Lexikon Nachhaltiges Wirtschaften [Reprint 2014 ed.] 9783486795424, 9783486245233

Dieses Lexikon informiert knapp, übersichtlich und mit weiterführenden Literaturhinweisen über zentrale Themen des Nachh

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Lexikon Nachhaltiges Wirtschaften [Reprint 2014 ed.]
 9783486795424, 9783486245233

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Lehr- und Handbücher zur Ökologischen Unternehmensführung und Umweltökonomie Herausgegeben von Dr. Carlo Burschel Bisher erschienene Werke: Schulz • Burschel • Weigert • Liedtke • Bohnet-Joschko • Kreeb • Losen • Geßner • Diffenhard • Maniura, Lexikon Nachhaltiges Wirtschaften Baum • Coenenberg • Günther, Betriebliche Umweltökonomie in Fällen, Band I: Anwendung betriebswirtschaftlicher Instrumente Baum • Coenenberg • Günther, Betriebliche Umweltökonomie in Fällen, Band II: Umweltmanagement und ökologieorientierte Instrumente Birke • Burschel • Schwarz, Handbuch Umweltschutz und Organisation Bringezu, Umweltpolitik Jens, Ökologieorientierte Wirtschaftspolitik Krcmar u.a., Informationssysteme für das Umweltmanagement Lange • von Ahsen • Daldrup, Umweltschutz-Reporting Lemke • Wackerbauer, Handbuch der Umweltschutzwirtschaft Pfaffenberger • Strebel, Ökonomische Energienutzung Pfander, Ökologieorientierte Informations- und Steuerungssysteme im Unternehmen Schwaderlapp, Umweltmanagementsysteme in der Praxis Steger, Handbuch des integrierten Umweltmanagements Strebel • Schwarz, Kreislauforientierte Unternehmenskooperationen

Lexikon Nachhaltiges Wirtschaften Herausgegeben von

Prof. Dr. Werner E Schulz, Dr. Carlo Burschel, Dipl.-Volksw. Martin Weigert, Dr. Christa Liedtke, Dr. Sabine Bohnet-Joschko, Dipl.-Ök. Martin Kreeb, Dipl.-Kfm. Dirk Losen, Dipl.-Volksw. Christian Geßner, Dipl.-Ök. Volker Diffenhard, Anja Maniura

R. Oldenbourg Verlag München Wien

Die Herausgeber übernehmen keine Gewähr für die Richtigkeit, die Genauigkeit und die Vollständigkeit der Angaben sowie für die Beachtung privater Rechte Dritter. Die in der Veröffentlichung geäußerten Ansichten und Meinungen müssen nicht mit denen der Herausgeber übereinstimmen.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Lexikon Nachhaltiges Wirtschaften / hrsg. von Werner F. Schulz.... München ; Wien : Oldenbourg, 2001 (Lehr- und Handbücher zur ökologischen Unternehmensführung und Umweltökonomie) ISBN 3-486-24523-6

© 2001 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad Langensalza ISBN 3-486-24523-6

Inhaltsübersicht

Vorwort

III

Abkürzungsverzeichnis

V

Lexikon

1

Links

XI

Stichwortverzeichnis

XIII

Autorenverzeichnis

XIX

Vorwort

Dieses Lexikon informiert knapp, übersichtlich und mit weiterfuhrenden Literaturhinweisen über zentrale Themen des Nachhaltigen Wirtschaftens. Es ist als alltägliche Arbeitshilfe für Wissenschaftler, Studenten und Praktiker aus Unternehmen und Politik konzipiert. Grundgerüst stellen hierbei die Hauptstichworte dar, die von namhaften Vertretern aus Wissenschaft und Praxis verfaßt wurden. Ihnen gilt unser erster und besonderer Dank, daß sie sich trotz ihrer vielfältigen Verpflichtungen bereit erklärt haben, einen Beitrag für das Lexikon zu leisten. Ein solches Werk hat seine Vorgeschichte. Aus meiner Zeit beim Umweltbundesamt und der damaligen fachlichen Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (namentlich Dr. Carlo Burschel, damals Referatsleiter „Umweltmanagement") wurde die Idee geboren, die wichtigsten ökonomischen Aspekte des „sustainable development" in einem Band zusammenzufassen. „Nachhaltige Entwicklung" in ökonomischer Perspektive kommt aber ohne natur- und ingenieurwissenschaftliche Wissensbestände nicht aus. Deshalb haben wir zentrale naturwissenschaftliche und technische Sachverhalte auch in Form von Hauptstichworten in das Lexikon aufgenommen. Es war aber erst durch das besondere verlegerische Engagement des umsichtigen R. Oldenbourg Verlages möglich, die Idee auch umzusetzen. Namentlich des Herausgeberkreises bedanke ich mich gerne für weitreichende Unterstützung bei Herrn Dipl.-Kfm. Olaf Klinghagen, Frau Melanie Fedler (DBU) und Herrn stud. oec. Johannes Zimpel (dknw). Besonderer Dank gilt Frau Stefanie Balke, dem „guten Geist" des dknw. Das Lexikon ist das erste gemeinsame Werk meiner wissenschaftlichen Teams am Deutschen Kompetenzzentrum für Nachhaltiges Wirtschaften (dknw) an der Privaten Universität Witten/Herdecke gGmbH und am Lehrstuhl für Umweltmanagement der Universität Hohenheim. Obwohl das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (Osnabrück) geförderte dknw erst kurz in der Region arbeitet, ist das Lexikon auch bereits ein Kooperationsergebnis mit dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie (WI).

Für den Herausgeberkreis

Prof. Dr. Werner F. Schulz

Abkürzungsverzeichnis

$/bl

US-Dollar pro barrel (Öl)

%

Prozentpunkt/ vom Hundert, Hunderstel

Abb.

Abbildung

AbfG

Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen

BestbüAbf

Bestimmungsverordnung besonders überwachungsbedürftiger Abfälle

BestüAbfV

Bestimmungsverordnung überwachungsbedürftiger Abfälle zur Verwertung

BestbüAbfV

Bestimmungsverordnung besonders überwachungsbedürftiger Abfälle zur Verwertung

AbfklärV

Klärschlammverordnung

AbfKoBiV

Verordnung über Abfallwirtschaftskonzepte und Abfallbilanzen

BetrVG

Betriebsverfassungsgesetz

Abs.

Absatz

BFH

Bundes-Finanzhof

AbwAG

Abwasserabgabengesetz

BGBl.

Bundesgesetzblatt

AGÖL

Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau

BImSchG

Bundes-Immissionsschutzgesetz

AGPU

Arbeitsgemeinschaft PVC und Umwelt

BImSchV

Bundes-Immissionsschutzverordnung

AIJ

Activities Implemented Jointly

BIP

Bruttoinlandsprodukt

bl

barrel (159 1.)

AtG

Atomgesetz BMU

Aufl.

Auflage

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

BauPG

Bauproduktgesetz BNatSchG

BBodSchG

Bundes-Bodenschutzgesetz

Bundes-Naturschutzgesetz

BSE BDW

Biologisch-dynamische Wirtschaftsweise

Bovine Spongiforme Gncephalopathie

bspw.

beispielsweise

BestfiAbf

Bestimmungsverordnung überwachungsbedürftiger Abfälle

BUIS

betriebliches Umweltinformationssystem

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

BUND

Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland

EAKV

Verordnung zur Einführung des Europäischen Abfallkatalogs

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

ECR

Efficient Consumer Response-Konzept

bzgl.

bezüglich

eds.

editors

bzw.

beziehungsweise

EDV

Elektronische DatenVerarbeitung

CDM

Clean Development Mechanism

EfbV

Entsorgungsfachbetriebsverordnung

Constant Elasticity Substitution

EG

Europäische Gemeinschaft

E1BR

Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie des Europäischen Parlaments/Rates

EMAS

European Management Audit Scheme

EMAS-VO

European Management Audit SchemeVerordnung

EMS

EnergiemanagementSystem

CES

ChemG

Chemikaliengesetz

CMS

Convention on Migratory Species/ Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden, wildlebenden Tierarten (Bonner Konvention)

d. h.

das heißt

DBU

Deutsche Bundesstiftung Umwelt

DDT

Dichlordiphenyltrichloräthan EN

Europäische Norm

DGB

Deutscher Gewerkschafts Bund

engl.

englisch

dgl.

dergleichen

EnWiG

Gesetz zur Förderung der Energiewirtschaft

DIHT

Deutscher Industrie- und Handelstag

EPA

Environmental Protection Agency

ERP

European Recovery Program

EStG

Einkommensteuergesetz

EStR

Einkommensteuerrichtlinien

etc.

et cetera

EU

Europäische Union

DMG

Düngemittelgesetz

ders.

derselbige

DSD

Duales System Deutschland

DUE

Dauerhaft-Umweltgerechte Entwicklung

e.V.

eingetragener Verein

VI

Abkürzungsverzeichnis E-UGB

Europäisches Umweltgesetzbuch

EURO

Abkflrzungsverzeichnis HFCKW

Halogenierte Fluorchlorkohlenwasserstoffe

Europäische Währungseinheit

HGB

Handelsgesetzbuch

evtl.

eventuell

Hrsg.

Herausgeber

EVU

Energieversorgungsuntemehmen

i. a.

im allgemeinen

i. d. R.

in der Regel

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

i. e. S.

im engeren Sinn

f.

folgende

i. S.

im Sinn(e)

ff.

fortfolgende

i. S. d.

im Sinne der/des

FCKW

Fluorchlorkohlenwasserstoff

i. V. m.

in Verbindung mit

i. Vgl. z

im Vergleich zu

GATT

General Agreement on Tariffs and Trade

i. w. S.

im weiteren Sinn(e)

GE

Geldeinheit

ICLEI

gem.

gemäß

GenTG

Gentechnikgesetz

International Council for Local Environmental Initiatives/ Internationaler Rat für Kommunale Umweltinitiativen

GewO

Gewerbeordnung imug

GG

Grundgesetz

Institut für Markt Umwelt - Gesellschaft

gg-

gegenüber

INC

Intergovermental Negotiation Commitee

ggf-

gegebenenfalls inkl.

inklusive

GIS

Geographisches Informationssystem

insb.

insbesondere

IOB

Input-Output-Bilanz

IPCC

Intergovermental Panel on Climate Change/ Zwischenstaatlicher Ausschuß über Klimaänderungen

ISEW

Index of Sustainable Economic Welfare/ Index des nachhaltigen wirtschaftlichen Wohlstandes

GPI

Genuin Progress Indicator

GuV

Gewinn- und Verlustrechnung

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

h. M.

herrschender Meinung

HDI

Human Development Indicator

VII

AbkQrzungsverzeichnis

IT

Informationstechnologie

ITV

IT-AltgeräteVerordnung

JIT

just in time

Kap.

Kapitel

kg

Kilogramm

KJ/kg

Kilojoule pro Kilogramm

KonTraG

AbkQrzungsverzeichnis

NGO

Non Governmental Organisation/ NichtRegierungsorganisation

No.

number

o.g.

oben genannt

OECD

Organisation for Economic Cooperation/ Organisation fur Wirtschaftliche Zusammenarbeit

Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich

ÖTV

Gewerkschaft für öffentliche Dienste, Transport und Verkehr

KrW- AbfG

Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz

OPEC

lat.

lateinisch

Organisation of the Petroleum Exporting Countries/ Organisation erdölexportierender Länder

LCA

Life Cycle Analysis/ Lebenszyklusanalyse

ÖSMW

Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft

PFCs

Perflourierte Kohlenwasserstoffe

PFKW

Perfluorierter Fluorkohlenwasserstoff

PflSchG

Pflanzenschutzgesetz

Pg

Pikogramm: 10'12

PIUS

Produktionsintegrierter Umweltschutz

Management Performence Indicator

Pkw

Personenkraftwagen

Mrd.

Milliarden

ppb

parts per billion = 10"'

NachwV

Nachweisverordnung

ppm

parts per million = 10"6

NAFTA

North American Free Trade Agreement/ Nord-Amerikanische Freihandelszone

ppt

parts per trillion = 10'12

PSR

Pressure-StateResponse

National Environmental Policy Plan/ Nationaler Umweltpolitikplan

QMS

QualitätsmanagementSystem

LCP

Least Cost Planning

MAK

Maximale Arbeitsplatz Konzentration

MEFIS

Material- und Energieflußinformationssystem

Mill.

Million

MIPS

Material Input pro Service-Einheit

MPI

NEPP

Vili

AbkQrzungsverzeichnis REM

Rapid Eye Movement

ROI

Return on Investment

s.

siehe

S.

AbkQrzungsverzeichnis UGR

Umweltökonomische Gesamtrechnung

UIG

Umweltinformationsgesetz

Seite

UIS

Umweltinformationssystem

SAGE

Strategie Advisory Group on Environment

UMS

UmweltmanagementSystem

SEB

Stoff- und Energiebilanz

UmweltHG

Umwelthaftungsgesetz

SEEA

System for Integrated Environmental and Economic Accounting

UN

United Nations/ Vereinte Nationen

SF6

Schwefelhexafluorid

UNCED

United Nations Conference on Environment and Development

sog.

sogenannt

S-O-R

Stimulus-OrganismusResponse

UNCSD

United Nations Commision on Sustainable Development

SRU

Sachverständigenrat für Umweltfragen

UNDP

United Nations Development Programm

StrISchV

Strahlenschutzverordnung

UN DPCSD

TA

Technische Anleitung

United Nations Department for Policy Coordination and Sustainable Development

Tab.

Tabelle

UNEP

United Nations Environment Program

TGV

Transportergenehmigungsverordnung

UNGASS

United Nations General Assembly Special Session

u. a.

und ähnliches

u. a.

unter anderem

UQZ

Umweltqualitätsziel

u. E.

unseres Erachtens

usf.

und so fort

u. U.

unter Umständen

UStatG

Umweltstatistikgesetz

UAG

Umweltauditgesetz

usw.

und so weiter

UGB-KomE

UmweltgesetzbuchKommisionsentwurf

UVP

Umweltverträglichkeitsprüfung

UGB-ProfE

UmweltgesetzbuchProfessoren-Entwurf

UVPG

Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfang IX

AbkOrzungsverzeichnis UVPG-E

Gesetz über die UmweltverträglichkeitspriifungEinzelprüfung

UVPVwV

Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausfuhrung des UVPG

v. a. VCI

Abkürzungsverzeichnis WCED

World Commision for Environment and Development

WHG

Wasserhaushaltsgesetz

WMO

World Meteorological Organisation

vor allem

WRMG

Wasch- und Reingungsmittelgesetz

Verband der Chemischen Industrie

WTO

Verordnung zur Vermeidung von Verpakkungsabfällen

World Trade Organisation/ Welthandelsorganisation

WTP

willingness to pay

vgl.

vergleiche

WTS

willingness to sell

VNCI

Verband der niederländischen chemischen Industrie

WWF

World Wildlife Fund

Z.

Zeitschrift

Vol

volume

z.B.

zum Beispiel

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

z. T.

zum Teil

VvvVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

VerpackungsV

X

Links

Internationale Organisationen

Verbände

United Nations - Sustainable Development

Bundesdeutscher Arbeitskreis Umweltmanagement

www.un.org/esa/sustdev/

www.baumev.de

United Nations Environment Programme

www.unep.org

Future e. V.

www.future-ev.de

Europäische Union

www.europa.eu.int Europäische Umweltagentur

Weitere Internetseiten

www.eea.eu.int

Doktorandennetzwerk Öko-Audit

United Nations Framework Convention on Climate Change

Umweltmanagement-Intemet-Service

www.unfccc.de

www.doktoranden-netzwerk.de/ www.umis.de Umweltmanagement unter einem Dach

Nationale Organisationen

www.umweltdatenbank.de

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

www.earthlink.de

www.bmu.de Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung - Globale Umweltveränderungen

www.wbgu.de

Umweltbundesamt

Earthlink - Netzwerk für Mensch und Natur

Umweltwirtschaftsforum (Führende betriebswirtschaftliche Fachzeitschrift im Bereich Umweltmanagement)

www.iuwa.de/uwf

www.umweltbundesamt.de

Informationsdienst Umwelt für die Wirtschaft

Rat von Sachverständigen für Umweltfragen

www.u-punkt.de

www.umweltrat.de

Envirolink

www.envirolink.de

Deutsche Bundesstifhing Umwelt

www.dbu.de

International Reporting

Deutsches Kompetenzzentrum für Nachhaltiges Wirtschaften

www.enviroreporting.com

www.uni-wh.de/dknw

Corporate

Environmental

World Resources Institute

www.igc.apc.org/wri

Wuppertalinstitut für Klima, Umwelt, Energie GmbH

Lokale Umweltinfo

www.wuppertal-institut.de

www.lokale.umweltinfo.de XI

Stichwortverzeichnis

A

B

Abbaubarkeit Abfackeln Abfall Abfallarten Abfallbeauftragter Abfallbeseitigung Abfallbörse Abfallgesetz Abfallvermeidung Abfallverwertung Abfallwirtschaft Abfallwirtschaftspolitik, europäische Abgaben Abgasreinigung Abscheider Absorption Abwärme Abwasser Abwasserabgabe Abwasserabgabengesetz ADI-Wert Agenda 21 Agglomeration Agrarpolitik Allgemein anerkannte Regeln der Technik Allmende Allokation Altanlage Altglas Altlasten Altpapier Altstoffrecycling Anorganische Verbindungen Anreiz-Beitrags-Theorie Anreizinstrumente Anspruchsgruppen Anwendungsverbot Arbeitsanweisungen Arbeitsvertrag und Umwelt Artenschutz Assimilationsfähigkeit Atomenergie Atomgesetz Audit Auflagen Ausgleichs - Politik Ausgleichsflächen

B.A.U.M. Backstop-Technologie Bargaining Theorie Baseler Konvention Basisstrategien, ökologieorientierter Unternehmen BAT Bauleitplanung Bedürfnisse Belastungsgebiete Belastungsgrenzen Benchmarking Berufskrankheit Beschäftigungseffekte Beschaffung Beste verfügbare Technik Betriebsbeauftragter Bewertung der Umwelt, monetäre Bezugsgruppenmanagement Bilanzierung, ökologische Biodiversität Biofaktor Bioindikatoren Bionik Bioremediation Biosphärenreservat Biotechnologie Biotonne Biotop Biozönose Blauer Umweltengel Bottom-up Brainstorming Branchenabkommen Brennstoffzelle Bringsystem Brundtland-Bericht Bruttosozialprodukt Bubble-Policy Buchhaltung, ökologische BUND Bundesbodenschutzgesetz Bundesimmissionsschutzgesetz Bundesnaturschutzgesetz Bundesumweltministerium Bürgerinitiativen

XIII

Stichwortverzeichnis

c

Car-sharing CCMS Chemikalien-Gesetz Chlorierte Kohlenwasserstoffe Club of Rome Coase-Theorem Command and Control Policy Contracting critical loads/levels

D Dauerhaftigkeit Debt-for-Nature-Swaps Deponie Deponiegas Deregulierung Deutsche Bundesstifhing Umwelt DIN DIN ISO 14001 Dioxine Distributionspolitik, ökologieorientierte Downcycling Duales System Deutschland

E ECE Ecological Economics Ecological footprint Ecology-push/pull Strategien Economies of scale and scope Ecotainment Effizienz umweltpolitischer Maßnahmen EG-Öko-Audit-Verordnung, inklusive nationalem Umsetzungsrecht EG-Richtlinien EG-Verpackungsrichtlinie Eigentumsrechte Einkauf Einweg Einwohnergleichwert EMAS-Verordnung Emission Emissionsabgabe Emissionskataster End-of-pipe-Maßnahmen Energie Energiebedarf XIV

Stichwortverzeichnis

Energieeinsparung Energiekrise Energiemanagement Energieträger Energieträger, fossile Energieverbrauch Energieversorgung, nachhaltige Enquete-Kommission Entropie Entsorgung Entsorgungslogistik EPA ERP-Umweltprogramm Europäische Umweltagentur Eutrophierung Externe Effekte Externe Kosten Externe Nutzen

F Faktorallokation, effiziente Faktor Vier- Konzept Filter Filterstäube Finanzreform, Umweltaspekte einer Flächennutzungsplan Flächenrecycling Fluorchlorkohlenwasserstoffe Förderprogramme Forschung und Entwicklung Free-Rider-Verhalten Frühwarnsysteme

G GATT Gefährdungshaftung Gefährliche Güter Gefangenendilemma Gemeinlastprinzip Genehmigungsverfahren Gentechnik Gentechnikgesetz Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung Gewässergüte Gewässergüteklassen Gewässerschutzbeauftragter Gewässerschutzkommission Gewässerschutzpolitik

Stichwortverzeichnis

Gewerbeaufsicht Giftstoffe Globalisierung und Nachhaltigkeit Glockenpolitik Grandfathering Greenpeace Grenzen des Wachstums Grenzwerte Grundwasser Grüne Grüner Punkt

H Habitat Habitat II Halbwertszeit Handelshemmnisse Holsystem Holzrecycling Hot Spot Humankapital Humanökologie

I ICLEI IdU Immission Immissionsbeauftragter Immissionskataster Indikatorensysteme Industrialisierung Informationen, umweltbezogene Innovationen, ökologische Input-Output-Bilanzen Instrumente, betriebswirtschaftliche und deren Anwendung im Umweltschutz Instrumente, umweltpolitische Interessengruppen Internalisierung Investitionsplanung und -kontrolle, umweltschutzbezogene Investitionsrechenverfahren Irreversibilität ISO ISO 14000

Stichwortverzeichnis

J Jod Joint Implementation Joint Products

K Katalysatoren Kausalitätsvermutung Kennzahlen Klärschlammverordnung Klima Klimarahmenkonvention Klimaschutzpolitik Klimasystem Klimaveränderungen KMU Kohlenwasserstoffe Kollektivgüter Kombinationswirkung Kommunikation Kompensationslösungen Kompost Konsumentenverhalten, umweltorientiertes Kontamination Kontrahierungspolitik Konversion Konzept der Dematerialisierung Konzept des Umweltraums Kooperationslösungen der Umweltpolitik Kooperationsprinzip Kosten-Nutzen-Analyse Kraftwerk Kreislaufwirtschaft Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Kuppelprodukte Kyoto-Protokoll

L Lärm Lärmschutz Landschaftsplanung Landschaftsschutzgebiete Lebenszyklusanalyse Leistungsprinzip Logistik, umweltverträgliche Lokale Agenda 21 Luftreinhalteplan Luftreinhaltung XV

Stichwortverzeichnis

Luñreinhaltepolitik Luftverschmutzung

M Management, ökologieorientiertes Marketing, ökologisches Marktwirtschaft, Öko-soziale Materialwirtschaft Materialwirtschaft, ökologische Meadows-Studie Mediation Mengensteuer Mikropolitik und Umweltschutz Mobilität Modal Shift Modal Split Modernisierung, ökologische Monetarisierung Monokultur

N Nachhaltige Entwicklung Naturkatastrophen und Globaler Wandel Naturschutz NEPP Netzwerk Nicht-Regierungsorganisationen Non Governmental Organisation Nutzen-Kosten-Analyse Nutznießerprinzip

o OECD Off-set-policy Öko-Banking Ökobilanzierung Öko-Controlling Ökoeffizienz Öko-Label Öko-Leasing Ökologie ökologische Buchhaltung ökologische Ökonomie ökologische Steuerreform Öko-Marketing Öko-Ranking Öko-Rating XVI

Stichwortverzeichnis

Öko-Steuer Ökosystem ökotop Ölpest Optimierungsprinzip Organisation, ökologieorientierte Ozon Ozonloch

P Partizipation, im Umweltschutz PEC Pfand Photovoltaik Pigou-Steuer Portfolioanalyse, ökologieorientierte Produktdesign, ökologisches Produkthaftungsgesetz Produktionsplanung, umweltgerechte Produktlebenszyklus Property-Rights Puffersysteme

Q

Qualitätssicherung

R Recycling Regenerationsfähigkeit Regenerationsrate Ressourcen, natürliche Ressourcenökonomik Ressourcenpolitik Reststoffe Revision Rio-Konferenz Risikoabschätzung Risikoanalyse Risikogesellschaft Risikomanagement, umweltorientiertes Risikowahrnehmung Rücknahmeverpflichtung

Stichwortverzeichnis

S Sachverständigenrat fur Umweltfragen Saurer Regen Schuldenerlaß, internationaler Selbstveipflichtung Sicherheitsstandards Siedlungsabfallwirtschaftwirtschaft, europäische Smog Solarenergie Sonderabfall Sonderabgaben Soziale ökologische Marktwirtschaft Stakeholder Stand der Technik Stand von Wissenschaft und Technik Standard-Preis-Ansatz Standortfaktoren Stoffpolitik StofFstrommanagement Strahlenschutz Substitutionsfähigkeit Subventionspolitik, umweltorientierte Supply Chain Management Sustainable Development Synergieeffekte

T TA Abfall TA Lärm TA Luft TA Siedlungsabfall Technikfolgenabschätzung Technikklauseln Technologietransfer Thermodynamik Top-down Tragfähigkeit Treibhauseffekt Troposphäre

u

Umwelt Umweltabgaben Umweltauflagen Umweltbelastung Umweltbericht Umweltbewußtsein

Stichwortverzeichnis

Umweltbildung Umweltbiotechnologie Umweltbundesamt Umweltcontrolling Umwelterklärung Umweltethik Umweltevaluation Umweltforschung Umweltgeschichte Umwelthaftung Umweltinformationssysteme, betriebliche Umweltkennzahlen Umweltkommunikation Umweltkostenmanagement Umweltlizenzen Umweltmanagement Umweltmanagementsystem Umweltmarketing Umweltmedien Umweltökonomie Umweltökonomische Gesamtrechnung Umweltpolitik Umweltpolitik, als strategische Handelspolitik Umweltpolitik, europäische Umweltpolitik, internationale Umweltpsychologie Umweltqualitätsziele Umweltrecht Umweltschäden Umweltschutz Umweltschutz, additiver Umweltschutz in GATT und WTO Umweltschutz und Beschäftigung Umweltschutz, integrierter Umweltschutzindustrie Umweltschutzkosten Umweltschutzleitbilder Umweltschutz-Publizität Umweltschutzsubventionen Umweltschutztechnik Umweltschutzverpflichtungen im Jahresabschluß Umweltsponsoring Umweltstandards Umwelttoxikologie Umweltverbände Umweltverträglichkeitsprüfung Umweltvorsorge Umweltzeichen UNCED UNEP Untemehmensfilhrung, ökologische XVII

Stichwortverzeichnis

V Validierung Verhaltenslücke Verkehr Verpackungsverordnung Versauerung Verursacherprinzip Vorsorgeprinzip

w

Wasserkraftwerk Wegwerfgesellschaft Weltbank WHO Wiener Konvention Windenergie Wirkungsabschätzung WWF

X Xenobiotika

Y Yellow cake

z

Zertifikate Zertifizierung

XVIII

Stichwortverzeichnis

Autorenverzeichnis

Prof. Dr. Dietrich Adam Direktor des Instituts für Industrie- und Krankenhausbetriebslehre, Westfälische Wilhelms-Universität, Münster

Dipl.-Vw. Walther Adler Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Volkswirtschaftstheorie, -politik und Internationale Wirtschaftsbeziehungen, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Justus-Liebig-Universität, Gießen

Dr. Martin Birke Wissenschaftlicher Mitarbeiter (Forschungsschwerpunkt Organisation und Ökologie) am Institut zur Erforschung sozialer Chancen (ISO), Köln

Dr. JOrgen E. Blank Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Volkswirtschaftstheorie, Westfälische Wilhelms-Universität, Münster

Dr. Anne-Katrin Bock European Comission, Institut for Prospect Technological Studies (IPTS), Isla de La Cartaja, Spanien

Dr. Sabine Bohnet-Joschko Wissenschaftliche Assistentin am Deutschen Kompetenzzentrum für Nachhaltiges Wirtschaften (dknw), Private Universität Witten/Herdecke gGmbH

Dr. Stefan Bringezu Abteilung Stoffströme, Institut für Klima, Umwelt, Energie, Wuppertal

Dr. Carlo Burschel Stellvertretender Direktor des Deutschen Kompetenzzentrums für Nachhaltiges Wirtschaften (dknw), Private Universität Witten/Herdecke gGmbH, Lehrbeauftragter für Umweltmanagement an der Universität Osnabrück

Prof. Dr. Hans E. Büschgen Direktor des Forschungsinstituts für Leasing, Universität Köln

Dipl.-Oec. Hartmut Clausen Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Volkswirtschaftstheorie, Westfälische Wilhelms-Universität, Münster

Dipl.-Kfm. Herbert Daldrup Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Umweltwirtschaft und UmweltschutzControlling, Universität Gesamthochschule Essen

Dipl.-Oec. Volker J.-F. Diffenhard Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Umweltmanagement, Universität Hohenheim

Dr. Achim Dinge Project Manager, Siemens Ltd., International Procurement Office Mumbai, Indien

Dr. Rainer W. Erb Projektleiter am Zentrum für Umweltkommunikation gGmbH (ZUK) der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, Osnabrück

XIX

Autorenverzeichnis Dipl.-Oec. Dirk Fischer Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Unternehmensführung und betriebliche Umweltpolitik, Carl von Ossietzky Universität, Oldenburg

Prof. Dr. Ulrich Förstner Arbeitsbereichsleiter Umweltschutztechnik, Technische Universität Hamburg-Harburg

Prof. Dr. Michael Fritsch Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik, TU Bergakademie Freiberg

Dr. Erik Gawel Habilitand am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF), Forschungsgruppe „Rationale Umweltpolitik - Rationales Umweltrecht", Universität Bielefeld

Dipl.-Vw. Christian Geßner Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Integrative Umweltökonomie am Deutschen Kompetenzzentrum für Nachhaltiges Wirtschaften (dknw), Private Universität Witten/Herdecke gGmbH

Dr. Hendric Hailay Internationales Hochschulinstitut (IHI), Zittau

Dipl.-Vw. Alexander Haupt Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft, Europa Universität Viadrina, Frankfurt/Oder

Dr. Stefanie Heiden Referatsleiterin Biotechnologie der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, Osnabrück, und Lehrbeauftragte an der Fachhochschule und Universität Osnabrück

XX

Autorenverzeichnis Dr. Thorsten Hennig-Thurau Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Marketing I, Universität Hannover

Dr. Karl Otto Henseling Fachgebiet Stoffflüsse, Umweltbundesamt, Berlin

Prof. Dr. Egbert Kahle Geschäftsfiihrender Vorstand des Instituts für Betriebswirtschaftslehre, Lehrstuhl für Organisation und Entscheidung, Universität Lüneburg

Prof. Dr. Helmut Karl Lehrstuhl fiir Volkswirtschaftslehre, Wirtschaftspolitik II, Friedrich-SchillerUniversität, Jena

Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg Lehrstuhl für Marketingmanagement, Handelshochschule Leipzig

Dr. Birte Klein Akademische Rätin der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf

Dipl.-Oec. Olaf Klinghagen Vodafon AG, Düsseldorf

Prof. Dr.-Ing. K. F. Knoche Lehrstuhl für Technische Thermodynamik, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH), Aachen

Dipl.-Soz./Dipl.-Päd. Rainer Körte Referent an der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt), Köln

Autorenverzeichnls

Prof. Dr. Matthias Kramer Stellvertretender Direktor des Internationalen Hochschulinstituts Zittau (IHI), Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Rechnungswesen, Internationales Hochschulinstitut (IHI), Zittau

Dipl.-Oec. Martin Kreeb Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Umweltmanagement, Universität Hohenheim und am Deutschen Kompetenzzentrum für Nachhaltiges Wirtschaften (dknw), Private Universität Witten/Herdecke gGmbH

Dipl.-Ing. Martin Kruska Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Technische Thermodynamik, RheinischWestfälische Technische Hochschule (RWTH), Aachen

Dipl.-Ing. Isabel Kuperjans Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Technische Thermodynamik, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH), Aachen

Dr. Claus-Friedrich Laaser Mitglied der Forschungsgruppe „Verkehrswirtschaft" des Instituts für Weltwirtschaft, Universität Kiel

Prof. Dr. Christoph Lange Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Umweltwirtschaft und Umweltschutz-Controlling, Universität Gesamthochschule Essen

Dipl.-Oec. Christian Lehmann Umweltschutzbeauftragter der Muckenhaupt & Nusselt GmbH & Co. KG, Wuppertal

Autorcnverzeichnls

Dr. Christa Liedtke Leiterin der Arbeitsgruppe Ökoeffizienz & Zukunftsfähige Unternehmen, Institut für Klima, Umwelt, Energie, Wuppertal

Dipl.-Kfm. Dirk Losen Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forum für Nachhaltigkeit des Deutschen Kompetenzzentrums für Nachhaltiges Wirtschaften (dknw), Private Universität Witten/Herdecke gGmbH

Anja Maniura Studentische Mitarbeiterin am Deutschen Kompetenzzentrum für Nachhaltiges Wirtschaften (dknw), Private Universität Witten/Herdecke gGmbH

Prof. Dr. Bernd Markert Direktor des Internationalen Hochschulinstituts (IHI), Zittau

Dr. Dirk Matten Dozent für Internationales Management, Umweltmanagement und Unternehmensethik, European Business Management School, University of Wales, Swansea, Großbritannien

Prof. Dr. Roland MattmOiler Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing und Handel, European Business School, Oestrich-Winkel

Dipi.-Vw. Reinhard Mechler Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Versicherungswissenschaft, Graduiertenkolleg "Naturkatastrophen", Universität Karlsruhe (TH)

Dipl.-Oec. Christian Menzel Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft (Umweltökonomie), Europa Universität Viadrina, Frankfurt/Oder

XXI

Autorenverzeichnis

Autorenverzeichnis

Dr. Wolfgang Meyer Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Soziologie, Universität des Saarlandes, Saarbrücken

Dipl.-Vw. Dirk Polster Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Genossenschaftswesen, Westfälische Wilhelms-Universität, Münster

Dr. Axel Michaelowa Freier Mitarbeiter am HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung, Hamburg

Dr. Hans Richter Referatsleiter Umweltchemie, Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Osnabrück

Prof. Dr. G. Michelsen Geschäftsführender Leiter des Instituts für Umweltkommunikation, Universität Lüneburg

Prof. Dr. Fritz Rahmeyer Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzpolitik und Trasnsferökonomie, Universität Augsburg,

Prof. Dr. Udo MUller Institut für Volkswirtschaftslehre, Abteilung für Ordnungs- und Prozeßpolitik, Universität Hannover

Prof. Dr. Ortwin Renn Sprecher des Vorstands und Leiter des Bereichs „Technik, Gesellschaft und Umweltökonomie", Akademie für Technikfolgenabschätzung in BadenWürttemberg, Stuttgart

Dr. Peter Neumann Lehrstuhl für Organisations- und Wirtschaftspsychologie, LudwigMaximilians-Universität, München

Prof. Dr. Franz-Joseph Peine Lehrstuhl für öffentliches Recht, Georg-August-Universität, Göttingen

Prof. Dr. Otto Rentz Direktor des Instituts für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion und des Deutsch-Französischen Instituts für Umweltforschung, Universität Karlsruhe (TH),

Prof. Dr. Wolfgang Peters Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft (Umweltökonomie), Europa Universität Viadrina, Frankfurt/Oder

Prof. Dr. Dr. h.c. Lutz von Rosenstiel Lehrstuhl fur Organisations- und Wirtschaftspsychologie Institut für Psychologie, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Prof. Dr. Wolfgang PfafTenberger Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik, Carl von Ossietzky Universität, Oldenburg

Dipl.-Vw. Katrin Salge Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Bremer Energie Institut, Bremen

Prof. Dr. Reinhard Pfriem Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Unternehmensführung und betriebliche Umweltpolitik, Carl von Ossietzky Universität, Oldenburg

Prof. Dr. August Schick Geschäftsführender Direktor des Instituts zur Erforschung von Mensch-UmweltBeziehungen im Fachbereich Psychologie, Carl von Ossietzky Universität, Oldenburg

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Autorenverzeichnis Angela Schilde Studentische Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe ökoeffizienz & Zukunftsfähige Unternehmen, Institut für Klima, Umwelt, Energie, Wuppertal

Dr. Karl Schoer Leiter der Gruppe „Umweltökonomische Gesamtrechnungen", Statistisches Bundesamt, Wiesbaden

Dr. Christian M. Scholz Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Weltwirtschaft, Christian-AlbrechtsUniversität, Kiel

Dipl.-Oec. UlfSchrader Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Marketing I, Universität Hannover

Dipl. Wirtsch.-Ing. Markus Schroll Projektleiter am Institut für angewandte Innovationsforschung Bochum e.V. (IAI)

Dr. Frank Schultmann Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion, Leiter der Forschungsgruppe Produktion und Umwelt, Universität (TH) Karlsruhe

Prof. Dr. Werner F. Schulz Lehrstuhl für Umweltmanagement der Universität Hohenheim, Direktor des Deutschen Kompetenzzentrums fiir Nachhaltiges Wirtschaften (dknw), Private Universität Witten/Herdecke gGmbH

Dr. Michael Schwarz Wissenschaftlicher Mitarbeiter (Forschungsschwerpunkt Organisation und Ökologie), Institut zur Erforschung sozialer Chancen (ISO), Köln

Autorenverzeichnis Dipl.-Oec. Jochen Schwarzbauer Wissenschaftlicher Mitarbeiter Lehrstuhl fiir Umwelt- und Ressourcenökonomie, Universität Augsburg

Prof. Dr. Jürgen Simon Geschäftsfilhrender Vorstand des Instituts für Rechtswissenschaften, Universität Lüneburg

Prof. Dr. Udo E. Simonis Lehrstuhl für Umweltpolitik, Wissenschaftszentrum Berlin (WZB)

Dr. Achim Spiller Habilitand am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, GerhardMercator-Universität GH, Duisburg

Prof. Dr. Volker Stahlmann Fachbereich Betriebswirtschaft, Umweltorientierte Unternehmensführung, Georg-Simon-Ohm Fachhochschule, Nürnberg

Prof. Dr. Erich Staudt Lehrstuhl fiir Arbeitsökonomie, RuhrUniversität Bochum, Vorstandsvorsitzender des Instituts fiir angewandte Innovationsforschung Bochum e.V. (IAI)

Prof. Dr. Ulrich Steger Inhaber des Alean Chair for Environmental Management, International Institute for Management Development (IMD), Lausanne, Schweiz

Prof. Dr. Frank Stehiing Fakultät fiir Mathematik und Wirtschaftswissenschaften, Abteilung Wirtschaftswissenschaft, Universität Ulm

XXIII

Autorenverzeichnis

Autorenverzeichnis

Dipl.-Kfm. Kai Stenzel Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insb. Finanzwirtschaft und Umweltökonomie, Europa Universität Viadrina, Frankfurt/Oder

Dipl.-Kfm. Robert Wagner Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Internationalen Hochschulinstituts (IHI), Zittau

Prof. Dr. rer. pol. Wolfgang Stölzle Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, Technische Universität München, Außenstelle Weihenstephan, Freising

Dipl.-Ing. Patrick Weber Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhls für Technische Thermodynamik, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH), Aachen

Prof. Dr. Wolfgang Ströbele Lehrstuhl für Volkswirtschaftstheorie, Westfälische Wilhelms-Universität, Münster

Dipl.-Oec. Harald Ukena Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Umweltwirtschaft und UmweltschutzControlling, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Universität Gesamthochschule Essen

apl. Prof. Dr. Eberhard Umbach Institut für Umweltsystemforschung, Universität Osnabrück

XXIV

Dr. Hubertus Wichmann Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für ökologische Chemie und Abfallanalytik, Technische Universität Braunschweig

Prof. Dr. Horst Zimmermann Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft, PhilippsUniversität, Marburg

Abbaubarkeit

Abfallbflrse

A Abbaubarkeit bezeichnet die Eigenschaft von Stoffen, durch biologische und chemische Prozesse (induziert durch Mikroorganismen) in ihre Bestandteile zersetzt werden zu können (z. B. biologische Abbaubarkeit von Waschmittelprodukten).

Abfackeln ist die Bezeichnung für ein Verfahren zur Verbrennung überschüssiger bzw. nicht verwertbarer Gase mit offener Flamme. Es wird vor allem beim An- und Abfahren von Anlagen in der Petrochemie, an Faultürmen in der Klärschlammbehandlung und bei der Verbrennung von -»Deponiegasen eingesetzt.

Abfall sind gemäß §3 des -»Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz bewegliche Sachen, die unter eine der Gruppen des Anhangs I des —»KrW-/AbfG fallen und deren sich der Besitzer entledigt, entledigen will (subjektiver Abfallbegriff) oder entledigen muß (objektiver Abfallbegriff).

Abfallarten sind für Deutschland in der Anlage der Abfallbestimmungs-Verordnung sowie im Anhang C der -»TA Abfall aufgeführt.

Abfallbeauftragter Jedes Unternehmen muß nach deutschem Abfallrecht einen Abfallbeauftragten bestellen, wenn es ortsfeste Abfallbeseitigungsanlagen betreibt oder solche, in denen regelmäßig umweltschädliche Abfälle anfallen, oder wenn die zuständige Behörde dieses anordnet. Nach dem —»Abfallgesetz liegen die Aufgaben des Abfallbeauftragten in der Beratung des Betreibers einer Anlage und der Betriebsangehörigen in Themen der

-»Kreislaufwirtschaft (-»Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz) und der -»Abfallbeseitigung. Der Abfallbeauftragte ist berechtigt und verpflichtet: •



• •



die Einhaltung von Gesetzen, Verordnungen und behördlichen Anordnungen zu überwachen; bei der Entwicklung und Einführung umweltfreundlicher Verfahren mitzuwirken; der Unternehmensleitung über Umweltrisiken zu berichten; sich aktiv an Investitionsvorhaben zu beteiligen (-»Investitionsplanung und kontrolle, umweltschutzbezogene); die Mitarbeiter über betriebliche Umweltrisiken aufzuklären.

Die Qualifikation des Abfallbeauftragten umfaßt ein abgeschlossenes Hochschulstudium der Chemie, Physik, des Ingenieurswesens oder der Umwelttechnik und zwei Jahre praktische Erfahrung im Bereich des technischen Umweltschutzes.

Abfallbeseitigung ist nach —»Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz die Deponierung von nicht weiter (stofflich oder energetisch) verwertbaren Abfällen in hierfür gemäß -»TA Siedlungsabfall zugelassenen -»Deponien.

Abfallbörse seit Anfang der 70er Jahre bestehende Vermittlungsstelle von Produktionsrückständen aus dem Bereich der gewerblichen Wirtschaft. Das Ziel der Selbsthilfeaktion der Industrie ist die Förderung der Verwertung von -»Reststoffen, die Vermeidung der Verknappung von Rohstoffen und die Reduktion von Abfallmengen. Abfallbörsen sind bei allen Industrie- und Handelskammern eingerichtet. Der Vermittlungsservice 1

Abfallgesetz unter einer Chiffre ist in der Regel kostenlos. Die Informationsblätter "Abfallbörse" sind nach den jeweiligen Materialgruppen gegliedert und erscheinen einmal im Monat.

Abfallgesetz Abk.: AbfG: Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen. In dem Abfallbeseitigungsgesetz von 1972 wurden vor allem organisatorische Fragen geregelt. Diese beinhalteten z. B. die Festlegung von Entsorgungspflichten, abfallrechtliche Zulassungsverfahren sowie deren Überwachung. Die Einfuhrung des Abfallvermeidungs- und des Abfallverwertungsgebotes sowie der Ermächtigung zum Erlaß weiterer Verordnungen im Abfallgesetz vom 27. 08. 1986 setzte neue Maßstäbe. Das AbfG beinhaltet im einzelnen: • • • •



Abfallbestimmungs-Verordnung vom 03. 04.1990; Reststoffbestimmungs-Verordnung vom 03. 04. 1990; Abfall- und ReststoffüberwachungsVerordnung vom 03. 04. 1990; Zweite Allg. Verwaltungs Vorschrift zum Abfallgesetz (—»TA Abfall) vom 12. 03.1991; Verordnungen über Verbrennungsanlagen und ähnliche brennbare Stoffe vom 23. 11.1990.

Abfallvermeidung Das —»Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz räumt der Abfallvermeidung oberste Priorität ein, d. h. das Entstehen von -»Abfall soll möglichst verhindert werden. Sind Abfälle nicht zu vermeiden, sind sie einer Verwertung zuzuführen und in letzter Konsequenz zu beseitigen.

Abfallverwertung ist ein Verfahren zur Rückgewinnung oder Nutzung von Wertstoffen im -»Abfall durch stoffliche oder thermische Verwertung. Im einzelnen stehen hier zur Verfugung: • • 2

Kompostierung; Müllverbrennung;

Abfallwirtschaftspolitik, europäische • •

Pyrolyse; Brennstoffgewinnung.

Eine Sortierung oder getrennte Sammlung ermöglicht die Wiederverwertung von Wertstoffen des Abfalls. -»Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz

Abfallwirtschaft Ziel der Abfallwirtschaft ist die gefahrlose -»Entsorgung von Abfällen. Gesetzliche Grundlage der Abfallwirtschaft bildet in der Bundesrepublik Deutschland das -»Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. Dieses fordert eine weitestgehende -»Abfallvermeidung, bevor Maßnahmen der -»Abfallverwertung und der -»Abfallbeseitigung greifen. Neben die öffentlichen, insbesondere kommunalen Entsorgungsbetriebe sind in zunehmenden Maße privatwirtschaftliche Entsorgungsunternehmen getreten. Um eine möglichst kostengünstige Entsorgung zu gewährleisten, werden unterschiedliche Organisationsformen, etwa, in Form der Private-Public-Partnerships diskutiert und angewandt. Die Entsorgung erfolgt größtenteils auf -»Deponien und in Müllheizkraftwerken. Um eine umweltverträgliche Entsorgung sicherzustellen, werden hohe Anforderungen an den die technische Ausstattung bzw. den Betrieb der Entsorgungsanlagen gestellt (z. B. Deponieabdichtung, strenge Luftgrenzwerte).

