch entsprechende Gesetze, Rechnungslegungsvorschriften und die damit jeweils harmonierende Gestaltung des sozialpolitischen Rahmens gefestigt und verstärkt worden. So ist in den USA im Verlauf des letzten Jahrhunderts ein anderer ordnungspolitischer Rahmen entstanden und es hat sich eine andere Corporate-Govemance als in Europa herausgebildet. Waren mit Blick auf diese Unterschiede in Ordnungspolitik und Governance die europäischen Aktionäre benachteiligt?

207

Literatur zum Vergleich der unterschiedlichen Finanzsysteme: 1. FREDERIC ALLEN und DOUGLAS GALE: A welfare comparison of intermediaries and financial markets in Germany and the US. European Economic Review 39 (1995), pp. 179-209. 2. ERIC BERGLÖF: Reforming corporate governance: redirecting the European agenda. Economic Policy (1997), pp. 93-123.

VALUE-MANAGEMENT

3 77

Bild 87: Wie hat sich eine einmalige Anlage zu Jahresende 1925 entwickelt? Die mit den hohlen Rauten markierte Wertentwicklung zeigt eine Anlage von 100 Franken in Schweizer Aktien. Die oberste, ohne Marken versehene Entwicklung entspricht einer Anlage von 100 Dollar in US-Aktien (Index: Standard & Poors 500), Werte in Dollar. Die untere der beiden Entwicklungen ohne Marken beschreibt, stets in Franken umgerechnet, wie sich eine Anlage in US-Aktien (für einen Investor mit Referenzwährung Franken) entwickelt hatte. In der Tat deuten Schätzungen jedoch darauf hin, daß die langfristig mit einem Aktienportefeuille von US-Unternehmen erzielte Rendite bei 9.8% p.a. liegt, während etwa in Deutschland 12,1% erzielt worden sind (hierzu: RICHARD STEHLE: Aktien versus Renten, in: Handbuch Altersvorsorge (CRAMER, FÖRSTER, RULAND, eds.),Knapp, Frankfurt am Main 1998, pp. 815-831). Allerdings ist die Differenz kein Beweis für die geäußerte Vermutung, da selbst eine über drei oder vier Jahrzehnte laufende Schätzung nur ein Beispiel ist, das sich in einem speziellen historischen Rahmen abgespielt hat.

Viele Aktionäre vermuten, daß sie bei der europäischen Version des Unternehmensverständnisses über Jahre hinweg Nachteile haben hinnehmen müssen. Verfolgen wir die Hypothese, europäische Aktienrenditen hätten eine schlechtere Performance gezeigt als die der Aktiengesellschaften in den USA. Damit ist nicht gesagt, daß die europäischen Aktionäre in der Vergangenheit unter einer amerikanischen Form von CorporateGovernance besser gefahren wären. Denn es gibt Nebenbedingungen, die nicht von der Ordnungspolitik und der Governance abhängen: Land und Rohstoffe, Humanressourcen und Kultur.

37 8

LEXIKON

Diese Gegebenheiten könnten natürlich ebenso die wirtschaftlichen Ergebnisse beeinflussen und so unterschiedliche Renditen mit erklären. Selbst unter der Hypothese, europäische Eigenkapitalrenditen seien unterlegen, können also Faktoren für die geringere Rendite verantwortlich sein, die weder auf eine Unterlegenheit des europäischen Managements schließen lassen noch mit dem Einfluß der Banken zusammenhängen, noch mit der europäischen Version von Ordnungspolitik und Governance. Auf Grund dessen können wir empirisch nur die Frage klären, ob eine amerikanisch geprägte Kombination von Unternehmensziel, Unternehmensverständnis, Management, Banken und Kapitalmarkt, sowie von Land und Leuten zu einer höheren Rendite auf Eigenkapital geführt hatte (im Vergleich zur entsprechenden Kombination in Europa). Nun liegen uns langfristige Daten nur für wenige Länder vor — wir wählen deshalb für einen Vergleich mit den USA die Schweiz. Ferner bezieht sich der Vergleich nur auf Aktiengesellschaften. Unberücksichtigt bleibt, daß es in Europa sehr viele kleine und mittelgroße Unternehmen gegeben hat (und gibt), insbesondere Familienunternehmen und den Mittelstand. Hier war vielleicht eine andere Rendite zu verzeichnen als bei Aktiengesellschaften. In diesem Sinn hat der empirische Vergleich nur den Charakter einer Illustration, der eher für die Hypothesenbildung geeignet ist als für den Beweis einer schärferen Aussage. Dennoch ist das empirische Material interessant. Es belegt, daß — nach Währungskorrektur — ein amerikanischer Aktionär nicht besser gestellt war als ein schweizer Investor. Die Tatsache, daß die USA und Großbritannien wie auch die kontinentaleuropäischen Länder und Japan wirtschaftlich insgesamt annähernd gleich erfolgreich sind, verbietet es eigentlich, eine der beiden Versionen von CorporateGovernance als überlegen darzustellen.208 Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht sollte die in einer Volkswirtschaft gängige Form von Corporate-Governance effizient sein, das heißt, es sollte keine andere geben, die ihr hinsichtlich aller Aspekte überlegen wäre. Das amerikanische wie das europäische Verständnis von Rolle und Ziel der Unternehmung haben jeweils Vorteile und Nachteile. So kann nicht gesagt werden, eine der beiden Strukturen sei der anderen überlegen. Beide sind effizient, und beide sind deshalb in ihrem jeweiligen historischen Kontext akzeptabel.