Abfallwirtschaftspolitik, europäische Nachfolgend werden die wichtigsten Eckpfeiler der Entstehung und Entwicklung des Abfallrechts und der Abfallpolitik in der Europäischen Union (EU) nachgezeichnet, um dann auf die aktuelle Abfallpolitik bei den Siedlungsabfällen im Rahmen des Fünften Umweltaktionsprogramm einzugehen. 1. Entstehung und Entwicklung des Abfallrechts und der Abfallwirtschaftspolitik Der Anfang der Rechtssetzung in der -»Abfallwirtschaft und der Abfallpolitik in der Europäischen Union ist zeitgleich mit dem der deutschen auf das Jahr 1972 datiert. Ausgangspunkt war eine Gipfelkonferenz der

Abfallwirtschaftspoütik, europäische

Abfallwirtschaftspolitik, europaische Staats- und Regierungschefs aus der im weiteren Verlauf das Erste Umweltaktionsprogramm von 1973 hervorging. In der Begründung für das Tätigwerden der Europäischen Gemeinschaft hieß es, die Verbesserung der Lebensqualität und der Schutz der natürlichen Umwelt gehören zu den Aufgaben der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Allerdings muß das damalige Bekenntnis zum Umweltschutz kritisch betrachtet werden. Umweltschutz war zu diesem Zeitpunkt nur über den „Umweg" der wirtschaftlichen Interessen möglich. So konnten umweltpolitische Maßnahmen nicht aus reinen Umweltschutzgründen erlassen werden, sondern bedurften einer wirtschaftspolitischen Legitimation. Desweiteren wird durch die Einbeziehung der —»Umwelt in die Belange der Gemeinschaft dieser ein weiteres Instrument an die Hand gegeben, u m ihr pimäres Ziel, die Bekämpfung von Wettbewerbsbeschränkungen, zu erreichen. Zu erwartende Wettbewerbsverzerrungen infolge unterschiedlicher Umweltpolitiken in den Mitgliedsstaaten (MS) wurde somit ein Riegel vorgeschoben. Ferner kommt der Begriff „Umwelt" im vorwiegend wirtschaftlich geprägten Art. 2 EWGV überhaupt nicht vor. Erst mit Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) 1987 wurde dieser in den Vertragstext aufgenommen.

die Frage der gefahrlosen Beseitigung von Abfällen, insbesondere von Industrieabfällen und radioaktiven Abfällen. Die von diesen Abfällen ausgehenden Gesundheitsgefährdungen und -belästigungen wurden als problematisch eingestuft. Fragen der ->Abfallvermeidung und —>Abfallverwertung zur Reduzierung der Abfallmengen, der Rohstoff- bzw. Energierückgewinnung waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht relevant. Hinsichtlich der Zuständigkeit für das Abfallproblem wurde damals noch die Ansicht vertreten, Abfälle seien Probleme regionaler Art und müßten demzufolge auch auf regionaler Ebene bewältigt werden. Bestimmte Abfälle könnten, z. B. aufgrund ihrer stofflichen Zusammensetzung, jedoch grenzüberschreitende Lösungen erfordern. 1.2. Abfallrahmenrichtlinie Mit der Richtlinie 75/442 über Abfälle aus dem Jahr 1975 wurde der Abfallwirtschaft erstmals gemeinschaftsweit eine Rahmenregelung vorgegeben. Sie war zwar noch sehr lückenhaft, beinhaltete aber bereits wesentliche Regelungsgegenstände wie: • • •

Begriffsbestimmungen (Art. 1 a. F.); Aussagen über Ziele und Prinzipien der Abfallwirtschaft (Art. 3 I a. F.); Aussagen zur Abfallbeseitigungsplanung, Beseitigungspflicht, Anlagengenehmigung, Überwachung, Abfalltransport, etc.

Insgesamt gesehen, kann zumindest bis zur EEA zutreffenderweise von einer Doppelmotivation - Umweltschutz und Bewahrung des gemeinsamen Marktes - gesprochen werden. Diese zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte EU-Abfallrecht und dort insbesondere bei der ->Abfallbeseitigung. Die Umweltaktionsprogramme legen die allgemeinen Tätigkeitsfelder und Schwerpunkte -»europäischer Umweltpolitik fest. Hier wird allerdings nur auf die abfallwirtschaftlichen Aspekte der Umweltaktionsprogramme eingegangen. Aussagen zu anderen Umweltthemen, wie Verkehr, Wasserschutz, Klimapolitik, Landwirtschaft, etc. werden nicht behandelt.

Art. 3 Abs. 1 a. F. forderte damals schon die Etablierung von Maßnahmen und Verfahren der Abfallvermeidung, der Wiederverwendung und Verwertung (inklusive der Energiegewinnung) innerhalb der MS und griff damit bereits dem Zweiten Umweltaktionsprogramm von 1977 vor, in dem die Abfallvermeidung und -Verwertung als wesentliche Ziele gemeinschaftlicher Abfallpolitik festgeschrieben wurden. Die Bezeichnung Rahmen-Richtlinie resultiert aus der Freiheit ihrer weiteren inhaltlichen Ausgestaltung durch die Mitgliedsstaaten sowie der EU selbst.

1.1. Erstes Umweltaktionsprogramm Abfallpolitisch stand im Zentrum des Ersten Umweltaktionsprogramms (1972) alleinig

1.3. Zweites Umweltaktionsprogramm Vor dem Hintergrund der Ölkrise Mitte der siebziger Jahre fand mit dem Zweiten 3

Abfallwirtschaftspolitik, europSische Umweltaktionsprogramm (1977) innerhalb der Abfallpolitik ein Paradigmenwechsel hin zu einer mehr ressourcenorientierten Abfallpolitik statt. Konzentrierte sich das Erste Umweltaktionsprogramm vornehmlich auf die gemeinwohlverträgliche Beseitigung, so stehen jetzt unter dem Gesichtspunkt der Ressourcenschonung primär die abfallwirtschaftlichen Ziele Vermeidung und Verwertung im Vordergrund. So formuliert das Zweite Umweltaktionsprogramm, deutlicher als wie in der Abfallrahmenrichtlinie zuvor angedeutet, eine Zieltrias nämlich Vermeidung, Verwertung und Beseitigung. Eine Prioritätensetzung ist jedoch noch nicht erkennbar. Bezüglich der Verwertung werden im Programm einige Problemfelder benannt, wie instabile Märkte für Sekundärrohstoffe, unzulängliche Verwertungstechnologien oder unzureichende Informationen über optimale Verfahren zur Nutzung von Sekundärrohstoffen. Es sollen zur Problemminderung bei verschiedenen Abfallstoffen die Vorteilhaftigkeit der Vermeidung und Verwertung geprüft sowie Abfallbörsen eingerichtet und gefördert werden. Auf dem Gebiet der Beseitigung soll an die Maßnahmen des Ersten Umweltaktionsprogramms angeknüpft werden. Die erlassenen Richtlinien RL 78/319/EWG über giftige und gefährliche Abfälle, RL 78/176/EWG über Abfälle aus der Titandioxidproduktion sowie die RL 82/883 über die Einzelheiten der Überwachung und Kontrolle der durch die Ableitungen aus der Titandioxidproduktion betroffenen Umweltmedien lösten den Anspruch der im Zweiten Umweltaktionsprogramm niedergelegten Ziele der Vermeidung und Verwertung nicht ein. Sie enthielten diesbezüglich noch bruchstückhafte Regelungen. Auch die Beseitigung war nur halbherzig geregelt; einzuhaltende Umweltstandards waren entweder nur teils oder generalklauselartig formuliert. 1.4. Drittes Umweltaktionsprogramm Das Dritte Umweltaktionsprogramm (1983) brachte keine wesentlichen Neuerungen für die Abfallpolitik. Ziele sind weiterhin die Vermeidung von Abfallen sowie die Reduzierung des nicht verwertbaren Abfallaufkommens an seinem Ursprungsort vornehmlich zur Rohstoffeinsparung. Eine Verwer4

Abfallwirtschaftspolitik, europäische tung von Abfällen sollte dabei entweder der Rückgewinnung von Rohstoffen (stoffliche Verwertung) oder der Nutzung als Energiequelle (energetische Verwertung) dienen. Am Ende steht die schadlose Beseitigung. Abfallvermeidung soll wiederum durch die Förderung der Entwicklung neuer Technologien vorangebracht werden. Zwar wird zum Zwecke der Vermeidung auch von finanziellen Anreizinstrumenten gesprochen, eine Konkretisierung erfolgte aber nicht. Die gemeinschaftlichen Vorgaben auf dem Gebiet der Beseitigung sollen v. a. bei gefährlichen Abfällen verstärkt und ergänzt werden. Beachtenswert ist indes RL 84/631/EWG über die Überwachung und Kontrolle - in der Gemeinschaft - der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle. Bezogen sich Akte der Gemeinschaft bisher auf die Regelung einzelner Abfallströme (z. B. Altöl, Abfälle aus der Titandioxidindustrie), so wird hier erstmals unabhängig von der Abfallart ein komplettes Regelungsgebiet, nämlich das der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle erfaßt. 1.5. Einheitliche Europäische Akte Bis zur Einheitlichen Europäischen Akte (1987) bedurfte Umweltschutz wie dargestellt einer wirtschaftspolitischen Legitimation. Maßnahmen des Umweltschutzes konnten nur mit Hilfe des Zieles der Erreichung des Binnenmarktes durchgesetzt werden. Mit der Einführung des Abschnittes „Umwelt" (Art. 130 r bis 130 t a. F. EWGV) in den EWG-Vertrag fand der Umweltschutz seine eigenständige vertragliche Grundlage. Umweltschutz und Binnenmarkt stehen nun gleichberechtigt nebeneinander. Art. 130 EWGV ermöglicht nun die Schaffung von Sekundärrecht einzig und allein aus umweltpolitischen Interessen. Einer wirtschaftspolitischen Legitimation bedurfte es nicht mehr. Desweiteren wurde der umweltpolitische Gestaltungsfreiraum erweitert. 1.6. Viertes Umweltaktionsprogramm Im Vierten Umweltaktionsprogramm (1987) wird die bis heute gültige Zielhierarchie Vermeidung vor Verwertung vor Beseitigung - festgeschrieben. Zum Zwecke der Abfallvermeidung betont es die Entwicklung und Förderung sauberer Technologien sowie

Abfallwirtschaftspolitik, europaische die Notwendigkeit umweltverträglicher Produkte. Desweiteren stellt es fest, daß strenge Umweltschutzvorschriften sowohl fiir ein hohes Maß an -»Umweltschutz und Lebensqualität als auch für die Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten notwendig seien. Hier zeigt sich wieder die eingangs beschriebene Doppelmotivation bei gemeinschaftlichen Akten. Die Abfallverwertung ist nach Ansicht der Kommission langfristig vielleicht die wichtigste aller Aktionen hinsichtlich der Ziele Ressourceneinsparung und Reduzierung der endzulagemden Abfallmenge. Das Programm widmet den wirtschaftlichen Instrumenten einen eigenen Abschnitt. Diese sollen der Förderung des -»Verursacherprinzips und der Abfallverwertung dienen. Genannt werden hier der vermehrte Einsatz von Steuern, -»Abgaben, staatlichen Beihilfen und handelbaren Deponiegenehmigungen auch ausdrücklich für den Bereich der Abfallbeseitigung. Das Vierte Umweltaktionsprogramm ist desweiteren Quelle einer Gemeinschaftsstrategie für die Abfallwirtschaft, die im folgenden etwas genauer dargelegt wird, da sie nach Überprüfung im Jahr 1996 auch heute noch weitergeführt wird. 1.7. Gemeinschaftsstrategie fiir die Abfallwirtschaft In der Entschließung des Rates über die Abfallpolitik vom 7. Mai 1990 bringt der Rat zur Geltung, daß es im Interesse des Umweltschutzes einer umfassenden Abfallpolitik in der Gemeinschaft bedarf. Die Gemeinschaftsstrategie erläutert die Grundsätze, die Prioritäten und das mittelund langfristige, gemeinschaftliche Konzept fiir die Abfallwirtschaft bis zum Jahr 2000. Eckpfeiler dieser Gemeinschaftsstrategie sind fünf Generallinien: 1)

2)

Abfall Vermeidung: Die Abfallvermeidung an der Quelle mittels sauberer Technologien und umweltverträglicher Produkte genießt oberste Priorität. Wiederverwertung: Politisch wird die Verwertung gegenüber der Beseitigung als der bessere Entsorgungsweg präferiert. Das Ver-

Abfallwirtschaftspolitik, europäische hältnis von Verwertung zu Beseitigung wird jedoch, solange keine gesetzlichen Vorschriften bestehen, in erster Linie über den Preis für die Verwertungsbzw. Beseitigungsleistungen bestimmt. Demnach unterliegt die Verwertung der Beseitigung und die Abfallverwertung muß gefördert werden Zu den Maßnahmen gehören die -»Intemalisierung -»externer Kosten, die Schaffung von Märkten für verwertete Produkte (z. B. Abfall- und Recyclingbörsen) sowie finanzielle Anreize in Form von Abgaben und Pfandgebühren. Desweiteren sollen Verwertungsverfahren und Sammel- und Sortiersysteme verbessert werden. 3)

Optimierung der Beseitigung: Die Schaffung einer geeigneten Entsorgungsinfrastruktur mit dem Ziel der Entsorgungsautarkie der Gemeinschaft wird kurz- und mittelfristig als vorrangig erachtet. Es soll auf Regional- und Gebietsebene ein angemessenes, integriertes Netz von Entsorgungsanlagen errichtet werden, das mit den besten derzeit verfügbaren und keine übermäßigen Kosten verursachenden Technologien arbeitet. Die hierfür notwendige Planung der Abfallbewirtschaftung ist unter dem Gesichtspunkt einer entstehungsnahen Beseitigung von den Ländern durchzuführen, wobei eine Kooperation zwischen den MS gestattet ist, sofern diese notwendig und zweckdienlich ist. Für eine umweltverträgliche Beseitigung stehen die -»Deponie und die Müllverbrennung zur Verfügung. Aufgrund knapper Deponiekapazitäten und des Schadenspotentials nicht vorbehandelter Abfälle ist die Deponierung nur als ultima ratio anzusehen. Die Müllverbrennung bietet neben der Volumenreduzierung zugleich die Möglichkeit der Inertisierung der Abfallgemische und damit die Reduzierung des Schadenspotential der endzulagemden Abfälle. Die umweltverträgliche Verbrennung erfordert strenge Vorschriften und eine laufende Überwachung. Diesem 5

Abfallwirtschaftspolitik, europäische Verlangen ist in den Richtlinien aus dem Jahr 1989 R L 89/369/EWG über die Verhütung der Luftverunreinigungen durch neue Verbrennungsanlagen für Siedlungsmüll und RL 89/429/EWG über die Verringerung der Luftverunreinigungen durch bestehende Verbrennungsanlagen für Siedlungsmüll Rechnung getragen worden. Hinsichtlich der Deponien gab es ebenfalls Rufe nach einheitlichen Regelungen, weil die Regelungen der jeweiligen MS höchst unterschiedlich waren und sich die Umweltqualitätsstandards weiter auseinanderentwickelt hatten. Vorschläge für eine Deponierichtlinie gab es bereits 1991. Zur Zeit versucht man sich weiter über eine Deponierichtlinie zu verständigen. 4)

5)

Regelungen im Bereich des Transportes: Der Abfalltransport soll auf das für eine umweltverträgliche Entsorgung notwendige Maß reduziert und kontrolliert werden. Sanierungsmaßnahmen: Ziel ist die Ermittlung und Sanierung von Deponien. Zukünftig sollen die Abfallerzeuger an den Kosten der Sanierung beteiligt werden. Dies soll mit Hilfe einer Richtlinie über die Haftung im Bereich der Abfälle erreicht werden.

Femer wurde auf die Notwendigkeit einer richtlinienkonformen Umsetzung von Gemeinschaftsrecht in nationales Recht und auf dessen richtliniengetreuen Vollzug hingewiesen (z. B. Pflicht der M S Abfallentsorgungspläne aufzustellen, oder die Pflicht über den Stand der Abfallbewirtschaftung zu berichten). Damals wurde bereits erkannt, daß unterschiedliche ->Umweltstandards und technische Vorschriften für Abfallentsorgungsanlagen innerhalb des Binnenmarktes dazu führen würden, daß Abfall den kostengünstigsten Anlagen zugeführt werden würde und somit dort, wo die geringsten Umweltanforderungen bestehen, der größte Anteil entsorgt werden würde. Im Interesse des Umweltschutzes sollten Entsorgungsvorschriften daher auf einem hohen Schutzniveau harmonisiert, die Kontrolle der zu entsorgenden Abfälle ausge6

Abfallwirtschaftspolitik, europäische dehnt und ein integriertes, flächendeckendes Entsorgungsnetz vorangetrieben werden. Niederschlag finden diese Entwicklungen generell in der Neufassung der Abfallrahmenrichtlinie 91/156/EWG aus dem Jahr 1991, die die alte Fassung in Form der RL 74/442/EWG ablöst. 2. Aktuelle europäische Abfallwirtschaftspolitik Rahmen der heutigen Abfallwirtschaftsstrategie sind das Fünfte Umweltaktionsprogramm von 1992 und die Gemeinschaftsstrategie aus dem Jahr 1989. Die Konzeption aus dem Jahr 1989 wurde in der Entschließung über eine Gemeinschaftsstrategie für die Abfallbewirtschaftung vom 24. Februar 1997 den neuen Verhältnissen angepaßt und bestätigt. 2.1. Fünftes Umweltaktionsprogramm Vor dem Hintergrund der UN-Konferenz von Rio (—>Rio-Konferenz) und der in diesem Zusammenhang entwickelten „->Agenda 21" reagierte die Europäische Union mit dem heute aktuellen und bis zum Jahr 2000 geltenden Fünften Umweltaktionsprogramm aus dem Jahr 1992. Es steht unter dem Titel „Für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung" und soll unter diesem Motto die im Fünften Umweltaktionsprogramm erforderliche „neue Gangart" gewährleisten, da die bisherigen Maßnahmen nicht den erhofften Erfolg einer Eindämmung des Abfallaufkommens erbracht haben. Allgemeines Ziel ist nach wie vor die quantitative Reduktion des bei rückgehenden Entsorgungsmöglichkeiten steigenden Abfallaufkommens und die qualitative Verringerung dessen Gefährdungspotentials. Hierfür hat die Europäische Union klare Zielvorgaben für das Jahr 2000, die dazu notwendigen Aktionen und die zuständigen Kreise benannt. Sie differenziert dabei zwischen Siedlungsabfällen und gefährlichen Abfällen. Zu den zentralen Zielen im Bereich der Siedlungsabfälle gehören: •

die Schaffung einer gemeinschaftsweiten Infrastruktur für die sichere Sammlung, Trennung und Entsorgung von Abfällen;

Abfallwirtschaftspolitik, europlische

• • • •

die Autarkie der EU bei der Endlagerung der Abfälle; erhöhtes Recycling und umfangreichere Wiederverwendung; Schaffung eines Marktes für rückgewonnene Materialien; das Einfrieren des Abfallaufkommens auf EU-weit durchschnittlich 300 kg/Kopf.

Zu diesem Zweck soll die Abfallstrategie aus dem Jahre 1989 intensiviert weiterverfolgt werden (vgl. Abb. 1). Maßnahmen der Vermeidung, der Wiederverwendung und Rückgewinnung (z. B. durch getrennte Sammlung), die Erstellung eines geeigneten Entsorgungsnetzes sowie Maßnahmen des integrativen Umweltschutzes genießen Priorität. Neu ist der Gedanke eines umfassenden horizontalen Ansatzes im Umweltschutz. Neben sektoralen Maßnahmen, die nur den Abfallbereich betreffen, soll verstärkt auf Maßnahmen gesetzt werden, die die Umwelt gesamthaft schützen. Hierfür soll die Palette der Instrumente erweitert werden, wobei v. a. marktorientierte und begleitende Instrumente unter die horizontalen Maßnahmen fallen. Die Instrumente kann man wie folgt klassifizieren: •

Ordnungsrechtliche Instrumente: Hierunter fallen bspw. technische Normen an den Betrieb von Abfallbe-

Abfallwirtschaftspolitik, europaische handlungsanlagen, wie Grenzwerte für Dioxin-Emissionen (—>Dioxine) bei Hausmüllverbrennungsanlagen, die geplante Deponierichtlinie oder auch Vorgaben an die Verwertung, z. B. in Form der Verpackungsrichtlinie. •

Marktorientierte Instrumente: Zu nennen sind hier ökonomische und steuerliche Instrumente wie Abgaben und Gebühren, Pfand- und Rücknahmesysteme sowie freiwillige Vereinbarungen.



Begleitende Instrumente: Gemeint sind hier Maßnahmen zur Verbesserung der umweltbezogenen Datenlage, der Information und Erziehung der Bevölkerung sowie der wissenschaftlichen Forschung und technologischen Entwicklung.



Finanzielle Hilfen: Finanzierungsinstrumente fiir den Umweltschutz sind u. a. der Kohäsionsfond und das Finanzierungsinstrument für die Umwelt (LIFE).

Eine Obersicht über die Zielvorgaben, geplanten Aktionen und zuständigen Kreise für den Bereich der Siedlungsabfälle gibt Abb. 2.

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Abfallwirtschaftspolitik, europäische

Abfallwirtschaftspolitik, europaische

I. Prinzipien Vermeidung der Abfallproduktion durch

Rückgewinnung der erzeugten Abfälle durch

• • • •

• • • •

Technologien Erzeugnisse Wiederverwendung Verhaltensänderungen

Entmischung und Sortieren Getrennte Sammlung Materialrecycling Energierückgewinnung

II. Gesetzlicher Rahmen

Sichere Entsorgung durch • •

Reduzierung der Entsorgung Strengere Normen

V. Bewertung der Abfallwirtschaftspolitik im Hinblick auf die Prinzipien

Allgemeine Anwendung

Spezifische Anwendung



Rückkoppelung



Rahmenrichtlinie für Abfälle







Verordnung über die Überwachung von Abfalltransporten

Richtlinien N erordnungen über bestimmte Abfallarten, z.B. Verpackungsverordnung

Verbesserung der Rechtsvorschriften, Instrumente und Aktionen





Vorschlag für eine Richtlinie über die zivilrechtliche Haftung bei Umweltschäden

Richtlinien und technische Normen für bestimmte Abfaliarten, z.B. RL über die Verbrennung von Siedlungsabfällen

I

III. Zielsetzungen

Strenge Umsetzung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschri ften Zuverlässige Daten über: - Abfallproduktion und -merkmale



Schaffung einer Datenbank für: - Abfallproduktion und -merkmale - Einrichtungen zur Abfallbehandlung



Schaffung und Anwendung wirtschaftlicher Instrumente mit besonderer Ausrichtung auf die Abfallwirtschaft



Entwicklung und Förderung von - Sauberer Technologie - Entmischung und Sortiersystemen - Recyclingzyklen - Sicheren Entsorgungsprozessen



Umsetzung der Prinzipien Selbstentsorgung und Nähe



Erarbeitung von Produktspezifikationen zur Förderang der Verwendung rückgewonnener Stoffe



Schaffung und Anwendung gemeinschaftlicher Instrumente zur finanziellen Unterstützung (LIFE, Regionalfonds, FuE-Fonds)

- Einrichtungen zur Abfallbehandlung Abfallwirtschaft Minimierung des Abfalltransports Schaffung von Recyclingzyklen und Öffnung des Marktes für rückgewonnene Erzeugnisse

I

IV. Aktionen

Abb. 1: Ablaufdiagramm der Gemeinschaftsstrategie in der Abfallwirtschaft (Quelle: abgewandelte Darstellung nach Europäische Kommission 1993)

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Abfallwirtschaftspolitik, europäische

Abfallwirtschaftspolitik, europäische

Abfallwirtschaftliche Ziele • • •

Abfallvermeidung (Schließen des Kreislaufs) Weitestgehendes Recycling bzw. Wiederverwendung von Werkstoffen Sichere Entsorgung von Abfällen, die nicht recycling- oder wiederverwendungsfähig sind, mit folgender Priorität: 1. Nutzung als Brennstoff 2. Verbrennung 3. Deponieablagerung

EG-Zielvorgaben bis zum Jahr 2000 • • • • • •

Pläne zur Abfall wirtschaft von den Mitgliedstaaten Einfrieren der Abfallerzeugung auf 300 kg pro Kopf im EG-Durchschnitt (Stand vom 1985); dieser Mittelwert soll in keinem Mitgliedstaat überschritten werden Recycling / Wiederverwendung von Verbrauchsgütern Markt für rückgewonnene Materialien Kein Export außerhalb der EG zur Endlagerung Deutliche Verringerung der Dioxin-Emissionen (Verringerung der Werte des Jahres 1985 von 90% bis 2005

Aktionen

Zeitrahmen

Bereiche Akteure

Inkrafttreten der Deponierichtlinie

vor 1995

EG, MS, Industrie

Inkrafttreten der Verpackungsrichtlinie

1995

EG, MS, Industrie

Saubere Technologien und Produktgestaltungen

fortlaufend

EG, MS, Industrie, meinheit

Strategie für vorrangig zu behandelnde Abfallströme, Einstellung der Deponielagerung bestimmter Abfälle (Rechtsvorschriften, freiwillige Abkommen)

fortlaufend

EG, MS, Industrie, NRO, Allgemeinheit

Zuverlässige EG-Daten über Abfallerzeugung, -Sammlung und -entsorgung.

1995

EG, MS, EUA

System der Haftung

2000

EG, MS

Ökonomische Anreize und Instrumente (einschließlich von Entsorgungs- und Rückflußsystemen sowie freiwilliger Vereinbarungen)

fortlaufend

EG, MS, Industrie

Normen f ü r Dioxin-Emissionen aufgrund der Verbrennung von Siedlungsmüll

vor 1994

EG, MS

Legende:

EG: Europäische Gemeinschaft MS: Mitgliedsstaat

Allge-

EUA: Europäische Umweltagentur NRO: Nichtregierungsorganisation

Abb. 2: Zielsetzungen, Zielvorgaben und Maßnahmen der EU im Bereich der Siedlungsabfallwirtschaft bis zum Jahr 2000 (Quelle: abgewandelte Darstellung nach Europäische Kommission 1993)

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AbfaUwirtschaftspolitik, europäische 2.2. Maastrichter Vertrag Mit dem Maastrichter Vertrag über die Europäische Union (EUV) von 1993 wurde die „Besserklausel" des alten Art. 130 r Abs. 3 E W G V in den grundsätzlichen Teil verlagert und in Art 3 b) EGV als Subsidiaritätsprinzip bezeichnet. Im Abschnitt „Umwelt" (Art. 130 r ff.) wurden die Beschlußverfahren erheblich komplizierter, Beschlüsse bedurften aber nur noch einer qualifizierten Mehrheit. Lediglich bestimmte Bereiche wie Raumordnung oder Umweltsteuern erfordern nach wie vor die Einstimmigkeit. 2.3. Fortgeführte Abfallwirtschaftsstrategie In seiner Entschließung über eine Gemeinschaftsstrategie für die Abfallbewirtschaftung vom 24. Februar 1997 nahm der Rat Stellung zu den Fortschritten und dem weiteren zukünftigen Handlungsbedarf im Bereich der Abfallwirtschaft. Dieser Entschließung ging 1996 eine Überprüfung der bisherigen Strategie durch die Kommission voraus. Die Kommission stellt fest, daß eine Vielzahl an MS die Grundsätze der Nähe und Entsorgungsautarkie durchgesetzt haben. Diesbezügliche Regelungen der MS werden als berechtigt angesehen, solange sie mit den Bestimmungen des Vertrages und den Grundsätzen des Binnenmarktes vereinbar sind. Die Maßnahmentrias „Vermeiden - Verwerten - Beseitigen" wird erneut als zielführend bestätigt, wobei die Vermeidung innerhalb der Gemeinschaft noch zu wünschen übrig läßt. Bei Abfallen zur Verwertung wird betont, daß die Regeln des freien Binnenmarktes/Warenverkehrs gelten sollen. Eine Untersagung der Verbringung von Abfällen zur Verwertung unter Verweis auf die Entsorgungsautarkie, Entsorgungsnähe, Abfallwirtschaftspläne und die innerstaatlichen Anlagenauslastung ist nicht gestattet. Sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Gesichtspunkte sind bei der Entscheidung über die Art der Verwertung zu berücksichtigen. Dennoch wird die stoffliche Verwertung präferiert, sofem sie ökologisch gesehen die bessere Alternative darstellt. Hinsichtlich der Beseitigung wird hervorgehoben, daß die Preise der Abfallbeseitigung deren Kosten nur unzureichend widerspie-

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Abfallwlrtschaftspolitik, europäische geln. Dies verringert den Anreiz zur Abfallvermeidung. Aus Gründen eines hohen Umweltschutzniveaus und des Funktionieren des Binnenmarktes fordert der Rat nachdrücklich auf, einheitliche Bedingungen im Abfallsektor zu schaffen. Dies erfordert eine Harmonisierung von Definitionen und Begriffen, wie eine klarere Unterscheidung von Produkt und Abfall und insbesondere von Verwertung und Beseitigung. Gefordert werden zudem angemessene Emissionsnormen für Anlagen in denen Abfall als Ersatzbrennstoff verwendet wird, sowie eine Deponierichtlinie. Femer bekräftigt der Rat den Bedarf an zuverlässigen Umweltdaten. Weiterhin werden die MS ermutigt ein breites Spektrum an Instrumenten, u. a. Wirtschaftsinstrumente, einzusetzen. Eine Konkretisierung erfolgt aber nicht. 2.4. Vertrag von Amsterdam Mit dem Vertrag von Amsterdam, der ab dem 1. Mai 1999 in Kraft ist, wurden die Entscheidungsverfahren auf gemeinschaftlicher Ebene vereinfacht. Mußte bis dato bei Rechtsangleichungsmaßnahmen des Art 95. EGV n. F. (ex-Art. 100 a) das Mitentscheidungsverfahren und für Maßnahmen im Bereich der Umweltpolitik des Art. 175 EGV n. F. (ex-Art. 130 s) das Verfahren der Zusammenarbeit angewendet werden, so wird nun das Verfahren der Zusammenarbeit durch das Mitentscheidungsverfahren ersetzt. Für die Bereiche Raumordnung oder Umweltsteuern etc. gilt nach wie vor das Verfahren der Anhörung mit einstimmiger Beschlußfassung. Ansonsten wurden in den hier interessierenden Politikbereichen Umweltschutz und Binnenmarkt nur marginale Veränderungen vorgenommen und werden daher nicht näher beleuchtet. 2.5. Sechstes Umweltaktionsprogramm Bis zum Ende des Jahres 2000 hat die europäische Kommission das nachfolgende Sechste Umweltaktionsprogramm aufzustellen. Weiterfuhrende Literatur: Dieckmann, M.: Das Abfallrecht der Europäischen Gemeinschaften. Systematische Darstellung der gemeinschaftliche

Abgaben

Abwasserabgabengesetz

Vorgaben für die nationale Rechtssetzung und Rechtspraxis, Baden-Baden 1994 (zugl. Hamburg, Univ., Diss., 1993); Epiney, A.\ Umweltrecht der Europäischen Union, Köln 1997; Europäische Kommission (Hrsg.): Für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung. Ein Programm der Europäischen Gemeinschaft für Umweltpolitik und Maßnahmen im Hinblick auf eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung, Luxemburg 1993; Europäische Kommission (Hrsg.): Für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung. Umsetzungsbericht und Aktionsplan der Europäischen Kommission zum Fünften Programm der Europäischen Gemeinschaft für dauerhafte Entwicklung und Umweltpolitik, Luxemburg 1997; Vohrer, M. (Hrsg.): ökologische Marktwirtschaft in Europa, Baden-Baden 1992.

Abscheider Verfahrenstechnische Bezeichnung für eine: 1. 2.

Vorrichtung zum Entfernen von Fetten, ölen und Benzin aus dem -»Abwasser, Vorrichtung zur Abtrennung schwerer Teilchen von leichteren Teilchen durch Ausnutzung von Schwer- oder Zentrifugalkraft.

Es werden Trocken-, Naß- und Absorberabscheider sowie Elektroabscheider unterschieden.

Absorption 1. ist die Aufnahme bzw. das Auflösen von gasförmigen Stoffen in anderen Stoffen oder 2. Schwächung von Strahlen beim Eindringen in Materie.

Dipl.-Kfm. D. Losen

Abgaben -•Umweltabgaben

Abgasreinigung Verminderung der Schadstoffe in allgemeinen Trägergasen (i. a. Luft) oder heißen Gasen aus industriellen Feuerungen, Hochöfen, Verbrennungsmotoren usw. Die Belastung z. B. durch Autoabgase entsteht vor allem durch Kohlenmonoxid, Kohlendioxid und Stickoxiden. Durch die Verwendung von ->Katalysatoren oder Magermotoren werden Stickoxide vermindert, die bei hohen Verbrennungstemperaturen durch Oxidation mit dem Luftstickstoff entstehen. Moderne -»Kraftwerke nutzen Elektro- oder Gewebefilter zur Staubabscheidung. Die —»-Filter halten die Flugasche zurück und werden als Zusatzstoff für die Betonherstellung eingesetzt. Flugasche aus Müllverbrennungsanlagen stellt dagegen wegen des hohen Schadstoffgehalts -»Sonderabfall dar. -»Emissionen von Kohle- und Ölkraftwerken enthalten im wesentlichen Schwefeldioxid, das nach der Rauchgaswäsche oder -entschwefelung durch Zusatz von Kalk zu Gips gebunden wird.

AbwSrme Die bei wärmetechnischen Prozessen mit Gasen, Dämpfen, Flüssigkeiten oder bei Feststoffen in die Umgebung abgehende ungenutzte Wärme.

Abwasser Gemäß § 2 Abs. 1 AbwAG das durch häuslichen, gewerblichen, industriellen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch in seinen natürlichen Eigenschaften (Verschmutzung, Menge und Zusammensetzung) veränderte und das bei Trockenwetter damit zusammen abfließende Wasser, ebenso das von bebauten Gelände abfließende Niederschlagswasser. Der Abwasseranfall einer Stadt schwankt zwischen 40-400 1/Tag und Einwohner. Zum Schutz der Gewässer werden Abwässer in Abwasserbehandlungsanlagen (z. B. Kläranlagen) gereinigt.

Abwasserabgabe —»Abwasserabgabengesetz

Abwasserabgabengesetz Abk.: AbwAG; ist das am 1. 1. 1978 in Kraft getretene Gesetz für das Einleiten von —»Abwasser in Gewässer. Es schreibt u. a. 11

ADI-Wert die Abgabe je Schädlichkeitsgrad für Verursacher schädlicher Abwässer vor, wobei eine Schadstoffeinheit etwa dem ungereinigten —»Abwasser eines Einwohners entspricht (-»Einwohnergleichwert). Hierdurch soll eine Reduzierung der Gewässerbelastung erreicht werden (-»Verursacherprinzip). Die Einnahmen aus der -»Abwasserabgabe sind für Maßnahmen zweckgebunden, welche zur Erhaltung oder Verbesserung der -»Gewässergüte beitragen. Es bestehen Ausnahmen von der Abgabepflicht.

ADI-Wert (acceptable daily intake = tolerierbare tägliche Aufnahme) kennzeichnet die tägliche Höchstdosis eines Stoffes in mg/kg Körpergewicht, die auch bei lebenslanger Aufnahme nicht zu gesundheitlichen Beeinträchtigung fuhrt.

Agenda 21 -»Lokale Agenda 21

Agglomeration 1. die städtebauliche Agglomeration bezeichnet die aus der -»Industrialisierung stammende Besiedlungsballung in Großstädten und Industriebezirken; 2. die physikalisch-chemische Agglomeration steht für die Zusammenballung von Teilchen.

Agrarpolitik Außer Maßnahmen der Agrarstrukturpolitik wird die Agrarmarktpolitik fast ausnahmslos von der EU betrieben. Für die Agrarpolitik wird der Großteil des EU-Haushalts verwendet. Die meisten Agrarprodukte unterliegen EU-Agrarmarktordnungen, die sich durch eine Vielzahl möglicher Kombinationen binnen- und außenwirtschaftlicher Interventionsinstrumenten zur Stabilisierung von Preisen und Mengen eignen. Hierbei stehen j e nach Erzeugnis-Markt-, Rieht-, Grund-, Referenz-, Interventions-, Schwellen- und Exportpreise sowie Exporterstattungen, Importpreise und Importabschöpfungen zur

12

Allokation Verfügung. Die stark steigenden Produktionsüberschüsse und EU-Agrarmarktausgaben waren Auslöser für ein umfassendes Programm zur Neuorientierung der gemeinsamen Politik, das z. B. die Einfrierung und z. T. Senkung von Agrarpreisen, die Beschränkung der Garantiemengen (z. B. Produktionsquoten für Milch) und Herauskaufaktionen und Erzeugerabgaben bei Milch beinhaltet.

Allgemein anerkannte Regeln der Technik -»Technikklauseln

Allmende bezeichnet den Dorfbesitz, welcher Wald, Wiesen und Wasser umfaßt und beinhaltet das Recht zu jagen, Vieh weiden zu lassen und zu fischen. Bei einer derartigen uneingeschränkter Nutzungsmöglichkeit besteht die Gefahr der vorzeitigen Erschöpfung der -»Ressourcen. Unregulierte Märkte fuhren in einer Allmendesituation nicht zu optimalen Marktergebnissen. Ursache für die Fehlallokation ist der fehlende Anreiz für den individuellen Ressourcennutzer, die von ihm verursachten Nutzungskosten zu berücksichtigen. Zur Korrektur von Fehlentwicklungen werden Beschränkungen der Nutzungsrechte oder steuerpolitische Maßnahmen (z. B. Abbaumengensteuem) vorgeschlagen. -»Externe Effekte

Allokation Der aus der Volkswirtschaftslehre stammende Begriff beschreibt die optimale Verteilung von knappen natürlichen -»Ressourcen auf die beschränkten Produktionsanlagen zur Erzeugung der Gütervielfalt mit dem höchsten Nutzen für alle Konsumenten einer Volkswirtschaft. In der -»Umweltpolitik wurde in diesem Zusammenhang überlegt, ob der Markt als Verteilungsmechanismus die optimale Allokation und somit die maximale Wohlfahrt für eine Volkswirtschaft erzeuge, wobei das Problem des Marktversagens hierbei nicht berücksichtigt wird.

Altanlage Altanlage ist als Definition des Gesetzgebers in der Großfeuerungsanlagenverordnung (13. BImSchV) vom 22. 6. 1983 und unterscheidet bei der Verordnung neuer —»Umweltauflagen neue von alten Anlagen. Für die Großfeuerungs-Verordnung sind alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens gebauten -»Kraftwerke, die schon Gegenstand im -»Genehmigungsverfahren sind, Altanlagen.

Altglas Als Altglas werden farblich getrennt gesammelte Abfalle aus Glasprodukten bezeichnet, die stofflich ohne Qualitätsverminderung wiederverwertet werden können.

Altlasten sind die durch Schadstoffe bzw. Schadstoffrückstände aus alten Produktionsprozessen und durch Ablagerungen von -»Abfall bedingten Verunreinigungen von oberflächennahem Untergrund (Boden, Bodenwasser). Altlasten stellen ein Gefährdungspotential für Lebewesen und -»Umwelt dar und erfordern umfangreiche Sanierungsmaßnahmen. Altlastenbereiche liegen auf ehemaligen Industrie- und Gewerbeflächen (-»Flächenrecycling) sowie auf Altdeponien.

Altpapier umfaßt getrennt gesammelte Reste (-»Abfall) aus Papier und Pappe.

Altstoffrecycling Eines der drei -»Recyclingkonzepte innerhalb des Lebenszyklusgedankens. Ein Produkt darf nach der Gebrauchs- und Verbrauchsphase nicht als -»Abfall angesehen werden, sondern das Material soll als ein geund nicht verbrauchter Rohstoff einer Mehrfachverwendung zugeführt werden. Diese Kreislaufführung hat bei Produkten mit einfacher Stofftrennung einen großen Umfang angenommen. Ein Problem bei der Rückführung der Altstoffe ist die Sortenreinheit, da Fremdstoffe den Produktionsprozeß durcheinander bringen. Eine wesentliche Aufgabe des Recyclingprozesses liegt in der

Anspruchsgruppen gezielten Kontrolle des Materials, u m die notwendige Stoffreinheit zu gewährleisten. Die Recyclingquote könnte durch die saubere Trennung und Einführung differenzierter Sammelsysteme erhöht werden. Hierbei ist eine Kodierung der verwendeten Materialien von Vorteil. Problematisch ist die Schließung der Entsorgungskreisläufe bei den sog. Verbundstoffen.

Anorganische Verbindungen sind chemische Verbindungen, Kohlenstoffatome enthalten.

die

keine

Anreiz-Beitrags-Theorie Erklärungsansatz zur Zusammenführung der Ziele unterschiedlicher Interessensgruppen innerhalb eines Unternehmens. Die Mitglieder der jeweiligen Gruppen leisten so lange Beiträge zur Erfüllung der Unternehmensziele, wie sie dafür eine (erwartet, kalkulierte) Gegenleistung zur Erfüllung ihrer eigenen Ziele erhalten. Die Zugehörigkeit zur Organisation erfolgt so lange, wie ein Leistungs/Gegenleistungsgleichgewicht besteht.

Anreizinstrumente Der Stellenwert von Anreizwirkungen in der ökologischen Betriebswirtschaft erfordert das Überdenken bestehender Anreizsysteme auf mögliche dysfunktionale Wirkungen sowie die Einbindung neuer umweltschutzorientierter Bemessungsgrundlagen. So sind Motivationswirkungen von Zielen und Kontrollmaßnahmen für betriebliche Umweltschutzprobleme zu berücksichtigen.

Anspruchsgruppen 1. Bedeutung und Entwicklung des Anspruchsgruppenkonzepts Als Anspruchsgruppen werden in der Managementlehre solche Gruppen bezeichnet, die Einfluß auf die Zielerreichung eines Unternehmens nehmen bzw. potentiell nehmen können oder - in weiterer Fassung - die von den Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit in irgendeiner Form betroffen sind. Als „Stakeholder-Approach" ist das entsprechende Konzept bereits Anfang der 60er 13

Anspruchsgruppen

Jahre a m Stanford Research Institute (USA) entwickelt worden. Der auch im deutschsprachigen Raum verbreitete Begriff —>Stakeholder verdeutlicht das Hauptanliegen des Ansatzes: die Aufmerksamkeit des Managements soll darauf gelenkt werden, daß Aktionäre (stockholder bzw. shareholder) nicht die einzige Gruppe sind, deren Anliegen zu beachten ist, sondern daß es eine Vielzahl unterschiedlicher Gruppen und Personen gibt, die ein legitimes Interesse an der Unternehmenstätigkeit haben („to have a stake in") bzw. fiir die „etwas auf dem Spiel steht" („to be at stake").

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Anspruchsgruppen Vorläufer des Ansatzes in der Managementlehre war die verhaltenswissenschaftliche Koalitionstheorie und die damit verwandte -»Anreiz-Beitrags-Theorie, nach der die Entscheidung zur Teilnahme an einer Organisation und zur Erbringung von Leistungen bzw. Überlassung von -»Ressourcen abhängig von den dafür gebotenen (materiellen und immateriellen) Anreizen und deren jeweils subjektiver Bewertung ist und das Management ein Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung anzustreben hat.

Anspruchsgruppen Das Stakeholder- oder Anspruchsgruppenkonzept erweitert diese Perspektive, indem es neben den klassischen Vertrags- und Marktpartnem, wie Lieferanten, Kunden, Mitarbeitern, Kapitalgebem, Managern und dem Staat, ausdrücklich auch solche -^Interessengruppen berücksichtigt, zu denen weder marktliche noch formal-rechtliche Beziehungen bestehen und die dem jeweiligen Unternehmen gegenüber möglicherweise gar feindlich eingestellt sind (vgl. als allgemeine Übersicht Abb. 1). Das Unternehmen wird als politischer Akteur verstanden. Zu den, häufig pauschal „gesellschaftliche Anspruchsgruppen" genannten Gruppierungen und Einzelpersonen sind u.a. zu zählen: Verbände und Interessenlobbies aller Art, politische Parteien, internationale NichtRegierungs-Organisationen (NGO), -»Bürgerinitiativen, aber auch die direkten Anrainer eines Unternehmensstandortes. Aus der Aufzählung wird bereits ersichtlich, daß eine Vielzahl unterschiedlicher, zum Teil entgegengesetzter Ansprüche an ein Unternehmen gestellt wird. Zudem sind auch die Anspruchsgruppen in ihrer Interessenlage nicht homogen, wie etwa an den Flügelkämpfen innerhalb einer Partei deutlich wird. Die zunehmende Bedeutung der Berücksichtigung gesellschaftlicher Ansprüche durch Unternehmen ergibt sich aus deren rasant gestiegener öffentlicher Exponiertheit, zu der die Medien wesentlich beitragen. Zum einen berichten sie weltweit über die Tätigkeit von (großen) Unternehmen, zum anderen geben sie selbst kleinen Anspruchsgruppen die Möglichkeit, ihr Anliegen publik zu machen und andere Gruppen zu aktivieren. Mit der -»Globalisierung der Wirtschaft und der damit verbundenen Ausweitung der Informations- und Kommunikationsinfrastruktur hat sich die Anzahl (potentieller) Stakeholder eines Unternehmens ebenso erhöht wie deren Reaktionsgeschwindigkeit. 2.