3 7 9

V A L U E - M A N A G E M E N T

Es bleibt diese Schlußfolgerung: Auch europäische Manager haben Werte geschaffen, nur hatten sie aufgrund der anders strukturierten Ordnungspolitik und der anderen Corporate-Governance andere Ziele im Auge. Sie fokussierten sich nicht allein darauf, den Marktwert des Aktienkapitals zu steigern. Die in Europa breiter verstandene Zielsetzung hatte vielleicht sogar positive gesellschaftliche Wirkungen. So wird vielfach auf den sozialen Ausgleich in Europa als eine positive Errungenschaft unseres Wirtschaftslebens hingewiesen.

Adverse Selektion

Aufgrund dieser Ergebnisse könnten die Europäer an ihrem hergebrachten Verständnis von Rolle und Ziel der Unternehmung festhalten. Sie könnten daran denken, gegen die Forderung, die angelsächsische Struktur zu übernehmen, Widerstand zu leisten. Sollten sich die europäischen Manager gegen den Shareholder-Value als Managementprinzip wehren? Die Antwort lautet Nein. Zwar ist die europäische Form von Corporate-Governance der amerikanischen nicht unterlegen, auch waren europäische Manager nie rückständig, aber es gibt eine Veränderung, durch die der europäischen Version der Corporate-Governance immer mehr die Grundlage entzogen wird. Mit dieser Veränderung ist die immer weiter fortschreitende Entfaltung und Öffnung der Märkte angesprochen. Das europäische Unternehmensverständnis war ideal in einer Umgebung, in der es nicht hinreichend viele und liquide Märkte für alle bei der Koalition benötigten Ressourcen gab. Mit anderen Worten: Das europäische Unternehmensverständnis ist ideal für kleinere und mittelgroße Länder. Mit dem Beginn der europäischen Währungsunion und der Einführung des Euro als neuer Gemeinschaftswährung und mit dem Aufschwung der Märkte für die Faktoren, für Arbeit und andere Ressourcen hat sich die Situation jedoch geändert. Das europäische Unternehmensverständnis ist dem amerikanischen zwar nie unterlegen gewesen. Dennoch ist zu erkennen, daß es im Laufe der Zeit an Bedeutung verlieren wird, einfach deswegen, weil die Zukunft in Europa eine weitergehende monetäre und wirtschaftliche Integration und liquidere Märkte bringt.

208 MARTIN

HELLWIG:

Unternehmensfinanzierung,

Unternehmenskontrolle

und

Ressour-

cenallokation: Was leistet das Finanzsystem?, in: BERNHARD GAHLEN: Finanzmärkte. Mohr, Tübingen 1997.

LEXIKON

380

Gesellschaftstheorie

Gewohnheiten, Religion, Tradition

... wandeln sich alle 100 bis 1000 Jahre

Eigentumsrechte und Ordnungspolitik (Property Rights)

Formale Regeln, Rechtssystem, Wirtschaftsgesetze

... wandeln sich alle 10 bis 100 Jahre

Governance

Aufsichtsgremien, Motivation, Anreize

... wandeln sich alle 1 bis 10 Jahre

Führung, Planung, Delegation (Agency Theorie)

Produktion und Absatz, Forschung und Entwicklung (Allokation von Ressourcen)

... ändert sich laufend, auch innerhalb eines Jahres

Bild 88: D i e Z i e l s e t z u n g d e r U n t e r n e h m u n g steht in H a r m o n i e m i t d e m Untern e h m e n s v e r s t ä n d n i s . B e i d e sind eine Folge der C o r p o r a t e - G o v e r n a n c e u n d diese ergibt sich a u s d e r O r d n u n g s p o l i t i k . Die O r d n u n g s p o l i t i k w i e d e r u m ergibt sich a u s d e r " K u l t u r " o d e r a u s dem g e s e l l s c h a f t s t h e o r e t i s c h e n Modell. Alle diese E b e n e n k ö n n e n v e r ä n d e r t w e r d e n , j e d o c h in u n t e r s c h i e d l i c h e n Z e i t r ä u m e n .