Zunehmende Bedeutung ökologischer Ansprüche Indem es den Fokus auf (konfligierende) Ansprüche jenseits der Markthandlungen lenkt, nimmt das Anspruchsgruppenkonzept Abschied von der (neo-)klassischen Vorstellung, zwischen der Verfolgung individu-

Anspruchsgruppen eller privatwirtschaftlicher Ziele und den Zielen der gesamten Gesellschaft bestünde eine durch die „unsichtbare Hand" des Marktes geschaffene Harmonie. Mit der Berücksichtigung auch nichtmarktlicher Beziehungen und nicht-ökonomischer Ziele werden prinzipiell sämtliche Auswirkungen einer Unternehmung als betriebswirtschaftlich relevant herausgestellt. Damit rücken dann auch sogenannte externe Effekte, auch wenn sie (noch) nicht gesetzlich reguliert werden, in das Handlungsfeld der Unternehmung. Ökonomisch gesehen sind Schädigungen der natürlichen -»Umwelt externe Effekte, weshalb das Stakeholder-Konzept gerade im Bereich der betriebswirtschaftlichen Umweltökonomik in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Dazu beigetragen haben auch die z. T. spektakulären Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen und solchen Anspruchsgruppen, die ökologische Interessen verfolgen. Abbildung 1 gibt einen groben Überblick über unterschiedliche ökologische Ansprüche an Unternehmen. Der spektakulärste und bisher wohl folgenschwerste Fall eines mißlungenen Umgangs mit einer ökologisch orientierten Anspruchsgruppe war der Konflikt zwischen dem niederländisch-britischen Öl-Konzern Shell und der internationalen Umweltschutzorganisation -»Greenpeace um die geplante Versenkung der ölbohrplattform „Brent Spar" im Jahr 1995. Die Versenkung war von den britischen Behörden genehmigt und nach Ansicht von Shell die ökonomisch und ökologisch sinnvollste Lösung. Greenpeace widersprach dem, verstand die geplante Versorgung aber zudem als Präzedenzfall sowie als Beispiel für die Verschmutzung der Nordsee, versuchte die Plattform medienwirksam zu entern und organisierte - vor allem in Deutschland - einen Boykott der Shell-Tankstellen. Trotz der schnellen und breiten Resonanz zeigte sich Shell zunächst unnachgiebig und verteidigte die geplante -»Entsorgung gegenüber den eigenen Mitarbeitern sowie den Kunden unter Hinweis auf die Genehmigung durch die britische Regierung. Erst zwei Wochen nach Beginn des

15

Anspruchsgruppen

Anspruchsgruppen

Boykotts nahm Shell von den Versenkungsplänen Abstand, beantragte die Genehmigung für die Entsorgung an Land und zeigte sich in einer Anzeigenkampagne („Wir werden uns ändern") lern- und gesprächsbereit. Die Auseinandersetzung führte nicht nur

zu deutlichen Imageverlusten der gesamten Branche, sondern auch zu einem massiven Umsatzrückgang bei den ShellTankstellenpächtem, die von dem Konzern entschädigt wurden.

Anspruchsgruppe

(mögliche) ökologische Ansprüche

Mitarbeiter

Gesundheitsschutz, Sicherheit am Arbeitsplatz, Image des Unternehmens in der Öffentlichkeit

Management

Image des Unternehmens in der Öffentlichkeit

Kunden

Wachsende Nachfrage nach (relativ) umweltverträglichen Produkten, keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit, unproblematische „Entsorgung" bzw. Wiedereinführung in den Nutzungskreislauf

Lieferanten

Verhinderung negativer Imageeffekte, die vom Kunden auf den Lieferanten zurückfallen

Versicherung

Reduzierung ökologischer (Störfall-)Risiken zur Verminderung von Haftungsrisiken

Banken

Reduzierung ökologischer Risiken zur Verminderung des Kreditausfallrisikos

Anteilseigner

Zunehmendes Interesse an sozial-ökologisch orientierten Anlagemöglichkeiten („green funds")

Staat

Umweltschutz als Staatsziel, Durchsetzung der Umweltpolitik

Interessengruppen

Generelles ökologisches Interesse, „Anwalt der Natur"

Nachbarn/Anrainer

Schutz vor direkten negativen Auswirkungen im Normalbetrieb, Schutz vor Störfällen

Abb. 2: Ökologische Ansprüche und Anspruchsgruppen

In der akademischen Debatte um das Konzept gibt es unterschiedliche Auffassungen zu der Frage, wer als Stakeholder einer Unternehmung zu betrachten und zu berücksichtigen ist. Zwei Strömungen lassen sich voneinander unterscheiden:

chend werden - quasi unabhängig von der moralischen Legitimität des jeweiligen Anspruches - nur solche Stakeholder berücksichtigt, die über Macht (Verfügungsmacht über Ressourcen, Sanktionspotential) verfügen.

1.

Demgegenüber zielt die normativ-kritische Auffassung, wie sie vor allem von Peter Ulrich (Institut für Wirtschaftsethik, Universität St. Gallen) vertreten wird, im Sinne einer regulativen Idee auf eine Berücksichtigung aller Stakeholder ab, die legitime Ansprüche gegenüber der Unternehmung haben - unabhängig davon, ob sie auch über Macht verfugen, diese notfalls gegen den Willen des Managements durchzusetzen. Welche Ansprüche als legitim zu betrachten sind und welche legitimen Ansprüche gegenüber anderen, ebenfalls legitimen, aber konfligierenden Ansprüchen bevorzugt erfüllt werden, wird nicht vom Management oder gar den Anteilseignern bestimmt,

2.

eine primär erfolgsstrategische, die sich im Rahmen der US-amerikanisch geprägten Disziplin des Strategischen Managements entwickelt hat, und eine normativ-kritische, die aus dem Bereich der Unternehmens- und Wirtschaftsethik stammt.

Die erfolgsstrategisch orientierte Sichtweise stellt das am Unternehmenserfolg ausgerichtete Zielsystem des Unternehmens nicht grundsätzlich in Frage. Stakeholderinteressen werden befriedigt, wenn sich dies positiv auf den (langfristigen) Unternehmenserfolg auswirkt oder eine negative Auswirkung dadurch verhindert werden kann. Entspre16

Anspruchsgruppen

sondern soll im öffentlichen Diskurs geklärt werden. Vorrangige Aufgabe des Managements ist nach dieser diskursethisch fundierten Konzeption der Aufbau von untemehmenspolitischen Verständigungspotentialen mit allen vom Handeln des Unternehmens betroffenen internen und externen Anspruchsgruppen. Ziel ist die Herbeiführung eines Konsenses. Die Unternehmung wird nicht als privatwirtschaftliche Einrichtung zur Gewinnerzielung (bzw. zur Steigerung des Shareholder Value) betrachtet, sondern als multi funktionale, „quasi-öffentliche" Institution. Geht man davon aus, daß Unternehmen langfristigen wirtschaftlichen Erfolg zum Ziel haben, daß a priori zwangsläufig Unsicherheit darüber herrscht, wer latente Ansprüche haben könnte (zumal unter den Bedingungen der globalen Medienöffentlichkeit) und daß zudem auch das Machtpotential von identifizierten Anspruchsgruppen und dessen Entwicklung schwer einzuschätzen ist, verschwimmen die Differenzen zwischen den beiden skizzierten Positionen. Auch die Vertreter eines primär erfolgsstrategisch ausgerichteten Stakeholder-Managements können es sich angesichts dieser Bedingungen nicht erlauben, Anspruchsgruppen zu ignorieren, nur weil diese zu einem gegebenen Zeitpunkt (noch) über keine Macht verfügen. Andererseits besteht bei einer Umsetzung der kritisch-normativen Auffassung in die Unternehmenspraxis das Problem, daß es wohl kaum möglich ist, wirklich alle von der Untemehmenstätigkeit Betroffenen an einem Diskurs zu beteiligen. Außerdem dürfte ein Konsens unter allen Anspruchsgruppen wohl eher die Ausnahme denn die Regel sein. Im Dissensfall müssen Prioritäten gesetzt werden, wobei eine Berücksichtigung des Macht- und Einflußpotentials sicherlich sinnvoll ist.

Anspruchsgruppen

3. Schritte der Stakeholderanalyse Eine systematische Analyse der Anspruchsgruppen ist wichtige Voraussetzung des Strategischen Managements. Dazu gehören die Schritte: • • • •

Identifikation der Stakeholder, Analyse der Ansprüche und Ziele, Analyse des Macht- und Einflußpotentials und Analyse der Kooperationsbereitschaft.

Die Identifikation der Anspruchsgruppen gestaltet sich relativ einfach bei denjenigen, die vertraglich an das Unternehmen gebunden sind. Auch eine Liste mit den staatlichen Institutionen, die Einfluß auf das Unternehmen ausüben (können), läßt sich relativ unproblematisch erstellen. Höhere Intransparenz und Unsicherheit besteht bei den Marktpartnern und -gegnern. Zwar kennt wohl jedes Unternehmen die wichtigsten Konkurrenten in der Branche, hat demgegenüber aber (wenn es Massenmärkte bedient) zwangsläufig nur unvollständige Informationen über die Konsumenten. Noch problematischer gestaltet sich die Identifikation der gesellschaftlichen Anspruchsgruppen - vor allem wenn man im Sinne einer antizipativen Strategie auch potentielle Stakeholder berücksichtigen will. Nach dem Motto „Stakeholder ist, wer sich dafür hält" muß man von vermuteten Interessen ausgehen, einen entsprechend weiten Blickwinkel ansetzen und sensibel sein für sog. „schwache Signale". Aufschluß bringen kann hier beispielsweise die aufmerksame Verfolgung gesellschaftlicher Trends und die Beobachtung von Meinungsführern (besser natürlich: der Dialog mit ihnen). Im unmittelbaren Untemehmensumfeld sollten Möglichkeiten der direkten -»Kommunikation und Kontaktaufnahme geschaffen werden (etwa durch einen regelmäßigen „Tag der offenen Tür" oder durch „Hotlines"). Ergebnis der Identifikation sollte eine umfassende, möglichst

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Anspruchsgruppen

i

Anspruchsgruppen

öffentliche Aufmerksamkeit

/

I

II

III

V

IV

I.

Latenzphase: Experten beginnen sich mit einem (möglichen) Problem zu beschäftigen, H i n w e i s e in Publikationen; II. E m e r g e n z p h a s e : Berichte über kritische Ereignisse nehmen zu; Fachdebatten; Bericht in F a c h m e d i e n ; F o r s c h u n g s p r o g r a m m e werden gestartet; gesellschaftliche - » I n t e r e s s e n g r u p p e n beginnen sich für das T h e m a zu interessieren; III. A u f s c h w u n g p h a s e : Politisierung, Berichte in den Massenmedien; Politiker beginnen sich mit dem T h e m a zu beschäftigen; IV. Reifephase: politische Parteien beziehen Stellung, Regelung wird politisch in Angriff g e n o m m e n ; V. R ü c k g a n g s p h a s e : Interesse der M a s s e n m e d i e n und öffentliche A u f m e r k s a m k e i t lassen nach. Q u e l l e : Dyllick, T.: M a n a g e m e n t der Umweltbeziehungen, Wiesbaden 1990

Abb. 3: Lebenszykluskonzept gesellschaftlicher Anliegen

detaillierte Auflistung aller aktuellen und potentiellen Stakeholder sein. Die Angabe von „Sammelgruppen" auf einem relativ hohen Aggregationsniveau wie in Abb. 1 ist dabei nicht ausreichend, sondern es ist eine tiefergehende Spezifizierung und Konkretisierung erforderlich. Die Analyse der Ansprüche und Ziele findet ebenfalls am besten im Dialog mit den Anspruchsgruppen statt. Wo dies nicht möglich ist, hilft beispielsweise das Studium von Veröffentlichungen (z. B. Pressemitteilungen, Internetseiten, Informationsbroschüren etc.) des zu analysierenden Stakeholders und natürlich die Berichterstattung der Medien. Hier geht es nicht nur um die Frage 18

„was wollen die von uns?" bzw. „was könnten die von uns wollen?", sondern auch darum, wie das Unternehmen überhaupt von den Anspruchsgruppen wahrgenommen wird und inwieweit dies mit dem Selbstbild übereinstimmt. Das sog. Lebenszykluskonzept gesellschaftlicher Anliegen, wonach Prozesse gesellschaftlicher Auseinandersetzungen (idealtypisch) fünf Phasen durchlaufen, gibt Hinweise für eine frühzeitige Identifikation möglicher gesellschaftlicher Ansprüche und Anspruchsgruppen (s. Abb. 3). Sowohl die Identifikation der Stakeholder als auch die Analyse der Ansprüche und Ziele

Anspruchsgruppen

Anspruchsgruppen

sollte in großen Unternehmen differenziert für die einzelnen Funktionsbereiche und Geschäftseinheiten von den dort Verantwortlichen durchgeführt und anschließend miteinander abgeglichen werden. Sind die Stakeholder sowie deren Ansprüche und Ziele identifiziert, ist der Frage nachzugehen, in welcher Beziehung diese zueinander und zu dem Zielsystem des Unternehmens stehen. Anhand der unterschiedlichen Interessen kann eine erste Kategorisierung vorgenommen werden. Bei der Analyse des Macht- und Einflußpotentials kann im ersten Schritt recht allgemein unterschieden werden zwischen Gruppen mit formaler Macht (die auf Verträgen und gesetzlichen Regeln beruht), mit ökonomischer Macht oder mit politischer Macht. Gesellschaftliche Anspruchsgruppen verfügen zunächst „nur" über politische Macht. Vor allem mittels öffentlichkeitswirksamer Aktionen sowie professioneller Medien- und Lobbyarbeit gelingt es ihnen aber häufig, diese - wie im Brent Spar Fall - mit ökonomischer Macht (Kaufboykott) oder formaler Macht (Druck auf den Gesetzgeber) anderer Gruppen zu verbinden. Stakeholder stellen - vereinfachend ökonomisch betrachtet - dem Unternehmen Ressourcen zur Verfügung und verlangen dafür eine Gegenleistung, oder es sind Gruppen (im Ausnahmefall auch Einzelpersonen), die Einfluß auf solche „Ressourcenlieferanten" ausüben. Das Machtverhältnis zwischen Unternehmen und Stakeholder ist abhängig von der Substituierbarkeit der Ressourcen und der Substituierbarkeit des „Ressourcenlieferanten". Ob beispielsweise der Lieferant eines Vorproduktes über Macht verfügt, ist zum einen davon abhängig, ob er das Belieferte ersetzen könnte und zum anderen davon, ob es weitere potentielle Lieferanten gibt. Je geringer die Substitutionsmöglichkeiten, desto größer die Macht der Stakeholder. Formale Macht (z. B. über einen langfristigen Vertrag) kann in diesem Sinne als Verhinderung von Substitutionen interpretiert werden. Die Macht gesellschaftlicher Anspruchsgruppen resultiert aus der Einflußnahme auf Träger ökonomischer oder formaler Macht

oder aus direkten Koalitionen mit ihnen. Das Einflußpotential gesellschaftlicher Anspruchsgruppen läßt sich ex ante nur schwer abschätzen. Selbst kleine, anscheinend einflußarme Interessengruppen können durch geschickte Medienarbeit enorm Aufmerksamkeit erregen und ein Unternehmen unter Druck setzen. Wer Macht hat, muß diese nicht ausspielen, und selbstverständlich sind längst nicht alle Anspruchsgruppen der Unternehmung gegenüber feindlich eingestellt. Deshalb ist zum vorläufigen Abschluss der Stakeholderanalyse die Kooperationsbereitschaft abzuschätzen. Allgemein können hier die Kriterien • •

Dauerhaftigkeit der Beziehung und direkte Wechselseitigkeit der Beziehung

angelegt werden. Dies bedeutet, daß beispielsweise die Kooperationsbereitschaft der Anteilseigner, der Mitarbeiter und der Lieferanten in der Regel höher ist als etwa die der Konkurrenten oder der gesellschaftlichen Anspruchsgruppen. Aber auch diese sollten keinesfalls pauschal als „Gegner" betrachtet werden. Es gibt zahlreiche Beispiele für eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Unternehmern und gesellschaftlichen Anspruchsgruppen im ökologischen Kontext - z. B. die gemeinsame Entwicklung des ersten FCKWfreien Kühlschranks durch Greenpeace und FORON; die Gründung des Marine Stewardship Councils durch den Nahrungsmittelkonzern Unilever und dem World Wildlife Fund (->WWF) zur Schaffung von Marktanreizen für eine bestandserhaltende Fischerei oder die Unterstützung des Bundes für Umwelt- und -»Naturschutz (->BUND) bei aßnahmen zur Ökologisierung des Warenangebotes von Hertie. 4. Stakeholder-Analyse als kontinuierlicher Prozeß Ergebnis des Analyseprozesses ist eine umfangreiche, detaillierte Auflistung der Anspruchsgruppen, der Ziele und Interessen sowie der Zielbeziehungen mit Angabe der Einschätzung des jeweiligen Machtpotentials und der Kooperationsbereitschaft. Auf dieser 19

Anwendungsverbot

Assimilationsfähigkeit

Grundlage können dann Strategien zum Umgang mit den Gruppen entwickelt werden. Die Gesamtstrategie des Unternehmens ist danach auszurichten, und schließlich sollten auch die normativen Grundlagen entsprechend diskutiert und weiterentwickelt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß das Beziehungsgeflecht zwischen Unternehmen und Anspruchsgruppen ein dynamisches ist. Sowohl die Beteiligten als auch deren Ansprüche, deren Beziehungen zueinander und ihre Einflußmöglichkeiten ändern sich im Zeitablauf, so daß die StakeholderAnalyse ein kontinuierlicher Prozeß sein sollte. Wichtigstes unternehmenspolitisches Mittel ist dabei die (am besten: dialogische) Kommunikation. Dialoge helfen vor allem, gegenseitige Wahrnehmungen abzugleichen, die Einschätzung von Problemlagen miteinander zu vergleichen und so Verständnis fur das Handeln des Gegenübers zu gewinnen und für das eigene Handeln zu vermitteln. Auch ein Verständigungsmanagement in diesem Sinne wird nur in Ausnahmefällen zum Konsens unter allen Beteiligten fuhren, es bietet aber die Chance zum reflektierten Umgang mit Differenzen. Und es bietet die Möglichkeit, das Wissenspotential der Stakeholder proaktiv zu nutzen. Weiterführende Literatur: Dyllick, T.\ Management der Umweltbeziehungen. Öffentliche Auseinandersetzungen als Herausforderung. Wiesbaden 1992; Freeman, R. E.\ Strategie Management. A Stakeholder Approach. Marshfield 1984; Liebl, F.: Strategische Frühaufklärung. Trends. Issues. Stakeholders. München/Wien 1996; Savage, G. T.I Whitehead, C. J.lBlair, J. D. \ Strategies for Assessing and Managing Organizational Stakeholders, in: Academy of Management Executive, Vol. 5, No. 2, o. 0 . 1991; Ulrich, P.: Integrative Wirtschaftsethik, Bernu. a. 1997. Prof. Dr. R. Pfriem Dipl. -Oec. D. Fischer

Anwendungsverbot Maßnahme, die verhindert, daß bestimmte Stoffe in den -»Verkehr gebracht werden oder zur Anwendung kommen. Neben dem generellen Anwendungsverbot existieren 20

Verbote mit Erlaubnisvorbehalt. Verfügungen werden oft reaktiv getroffen, wenn bereits ein umweltgefährdender oder rechtswidriger Sachverhalt vorliegt.

Arbeitsanweisungen sind Bestandteil des -»Umweltmanagementsystems. Sie legen u. a. konkrete Handlungsweisen für die Mitarbeiter fest, beinhalten die genaue Bedienung der Anlagen, die notwendige Einhaltung gesetzlich festgelegter -»Grenzwerte und evtl. Korrekturmaßnahmen im Fall von Abweichungen. Die Erstellung der Arbeitsanweisung erfolgt durch die für die Anlage verantwortliche Abteilung. Die Arbeitsanweisungen sind permanent zu befolgen und zu dokumentieren. Sie sollten: • •

• •

eine Erläuterung zum Grund der Anweisung enthalten; Angaben des örtlichen Geltungsbereichs und der betroffenen Funktion festlegen; die Tätigkeit genau beschreiben und angeben, ob es sich um eine neue oder überarbeitete Anweisung handelt.

Arbeitsvertrag und Umwelt in einigen Unternehmen wird der —»Umweltschutz in Arbeitsverträgen festgehalten. Hiermit kann der Arbeitnehmer z. B. verpflichtet werden, die Vorschriften zum Umweltschutz zu beachten. In einzelnen Unternehmen gibt es Hinweise zur Arbeitsvertragsregelungen in Betriebsverein barungen (siehe auch gegenseitige Haupt- und Nebenpflichten des Arbeitsvertrages).

Artenschutz -»Umweltschutz, Biodiversität

Assimilationsfähigkeit (ilai. assimilare = angleichen), bezeichnet die Fähigkeit, körperfremde Ausgangsstoffe in körpereigene Substanzen zu überführen bzw. einzulagern.

Atomenergie

Atomenergie (auch Kernenergie). In Atomkraftenwerken gewonnene -»Energie durch Kernspaltung von Uran. Die Umwandlung der aus der Kernspaltung resultierenden Wärme in elektrische Energie erfolgt wie bei allen anderen thermischen -»Kraftwerken (Öl-, Gas- oder Kohlekraftwerken) nach demselben Prinzip, wonach Wasserdampf über Turbinen Generatoren antreibt. Für den Betrieb in Leichtwasserreaktoren ist eine Anreicherung des spaltbaren Anteils des Urans notwendig. Das angereicherte Uran, umgewandelt in Uranoxidpulver und zu Tabletten gepreßt, wird in Brennstäben verschweißt und zu einem Brennelement zusammengefaßt, um anschließend im Reaktor gespalten zu werden. Verbrauchte Brennelemente werden bis zum Abtransport in einem Wasserbecken gelagert, wobei sie einen Teil ihrer Aktivität verlieren, bevor sie wiederaufbereitet bzw. endgelagert werden. Neben der zur Energieerzeugung notwendigen Wärme entsteht bei der Kernspaltung hochradioaktives Strahlenmaterial mit erheblicher schädlicher Wirkung auf lebende Zellen. Bei stark bestrahlten Lebewesen kann eine Häufung von Krankheiten (u. a. Krebs) und Veränderungen der Erbanlagen festgestellt werden. Der Anteil an der öffentlichen Stromversorgung beträgt in Deutschland etwa ein Drittel. Der weltweite Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung beträgt etwa 17 Prozent.

Atomgesetz Durch das am Ol. Ol. 1960 in Kraft getretene Atomgesetz (AtG) in der ab 01. 09. 1985 geltenden Fassung, soll im wesentlichen die -»Forschung, Entwicklung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken gefordert sowie die Gesundheit aller Lebewesen und ihrer -»Umwelt vor den Gefahren der Kernenergie geschützt werden.

Audit Bezeichnet im engeren Sinne einen Soli-IstVergleich. Im Finanzwesen z. B. ist ein Audit die externe Überprüfung von Jahresabschlüssen durch einen Wirtschaftsprüfer

Ausgleichsflächen

gemäß den Rechnungslegungsvorschriften. Im Qualitätsmanagement dienen interne Audits der betrieblichen Selbstkontrolle und externe Audits als Prüfung durch die Zertifizierungsstelle. (-»EG-Öko-Audit-Verordnung, inklusive nationalem Umsetzungsrecht) Formen des Audits: • • •







Interne Audits erfolgen durch unternehmensinteme Personen, Externe Audits werden durch externe Umweltgutachter vorgenommen, Geplante Audits sind nach festgelegten Plänen zu bestimmten Zeitpunkten routinemäßig durchgeführte Prüfungen, Außerplanmäßige Audits sind zusätzlich zu den geplanten Audits durchgeführte Audits, die bei wichtigen Veränderungen oder zur Prüfung von Einheiten erfolgen, Nachaudits sind Untersuchungen zur Kontrolle vorher vereinbarter Korrekturmaßnahmen und Folgeaudit bezeichnet Prüfungen nach Ablauf eines vorgegebenen Intervalls.

Auflagen -»Umweltauflagen

Ausgleichs-Politik Form der Auflagenpolitik innerhalb eines abgegrenzten Raumes, nach der Überschreitungen von Emmisionsstandars an einem Ort durch zusätzliche Emissionseinsparungen an anderer Stelle kompensiert werden können.

Ausgleichsflächen Durch bauliche Veränderungen des Umfeldes und der damit einhergehenden negativen Einwirkung auf das -»Ökosystem sollen die Ausgleichsflächen den Eingriff in die Umweltstruktur kompensieren. Ausgleichsflächen haben Regenerationsfunktion für Mensch und -»Umwelt.

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B.A.U.M.

Basisstrategien

B B.A.U.M. Abk. für Bundesdeutscher Arbeitskreis für umweltbewußtes Management. Der Arbeitskreis wurde 1985 als umweltorientierte Selbsthilfeorganisation von Unternehmen in Hamburg mit dem Ziel gegründet, eine umweltorientierte —»Unternehmensfuhrung zu verbreiten.

Backstop-Technologien den optimalen Abbaupfad erschöpfbarer —»Ressourcen.

Bargaining-Theorie Theorie, die Gleichgewichtslösungen nicht als Ergebnis des Marktes, sondern als Ergebnis von Verhandlungsstrategien erfaßt.

Hauptziele hierbei sind: • • • •

die Stärkung der Umweltverantwortung; die Einfuhrung eines umweltbewußten Managements; ein Zuwachs und Transfer von umweltrelevanten Know-how und die Förderung von wirtschaftlichen, ausbildungsrelevanten und steuerlichen Rahmenbedingungen.

Die Aktivitäten von B.A.U.M. umfassen im einzelnen: • • • • • •

Kongresse und Seminare, Forschung und Ausbildung; Öffentlichkeitsarbeit und Ausschußarbeit; Laufende Unternehmensbetreuung; Sonderaktionen in den neuen Bundesländern; Beratung und Implementierung sowie Grenzüberschreitende Kooperationen.

Backstop-Technologie auch Auffangtechnologie, Altemativtechnologie. Produktionsverfahren, bei dem auf den Einsatz einer erschöpflichen Ressource vollständig verzichtet werden kann, indem die erschöpfbare Ressource durch eine unbegrenzt verfügbare Ressource (BackstopRessource) substituiert wird (z. B. Substitution von Kernernergie durch Sonnenenergie). In der Modellbildung der -»Ressourcenökonomik beeinflußt die Berücksichtigung von

Baseler Konvention Kurzbezeichnung ftir „Baseler Konvention über die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs mit Sonderabfällen und ihrer Beseitigung" von 1989. Die Baseler Konvention regelt die Ausfuhr von Sonderabfällen zur Beseitigung in die sog. AKP-Staaten (Asiatische-Karibische-Pazifische-Staaten).

Basisstrategien, ökologieorientierter Unternehmen werden durch die ökologische Grundhaltung eines Unternehmens festgelegt. Hierbei können drei Alternativen unterschieden werden: 1.

2.

3.

die defensive ökologieorientierte Basisstrategie ist durch starke Kostenorientierung und passives Verhalten in Bezug auf den -»Umweltschutz charakterisiert; bei der selektiven ökologieorientierten Basisstrategie werden fallweise umweltorientierte Maßnahmen durchgeführt ("Öko-Aktionismus"). Die Unternehmen dieser Alternative profilieren sich im Wettbewerb nicht über den Umweltschutz; eine offensive ökologieorientierte Basisstrategie ist durch ein proaktives, innovatives Denken im Umweltschutzbereich gekennzeichnet. Unternehmen dieser Kategorie versuchen über ihre Umweltorientierung komparative Wettbewerbsvorteile aufzubauen.

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BAT

BAT Engl. Abk. für: best available technique; -»beste verfugbare Technik. -»Technikklauseln

Bauleitplanung dient der Vorbereitung und Leitung baulicher oder sonstiger Nutzung eines Grundstücks in einer Gemeinde gemäß den Vorschriften des Bundesbaugesetztes. Die jeweilige Gemeinde entscheidet, ob und wie ein Bauleitplan aufgestellt wird. Die Bauleitplanung vollzieht sich generell in zwei Stufen: 1. Stufe: Erstellung eines Nutzungsplanes durch die Gemeinde, der allgemeine Aspekte über die geplante Art der Nutzung des gesamten Gemeindegebietes enthält. 2. Stufe: Erstellung des Bebauungsplans, in dem für Teilbereiche des Gemeindegebietes detaillierte Festlegungen erfolgen. Durch die vorgeschriebene Bürgerbeteiligung kann jeder Bürger der Gemeinde Anregungen und Bedenken in das Verfahren einbringen. Dies kann bei der vorgezogenen Bürgerbeteiligung bei der öffentlichen Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses des Gemeinderates für eine Bauleitplanung und anschließend während der einmonatigen öffentlichen Auslegung des Entwurfs. Hierdurch wird dem Bürger ermöglicht, Einfluß auf umweltrelevante Faktoren wie Umfang und Gestaltung der Grünflächen, Führung und Dimensionierung von Verkehrswegen, Immissionsschutzauflagen oder die Beseitigung von Wasserflächen zu nehmen.

Bedürfnisse bezeichnet das individuelle Empfinden eines Mangels. Maslow'sche (hierachische) Bedürfniskategorien: Grundbedürfnisse bis Selbstverwirklichungsbedürnis. Die Befriedigung von Bedürfnissen ist eine originäre ökonomische Kategorie, der insb. unter dem Blickwinkel eines „nachhaltigen Konsums" Aktualität zukommt.

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Betriebsbeauftragter

Belastungsgebiete sind Gebiete, in denen Luftverunreinigungen auftreten oder zu erwartet sind und aufgrund ihrer Häufigkeit und Dauer, hohen Konzentrationen oder der Gefahr von —»Kombinationswirkungen besonders schädliche Umwelteinwirkungen verursachen können. Für Belastungsgebiete werden -»Emissionskataster und Luftreinhaltepläne aufgestellt.

Belastungsgrenzen Belastungsgrenzen sind Schwellen- oder —»Grenzwerte für von außen einwirkende, stoffliche oder energetische Faktoren/Parameter, die das —»Ökosystem belasten.

Benchmarking -»Unternehmensführung, ökologische

Berufskrankheit umfaßt gewerbliche, meldepflichtige Krankheiten, die durch bzw. während der Arbeit ausgelöst werden. Die Behandlung und Rehabilitation wird von der Unfallversicherung der Berufsgenossenschaften getragen. Beschäftigungseffekte —»Umweltschutz und Beschäftigung

Beschaffung —»Materialwirtschaft, ökologische

Beste verfügbare Technik Begriff, der in der -»EG-Öko-Audit-Verordnung verwendet wird. —»Technikklausel

Betriebsbeauftragter Die Institutionalisierung des Umweltschutzes in die -»Organisation der Unternehmung erfolgt u. a. durch den Betriebsbeauftragten. In Sonderfällen ist die Wahrnehmung ökologischer Ansprüche in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben durch:

Bewertung der Umwelt, monetäre

• •

• •



das BImSchG, § 53ff; Betriebsbeauftragter für Immissionsschutz; das WHG, § 21a ff.; Beauftragter für Gewässerschutz (—»Gewässerschutzbeauftragter); das AFG, § I I a ff.; Betriebsbeauftragter für -»Abfall; die Gefahrgutbeauftragtenverordnung; Betriebsbeauftragter für Gefahrguttransporte; die Strahlenschutzverordnung, § 29 ff.; Betriebsbeauftragter für —»Strahlenschutz.

In der Unternehmenspraxis wird für die Gebiete des medialen Umweltschutzes Immissionsschutz, Wasser- und —•Abfallwirtschaft - oftmals ein Betriebsbeauftragter für -»Umweltschutz bestellt (Konzentrationsprinzip), der mit dem erforderlichen Hilfspersonal ausgestattet wird. Durch diese Bündelung der Aufgaben wird einer medienübergreifenden, integrierten Sichtweise im betrieblichen Umweltschutz Rechnung getragen. Die Aufgaben des Umweltbeauftragten umfassen hauptsächlich die Beratung, Mitwirkung und Initiative, Überwachung und Kontrolle, -»Information und Aufklärung sowie Berichterstattung.

Bewertung der Umwelt, monetäre 1.1. Zweck und Aufgaben einer monetären Bewertung der Umwelt Wie aus zahlreichen Befragungen hervorgeht und nicht zuletzt an dem erheblichen Umfang von Umweltschutzmaßnahmen erkennbar ist, haben Umweltzustände bzw. die aus ihnen resultierenden Umweltleistungen für die Wohlfahrt sowohl einzelner Menschen, wie auch der ganzer Gesellschaften große Bedeutung. Erhalt oder Herstellung bestimmter Qualitäten der verschiedenen Umweltbereiche sind im Zielsystem der Gesellschaft (Art. 20a Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland), vieler Unternehmen (insbesondere der nach -»ISO 14000 ff. zertifizierten) und vieler einzelner Personen verankert. Umweltschutzziele stellen allerdings nur eine Gruppe von gesellschaftlichen und individuellen Zielen unter einer ganzen Anzahl anderer Ziele dar und konkurrieren zumindest teilweise mit diesen und

Bewertung der Umwelt, monetäre auch untereinander. Dies wird insbesondere daran deutlich, daß -»Umweltschutz mit Aufwand verbunden ist und Kosten verursacht; dadurch werden knappe finanzielle Mittel gebunden, die zum Erreichen anderer Ziele dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Deshalb müssen Entscheidungen getroffen werden (und werden auch in täglicher Praxis getroffen), in welche der verschiedenen Verwendungsarten wie viele der knappen Mittel fließen sollen. Jede solche Entscheidung enthält, wenn sie ohne Zwang gefällt wurde, zumindest implizit die Wertung, daß die Verwendungsart, in die die Mittel geflossen sind, als wertvoller angesehen wird als alle Verwendungsarten, in die die Mittel nicht (zusätzlich) geflossen sind. Häufig ist den Entscheidungsträgem diese Bewertung aber gar nicht bewußt. Ein zielkonformes Verhalten bzw. Agieren wird daher erheblich erleichtert, wenn nicht sogar erst möglich, wenn es gelingt, alternative Umweltzustände bzw. Maßnahmen zu deren Erreichen (und damit Umweltleistungen) hinsichtlich ihres Zielbeitrags untereinander und mit anderen Leistungen auf transparente und nachvollziehbare Weise vergleichbar zu machen, d. h. entsprechend ihrem Nutzen zu bewerten. Die gebräuchlichste Dimension, in der Leistungen unterschiedlichster Art einheitlich gemessen werden, ist Geld. Insofern ist es naheliegend, auch den Wert der Umwelt(leistungen) in Geld zu messen, d. h. monetär zu bewerten. Generell spricht hierfür auch noch Folgendes: In einer Welt knapper Güter dient typischerweise als Hilfe bei einer Entscheidung, ob eine bestimmte Maßnahme (z. B. eine Umweltschutzmaßnahme, mit der eine bestimmte Qualität eines Umweltbereichs erhalten oder hergestellt werden soll) durchgeführt werden sollte oder nicht, ein Vergleich von Kosten und Nutzen (—»NutzenKosten-Analyse), die mit dieser Maßnahme verbunden sind. Je günstiger dieses Verhältnis ist, d. h. j e niedriger die Kosten und je höher der Nutzen aus der Maßnahme sind, um so vorteilhafter ist sie einzuschätzen. Da Kosten grundsätzlich in Geldeinheiten gemessen werden, können solche NutzenKosten-Vergleiche aber nur durchgeführt werden, wenn auch der Nutzen oder doch

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Bewertung der Umwelt, monetäre

zumindest die wichtigsten Nutzenaspekte aus einer Maßnahme in Geldeinheiten ausgedrückt werden können. Dabei besteht allerdings eine generelle Asymmetrie: Während die Kosten diskutierter Umweltschutzmaßnahmen meist recht genau in Geldeinheiten beziffert werden können und das Fehlen der Geldbeträge für andere Verwendungen sehr gut verständlich gemacht werden kann, ist der Nutzen einer solchen Maßnahme sehr viel schwerer kalkulierbar und vermittelbar: Er fällt meist zeitlich verzögert und räumlich verstreut an und zwar zunächst durch Veränderungen von unterschiedlichen physikalischen, chemischen oder biologischen Parametern, die sich (auch durch die Infmitesimalität einzelner Maßnahmen) vielfach der unmittelbaren, individuellen sinnlichen Wahrnehmung entziehen; noch dazu sind die positiven Wirkungen der jeweiligen Maßnahme unsicher. Eine gründliche Erhebung der Nutzenbeiträge und eine Abschätzung ihres monetären Wertes erleichtert damit erheblich die Rechtfertigung von Umweltschutzmaßnahmen. Die umweltökonomische Forschung hat sich in den letzten Jahrzehnten intensiv mit theoretisch-konzeptionellen und empirischpraktischen Aspekten der monetären Bewertung der Umwelt auseinandergesetzt. Die hierbei entwickelten Verfahren der monetären Bewertung und die spezifischen, mit ihnen verbundenen Probleme werden im 2. Abschnitt vorgestellt. A u f die generellen, mit allen Verfahren verbundenen Probleme wird im 3. Abschnitt eingegangen. Als wichtigste Aufgaben der monetären Bewertung von Umweltbereichen bzw. Umweltleistungen sind im einzelnen zu nennen: a)

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Die monetäre Bewertung von ->Umweltschäden einerseits und Umweltschutzmaßnahmen andererseits dient als Entscheidungshilfe für die - » U m weltpolitik vor allem in dreierlei Weise: Zunächst trägt sie durch die Ermöglichung von Nutzen-KostenVergleichen zur Klärung der Frage bei, ob sich bestimmte geplante Umweltschutzmaßnahmen gesamtwirtschaft-

Bewertung der Umwelt, monetäre

lieh überhaupt lohnen. Darüber hinaus erleichtert sie den Zielfindungsprozeß in der Umweltpolitik, weil sie es (zumindest konzeptionell, z. T . aber auch in der Praxis) erlaubt, optimale Umweltschutzniveaus bzw. optimale Umweltqualitäten zu identifizieren. Schließlich liefern Nutzen-Kosten-Vergleiche Anhaltspunkte dafür, an welcher Stelle (räumlich und medial) Umweltschutzmaßnahmen vorrangig vorgenommen werden sollten; die monetäre Bewertung der Umwelt(schutzmaßnahmen) ist damit für die Umweltpolitik eine Hilfe bei Prioritäten- und Schwerpunktsetzungen. b)

Die monetäre Bewertung von Umweltschutzmaßnahmen kann auch zur nachträglichen Beurteilung der Effizienz von realisierten Umweltschutzmaßnahmen herangezogen werden und dient damit der Umweltpolitik bei der Erfolgskontrolle.

c)

Die Nutzung von Umweltbereichen durch ökonomische Aktivitäten (Produzieren und Konsumieren) führt i. d. R. zu einer Verschlechterung der Qualität von Umweltbereichen in Form des Verbrauchs von natürlichen - » R e s sourcen, der Zunahme von Schadstoffkonzentrationen und der Zunahme von Risiken. Weder im traditionellen betriebswirtschaftlichen Rechnungswesen noch in der traditionellen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wird dieser Verzehr an Naturkapital berücksichtigt. Umgekehrt geht aber z. B . der monetäre Wert privater und staatlicher Umweltschutzinvestitionen positiv in das Sozialprodukt ein, das also als umso höher ausgewiesen wird, j e mehr investive Umweltschutzausgaben zur -»Kompensation entsprechender Umweltschäden oder -belastungen getätigt wurden. Dies führt bekanntermaßen zu einer Schmälerung der Aussagefähigkeit des Sozialprodukts als gesamtwirtschaftliches Wohlstandsmaß; ähnliches gilt für die traditionellen betrieblichen Erfolgsgrößen. Die Erfassung des monetären Wertes des Umweltverzehrs

Bewertung der Umwelt, monetäre bietet die Grundlage für die Entwicklung einer -»umweltökonomischen Gesamtrechnung und eines umweltorientierten betrieblichen Rechnungswesens (-»Öko-Bilanzierung, -»ökologisches Controlling) und zur Entwicklung geeigneterer volkswirtschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Erfolgsmaße durch die Berücksichtigung des Umweltverzehrs als Aufwands- bzw. Kostenfaktor. Die Verwendung falscher, d. h. die wahren Präferenzen nicht widerspiegelnder Erfolgsfaktoren birgt die Gefahr, daß inadäquate Maßnahmen zur Zielerreichung ergriffen werden; daher kann durch die mit Hilfe der Monetarisierung von Umweltleistungen bewirkte Korrektur von Erfolgsgrößen auch zur Verbesserung der Steuerungsund Lenkungsfunktion gesamtwirtschaftlicher oder einzelwirtschaftlicher Maßnahmen beigetragen werden. d)

Die meisten Umweltleistungen (s. Abschnitt 1.2.) haben Kollektivguteigenschaft: Von ihrer Inanspruchnahme kann ohne weiteres niemand ausgeschlossen werden, und die Inanspruchnahme ist (jedenfalls ursprünglich) kostenlos. Durch bestimmte individuelle Nutzungen, z. B. das Emittieren von Schadstoffen, erfahren die Umweltbereiche aber eine Qualitätsminderung bzw. Schädigung, von der viele andere Nutzer (und nicht nur der Emittierende) betroffen sind: Die individuelle -»Emission bewirkt negative -»externe Effekte auf andere Nutzer; ihnen entstehen Nutzenverluste (z. B. durch Materialschäden, gesundheitliche Beeinträchtigungen, Belästigungen usw.), für die sie keine Kompensation erhalten. Sie stellen sogenannte soziale Kosten dar, weil sie gewissermaßen der Allgemeinheit anfallen, aber von einzelnen verursacht werden. Es ist ein Ziel der Umweltpolitik, diese sozialen Kosten den eigentlichen Verarsachem anzulasten. Damit werden Entscheidungsträger gezwungen, bei der Planung ihrer ökonomischen Aktivitäten die daraus hervorgehenden externen Effekte als individuelle Kostenfaktoren

Bewertung der Umwelt, monetSre zu berücksichtigen. Dies verhindert umweltbezogene Wettbewerbsverzerrungen, entspricht aber nicht zuletzt auch elementaren Gerechtigkeitsvorstellungen. Die -»Internalisierung externer Effekte mit entsprechender Kostenbelastung des Verursachers, wie sie insbesondere von umweltbezogenen -»Abgaben, -»Zertifikaten und dem —»Umwelt-Haftungsrecht vorgenommen wird, erfordert aber zwingend (explizit oder implizit) die monetäre Bewertung der hervorgerufenen Nutzenverluste. e)

Die monetäre Bewertung von Umweltleistungen erlaubt eine stärker objektivierte Bemessung von Haftungsansprüchen bei Umweltschädigungen oder -belastungen.

f)

Mit monetären Bewertungen von Umweltleistungen kann auch eine Basis für die Honorierung bzw. Vermarktung von zunächst nicht vermarkteten Umweltleistungen geschaffen werden, wie dies insbesondere für den Bereich Wald versucht wurde.

g)

Die Darstellung des Umfangs des Wertes von Umweltschutz einerseits und von Umweltschäden andererseits in anschaulich faßbaren Geldeinheiten kann einen Beitrag zur Verbesserung der Bewußtseinsbildung in der Bevölkerung und zur Versachlichung der Diskussion um umweltpolitische Maßnahmen und Prioritäten leisten.

1.2. Wertbegründung und Wertkategorien von Umweltbereichen Bei der Frage, welcher Wert der Umwelt bzw. einzelnen Teilbereichen der Umwelt und damit auch Umweltschutzmaßnahmen einerseits und Umweltschäden andererseits zugeordnet werden soll, ist es zunächst sinnvoll, zwischen zwei grundlegend verschiedenen ethischen Positionen (ökologische -»Ethik) zu unterscheiden:

27

Bewertung der Umwelt, monetäre 1.

28

einen gewissen Mindestbestand ist menschliches Leben und damit auch ökonomisches Agieren, d. h. Produzieren und Konsumieren, nicht möglich. Ähnlich wie das künstlich geschaffene Realkapital erfahrt es durch die Nutzungsaktivitäten einen gewissen Verschleiß. Dieser Verschleiß kann zumindest partiell (z. B. bei regenerativen Umweltressourcen) durch vom Menschen vorgenommene Maßnahmen kompensiert werden.

Gesamtnaturbezogene, absolute Sichtweise Umweltbereiche, einschließlich Lebewesen und Lebensgemeinschaften, aber u. U. sogar die unbelebte Natur oder Teile von ihr haben einen „Wert an sich", der sich schon allein aus ihrer Existenz ergibt und sich nicht (nur) an ihrer Funktionstüchtigkeit und ihrem Nutzen für den Menschen bemißt. Da die Existenz wertbegründend ist, können im Grunde die Werte einzelner Umweltbestandteile nicht gegeneinander als mehr oder weniger wertvoll abgewogen, also nicht miteinander verglichen werden. Es versteht sich von selber, daß sich unter dieser gewissermaßen fundamentalistischen Sichtweise der Umwelt kein quantifizierbarer oder gar in monetären Einheiten ausdrückbarer Wert zuordnen läßt. Es kann aber davon ausgegangen werden, daß das unter dieser Sichtweise angestrebte Schutzniveau außerordentlich hoch ist, weil die schiere Zahl der Schutzgüter und der jeweilige Schutzanspruch sehr hoch, ja praktisch unbegrenzt ist. Umwelteingriffe müssen weitestgehend abgelehnt werden aus Anerkennung des so postulierten „absoluten" Wertes der Umwelt. Sehr deutlich vertritt diese Position z. B. A. Schweitzer mit seinem Gebot der Ehrfurcht vor dem Leben. Ähnliche Ansätze finden sich aber auch in den Verfassungen aller kultivierten Nationen, die jedenfalls jedem einzelnen Menschen dadurch einen Wert an sich zuerkennen, daß sie ihm bestimmte (Menschen-) Rechte garantieren, unabhängig von seiner Funktionstüchtigkeit für die Gesellschaft bzw. für andere.

2.

Bewertung der Umwelt, monetäre

Anthropozentrische, funktionale Sichtweise Der Wert der Umwelt bzw. jedes ihrer Kompartimente ergibt sich aus dem Nutzen- bzw. Leistungsstrom (i. w. S.), den sie an den Menschen abgibt. Gemäß dieser ökonomisch-orientierten Sichtweise läßt sich die Umwelt als ein Kapitalgut („Naturkapital") auffassen. Als solches ist es essentiell, d. h. ohne

Aus anthropozentrischer, funktionaler Sicht stellt also der (Eigen-)Nutzen aus diesen Maßnahmen die wesentliche Motivation für umwelterhaltende bzw. -verbessernde Maßnahmen Umweltschutz dar. Dieser fällt zunächst für jeden Nutzer als individueller Nutzen an. Die übliche - auch im Rahmen der Wohlfahrtstheorie postulierte - Auffassung vom gesellschaftlichen Wert der Umwelt ist, daß er sich als Summe der individuellen Nutzen ergibt. Im Folgenden wird ausschließlich die anthropozentrische Sichtweise zugrundegelegt, weil nur sie Grundlage einer quantifizierbaren, insbesondere einer monetären Bewertung der Umwelt sein kann. Zu den mit dieser Position implizierten Werturteilen s. 3. Abschnitt. Die vielfältigen, wertbegründenden Leistungen der Umwelt lassen sich grob in vier verschiedene Gruppen einteilen: 1.

Ressourcenleistungen: Die Umwelt ist Quelle für alle -»Energieträger und anorganische und organische Stoffe, die für die biologischen Stoffwechsel (insbesondere Atmung, Wasserhaushalt, Ernährung) und die künstlichen Stoffwechsel (Herstellung, Nutzung, Verwertung, —»Entsorgung von Produkten) nötig sind.

2.

Senkenleistungen: Die verschiedenen Umweltkompartimente sind Aufnahmemedium für alle Arten ungewünschter oder unbrauchbarer -»Energien, Stoffe und Produkte.

Bewertung der Umwelt, monetlre

Bewertung der Umwelt, monetäre

3.

4.

Regulationsleistungen: Die Umwelt trägt zur Erhaltung und Wiederherstellung von Gleichgewichten und zur Stabilität im Naturhaushalt bei; damit erst werden alle übrigen Leistungen der Umwelt in gewissen Grenzen kalkulierbar und einer planvollen Nutzung durch den Menschen zugänglich. Leistungen als Lieferant von -»Informationen, Wissen und ästhetischen Signalen: Umweltbereiche sind Quellen von Informationen und Erkenntnisgrundlagen; die von ihnen ausgehenden optischen, akustischen und geruchsmäßigen Signale stiften vielfache Wohlfahrtseffekte; sie sind z. B. Basis der Touristikbranche, eines bereits jetzt weltweit enorm wichtigen Wirtschaftszweiges mit weiter wachsender B e deutung.

Durch Inanspruchnahme dieser Leistungen entsteht für die individuellen Nutzer und damit für die Gesellschaft insgesamt ein Wert der Umwelt, der als Gebrauchswert der Umwelt bezeichnet wird. Aus empirischen Befunden läßt sich darüber hinaus belegen, daß Menschen bestimmten Umweltbereichen unter gewissen Umständen auch dann einen positiven Wert beimessen, wenn sie sie nicht selber nutzen; in diesem Fall spricht man von einem Nichtgebrauchswert der Umwelt. •

Dieser kann z. B . dadurch begründet sein, daß ein Individuum den Umweltbereich zwar gegenwärtig nicht nutzt, aber prinzipiell die Möglichkeit haben möchte, ihn irgendwann zukünftig zu nutzen (Optionswert);



aus Vorsichtsgründen an der Erhaltung des Umweltbereichs interessiert ist um zu verhindern, daß der Menschheit eine Ressource unwiederbringlich verloren geht (Quasioptionswert);



die Möglichkeit offen gehalten werden soll, daß zukünftige Menschen (z. B. die eigenen Kinder oder insgesamt spätere Generationen) den Umweltbereich nutzen können (Vermächtniswert);



die reine Existenz eines Umweltbereichs - unabhängig von einer optionalen persönlichen Nutzung - für das Individuum etwas Wertvolles, Erhaltenswertes darstellt (Existenzwert).

Insbesondere die Quantifizierung des Nichtgebrauchswertes der Umwelt wirft erhebliche (konzeptionelle und praktische) Probleme auf. Dies liegt vor allem daran, daß es anders als beim Gebrauchswert - kaum objektiv feststellbare, nämlich aus beobachtbarem, individuellem Verhalten ableitbare Kenngrößen gibt, die direkt oder indirekt auf die Höhe dieses Wertes schließen lassen. So läßt sich z. B. auf die Höhe des Gebrauchswertes eines Waldes in seiner Funktion als Erholungsraum aus der Besucherfrequenz und dem Besuchsaufwand schließen; ein ähnlich aussagekräftiger Indikator für den Optionswert dieses Waldes existiert jedoch nicht. Anders als beim Realkapital, dem künstlich, d. h. durch menschliche Produktionstätigkeit geschaffenen Kapital, läßt sich die absolute Höhe des Wertes der Umwelt (als dem Naturkapitalstock) auch bei rein anthropozentrischer Sichtweise nicht adäquat (monetär) beziffern. Dies ist nicht einmal für größere Umweltkompartimente möglich (Beispiel: Wert des Waldes), weil sie komplexe Leistungsströme abgeben, die weder in ihren vielfältigen Arten (Qualitäten), noch in deren jeweiligen Umfangen (Quantitäten) hinlänglich bekannt sind. Zudem dürfte die Abgrenzung dessen, was zum Naturkapital zu zählen ist und was nicht, außerordentlich umstritten sein. Ähnlich wie beim Realkapital ist es aber auch weniger wichtig, die Höhe des (monetären) (Gesamt-)Wertes der Umwelt oder ihrer Kompartimente als vielmehr die Veränderung dieser Höhe jeweils zu ermitteln, wie sie etwa durch unterschiedlichste Nutzungen innerhalb eines Zeitraums der Vergangenheit eingetreten ist oder in der Zukunft eintreten bzw. erwartet wird. Zwar sind auch hierbei die auftretenden Probleme (s. u.) nicht geringfügig; da die im Verlauf eines überschaubaren Zeitabschnitts auftretenden Veränderungen in Umweltbereichen aber Folgen begrenzter und prinzipiell eher überschaubarer Eingriffe sind, sind sie in Art und Umfang leichter abschätzbar und (mo29

Bewertung der Umwelt, monetäre

netär) bewertbar. Typischerweise geht es daher in der volks- und betriebswirtschaftlichen Theorie und Praxis stets generell nur um die (monetäre) Bewertung von Umweltveränderungen, wie sie durch Nutzungen von Umweltbereichen (Wertverschlechterungen, Umweltschäden) oder Umweltschutzmaßnahmen (Wertverbesserungen) hervorgerufen werden. 2. Verfahren zur monetären Bewertung von Umweltveränderungen Im wesentlichen lassen sich die Verfahren in direkte und indirekte einteilen. Zu allen der nachfolgend in ihrem jeweiligen Grundansatz beschriebenen, gebräuchlichsten Bewertungsverfahren existieren Spezifizierungen und Verfeinerungen, die in der weiterfuhrenden Literatur dargestellt werden. Welches Verfahren am geeignetsten ist, hängt von der Art des zu ermittelnden Nutzeneffekts, vom betroffenen Umweltbereich, von den für die Untersuchung verfügbaren finanziellen Mitteln und den benötigten Informationen ab. 2.1. Direkte Verfahren Die direkten Verfahren versuchen, den monetären Wert einer Umweltveränderung durch Befragung von Zahlungsbereitschaften oder Entschädigungsforderungen bei den von dieser Umweltveränderung Betroffenen zu ermitteln. Dies kann auf zweierlei Weise geschehen: 1.

Ermittlung der willingness to pay (WTP): Es wird nach demjenigen Geldbetrag gefragt, den ein Betroffener für eine geplante Umweltverbesserung bzw. zur Verhinderung einer bestimmten Umweltverschlechterung zu zahlen bereit ist.

2.

Ermittlung der willingness to seil (WTS): Es wird nach demjenigen Geldbetrag gefragt, den ein Betroffener dafür fordert, daß er auf eine bestimmte Umweltverbesserung verzichtet bzw. eine bestimmte Umweltverschlechterung hinzunehmen bereit ist.

30

Bewertung der Umwelt, monetäre

Die so ermittelten individuellen W T P bzw. W T S werden durch Summation über alle Betroffenen zum gesamtgesellschaftlichen monetären Wert der Umweltveränderung aggregiert. Beide Ansätze lassen sich mikroökonomisch mit dem Hicksschen Konzept der äquivalenten bzw. kompensierenden Einkommensvariation fundieren. Wegen der Ähnlichkeit von erfragten Zahlungsbereitschaften mit Marktpreisen, die als realisierte Zahlungsbereitschaften für die jeweils gekauften Güter angesehen werden können, wird die monetäre Bewertung von Umweltveränderungen mit Hilfe der W T P und W T S als marktnahe Bewertung (contingent valuation) bezeichnet. Zwischen erfragter Zahlungsbereitschaft und einem Marktpreis besteht allerdings ein wesentlicher Unterschied: Eine erfragte individuelle Zahlungsbereitschaft gibt den maximalen Geldbetrag an, den ein Befragter für eine Leistung zu zahlen bereit ist. Demgegenüber enthält ein Marktpreis als Gleichgewichtspreis keine Konsumentenrente, weil deijenige, der die Leistung zum Marktpreis erwirbt sogar meist bereit ist, mehr als den Marktpreis zu zahlen: Marktpreise stellen gewissermaßen nur marginale Zahlungsbereitschaften dar. Eine wesentliche Stärke des W T P - und WTS-Ansatzes ist deshalb auch darin zu sehen, daß die Befragten in freier Weise sämtliche Wertschätzungsaspekte (z. B . auch hinsichtlich des Options-, Vermächtnis- und Existenzwertes) der Umweltveränderungen in der W T P bzw. W T S ausdrücken können. Die indirekten Verfahren (s. 2.2.) leisten dieses nicht. Ferner ist es (ebenfalls im Unterschied zu den indirekten Verfahren) möglich, den monetären Wert nicht nur realisierter, sondern auch erwarteter bzw. befürchteter oder geplanter, also hypothetischer Umweltveränderungen zu ermitteln. Die Ermittlung der W T P und W T S führt zu systematischen Bewertungsunterschieden: Bei der W T P wird implizit dem potentiellen Schädiger das Umwelteigentumsrecht zugesprochen, das sich der Befragte mit seiner Zahlung kaufen muß, um in den Genuß der Umweltverbesserung zu gelangen bzw. um die Umweltverschlechterung zu verhindern. Bei der W T S vertauschen sich diese Positio-

Bewertung der Umwelt, monetäre nen. Bei der WTP muß der Befragte Einkommens- bzw. Vermögensverminderungenniveau einkalkulieren; das legt eher vorsichtige Angaben nahe. Bei der WTS kann der Befragte auf ein höheres Einkommens- bzw. Vermögensniveau reflektieren, so daß ein Anreiz zu eher hohen Angaben besteht. Im Ergebnis werden daher Bewertungen auf WTP-Basis erheblich niedriger ausfallen als auf WTS-Basis. In jedem Fall müssen, um die Angabe ganz unrealistischer Werte zu verhindern, geeignete Befragungsdesigns (Vermittlung von Vorinformationen, Gestaltung von Befragungsinhalt, -ablauf, -umgebung, Frageformen usw.) gewählt werden. Trotzdem sind auch bei ausgeklügelter Befragungstechnik mit dem WTP- und WTS-Verfahren spezifische Probleme verbunden: •

Abstraktionsproblem: Den Befragten fällt es häufig schwer, ihre Wertschätzung für Umweltbereiche, die meist auch eine emotionale Basis hat, in Geldeinheiten auszudrükken. Das Wissen um das Hypothetische der Befragungssituation, in der die Befragten nicht wirklich mit entsprechenden monetären Konsequenzen aus ihren Angaben rechnen müssen, kann zu unrealistischen Angaben führen.



Sorgfaltsproblem: Es ist auch fraglich, ob sich die Befragten hinreichend gründlich der Mühe unterziehen, ihre wahre monetäre Wertschätzung der Umwelt gegenüber zu ermitteln.



Trittbrettfahrerproblem: Können oder müssen die Befragten aber tatsächlich mit Konsequenzen aus ihren Angaben rechnen, so haben sie Anreize, ihre Zahlungsbereitschaft für —»Kollektivgüter, wie Umweltleistungen bzw. -qualitäten, entsprechend der für sie damit verbundenen Folgen zu über- bzw. zu untertreiben, also aus strategischen Gründen falsch anzugeben.

Bewertung der Umwelt, monetire Es herrscht weitgehender Konsens, daß der WTP- und (noch sehr viel stärker) der WTSAnsatz zu einer Überschätzung des Wertes von Umweltveränderungen fuhrt. Angewandt wurden diese Befragungsverfahren vor allem zur Schätzung des monetären Wertes von Veränderungen der Luft- und Gewässerqualität. 2.2. Indirekte Verfahren Bei den indirekten Verfahren versucht man, aus der Beobachtung von Verhaltensänderungen von Personen und der dadurch ausgelösten Veränderungen bestimmter ökonomischer Größen als Folge von Umweltveränderungen auf ihre monetäre Bewertung dieser Umweltveränderungen zu schließen. Anhaltspunkte hierzu liefern Kosten- bzw. Ausgaben- und Preisveränderungen, also von Marktdaten, die sich für die Betroffenen durch deren Anpassung an eine Umweltveränderung ergeben. Der Vorteil dieser Verfahren besteht darin, daß sie auf der Basis bestehender Preise und tatsächlicher Transaktionen vorgenommen werden und damit unmittelbar eine monetäre Bewertung liefern. Ihr genereller Nachteil ist, daß sie ausschließlich gebrauchsnutzenorientiert sind, und damit wichtige Wertkategorien und die Konsumentenrente unberücksichtigt bleiben. Dadurch tendieren die indirekten Methoden generell zur Unterschätzung von monetären Umweltwerten. Folgende Bewertungsansätze haben sich für die Praxis als wichtig herauskristallisiert: 1)

Ermittlung von Schadensvermeidungskosten Hierbei wird aus den tatsächlichen Ausgaben, die Betroffene zur Vermeidung von negativen Umweltveränderungen (Schäden) oder zur Erzielung einer Umweltverbesserung getätigt haben, auf die Höhe ihrer monetären Wertschätzung geschlossen. Unterschieden werden können Kosten zur Reparatur bereits entstandener Schäden (Sanierungskosten) und Kosten zur Vermeidung von zukünftigen Schäden (Vorsorgekosten). Vermeidungskosten fallen zum Schutz praktisch aller Umweltbereiche an, z. B. in Form von —>Abwasser- und 31

Bewertung der Umwelt, monetäre

Bewertung der Umwelt, monetäre

Trinkwasseraufbereitungskosten, Abfallbehandlungskosten, für die -»Abgasreinigung und Bodensanierung, den -»Lärmschutz, Biotopschutz, zur Behandlung von Gesundheitsbeeinträchtigungen durch anthropogene Umweltbelastungen, zur Sanierung von luftverschmutzungsbedingten Materialschäden usw.

kator für die Wertschätzung der genutzten Ressourcen. Außer seiner Beschränkung auf die Bewertung von auf Märkten gehandelten, natürlichen Ressourcen, ergeben sich folgende Schwächen dieses Ansatzes: Die Marktpreise für nichtregenerative Ressourcen sind im wesentlichen abhängig von den momentanen Gewinnungskosten und spiegeln i. d. R. nicht die Abnahme des Ressourcenbestandes, d. h. die zunehmende, absolute Verknappung und damit zukünftig eingeschränkte Nutzungsmöglichkeiten der Ressource wider. Rohstoffmärkte sind nicht selten unvollkommen, so daß die dort zustande gekommenen Preise keine guten Maßstäbe für die wahre Wertschätzung der Käufer sind.

Die wichtigsten spezifischen Probleme und Unzulänglichkeiten bei diesem Ansatz sind: Maßnahmen zur Schadensvermeidung reduzieren häufig nur die Schäden; verbleibende Restschäden oder beeinträchtigungen werden über die Schadensvermeidungskosten nicht erfaßt. Andererseits bringen Maßnahmen nicht immer nur Umweltqualitätsverbesserungen, sondern sie können auch andere Wohlfahrts- bzw. Nutzeneffekte bewirken, wie z. B. bei Investitionen in den integrierten Umweltschutz (integrative Umweltschutztechnologien); in diesen Fällen dürfte nur ein Teil der dafür entstandenen Kosten dem Wert der Umweltverbesserung zugerechnet werden; dessen Abgrenzung ist schwierig. Es besteht weitgehender Konsens darin, daß der Umweltschutz vorwiegend der Abwehr unmittelbarer Gefahren dient und zu wenig (langfristig) vorsorgeorientiert ist (Myopsieproblem). Folge hiervon ist, daß ermittelte Vermeidungskosten im wesentlichen Sanierungskosten sind und insbesondere Options-, Existenz- und Vermächtniswerte nicht widerspiegeln. In der Summe (und im Saldo) können Schadensvermeidungskosten nur als untere Schranke für die Wertschätzung gegenüber Umweltveränderungen angesehen werden. 2)

32

Bewertung zu Marktpreisen Natürliche Ressourcen wie Bodenschätze sind Leistungen der Umwelt, die auf Märkten zwischen Anbietern und Nachfragern gehandelt werden. Die dabei mit den gezahlten Marktpreisen bewerteten Umsätze sind ein Indi-

3)

Messung von Marktpreisdivergenzen Umweltqualitätsveränderungen können sich widerspiegeln in Preisunterschieden, die (sofem sie eben wirklich umweltqualitätsbedingt sind) als Maßstab für die Umweltwertschätzung bzw. wertschätzungsunterschiede dienen. Beispiele hierfür sind Preisunterschiede für Grundstücke und Gebäude, die (allein) auf -»Lärm- und Abgasbelastungen z. B. durch den vorbei führenden Straßenverkehr zurückzuführen sind, oder für Produkte aus ökologischem Landbau, mit denen die Käufer insbesondere den umweltschützenden Landbau honorieren, oder generell für Produkte aus umweltschonender Produktion. Im einfachsten Fall wird z. B. für Immobilien aus empirischen Querschnittsdaten mit Hilfe eines Regressionsansatzes ein typischerweise als nicht-linear spezifizierter, funktionaler Zusammenhang zwischen der Umweltqualität (Lärmbelastung, Schadstoffimmissionswerten) und baulichen und Lage-Charakteristika einerseits und dem Kaufpreis oder der Miethöhe der Immobilien andererseits geschätzt. Die partielle Ableitung dieser als hedonische Preisfunktion bezeichneten Funktion läßt sich dann als impliziter Preis

Bewertung der Umwelt, monetire für eine marginale Veränderung der Umweltqualität interpretieren. Auch Verfeinerungen dieses Grundansatzes enthalten spezifische, schwer beseitigbare Probleme: Der Ansatz enthält logische Inkonsistenzen und erfordert z. T. unrealistische Annahmen wie im Zusammenhang mit Immobilien z. B. unbegrenzte —•Mobilität, umfangreiche Wahlmöglichkeiten und Unkorreliertheit von Umweltqualitäts- und Gebäudemerkmalen. 4)

Ermittlung von Produktionskostenunterschieden Umweltqualitätsverbessemde Maßnahmen können auch dazu fuhren, daß die (Grenz-)Kosten für die Produktion bestimmter Güter sinken. Dies könnte etwa für die Fischereiwirtschaft durch den Gewässerschutz eintreten, der verbesserte Fangergebnisse bewirkt, oder für die Forstwirtschaft durch Luftreinhaltemaßnahmen, die geringere Wiederaufforstungen und andere waldpflegerische Maßnahmen erforderlich machen (bei konstanten Walderträgen). Sind die Marktverhältnisse so, daß die Preise für die verkaufte Produktion unverändert bleiben, so realisieren Produzenten durch die gesunkenen Kosten höhere Gewinne als ohne die Maßnahmen. Der zusätzliche Gewinn dürfte der maximale Betrag sein, den ein Produzent für die jeweilige Umweltqualitätsverbesserung zu zahlen bereit ist. Führen aber die gefallenen Produktionskosten (etwa durch starke Konkurrenz) zum Fallen des Marktpreises, so profitieren auch die Käufer der Produkte von der Umweltverbesserung, und die Produzenten realisieren nur eine geringere Gewinnerhöhung. Diese (allein genommen) unterschätzt dann den monetären Gesamtwert der Umweltverbesserung, der sich additiv aus der Gewinnerhöhung der Produzenten (Produzentenrente) und der (nicht beobachtbaren) Erhöhung der Konsumentenrente zusammensetzt.

Bewertung der Umwelt, monetäre 5)

Ermittlung von Reisekosten Zur Bewertung von freizeit- und erholungsbezogenen Umweltveränderungen wird häufig der sogenannte Reisekostenansatz verwendet. Grundidee ist, die Veränderung des Freizeit- und Erholungswerts z. B. von Parks, Wäldern und Seen an der Veränderung des Aufwands insbesondere in Form von Reisekosten zu messen, den Besucher auf sich nehmen. Hierzu wird im Grundmodell zunächst mit einer Regressionsanalyse ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Besuchshäufigkeit einzelner Besucher (aus einer bestimmten Entfernungszone) und ihren Reiseaufwendungen (Reisekosten und Reisezeit) sowie zusätzlichen sozioökonomischen Variablen (Einkommen, Bildungsstand usw.) ermittelt. Dieser wird dann dazu verwendet, aus einer (hypothetischen) Veränderungen der Reisekosten die jeweilige Veränderung der Besuchsraten der Besucher aus einer Entfemungszone zu schätzen. Durch Summation dieser Ergebnisse über alle Entfernungszonen läßt sich eine Gesamt-Nachfragekurve ableiten, die die Abhängigkeit der Gesamtzahl der Besuche des Umweltbereichs in Abhängigkeit von den damit verbundenen Reisekosten beschreibt. Schließlich ist (z. B. über Befragungen) zu ermitteln, wie diese Nachfragekurve sich als Folge einer Veränderung der Qualität des Umweltbereichs verschiebt bzw. verschieben wird. Die dadurch ausgelöste Differenz aus den Konsumentenrenten kann dann als monetäre Bewertung der Qualitätsänderung des Umweltbereichs interpretiert werden. Spezifische Probleme beim Reisekostenansatz sind ein aufwendiger Datenerhebungsaufwand, die NichtBerücksich-tigung von Opportunitätskosten und von Nicht-Gebrauchswerten und einige der explizit und implizit unterstellten Annahmen, wie z. B. der Annahme, daß die Besuche nicht noch weiteren Zielen dienen.

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Bewertung der Umwelt, monetire 3. Werturteilsfundament und generelle Probleme der monetären Bewertungsverfahren Allen vorgestellten Verfahren ist gemeinsam, daß sie die monetäre Gesamtbewertung einer Umweltveränderung als Summe aus den individuellen Bewertungen (idealerweise) aller Betroffenen ermitteln. Die resultierende Gesamtbewertung ist also individualistisch fundiert und setzt den Konsumenten bzw. Käufer als Wesen voraus, das seine Wertschätzung selbständig und frei artikulieren kann (sogenannte Konsumentensouveränität). Die Gesamtbewertung wird also nicht einer speziellen Gruppe (wie z. B. einem Expertenteam) oder gar einer einzelnen Person übertragen. Die Summe der individuellen Wertschätzungen als Basis der monetären Gesamtwertschätzung zu verwenden, setzt voraus, daß die individuellen Wertschätzungen als kardinal und interpersonell vergleichbar und auch jeweils als gleich wichtig betrachtet werden. Damit kommt es auch nicht auf die Verteilung der individuellen Wertschätzungen auf die Betroffenen, sondern eben nur auf deren Summe an. Dem liegt der Gedanke der Pareto-Effizienz zugrunde: Bei Realisierung eines Umweltzustandes, der die Summe der individuellen Wertschätzungen maximiert, können (jedenfalls rein theoretisch) durch geeignete Kompensationszahlungen alle Personen mindestens so viel individuelle Wertschätzung (bzw. Nutzen) erreichen, wie in jedem anderen Umweltzustand und mindestens eine Person sogar echt mehr. Bedenklich ist die Verwendung des Summenkriteriums insofern, als es in der Praxis nicht ohne weiteres sichergestellt ist, daß es bei seiner Anwendung zu den (möglichen) Kompensationszahlungen auch wirklich kommt, so daß diese rein hypothetisch bleiben. Auf diesem Werturteilsfundament sind mit allen beschriebenen Bewertungsverfahren die folgenden generellen Probleme verbunden: •

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Informationsproblem: Die individuelle Wertschätzung für Umweltleistungen hängt vom Informationsstand des Befragten ab: Fehlende Kenntnisse über Ursache-WirkungsZusammenhänge werden i. a. zu niedrigeren geäußerten oder realisierten

Bewertung der Umwelt, monetSre Zahlungsbereitschaften fuhren, falsche Einschätzung können aber auch unberechtigte Ängste und damit übertriebene Zahlungsbereitschaften erzeugen. Hinzuzurechnen ist das Myopsieproblem: Es ist zu befürchten, daß Befragte die Bedeutung des Erhalts insbesondere der langfristigen Leistungsfähigkeit der Umwelt (für sich selbst und erst recht für spätere Generationen) unterschätzen (Aspekt der Nachhaltigkeit des Umweltschutzes) und ihre Zahlungsbereitschaft unter doch stark dominierenden kurzfristigen Aspekten angeben. •

Äquivalenzproblem: Direkt oder indirekt ermittelte, individuelle Zahlungsbereitschaft ist nicht unbedingt mit tatsächlichem, individuellem Wert oder Nutzen gleichzusetzen, weil sie von der Kaufkraft und damit vom individuellen Einkommen abhängt: Menschen am Existenzminimum werden kaum zu Zahlungen für Umweltverbesserungen bereit sein, können aber eine sehr klare Vorstellung vom Kaufkraft desto höher wird die Zahlungsbereitschaft sein.



Verteilungsproblem: Mit der Abhängigkeit der individuellen Zahlungsbereitschaft vom individuellen Einkommen hängt der durch Summation der individuellen Werte ermittelte Gesamtwert einer Umweltveränderung insbesondere auch von der Einkommensverteilung ab.



Partialanalytisches Problem: Die monetäre Bewertung von Umweltveränderungen wird aus praktischen Gründen i. d. R. jeweils für einen bestimmten Teilbereich vorgenommen. Die dabei z. B. auf der Basis von ZahIungsbereitschaften ermittelten partiellen Werte für verschiedene Umweltbereiche können nicht zu einem aussagekräftigen Gesamtwert addiert werden, weil davon auszugehen ist, daß erstens bei einer simultanen Erhebung eine individuelle Zahlungsbereitschaft um so

Bezugsgruppenmanagement

niedriger sein wird, je höher Zahlungsbereitschaften und damit verplante Ausgaben fur die Verbesserung der Qualität in anderen Umweltbereichen sind, und zweitens Umweltschutzmaßnahmen häufig bereichsübergreifende Wirkung haben. Die Summe partialanalytisch ermittelter Nutzenwerte wird daher den eigentlich simultan zu erhebenden Gesamtnutzenwert deutlich überschätzen. Die beschriebenen Probleme aller Verfahren machen deutlich, daß generell die Aussagekraft monetärer Bewertungen beschränkt ist. Ihre Bedeutung liegt darin, daß sie - mit der gebotenen Vorsicht erhoben und unter Verdeutlichung der berücksichtigten und unberücksichtigten Aspekte - zumindest eine grobe Abschätzung über den individuellen und gesellschaftlichen Wert von Umweltbereichen bzw. von realisierten oder zukünftigen Umwelt(qualitäts)veränderungen liefern, wobei i. d. R. gesicherte Erkenntnisse darüber vorliegen, ob es sich eher um eine Unter- oder Überschätzung handelt. Der Umweltpolitik kann damit eine wichtige Orientierung gegeben werden. So haben nicht zuletzt die zahlreichen, vor allem seit Mitte der 80er Jahre durchgeführten, empirischen Erhebungen über den monetären Wert von Umweltbereichen - trotz der großen Bandbreiten der ermittelten Zahlen - den Blick von Gesellschaft und Politik auch auf die ökonomischen Bedeutung des Umweltschutzes geschärft und einer Verstärkung insbesondere des vorsorgenden Umweltschutzes den Weg geebnet. Weiterfuhrende Literatur: Endres, AJ Jarre, JJ Klemmer, PJ Zimmermann, K: Der Nutzen des Umweltschutzes. Synthese der Ergebnisse des Forschungsschwerpunktprogramms „Kosten der Umweltverschmutzung/Nutzen des Umweltschutzes", Berichte des Umweltbundesamtes, 12/91, Berlin 1991; Freeman, A. M.\ The Measurement of Environmental and Resource Values. Theory and Methods, Washington 1993; Kopp, R. J./ Smith, V. K. (eds.): Valuing Natural Assets. Resources for the Future, Washington 1993; Pethig; R:. Valuing the Environment. Methodological and Measurement Issues, Dordrecht 1994; Pflüg-

Bioindikatoren

ner, W.: Nutzen-Analysen im Umweltschutz. Der ökonomische Wert von Wasser und Luft, Göttingen 1988. Prof. Dr. F. Stehling

Bezugsgruppenmanagement —» Anspruchsgruppen

Bilanzierung, ökologische —»Ökobilanzierung

Biodiversitfit bezeichnet die Vielfalt der Lebensformen, Lebewesen auf der Erde, in den von ihnen gebildeten Lebensgemeinschaften sowie ihren Wechselbeziehungen und Stoffkreisläufe. Der Begriff der Biodiversität beinhaltet zum einen die genetische Vielfalt („GenPool") bzw. die Möglichkeit der genetischen Variation, zum anderen die Artenvielfalt (—>Artenschutz), d. h. Anzahl und Vorkommen unterschiedlicher in einem bestimmten geographischen Gebiet oder Biotop sowie drittens die Vielfalt der —»Ökosysteme, die in einer bestimmten Region auftreten.

Biofaktor Biofaktoren werden als die, die -»Umwelt positiv oder negativ beeinflussende Sachverhalte gewertet. Sie innerhalb eines Biosystems verortet. Biofaktoren können Pflanzen, Tiere und Menschen sein.

Bioindikatoren sind Organismen bzw. Artengruppen, die geeignet sind, den Nachweis von Schadstoffen und deren Wirkung zu erbringen. Das Verhalten der Organismen, wie Vermehrung oder Sterblichkeit, ist eng mit den ökophysiologischen Gegebenheiten verbunden. Eine Veränderung im -»Ökosystem bzw. bei den auf das Ökosystem einwirkenden Faktoren, ist an dem sich ändernden Verhalten der Organismen erkennbar. Man unterscheidet zwischen Wirkungsindikatoren, die besonders sensibel auf bestimmte Schadstoffe bzw.

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Bionik

Schadstoffkombinationen reagieren und Akkumulationsindikatoren, die bestimmte Schadstoffe anreichern und somit als Frühindikatoren für das Vorliegen für Schadstoffeinträge geeignet sind.

Bionik Wortkombination aus Biologie und Technik. Bezeichnet die Analyse der Funktionen, Strukturen und Organisationsprinzipien von Organismen, die durch den natürlichen Evolutionsprozeß optimiert wurden und den anschließenden Transfer dieser Erkenntnisse in technische Anwendungen. Anwendungsbereiche sind u. a. die Energie-Struktur-, Chemo- und Informationsbionik. Bekanntgeworden ist der sog. „Lotuseffekt". Anwendung: Oberflächengestaltung etwa von Ziegeln analog zu Blattoberflächen bestimmter Pflanzen zur optimalen Schmutzabweisung.

Bioremediation Einleitung Bioremediationsverfahren, d. h. Verfahren zur biologischen Schadstoffeliminierung, zielen im Grundsatz darauf ab, vorhandene —•Kontaminationen vollständig zu eliminieren, indem dieselben mikrobiell verstoffwechselt werden. Die Nutzung des reichhaltigen metabolischen und physiologischen Potentials der mikrobiellen Welt stellt dabei die Basis dar, für die Entwicklung aller effizienten Bioremediationsverfahren. Die resultierenden Endprodukte dieser Verfahren sind CO2, Wasser, Mineralien und Biomasse. Im Gegensatz zu anderen Reinigungsverfahren läßt sich durch mikrobielle Abbauprozesse idealerweise eine irreversible Eliminierung der Schadstoffe herbeiführen. Vor dem Hintergrund des -»Bundesbodenschutzgesetzes, welches zum Ziel hat, die Funktionen des Bodens nachhaltig zu sichern (Vorsorge) oder wiederherzustellen (Gefahrenabwehr bei —>Altlasten und kontaminierten Flächen), sind Bioremediationsverfahren in der Regel die Verfahren der Wahl, da das behandelte Material biologisch nicht tot ist, wie dies beispielsweise bei der thermischen Behandlung der Fall ist. Die Wiederverwendbarkeit des gereinigten Bodens stellt ein bedeutendes

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Bioremediation

Kriterium für die Auswahl der zur Verfügung stehenden Remediationsverfahren dar. Für die meisten als Altlasten vorgefundenen Schadstoffe ist ein mikrobieller Abbau nachgewiesen und sowohl ökonomisch als auch ökologisch sinnvoll. Bioremediationsverfahren sind daher heute -»Stand der Technik. Bioremediationsoptionen Die verschiedenen zur Verfügung stehenden Bioremediationsverfahren lassen sich entsprechend einer „Hierarchie der Optionen" unterteilen in: 1.

Die Nutzung der natürlichen Selbstreinigungsprozeße, die international auch als „Natural Attenuation" oder „Intrinsic Bioremediation" bezeichnet wird. Diese beruht auf der Abbauleistung der autochthonen (standorteigenen) Mikroflora unter den am Standort vorhersehenden Bedingungen und erfordert kein Eingreifen sondern lediglich ein Monitoring.

2.

Biostimulierung: Diese kommt dann zum Einsatz, wenn ein standorteigenes Abbaupotential existiert, jedoch physikochemische Voraussetzungen oder Nährstoffbedingungen für den Abbau limitierend sind. In diesen Fällen kann der mikrobielle Abbau z. B. durch Belüftung oder Nährstoffzufuhr induziert werden.

3.

Beimpfung mit Spezialkulturen, im allgemeinen als „Bioaugmentation" bezeichnet. Obwohl autochthone Bioorganismen als Biokatalysatoren in Bioremediationsverfahren generell die erste Wahl sind, existieren Voraussetzungen unter denen der Einsatz von selektierten Spezialkulturen oder gentechnisch veränderten Mikroorganismen als Inokula nützlich ist. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn Natural Attenuation oder Biostimulierung nicht funktionieren und tatsächlich die „Biologie" limitierend ist, d. h. daß keine mikrobielle Abbauaktivität und kein oder nur ein unzureichendes standorteigenes Abbaupotential vorhanden ist. Der Einsatz von Inokula

Bioremediation

wird daher a priori auf schwer abbaubare Substanzen, die, sofern überhaupt, nur kometabolisch (Metabolisierung eines nicht zum Wachstum nutzbaren Substrats in Gegenwart eines Wachstumssubstrats) abgebaut werden können, komplexe Schadstoffmischungen oder Schadstoffe, die zu toxischen Intermediaten transformiert werden, begrenzt sein. Ex-situ-Bioremediationverfahren Man unterscheidet zwischen ex-situ- und insitu-Bioremediationsverfahren. Unter exsitu-Verfahren faßt man Prozesse zusammen, bei denen das kontaminierte Material ausgehoben („ausgekoffert") und anschließend behandelt wird. Die Behandlung kann entweder direkt am Kontaminiationsstandort („on site") oder aber nach Transport in einer Behandlungsanlage („off site") erfolgen. Exsitu-Verfahren sind zwar aufwendig, eröffnen aber vielfältige Möglichkeiten zur Förderung mikrobiellen Abbaus durch: • •



Belüftung und Nährstoffzufuhr; Erhöhung der Bioverfügbarkeit durch Homogenisierung, Auflockerung, mechanisches Umwenden bzw. Suspendierung des Bodens; optionalen Zusatz von Spezialkulturen (Bioaugmentation) oder Zuschlagstoffen, wie Stroh, Rinde oder Holzschnitzel.

Ex-situ-Verfahren können als „Landfarming", in Mietenverfahren oder in Bioreaktoren stattfinden. Beim Landfarming wird der Bodenaushub klassiert, nach entsprechenden Voruntersuchungen mit Strukturstoffen und Nährstoffen konditioniert und auf einem abgedichteten Hintergrund in einer Höhe bis 0,5 m ausgebracht. Mittels landwirtschaftlicher Geräte wird der Boden im Zuge der Sanierung bearbeitet. Ein Nachteil des Landfarming ist der enorme Flächenbedarf. So sind für 1000 m 3 Boden, ausgebracht in einer Höhe von 0,5 m, mindestens 2000 m2 Fläche notwendig. Als Folge der großen Oberfläche sind unkontrollierte —Emissionen flüchtiger Schadstoffe möglich. Zudem ist der Boden

Bioremediation

den Witterungsbedingungen ausgesetzt, was zur Verschlemmung oder Austrocknung fuhren kann. Das Landfarming kommt vor allem in den USA zum Einsatz. Entsprechend wird die biologische Dekontamination von Böden sowohl als on-site als auch als off-site-Sanierung vorrangig im Mietenverfahren durchgeführt. Das Mietenverfahren ist eine spezielle Form der Kompostierung. Der Bodenaushub wird zunächst klassiert und homogenisiert sowie entsprechend der Ergebnisse von Voruntersuchungen mit Struktur- und Nährstoffen konditioniert. Die Homogenisierung und Konditionierung bewirkt eine Verteilung der Schadstoffe im Boden, eine Auflockerung der Bodenstruktur sowie eine gute Durchlüftung des Materials. Der aufbereitete Boden wird zum mikrobiellen Schadstoffabbau in Tafelmieten von ca. 1,5 m bis 2 m Höhe (je nach Bodenart) aufgesetzt. Die Mieten können über Belüftungsrohre und/oder Berieselungssysteme oder durch regelmäßiges Wenden des Bodens mit Sauerstoff, Wasser und Nährstoffen versorgt werden. Verglichen mit dem Landfarming ist der Flächenbedarf von Mietenverfahren deutlich geringer. Die Einhausung der Mieten durch Zelte bzw. die Behandlung einer ortsfesten Anlage schützt den Boden vor Witterungseinflüssen und ermöglicht die Einstellung optimaler Abbaubedingungen. Ausgasende Schadstoffe können gefaßt und die Luft in Bio- und oder Aktivkohlefiltern gereinigt werden. Die Behandlungszeiten liegen im Zeitraum von Wochen bis Monaten. Böden mit hohem Feinkornanteil verdichten stark in Mieten, was in einer Limitierung des Schadstoffabbaus durch Sauerstoffmangel und in einer geringen Bioverfügbarkeit resultiert. Hier bietet der Einsatz von Bioreaktoren wesentliche Vorteile. Der Abbauprozeß läßt sich optimal steuern, die Bioverfugbarkeit der Schadstoffe kann erhöht werden, es kann eine intensive Durchmischung erfolgen und es können sehr feuchte Böden behandelt werden bis hin zur Sanierung mittels Suspensionsverfahren. Festbettreaktoren werden in Form von Drehrohr-Bioreaktoren realisiert, wie sie auch für die Intensivrotte bei der Hausmüllkompostierung eingesetzt werden. Sie ermöglichen eine 37

Bioremediation

intensive Durchmischung und Steuerung der Gasströme, wobei der Betrieb im Vergleich zum Mietenverfahren aufwendiger ist. In Suspensions- oder SIurry-Bioreaktoren, die auch in Verbindung mit der Bodenwäsche betrieben werden, werden kontaminiertes Material und Wasser im Verhältnis von etwa 1:1 suspendiert. Dabei findet ein hydraulischer Aufschluß des Bodens und eine intensive Durchmischung der kontaminierten Bodenpartikel mit Mikroorganismen, Luft und Nährstoffen statt. In Suspensionsreaktoren sind daher hohe Stoff- und Phasenübergänge gewährleistet, ihr Betrieb ist jedoch sehr energieaufwendig. Darüber hinaus muß dekontaminiertes Material nach der Behandlung getrocknet werden. Die Behandlungszeiten liegen in der Größenordnung von Tagen. Da der technische Aufwand sowie die Kosten für Bioremediationsverfahren in Bioreaktoren hoch sind, eignet sich ein solches Vorgehen nur für den Abbau von Schadstoffen, die unter „natürlichen Bedingungen" persistent sind. In den letzten Jahren hat sich bei den ex-situBioremediationsverfahren eine deutliche Präferenz für off-site-Sanierungen in ortsfesten Behandlungsanlagen gezeigt. Die Gründe für diese Entwicklung sind in den folgenden Vorteilen einer off-site-Behandlung zu sehen: •





es sind nicht für jedes Sanierungsvorhaben aufwendige ^Genehmigungsverfahren durchzuführen; direkter Aushub und Abtransport mit Entfallen der Wartezeiten hinsichtlich der Installation mobiler Anlagen zur Bodensanierung; kein Platzbedarf am Schadensort;



das kontaminierte Material wird in der Regel Eigentum des Sanierers und somit der Auftraggeber aus seiner weiteren Verantwortung für den Aushub entlassen;



Bodenreinigungsanlagen sind prädestiniert, auch kleinere Bodenmengen im ökologisch und ökonomisch sinnvollen Rahmen anzunehmen und zu sanieren.

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Bioremediation

In-situ-Bioremediationverfahren Bei der in-situ-Bioremediation verbleibt der kontaminierte Boden an Ort und Stelle. Sie wird eingesetzt, wenn eine oberflächliche Bebauung vorliegt, die Schadstoffe in großen Tiefen bis zum Grundwasserleiter eingedrungen sind und aufgrund des Umfangs und der tiefliegenden Kontamination ex-situVerfahren nicht einsetzbar bzw. viel zu teuer sind. Tiefgründige Kontaminationen erstrekken sich sowohl auf die oberen aeroben (mit Sauerstoff versorgten) als auch auf die tiefer liegenden anaeroben (mit Wasser gesättigten) Schichten. Die oberen Bereiche können durch Bodenluftabsaugung oder durch Bodenbelüftung („Bioventing") von flüchtigen Kontaminanten, wie z. B. -»Kohlenwasserstoffen, gereinigt werden. Bei der Bodenluftabsaugung, die bei sandigen bis schwach bindigen Böden Anwendung findet, wird an den mit Folien abgedeckten Boden ein Vakuum angelegt, wodurch die flüchtigen Verbindungen aus dem Porenraum abgesaugt werden. Diese kontaminierte Luft wird anschließend über Biofilter oder Bodenwäscher gereinigt. Im Fall der Bodenbelüftung (Bioventing) wird der Boden durch Lanzen belüftet, wodurch den Mikroorganismen Sauerstoff zugeführt wird und aerobe Abbauprozesse gefördert werden. Zu diesem Zweck werden auch Sauerstoff, Wasser oder Nitrat injiziert. Dieses Prinzip leitet zu den hydraulischen Verfahren über, bei denen tieferliegende gesättigte Bodenschichten und Gewässerhorizonte (Aquifer) durchströmt werden. Das nach dem „Pump-and-treat"-Prinzip durch den kontaminierten Boden gepumpte und an der Oberfläche in Bioreaktoren oder Kläranlagen gereinigte Wasser kann erneut dem Kreislauf zugeführt werden. Im Rahmen der sehr anspruchsvollen hydraulischen Maßnahmen, bei denen die Geologie des Bodens zu berücksichtigen ist, werden in-situ- und ex-situ-Behandlungen gekoppelt. Durch Zusatz geeigneter Elektronen-Akzeptoren kann auch die Nutzung anaerober Abbauprozesse erreicht werden; alternierende Aerob/Anaerob-Behandlungen sind ebenfalls denkbar.

Bioremediatton

Bioremediation

Im Rahmen der in-situ-Bioremediationsverfahren tritt in den letzten Jahren verstärkt Natural Attenuation in den Vordergrund. Natural Attenuation hat nichts mit „Nichts tun und abwarten" zu tun; vielmehr ist es das Bestreben, die in -»Ökosystemen ablaufenden Prozesse zu erkennen und ggf. zu steuern. An die Stelle aufwendiger technischer Maßnahmen tritt hier die verstärkte Nutzung ökologischer Prozesse. Durch umfassendes Monitoring wird versucht, Korrelationen zwischen kritischen biologischen und physiologischen Parametern, welche den Schadstoffabbau beeinflussen und Reaktionen der mikrobiellen Lebensgemeinschaft auf diese Parameter zu eruieren, limitierende Reaktionen des Abbaus zu identifizieren und ggf. gezielt fordernd einzugreifen, wobei auch längerfristige, über Jahre andauernde Prozeßlaufzeiten einkalkuliert werden. In den USA wird darüber hinaus vielfach die Phytoremediation genutzt. Darunter versteht man die Nutzung des komplexen Systems der Pflanzen und der RhizosphärenMikroflora zur Remediation von Böden, die durch organische Schadstoffe oder Schwermetalle kontaminiert sind. Phytoremediationsverfahren werden häufig mit dem Landfarming kombiniert. Perspektiven Bioremediationsverfahren werden bislang insbesondere bei Mineralölschadensfällen eingesetzt, wenngleich ihr Potential weitaus größer ist. Nischenlösungen sind im Bereich schwer abbaubarer ->Xenobiotika, d. h. Substanzen mit neuartiger chemischer Struktur und ggf. mit Substituenten, die in der Natur nicht oder nur sehr selten vorkommen, oder problematischer Schadstoffmischungen, die zu ökotoxikologischen Problemen fuhren können, durch den Einsatz adaptierter Spezialkulturen oder gentechnisch veränderter Mikroorganismen denkbar. Akkumulierende Dead-end Produkte können im Fall unvollständiger mikrobieller Abbauwege oder biochemisch inkompatibler Schadstoffmischungen u. U. toxischer sein als die Ausgangssubstanz selbst oder aber zu toxischen Produkten transformiert werden, die dann die mikrobielle Gemeinschaft destabilisieren und Abbauprozesse inhibie-

ren. In diesen Fällen ist das rationale Design von Mikroorganismen mit geeigneten Abbauwegen eine Option. Für die Bioremediation von Mineralölkohlenwasserstoffen (MKW) oder polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) spielt diese Art der Bioaugmentation dagegen keine Rolle, wenn man von Biotensid-Produzenten absieht. Tenside können zur Erhöhung der Bioverfugbarkeit eingesetzt werden. Effektivität, Toxizität und Kostengründe sprechen dabei gegen eine exogene Zugabe von Tensiden für Bioremediationsanwendungen. Gegenüber synthetischen Tensiden weisen sogenannte Biotenside (Biosurfactants) entscheidende Vorteile auf: • • • •

ihre Oberflächenaktivität ist sehr hoch; sie sind hitze- und pH- stabil; biologisch abbaubar und werden darüber hinaus in-situ produziert.