Anders als die amerikanische sieht die europäische Prägung der Corporate-Governance die Unternehmung oft noch als Koalition. Verschiedene Parteien wirken in dieser Koalition zusammen, und allen erwachsen Vorteile aus der Fortführung der Koalition. Das Management weist den beteiligten Gruppen Aufgaben und Vorteile so zu, daß sich keine Gruppe der Mitwirkung in der Koalition entzieht.209 •

Solange es für jede der Gruppen außerhalb der Koalition nur ungünstigere Alternativen gab, auch weil vielleicht liquide Märkte in entsprechendem Umfang fehlten, blieb die Kontinuität gesichert. Je mehr der Erfolg der Koalition dasjenige übersteigt, was die Gruppen jeweils für sich getrennt außerhalb erreichen könnten, um so leichter ist es, die Koalition zu führen und fortzuführen.



Je effizienter in einer Wirtschaftsordnung die Ressourcenallokation außerhalb der Unternehmungen erfolgen kann, also je mehr sich Märkte entfalten, desto geringer wird aber die Wahrscheinlichkeit, daß Koalitionen auf längere Zeit mehr erwirtschaften und verteilen, als die einzelnen Partner bei den über den Markt gebotenen Alternativen erhalten könnten.

Koalitionen haben in dieser Situation nicht mehr lange Bestand, denn immer wieder werden sie von einer der Parteien verlassen: Das ist das Phänomen der Adversen Selektion. Wenn eine Partei außerhalb der Koalition einen günstigeren Vertrag erhalten kann, gibt es in der Koalition 209 1. REINHARDT H.

"Shareholder

Value",

SCHMIDT u n d JENS MASSMANN: Drei

Mißverständnisse

in: BRIJ NINO KUMAR et al.: Unternehmensethik

in der

zum

Thema

Transformation

des Wettbewerbs. Schaeffer-Poeschel, Stuttgart 1999. 2. HANS-GEREON FRÜH: Die Rolle der Banken in der Corporate Governance. Haupt, Bern 1999, pp. 79 ff.

V A L U E - M A N A G E M E N T

3 8 1

Bleibeverhandlungen, Neuverhandlungen und eine Reorganisation. Jede angesprochene Partei wird nur so lange mitwirken, wie ihre Vergütung in der Koalition wenigstens so hoch ist wie außerhalb im Markt. Das gilt auch für Eigenkapitalgeber: Sie werden in einer Unternehmungskoalition nur dann dauerhaft mitwirken, wenn eine Rendite erwartet werden kann, die das marktübliche Niveau erreicht. Der Schritt zum Wertmanagement ist auch in Europa unausweichlich.

Ein ungewohntes Modell

Allerdings sollte Europa nicht denken, man müsse nur eben die Aktionärsinteressen etwas stärker berücksichtigen, während sonst alles beim Alten bleiben könne und insbesondere weder die Governance noch die Ordnungspolitik angeglichen werden müßten. 1. Auf der obersten Ebene bestimmen Religion, Tradition und Weltanschauung den ordnungspolitischen Rahmen eines Landes. Religion, Tradition und Weltanschauung ändern sich natürlich nur in sehr langen Zeiträumen. 2. Der ordnungspolitische Rahmen eines Staates legt wiederum fest, wie die Entscheidungsrechte im Wirtschaftsleben festgelegt sind, wie die Governance-Struktur gestaltet ist. Hier geht es um diese Fragen: Welchen Einfluß auf das Wirtschaftsgeschehen hat der Staat, welchen haben vermögende Privatpersonen, welchen hat die Bevölkerung? Gilt im wirtschaftlichen Bereich das Recht des Stärkeren oder die Demokratie? Sollen wirtschaftliche Effizienz und Wachstum gefördert werden oder Nachhaltigkeit und sozialer Ausgleich? Die Antwort auf diese Fragen ändert sich schon schneller. 3. Die Governance-Struktur bestimmt wiederum die generelle Strategie der Wirtschaftseinheiten, so auch die Strategie der Unternehmen. Darf ein Verkauf der Unternehmung oder eines Geschäftsbereiches in Erwägung gezogen werden? Würde auch ein Verkauf an ausländische Personen und Einrichtungen akzeptiert? Werden unfreundliche Übernahmen im Wirtschaftsleben akzeptiert? Geht es de facto um die Ziele der Aktionäre oder um die der Mitarbeiter? Die Governance drückt sich vor allem durch die Zusammensetzung von Entscheidungsgremien wie Aufsichtsrat und Vorstand aus. Einleuchtend, daß durch die Antworten auf diese Fragen die mittel- und langfristigen Ziele einer Unternehmung enger umrissen und eingeengt werden. Hier ist ein vergleichsweise schneller Wandel zu beobachten.