Durch die gezielte Kombination von Biotensidgenen mit Abbauwegmodulen in gentechnisch konstruierten Stämmen lassen sich Ausmaß und Kinetik des Abbaus schlecht bioverfugbarer Schadstoffe nachhaltig verbessern. Im Fall des Vorliegens schwer löslicher Schadstoffe kann durch Einsatz thermophiler Mikroorganismen bei erhöhten Temperaturen eine verbesserte Löslichkeit der Schadstoffe erreicht werden. Bei allen erwähnten Bioremediationsoptionen muß allerdings festgehalten werden, daß der Trend heute mehr und mehr weg von kostenintensiven „High Tech" Verfahren hin zu preisgünstigen Verfahren geht. Weiterfuhrende Literatur: Erb, R. WJ Eichner, C. AJ Wagner-Döbler, /./ Timmis. K. N.\ Bioprotection of microbial communities from toxic phenol mixtures by a genetically designed pseudomonad. Nature Biotechnology 15, o. O. 1997; Heiden, S. (Hrsg.) Innovative Techniken der Bodensanierung. Ein Beitrag zur Nachhaltigkeit. Heidelberg 1999; Heiden, SJ Erb, RJ Warrelmann, JJ Dierstein, R. (Hrsg.): Biotechnologie im Umweltschutz. Bioremediation: Entwicklungsstand, Anwendungen, Perspektiven, Berlin 1999; Michels, JJ Track, TJ Gehrke, UJ Seil, D. (Hrsg.): Biologische 39

Biosphärenreservat

Bottom-up

Verfahren zur Bodensanierung, im Erscheinen; Timmis, K. N/ Steffan, R. J./ Unterman, R.: Designing microorganisms for the treatment of toxic wastes. Annu. Rev. Microbiol. 4 8 , o . O. 1994. Dr. R. W. Erb

Biosphärenreservat Biosphärenreservate sind Binnen- und Küstenlandschaften, die u. a. durch hohe Artenvielfalt gekennzeichnet sind und als Beispiel einer landschaftsverträglichen Landnutzung überregionale Bedeutung haben. Sie sind als Naturoder -»Landschaftsschutzgebiete ausgewiesen und müssen den Richtlinien der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) entsprechen. Wertvolle Kulturlandschaften können ebenfalls als Biosphärenreservate anerkannt werden. Zusammen bilden die Biospärenreservate ein internationales Netz. Nach dem Grad menschlicher Eingriffsintensität umfassen Biosphärenreservate drei Schutzkategorien: 1. 2. 3.

Kemzone Pufferzone Übergangsgebiet

Biosphärenreservate werden drei gende Funktionen zugeschrieben:

grundle-

1.

Erhaltungsfunktion: d. h. das Biosphärenreservat trägt zur Erhaltung von Landschaften, —»Ökosystemen, der Artenvielfalt sowie des Gen-Pools bei;

2.

Entwicklungsfunktion: Unterstützung einer sozial-kulturellen und ökologisch nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise;

3.

Logistikfunktion: Biosphärenreservate sollen u. a. der Ökosystemaren Forschung als Bezugsfläche im internationalen Netz der nationalen und globalen Umweltbeobachtung sowie als Schulungs- und Ausbildungszentrum dienen.

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Biotechnologie Die Biotechnologie umfaßt verschiedene Bereiche der Grundlagenforschung und angewandte —»Forschung von Natur- und Ingenieurwissenschaften mit dem Ziel, Mikroorganismen, Zellkulturen pflanzlicher oder tierischer Herkunft sowie Enzyme in industriellen Produktions- und anderen technischen Prozessen einzusetzen. - » U m weltbiotechnologie

Biotonne Maßnahme der -»Abfallverwertung, bei der getrennt erfaßte, kompostierbare organische Abfälle aus dem Haus- und Gartenbereich der Kompostierung zugeführt werden.

Biotop Lebensraum von pflanzlichen/tierischen Organismen (—»Biozönose) mit einheitlichen Lebensbedingungen. Es handelt sich um ein Lebenssystem, das sich bei gegebenen ökologischen Randparametern in einem kontinuierlichen Gleichgewichtszustand befindet (biozönotisches Gleichgewicht/ Fließgleichgewicht).

Biozönose umfaßt alle in einem einheitlichen Lebensraum (-»Biotop) lebenden Pflanzen und Tiere, die in vielfältigen Wechselbeziehungen leben. Sie können dort zufällig zusammenleben, in einem Räuber-Beute-Verhältnis oder in einer symbiotischen Beziehung zueinander stehen.

Blauer Umweltengel 1977 vom —»Umweltbundesamt als Anreiz für Hersteller initiiert, damit diese Qualitätsstandards oberhalb bestehender gesetzlicher Vorschriften erfüllen. Der blaue Umweltengel kennzeichnet Produkte, die überdurchschnittlich günstige Umwelteigenschaften aufweisen. -»Öko-Label

Bottom-up (engl.) von unten nach oben. Methodischer Begriff: Auf einer stark disaggregierten

Brainstorming

Ebene vorliegende Informationen/Daten werden zunehmend verdichtet, um so eine Reduktion der Komplexität zu erreichen. Resultierende fundierte Aussagen stehen dabei allerdings oft einem hohen Aufwand bei der Erhebung der Informationen/Daten entgegen (Gegensatz: top-down-Ansatz). In der Organisations- und Planungstheorie stellen hierarchisch untergeordnete Organisationseinheiten Teilpläne auf, die von den jeweils hierachisch übergeordneten Einheiten zusammengefaßt und koordiniert werden. Das Ergebnis ist ein Gesamtplan auf oberster Ebene.

Brainstorming Kreativtechnik zur Ideengenerierung und Problemlösung. Innerhalb einer Gruppe werden Ideen in einem unvoreingenommenen und machtfreien Umfeld wertungsfrei aufgegriffen und kreativ weiterentwickelt. Die Gruppe sollte aus etwa 7-12 Personen bestehen. Im anschließenden sog. Screening werden die protokollierten Ideen in der Gruppe bewertet.

Branchenabkommen sind eine Art der umweltpolitischen Kooperationslösung und bezeichnen Absprachen zwischen einer Umweltbehörde und einer bestimmten Branche. Diese können rechtlich verbindlich sein (Branchenabkommen i. e. S.), wobei innerhalb eines gesetzten Zeitraumes ein festgelegtes Umweltschutzziel, ggf. mit vereinbarten Maßnahmen, erreicht werden soll. Zu unterscheiden sind hier sog. Selbstbindungsabkommen, bei denen sich die Branche zum Unterlassen umweltbeeinträchtigender Aktivitäten und sog. Selbstverpflichtungsabkommen, bei denen sie sich zur Durchfuhrung umweltfreundlicher Aktivitäten verpflichtet. Hiervon abzugrenzen sind die unverbindlichen umweltbezogenen Absprachen, deren Nichteinhalten von den Umweltschutzbehörden nicht sanktioniert werden kann (Branchenabkommen i. w. S.).

Brennstoffzelle

Brennstoffzelle In Brennstoffzellen wird die chemische -»Energie des Wasserstoffs in elektrische Energie umgewandelt. Wasserstoff und Luftsauerstoff reagieren miteinander und es wird Energie und Wasserdampf freigesetzt. In einer Brennstoffzelle läuft die Umkehrreaktion der Elektrolyse ab. Es gibt fiinf unterschiedliche Brennstoffzellentypen: Brennstoffzellentypen: 1. 2. 3. 4. 5.

Alkalische Brennstoffzelle AFC Membran-brennstoffzelle PEM Phophorsaure Brennstoffzelle PAFC Schmelzkarbonatbrennstoffzelle MCFC Festoxid Brennstoffzelle SOFC

Die PEM-Brenstoffzelle ist die zur Zeit bedeutungsvollste, sie hat eine niedrige Betriebstemperatur und ist wartungsarm. Die geplanten Einsatzgebiete sind die dezentrale Energieproduktion und die mobile Energieerzeugung. An ihrem Beispiel läßt sich die Funktionsweise von Brennstoffzellen einfach beschreiben. Andere Brennstoffzellentypen arbeiten ähnlich. Die Membran fungiert als gebundener saurer Elektrolyt. Der Elektrolyt ist sauer damit sich Ionen bilden können. Die beiden benötigten Stoffe Wasserstoff und Sauerstoff (aus der Luft) werden den beiden Elektroden kontinuierlich zugeführt. Wasserstoff (H2) diffundiert durch die poröse Anode, wo er in Ionen zerfällt und Elektronen abgibt. Das Wasserstoffion (H+) passiert auf seinem Weg zur Kathode die saure Polymermembran. Zur selben Zeit fließen die Elektronen über einen äußeren Stromkreis zur Kathode. An der Kathode reagiert das Wasserstoffion zusammen mit den Elektronen aus der Kathode und dem Sauerstoff. Das entstehende Wasser wird mit dem überschüssigen Luftstrom aus dem System geleitet. Aufgrund des Elektronenüberschusses an der Anode und des Elektronenmangels an der Kathode entsteht eine Spannung (ca. 1,1 V). Wird ein Verbraucher in den Stromkreis eingeschaltet, fällt die Spannung auf etwa 0,7 V. Um ein für technische Anwendungen geeignete Spannung zu erreichen, müssen Einzelzellen, bestehend aus Kathode, Membran und Anode in Serie zusammengeschaltet werden.

41

Bringsystem

Bubble-Policy Kopplungen geeignet, aber ihr Einsatz ist eher unüblich, da sie relativ aufwendige Umgebungsbedingungen benötigen.

Die Brenstoffzellentypen PAFC, MCFC und SOFC sind aufgrund ihrer hohen Betriebstemperatur gut für Strom-Wärme-

Verbraucher

H

>

o2

Elektrolyt

Wasserstoff

2e" HjO

H,0

t H

f

OH

OH>

oq

H2O

2e"

\ tt >

H, ff* +

Sauerstoff

o,

OH



Anode

Kathode H,0 Wasser

Abb. 1: „Klassische" Brennstoffzelle mit Wasser als Elektrolyten (www.energieinfo.de)

Bringsystem -•Holsystem

Brundtland-Bericht Der 1987 von der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung unter der Leitung der damaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland vorgelegte Bericht gilt als Wegbereiter der -»Agenda 21. Klassisch geworden ist die darin vorgenommene Definition -»Sustainable Development.

Bruttosozialprodukt Das Bruttosozialprodukt ist identisch mit dem Bruttoinländerprodukt. Es umfaßt alle zu Marktpreisen bewerteten Sachgüter und 42

Dienstleistungen, die in einer Periode von Inländern erzeugt wurden. Der Verbrauch der Sachgüter und Dienstleistungen muß nicht in der selben Periode erfolgen. Das Bruttosozialprodukt ist als volkswirtschaftflicher Wohlfahrtsindikator nur bedingt tauglich.

Bubble-Policy Das in den USA eingesetzte Bubble-Konzept dient der Einhaltung von Luftreinhaltevorschriften. Dabei liegen die -»Emissions quellen einer Region unter einer "unsichtbaren" Blase, deren Inhalt die zulässige Gesamtemission, unabhängig von den Einzelemissionen, nicht überschreiten darf. Hierdurch können Maßnahmen zur Verbesserung flexibel dort durchgeführt werden, wo sie am

Buchhaltung, ökologische

effizientesten sind. Die zulässige Gesamtemission wird durch die Summe der Einzelemissionen bestimmt, wenn alle einzelnen Emittenten, die vorgeschriebene Mindesttechnologie einsetzen und dadurch keine Verschlechterung der Situation eintritt.

Buchhaltung, ökologische -»Ökologische Buchhaltung

BUND Abk. für Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland e. V. Der BUND ist eine unabhängige private Umweltschutzorganisation und als Naturschutzverband staatlich anerkannt. Der Geschäftssitz ist Bonn.

Bundesbodenschutzgesetz Das zum 1. März 1999 in Kraft getretende Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) schließt eine wesentliche Lücke des Umweltschutzrechtes, indem es, neben den schon bundesrechtlich geschützten -»Umweltmedien „Luft" und „Wasser", auch dem „Boden" einen medienspezifischen gesetzlichen Schutz des Bundes zusichert. Wesentlicher Vorteil des Gesetzes ist eine Rechtsvereinheitlichung im Bereich des Bodenschutzes. -»Flächenrecycling

Bundesimmissionsschutzgesetz Abk.: BImSchG, Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigung, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge. Durch die Festsetzung von -»Grenzwerten für -»Emissionen und -»Immissionen regelt es, dem Vorsogeprinzip folgend, u. a. die Errichtung und den Betrieb umweltgefährdender Anlagen, die Beschaffenheit und den Betrieb umweltgefährdender Fahrzeuge, den Schutz bestimmter Gebiete und die Bestellung von Betriebsbeauftragten für Immissionsschutz bei genehmigungsbedürftigen Anlagen. Welche Anlagen genehmigungsbedürftig sind, regeln die §§ 4-21, welche Anlagen genehmigungsfrei sind die §§ 22-25.

Bundesumweltministerium

§ 5 regelt Anlagen: •







bei

genehmigungsbedürftigen

die Schutzpflicht zur Verhinderung konkreter schädlicher Umwelteinwirkungen nach dem -»Stand der Technik (§ 5 Abs. 1); die Vorsorgepflicht zur Verbesserung der Umweltverhältnisse, die über die traditionelle Gefahrenabwehr hinausgeht ( § 5 Abs. 1 Nr. 2); die Entsorgungspflicht für -»Reststoffe, unter der Berücksichtigung, daß Vermeidung bzw. Verwertung gegenüber der ordnungsmäßigen Beseitigung der Vorzug zu geben ist; die Abwärmenutzungspflicht, um der Energieverschwendung vorzubeugen.

Bundesnaturschutzgesetz Das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und die Naturschutzgesetze der Länder sind die Basis für den -»Naturschutz in Deutschland. Das BNatSchG verfolgt die Ziele: • • • •

die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, die Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, die Pflanzen- und Tierwelt und die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft als Lebensgrundlage des Menschen und als Voraussetzung für seine Erholung nachhaltig zu sichern.

Bundesumweltministerium Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) ist seit seiner Errichtung am 6. Juni 1986 innerhalb der Bundesregierung federführend verantwortlich für die -»Umweltpolitik des Bundes, vormals im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums. Das Ministerium beschäftigt in Bonn und Berlin in sechs Abteilungen rund 870 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zum Geschäftsbereich des Bundesumweltministeriums gehören außerdem drei Bundesämter mit zusammen mehr als 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: das 43

Bürgerinitiativen

-»Umweltbundesamt, das Bundesamt für Naturschutz sowie das Bundesamt für Strahlenschutz. Darüber hinaus wird das Ministerium in Form von Gutachten und Stellungnahmen von mehreren unabhängigen Sachverständigengremien beraten. Das wichtigste Beratungsgremium ist der Rat von -»Sachverständigen für Umweltfragen und der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen.

44

BQrgerinititativen Bürgerinitiativen Freiwilliger Zusammenschluß von Bürgern zur Durchsetzung gemeinsamer Interessen im Rahmen des demokratischen Willensbildungsprozesses. Nach Wegfall des Zusammenschlußmotivs löst sich die Initiative in der Regel auf.

Car-sharing

Coase-Theorem

c Car-sharing Beim Car-sharing nutzen mehrere unabhängige Personen aus ökologischen und ökonomischen Gründen gemeinsam auf Mietbasis einen Pkw. Die Vermittlung erfolgt durch eine zentrale Organisation, die nicht in jedem Fall erwerbswirtschaftliche Ziele verfolgt. Die Kosten werden durch eine Grundgebühr und/oder durch eine Kilometerpauschale abgegolten.

CCMS Abk. für Commitee on the Challenges of Modern Society, Umweltausschuß der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft (NATO).

Chemikalien-Gesetz Abk.: ChemG; Zielsetzung: Schutz von Mensch und —»Umwelt vor schädlichen Einwirkungen gefährlicher Stoffe. Das deutsche Chemikaliengesetz ist das Ergebnis der Umsetzung der EG-Richtlinie 79/831/EWG vom 18. 9. 1979. Es schreibt vor, daß Stoffe, die erstmals in den —>Verkehr gebracht werden, vor der Markteinführung nach festgelegten Kriterien auf mögliche Eigenschaften geprüft werden müssen und einer Anmeldepflicht unterliegen. Die Anzahl der vorgeschriebenen Prüfungen richtet sich nach der geplanten Produktionsmenge. Die Grundprüfung muß bei einer Produktionsmenge bis lOOt/Jahr durchgeführt werden und beinhaltet neben der Ermittlung der chemischen und physikalischen Eigenschaften eine Prüfung auf akute Toxizität, auf Hinweise für krebserzeugende und erbgutverändernde Eigenschaften, auf reizende, ätzende Wirkungen, subakute Toxizität sowie Hinweise für andere umweltgefährdende Eigenschaften. Die Stoffe werden bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz angemeldet, die Prüfung der Unterlagen erfolgt dort und bei den Bewer-

tungsstellen, wie z. B. beim -»Umweltbundesamt.

Chlorierte Kohlenwasserstoffe Abk.: CKW; sind chlorhaltige organische Verbindungen. Sie sind in Pflanzenschutzund Schädlingsbekämpfungsmitteln, wie z. B. DDT, Hexachlorcyclohexan und weiteren technischen Lösemitteln enthalten. Sie gehören in den Problemkreis der Chlorchemie. -»Fluorchlorkohlenwasserstoffe

Club of Rome Internationale Vereinigung von Unternehmern, Politikern und Wissenschaftlern aus über 30 Ländern, die Ende des Jahres 1968 von dem Manager Arelio Peccei ins Leben gerufen wurde. Der Club of Rome hat es sich zum Ziel gesetzt, auf der Basis der Analyse der globalen ökologischen, sozialen, politischen und demographischen Entwicklungen, Handlungsempfehlungen für Politik und Wirtschaft zu formulieren. Die populärste Veröffentlichung ist die Untersuchung "Die —»Grenzen des Wachstums" von Dennis Meadows (1972).

Coase-Theorem Begriff aus der Allokationstheorie, vor allem der -»Umwelt- und -»Ressourcenökonomik, der den Ansatz des Ökonomen Ronald Coase zur -»Internalisierung -»externer Effekte mittels einer eindeutigen Zuordnung der Verfügungsrechte an Umweltgütern beschreibt (Verhandlungslösung). Die wesentlichen Aussagen sind: •

Wechselseitigkeit (Reziprozität) externer Effekte: Durch die Einschränkung externer Effekte beim Verursacher, wird dieser in seinen Rechten durch die Aktivität des Geschädigten eingeschränkt und erleidet eine Nutzenein 45

Command and Control Policy büße (externer Effekt). Die Wechselseitigkeit externer Effekte erfordert also eine Berücksichtigung wechselseitiger Nutzenzuwächse und -einbüßen, bei der Beseitigung auftretender Externalitäten. •

Möglichkeit von Verhandlungen zur effizienten Beseitigung von Externalitäten: Unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen (z. B. Rationalverhalten der Wirtschaftssubjekte, wenige Beteiligte, keine Transaktionskosten, keine Einkommenseffekte sowie handelbare Verfügungsrechte) führen Verhandlungen zwischen den beteiligten Wirtschaftssubjekten zu einem optimalen AUokationsergebnis.

In Abhängigkeit der ex ante -Verteilung an den Verfügungsrechten lassen sich zwei Konstellationen unterscheiden: 1.

2.

46

Haftungsregel: Der Geschädigte verfügt über das Nutzungsrecht an der relevanten Ressource und kann dementsprechend vom Schädiger die Unterlassung der entsprechenden Aktivität verlangen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, daß der Schädiger dem Geschädigten die Nutzeneinbußen durch Umweltverschmutzung vergütet. Schädiger und Geschädigter werden solange verhandeln, bis die Grenzzahlungsbereitschaft des Schädigers für vermehrte Umweltnutzung dem Grenznutzenverlust des Geschädigten gerade entspricht. Der externe Effekt wird so vollständig internalisiert und es stellt sich ein paretoeffizienter Zustand ein. Laissez-faire-Regel: Der Schädiger erhält das Verfugungsrecht und kann die Ressource in seinem Sinne nutzen. Der Geschädigte kann die vom Schädiger ausgehenden negativen externen Effekte nur zurückführen, wenn er dem Schädiger eine Entschädigung bezahlt. Auch in diesem Fall läßt sich ein pareto-effizienter Zustand durch Verhandlungen realisieren. Dieser stellt sich genau an dem Punkt ein, wo der Grenznutzenverlust des

Contracting Schädigers durch verminderte Nutzung der Ressource der Grenzzahlungsbereitschaft des Geschädigten für mehr Umweltqualität entspricht. Es zeigt sich, daß unabhängig von der Verteilung der Verfügungsrechte (Indifferenzhypothese) die Verhandlungslösung unter den o. g. Voraussetzungen zu einer effizienten —»Allokation (Effizienzhypothese) führt.

Command and Control Policy Engl. Bezeichnung für eine Politikform, die vorwiegend auf ordnungsrechtlichen Instrumenten basiert. Zu diesen -»Instrumenten zählen im umweltpolitischen Bereich bspw. das Umweltordnungsrecht mit Ge- und Verboten (etwa Ansiedlungsverbote), produkt- und produktionsbezogene -»Auflagen (Inputauflagen, Outputbegrenzung, Technologie- und Produktnormen), etc.

Contracting Die Grundidee des Contracting ist vom Grundsatz her eigentlich kein Novum. Bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts wendeten die Erfinder der Dampfmaschine J. Watt und M. Boulton zur Markeinführung ihrer Erfindung die folgende Strategie an: „Wir werden Ihnen kostenlos eine Dampfmaschine überlassen. Wir werden diese installieren und für fünf Jahre den Kundendienst übernehmen. Wir garantieren Ihnen, daß die Kohle für die Maschine weniger kostet als Sie gegenwärtig an Futter für Ihre Pferde aufwenden müssen, die die gleiche Arbeit tun. Und alles was wir von Ihnen verlangen, ist, daß Sie uns ein Drittel des Geldes geben, das Sie sparen". Contracting - Eine Begriffsbestimmung: Contracting bezeichnet im Grundsatz, daß eine Investition nicht vom Nutzer selbst sondern von einem Dritten, dem sogenannten Contractor durchgeführt wird. Dieser übernimmt von der Planung über die Finanzierung bis hin zur Errichtung und Wartung der Anlage alle sonst vom Nutzer zu tätigenden Aufgaben. Vom Grundsatz her ist das Contracting dem Leasing zwar ähnlich, es geht

Contracting aber darüber hinaus. Gegenstand des Leasing ist lediglich die befristete Überlassung eines Gebrauchsgegenstandes gegen Zahlung von Raten. Im Gegensatz zum Contracting ist dabei die Aufrechterhaltung der Gebrauchseigenschaften z. B. kein eigentlicher Bestandteil des Leasing. Contracting erstreckt sich im allgemeinen auf die vertraglich fixierte Übertragung von Aufgaben der Energiebewirtschaftung auf spezialisierte private Unternehmen. Historische Entwicklung: Der Auslöser für die Suche nach neuen Energienutzungskonzepten war die Ölkrise von 1972. Damals sah man sich gezwungen in Folge der massiv gestiegenen Rohölpreise verstärkt -»Energie einzusparen. Neben der technischen Optimierung von Verfahren wurden zunehmend auch ökonomische Verfahren gesucht. In den USA versuchte man eine kostenseitige Optimierung von Investitionsentscheidungen, die unter dem Namen des sog. „Least-Cost-Planning" bekannt wurden. Eine Verfeinerung dieses Ansatzes ist das „Integrated-RessourcePlanning" (IRP): Die Grundidee liegt darin, daß es sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoller sein kann, vorhandenen Energieeinsparpotentiale zu erschließen, als neue Energieerzeugungskapazitäten aufzubauen. Vor diesem Hintergrund sind die Energieversorgungsunternehmen in 24 Bundesstaaten der USA verpflichtet bei Neu- oder Ausbauten von -»Kraftwerken, spätestens jedoch alle 2 Jahre zu prüfen, ob Investitionen in Energiesparprojekte nicht die wirtschaftlichere Lösung sind. Das Verfahren des IRP ermöglichte erstmals die zweigeteilte Betrachtung von (Energie-) Projekten. Auf der einem Seite die Verfolgung des Marketingziels, die Kundenwünsche bestmöglich zu erfüllen auf der anderen Seite zusätzlich die Finanzierungsfrage in einem neuen Kontext zu betrachten und so die Möglichkeiten der Drittfinanzierung zu nutzen. Aus dieser Entwicklung heraus entstand in den 80er Jahren das Contracting. Dabei wird deutlich, daß der Finanzierungsaspekt beim Contracting nur ein Aspekt in einem sehr

Contracting komplexen Vertragsverhältnis zwischen den Contracting-Partnern ist. Zunächst wurden Contractinglösungen in erster Linie im Bereich von Großanlagen entwickelt und durchgeführt. Die Motivation dafür lag nicht zuletzt in dem eigentlichen Verkaufsinteresse der Anlagenhersteller begründet. Im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb von Heizkraftwerken größerer Leistung wurden dabei häufig Projektgesellschaften gegründet, in denen Hersteller und Nutzer objektbezogen miteinander verbunden waren, der sogenannten Betreibergesellschaft. In zunehmendem Maß werden heute aber auch Objekte mit wesentlich kleineren finanziellen Volumina für das Anlagencontracting erschlossen. Neben der Entstehung neuer Nutzermodelle im Energiebereich gehen mit dem Instrument des Contracting auch der Wandel des unternehmerischen Selbstverständnisses der Energieversorgungsunternehmen einher. Die Energieversorgungsuntemehmen entwickeln sich dabei weg vom typischen Energieversorger hin zum Energiedienstleister. Das oberstes Ziel beim Contracting ist die Verbesserung der Ressourceneffizienz. Daneben haben sowohl Contracting-Nehmer als auch der Contractor Kostenvorteile aus der eingesparten Energie. Die Vorteile für die Nutzer bestehen in der Senkung der Energiekosten durch die kosteneffiziente Durchführung der Energieeinsparmaßnahmen durch das Spezialwissen des Contractors. Daneben kann der Contracting-Nehmer in Abhängigkeit von der Vertragsgestaltung zumindest teilweise das Risiko der Investition auf den Contractor überwälzen. Aus finanzieller Sicht hat eine Contractinglösung aufgrund der Verminderung des Kapitaleinsatzes positive Aspekte. Contractinglösungen stehen in direkter Konkurrenz zu Eigeninvestitionen durch den Nutzer. Da Contracting auch mit zusätzlichen Aufwendungen verbunden ist, muß Contracting aber nicht zwangsläufig die kostengünstigere Lösung sein. Auf Seiten der Nutzer kommen in erster Linie zwei Gründe für die Bevorzugung der Contractinglösung in Betracht:

47

Contracting 1.

2.

Der Nutzer ist nicht bereit in entsprechende Energietechniken zu investieren, da er entweder über keine Investitionsmittel verfugt (z. B. Kreditlinie ausgeschöpft) oder andere Investitionen für ihn entweder lukrativer oder vordringlicher sind (bei Betrieben zum Beispiel die Anschaffung neuer Produktionsanlagen); Der Nutzer wäre zwar prinzipiell bereit in entsprechende Energietechniken zu investieren, der Contractor ist aber in der Lage die Investition zu günstigeren Konditionen für den Nutzer zu realisieren, da er über Spezialisierungs- und Rationalisierungsvorteile verfügt.

Das Konstrukt des Contracting erlaubt es dem Nutzer, sich auf seine eigentlichen Kernkompetenzen zu konzentrieren, in dem er die Energiebereitstellung auf einen Dritten überträgt oder wie es Neudeutsch heißt „Outsourcing" betreibt. Charakteristika des Contracting: Wenn gleich die einzelnen Vertragsverhältnisse bei verschiedenen ContractingProjekten sehr unterschiedlich sein können, so zeigen sie doch einige grundsätzlich Gemeinsamkeiten auf. Das Contracting umfaßt die Bereitstellung von technischen Anlagen in einem Bereich, der nicht in das übliche Geschäftsfeld des Kunden fällt, der Contractor übernimmt die Installation, den Betrieb sowie die Wartung und den Kundendienst. Durch eine möglichst langfristige Bindung der Parteien von mindestens 10 Jahren, ist die kosteneffiziente Energiebereitstellung über einen längeren Zeitraum gesichert. Der Contractor gibt die Garantie des wirtschaftlichen Erfolgs, d. h. er garantiert eine Kosteneinsparung. Häufig beinhalten die

48

Contracting Verträge eine Erfolgsbeteiligung des Contactors. Beratung + Förderanträge

Finanzierung abskhenmg

Planung

\ Contractor ) Organisationskonzept

_

\

.

Betrieteführung, Wartung + Anbgenoptimierung

/ Implementierung

Abb. 1: Umfang des Contracting-Konzeptes, (Quelle: Bemmann, U./Müller, A.).

Ausgestaltungsmöglichkeiten Energiesparcontracting: Beim Energiesparcontracting wird in Techniken zur rationelleren Energienutzung investiert. Die Refinanzierung erfolgt aus den eingesparten Energiekosten. Allerdings werden dabei auch oft Leistungen erbracht, und sind daher kostenmäßig zu berücksichtigen, die nicht der eigentlichen -»Energieeinsparung dienen. Bei der Sanierung einer Beleuchtungsanlage wird z. B. nicht nur Energie eingespart, sondern es werden Lampen, die einen Teil ihrer Lebensdauer bereits hinter sich haben, durch neue ersetzt und daher auch ein Teil der zukünftigen Ersatzinvestitionen vermieden. Besonders zu beachten ist, daß bei dieser Form die bestmögliche Ausschöpfung wirtschaftlicher Energiesparpotentiale im Mittelpunkt steht. Die zu erzielenden Einsparpotentiale werden festgelegt und eine Einspargarantie von Seiten des Contractors wird vertraglich fixiert.

Contracting

Contracting

Abb. 2: Energiesparcontracting (Quelle: Bemmann, U./Müller, A.)

Anlagencontracting: Beim Anlagencontracting bezieht sich das Contracting auf die Errichtung einer Anlage zur Energieumwandlung (Heizungskessel, Block-Heizkraft-Werk etc.). Die Refinanzierung erfolgt hier über den Verkauf von Nutzenergie, in der Regel verbunden mit Effizienzverbesserungen bei der Energieumwandlung. Liefert der Contractor dem Nutzer Wärmeenergie und finanziert seine Investition über diesen Verkauf, so wird auch von

einem „Nutzwärme-" oder „Wärmelieferservice" gesprochen. Zusammengefaßt bedeutet es, daß das Anlagencontracting im Gegensatz zum Energiesparcontracting eine reine Energielieferdienstleistung darstellt. Die Konzentration liegt hier auf der Energiebereitstellung und Verteilung. Die Art der Energienutzung beim Endverbraucher ist nicht Vertragsgegenstand und somit auch nicht Umfang der Effizienzverbesserung.

Abb. 3: Anlagencontracting (Quelle: Bemmann, U./Müller, A.)

49

Contracting

Contracting

Der Reichweite und dem Umfang des Contracting sind im Prinzip keine Grenzen gesetzt. Entsprechend den —Bedürfnissen des Contracting-Nehmers können auch andere Formen gewählt werden: •

Finanzierungs-Contracting: dabei übernimmt der Contractor die Finanzierung der Sanierung, etc;



Betreibergesellschaft: der Objekteigentümer und Contractor bilden fur das Projekt eine Gesellschaft;



Voll-Contracting: das Contracting umfaßt auch andere Bereiche wie Wasser, -»Abwasser, -•Abfall oder -»Kommunikation, Contracting im Sinne eines umfassenden Ressourcenmanagements.

Rechtliche Rahmenbedingungen: Zwei zentrale gesetzliche Pfeiler prägen das bundesrepublikanische Energierecht, das Energiewirtschafts- (EnWG) und das Energieeinsparungsgesetz (EnEG). Sie sind damit rahmensetzend fur das Contracting. Daneben sind noch verschiedene gesetzliche Regelungen, etwa das Stromeinspeisungsgesetz oder das Gesetz zur Einfuhrung der Ökologischen Steuerreform sowie diverse Technische Richtlinien für den Betrieb von Anlagen für den Contractor von Bedeutung. Darüber hinaus sind bilanz-, Steuer- und eventuell haushaltsrechtliche Vorgaben einzuhalten und entsprechend bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen.

Finanzierung Kreditfinanzierung: Mittlerweile haben die Kreditinstitute das nicht unerhebliche Marktpotential des Contracting erkannt, so daß speziell auf die Kunden zugeschnittene Angebote gemacht werden. Das verlangt den Banken allerdings ein großes Maß an Spezialkompetenzen in der betreffenden Materie ab. Allgemein standardisierte Finanzierungsmodelle sind nicht möglich, zu einzigartig sind die Belange der Contracting-Partner. Diese individuellen Ausgestaltungsmöglichkeiten sind ja ein Vorteil des Contracting. Nicht zuletzt deshalb ist es von fundamentaler Bedeutung, die relevanten Transaktionspartner und entsprechenden Transaktionsstrukturen genau vertraglich zu fixieren. Für die Kreditvergabe von zentraler Bedeutung sind die durch das Contracting veränderten Risikostrukturen. Es ist nicht ausreichend lediglich die Finanzkräftigkeit des Contracting-Nehmers in Erfahrung zubringen. Bonitätsrisiken gehen in hohem Maß auch von den vom Contractor kalkulierten Betriebsrisiken und seiner Sachkompetenz aus. Zudem sind die allgemeinen Marktrisiken aufgrund variierender Energiepreise oder Steuern für die Kreditfinanzierung ein nicht zu vernachlässigendes Moment. Finanzierungshilfen: Neben der Finanzierung über den Kapitalmarkt stehen für das Contracting verschiedene -»Förderprogramme zur Verfugung. An dieser Stelle werden drei Programme exemplarisch angesprochen. Allen gemeinsam ist, daß der Subventionsvorteil aus den vergünstigten Zinssätzen immer dem ContractingNehmer zufällt.

1. Umweltprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau: Finanzierungsanteil: bei Vorhaben von Unternehmen mit einem Jahresumsatz (einschließlich verbundene Unternehmen) unter DM 100 Mio. bis zu 75% des Investitionsbetrages; bei einem Jahresumsatz von DM 100 Mio. und darüber bis zu 67% des Investitionsbetrages; in der Regel max. DM 10 Mio.: Zinssatz:

50

z. Zt. 5,00% p. a., fest für 10 Jahre bzw. z. Zt. 6,45% p. a., fest für 20 Jahre; weitere Zinsfestschreibungsvarianten (z. B. auch für endfällige Darlehen) möglich; Bereitstellungsprovision 0,25% p. M. ab 30. Tag nach Zusage;

Contracting Auszahlung: Laufzeit:

Tilgung:

Contracting 96%; bis zu 10 Jahre, incl. max. 2 Tilgungsfreijahre bzw. bei Bauvorhaben bis zu 20 Jahre, incl. max. 3 Tilgungsfreijahre (die Finanzierungsdauer richtet sich in der Regel nach der Abschreibungszeit der Investitionsgüter); linear in Halbjahresraten.

2. Umweltprogramm der Deutschen Ausgleichsbank: Finanzierungsanteil: bis zu 75% des Investitionsbetrages, i. d. R. max. DM 10 Mio.; (in Verbindung mit ERP-Darlehen und ->KMU bis zu 100%); Zinssatz: z. Zt. 5,25% p. a., fest für die gesamte Laufzeit bzw. z. Zt. 5,50% p. a., fest für die ersten 10 Jahre; neuerdings weitere Zinsfestschreibungsvarianten (z. B. auch endfällig für 15 Jahre) möglich Bereitstellungsprovision 0,25% p. M. ab Ultimo des auf die Zusage folgenden Monats; Auszahlung: 96%; Laufzeit:. 2 Tilgungsfreijahre bzw. bei Bauvorhaben bis zu 20 Jahre, incl. max. 3 Tilgungsfreijahre die Finanzierungsdauer richtet sich in der Regel nach der Abschreibungszeit der Investitionsgüter); Tilgung: linear in Halbjahresraten. 3.

ERP-Umwelt- und Energiesparprogramm:

Antragsberechtigte: Finanzierungsanteil Zinssatz: Auszahlung: Laufzeit: Tilgung:

private Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft bis zu einem Gruppenumsatz von DM 500 Mio. p. a. (Ausnahmen); bis max. 50% der förderbaren Investitionssumme, in der Regel max. DM 1 Mio. (Ausnahmen mit deutlicher Überschreitung); z. Zt. 5,25% p. a., fest für 10 Jahre (alte Bundesländer); keine Bereitstellungsprovision; 100%; 10 Jahre, bei Bauvorhaben 15 Jahre, davon max. jeweils 2 Jahre tilgungsfrei (alte Bundesländer); linear in Halbjahresraten.

Contracting in der Praxis Mittlerweile gibt es viele erfolgreiche Beispiele des Contracting unterschiedlicher Größenordnung in der Praxis. Die nachfolgenden zwei Beispiele sind lediglich ein kleiner Ausschnitt. 1.

Beleuchtungscontracting einer Schule, Katlenburg-Lindau: Bei diesem Projekt plante, finanzierte und realisierte der Contractor die gesamte lichttechnische Anlage. Die Aufgaben des Contractors erstreckten sich dabei auf die Erstellung eines Energieberichts (u. a. Lichtberechnungen) und der Ausarbeitung eines Sanierungskon-

zepts. Darüber hinaus organisiert der Contractor die -»Beschaffung und Finanzierung der Leuchten und Leuchtmittel, die Demontage und -»Entsorgung der vorhandenen Leuchten und Leuchtmittel sowie den Einbau und Anschluß der neuen Leuchten einschließlich der erforderlichen Leuchtmittel. Zukünftig stellt der Contractor neue Leuchtmittel als Ersatz für defekte über die gesamte Vertragslaufzeit zur Verfügung. Das Ergebnis: Die neuen Einbauleuchten wurden in die vorhandene Decken-

51

critical loads/levels konstruktion eingepaßt. Sie erfüllen die heutigen Anforderungen an gute Sehbedingungen. Bei gleicher Nutzungsdauer wird eine Energie- und Kostenersparnis erzielt, die dazu fuhrt, daß die Jahresinvestitionskosten durch die ersparten Stromkosten nahezu abgedeckt sind. Die jährlichen Einsparungen liegen bei ca. 23.670 kWh Strom. Damit ist eine Reduzierung der C0 2 Belastung um ca. 14,4 t pro Jahr verbunden. 2.

Phoenix AG, Hamburg: Bei der Phoenix AG einem fuhrenden Hersteller für Sicherheitstechnik und Rauchmeldeeinrichtungen wurde ein umfassendes Contractingkonzept in Form eines Anlagencontracting durchgeführt. Phoenix schloß mit dem Contractor einen Vertrag mit einer zehnjährigen Laufzeit, in dem festgeschrieben ist, daß für diesen Zeitraum Nutzenergie in Form von Strom, -»Wärme (Dampf), Druckluft sowie Brauch- und Preßwasser geliefert bzw. abgenommen wird. Zur Bereitstellung pachtete der Contractor im Gegenzug die Gebäude der Nutzenergieerzeugung von Phoenix. Zusätzlich wurden das gesamte in der Energieerzeugung beschäftigte Personal übernommen. Außerhalb der Energieerzeugung stellt der Contractor sicher, daß produktionsrelevanten -»Bedürfnisse in bezug auf die Verfügbarkeit von Energien. Die jährlichen Einsparungen im Bereich Druckluftbereitstellung liegen bei rund 10% oder 500.000 kWh. Dem gegenüber steht ein jährlicher Kapital-

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critical loads/levels dienst von ca. 7.000 DM j e Jahr bei prozentiger Verzinsung und einer Laufzeit von 5 Jahren. Eine lohnende Investition, selbst wenn man zukünftig von sinkenden Energiepreisen ausgeht. Bei der Kühlleistungsbereitstellung konnten mit Hilfe des Contracting ähnlich positive Aspekte erzielt werden. Durch die Erneuerung der Kühlanlage durch den Contractor können im Vergleich zur alten Anlage jährlich kalkulatorische Kosten in Höhe von 33.500 DM eingespart werden. Weiterführende Literatur: v. Braunmühl, W.: Handbuch Contracting, Düsseldorf 1997; Bemmann, UJ Müller, A. (Hrsg.): Contracting Handbuch 2000, Köln 2000; Energieagentur NRW (Hrsg.): Energie Steuern. Handbuch zu effizienteren Elektrizitätsverwendung, Wuppertal 1999; Energie & Management, Technomar GmbH (Hrsg.): Jahrbuch Energie-Contracting. Erfahrungen. Trends. Markt. Unternehmensportraits, Herrsching 1998; Maier, K. H. (Hrsg.): Der Energie-Berater. Handbuch für wirtschaftliche und umweltgerechte Energienutzung, Loseblattwerk, Köln o. J. Dipl.-Oec.

V. Diffenhard

critical loads/levels (engl.) Belastungsgrenze(n), kritisches Niveau. Schwellenwerte, die nicht überschritten werden dürfen. Critical loads/levels können mittels chemisch-physikalischer Reaktionen ermittelt werden. Auf Basis der critical loads/levels können -»Umweltqualitätsziele definiert werden. - » E C E

Dauerhaftigkeit

Deregulierung

D Dauerhaftigkeit -»Sustainable Development

Debt-for-Nature-Swaps Vereinbarung zwischen Entwicklungs- und Industrieländern bei der die Industrieländer den Entwicklungsländern ihre Auslandsschulden erlassen, sofern sich im Gegenzug die Entwicklungsländer zur Durchfuhrung von Umweltschutzmaßnahmen verpflichten (z. B. Abholzungsverbot für Regenwälder).

Deponie ist ein Ort für die geordnete und beaufsichtigte Ablagerung von Abfällen. Nach Art und Gefährdungspotential der zu deponierenden Abfälle unterscheidet man Hausmüll-, Bauschutt, Inert- und Sondermülldeponien. Die -»TA Abfall und -»TA Siedlungsabfall regeln u. a. die Anforderungen an die technische Ausstattung von Deponien. Die TA Siedlungsabfall bspw. schreibt eine Basisabdichtung, die das Eindringen von Schadstoffen in das -»Grundwasser verhindern soll, als auch eine Sickerwassererfassung für Hausmülldeponien vor.

Deponiegas entsteht bei der mikrobiellen Zersetzung organischer Abfälle in -»Deponien. Es besteht zu 55% aus brennbarem und explosionsgefährlichem Methangas und zu 45% aus nicht brennbarem Kohlendioxid sowie geringen Konzentrationen Schwefelwasserstoff. Deponiegas wird nach dem neusten —»Stand der Technik abgesaugt und abgefackelt (-»Abfackeln). Es stellt ein Problem bei der Rekultivierung von Deponien dar, da es im Wurzelbereich von Pflanzen den Sauerstoff verdrängt.

Deregulierung 1. Einleitung Unter Deregulierung versteht man die Lockerung, Umgestaltung bzw. Aufhebung von Regulierung. Demnach ist es zur Erschließung der Problematik notwendig, sich kurz mit dem Wesen der Regulierung zu befassen. Staatliche Regulierung der Wirtschaft ist ein vielschichtiger Begriff, da er zur Beschreibung verschiedener Sachverhalte genutzt wird. Im weitesten Sinn versteht man darunter alle Maßnahmen, die darauf zielen, den ordnungspolitischen Rahmen für die wirtschaftliche Tätigkeit abzustecken. Es geht also um die „Spielregeln" einer Volkswirtschaft. Insofern existieren keine Bereiche der Wirtschaft, die nicht auf irgendeine Weise reguliert sind. Allerdings gibt es einige Branchen, in denen dies traditionell mit großer Intensität getan wurde bzw. wird. Dazu gehören z. B. der Verkehrssektor, die Telekommunikation, die Stromversorgung, die Kredit- und Versicherungswirtschaft, das Handwerk und der Arbeits- und Gesundheitsmarkt. Wenn von Deregulierung die Rede ist, wird darunter im allgemeinen der Abbau unnötiger Regulierung verstanden. Eine vernünftige Definition, was nötig und unnötig sei, läßt sich kaum geben. Hier spielen die individuellen ordnungspolitischen Grundeinstellungen eine maßgebliche Rolle, die wiederum geprägt sind durch das gesellschaftspolitische Weltbild eines jeden. Konsens besteht aber soweit, daß Regulierung ein Instrument zur Sicherung effektiven Wettbewerbs sein soll. Dort, wo Wettbewerb zu keinen zufriedenstellenden Ergebnissen fuhrt, soll er durch alternative Koordinationsmechanismen ersetzt werden. Doch auch diese Formulierung ist nicht wirklich tragfahig. Was sind zufriedenstellende Wettbewerbsergebnisse und wann ist Wettbewerb effektiv? (siehe Gründe für Regulierung)

53

Deregulierung

Deregulierung

In der Praxis der Deregulierungsdiskussion

Der Markt bringt Angebot und Nachfrage

geht es weniger um derart

zusammen.

grundsätzliche

Die

Koordinationsaufgabe

Fragen. V i e l m e h r werden bestehende Regu-

übernimmt der Preis. D i e Produktionsfakto-

lierungen hinterfragt und a u f Zweckmäßig-

ren werden so der effizientesten und nütz-

keit geprüft. Im Visier sind vor allem jene

lichsten Verwendung zugeführt. Der Anpas-

Vorschriften, die ausschließlich die Hand-

sungsdruck sorgt permanent für Fortschritt

lungsspielräume bestimmter Gruppen beein-

und Entwicklung. Wettbewerb gewährleistet

trächtigen oder durch Tatbestände begründet

Konsumentensouveränität durch die

wurden, die heute nicht mehr in dem Maß

rung des Angebots nach den Präferenzen der

relevant sind.

Konsumenten.

E r verhindert

Steue-

Abhängigkei-

ten. Regulierung kann ansetzen an: Diese Mechanismen können durch vielfältige •

dem Gewinn;



den

Einflüsse

Fusions-

und

Kooperationsmög-

in

ihrer

Wirkungsweise

beein-

trächtigt werden. Im Prinzip handelt es sich

lichkeiten;

dabei um die Abweichungen vom Modell des



den Konditionen;

vollkommenen



den Kontrahierungsbedingungen;



den Kosten;



den Preisen;



der Qualität.

Realität



Daran wird deutlich, daß bei hoher Regulieauch

innerhalb

werblichen

Wirtschaftsordnung

triebswirtschaftliche

einer

Spielraum

die

man

kann.

in

der

Wesentliche

Merkmale eines idealtypischen Marktes sind: •

rungsdichte

Marktes,

beobachten

wettbeder

be-

auf

ein

hohe Transparenz; keine Abhängigkeiten

von

Anbietern

und Nachfragern; •

keine externen Effekte, die nicht internalisiert werden;



schnelle

Anpassung

an

veränderte

Marktlage;

Minimum beschränkt werden kann. •

vernachlässigbare Transaktionskosten.