382

LEXIKON

4. Auf der untersten Ebene werden dann operative Entscheidungen innerhalb der Unternehmen getroffen. Sie müssen quasi täglich an neue Situationen angepaßt werden. Die Zielsetzung einer Unternehmung und das Unternehmensverständnis stehen in Harmonie mit der Corporate-Governance und mit der Ordnungspolitik. Es ist deshalb nicht möglich, zwar die Ziele der Unternehmen und das allgemeine Unternehmensverständnis zu verändern, nicht aber mittelfristig die Governance und langfristig auch die Ordnungspolitik anzugleichen. Die Aufnahme des Value-Managements in die Praxis europäischen Managements zeichnet daher unausweichlich den Anfang des Übergangs zu einem anderen wirtschaftlichen Modell, auch wenn dieser Übergang nicht plötzlich sondern graduell zu vollziehen sein wird. Nicht alle Veränderungen werden angenehm sein. Zu bedenken geben Umfragen aus den USA. In einer jüngeren Umfrage, über die eine der Wirtschaft freundlich gesonnene Wochenzeitschrift berichtete, nämlich die Business Week, meinten 72% der befragen Amerikaner "business has too much power over too many aspects of American life" und 73% der Befragten gaben zu bedenken: "top big-business executives get paid too much." In einer Frage, was eher zutreffe: • "corporations should have only one purpose — to make the most profit for their shareholders — and their pursuit of that goal will be best for America in the long run" • oder "U.S. corporations should have more than one purpose. They also owe something to their workers and the communities in which they operate, and they should sometimes sacrifice some profit for the sake of making things better for their workers and communities" hielten (nur) 4% die erste Antwort für zutreffend, 95% die zweite. Quelle: Business Week: Too much Corporate Power, 11. September 2000, pp. 52-60.

Das "andere wirtschaftliche Modell" ist allerdings eines, mit dem die europäischen Sozialgemeinschaften wenig Erfahrung haben. In diesem für die Europäer neuen Modell werden sich Umstrukturierungen und Reorganisationen von Unternehmungen häufen. Es wird Übernahmen geben, auch unfreundliche Übernahmen. Damit einhergehend wird auch der bisherige Arbeitsfrieden ersetzt werden durch einen flexibleren Arbeitsmarkt. Der "Egoismus" der einzelnen Parteien wird schärfer zu erkennen sein. Mit der Zunahme der Geschwindigkeit, in der Koalitionen aufbrechen und neue Faktorallokationen in Angriff genommen werden,

V A L U E - M A N A G E M E N T

3 8 3

wird sich schließlich jeder Beteiligte fragen, ob sich Spezialisierungen auf bestimmte Koalitionen auszahlen werden, oder ob derartige Investitionen nicht ein zu großes individuelles Risiko mit sich bringen. Das Lohngefüge wird sich der neuen Beweglichkeit anpassen. Das gesellschaftliche Leben wird sich verändern.

Trennung von Eigentum und Management

Im amerikanischen Verständnis sind Unternehmen Einrichtungen, mit deren Hilfe sich die Eigenkapitalgeber auf den Rohstoff- und Arbeitsmärkten Ressourcen und Arbeitskräfte besorgen. Nachdem die Aktionäre diese Faktoren bezahlt haben, können sie das Residuum für sich beanspruchen. Weil Faktorgeber genau marktüblich entlohnt werden, bleiben von deren Seite auch keine impliziten Ansprüche offen. Allein die Aktionäre entscheiden. Sie wünschen natürlich, daß alle Dispositionen mit dem einzigen Ziel möglichst hoher Rentabilität des Eigenkapitals (unter Berücksichtigung des eingegangenen Risikos) vorgenommen werden. Angesichts der Größe der Unternehmen delegieren die Eigenkapitalgeber ihre Entscheidungsrechte weitgehend an Manager. Aus der Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht, durch die Delegation, ergeben sich einige Probleme. Sie werden heute generell unter der Thematik der Prinzipal-Agenten-Beziehung untersucht. Doch die Problematik der Trennung von Eigentum (Aktionäre) und Verfügungsmacht (Manager) ist seit langem in der Literatur behandelt worden, so von BERLE und MEANS 1 9 3 2 , von PENROSE 1 9 5 9 , später von MONSEN und D O W N S 1 9 6 5 , sowie von JENSEN und MECKLING 1 9 7 6 . 2 1 0 Weder wollen noch können Aktionäre die Geschäftsführung im Einzelnen vorschreiben. Manager erhalten daher einen Handlungsspielraum. Da nicht jede Aktion beobachtet oder erklärt werden kann, bleibt dieser Freiraum diskret. Obendrein können Aktionäre weder Qualifikation und Geschick, noch Kompetenz und Einsatz ihrer Manager bis ins Letzte erkennen, prüfen und beurteilen. So wird es den Managern möglich, unerkannt eigene Ziele zu verfolgen — auch wenn dies sich letztlich zum Nachteil der Aktionäre auswirken sollte.

210

Z u r f r ü h e n Literatur: 1. ADOLF A. BERLE u n d GARDINER C. MEANS: The Modern

Corpora-

tion and Private Property. New York 1932. 2. EDITH PENROSE: Theory of the growth of the firm.

B l a c k w e l l , O x f o r d 1959. 3. JOSEPH R. MONSEN, JR., u n d ANTHONY DOWNS: A T h e o r y of

Large Managerial Firms. Journal of Political Economy LXXIII (1965) 3, pp. 221-236. 4. MICHAEL C. JENSEN u n d WILLIAM H. MECKLING: T h e o r y of the F i r m : M a n a g e r i a l

Behavior,

Agency Costs and Ownership Structure. Journal of Financial Economics (1976) 3, pp. 305360.

384

LEXIKON

Schon ADAM SMITH hatte die Probleme beschrieben, die mit der Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht einher gehen: "The directors of such companies, however being the managers of other people's money rather than their own, it cannot well be expected, that they should watch over it, with the same anxious vigilance with which the partners in a private co-partnery frequently watch their own. (...) Negligence and profusion, therefore, must always prevail, more or less, in the management of such a company." (An Inquiry into the nature and the causes of the wealth of nations, 1789, book 5, chap.1, part 3, p. 255). Ähnlich äußerte sich EDITH PENROSE: "Salaried managers have little or nothing to gain by paying out more than is necessary to keep shareholders from complaining in force ... we would also expect that funds that could not be profitably used would be invested instead of being used substantially to raise dividends." (The Theory of the growth of the firm, Blackwell, Oxford 1959, pp 27-29).

Selbstverständlich geht es nicht darum anzuprangern, daß ein Manager einmal eine dienstlich zur Verfugung stellende Ressource vielleicht für rein private Zwecke nutzt. Es geht auch nicht um die Frage, ob Manager, wenn sie einen Nachmittag "unbeaufsichtigt" sind, zum Sport gehen anstatt zu "arbeiten." Es ist ein Gemeinplatz, daß Top-Manager unter Vernachlässigung von Gesundheit und Familie Tag und Nacht für die Firma da sind. Das alles ist nicht der Punkt. Jedoch können Top-Manager wesentliche Entscheidungen wie Großinvestitionen, Akquisitionen, die Art globaler Geschäftsausweitung, Forschung und Entwicklung von "Zukunftsprojekten" in einer Weise gegenüber Aktionären und deren Vertretern darstellen, die sich als vorteilhaft darstellt, und oft hat ein beträchtlicher Anteil an Egozentrik das Votum der Top-Manager mitgeprägt. Ein Psychoanalytiker meinte hierzu, daß sich "jeder gern selbst ein Denkmal setzten möchte." Oft ist diese Verzerrung — weg von der "reinen" Wertorientierung hin zur eigenen "Präferenz" — den Top-Managern nicht einmal bewußt. Um die Nachteile der Prinzipal-Agenten-Beziehung zu mildern, sind verschiedene Arrangements üblich, von denen drei besonders hervorzuheben sind: 1. Incentives: Manager erhalten eine Vergütung in Form von Aktien und von Optionen, so daß die Zielsetzung der Aktionäre zu ihrer eigenen wird. Neuere Untersuchungen belegen jedoch, daß mit derartigen Programmen Probleme verbunden sind, und daß die in der Praxis beliebten Programme die Manager zu Entscheidungen motivieren, die nicht unbedingt im Interesse der Aktionäre liegen.