2. Gründe für Regulierung D i e Gründe für Regulierung erschließen sich

In der Realität hingegen wirken

a u f zwei verschiedenen W e g e n . Man kann

Einflußgrößen der Modellwelt entgegen:

folgende

sich in Tradition der normativen Theorie an das T h e m a nähern oder die Problematik aus



der positiven Sicht betrachten. Sinnvoll ist



Informationsdefizite,

eine Kombination beider



Marktmacht,

Soll-Ist-



natürliches Monopol,

V e r g l e i c h nahe und wird der Komplexität



öffentliche Güter,



opportunistisches Verhalten,



Transaktionskosten.

Herangehenswei-

sen. D a s Ergebnis kommt einem des T h e m a s eher gerecht. 3. Normative Sicht Beschäftigt

man

Zusammenhängen

sich einer

mit auf

ökonomischen Wettbewerb

beruhenden Wirtschaftsordnung, kommt man an einem wichtigen Leitsatz nicht vorbei: D e r W e g ist das Ziel. Nicht nur die Marktergebnisse sondern auch ihr Zustandekommen ist Gegenstand des Interesses. E s ist sogar das entscheidende Element für die Effizienz einer Volkswirtschaft. Regulierung soll den R a h m e n bilden, der die optimale —»Allokation der - » R e s s o u r c e n gewährleistet.

externe Effekte,

Jede Differenz zwischen Modell und Realität generell als Regulierungsgrund

anzusehen,

geht sicher zu weit. Dennoch bilden sie eine sinnvolle B a s i s für staatliche Systematisiert

man

nach

erfüllt Regulierung genau

der

Intervention. Motivation,

entgegengesetzte

Zwecke: Z u m einen soll der Ordnungsrahmen die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs sichern

oder

gar

erst

ermöglichen.

andern sind einige Marktergebnisse

Zum gesell-

schaftlich nicht erwünscht. Hier soll Regulierung dem Wettbewerb eine Richtung geben oder ihn beschränken.

54

Deregulierung 4. Regulierung zur Sicherung des Wettbewerbes Das Vorhandensein von Wettbewerb ist eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung für zufriedenstellende Marktergebnisse. Es sind gestalterische Eingriffe sinnvoll, um die Effizienz des Wettbewerbs zu wahren. Dazu gehören Maßnahmen, die die Markttransparenz erhöhen und damit die Informationsdefizite und auch Transaktionskosten senken, (bspw. Informationsbereitstellung durch Industrie- und Handelskammern). Ein weiteres, entscheidendes Feld der Regulierung ist der Umgang mit Marktmacht. Die staatliche Aufsicht muß sicherstellen, daß diese Macht zum einen rechtmäßig (sprich durch die Leistungen des Unternehmens) erlangt wurde und zum anderen nicht mißbraucht wird. Das Augenmerk liegt also auf Fusionen und Kartellen, die die Bildung von Marktmacht fördern. Mißbrauchsaufsicht ist eine sehr komplexe Aufgabe. Es erfordert Kenntnis über das gesunde Maß an Wettbewerb, Marktanteil oder Größe der Teilnehmer - und das ist schwer zu realisieren. Eine Reihe von Fragen sind zu beantworten, will man zu einer Beurteilung des Wettbewerbsgeschehens kommen: a)

Was ist effektiver Wettbewerb? Wettbewerb ist ein dynamischer Prozeß von Aktion und Reaktion mit offenem Ergebnis. Marktunvollkommenheiten sind ein Teil dieses Prozesses. Die Schwierigkeit besteht darin, die notwendigen von den unerwünschten Marktunvollkommenheiten zu unterscheiden.

b)

Welche Marktstruktur liegt vor? Entscheidend sind vor allem die Zahl der Spieler und ihr Marktanteil. Wem gehören die Unternehmen und wer kontrolliert sie? Darüber hinaus muß man die Marktzutrittsschranken und die Markttransparenz betrachten sowie die Marktphase beurteilen.

c)

Wie sieht das typische Marktverhalten der Unternehmen aus und wie stellt sich das Ergebnis aus Sicht der Konsumenten dar?

Deregulierung Hier sind die Strategien der Unternehmen in Hinblick auf Preise, Konditionen und Dienstleistungen zu analysieren, sowie die Quantität und Qualität der Produkte zu vergleichen. Wie sieht ihre Risikoneigung und Innovationsbereitschaft aus? Wie hoch ist die Marktversorgung, der Werbeaufwand etc.? Viele dieser Kriterien sind sehr weich und entziehen sich daher einer objektiven Beurteilung. d)

Welcher ist überhaupt der relevante Markt? Zur Beantwortung dieser Frage muß man eine zeitliche, räumliche und sachliche Dimension unterscheiden. Zu prüfen ist damit, inwieweit die Produkte homogen und damit leicht substituierbar sind. Die räumliche Abgrenzung des relevanten Marktes wird mit wachsender ->Globalisierung immer schwerer. Beim zeitlichen Aspekt ist zu beachten, ob es sich vorrangig um kurzfristigen Börsenhandel oder um langfristige Kontrakte handelt.

e)

Was ist die angemessene Größe für ein Unternehmen? Soweit diese Frage überhaupt zu beantworten ist, muß man die technischen und ökonomischen Faktoren berücksichtigen. Sie werden bestimmt durch die ökonomisch sinnvolle Mindestgröße der Produktionskapazitäten. Zum andern durch die Breite der Produktdiversifikation und die Finanzkraft der Unternehmen. Daran an schließt sich die Frage:

f)

Was bewegt Unternehmen zur Fusion? Hier stehen an erster Stelle die „economies of Scale" (Vorteile aus der Größe) „economies of scope" (Vorteile aus dem Verbund von Leistungen), die auch durch externes Wachstum verbessert werden können. Neben der Erschließung (geographisch) neuer Märkte kann auch die Erweiterung der Produktpalette der Auslöser für Überlegungen zum Wachstum durch Zusammenschluß sein. Natürlich kann auch die Sicherung bestehender Marktanteile eine Motivation sein. Die 55

Deregulierung

Richtung der Zusammenschlüsse ist sowohl horizontal, vertikal oder diagonal möglich. g)

Es liegt im Wesen des Wettbewerbs, daß die Marktteilnehmer versuchen werden, ihn auszuschalten. Die Überwachung des Wettbewerbsgeschehens ist eine Daueraufgabe.

5.

Regulierung zur Einschränkung von Wettbewerb Wie bereits erwähnt, wird der Marktmechanismus vor allem aus zwei Gründen eingeschränkt: Man ist mit dem Ergebnis nicht zufrieden oder seine Funktionsfähigkeit ist „systembedingt" nicht gegeben. Die Einschränkung des Wettbewerbs zur Durchsetzung politischer Ziele hat eine lange Tradition. Eingriffe solcher Art sind sowohl temporär als auch dauerhaft angelegt. Sie sind in ihrer Eingriffsintensität nahezu beliebig zu gestalten. Beispiele sind alle Formen von: • • • • •

Errichtung von Marktzutrittsschranken (z. B. Handwerksordnung); Kontrahierungszwang (Einspeisegesetz); Preisaufsicht (z. B. Tarifordnung bei Elektrizität); Qualitätskriterien (z. B. Reinheitsgebot beim Bier); Subventionen (z. B. Markteinfuhrungshilfen, —•Förderprogramme, Beihilfen) usw.

Die Ziele derartiger Maßnahmen decken das gesamte politische Aufgabenspektrum ab, so daß ein näheres Eingehen an dieser Stelle zu weit führen würde. Neben der eher aus der Tagespolitik resultierenden Motivation für Wettbewerbsbeschränkungen gibt es Regulierungsgründe, die in der Charakteristik von Märkten liegen. Das Vorhandensein öffentlicher Güter (mit Einschränkungen) meritorischer Güter, natürlicher Monopole und externer Effekte fuhrt unter Wettbewerbsbedingungen zu unerwünschten Ergebnissen. Man spricht hier von Marktversagen.

56

Deregulierung

Öffentliche Güter werden nicht vom Markt zur Verfügung gestellt, da niemand von ihrer Nutzung ausgeschlossen werden kann und keine Knappheiten auftreten, da ihr Konsum nicht rivalisiert. Bekannteste Beispiele sind die Landesverteidigung oder Umweltnutzung. Ein schwerwiegendes Problem der Umweltnutzung ist das Auftreten (negativer) externer Effekte, die nicht automatisch internalisiert werden. Problematisch ist dieser Aspekt besonders, weil eine konsequente Zuordnung nach dem -Werursacherprinzip nicht immer möglich ist und vor allem politisch nicht durchsetzbar scheint. Im internationalen Standortwettbewerb soll die Wirtschaft nicht „zusätzlich" belastet werden. Die externen Kosten trägt daher häufig die Allgemeinheit bzw. die nächsten Generationen. Meritorische Güter können zwar vom Markt bereitgestellt werden, man geht aber davon aus, daß dies nicht im ausreichenden (sprich gesellschaftlich gewünschten) Umfang geschieht. Der Grund liegt in den „verzerrten" Präferenzen, die für diese Güter am Markt geäußert werden. Beispiele sind Bildung, Kultur, Gesundheits- und Altersvorsorge etc. Auch der Fall des natürlichen Monopols erfordert Regulierung. Bei natürlichen Monopolen ist es volkswirtschaftlich sinnvoller, wenn sich nur ein Anbieter engagiert. Das betrifft zum Beispiel Versorgungsleitungen von Telekommunikation und -»Energie oder auch Verkehrswege. 6. Positive Sicht Dieser Ansatz ist Forschungsgegenstand der Neuen Politischen Ökonomie. Die positive Theorie versucht, die Zusammenhänge auf Basis der realen Gegebenheiten zu erklären. Diese Herangehensweise fuhrt den Betrachter in die angrenzenden Wissenschaftsbereiche der Politologie und Soziologie. Aus positiver Sicht läßt sich Regulierung als interessengeleitete Nachfrage nach staatlichem Handeln interpretieren. Die Akteure lassen sich zu -•Interessengruppen zusammenfassen, die unterschiedliche Organisationsgrade aufweisen. Ihr Ziel

Deregulierung

ist es, bei den politischen Entscheidungsträgern Interventionen zu ihren Gunsten durchzusetzen. Das Spektrum derartiger Gruppen ist denkbar breit. Es reicht von politischen Parteien, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden über Branchen- und Berufsverbände, religiöse Vereinigungen bis zu Sportvereinen. Wenn auch nicht unmittelbar, so kann man doch mittelbar bei den meisten dieser Vereinigungen Interessen unterstellen, die die Gestaltung der Wirtschaftspolitik tangieren. Um als Interessengruppe eingestuft zu werden, bedarf es prinzipiell keiner formalen Organisation. Es genügen gemeinsame Ziele, Einstellungen oder Forderungen (beispielsweise von Regionen oder Bevölkerungsschichten). Es kann aber davon ausgegangen werden, daß gut organisierte Gruppen größere Chancen zur Durchsetzung ihrer Forderungen haben. Die Politikwissenschaft hat wesentlich zur genaueren Analyse von Gruppenprozessen beigetragen (Pluralismus- und Systemtheorie, Konflikttheorie). Die Grundthese ist, daß über die Rivalität der Gruppeninteressen ein Ausgleich stattfindet, der letztlich das Wohl der Allgemeinheit über das des Einzelnen stellt. Begründet wird dies mit der Annahme, daß die Größe und damit Stärke einer Gruppe wesentlich über ihre Mitgliederzahl definiert wird und dadurch Einzelinteressen nicht durchsetzbar sind. Natürlich werden von den politischen Entscheidungsträgern auch Maßnahmen durchgesetzt, die nicht explizit gefordert werden. Insgesamt wird aber davon ausgegangen, daß politisches Handeln ein Ergebnis sozialen Gruppendrucks ist. Der (sehr demokratische) Gedanke, daß das Individuum über die Organisation eine Stimme erhält, muß allerdings etwas relativiert werden. Zwei wichtige Gründe können dies einschränken. Es gibt Gruppen, die nicht organisationsfähig und/oder konfliktfähig sind. Von mangelnder Organisationsfähigkeit spricht man, wenn die Gruppen sehr heterogen sind (z. B. Frauen, Arbeitnehmer). Gesellschaftliche Ziele von Allgemeininteresse sind demnach kaum durchsetzbar. Als Ausnahme können eventuell Verbraucherorganisationen angesehen werden. Organisationsfähigkeit wiederum reicht mitunter für

Deregulierung

die Durchsetzbarkeit von Interessen nicht aus. Die Interessengruppen müssen konfliktfähig sein. Mit anderen Worten, sie müssen in der Lage sein, ihren Forderungen Gewicht zu verleihen durch Androhung oder Einsatz von Sanktionen. Dazu sind beispielsweise Arbeitslose, Hausfrauen, Rentner oder auch Studenten kaum in der Lage. Es bildet sich keine Lobby. Es bleibt diesen schwer zu organisierenden Gruppen, bzw. Individuen aber dennoch ein gewichtiges Disziplinierungsinstrument - der Stimmzettel. Letztlich ist auch die Gruppe der politischen Entscheidungsträger vom Eigeninteresse geleitet. Hier geht es vor allem um die Sicherung der Macht, die in der Demokratie über Wahlen legitimiert wird. Diese Zusammenhänge lassen Raum für widersprüchliche Erscheinungen, die politische Prozesse in der Praxis hervorbringen können. Sie sind es vor allem, die den Deregulierungsbedarf ausmachen. Stützt man sich bei der Erklärung von Regulierung auf diese positive Sichtweise, bedeutet das in der Konsequenz, daß Deregulierungsbestrebungen so lange zum Scheitern verurteilt sind, wie die relevanten Gruppen nicht für sie eintreten oder sie explizit fordern. Die Deregulierung in den Bereichen —»Verkehr, Telekommunikation und Energie, die in den letzten Jahren vorgenommen wurde, war im Prinzip nur möglich, weil sie von der Europäischen Kommission - als einem von Wählerstimmen relativ unabhängigen Gremium initiiert und vorangebracht wurden. Auf andere Weise läßt sich diese Entwicklung nicht schlüssig erklären. 7. Gründe und Ziele für Deregulierung In der Auseinandersetzung mit Deregulierung - aus normativer Sicht - gelangt man unausweichlich zu grundsätzlichen Fragen der Gesellschaft und ihrer Vorstellung von der -»Organisation des menschlicher Zusammenlebens. Wo liegen die Grenzen der individuellen Freiheit? Was ist gesellschaftlich gewünscht? Wovor und wie weitgehend ist das Individuum zu schützen? Wie weit soll der Staat selbst als Marktteilnehmer auftreten? Der Diskurs darüber ist so alt wie die Fragen selbst. Man kann daher nicht auf ihre endgültige Beantwortung warten. Man

57

Deregulierung

muß es auch nicht. Die entscheidende Frage stellt sich etwas anders: Problematisch und daher schon immer umstritten ist die Instrumentalisierung des Wettbewerbs für sozialpolitische Ziele. Nicht die Tatsache, daß diese Ziele Grundlage einer Regulierung sind, sondern ihre nicht sachgerechte Umsetzung verdient häufig Kritik. Es geht also nicht unbedingt um das „ob", vielmehr um das „wie". Bei der Erklärung dieser Entwicklung gelangt man schnell zurück zur positiven Sichtweise der Problematik. Unbedingt notwendig, wenn auch in der Praxis nur in enttäuschendem Maß vorgenommen ist die Trennung von Markt- und Politikversagen. Die dem Wettbewerb zugeschriebenen unerwünschten Nebenwirkungen müssen auch tatsächlich aus der unzulänglichen Wirkungsweise des Marktmechanismus resultieren. Sie sind nicht zu verwechseln mit Verwerfungen durch schlechte Regulierung. So kennt der Wettbewerb beispielsweise keine ethischen Werte, durch die quasi automatisch die Belange des Umweltschutzes in der Energiewirtschaft berücksichtigt werden. Wenn die Förderung regenerativer -•Energieträger politisch wirklich gewünscht wird, muß entsprechend lenkend eingegriffen werden. Es stehen dazu verschiedene —»Instrumente zur Verfügung. Wenn man sie nicht oder nur halbherzig nutzt oder gar die falschen einsetzt, hat das nichts mit Versagen des Wettbewerbes zu tun. Besonders schwerwiegend ist die Entwicklung, wenn die auf Fehlregulierung basierenden Entwicklungen mit weitergehender Reglementierung ausgeglichen werden sollen. Daß dies in der Realität durchaus regelmäßig geschieht, ist - aus positiver Sicht - nicht überraschend. Die politischen Entscheidungsträger sind zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen (Wiederwahl) gezwungen, verschiedenen Gruppen gegenüber Zugeständnisse zu machen. Ergebnis ist häufig Multiregulierung. Politische Ziele werden dann durch mehrere, zum Teil widersprüchliche Maßnahmen zu erreichen versucht. Die Regierung verpflichtet sich beispielsweise zur Erreichung bestimmter Klimaschutzziele. Zu diesem Zweck soll die CC>2-Belastung durch geeignete Maßnahmen

58

Deregulierung

reduziert werden (Ökosteuer, Förderung regenerativer Energieträger etc.) Gleichzeitig wird aber der Kohlebergbau stark subventioniert. Aus Sicht der Regierung ist dies durchaus rational. Sie sichert sich dadurch die Zustimmung beider Lager. Eigentlich sollte nicht Deregulierung sondern Regulierung als freiheitseinschränkende Maßnahme begründet werden müssen, denn Wettbewerb ist ein Wert an sich. Tatsächlich ist es aber eher umgekehrt. Regulierungen sind sehr stabil. Einmal implementiert, ist ihr Abbau unwahrscheinlich. Zwar können die Gründe für die staatlichen Eingriffe inzwischen entfallen oder zumindest schwächer geworden sein. (Natürlich kommt es auch vor, daß es nie vernünftige Gründe gegeben hat). Dennoch gibt es massive Widerstände, wenn es um den Rückbau dieser Regelungen geht. Die durch die Regulierung geschützten Verhältnisse werden nicht kampflos aufgegeben. Besitzstandswahrung ist das Ziel der Interessengruppen. Heute dominiert ein Argument die gesamte wirtschaftspolitische Diskussion: Schaffung und Erhalt von Arbeitsplätzen. Dieses Argument wird bei jeder Gelegenheit angeführt. Für die Vernichtung von Arbeitsplätzen möchte kein - von Wählerstimmen abhängiger - Politiker verantwortlich sein. Tatsächlich gehen mit der Deregulierung häufig Arbeitsplätze verloren. Der Wettbewerb legt Effizienzpotentiale offen. Die Rechnung ist aber nur vollständig, wenn man die dann (mit Zeitverzug) neu entstehenden Arbeitsplätze dagegenstellt. Berücksichtigt werden muß auch der langfristige Schaden, der durch die Blockade des —»Strukturwandels entsteht. Diese Zementierung von Strukturen birgt große Gefahr für eine Volkswirtschaft. Sie ist eine wichtige Begründung für Deregulierung. Zur Zeit hat die Deregulierungsdebatte wieder Aktualität. In Europa und auch der Bundesrepublik wurden die Telekommunikation und die -»Energieversorgung für den Wettbewerb geöffnet. Post und Eisenbahn werden schrittweise reformiert. Ausschlaggebend für diese Entwicklung ist vor allem der internationale Trend zur Deregulierung.

Deregulierung

Deregulierung

In Deutschland nahm die Regulierungsdichte

8. Gegenstand der Deregulierung am

über die Jahre ständig zu. Notwendige R e -

spiel Energie

formen konnten nicht realisiert werden. Erst

Aktuellster Fall

internationale, vor allem europäische Dere-

Marktöffnung

gulierungsbestrebungen

diesem

Handlungsdruck. sich

steigerten

Diese Entwicklung

mit den Erkenntnissen

der

den deckt

für Deregulierung

in der

Beispiel

soll

Bei-

ist die

Stromwirtschaft. ein

wichtiger

An

Punkt

verdeutlicht werden:

positiven

Theorie. Gut organisierte, potente Gruppen

Lockert

verhindern Reformen, die zu ihren

Lasten

Wirtschaftsbereich, hat dies nachhaltige, weit

gehen. E i n e Auflösung des Konfliktes wird

über diesen Sektor hinausgehende Wirkun-

häufig durch die Verlagerung der Entschei-

gen.

dung zur nächst höheren Ebene erreicht, die

B e r e i c h e muß demzufolge a u f ihre Z w e c k -

dann nicht mehr unmittelbar von den j e w e i -

mäßigkeit überprüft werden. Man kann seine

ligen Interessenslagen abhängig sind. Damit

Ziele

läßt sich auch die Bedeutung Europas für die

müssen den aktuellen Gegebenheiten ange-

nationale

paßt werden.

Politikgestaltung

scheidungen

werden

ermessen.

a u f die

Ent-

man

Die

die

Regulierung

Regulierung

beibehalten.

der

Aber

die

in

einem

angrenzenden

Instrumente

europäische

E b e n e verlagert und dort mit etwas mehr

Das

Distanz gefällt. Für die einzelnen Regierun-

starke umweltrelevante B e z ü g e hat und in

gen stellen sie daraufhin den übergeordneten

der Öffentlichkeit heftig diskutiert

Rahmen dar, der nicht ignoriert werden kann.

Durch die Marktöffnung wird ein Zielkon-

Dies muß dann von den Interessengruppen

flikt befürchtet.

akzeptiert werden, was auch tatsächlich oft

sinkenden Strompreisen führen und so die

geschieht. Allerdings kann der dafür not-

Wirtschaft

wendige Zeitrahmen sehr groß sein.

gerade höhere Preise als Anreiz, sparsam mit

Beispiel

wurde

Der

entlasten.

ausgewählt,

Wettbewerb

weil

es

wurde. soll

Andererseits

zu

gelten

Energie umzugehen. Durch die entgegengeAus normativer Sicht fuhrt Regulierung zu

setzte Entwicklung wird die

einer Verbesserung der volkswirtschaftlichen

gung ökologischer B e l a n g e befürchtet.

Vernachlässi-

Allokation. Aus positiver Sicht ist dies nicht zwangsläufig so. Versteht man Regulierung

9. Ausgangslage

als Ergebnis sozialen

D a s Gesetz zur Förderung der Energiewirt-

Gruppendrucks,

be-

deutet eine Reform der Regulierung nur, daß

schaft ( E n W i G ) vom

sich die Kräfteverhältnisse gewandelt haben

kurz

und andere Interessen

Beachtung

R a h m e n für die Entwicklung der deutschen

fanden. Durch das Phänomen der Multiregu-

Energiebranche. D a die Gemeinden Besitzer

lierung scheinen durchaus Zweifel angemes-

ihrer Straßen und W e g e sind (mit Ausnahme

sen,

ob

manche

stärkere

bildete

1935, den

diese

von Bundesstraßen) können sie sich deren

B e z e i c h n u n g überhaupt verdienen. Das alles

Nutzung entgelten lassen und tun dies mit

sollte

der so genannten Konzessionsabgabe.

aber

nicht

Deregulierungen

13. D e z e m b e r

Energiewirtschaftsgesetz,

zum

Anlaß

genommen

werden, Bestrebungen in diese Richtung zu unterlassen. Ziel Deregulierung damit

die

muß es daher sein,

möglichst

breit

Regulierungsdichte

aufgelockert wird. Bestehende

Die

Energieversorgungsunternehmen ( E V U ) sind

die

aufgrund der Leitungsgebundenheit a u f die

anzulegen,

öffentlichen W e g e angewiesen und bezahlen

insgesamt Regulierun-

einmal jährlich

die

an

die

Absatzmenge

gekoppelte Abgabe. D a die Konzessionsab-

gen sollten regelmäßiger geprüft und in ihrer

gabe eine beachtliche Größenordnung

Wirkung beurteilt werden. Neue

Eingriffe

sitzt, ist diese Einnahmequelle für die K o m -

be-

müßten befristet sein, um ihren Rückbau zu

munen von erheblicher Bedeutung. D i e s um

vereinfachen. Auch die

Kostenkomponente

so mehr, als diese Gelder nicht Gegenstand

darf nicht vernachlässigt werden. D i e Kosten

des Länderfinanzausgleichs sind und somit

der Administration und Überwachung sollten

in voller Höhe im kommunalen

zum Nutzen in einem vernünftigen Verhält-

verbleiben. D i e Energieversorger haben eine

nis stehen. Hier gibt es noch

Klausel in den Konzessionsverträgen durch-

Reformbedarf.

ausreichend

Haushalt

setzen können, in denen sich die Gemeinden dazu verpflichteten, kein weiteres E V U mit 59

Deregulierung

den Wegenutzungsrechten zu bedenken. Dadurch genossen die Unternehmen eine Monopolstellung. Komplettiert wurde der Schutzwall der EVU durch Demarkationsverträge. Bei diesen privatwirtschaftlichen Verträgen verpflichten sich die Vertragspartner, nicht im Versorgungsgebiet des jeweils anderen tätig zu werden (horizontale Demarkation), bzw. sich nicht auf der Wertschöpfungsstufe des anderen zu engagieren (vertikale Demarkation). Weiterhin existierten Verträge, in denen die Erzeugerunternehmen die Belieferung der Verteilerunternehmen untereinander aufteilen. Man spricht von einer mittelbaren Demarkation. Dieser komplette Monopolschutz wurde durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) gedeckt. Hier war die Energiewirtschaft explizit als Ausnahmebereich definiert. Nach §103 GWB waren sowohl Konzessions- als auch Demarkationsverträge zulässig. Die Monopolstellung der EVU wurde aber auch zum Anlaß genommen, von staatlicher Seite regelnd einzugreifen und ihnen zusätzliche Pflichten aufzuerlegen. Die bedeutendsten Interventionen waren:

60

Deregulierung



Versorgungspflicht Demnach müssen alle im Versorgungsgebiet ansässigen natürlichen und juristischen Personen zu den gleichen allgemeinen Tarifbedingungen versorgt werden.



Preis- und Investitionsaufsicht Die Wirtschaftsminister der Länder hatten Einfluß auf elementare betriebswirtschaftliche Investitionsentscheidungen wie Neubau von Anlagen, Stillegungen und selbst auf Erweiterungen und Umbauten.



Bundestarifordnung Sie regelte die Preise für Tarifkunden.

Auch auf den Marktzugang und die Geschäftsbedingungen wurde von der staatlichen Energieaufsicht Einfluß genommen. Eine weitere Verpflichtung beinhaltete das Gesetz über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz vom 7. 12. 1990. Es verpflichtet die EVU, solchen Strom einzuspeisen und in bestimmter Höhe zu vergüten, wobei eine Untergrenze fiir diese Zahlungen festgelegt ist.

Deregulierung

Deregulierung

Argumente fUr Deregulierung

Argumente gegen Deregulierung



Sicherheit, Preiswürdigkeit und flächendeckende Versorgung können nicht vom Wettbewerb gewährleistet werden



Das Argument ziehlt auf den öffentlichen Versorgungsauftrag. Preiswürdigkeit wird nicht zwingend durch eine Preisaufsicht gewährleistet. Die Flächendeckende Versorgung wurde in Deutschland über die allgemeine Anschlußpflicht erreicht Das Versorgungsnetz ist inzwischen aufgebaut, so daß dieses Argument nicht mehr aufrecht zuerhalten ist.



Leistungsgebundenheit



Der klassische Grund für die Sonderstellung der Stromwirtschaft war das Vorhandensein des natürlichen Monopols im Bereich der Netze.Zur Vermeidung von unerwünschten Monopolrenten, muß das Unternehmen staatlicher Regulierung hinsichtlich Preisen oder Mengen unterworfen werden. Das Wegerecht kann bestehen bleiben und die Nutzungsrechte an mehrere Firmen vergeben werden.



mangelde Speicherfähigkeit von Elektrizität



Die dadurch erforderliche Gleichzeitigkeit von Angebot und Nachfrage trifft für viele Dienstleistungen zu und kann daher nicht als Besonderheit gelten.



hohe Kapitalintensität



Das Argument fiißt auf dem teuren Leitungsbau und dem Vorhalten ausreichender Kapazitäten, damit die Nachfrage befriedigt werden kann. Hier wird die Möglichkeit des nationalen und internationalen Handels außen vor gelassen.

In der Ubersicht sind einige Charakteristika angeführt, die die bisherige stromwirtschaftliche Wettbewerbsfreistellung begründeten. Die langjährige Diskussion hat im Ergebnis jeden dieser Punkte in seiner Bedeutung abschwächen können. Da die EVU ihre Kosten problemlos an ihre Kunden weitergeben konnten und kein Wettbewerbsdruck sie disziplinierte, entwikkelte sich ein relativ hohes Preisniveau. Dies ist der wesentliche Kritikpunkt, dem sich die EVU ausgesetzt sahen. 10. Ziel der Deregulierung Das Ziel der Deregulierung läßt sich relativ einfach auf den Punkt bringen. Durch die Einfuhrung von Wettbewerb geraten die Energieversorger unter Druck, ihre Leistun-

gen auf möglichst effiziente Weise zu erbringen. Sie werden dynamische Unternehmer im Sinne Schumpeters, die möglichst innovative Produkte hervorbringen. Unternehmen, denen dies nicht gelingt, scheiden aus. Resultat sind marktgerechte Preise und Produkte und eine höhere Konsumentensouveränität. Die gesamte Volkswirtschaft profitiert von dieser Entwicklung. Es verbirgt sich hinter der Liberalisierung im Energiesektor also kein spezieller oder gar spektakulärer Gedanke. Denn das ist das Prinzip unserer Wirtschaftsordnung. Ein Bereich der Volkswirtschaft wird lediglich aus seiner Sonderrolle entlassen. Aus Sicht der Betroffenen ist diese Veränderung ungleich spektakulärer. Ihr Selbstverständnis muß neu definiert werden. Die Abhängig61

Deregulierung keiten und Kräfteverhältnisse von gestern haben heute keinen Bestand mehr. 11. Ansatzpunkt und Gestaltung der Deregulierung Am 19. 12. 1996 wurde die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (E1BR) verabschiedet und trat am 19. 02. 1997 in Kraft. Die Umsetzung in nationales Recht der Mitgliedstaaten sollte bis zum 19. 02. 1999 erfolgen. In der E U können nun industrielle Großkunden ihren Lieferanten frei wählen. Die Öffnung des Marktes erfolgt schrittweise und gilt zunächst (bis 1999) für Kunden, die mehr als 40 Gigawatt Strom abnehmen. Das kommt im EU-Durchschnitt einer Öffnung des Strommarktes von 23% gleich. Bis zum Jahr 2003 muß die Öffnung auf 20 bzw. bis 2006 auf 9 Gigawatt ausgeweitet werden. Dies entspräche einer Marktöffnung im EUDurchschnitt von 28% bzw. einem Drittel. Damit haben die über ein Jahrzehnt dauernden Bemühungen um Deregulierung ein vorläufiges Ende gefunden. In der Bundesrepublik wurde die Umsetzung der Europäischen Richtlinie mit einer Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes vollzogen. Dieses Gesetz ist am 29. 04. 1998 in Kraft getreten und sieht im wesentlichen folgende Regelungen vor: •

Die bisherigen geschlossenen Versorgungsgebiete bei Gas und Strom werden vollständig abgeschafft. Theoretisch hat damit heute jeder Abnehmer die Möglichkeit, von einem Anbieter seiner Wahl Strom und Gas zu beziehen.



Das normale Modell zu dem Netzzugang soll der verhandelte Netzzugang sein. Eine staatliche Regulierung der Zugangspreise erfolgt nicht. Die Verbände der Stromverbraucher und Stromerzeuger wurden ermuntert, sich durch eine Vereinbarung über die Regeln zur Bestimmung von Netzentgelten zu verständigen.

62

Deregulierung



Die Vorrangstellung von Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung und erneuerbarer Energie wird im Gesetz erwähnt.



Es wurden Übergangsbestimmungen für den Schutz der Braunkohle in den neuen Bundesländern getroffen.



Die Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft wurden zur getrennten Rechnungslegung verpflichtet.

Unabhängig von den Veränderungen des Energiewirtschaftsgesetzes wurde ein allgemeiner Durchleitungstatbestand in die 6. Novelle zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen aufgenommen. Die Verweigerung der Durchleitung in einem Netz wird zu einem Mißbrauchstatbestand, der explizit im neuen Kartellgesetz definiert ist (§ 19 (4), 4. in der 6. Novelle zum GWB). Diese Gesetzesnovelle ist zum 1. Januar 1999 in Kraft getreten. 12. Folgen der Deregulierung Was erwarten die Befürworter der Deregulierung? Mit dem Wettbewerb kommt die Aufspaltung der Wertschöpfungskette in ihre einzelnen Glieder. Nach wie vor gibt es zwar integrierte Angebote, doch der Markt teilt sich auf in Erzeugung, Übertragung, Verteilung und Handel. Der Übertragungs- und Verteilungsbereich behält seinen Monopolcharakter. Auf allen anderen Stufen können sich neue Marktteilnehmer etablieren. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Diese neuen Mitspieler sorgen für verstärkte Konkurrenz. Denn auch die ehemaligen Monopolbetriebe kämpfen nun um Kunden. Der schärfer werdende Erzeugungswettbewerb und die Regulierung der Netzzugangsbedingungen fuhrt zu mehr Effizienz und niedrigeren Preisen. Die Wahlfreiheit der Konsumenten steigt. Innerhalb des europäischen Marktes soll der Einfluß nationaler Grenzen eine zunehmend geringere Rolle spielen, auch wenn es hier noch viele Defizite gibt.

Deutsche Bundesstiftung Umwelt

Was befürchteten die Gegner einer Liberalisierung? Mehr Effizienz bedeutet vor allem auch weniger Personal. Orientiert man sich an den skandinavischen Ländern, so liegt die Produktivität dort wesentlich höher. Ob und wann die Zahl der abzubauenden Stellen durch neue Geschäftsfelder oder durch neue Unternehmen kompensiert werden kann, ist unklar. Die Schere zwischen politisch Gewünschtem und wirtschaftlich Sinnvollem öffnet sich. Für die meisten kleinen EVU wird der Fremdbezug günstiger als die Eigenerzeugung. Unter Wettbewerbsbedingungen ist die Zukunft umweltfreundlicher Stromerzeugungsoptionen wie Kraft-Wärme-Kopplung und der Nutzung regenerativer Energiequellen ungewiß. Für die Kommunen gibt es nicht mehr viel Grund zur Freude. Die Sorge um ihre Konzessionsabgabe und um den Erhalt kommunaler Mehrheiten steht im Vordergrund. Das Handwerk sieht sich in seinen traditionellen Geschäftsfeldern neuer, vielleicht übermächtiger Konkurrenz gegenüber. Noch steht die Entwicklung am Anfang. Fundierte Aussagen zu den Folgen der Deregulierung sind erst in einigen Jahren möglich. Allgemein läßt sich festhalten, daß auf lange Sicht die Netzöffnung und alle damit verbundenen neuen Möglichkeiten volkswirtschaftlich viel bedeutender sind als die mit der Deregulierung verbundenen kurzfristigen Preisvorteile. Ein offenes sozusagen „demokratisiertes" Netz schafft die Voraussetzung für viele neue Optionen der Energieversorgung vom „grünen Strom" aus erneuerbarer Energie bis zur Nahwärmeversorgung aus kleinen dezentralen KraftWärme-Kopplungsanlagen. Die Netzöffnung ist also eine Art Grundstein für eine zukünftige Energieversorgung. Weiterführende Literatur: Deregulierungskommission: Marktöffnung und Wettbewerb, Stuttgart 1991; Hensing, I./Pfaffenberger, W./Ströbele, W:. Energiewirtschaft. Eine Einführung in Theorie und Politik, München 1998; Koch, L.: Evolutorische Wirtschaftspolitik. Eine elementare

Deutsche Bundesstiftung Umwelt

Analyse mit entwicklungspolitischen Beispielen, Tübingen 1996; Streit, M.\ Theorie der Wirtschaftspolitik, München 1991. Prof. Dr. W. Pfaffenberger Dipl.-Vw. K. Salge

Deutsche Bundesstiftung Umwelt Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt ist auf Initiative des damaligen Bundesminister der Finanzen, Dr. Theo Waigel, durch Beschluß des Deutschen Bundestages gegründet worden. Der Privatisierungserlös der Salzgitter AG bildet das Stiftungskapital, der jährliche Ertrag (ca. 120-150 Mio. DM) wird für die Förderziele eingesetzt. Am 18. Juli 1990 trat das Gesetz zur Errichtung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt in Kraft. Nach der Verabschiedung der Satzung durch das Bundeskabinett konstituierte sich im Dezember 1990 das 14 Mitglieder umfassende Kuratorium und wählte Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Tietmeyer zu seinem Vorsitzenden. Am 1. März 1991 nahm die Geschäftsstelle in Osnabrück ihre Arbeit auf und im April 1991 konnte das Kuratorium die ersten Förderentscheidungen treffen, damals zunächst vor allem zugunsten von Umweltprojekten in den neuen Bundesländern. „Die Stiftung verfolgt unmittelbar und ausschließlich gemeinnützige Zwecke." (§ 3 Stiftungssatzung). Mit einem Stiftungsvermögen von rund 3 Milliarden DM gehört die Deutsche Bundesstiftung Umwelt zu den größten Stiftungen Europas. Durch die Herkunft des Stiftungskapitals, den Gründungsmodus und das Berufungsverfahren für das Kuratorium durch die Bundesregierung ist einerseits eine deutliche Nähe zu öffentlich-rechtlichen Institutionen der -»Umweltpolitik zu vermuten, andererseits hat der Gesetzgeber im Stiftungsgesetz festgehalten, daß die Stiftung in der Regel außerhalb staatlicher Programme tätig wird (diese aber ergänzen kann, § 2 I). Änderungen der Stiftungssatzung bedürfen einer Drei/Viertel-Mehrheit im Kuratorium und der Zustimmung des Bundesministers für Finanzen und des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages (§ 13 Stiftungssatzung). Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt ist eine Stiftung privaten Rechts.

63

DIN

Hauptaufgabe der Umweltstiftung ist es, Vorhaben zum Schutz der -»-Umwelt unter besonderer Berücksichtigung der mittelständischen Wirtschaft zu fördern. Unter kleineren und mittleren Unternehmen (—»KMU) werden Unternehmen gefaßt, die über maximal 250 Mitarbeiter verfugen, bis zu 40 Millionen ECU Jahresumsatz und maximal 27 Millionen ECU Jahresbilanzsumme haben, weder einem noch mehreren großen Unternehmen zu 25% gehören. Zu den Aufgaben der Stiftung gehört auch die jährliche Vergabe des Deutschen Umweltpreises, der mit 1 Mio. DM dotiert ist. Des weiteren werden Doktoranden- und Habilitationsstipendien vergeben. Die Umweltstiftung hat zudem mehrere Stiftungsprofessuren an verschiedenen deutschen Universitäten/Hochschulen errichtet. Das Förderprogramm wird in den „Leitlinien für die Förderung durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt" näher beschrieben. Sie entsprechen der Gründungsidee der Stiftung, konkretisieren die im Gesetz zur Errichtung der Stiftung genannten Förderziele und ermöglichen ihre Umsetzung. Bis zum Dezember 1998 wurden 3.193 Projekte mit einer Fördersumme von insgesamt circa 1,35 Milliarden DM bewilligt. Die Geschäftsstelle in Osnabrück wird seit der Gründung der Umweltstiftung durch den vom Kuratorium berufenen Generalsekretär Fritz Brickwedde geleitet.

DIN Abk.: Deutsches Institut für Normung e.V. Die vom Normenausschuß erarbeiteten und unter dem Zeichen DIN in Form von Normblättern veröffentlichten Normen sind im Deutschen Normenwerk gesammelt. Im Jahr 1990 umfaßte es ca. 25000 DIN-Normen, die Begriffsbestimmungen, Abmessungen,

Dioxine

Prüfverfahren, Sicherheitsvorschriften, Verfahrensrichtlinien, Größenfestlegungen etc. für technische Gebiete, Naturwissenschaften, Medizin, Landwirtschaft und weitere Bereiche beinhalten. Der Begriff Normung wird in der DIN 820 definiert "als planmäßige, durch die interessierten Kreise gemeinschaftlich durchgeführte Vereinheitlichung von materiellen und immateriellen Gegenständen zum Nutzen der Allgemeinheit". Der -»Umweltschutz hat durch die 1991 beschlossene Satzungsänderung des DIN an Bedeutung in der DIN gewonnen. Diese verankert den Umweltschutz als wichtige Aufgabe der Normung. Der Beirat des NAGUS (Normenausschuß Grundlagen des Umweltschusses) hat am 15. 2. 1993 die Gründung des Arbeitsausschusses -»"Umweltmanagement/Umweltaudit" beschlossen.

DIN ISO 14001 —»ISO 14000

Dioxine Bezeichnung fUr chemische Verbindungen, die sich vom sechsgliedrigen Heterozyklus mit Sauerstoffatomen in der 1,4-Stellung (siehe Abbildung 1) ableiten. Vereinfachend wird dieser Begriff heute für die Substanzklasse der Dibenzodioxine verwendet, bei der einem Dioxinring linear zwei Phenylringe anneliert sind. Durch die Nummerierung wird die Stellung der Substituenten im Ring beschrieben. Die wichtigsten Derivate sind die mehrfach chlorierten Vertreter, die polychlorierten Dibenzodioxine (PCDD) und hier insbesondere das als "Seveso-Gift" bekannt gewordene 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin (TCDD).

Abb. 1: Strukturformel für Dioxin, Dibenzodioxin, 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin (TCDD) (v. 1. n. r)

64

Dioxine

Dioxine

In der Umgangssprache werden gelegentlich

c h e P C D D - K o n g e n e r e ( S u m m e der Homolo-

auch

gen und Isomere), dagegen aber, wegen der

die

polychlorierten

Dibenzofurane

( P C D F ) den Dioxinen zugeordnet und durch

fehlenden

die

PCDF-Kongenere.

Sammelbezeichnung

PCDD/F

gekenn-

zweiten

Symmetrieachse,

135

zeichnet. Insgesamt gibt es 7 5 unterschiedli-

A b b . 2: Strukturformel für Furan, Dibenzofuran, 2,. ,7,8-Tetrachlordibenzofuran ( T C D F ) (v. 1. n. r.)

Entstehung Dioxine

Zudem entstehen Dioxine durch thermische

werden

Gewinnung

außer

zum

analytischer

Zweck

Standards

der

Belastung von Precursor-Verbindungen, wie

nicht

z. B . chlorierten Benzolen, Biphenylen oder

gezielt hergestellt. S i e entstehen ungewollt

Diphenylethem.

bei vielen chemischen Reaktionen als technische Verunreinigungen. S o ist beispielsweise

Umweltverhalten

bekannt, daß die humantoxischen Wirkungen

Dioxine kommen ubiquitär vor und können

der im V i e t n a m - K r i e g

eingesetzten

Trichlorphenoxiessigsäure Orange)

auf

dessen

(2,4,5-T,

2,4,5-

in der Luft, in B ö d e n , im W a s s e r und in

Agent

verschiedenen

Verunreinigung

mit

Organismen,

dem Menschen,

einschließlich

nachgewiesen

werden.

In

2 , 3 , 7 , 8 - T C D D zurückzuführen sind. Generell

reiner Form sind die Substanzen kristalline

können alle industriellen Prozesse der aro-

Feststoffe mit hohen Schmelzpunkten, sehr

matischen Chlor-Chemie zur Bildung

geringer Wasserlöslichkeit und ausgeprägter

von

PCDD/F führen.

Lipophilie,

Einer der Hauptbildungswege für PCDD/F

eine hohe B i o - und

sind

was

zusammengenommen

auf

Geoakkumulationsten-

weitesten

denz hindeutet. D i e Persistenz der D i o x i n e in

Sinn. S o sind - » E m i s s i o n e n und Rückstände

der Umwelt ist beträchtlich, da der biologi-

aus gewerblichen, kommunalen und privaten

sche

Verbrennungsanlagen

eine wichtige Quelle

Halbwertszeit der D i o x i n e in Gewässersedi-

Verbrennungsprozesse

im

Abbau

relativ

langsam

erfolgt.

Die

für den Eintrag von Dioxinen in die - » U m -

menten beträgt ca. 2 Jahre und in B ö d e n bis

welt. D i e Bildung z. B . in Hausmüllverbren-

zu 10 Jahre. UV-Strahlung begünstigt den

nungsanlagen

temperaturabhängig

dechlorierenden Abbau der Dioxine, insbe-

Konzentrationen

sondere wenn die an sich sehr reaktionsträ-

und

die

ist stark

resultierenden

nehmen mit fallender Temperatur zu.

Bei

gen Verbindungen an aktive Oberflächen wie

Temperaturen

die

Böden oder Silicagele adsorbiert sind. Auf-

über 6 0 0 ° C

überwiegen

grund der geringen Eindringtiefe der U V -

Zerfallsreaktionen. Neben

den

Verbrennung

Bildungsreaktionen können

auch

im

bei

der

Rauchgas

D i o x i n e gebildet werden. In Modellexperimenten konnte nachgewiesen werden, ein

sehr wirksamer Mechanismus

daß

für die

D e - n o v o Synthese von Dioxinen a u f Flugaschepartikeln

existiert.

Verantwortlich

für

diesen katalytischen Prozeß ist die gleichzeitige

Anwesenheit

von

Restkohlenstoff,

Strahlung

ist j e d o c h

Mineralisierung Feststoffe

die

photochemische

a u f die Grenzflächen

beschränkt.

der

Protonenlieferanten

w i e Hexan oder Olivenöl begünstigen den Abbau. S o wurden die kontaminierten Flächen in S e v e s o z. T . mit Olivenöl besprenkelt, um in Kombination mit der Sonneneinstrahlung eine in-situ-Bodensanierung durchzuführen.

Chlorsalzen und Kupfer in der Abkühlzone der Rauchgase im Bereich von 3 0 0 ° C .