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2. Reporting: Der diskretionäre Handlungsspielraum der Manager wird verengt. Manager berichten auch unteijährig über Ergebnisse und stellen sich den Berichten unabhängiger Analysten. Selbstverständlich haben auch solche Kontrollen Nebenwirkungen und fuhren nicht unbedingt zu Entscheidungen, die von den Aktionären erwünscht sind. Jeder "stellt sich auf die verlangten Kontrollen und Berichte ein." Abgesehen davon, sind Kontrollen nicht gratis zu bewerkstelligen. 3. Drohung: Aktionäre zeigen die Bereitschaft, daß die Unternehmung übernommen werden kann. Auch hier wurde jedoch auf die nicht ideale "Wirksamkeit" und die "Kosten" dieser Drohung hingewiesen.211 Jedenfalls ist die amerikanische Corporate-Governance nicht nur durch die Dominanz des Eigenkapitals charakterisiert, sondern auch durch die enorme Beweglichkeit des Eigenkapitals (Börse) und, verbunden damit, die leichte Austauschbarkeit des Managements, die leichte Umgestaltung der Unternehmung. Überleben und Kontinuität der amerikanischen Unternehmung sind kein Selbstzweck. Auch die Liquidation oder die Teilliquidation im Verlauf eines LBO gehören in den Kreis der Möglichkeiten. Die amerikanischen Rahmenbedingungen sind durch einen beweglichen Market of Corporate Control (Markt für Unternehmenskontrolle) geprägt. Sobald für einen Unternehmensteil ein Käufer gefunden ist, der mehr zu zahlen bereit ist, als bei eigener Fortführung zu erwarten ist, wird verkauft. Sofern es eine wertsteigernde Aktion darstellt, sollte die ganze Unternehmung verkauft werden. •

Im Sinne der Leitidee liquider Märkte haben im amerikanischen Corporate-Governance deshalb Ausschüttungen, Wertrealisierungen, Verkäufe und Liquidationen eine größere Bedeutung als die kontinuierliche Fortführung.



Das Kapital muß beweglich bleiben, denn je starrer Kapitalgeber an einem einmal getroffenen Engagement festhalten, und je mehr sie dulden, daß sich Manager gegen Übernahmen wehren, desto eher laufen die Aktionäre Gefahr, daß sich Ineffizienzen einschleichen.

Was machen Aktionäre mit dem Geld, das ihnen bei einer Übernahme zufließt beziehungsweise bei Auszahlungen mit ausbezahlt wurde? Der breite Kapitalmarkt bietet stets hinreichende Möglichkeiten für eine Neuinvestition. 211 1. SANFORD J . G R O S S M A N u n d OLIVER D . H A R T : T a k e o v e r b i d s , t h e f r e e - r i d e r

and the theory of the corporation. Bell Journal of Economics

problem

11 (1980) 1, pp. 42-64. 2.

SANFORD J . G R O S S M A N u n d O L I V E R D . H A R T : T h e A l l o c a t i o n a l R o l e o f T a k e o v e r B i d s i n

tuations of Asymmetric Information. Journal of Finance 36 (1981), pp. 253-270.

Si-

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Sobald die Aktionäre erkennen, daß aufgrund eines schwachen Managements die weiterhin zu erwartende Rentabilität des Eigenkapitals unter der anderer Anlagemöglichkeiten liegt, schichten sie ihre Mittel um. Obwohl der einsetzende Verfall des Aktienkurses kurzfristig gesehen die operativen Geschäfte der Unternehmung nicht behindert, wird die Bedrohung des Managements latent. •

Erstens haben die Manager zunehmend Schwierigkeiten, eine Kapitalerhöhung durchzuführen. Ihr Entscheidungsspielraum und ihre Macht werden damit eingeengt.



Zweitens wird es, wenn der Kurs immer weiter sinkt, für Corporate Raider und andere Unternehmen attraktiv, den alten Aktionären ein Übernahmeangebot zu machen. Sie würden nach Erhalt der Kontrolle über die Unternehmung das Management auswechseln.

Im Rahmen der Prinzipal-Agenten-Beziehung sind selbst unfreundliche Übernahmen positiv zu werten, weil schon von der Möglichkeiten solcher Übernahmen ein Druck auf die Manager ausgeht, mehr im Sinne des Aktionärsziels zu leisten. Dieser Drohmechanismus wirkt aber nur, wenn solche Übernahmen mehr als nur eine abstrakte Möglichkeit sind. Sie müssen des öfteren wirklich vorkommen. Um Übernahmen geradewegs zu fördern, soll es dabei fair und sachgerecht zugehen. Das letztere darf vermutet werden, wenn auch der Austausch des Managements marktmäßig organisiert wird, wenn es also Raider und Unternehmen gelingt, einen regelrechten Market of Corporate Control (Markt für Unternehmenskontrolle) mit hinreichender Liquidität zu betreiben. 212

Rechnungslegung soll Kapitalbeweglichkeit fördern In diesem ordnungspolitischen Rahmen müssen alle Informationsinstrumente das Kapital in seiner Beweglichkeit unterstützen. Wichtig sind Instrumente, die ohne zeitliche Verzögerung und ohne systematische Verzerrung (zufällige Meßfehler gibt es immer) ganze Unternehm e n und einzelne Unternehmensteile bewerten. Die Unternehmensbewertung m u ß zur permanenten Übung werden, auch ohne daß ein konkreter Anlaß dazu besteht.