65

Distributionspolitik, ökologieorientierte Wirkungen Beim Menschen erfolgt die Akkumulation der PCDD/F besonders in Fett- und Muskelgewebe sowie in der Leber. Die toxikologischen Wirkungen werden gegenwärtig noch widersprüchlich beurteilt. Bislang nachgewiesene toxische Effekte sind spezies-, alters- und geschlechtsabhängig. Typische Symptome sind u. a. Gewichtsverlust, Thymusatropie und Immunsuppression. Darüber hinaus wird den Dioxinen Hepatotoxizität, Teratogenität sowie Karzinogenität zugeschrieben. Das beim Menschen typische Wirkungssymptom ist die Chlorakne. Bei oraler Applikation von 2,3,7,8-TCDD reichen die LD50-Werte bei Versuchstieren von 0,6 - 2,2 ng/kg Körpergewicht (KG) bei Meerschweinchen bis zu 3.000 - 5.000 ng/kg KG bei syrischen Goldhamstern. Um neben der akuten Toxizität den chronischen und subchronischen Wirkungen der PCDD/F Rechnung zu tragen, wurden sogenannte ->ADI-Werte (acceptable daily intake) definiert. Dieser international unterschiedliche Wert liegt in Deutschland bei 1 pg TE/kg KG j e Tag und berücksichtigt neben toxikologischen Erkenntnissen auch entsprechende Sicherheitsfaktoren. Die erheblichen Unterschiede in der Toxizität der Einzelverbindungen sind zur Zeit nicht zufriedenstellend erklärbar. Die höchsten Toxizitätswerte weisen die in den 2,3,7,8-Positionen substituierten Verbindungen und hier insbesondere das 2,3,7,8-TCDD auf. Um die unterschiedlichen Toxizitäten der einzelnen Isomere zu gewichten, werden üblicherweise Toxizitätsäquivalentfaktoren (TEF) verwendet. Durch die Multiplikation der Konzentrationen der Einzelsubstanzen mit ihren TEFs lassen sich 2,3,7,8-TCDD-Toxizitätsäquivalente (TE) berechnen, die einen Vergleich der Toxizität von ermittelten PCDD/F Rückstandsgehalten ermöglichen sollen. Der analytische Nachweis von PCDD/F stellt aufgrund der geringen wirksamen Konzentrationen und der hohen Anzahl an möglichen Kongeneren hohe Anforderungen an die Probenvorbereitung und die instrumenteile Analytik. Die Identifizierung und Quantifizierung erfolgt in der Regel mit Hilfe der Gaschromatographie mit massenselektivem Detektor (GC-MS) unter der Verwendung 13 von C-markierten Referenzstandards. Üblicherweise werden lediglich die toxiko66

Distributionspolitik, Skologieorientierte logisch bedeutsamen Tetra- bis Octachlorkongenere untersucht. Weiterführende Literatur: Bundesgesundheitsamt: Sachstand Dioxine. Bericht 5/85 des Umweltbundesamtes. Berlin 1985; Körte, F.: Lehrbuch der ökologischen Chemie. Grundlagen und Konzepte für die Beurteilung von Chemikalien, 3. Aufl. Stuttgart, New York 1992; Ballschmiter, K./ Bacher, R.\ Dioxine; Chemie, Analytik, Vorkommen, Umweltverhalten und Toxikologie der PCDD/F, Weinheim 1996; Lohmann, RJ Jones, K. C.: Dioxins and furans in air and deposition. A review of levels, behaviour and processes. The Science of the Total Environment 219, o. O. 1998. Dr. rer. nat. H. Richter

Distributionspolitik, ökologieorientierte Im Rahmen der verschiedenen Aufgabenbereiche des ->Marketing steuert die Distributionspolitik die Bewegung eines Gutes von seiner Entstehung bis zu seinem Gebrauch bzw. Verbrauch. Es gilt diejenigen Entscheidungsbereiche zu koordinieren, die mit der notwendigen Überbrückung von räumlichen und zeitlichen Aspekten zwischen ersten Anbietern und letzten Nachfragern eines Gutes bzw. - übergreifender formuliert - mit dessen Übertragung von einer Wirtschaftsstufe zur nächsten zusammenhängen. Distributionspolitik in diesem Sinne ist dabei zum einen stark mit herkömmlichen Sachgütern verbunden, da etwa die Distribution von Dienstleistungen (z. B. aufgrund deren Immaterialität und der Verknüpfung zwischen Erstellung der Dienstleistung und gleichzeitigem Absatz) andere Inhalte bzw. Schwerpunkte erforderlich machen. Zum anderen wird die Distribution traditionellerweise aus Sicht des Herstellers betrachtet, wobei jedoch natürlich auch die Handelsstufe zentrale eigene Entscheidungen zur Distribution ihrer Produkte hin zum Kunden zu treffen hat. Aufgeteilt in ihre hauptsächlichen Aufgabenbereiche, die sich aus den oben erwähnten Überbrückungsleistungen ergeben, und zunächst betrachtet aus einem solchen produkt- und herstellerorientierten Blickwinkel besteht die Distributionspolitik aus zwei maßgeblichen Komponenten:

Distributionspolitik, Skologieorientierte erstens aus der Entscheidung über die zu wählenden Absatzpartner bzw. Distributionsorgane und deren Bearbeitung (Absatzwegewahl) und zweitens aus der (Marketing-) Logistik (Steuerung der Leistungs- und Informationsströme). Unter ökologischen Gesichtspunkten betreffen Distributionsent-

Distributionspolitik, Okologieorientierte Scheidungen damit zwangsläufig eine Vielzahl relevanter Themenbereiche, von denen einführend etwa nur Transport und Logistik sowie damit zusammenhängende Fragen nach Verpackung bzw. Umverpackung der Waren etc. zu nennen sind.

Abb. 1: Komponenten der Distributionspolitik

1. Absatzwegewahl Als grundsätzliche Alternativen dieses strategischen Entscheidungsbereiches zeigen sich Direktabsatz (Geschlossener Markt) einerseits und Absatz über Handelsunternehmen (Marktkette) andererseits. Bei dem zuerst genannten, also dem Direktabsatz, geschieht der Leistungsaustausch unmittelbar zwischen dem Hersteller und dem Letztnachfrager, d. h. das Eigentum geht direkt vom Hersteller auf den Nachfrager über. Im Rahmen des Direktabsatzes können dabei zunächst eigene Verkaufsstellen bzw. -organe eingesetzt werden. Als konkrete Ausprägungen sind Fabrikverkauf (bzw. Verkauf ab Herstellung im weitesten Sinne, etwa auch „ab H o f ' bei landwirtschaftlichen Produkten), dezentrale Niederlassungen oder Filialen bzw. eigene angestellte Verkaufspersonen (wie etwa Reisende im Außendienst), aber auch das Versandprinzip („traditionell" über die Verwendung von Katalogen bzw. über neuere Medien wie das Internet) zu nennen. Daneben können auch unternehmensfremde Absatzmittler als selbständige Gewerbetreibende zum Einsatz kommen. Als wesentliche zeigen sich hier Handelsvertreter

bzw. Agenturen (Verkauf erfolgt im fremden Namen und auf fremde Rechnung), Kommissionäre (Verkauf erfolgt in eigenem Namen und auf fremde Rechnung) oder Makler (bringen die beiden Abschlußinteressenten zusammen, haben keine Abschlußvollmacht). Im Gegensatz zu diesen Absatzmittlem, die am Prinzip des geschlossenen Marktes (Direktabsatz) nichts verändern, erwerben Händler das Eigentum an den gehandelten Produkten und verkaufen diese aus diesem Eigentum heraus weiter. Sie begründen dadurch die Marktform der Marktkette. Mit dem hierfür konstitutiven zweifachen Eigentumsübergang sind neben erhöhten Risiken (z. B. Verlustrisiko) und betriebswirtschaftlichen Konsequenzen auch rechtliche Belange verbunden, wie etwa die Preisautonomie des Händlers, die aus dem mit wenigen Ausnahmen, etwa in der Druckund Verlagsbranche - allgemein geltenden Verbot der Preisbindung der zweiten Hand resultiert. Neben der zentralen Entscheidung für oder gegen Direktabsatz bzw. für eine Mischform aus beiden grundsätzlichen Alternativen ist dann die Struktur innerhalb der gewählten Marktform festzulegen (also 67

Distributionspolitik, ökologieorientierte

etwa Bestimmung der konkreten Ausprägungen des Direktabsatzes bzw. eine entsprechende Selektion der Handelspartner auf der Groß- und/oder Einzelhandelsstufe). In diesem Zusammenhang ist - speziell beim Absatz über Handelsunternehmen - das ökologische Verhalten der Handelspartner bzw. deren ökologische Reputation beim Letztnachfrager zu berücksichtigen. Bei strenger ökologieorientierter Ausrichtung eines Herstellers sind im Sinne einer entsprechenden qualitativen Selektion Handelsunternehmen mit eigenverantwortlichem ökologischen Verhalten besonders zu berücksichtigen. Dies gilt also für solche Handelspartner, die im Rahmen ihrer Aktionsparameter Wert auf ökologische Belange legen. Als Beispiele lassen sich Händler mit besonderen -»Recycling- und Redistributionssystemen oder mit sorgsamem Ressourcenumgang bei Eigenmarken - dort etwa im Rahmen der Verpackungsgestaltung - nennen. Generell kommt dem Handel bei der Verbreitung einer ökologieorientierten Werteausrichtung eine entscheidende gatekeeper-Funktion zu. Mit seiner in vielen Branchen - gerade auch im Bereich ökologiesensitiver Produkte, wie etwa Lebensmit-

Abb. 2: Handel als ökologischer gate-keeper

68

Distributionspolitik, ökologieorientierte

tel, Bekleidung etc. - starken Machtposition und dem damit verbundenen Leistungsvorbehalt entscheidet der Handel in erheblichem Maße über die Verbreitung und Akzeptanz ökologisch ausgerichteter Produkte und Ideen. Im Sinne einer Informations- und Wertesteuerung beeinflussen Handelsunternehmen dabei sowohl die ihnen nachgelagerten Nachfrager hinsichtlich deren ökologieorientierter Präferenzen (-»ecology-pushStrategie) als auch die vorgelagerten Hersteller in Bezug auf ökologische Anforderungen bei Produkten und Herstellungsprozessen (-»ecology-pull-Strategie). Die entsprechenden Bemühungen von Herstellern - etwa im Rahmen ihrer —»Kommunikations - und Produktpolitik - zur Beeinflussung der Letztnachfrager zum verstärkten Kauf ökologisch positionierter Produkte einerseits sowie Wünsche der Letztnachfrager nach solchen Produkten stehen somit häufig unter dem Entscheidungsvorbehalt des Handels als ökologischem gate-keeper. Dabei kommt den marktstarken großen Handelsunternehmen eine eben aus dieser ihrer Machtposition entstehende besondere Verantwortung zu.

Distributionspolitik, ökologieorientierte

Aus

dieser

Situation

Handelsunternehmen

heraus

Distributionspolitik, ökologieorientierte

haben

strategische

auch

Entschei-

letztendlich

Vertrauensgüter

darstellen,

zu

nachvollziehbaren Erfahrungsgütern. Gleich-

dungen im S i n n e der hier betrachteten Ab-

zeitig bieten gerade auch logistische Aufga-

satzwegewahl zu treffen, sofern - etwa aus

ben die Möglichkeit, Vorteile für den K o n -

Sicht eines Binnen-Großhändlers oder eines

sumenten

Import-Export-Händlers - weitere Absatzstu-

Wettbewerbsvorsprünge

fen oder auch -mittler in der Gesamtdistribu-

entsprechen etwa Abhol-

oder

tionskette auftreten, deren Einbeziehung oder

steme für Verpackungen

oder nicht

Ausschaltung

nutzbare Produkte nicht nur den Wünschen

im

Ermessensspielraum

des

zu

generieren

und damit zu

auch

erringen.

Handels liegt. Daneben kommt dem Handel

von ohnehin ökologiebewußten

aber eine besondere Verantwortung für eine

ten. Vielmehr kommen sie auch

ökologieorientierte Distribution im Bereich

weniger

umweltbewußten

So

Sammelsymehr

Konsumenanderen,

Nachfragern

der - » L o g i s t i k zu, a u f die nun im folgenden

entgegen, indem sie diesen eine Servicekom-

eingegangen werden soll.

ponente

und

die

Lösung

entsprechender

Probleme aus dem B e r e i c h Entsorgung etc. bieten. S i e bilden somit gleichzeitig unab-

2 . Logistik Unter (Marketing-)Logistik im Rahmen der

hängig von diesen unterschiedlichen Motiven

Distributionspolitik

einen Beitrag

wird

zusammenfassend

zu Ökologisierung

die Steuerung des Warenflusses sowie des-

samtdistributionskette.

sen

stributionssysteme

monetären

Gegenstromes

(Leistungs-

der

Ge-

Insbesondere

Redi-

als geschlossene

Kreis-

ströme) sowie des Informationsflusses und

läufe und mit ihrer Verzahnung der absatzge-

damit - neben der obigen eher strategisch

richteten

ausgerichteten Komponente - ein eher opera-

gen

tiver Bestandteil verstanden. Unter ökologie-

punkte zur ökologischen, aber auch ökono-

orientierten

Gesichtspunkten

nehmen

mischen

Warenfluß

und

verbundenen

die

damit

der

Distribution und ihres gegenläufi-

Stromes

bieten

Optimierung

wesentliche des

Ansatz-

Gesamtsystems.

E i n e nachvollziehbar hohe Hebelwirkung auf

Aufgaben eine herausragende Stellung ein.

die Erreichung ökologieorientierter Zielset-

V o n der Richtung her ist dabei

zungen

dem

Weg

beispielsweise

der

zwischen

Ware

von

wird

dabei

über

den

physischen

Transport der Güter erreicht. Neben Verbes-

Herstellung und Handel zum Konsumenten

serungen innerhalb vorhandener

einerseits

systeme, wie etwa der Erneuerung der L K W -

und

dem

Verpackungen,

Altwaren

(Redistribution) logistischen onspolitik

Rückweg

zu

etwa

etc.

andererseits

unterscheiden.

Komponente

von

der

Dieser

Distributi-

kommt unter ökologischen

Ge-

Transport-

Flotte, und den Versuchen einer ökologisch ausgerichteten

Substitution

der

einzelnen

Verkehrsträger

(„Schiene

statt

Straße")

stehen

Maßnahmen

zur

Veränderung

der

sichtspunkten eine mehrfache Bedeutung zu:

Transportlogistik als solcher. Zur Verkehrs-

fur

vermeidung

den

ökologiebewußten

Konsumenten

sind

verstärkten

Möglich-

keiten

die ökologische Orientierung eines

Unter-

von Produktion oder Lagerhaltung und damit

kann

eine Bevorzugung konsumnaher räumlicher

nehmens „greifbar". Der Konsument

einer

beispielsweise

wird im R a h m e n der logistischen Prozesse

Dezentralisierung

eine propagierte umweltbewußte Grundein-

Strukturen zu nutzen. Hierzu gehören auch

stellung eines Herstellers nun konkret a u f

die Versuche einer stärkeren Einbeziehung

den Prüfstand stellen und also beispielsweise

regionaler Produkte in das Sortiment

die Verpackung eines Produktes oder auch

Handelsunternehmen, wie e s aus verschiede-

die ihm hierfür angebotenen Möglichkeiten

nen

zur R ü c k g a b e bzw. —»Entsorgung - auch des

etwa gerade auch im B e r e i c h von tierischen

Gründen

(Stichwort:

von

Tiertransporte)

Produktes

Lebensmitteln angeraten ist. Eine wesentli-

selbstbeurteilen. Damit werden ökologieori-

c h e R o l l e spielen Ansätze zur Verkehrsbün-

entierte

delung, die a u f eine effizientere Auslastung

nicht

mehr

zu

gebrauchenden

Verantwortung

ausgerichtetes

Handeln

und von

entsprechend Unternehmen,

der

vorhandenen

Transportkapazitäten,

die im R a h m e n von aus Kundensicht intern

insbesondere auch im Straßenverkehr,

ablaufenden und nicht beurteilbaren Prozes-

zielen. Als konkrete Maßnahme wäre bei-

sen

-

wie

-»Beschaffung,

Produktion

-

ab-

spielsweise die Bündelung der Auftragsmengen des Handels bei seinen Herstellern und 69

Downcycling eine entsprechende Zusammenfassung zu größeren Transporteinheiten zu nennen. Weiterführend kann dies auch mit Einheiten unterschiedlicher Hersteller geschehen. Sortiments- bzw. herstellerübergreifende Optimierung von Transportmengen, Transportkapazitäten (Cross Docking) und von Lieferzeiten sind auch wesentliche Inhalte des Efficient Replenishment (-»Supply Chain Management), das als Teil des ECRKonzeptes (Efficient Consumer Response) gegenwärtig eine wesentliche Grundlage der Beziehungen zwischen Herstellern und Handel darstellt. Es geht dabei um die gegenseitige Verbesserung der einzelnen Aktivitäten der Hersteller und der Handelsstufe in der Gesamtdistributionskette im Sinne eines kooperativen Miteinanders. Damit sind - wenngleich sicherlich in erster Linie durch traditionelle ökonomische Zielsetzungen getrieben - gerade auch im Bereich der Transportoptimierung zukünftig grundlegende Verbesserungen zu erwarten. Verstärkend wirken hierbei dezentrale Verteilungslager, von denen aus - nach der dort eingehenden Lieferung der einzelnen Hersteller - entsprechend übergreifend zusammengestellte Einheiten zu den einzelnen Outlets des jeweiligen Handelsunternehmen transportiert werden. Bezogen auf diese wird somit der ursprünglich herstellerspezifische Zulieferverkehr reduziert. Im Zusammenhang mit diesen Bemühungen stehen auch Versuche zur Reduzierung von Verpackung bzw. Umverpackung: notwendige Primärverpackungen sollten möglichst ohne weitere Umverpackung bzw. nur mit minimaler zusätzlicher Transportverpackung versandund im späteren Outlet bereits regal- oder displayfähig sein. Durch modulare und aufeinander abgestimmte Gestaltung der (Transport-)Verpackungen sind die oben bereits erhobenen Forderungen nach übergreifenden Transporteinheiten weiter zu unterstützen, damit wiederum aus ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten gleichermaßen sinnvoll - möglichst wenig „Luft" transportiert wird. Strategische wie auch operative Aufgaben stellen somit das Grundgerüst einer ökologieorientierten Distributionspolitik dar, der in der Außenwirkung eines Unternehmens und bezogen auf reale Möglichkeiten zur 70

Duales System Deutschland Ressourcenschonung kung zukommt.

erhebliche

Hebelwir-

Weiterführende Literatur: Jakszentis, C./ Kohl, M.: Kundenbindung durch Redistribution, in: Lebensmittelzeit, Nr. 8, o. O. o. J.; Mattmüller, R.: Ziele und Zukunft des Handels. Einflüsse von Efficient Consumer Response auf die Verpackung, in: Stabernack, W. (Hrsg.): Verpackung. Medium im Trend der Wünsche, München 1998; Mattmüller, RJ Trautmann, M.: Zur ö k o l o gisierung des Handels-Marketing. Der Handel zwischen ökovision und Ökorealität, in: Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchswirtschaft, Nr. 2/1992, o. O. 1992; Steger, UJ Jakszentis, C.: Umwelt und Logistik, in: Lexikon der Logistik, München 1999. Prof. Dr. R.

Mattmüller

Downcycling Durch -»Recycling sollen stoffliche oder energetische Rückstände von Produktion oder Konsumption in die Produktionsprozesse zurückgeführt werden. Der Beitrag zum -»Umweltschutz erfolgt durch die Wiederholung des Nutzungsprozesses, der u. a. zu Einsparungen von -»Energie und —»Ressourcen fuhrt. Die Qualität der Recyclate nimmt in der Regel mit jedem Recyclingprozeß ab.

Duales System Deutschland Abk.: DSD. Die Duale System Deutschland GmbH wurde 1990 im Vorgriff auf die ab 1991 geltende -»Verpackungsverordnung gegründet. Es ist eine privatwirtschaftliche Organisation, die die in der Verpackungsverordnung festgelegte Verpflichtung der Industrie und des Handels zur stofflichen Verwertung von Verkaufsverpackungen stellvertretend für die einzelnen Unternehmen erfüllt, welche diesen im Rahmen der Neuordnung der Abfallentsorgung durch das —»Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz auferlegt wurde. Die Gesellschaft hat hierfür ein neben der öffentlichen Abfallentsorgung bestehendes, weiteres (duales) flächendekkendes Erfassungs- und Verwertungssystems aufgebaut. Das Duale System organisiert

Duales System Deutschland lediglich die Sammlung, Sortierung und Verwertung der Verpackungen, betreibt selbst aber keine Anlagen. Die Finanzierung des Dualen Systems erfolgt über die Lizenzentgelteinnahmen für den „Grünen Punkt" (Label auf den jeweiligen Verpackungen). Mit Erwerb einer Lizenz können die Lizenznehmer die Verpackungen über das Duale System stofflich verwerten lassen. Nimmt ein Unternehmen nicht am Dualen System teil, so hat es seine Verpakkungen selbst zu verwerten.

Duales System Deutschland Die Verpackungsverordnung schreibt hierzu detaillierte Verwertungsquoten vor. Zur Prüfung der stofflichen Verwertung der aussortierten Verpackungen sind den Abfallbehörden der Länder nachprüfbare Beweise vorzulegen. Werden die festgelegten Erfassungs- und Sortierungsquoten sowie die Verwertungsnachweise vom Dualen System nicht erfüllt, hat die Verwertung durch das einzelne Unternehmen zu erfolgen.

71

ECE

Ecolainment

E ECE Abk. für Economic Council of Europe, Unterkommission der UN für Europa. Das ECE verabschiedete 1979 die „Convention on Long-range Transboundary Air Pollution" mit dem integrierten Modell der -»critical loads/levels.

Ecological Economics -»Ökologische Ökonomie

Ecological footprint („ökologischer Fußabdruck") ist eine Darstellungsform, die die Umweltverschmutzung eines Landes in Relation zu seiner geographischen Ausdehnung visualisiert. Der „ökologische Fußabdruck" von Industrieländern übersteigt deren Ländergrenzen in erheblichem Maße, d. h. die durch diese Staaten verursachten Umweltbelastungen übersteigen den ihnen entsprechend ihrer geographischen Größe zubilligbaren Anteil an Umweltverschmutzung.

Ecology-push/pull Strategien Bei der ecology-push Strategie werden Unternehmen durch staatliche -»Umweltpolitik zur Produktion umweltfreundlicher Produkte angehalten, wohingegen bei der ecology-pull Strategie die Konsumenten umweltfreundliche Produkte nachfragen und somit die Unternehmen über den Markt zur Berücksichtigung ökologischer Aspekte in ihrer Produkt-, Sortiments- und Produktionsgestaltung anreizen.

Economies of scale and scope umfassen Größenvorteile (z. B. Fixkostendgression und Lerneffekte) sowie Verbundvorteile, die aus Synergieeffekten resultieren („2 + 2 = 5").

Ecotainment Der Begriff des Ecotainments wurde von Lichtl geprägt und beschreibt eine Marketingstrategie, die auf einem emotionalen -»Kommunikationskonzept zur effektiven Verbreitung ökologierelevanter Inhalte und Produkte basiert. Lichtl beschreibt das Ecotainment: „(...) als neue Art der Produktwerbung, die Konsumenten über die rein emotionale Inszenierung attraktiver Lebensstile zu einem umweltgerechten Verhalten anregt. Ausgangspunkt der Überlegungen sind die durch Emotionalisierung und Visualisierung geprägte moderne Erlebnis- und Mediengesellschaft". Das Konzept des Ecotainments wurde entwickelt, da das konventionelle —»Umweltmarketing ab Mitte der 90er Jahre kaum mehr neue Konsumentengruppen angesprochen hatte. Lichtl's Analyse war, daß dieses konventionelle Umweltmarketing durch ein Überangebot negativer ökologischer -»Informationsinhalte eine erhebliche Sättigungswirkung bei den Konsumenten verursacht hat. Ebenso war die Glaubwürdigkeit der Werbenden mangelhaft ausgeprägt. 1. Das Konzept des Ecotainments Der gesellschaftliche Anspruch des Ecotainments besitzt zwei Zielrichtungen. Zum einen wird der Anspruch erhoben, die sozialökologische Verantwortung der MarketingAkteure zu erhöhen, wenn sie durch ihre Markenstrategien Lebensstile und Konsumverhalten der Konsumenten verändern. Zum anderen soll durch die neue -»Marketingund Kommunikationsform des Ecotainments besonders diejenigen gesellschaftlichen Kreise angesprochen werden, die nicht oder nur unzureichend mit dem konventionellen Umweltmarketing ansprechbar sind. Um diese große gesellschaftliche Gruppe anzusprechen, sind effiziente Kommunikationskonzepte notwendig. Diese Konzepte basieren auf der Einsicht, daß breite gesellschaftliche Schichten nicht 73

Ecotainment

durch sachliche oder gar wissenschaftliche Argumentationsstrategien ansprechbar sind. Lichtl plädiert für eine: „(...) radikale Emotionalisierung bei der massenmedialen Vermittlung ökologischer Botschaften. Die sich verschärfende ökologische Krise soll in der Umweltwerbung mit den „großen" Gefühlen aufgearbeitet werden: Faszination der Konsumenten durch Sinnlichkeit, Leidenschaft, Genuß und Musikalität in der medialen Inszenierung von Umweltthemen als Vehikel für eine nachhaltige Beeinflussung von umweltrelevanten Einstellungen und Verhalten im täglichen Leben". Neben der Verhaltensänderung der Marktakteure zielt das Ecotainment auf die klassische Absatzförderung von Produkten ab. Ziel ist es, dem Interessierten ein MarketingInstrument an die Hand zu geben, das durch ein sozial- und umweltverantwortliches respektive nachhaltiges Produkt- bzw. Markenmarketing Wettbewerbsvorteile bietet. Im Gegensatz zum konventionellen Umweltmarketing versucht das Ecotainment nicht den betrieblichen -»Umweltschutz (Herstellung der Produkte) in den Vordergrund zu stellen, sondern die Nutzungsphase der Produkte bei den Konsumenten. Zielfokus sind z. B. eben nicht mehr ausschließlich die 3 Millionen deutschen Unternehmen, sondern ebenso die 30 Millionen Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland. Ansatzpunkt des Ecotainments ist das enorme finanzielle und geistige Potential der Produktwerbung. Allein in Deutschland wurden 1997 über 56.000 Millionen DM für die Produktwerbung ausgegeben. Auf dieses Potential, das mehrheitlich in die Markenwerbung investiert wird, setzt das Ecotainment. Zielgruppe des Ecotainments sind in erster Linie diejenigen, die sich „resistent" gegen das bisherige Umweltmarketing erwiesen haben. Eine Studie des —»Umweltbundesamtes nennt diesen Menschentypen „indifferent". Dieser Mensch nimmt rational die Umweltproblematik als gesellschaftliches

74

Ecotainment

Problem wahr, nicht aber als sein persönliches. Ihn interessiert hingegen viel mehr die eigene Spaß- und Erlebniswelt. Sein Motto lautet in einer vom -»Umweltbundesamt in Auftrag gegebenen Studie treffend auf den Punkt gebracht: „Das Leben genießen trotz alledem, keine Lust auf Frust". Das bisherige Umweltmarketing, das sich durch die Darstellung der ökologischen Realität und der vielfältigen Informationen auszeichnet, geht somit ins Leere. Dieser Menschentyp lehnt ethisch induzierte Verhaltensappelle oder gar „Belehrungen" ab. Vielmehr wird durch das konventionelle Umweltmarketing (ethische Grundsätze, Information, Tatsachendarstellungen) genau das Gegenteil von der eigentlich gewünschten Verhaltsänderung erreicht: Dieser Konsumententyp reagiert mit Ohnmacht oder gar Trotz auf die Umweltproblematik - ganz nach dem Motto: „Jetzt aber erst recht oder nach mir die Sintflut". Lichtl beschreibt insgesamt vier Kernelemente des Ecotainments: 1.

Ecotainment ist eine Form der -»Umweltkommunikation, die im Sinne von -»Sustainable Development das nachhaltige -»Konsumentenverhalten von Menschen in der Produktnutzungsphase beeinflussen möchte.

2.

Ecotainment greift hinsichtlich dieser Zielsetzung auf das Instrumentarium der Markenwerbung zurück.

3.

Anstatt auf sachlich-argumentativen Darstellungsformen basiert Ecotainment auf einem radikal emotionalen Kommunikationsstil.

4.

Fokussierung auf eine abgegrenzte Zielgruppe: Ecotainment ist eine Kommunikationsform, die primär ökologisch wenig interessierte Konsumenten adressiert.

Effizienz, umweltpolitischer Maßnahmen

EG-Öko-Audit-Verordnung

Abb. 1 : Konzept des Ecotainments

2. Zukunftsperspektiven Das Ecotainment soll kein Ersatz des klassischen Marketings darstellen. Es soll vielmehr als eine Ergänzung des konventionellen Umweltmarketings dienen. Es zielt nicht auf die Vermittlung von Sachverhalten, sondern auf die Vermittlung emotionaler Botschaften ab. Im Zeitalter multimedialer Werbetechnologie erscheint es interessant, das Ecotainment in eine Art e-tainment zu erweitern. Das e steht stellvertretend für die vier e's.: 1. 2. 3. 4.

ecological; economical; electronical; emotional.

Bedingt durch die rasante Umgestaltung der Werbewirtschaft durch das e-buisness, können via Internet völlig neue Zielgruppen durch das e-tainment erreicht werden. Bedingt durch die Interaktivität des Internets können erlebnisorientierte und emotionale Kommunikationsinhalte in einem völlig neuen Maßstab ausgetauscht werden. Das Internet bzw. Anwendungen die durch das Internet beeinflusst werden (digitales TV, enhanced TV, virtuelle Marktplätze, etc.), können in idealer Weise die Botschaften des Ecotainments neuen Konsumentengruppen näher bringen.

Weiterfuhrende Literatur: Poferl, AJ Schilling, KJ Brand, K.- W:. Umweltbewußtsein und Alltagshandeln (Umweltbundesamt, Hrsg.), Opladen 1997; Lichtl, M.: Ecotainment. Der neue Weg im Umweltmarketing. Emotionale Werbebotschaften. Sustainability. Cross-Marketing, Wien/Frankfurt 1999; Zerdick, A./ Picot, AJ Schrape, KJ Artopé, AJ Goldhammer, KJ Lange, UJ Vierkant, EJ Lopez- Escobar, EJ Silverstone, R.: Die Internet-Ökonomie. Strategien für die Digitale Wirtschaft, European Communication Council Report, Berlin 1999. Dipl.-Oec. M. Kreeb

Effizienz, umweltpolitischer MaOnahmen Umweltpolitische Maßnahmen sind effizient, wenn vorgegebene umweltpolitische Ziele mit minimalen volkswirtschaftlichen Gesamtkosten erreicht werden bzw. wenn bei gegebenen volkswirtschaftlichen Gesamtkosten möglichst hohe Umweltqualitätsverbesserungen erzielt werden. ->Umweltpolitik

EG-Öko-Audit-Verordnung, inklusive nationalem Umsetzungsrecht 1. Varianten wirtschaftlicher Überwachung Jede wirtschaftliche Tätigkeit unterliegt in der Bundesrepublik behördlicher Überwachung - es gibt die Überwachung von Hand75

EG-Öko-Audit-Verordnung werksbetrieben, Industriebetrieben sowie von Dienstleistern (z. B. Banken, Versicherungen). Die Überwachung erfolgt auf der Grundlage öffentlichen Wirtschaftsrechts; es legt den Kontrollmaßstab sowie die für die Kontrolle zuständige staatliche Institution fest. Wirtschaftsaufsicht generell und -»Gewerbeaufsicht speziell sind staatliche Tätigkeiten. Infolge finanzieller und damit verbunden personeller Engpässe ist die kontrollierende Tätigkeit des Staates heute weder flächendeckend noch effektiv; sie beschränkt sich auf Schwerpunkte. Da aber die Einhaltung des geltenden Rechts für ein aufgeklärten Vorstellungen entsprechendes Gemeinwesen weitgehend notwendige Bedingung ist, darf der Staat es bei einer punktuellen Kontrolle nicht bewenden lassen, sondern die staatliche Kontrolle benötigt eine Ergänzung. Diese betrifft nicht den Kontrollmaßstab ihn setzt das geltende Recht in Gestalt von Rechtsvorschriften, die das Parlament und der Verordnungsgeber erlassen haben, sondern das Personal; an die Stelle der beim Staat (im weiteren Sinne) beschäftigten Personen treten solche, die entweder bei der zu überwachenden Einrichtung selbst oder bei Dritten angestellt oder freiberuflich tätig sind - es handelt sich um die sogenannten „Beauftragten"; diese gibt es für die unterschiedlichsten Aufgaben; hier interessieren die Umweltbeauftragten bzw. genauer die Betriebsbeauftragten für Gewässerschutz, -»Abfall, Immissionsschutz et cetera. Kennzeichnend für diese Personen ist, daß sie von der Geschäftsführung des Unternehmens bestellt und von ihm finanziert werden, um (u. a.) Kontrolltätigkeit zu verrichten, die sicherstellen soll, daß Verstöße gegen das geltende Recht unterbleiben. Kennzeichnend für diese Personen ist ferner, daß ihre Bestellung für bestimmte Unternehmen verpflichtend ist, und daß nur bestimmte Personen bestellt werden können; die Einhaltung beider Rechtspflichten kontrolliert wiederum der Staat. Das —»„System" des Beauftragten bewirkt im Ergebnis eine Semiprivatisierung der Kontrolltätigkeit. Jenseits staatlicher Einflußmöglichkeit liegt die Überwachung der Einhaltung des Umweltrechts durch ein Unternehmen entsprechend der Öko-AuditVerordnung: Die Teilnahme am Öko-Audit ist freiwillig. Staatlichem Zugriff unterliegt

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EG-Öko-Audit-Verordnung lediglich die Bestellung der externen Auditoren, deren Tätigkeit staatlich kontrolliert wird. 2. Inhalt, Anlaß und Rechtsgrundlage des Öko-Audits Umwelt-Audits sind systematische, umwelttechnische und umweltrechtliche Betriebsprüfungen; sie dienen der Feststellung, ob und mit welcher Qualität Umweltschutzorganisation, Umweltschutzmanagement und Umweltschutzeinrichtungen innerhalb einer Unternehmung, eines Betriebs oder eines Werks funktionieren; sie zielen darauf ab, leistungsfähige betriebliche Umweltschutzinstrumente einzuführen und die Öffentlichkeit auf der Grundlage von Prüfungen über die umweltorientierten Leistungen der Unternehmen zu informieren (environmental Performance). Umwelt-Audits sind ein Managementinstrument. Es entwickelte sich Ende der 70. Jahre in den USA, um die Umwelthaftungsrisiken eines Unternehmens festzustellen sowie die Einhaltung schärferer Umweltgesetze sicherzustellen. Europäische Unternehmen übernahmen dieses Management-System, um mit seiner Hilfe den gesetzlichen bzw. behördlichen Vorgaben zu genügen und um nachträglichen behördlichen Eingriffen in Betriebsabläufe zu entgehen. Ein -»Umweltmanagementsystem mit diesen Funktionen spricht die am -»Umweltschutz interessierte Öffentlichkeit nicht an, sondern ist ausschließlich auf die Relation Unternehmen/Staat orientiert. Wenn die Öffentlichkeit in diese Relation mit einbezogen werden soll, indem beispielsweise das Unternehmen mit einem erfolgreich durchgeführten Umwelt-Audit wirbt, muß die Durchführung des Umwelt-Audits formalisiert werden, damit mit Blick auf die Werbung Wettbewerbsgleichheit herrscht. Die EGKommission hat Anfang der 90er Jahre den Wunsch der Unternehmen aufgegriffen, die Durchführung eines Umwelt-Audits zu formalisieren. Die in Kraft getretene Verordnung baut das Umwelt-Audit zu einem umfassenden System öffentlich kontrollierter, betrieblicher Selbstkontrolle aus, dem gemeinschaftsrechtlich geprägten „Öko-

EG-Öko-Audit-Verordnung Audit-System". Die Durchführung eines Öko-Audits erfolgt in Deutschland auf der Grundlage einer EG-Verordnung und deutschem Recht, welches die EG-Verordnung ergänzt. Die EG-Verordnung heißt: Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 des Rates vom 29. Juni 1993 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das -»Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfüng, ABl. EG Nr. L 168 vom 10. 7. 1993 S. 1. Das nationale Recht ist das folgende: Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 des Rates vom 29. Juni 1993 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung-Umweltauditgesetz (vom 7. 12. 1995, BGBl. I S. 1591); Verordnung über das Verfahren zur Zulassung von Umweltgutachtern und Umweltgutachterorganisationen sowie zur Erteilung von Fachkenntnisbescheinigungen nach dem Umweltauditgesetz (vom 18. 12. 1995, BGBl. I S. 1841); Verordnung über die Beleihung der Zulassungsstelle nach dem Umweltauditgesetz (vom 18. 12. 1995, BGBl. I S. 2013); Verordnung über Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen der Zulassungsstelle und des Widerspruchsausschusses bei der Durchführung des Umweltauditgesetzes (vom 18. 12. 1995, BGBl. I S. 2014). 3. Das Öko-Audit-System Allgemeines: Qualitätsmanagement-Systeme haben den internen Betriebsablauf und das Produkt im Sinn. Öko-Audit-Systeme haben den internen Betriebsablauf und die -»Umwelt im Sinn - das Produkt ist unter dem Aspekt seiner Umweltfreundlichkeit in das System eingeschlossen. Der Ansatz des Öko-Audits ist deshalb umfassender. Noch ein weiterer Unterschied ist zu konstatieren: Das ÖkoAudit ist gesetzlich normiert. Freilich besteht zwischen beiden System insoweit Gleichheit, als die Teilnahme an ihnen durch Unternehmen oder Unternehmensteile freiwillig ist. Es gibt also keinen gesetzlichen Zwang zur Systemstabilisierung durch Teilnahme am System.

EG-Öko-Audit-Verordnung Innerhalb der Instrumente des Umweltrechts hat das Öko-Audit-System eine gesonderte Position: Es wird auf freiwilliger Basis eine kontrollierte Selbstüberprüfung des Unternehmens ermöglicht. Ziel des Umweltschutzaudits ist die Implementierung eines Managementsystems, welches die Probleme des Betriebs in Umweltfragen durch systematische Prüfung und Kontrolle aufdeckt und dabei Lösungswege aufzeigt. Es ist damit ein Instrument der indirekten Steuerung und der Versuch, marktwirtschaftliche Mechanismen in das -»Umweltrecht zu integrieren. Das Auditing gilt als eine Art umweltrechtlicher Betriebsprüfung, für die entsprechende -»Organisations- und Mangagementstrukturen vom Betrieb geschaffen werden müssen. Die eindeutige Zugehörigkeit dieses Umweltinstruments in den betriebswirtschaftlichen Bereich des Controllings fordert die Einrichtung eines sog. —»Umweltcontrollings, das nicht nur auf entsprechende Energie- und Rohstoffbilanzen allein beschränkt bleiben kann, sondern ebenfalls die betriebswirtschaftlichen Bereiche Marketing, Vertrieb, Personalpolitik, -»Forschung und Entwicklung berücksichtigen muß. Das Instrument des Umweltschutz-Auditing verwirklicht eine Sichtweise auf ein Unternehmen, welches dieses als Ganzes in den Blick nimmt, indem es die Kontrollmaßnahmen in den Betriebsablauf integriert. Ein aktueller Informationsaustausch mit der Unternehmensleitung ist von besonderer Bedeutung; der gesamte Bereich des Umweltschutzes sollte Chefsache werden. Die internationale Industrie- und Handelskammer (ICC) hat ein Umweltaudit auf freiwilliger Basis anerkannt und sich zu diesem in einem Arbeitspapier geäußert. Die ICC definiert das Umweltauditing als ein „Managementinstrument, das einer systematischen, dokumentierten, periodischen und objektiven Beurteilung dient, wie gutes Umweltschutzorganisationsmanagement und -einrichtungen in einem Unternehmen funktionieren, um den Schutz der Umwelt zu fördern". Dieser Entwurf sieht aber lediglich eine interne Bewertung und Analyse und keine Veröffentlichung der Daten vor. Ziel ist es aber auch, hierbei „umfassend und 77

EG-Öko-Audit-Verordnung kostensparend die betrieblichen Umweltpotentiale auszuschöpfen". Ebenfalls sollen die eigenverantwortlichen Maßnahmen der Unternehmen vertrauensbildend in der Bevölkerung und bei den Behörden wirken, um verlorengegangenes Vertrauenspotential zurückzugewinnen.

EG-Öko-Audit-Verordnung

• •

Die EG-Verordnung nimmt einleitend Bezug auf die Maastrichter Beschlüsse und hebt die Bedeutung eines umweltgerechten Wachstums hervor, welches nach Ansicht des Rates nur über den Weg der Stärkung der Eigenverantwortung der Wirtschaft möglich ist; die Industrie trage die Eigenverantwortung für die Umweltfolgen ihrer Tätigkeit und sollte daher in diesem Bereich zu einem aktiven Konzept kommen. Die Unternehmen werden aufgefordert, ihre -»Umweltpolitik konkret festzulegen, die auch eine Verpflichtung zur angemessenen kontinuierlichen Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes umfassen sollte. Gegenstand und Durchfuhrung: Die EG-Verordnung ist weitreichender als das Modell der ICC, da sowohl die Prüfung der -»Umweltberichte durch exteme Prüfer als auch deren Veröffentlichung vorgesehen ist. Das neue System wird vom Rat der EG definiert als ein System „zur Bewertung und Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes im Rahmen von gewerblichen Tätigkeiten". Es ist ein „Managementsystem, das eine systematische ... und objektive Bewertung des Managements und der Ausrüstung umfaßt". Die Kontrolle von ökologischen Praktiken durch das —»Management ist zu erleichtern; -»Instrumente, die diese Erleichterung ermöglichen, sind: •



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Erarbeitung eines Umweltprogramms; dieses umfaßt: eine Festlegung der Verantwortung für die Umweltziele in jedem Aufgabenbereich und auf jeder Ebene des Betriebs; die Festlegung der Mittel, mit denen diese Ziele erreicht werden können, insbesondere: Vorkehrungen, die gewährleisten, daß sich die Beschäftigten auf allen Ebenen bewußt sind über die Auswirkungen ihrer Arbeit auf die

Umwelt, ihre Rolle und Verantwortung bei der Einhaltung der Umweltziele des Unternehmens, die möglichen Folgen eines Abweichens von den festgelegten Arbeitsabläufen; Ausbildung der verantwortlichen Mitarbeiter; Führung von Verzeichnissen aller Rechts- und Verwaltungsvorschriften und Entwicklung von Verfahren für die Registrierung der Vorschriften in bezug auf die umweltrelevanten Aspekte der Tätigkeiten des Betriebs, seiner Produkte und seiner Dienstleistungen.

Vorschriften in Bezug auf Umweltpolitik, -Programme und -managementsysteme finden sich im Anhang I der EGVerordnung; das gerade Vorgestellte bildet einen Ausschnitt aus diesem Katalog. Der Katalog läßt sich mit dem Begriff „Querschnittsklausel" skizzieren, der seit der Einheitlichen Europäischen Akte für das europäische Umweltschutzrecht maßgeblich ist und der besagt, daß der Umweltschutz künftig bei der Festlegung und Durchführung aller Gemeinschaftsaufgaben einzubeziehen und daß insofern ein „hohes Schutzniveau" anzustreben ist; was für die Gemeinschaft als Ganzes gilt, soll auch für die einzelnen Unternehmen gelten. Ein Umwelt-Audit läuft folgendermaßen ab: Es lassen sich drei aufeinander aufbauende Phasen unterscheiden: 1. 2. 3.

die Vorbereitungphase, die Informationsbeschaffungsphase und die Berichtsphase.