212

1. HENRY G. MANNE: Mergers and the market for corporate control. Journal of Political

Economy

7 3 ( 1 9 6 5 ) , p p . 1 1 0 - 1 2 0 . 2 . MICHAEL C . JENSEN u n d RICHARD RUBACK: T h e m a r k e t

for corporate control: The scientific evidence. Journal of Financial Economics 11 (1983), pp. 5-50. 3. ERNST-LUDWIG VON THADDEN: On the efficiency of the market for corporate c o n t r o l . Kyklos

43 (1990), pp. 635-658.

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Für das Management sind aber auch interne Informationsinstrumente wichtig, die bei Investitionsvorschlägen oder auch bei einzelnen Maßnahmen erkennen lassen, ob sie mehr als die dem Risiko entsprechende marktübliche Rendite erwarten lassen oder nicht. Hier sind drei Informationsquellen hervorzuheben: Die externe Rechnungslegung, die Annahme der Informationseffizienz, sowie die Neugestaltung interner Kalkulationen. 1. Die externe Rechnungslegung ist nach dem Prinzip des TrueAnd-Fair-View auszurichten und soll die wahre Ertragslage und Ertragsperspektive erkennen lassen. 2. Kapitalmärkte sollten möglichst informationseffizient sein. Kurse sollen ohne systematische Verzerrungen und ohne zeitliche Verzögerung die Aktien der gehandelten Gesellschaften so bewerten, daß es sich für die meisten Anleger nicht lohnt, zusätzlich eigene informatorische Anstrengungen zu unternehmen, um überbezahlte oder unterbezahlte Titel zu identifizieren. Wie nah ein wirklicher Kapitalmarkt an diesem Ideal ist, hängt von der Regulierung, der Aufsicht und von anderen Rahmenbedingungen ab. Regulierung und Aufsicht der Börsen sind daher wichtig für das Wertmanagement. Die informatorischen Aktivitäten kritischer Broker und Analysten sind ebenso förderlich. 3. Interne Rechnungen mit Eigenkapitalkosten. Aus Sicht des amerikanischen Managements müssen nicht nur Produktionsfaktoren wie Arbeit und Rohstoffe marktüblich entlohnt werden, auch die Bereitstellung von Risikokapital ist marktüblich zu vergüten. Diese Tatsache muß bei der Projektevaluation in der Investitionsrechnung berücksichtigt werden und bei den laufenden Geschäften durch eine Umgestaltung der Kostenrechnung. In die Kostenrechnung beispielsweise werden die Erwartungen der Aktionäre einbezogen, indem zunächst die Eigenkapitalkosten ihrer Höhe nach bestimmt und dann, was neu und wesentlich schwieriger ist, den einzelnen Geschäften zugerechnet werden.213

Fortführung versus Liquidation

Vor Jahrzehnten wurde die Frage, ob eine Unternehmung fortgeführt werden sollte, selten gestellt. Natürlich ging es immer wieder um Entscheidungen etwa hinsichtlich einer Veränderung des Standortes oder der Rechtsform. Auch wurde geprüft, welcher Teil der Unternehmung 213 1. W I N F R I E D F R E Y G A N G : Kapitalallokation

in diversifizierten

Unternehmen

- Ermittlung

di-

visionaler Eigenkapitalkosten. DUV, Wiesbaden 1993. 2. Arbeitskreis "Finanzierung" der Schmalenbach-Gesellschaft — Deutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaft: Wertorientierte Unternehmenssteuerung mit differenzierten Kapitalkosten. Zeitschrift für Betriebswirtschaft 48 (1996) 6, pp. 543-578.

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sich am ehesten für Wachstum und weitere Investitionen anbot. Ohne Not wurde jedoch die Existenz der Unternehmung eigentlich nie hinterfragt. Mit der Entwicklung des Marktes für Unternehmenskontrolle, auf dem ganze Unternehmen, Geschäftseinheiten oder Unternehmensteile verkauft werden können, sowie mit der Belebung von Akquisitionen und dem vermehrten Auftreten von Kaufinteressenten bieten sich quasi laufend Möglichkeiten der Liquidation einer Unternehmung. Zudem gibt es die Variante, eine Fortführung durch Zerschlagung der Unternehmung zu beenden. Hier würde das Gesamtvermögen in ihre Einzelteile zerlegt und der Unternehmer würde versuchen, die einzelnen Vermögensobjekte auf ihren jeweiligen Märkten zu verkaufen. Durch die sich immer häufiger bietenden Möglichkeiten der Liquidation — wir wollen die Zerschlagung als Spezialfall einschließen — stellt sich dem Unternehmer (also dem Management einer Unternehmung oder besonders natürlich den Hauptaktionären) permanent die Frage, ob die Unternehmung nicht liquidiert werden sollte, also als Ganzes oder in Teilen verkauft werden sollte. Die Betriebswirtschaftslehre hält hierzu ein Postulat bereit. Es lautet: Wenn der Liquidationserlös den Fortflihrungswert (Ertragswert) E übertrifft, dann sollte liquidiert werden. Andernfalls, wenn E > L gilt, empfiehlt sich eine Fortführung. Im Prinzip ist das genannte Postulat richtig. Es sei daran erinnert, daß im Konkursrecht andere Kriterien für diese Entscheidung gesetzt sind, und daß gerade in krisenhaften Situationen durch die Praxis mit Restrukturierung und Reorganisation teilweise andere Kriterien vorgelebt werden. Allerdings wird das Postulat nicht korrekt, wenn zwei Punkte nicht beachtet werden. Erstens: Wir beleuchten zunächst den Liquidationserlös. Ist die Unternehmung implizite Verpflichtungen eingegangen (Mitarbeitern wurden Karrieren versprochen, Abnehmern wurde eine Gewährleistung garantiert), dann ist zu prüfen, ob durch den Verkauf oder die Zerschlagung diese impliziten Ansprüche nicht entwertet werden. Beim Shareholder-Value-Ansatz werden die Aktionäre diesen Aspekt in der Praxis vielleicht nicht so wichtig nehmen und einen formalen Standpunkt einnehmen: Juristisch gesehen liegt keine Verpflichtung vor. Jedoch würde, wenn beim Shareholder-Value-Ansatz der "ökonomische" Hintergrund gewürdigt wird, oder wenn dem Stakeholder-Value-Ansatz gefolgt wird, schon die Frage zu behandeln sein, ob im Zusammenhang einer Liquidation oder Zerschlagung den betroffenen Stakeholdern nicht eine Kompensation gezahlt werden muß.

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Der für die Kompensation erforderliche Geldbetrag sei mit K bezeichDer zweite Punkt zielt auf eine Realoption ab. •

Im Grunde hat ein Unternehmer immer wieder gewisse Möglichkeiten für eine Liquidation. Eine Ablehnung der jetzt zur Diskussion stehenden Liquidationsmöglichkeit bewirkt daher nicht, daß es nie wieder in der Zukunft eine andere Chance für eine Liquidation geben würde.



Andererseits würde eine Liquidation für den Unternehmer in aller Regel bedeuten, daß er jetzt "draußen" ist. Wieder neu mit einer realwirtschaftlichen Tätigkeit zu beginnen, würde, abgesehen von den Investitionen, gewisse Fixkosten und einen gewissen Zeitaufwand abverlangen, um wieder "hinein" zu kommen.

Mit anderen Worten: Die Liquidationsentscheidung trägt Aspekte der Irreversibilität. Wird die Liquidation verschoben, ist das nicht von großem Nachteil. Wird liquidiert, könnte es von Nachteil sein. Letzteres ist der Fall, wenn sich die Situation so ändert, daß der Unternehmer am besten (immer noch oder wieder) realwirtschaftlich tätig sein will. Das ist natürlich anders bei einer reinen Finanzanlage auf einem sehr liquiden Markt. Wer eine Aktie verkauft hat und es sich eine Minute später wieder anders überlegt, kann sie gleich wieder kaufen. Zurück zur realwirtschaftlichen Investition: Mit einer Liquidation gibt der Unternehmer nicht nur den Ertragswert E auf, den eine Fortführung aus Sicht der derzeitigen Lage erwarten läßt. Der Unternehmer gibt auch die Chance auf, dabei zu sein, sollte sich die Lage bessern. Bleibt die Lage dagegen so wie sie ist, könnte der Unternehmer immer noch (bei einer anderen Gelegenheit) liquidieren. Diese Möglichkeit ist eine Realoption, die bei einer Liquidation vernichtet wird. Der Wert der Realoption sei mit R bezeichnet. Insbesondere sollte ein Unternehmer prüfen, welche Optionen, die derzeit bestehen, durch eine Liquidation vernichtet werden. Zum Beispiel kann technische Expertise durch Abbruch eines Projekts aufgegeben werden, oder ein Markenname kann verfallen. Man darf nicht nur momentane Geldbeträge vergleichen, sondern es ist zu fragen, ob mit der einen oder anderen Entscheidungsalternative irreversible oder schwer rückgängig machbare Festlegungen verbunden sind. Mit diesen beiden Korrekturen lautet die revidierte Bedingung: Die Liquidation ist zu empfehlen, wenn der Liquidationserlös L abzüglich der Kompensation K für die Entwertung impliziter Ansprüche größer ist als der Ertragswert bei Fortführung E plus dem Wert der Realoption R .

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Als Formel: Liquidation ist richtig, sofern: E+R


1. Für den Falls, daß q