In der Vorbereitungsphase, der Ist-Analyse, werden der Standort, der Gegenstandsbereich (scoping) und das sogenannte Audit-Team festgelegt. Dieses sollte direkt der Unternehmensleitung unterstellt sein, um einen direkten Informationsfluß zu gewährleisten. Arbeitsinstrumente während der Einstiegsphase sind die Einstiegscheckliste oder auch grob Checkliste genannt; diese sollte alle wesentlichen zu bearbeitenden Themenbereiche enthalten; sowie weiterhin eine Budgetaufstellung zur Kostenverifizierung und ein Zeitplan. Gleichzeitig ist die Bildung

EG-Öko-Audit-Verordnung

des Audit-Teams eine vorrangige Aufgabe, wobei hier die genauen Ressortbereiche und Aufgaben, Geheimhaltungsvereinbarungen und Kommunikationsmodi festgelegt werden müssen; innerhalb dieses Teams werden auch entsprechend zu ermittelnde Datenumfänge festgelegt, die innerhalb der zweiten Phase des Auditing abgearbeitet werden sollen. Die zweite Phase des Auditing ist gekennzeichnet durch die Informationsbeschaffung vor Ort. Bei Betriebsbegehungen werden direkte Interviews mit den unmittelbar Beteiligten gefuhrt, Messungen getätigt und Überprüfungen von Ausrüstungsbedingungen und Organisationsabläufen nachvollzogen. Die Ergebnisse werden in die in der ersten Phase erstellte Checkliste eingetragen, die im weiteren Verlauf von den Teammitgliedern ausgewertet und als Grundlage einer Detailcheckliste (Umweltdatenraster) dient. Diese sollte dann in einem übersichtlichen Raster sämtliche Umweltdaten des Betriebsstandorts wiedergeben, so daß im Endeffekt ein Soll-Ist-Vergleich, das eigentliche Audit, ermöglicht wird. Eine Aufstellung des Umweltdatenrasters enthält die Arbeitsschritte der Datensichtung und -Sicherung, der Betriebsbegehung und der Durchfuhrung von Interviews sowie der Literaturrecherchen zur Aufdeckung technischer Zusammenhänge. Die Feineinteilung sollte nach Möglichkeit übersichtlich gegliedert werden, eine Aufteilung nach den belasteten -»Umweltmedien, wie sie die Umweltgesetze vorgegeben, muß erfolgen. Dazu müssen die abschätzbaren Wechselwirkungen, die bei den verschiedenen Abläufen, Prozeßen und Substanzen entstehen, beachtet werden. Anhand der ermittelten Daten erfolgt die Aufstellung des betrieblichen Umweltdatenrasters mit anschließender Diskussion der Daten und des Umwelt-Ist-Zustandes am entsprechenden Betriebsstandort. Zu diesem Zeitpunkt kristallisieren sich dann auch entsprechende Datendefizite heraus, die vom UmweltAudit-Team bearbeitet und behoben werden müssen. In der Berichtsphase, der dritten Ablaufphase des Umweltauditing, findet ein Soll-IstVergleich statt, in dem die Ergebnisse der Informationsbeschaffung mit den Vorgaben

EG-Öko-Audit-Verordnung des Umweltrechts und den technischen Standards verglichen werden. Dieser Vergleich wird auch als das „eigentliche Audit" bezeichnet. In der Ist-Analyse im Datenraster erfolgt nun eine Gegenüberstellung der aktuellen Gesetze, von Verordnungen und technischen Anleitungen mit den betrieblich vorhandenen ->Umweltstandards. Hier zeigen sich betriebliche Stärken und Schwächen, die im Audit-Team diskutiert werden und direkt dem Standortmanagement sowie der Unternehmensleitung mitgeteilt werden sollten. Danach wird ein Abschlußbericht verfaßt, der nochmals die zu ergreifenden Maßnahmen hervorhebt und die entsprechenden Fristen für eine Behebung eventueller Schwächen festlegt. Dieser Bericht ist die Grundlage für die Erstellung eines Reaktionspapiers, welches konkrete Änderungen in der Betriebsorganisation vorschlägt. Die geeigneten Korrekturmaßnahmen werden von der Unternehmensleitung und dem Audit-Team dem jeweiligen Standortmanagement mitgeteilt und entsprechende Korrekturen im Produktionsablauf veranlaßt. Von Vorteil ist, daß die gesamte Informationsbeschaffung und Informationsbeurteilung von unabhängigen, neutralen Bearbeitern durchgeführt wird. Das Unternehmen erstellt nach der ersten erfolgreichen Umweltprüfung eine knappe und verständliche —»Umwelterklärung, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Nicht alle Daten müssen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden; eine Rechtspflicht zur Publikation entfällt selbstredend bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Nach der offiziellen Anerkennung der Umwelt-Betriebsprüfung durch die vollziehende Behörde wird dem Unternehmen ein -»Umweltzeichen zuerkannt. Das zuvor Dargelegte sowie die Folgeprüfung läßt sich ausdifferenzieren, und zwar in insgesamt zehn Schritte (ich zitiere im Zusammenhang dieser zehn Schritte jeweils in Klammern die einschlägigen Normen der EG-Verordnung): •

erster Schritt: Festlegung einer betrieblichen Umweltpolitik (Art. 2a, 3a, Anhang I. A);

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EG-Öko-Audit-Verordnung



















zweiter Schritt: Umweltprüfung (Art. 2b und Art. 3b, Anhang I. C) am Standort, d. h. Durchführung einer IstAnalyse; dritter Schritt: Schaffung eines Umweltprogramms für den Standort (Durchführungsprogramm) und eines Umweltmanagementsystems (Organisation des Umweltschutzes) für alle Tätigkeiten an diesem Standort (Art. 2c, 2e, 3c Anhang I. A, B); vierter Schritt: Umweltbetriebsprüfung durchführen oder durchführen lassen, sog. interne und externe Audits (Art. 2 f, 3d, 4, Anhang I. C, II); fünfter Schritt: Erstellung einer knapp und verständlich verfaßten Umwelterklärung für jeden Standort, die der Öffentlichkeit zugänglich zu machen ist und gewisse Grundinformationen beinhalten soll (Art. 2h, 3f, 5 Anhang V); sechster Schritt: -»Validierung/Gültigkeitserklärung der erstellten -»Umwelterklärung durch einen zugelassenen unabhängigen Umweltgutachter (Art 21, 2m, 3g, 4 Abs. 3-7, Anhang III); siebenter Schritt: Anerkennung der umweltorientierten Leistung und gebührenpflichtige Eintragung des Standorts in ein Verzeichnis durch die zuständigen nationalen Stellen; achter Schritt: Veröffentlichung des Verzeichnisses durch die zuständigen nationalen Stellen (Art. 9); neunter Schritt: Berechtigung des Unternehmens, für den eingetragenen Standort, eine Teilnahmeerklärung mit dem EG-Emblem zu verwenden (Art. 10, Anhang IV); zehnter Schritt: regelmäßige Wiederholung der durchgeführten Prüfung.

Wie schon dargelegt, sind die Unternehmen verpflichtet, eine Umweltpolitik festzulegen. Art. 3 a enthält in der Zusammenschau mit den Bestimmungen des Anhangs I inhaltliche Vorgaben für die festzulegende Umweltpolitik. Sie muß zum einen die Einhaltung aller einschlägigen Umweltvorschriften umfassen, zum anderen eine -»Selbstverpflichtung des Unternehmens zur kontinuierlichen Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes am 80

EG-Öko-Audit-Verordnung Maßstab der besten verfügbaren Technik enthalten. Die Verpflichtung zur Einhaltung des einschlägigen Umweltrechts könnte als bloße Selbstverständlichkeit aufgefaßt werden, da dieses ohnehin schon eine Pflicht der teilnehmenden Unternehmen sei. Jedoch erhält die Einhaltung des Umweltrechts erst durch die Verknüpfung mit der im Rahmen der Verordnung zu erstellenden Umweltpolitik eine eigenständige Funktion innerhalb des Systems: Es werden zwar keine neuen Pflichten für die Unternehmen begründet, deren tatsächliche Erfüllung aber zum Gegenstand des Systems einschließlich der -»Zertifizierung gemacht. Insofern ist das System auch dazu bestimmt und geeignet, die bestehenden Vollzugsdefizite abzubauen. Über die Erfüllung der umweltrechtlichen Vorgaben hinaus müssen die teilnehmenden Unternehmen eine stetige Verbesserung des Umweltschutzes anstreben. Sie haben dazu in die Umweltpolitik eine Selbstverpflichtung aufzunehmen, nach der sie den betrieblichen Umweltschutz angemessen kontinuierlich zu verbessern haben. Nicht ausreichend ist die Aufnahme einer pauschalen Erklärung in die Umweltpolitik, das Unternehmen verpflichte sich zur Verbesserung. Der Wortlaut des Art. 3 a spricht insofern von Verpflichtungen, die das Unternehmen einzugehen hat, was bedeutet, daß in der Umweltpolitik konkrete Bereiche festgeschrieben werden müssen, in denen Verbesserungen nötig oder möglich erscheinen. Durch diese Bestimmung soll der Prozeß des betrieblichen Umweltschutzes eine Dynamisierung erfahren, die realen Umweltauswirkungen über den durch die Umweltgesetzgebung vorgegebenen Mindeststandard hinaus vermindert werden. Die besondere Bedeutung der Verpflichtung besteht vor allem darin, daß auch der nicht gesetzlich geregelte Bereich des Umweltschutzes erfaßt wird, insbesondere durch die Aufnahme des Maßstabs der „wirtschaftlich vertretbaren Anwendung der besten verfügbaren Technik", die das Ziel der anzustrebenden Verbesserung vorgibt, aber auch die Obergrenze der Verpflichtung zur Selbstverpflichtung setzt: Selbstverpflichtungen über das bezeichnete Niveau hinaus sind nicht erforderlich, kön-

EG-Öko-Audit-Verordnung nen aber natürlich von den Unternehmen eingegangen werden. Das Niveau, das durch die beste verfügbare Technik in wirtschaftlich vertretbarer Anwendung umschrieben wird, soll niedriger sein als das durch den im deutschen Recht verwendeten Begriff „-»Stand der Technik" Bezeichnete. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Bei beiden Begriffen spielt die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Anwendung eine Rolle. Wenngleich der Schwerpunkt bei der „besten verfügbaren Technik in wirtschaftlich vertretbarer Anwendung" eher auf einer konkreten Abwägung im Einzelall liegen mag als dies beim „Stand der Technik" der Fall ist, so wird die Unterscheidung wegen der Auslegungsbedürftigkeit beider Begriffe in der Praxis kaum relevant werden. Auch abstrakt-begrifflich liegen keine Unterschiede vor. Für die Richtigkeit dieser Auffassung spricht, daß der auslegungsbedürftige Begriff auf Drängen der deutschen Seite in die Verordnung gelangt ist. Auf deutscher Seite bestanden Zweifel, ob die Verordnung tatsächlich ihr Ziel, die Verbesserung der Umweltleistung, erreichen könne, da es an ausreichenden materiellen Maßstäben für die Verringerung der -»Umweltbelastung fehle. Die deutsche Wirtschaft befürchtete vor allem Wettbewerbsnachteile dadurch, daß bei fehlenden verbindlichen Zielbestimmungen der durch das relativ strenge deutsche Umweltrecht vergleichsweises hohe Schutzstandard nicht genügend honoriert werden würde, wenn Teilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten, die ein geringeres Niveau der Umweltleistungen aufwiesen, die Zertifizierung leichter erreichen könnten. Dieses verdeutlicht die Funktion des Maßstabs der besten verfugbaren Technik, eine einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsystems auf einem anspruchsvollen Niveau sicherzustellen - nämlich auf dem deutschen Niveau; dieses aber wird bezeichnet mit Hilfe des Begriffs „Stand der Technik". Vorgaben bezüglich der zu berücksichtigenden Aspekte im Rahmen der Umweltpolitik enthält Anhang I, auf den Art. 3a verweist. Für die Umweltpolitik, die für das gesamte Unternehmen festzulegen ist, sind dieses die „guten Managementpraktiken", Anhang I D: eine Liste von elf Handlungsgrundsätzen, auf

EG-Öko-Audit-Verordnung denen die Umweltpolitik zu beruhen hat und deren Berücksichtigung regelmäßig zu überprüfen ist; dazu gehören auch die Verpflichtung zur Förderung des -»Umweltbewußtseins der Arbeitnehmerschaft, zur Beurteilung und Vermeidung von Umweltauswirkungen gegenwärtiger und zukünftiger Untemehmensaktivitäten, zur Einrichtung von Kontrollverfahren sowie zur Kooperation mit Behörden und der Öffentlichkeit. Mit der Formulierung dieser „guten Managementpraktiken", an denen sich die Umweltpolitik des Unternehmens zu orientieren hat, greift das Öko-Audit-System auf eine aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis stammende Regelungstechnik zurück. Von dieser Regelungstechnik hat das deutsche Recht bereits mehrfach Gebrauch gemacht: z. B. durch die Einfuhrung der Grundsätze der „Guten Laborpraxis" im Bereich des Chemikalienrechts und im Bereich des Lebensmittelrechts durch die Erarbeitung der „Guten Hygienepraxis". Gründe für die Teilnahme am System: Es ist ein Blick zu werfen auf die Gründe, die ein Unternehmen dazu bewegen könnten, sich einem Öko-Audit zu unterziehen. In der Literatur wird insofern in erster Linie das Recht der beteiligten Unternehmen angesprochen, das sog. Öko-Audit-Zeichen zu verwenden; dieses Zeichen hat werbenden Charakter. Freilich reichen die Vorteile weiter: Es kann eine Reduzierung der Gefahr einer zivilrechtlichen —»Umwelthaftung erreicht werden. Diese Reduktion ergibt sich daraus, daß eine kontinuierliche Überwachung von Gefahrenquellen dazu führt, frühzeitig Fehler zu erkennen und die Fehler zu korrigieren. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an das Umwelthaftungsgesetz, welches ein System der —»Gefährdungshaftung in das deutsche Haftungsrecht eingeführt hat. Zum Teil besteht wohl schon nach deutschem Recht eine Kausalhaftung, da unabhängig von einem rechtswidrigen Verhalten und auch für den Fall bestimmungsgemäßen Betreibens einer Anlage gehaftet wird. Es kann selbst dann gehaftet werden, wenn die besonderen Betriebspflichten zum Schutz der Umwelt eingehalten wurden und ein Störfall nicht vorliegt. Es liegt auf der Hand, daß die kontinuierliche

81

EG-Öko-Audit-Verordnung Überwachung des Betriebs dazu führt, die Häufigkeit des Eintritts dieser Haftung zu reduzieren. Neben diesen für ein Unternehmen offensichtlichen Vorteilen gibt es aber weitere Vorteile, die hier knapp erwähnt werden sollen: Der sich etablierende Umweltschutz im Unternehmen verbessert in erster Linie die Umweltqualität; durch die Ausnutzung des unternehmerischen Gestaltungsspielraums zum präventiven Umweltschutz kommt es zu einer mittel- und langfristigen Reduktion der Betriebskosten (insbesondere können Prozeßkosten und Bußgelder eingespart werden); durch das Öko-Audit können Potentiale aufgedeckt werden, wie das Unternehmen seinen Energie-, Wasser- und Rohstoffverbrauch reduzieren, umweltgefährdende Stoffe substituieren, Abfall vermeiden und die Recyclingquote erhöhen kann, wodurch weitere Kostenvorteile entstehen; im Audit-Verfahren kommt es zu einem abteilungsübergreifenden Informationsaustausch, der Notfallplanungen sowie die Koordinierung von Problemzusammenhängen erleichtert; durch den risikoreduzierten Betrieb verändert sich die Kalkulationsgrundlage nicht nur für die Ermittlung der Prämien zur Umwelthaftpflichtversicherung, sondern auch für die Kreditvergabe bei den Banken. 4. Das nationale Öko-Audit-Recht Der Rat der EG hat als Handlungsform für die Einführung des Öko-Audit-Systems den Verordnungsweg gewählt. Die Verordnung hat unmittelbare Geltung in den Mitgliedstaaten. Sie ist somit Bestandteil der nationalen Rechtsordnung. Es handelt sich bei der Audit-VO aber um eine atypische, weil sie in vielen Teilen ausfüllungsbedürftig ist und die Mitgliedstaaten sogar ausdrücklich dazu ermächtigt. Die Mitgliedstaaten waren bis zum 13. 4. 1995 dazu aufgefordert, die in ihren Art. 6 und Art. 18 Abs. 1 enthaltenen Regelungsaufträge umzusetzen. Dabei handelt es sich um: •

82

Regelungen im Hinblick auf die Zulassung von Umweltgutachtern und Umweltgutachterorganisationen;

EG-Öko-Audit-Verordnung

• •

die Aufsicht über die gutachterliche Tätigkeit; die Eintragung geprüfter Betriebsstandorte einschließlich der Benennung der jeweils zuständigen Stellen.

Diese Umsetzung ist durch das deutsche Recht erfolgt. a.) Gutachterzulassung: aa.) Die Zulassungsstelle: § 28 UAG ermächtigt das BMU, eine oder mehrere juristische Personen des Privatrechts mit den Aufgaben der Zulassungsstelle durch Rechtsverordnung zu beleihen. Von dieser Ermächtigung machte das B M U mit der UAG-Beleihungs-verordnung Gebrauch und belieh die von der Wirtschaft und den freien Berufen getragene „Deutsche Akkreditierungs- und Zulassungs-gesellschaft für Umweltgutachter mbH - D A U " mit den Aufgaben der Zulassungsstelle. Die DAU übt als beliehene juristische Person des Privatrechts hoheitliche Befugnisse aus und ist ein durch Bundesgesetz geschaffener Verwaltungsträger im weiteren Sinne. Sie gehört der mittelbaren Bundesverwaltung an und unterliegt der Aufsicht des Beleihenden, also des BMU. Die Aufsichtsbefugnisse des BMU sind in § 29 UAG geregelt. Danach führt das BMU die Rechtsaufsicht über die Zulassungsstelle; soweit diese jedoch im Rahmen der Aufsicht Ermessensentscheidungen treffen kann, steht dem BMU auch eine Aufsicht hinsichtlich der Zweckmäßigkeit dieser Entscheidungen zu. Es handelt sich um die in § 29 S. 1 UAG aufgeführten Ermessensentscheidungen im Rahmen der Beaufsichtigung zugelassener Umweltgutachter nach den § § 1 6 Abs. 2, 17 Abs. 3 Nr. 2 und 18 Abs. 3 UAG. Hauptaufgabe der Zulassungsstelle sind zum einen die Zulassungsentscheidungen, nämlich die Erteilung von Fachkenntnisbescheinigungen, die Zulassung von Umweltgutachtern und die Zulassung von Umweltgutachterorganisationen, sowie zum anderen die Aufsicht über die von ihr zugelassenen Umweltgutachter, Umweltgutachterorganisationen und Inhaber von Fachkenntnisbescheinigungen. Ferner hat die Zulassungsstelle folgende Aufgaben: die allgemeine

EG-Öko-Audit-Verordnung Anerkennung von Lehrgängen als Nachweis von Fachkenntnissen und von sonstigen Qualitätsnachweisen, die Führung des Zulassungsregisters, die Entgegennahme der Tätigkeitsanzeige von Umweltgutachtem und Umweltgutachterorganisationen, die in anderen EU-Mitgliedsstaaten zugelassen sind, sowie die Aufsicht über sie, und schließlich die regelmäßige Berichterstattungen an den Umweltgutachterausschuß. Die Zulassungsstelle hat beim „Kernteil" der Zulassung, nämlich bei der Feststellung der Fachkunde, nur verfahrensleitende Funktion: Sie hat die Prüfer für die einzelnen Zulassungs- und Bescheinigungsverfahren aus der Prüferliste auszuwählen und den Prüfungsvorsitzenden zu bestimmen. Die Feststellung der Fachkunde obliegt dagegen dem Prüfungsausschuß, der der Zulassungsstelle zugeordnet wird. ab.) Der Umweltgutachterausschuß: § 21 UAG sieht die Bildung eines Umweltgutachterausschußes beim BMU vor. Der Umweltgutachterausschuß setzt sich aus 25 Mitgliedern und deren Stellvertretern zusammen, welche durch die Dachorganisationen von Umweltgutachtern, Wirtschaft, Handwerk, —»Gewerkschaften und Umweltverbänden sowie von Bund und Ländern benannt werden. Die entscheidende Aufgabe des mit ehrenamtlich tätigen Experten besetzten Gremiums liegt darin, „Richtlinien für die Auslegung und Anwendung der §§ 4 bis 18 und aufgrund dieser Rechtsvorschriften ergangenen Rechtsverordnungen", also Richtlinien zu den Vorschriften über die Gutachterzulaßung, den Erwerb von Fachkenntnisbescheinigungen und die Aufsicht durch die Zulassungsstelle zu erlassen. Diese durch den Umweltgutachterausschuß zu erlassenden Richtlinien haben den Charakter von Verwaltungsvorschriften. Folgende Verwaltungsvorschriften hat der Gutachterausschuß erlassen: Richtlinie nach dem Umwelt-Audit-Gesetz für die mündliche Prüfung zur Feststellung der Fachkunde von Umweltgutachtern und Inhabern von Fachkenntnisbescheinigungen, vom 27. Juni 1996, BAnz. Nr. 211 S. 11985; Richtlinie nach dem Umwelt-Audit-Gesetz für die Akkreditierung von Zertifizierungsstellen für -»Umweltmanagementsysteme und entspre-

EG-Öko-Audit-Verordnung chende Zertifizierungsverfahren, vom 8. Dezember 1997, BAnz. Nr. 105 S. 7942; Richtlinie über die Voraussetzungen der Aufnahme von Bewerbern in die Prüferliste nach dem Umwelt-Audit-Gesetz, vom 18. März 1998, BAnz. Nr. 123, S. 9435. Weitere Aufgaben des Ausschusses sind: die Führung einer Prüferliste für die Besetzung der Prüfungsausschüsse der Zulassungsstelle; die Abgabe von Empfehlungen für die Besetzung des Widerspruchausschußes mit Beisitzern; die Beratung des Umweltministeriums in allen Zulassungs- und Aufsichtsangelegenheiten und die Mitwirkung an Anerkennungsentscheidungen fiir Qualifikationsnachweise nach § 13 UAG. Der Staat vergibt mit der Einrichtung des Umweltgutachterausschußes seine eigenständige und unabhängige Kompetenz zum Erlaß bindender Vorgaben für die Zulassungsstelle und überträgt diese einer Einrichtung, in der staatliche Vertreter zwar insgesamt mit neun Mitgliedern vertreten sind, sich jedoch deutlich in der Minderheit befinden. Die Mitglieder des Umweltausschusses arbeiten weisungsfrei. Der Ausschuß selbst unterliegt der Rechtsaufsicht, nicht aber der Fachaufsicht des Ministeriums. Dem Umweltgutachterausschuß kommt eine entscheidende Schnittstellenfunktion zwischen staatlicher Verwaltung und den im Umweltgutachterausschuß repräsentierten Interessen zu. Der Umweltgutachterausschuß ist rechtsfähig, soweit seine Kompetenzen nach § 21 Abs. 1 UAG reichen. Er ist damit eine teilrechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts und insoweit mit eigenen Rechten und Pflichten ausgestattet. Rechtsfähig ist der Umweltgutachterausschuß insbesondere im Hinblick auf den Erlaß bindender Richtlinien für die Zulassungsstelle. Diese Richtlinienkompetenz des Umweltgutachterausschußes ist eine Besonderheit, die ihre Erklärung in der Auseinandersetzung über die „richtige" Organisationsstruktur für Zulassungs- und Aufsichtsaufgaben findet. ac.) Widerspruchsausschuß: Kommt es zu einem Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt der Zulassungsstelle so entscheidet der beim BMU eingerichtete Wider83

EG-Öko-Audit-Verordnung

spruchsausschuß. Volljuristen,

Er

EG-Öko-Audit-Verordnung

besteht

der B e a m t e r

aus

der

einem

Bundesum-

weltverwaltung sein muß, als Vorsitzendem

vorhanden erscheinen läßt; es handelt sich im wesentlichen um ein Arbeitsverhältnis

mit

dem zu begutachtenden Unternehmen. Nach

und zwei vom Vorsitzenden zu berufenden

§

Beisitzern.

deijenige, der aufgrund seiner Ausbildung,

7

besitzt

die

erforderliche

Fachkunde

berufliche Bildung und praktischen zur ordnungsgemäßen

Erfah-

ad.) Gutachter/Gutachterorganisation/Inhaber

rung

von Fachkenntnisbescheinigungen: D i e EG-

ihm obliegenden Aufgaben geeignet ist; nach

Verordnung kennt mit B l i c k a u f die - » V a l i -

Abs.

Abschluß

Akteur: den zugelassenen Gutachter; es kann

einer Hochschule, ( 2 . ) ausreichende

sich nach Art. 2 bei ihm entweder um eine

kenntnisse über Methodik und Durchfuhrung

Einzelperson oder um eine —»Organisation

der

handeln. Das U A G

Management,

zwischen

Umweltgutachtern,

achterorganisationen,

Inhaber

hingegen

erfordert die Fachkunde eines

bestimmten

den

Studiums

Umweltbetriebsprüfung,

an

Fach-

betriebliches

betriebsbezogene

Umweltan-

Umweltgut-

gelegenheiten,

von

zu Tätigkeiten, a u f die sich die Begutachtung

Fach-

Rechts-

und

veröffentliche VerwaltungsVorschriften

und

gutachterorganisationen können eingetragene

Normen des betrieblichen

Vereine, Aktiengesellschaften,

( 3 . ) eine mindestens

und

sonstigen

Kommandit-

und

Zusammenhänge

Fachkenntnisnachweisen, § 2 . Als Umwelt-

kenntnisbescheinigungen

erstreckt,

technische

(1.)

der

dierung von Umwelterklärungen nur einen

differenziert

2

Erfüllung

einschlägige

Umweltschutzes;

dreijährige

hauptberufliche

eigenver-

gesellschaften a u f Aktien, Kommanditgesell-

antwortliche

schaften und Partnergesellschaften

zugelas-

Freiberufler, in der Wirtschaft, in der U m -

sen werden. Inhaber von Fachkenntnisnach-

weltverwaltung oder bei in der Umweltbera-

weisen sind keine zugelassenen Gutachter i.

tung

S. der EG-Verordnung. S i e können daher nur

Kenntnisse erworben wurden; nach Abs. 3

tätigen

Stellen,

bei

Tätigkeit

der

im Zusammenwirken mit einem zugelasse-

kann bei Vorliegen bestimmter

nen Umweltgutachter, der für die Gültiger-

zungen

klärung

abgesehen werden.

von - » U m w e l t e r k l ä r u n g e n

verant-

wortlich zeichnet, gutachterlich tätig werden.

Die

U A G a u f Antrag zuzulassen, wer die gesetzlichen Anforderungen nach den §§ 4 Abs. 1 und 5 - 7 U A G erfüllt; er muß die erforderliche

Zuverlässigkeit,

Unabhängigkeit

und

Fachkunde besitzen. N a c h § 5 Abs. 1 UAG besitzt

die

erforderliche

Zuverlässigkeit

deijenige, der aufgrund seiner persönlichen Eigenschaften, seines Verhaltens und seiner Fähigkeit

zur ordnungsgemäßen

Erfüllung

der ihm obliegenden A u f g a b e n geeignet ist; Abs. 2 enthält Regelbeispiele, deren Vorliegen die Zuverlässigkeit als nicht vorhanden erscheinen läßt; es handelt sich im wesentlichen um die Erfüllung von Straftatbeständen. Nach § 6 Abs. 1 U A G besitzt die erforderliche Unabhängigkeit deijenige, der keinem wirtschaftlichen,

finanziellem

oder

sonsti-

gem Druck unterliegt, der sein Urteil beeinflussen oder das Vertrauen in die unparteiische

Aufgabenwahrnehmung

in

Frage

stellen kann; Abs. 2 enthält Regelbeispiele, deren Vorliegen die Unabhängigkeit als nicht

84

Anforderungen

praktische Vorausset-

nach

Fachkenntnisbescheinigung

UAG Als Umweltgutachter ist nach § 9 Abs. 1

von

ist

eine

gutachterliche

im

Abs.

nach

Teilqualifikation Tätigkeit

als

§

2 8

für

eine

Rahmen

des

Umwelt-Audit-Systems. Die A u d i t - V O sieht sie nicht vor, der Gesetzgeber meinte aber, für sie bestünde ein praktisches Bedürfnis. Wer eine Fachkenntnisbescheinigung erwerben will, muß den zuvor dargelegten

An-

sprüchen genügen; Erleichterungen bestehen bei speziellen fachlichen Qualifikationen des Umweltgutachters. D e r Inhaber einer F a c h kenntnisbescheinigung

muß nur a u f einem

der in § 7 Abs. 2 Nr. 2a-e U A G genannten Fachgebiete diejenigen Kenntnisse nachweisen, die für die gutachterliche Tätigkeit in einem

Unternehmensbereich

erforderlich

sind. D a s Fachgebiet, für die die erforderlichen Fachkenntnisse vorliegen, muß in der Bescheinigung

bezeichnet

Fachkenntnisbescheinigung

werden.

Die

gestattet

eine

gutachterliche Tätigkeit nur in Zusammenarbeit mit einem Umweltgutachter oder einer Umweltgutachterorganisation, Satz 2 U A G .

§

8

Abs.

2

EG-Öko-Audit-Verordnung

Aus der EG-Verordnung folgt, daß Einzelgutachter grundsätzlich nur eine auf einzelne Unternehmensbereiche, für die sie die notwendige Fachkunde besitzen, beschränkte Zulassung erhalten können. § 9 Abs. 1 Satz 2 U A G eröffnet dem Umweltgutachter die Möglichkeit, durch die Anstellung fachkundiger Personen Begutachtungen auch in solchen Unternehmensbereichen vorzunehmen, für die er selbst nicht über die erforderliche Fachkunde verfügt. Die dafür in Betracht kommenden Personen sind in § 9 Abs.l Satz 1 Nr. la-c U A G genannt. § 9 Abs. 1 U A G regelt insgesamt 4 Varianten der Zulassung einer natürlichen Person als Umweltgutachter. Was Umweltgutachterorganisationen anbelangt, so setzt § 10 Abs. 1 Nr. 1 U A G voraus, daß mindestens ein Drittel der persönlich haftenden Gesellschafter, Partner oder Mitglieder des Vorstandes oder der Geschäftsführer entweder als Umweltgutachter zugelassen ist oder aus Personen mit Fachkenntnisbescheinigungen und mindestens einem Umweltgutachter besteht. Die Personen, die für die Gutachterorganisation gutachterlich tätig werden sollen, müssen entweder als Umweltgutachter zugelassen sein oder die einschlägigen Fachkenntnisbescheinigungen bzw. näher spezifizierte sonstige Fachkenntnisnachweise besitzen. Weitere Zulassungsvoraussetzungen beziehen sich auf gesicherte regelmäßige Fortbildungsmöglichkeiten für die sogenannten zeichnungsberechtigten Personen, auf das Vorliegen geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse und auf die zu fordernde Unabhängigkeit der Organisation. Kernbestandteil des durch einen schriftlichen Antrag einzuleitenden Gutachterzulassungsverfahrens ist die Feststellung der Fachkunde des Antragstellers in einer mündlichen Prüfung durch einen Prüfungsausschuß der Zulassungsstelle. Die Mitglieder der Prüfungsausschüsse werden von der Zulassungsstelle jeweils für die einzelnem Zulassungsverfahren aus einer vom Umweltgutachterausschuß zu fuhrenden Prüferliste gewählt. Gegenstand der Prüfung sind die Fachgebiete, für die das Gesetz die Fachkunde des Gutachters verlangt und für die diese Fachkunde nicht bereits durch Lehrgangsbescheinigungen und sonstige von der Zulassungs-

EG-Öko-Audit-Verordnung

stelle als gleichwertig anerkannte Fachkenntnisnachweise belegt ist, sowie praktische Probleme aus der Berufsarbeit eines Umweltgutachters. Die formellen, ausbildungsbezogenen Voraussetzungen der Fachkunde und alle weiteren Zulassungsvoraussetzungen prüft die Zulassungsstelle anhand von Unterlagen, die der Antragsteller mit dem Antrag vorzulegen hat. Die Zulassung von Umweltgutachterorganisationen erfolgt im schriftlichen Verfahren. b.) Aufsicht: Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Audit-VO haben die Mitgliedstaaten die Aufsicht über die Tätigkeit der zugelassenen Umweltgutachter zu regeln. Gegenstand der Aufsicht ist, daß der zugelassene Umweltgutachter weiterhin den Zulassungsanforderungen entspricht, ferner eine Qualitätskontrolle seiner Begutachtungen. Problematisch in diesem Zusammenhang ist, daß ein zu auditierendes Unternehmen den Umweltgutachter frei wählen kann - zugleich sind ihm jedoch durch die EG-Verordnung Aufgaben zugewiesen, die er unter Umständen nur gegen das individuelle Interesse des Auftraggebers erfüllen kann. Die von den Gutachtern somit abverlangte, im Prinzip marktwidrige Bereitschaft zum Konflikt mit dem eigenen Auftraggeber können die Umweltgutachter nur aufbringen, wenn die institutionellen, insbesondere die aufsichtlichen Rahmenbedingungen sie in den Stand versetzen, dem verständlichen Wunsch ihrer Auftraggeber nach einem möglichst unaufwendigen Erwerb des Zertifikats ihre strenge Bindung an die Maßstäbe entgegenzusetzen. Für die Verhinderung einer Dumpingkonkurrenz um den billigsten Weg zum Zertifikat muß die Abgabe sachlich nicht gerechtfertigter Gültigkeitserklärungen für den Umweltgutachter mit einem hohen Risiko verbunden sein. § 15 Abs. 1 U A G sieht vor, daß Zulassungen und Fachkenntnisbescheinigungen in regelmäßigen Abständen, höchstens 36 Monate, daraufhin zu überprüfen sind, ob die Erteilungsvoraussetzungen weiterhin vorliegen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 U A G muß auch eine Überprüfung der Qualität der vorgenommenen B e gutachtungen erfolgen. Fehlt es an dieser, kann nach § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 die Zulassungsstelle die Fortführung der gutachterlichen Tätigkeit ganz oder teilweise 85

EG-Öko-Audit-Verordnung

vorläufig untersagen. Eine Pflicht zur Untersagung besteht freilich selbst bei wiederholten Verstößen nicht. Die Rücknahme von Fachkenntnisbescheinigungen ist zwingend nur für den Fall vorgeschrieben, daß nachträglich Tatsachen bekannt werden, bei deren Kenntnis die Zulassung oder die Erteilung der Fachkenntnisbescheinigung hätte versagt werden müssen, § 17 Abs. 1 UAG; die Bestimmung betrifft nur die von Anfang an rechtswidrige Zulassung oder Erteilung der Fachkenntnisbescheinigung. Unter den zwingenden Widerrufstatbeständen nach § 17 Abs. 2 UAG fehlt die wiederholte Erteilung von Gültigkeitserklärungen unter Verstoß gegen Art. 4 Abs. 6 Audit-VO. Ein Widerruf der Zulassung oder der erteilten Fachkenntnisbescheinigung kommt nach § 17 Abs. 3 UAG in Betracht; diese Vorschrift verweist auf dar VwVfG; § 49 Abs. 2 Nr. 3 V w V f G liegt vor, wenn die erforderliche Zuverlässigkeit nachträglich entfällt, wovon auszugehen ist, wenn wiederholt pflichtwidrig begutachtet wurde. c.) Standortregistrierung: Die Registrierung geprüfter Betriebsstandorte nach § 8 Audit-VO ist nach § 32 Abs. 1 Satz 1 UAG Aufgabe der Industrie- und Handelskammern sowie der Handwerkskammern. Die Eintragungsvoraussetzungen regelt Art. 8 Audit-VO. Die Registrierungsstelle hat die Eintragung eines Standorts abzulehnen oder vorübergehend aufzuheben, wenn sie von der zuständigen Vollzugsbehörde von einem Verstoß gegen einschlägige Umweltvorschriften am Standort Kenntnis erhält. Die Registrierung bzw. ihre Aufhebung stellt die Schnittstelle zwischen Ordnungsrecht und Audit-System dar. Die genannte Bestimmung ist für die Funktionsfahigkeit des Audit-Systems von wesentlicher Bedeutung: Die den Umweltbehörden eingeräumte Interventionsmöglichkeit stellt die wichtigste institutionelle Sicherung des verordnungsrechtlichen Mindeststandards dar. Im übrigen sind die Voraussetzungen der Streichung und vorübergehenden Aufhebung der Eintragung eines Standorts in Art. 8 Abs. 3,4 Audit-VO geregelt.

EG-Öko-Audit-Verordnung Es verwirklicht das Verursacher-, Vorsorgeund —»Kooperationsprinzip im Umweltschutz mittels eines „marktverträglichen Instrumentariums". Seine Wirksamkeit entfaltet sich im Wettbewerb. Entscheidend ist, in welchem Umfang sich Unternehmen dazu entschließen, am System teilzunehmen. Das ist in Deutschland häufig der Fall. Der Erfolg des Systems hat die Bundesregierung veranlaßt, es auch für andere Bereiche als Unternehmen mit gewerblichen Tätigkeiten (Art. 1 Audit-VO) einzuführen. Durch Verordnung nach dem Umweltauditgesetz über die Erweiterung des Gemeinschaftssystems für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung auf weitere Bereiche ( UAG- Erweiterungsverordnung ) vom 3. Februar 1998, BGBl. I S. 338, in Kraft getreten am 10. 2. 1998, sind nach § 1 in Verbindung mit dem Anhang Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie folgende Unternehmen auditierungsfähig: bestimmte Erzeuger von Strom, Gas, Dampf und Heißwasser sowie Behandler bestimmter Abfälle; Energieversorger, Wasserversorger sowie Abwasserbeseitiger, Groß- und Einzelhandel; bestimmte Verkehrsunternehmen, Unternehmen des Kredit- und Versicherungsgewerbes sowie des Gastgewerbes - für weitere Einzelheiten ist auf die Verordnung zu verweisen. Weiterführende Literatur: Feldhaus (Hrsg.): Umweltaudit. in: Bundesimmissionsschutzrecht (bearb. durch Waskow), Bd. 7, 1996; Janke\ Öko-AuditingHandbuch, o. O. 1995; Kothe: Das neue Umweltauditrecht, o. O. 1997; Lübbe-Wolff;. Das Umwelt-Audit-Gesetz, Natur und Recht, o. O. 1996; Möggenborg'. Der Prüfungsumfang des Umweltgutachters nach der Umwelt-Audit-Verordnung. Der Betrieb, o. O. 1996; Schottelius: Der zugelassene Umweltgutachter. Ein neuer Beruf. Betriebsberater, o. O. 1996; v. Werder/Nestle: Grundsätze ordnungsgemäßer Umweltschutzorganisation als Maßstab des europäischen UmweltAudit. Recht der internationalen Wirtschaft, o. O. 1995. Prof. Dr. F.-J. Peine

5. Schluß Der umweltpolitische Nutzen eines funktionierenden Umwelt-Audits liegt auf der Hand: 86

EG-Richtlinien

EG-Richtlinien Die römischen Verträge der Europäischen Gemeinschaft (EG) bestimmen, daß kein Mitgliedsland durch nationale Gesetze Nachteile im Wettbewerb für Produkte aus anderen Mitgliedsländern schaffen darf. Alle Mitgliedsländer haben sich darauf geeinigt, die gemeinsam erarbeiteten Richtlinien nach deren Verabschiedung im EG-Ministerrat durch entsprechende nationale Gesetze auszufüllen. Im Gegensatz zu EG-Richtlinien bedürfen EG-Verordnungen nicht der Umsetzung in nationales Recht, sondern werden mit Verkündung für alle Mitgliedsstaaten verbindlich und gültig.

EG-Verpackungsrichtlinie Im Dezember 1994 wurde die EGVerpackungsrichtlinie erlassen. In ihr werden Verwertungsquoten für Verpackungsabfälle festgeschrieben. Die EGVerpackungsrichtlinie unterscheidet weiter stoffliches und energetisches -»Recycling: 1.

2.

Stoffliches Recycling: Nach einer Übergangszeit von 5 Jahren sind 45% der gesamten Verpackungen stofflich wiederaufzubereiten. Energetisches Recycling: Die energetische Verwertung von Verpackungen ist zulässig. (Verbrennung unter Nutzung der freiwerdenden -»Energie)

Eigentumsrechte beschreiben rechtlich durchsetzbare, institutionalisierte Handlungsrechte zwischen Wirtschaftssubjekten. Festgelegte Eigentumsrechte sind eine notwendige Voraussetzung für eine marktnahe -»Internalisierung externer Effekte. —»Coase-Theorem, —»Zertifikate

Einkauf -»ökologische Materialwirtschaft

Einweg Erst- und einmaliger Gebrauch von Verpakkungen, welche nach Nutzung vom Konsumenten entsorgt bzw. im Rahmen des DSD

End-of-pipe-MaDnahmen der Wertstoffsammlung und somit -»Recycling zugeführt werden.

dem

Einwohnergleichwert Abk.: EGW. Umrechnungswert, der der Vergleichbarkeit industrieller/gewerblicher Abwässer mit häuslichem Schmutzwasser dient.

EMAS-Verordnung -»EG-Öko-Audit-Verordnung, nationalem Umweltrecht

inklusive

Emission Emissionen sind die von einer festen oder beweglichen Anlage oder von Produkten ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Strahlen, -»Wärme, Erschütterungen, Licht, etc.; Gegensatz: -»Immission.

Emissionsabgabe Abgabe, deren Bemessungsgrundlage die Höhe einer bestimmten -»Emisson ist. Reine Emissionsabgaben sind die Abwasser- und die Abfallabgabe, wobei letztere 1998 als verfassungswidrig erklärt wurde.

Emissionskataster ist eine Datenzusammenstellung zur räumlichen Beschreibung des Schadstoffausstoßes von Emissionsquellen im regionalen oder überregionalen Bereich. Es enthält Daten über die Art, den Umfang und die zeitliche sowie räumliche Verteilung der —»Emissionen.

End-of-pipe-Maßnahmen End-of-pipe-Technologien sind dem Produktionsprozeß nachgeschaltete Technologien, die den ursprünglichen Produktionsprozeß unverändert lassen, z. B. -»Filtertechnologien. Das Problem der -»Emissionen wird durch End-of-pipe-Maßnahmen lediglich medienspezifisch verlagert. Auch bei weitreichendem Einsatz -»integrierter Umwelttechnologien verbleibt immer ein Resteinsatzfeld für additive Umwelttechnologien. -»Umweltschutz, additiver 87

Energie Energie (grch.) energia = wirkende Kraft. Energie ist das gespeicherte Arbeitsvermögen innerhalb eines Systems. Energie kann in Kraft umgesetzt werden und somit physikalische Arbeit verrichten. Energieformen können mechanischer, magnetischer, elektrischer oder chemischer Natur sein. Innerhalb eines geschlossenen Systems bleibt die Summe aller Energien konstant (Satz von der Erhaltung der Energie). -»Entropie, -»Thermodynamik

Energiebedarf Der Energiebedarf gibt die insgesamt in einer Periode nachgefragte Energiemenge an. Im ökologischen Sinne ist es eine spezifizierte Energiemenge, die ein -»Ökosystem zum Funktionieren benötigt.

Energieeinsparung bedeutet den Verbrauch der Energieressourcen zu reduzieren. Dies ist durch technische Innovationen, aber auch durch Verhaltensbeeinflussung zu erreichen (etwa stand-by Kampagne).

Energiekrise beschreibt einen Versorgungsengpaß im wesentlichen der energieintensiv produzierenden bzw. energieträgerarmen Staaten. Mit der Energiekrise wird vorwiegend die Ölkrise assoziiert. In den Jahren 1973/74 und 1979/80 wurde das Erdölangebot durch die OPEC künstlich verknappt, um einen höheren Rohölpreis realisieren zu können. Konsequenz von Energiekrisen ist u. a. die erhöhte Relevanz alternativer Energiegewinnungsformen/-technologien (Substitutionsprozeße).

Energiemanagement Aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum eingedeutschter Begriff - eigentlich Energy management: Handhabung, Verwaltung von -»Energie. Energiemanagement umfaßt im weiteren Sinne die Gesamtheit aller Aufgaben, die dazu dienen, ein definiertes, abgegrenztes

88

Energiemanagement System rationell mit Energie zu bewirtschaften. Unter rationeller Energieverwendung oder bewirtschaftung wird dabei - neben dem möglichst sparsamen Umgang mit -»Energieträgern - im wissenschaftlichen Sinne eine möglichst verlustarme Umwandlung von Energie verstanden. Bei der Bestimmung der Verluste muß neben der Menge der Energieträger und -arten auch deren Qualität berücksichtigt werden, da diese bei jeder Energieumwandlung unumkehrbar abgewertet wird. Die Qualität (bzw. Exergie) einer Energie entspricht ihrem unbeschränkt umwandelbaren Anteil: Elektrische Energie ist z. B. praktisch beliebig in jede andere Energieform umwandelbar. Dagegen kann Wärmeenergie nur zum Teil in elektrische Energie umgewandelt werden und zwar mit einem um so größeren Anteil, je mehr sich die Temperatur, bei der die —»Wärme angeboten wird, von der Temperatur der Umgebung unterscheidet. Wärme(-energie) besitzt also eine geringere Qualität als elektrische Energie. Ziel einer rationellen Energieverwendung ist, die Entwertung der eingesetzten Energien in den einzelnen Umwandlungsschritten möglichst gering zu halten, z. B. dadurch, daß die Energie auf dem Weg der Entwertung mehrfach auf unterschiedlichen Qualitätsniveaus genutzt wird (siehe auch Literaturhinweise zur rationellen Energieverwendung). Im Sprachgebrauch wird der Begriff Energiemanagement im engeren Sinne in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet: 1. Energiemanagement in technischen Geräten Verwendung hauptsächlich im Zusammenhang mit dem Einsatz elektrischer Energie; bei elektronischen Geräten z. B. die Regulierung der Energieversorgung zur Schonung des Gerätes (z. B. Spannungs- und Stromregulierung); bei Energiespeichern (d. h. Batterien oder Akkumulatoren) z. B. die Regulierung von Lade- und Entladevorgängen zur optimalen Ausnutzung der Speicher; 2. Energiemanagement von Gebäuden Teilbereich des Facility-Managements (d. h. Management von Einrichtungen und Liegen-

Energiemanagement schatten); Ziele: Transparenz und gesicherte Verfügbarkeit energiebezogener Gebäudeund Kostendaten, kontinuierliche Kontrolle und Verbesserung des Energiebezugs und -einsatzes (d. h. Minimierung von Ressourcenverbrauch und Kosten), Schaffung bestmöglicher Arbeitsbedingung und Entlastung der Mitarbeiter von Aufgaben außerhalb des Kemgeschäfts. Das Energiemanagement von Gebäuden berücksichtigt idealerweise die energietechnischen Bereiche des gesamten Gebäudelebenszyklus (Planung, Bau, Nutzung, Sanierung, Rückbau, -»Entsorgung), oft wird jedoch nur die Nutzung betrachtet; 3. Energiemanagement von komplexen, mit Energie zu versorgenden Siedlungs- und Wirtschaftsgebieten Energiemanagement von Versorgungsgebieten (z. B. Städten oder Kommunen, aber auch sog. Inselsystemen), deren —»Energiebedarf sich aus einzelnen nur mittelbar beeinflußbaren Anteilen zusammensetzt und aus unterschiedlichen Energiequellen (z. B. mehreren -»Kraftwerken) gedeckt wird. Neben der möglichst ressourcenschonenden Energiebereitstellung stehen Versorgungssicherheit und Kostenminimierung des gesamten energiewirtschaftlichen Systems im Vordergrund. Instrumente: Bezugsoptimierung durch Energiehandel und -speicherung (z. B. Speicherung von Erdgas); Optimierung der Bereitstellung von Energie (Bedarfsdekkung), z. B. Regelung der Zu- oder Abschaltung von Strom- oder Wärmeerzeugungsaggregaten; Steuerung der Bedarfsseite durch Maßnahmen zur Veränderung der derzeitigen oder der zu erwartenden Energienachfrage (Demand-Side- oder Nachfrage-Management); integrierte Kostenoptimierung des gesamten Energiesystems durch gleichrangige Behandlung von Maßnahmen zur Energiebedarfssenkung und zum Ausbau der Energiebereitstellung (Least Cost Planning). Zentrale Aufgaben des Energiemanagements in diesem Sinne sind die Ermittlung des Energiebedarfsprofils (Lastgang) sowie die

Energiemanagement Erstellung von Bedarfsprognosen und die daraus folgende Einsatzplanung j e nach Verfügbarkeit (Dargebot) der Energiequellen. Die Einsatzplanung kann je nach Anwendungsfall für wenige Minuten oder mehrere Wochen durchgeführt werden. Für Energieversorgungsunternehmen gehört seit der Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes zudem Energiemarketing zu den Hauptaufgaben; 4. Energiemanagement in der Industrie Umfaßt die Gesamtheit der Führungs- und Organisationsaufgaben, die dem Zweck der optimalen Bewirtschaftung eines Industriebetriebes mit Energie hinsichtlich festgelegter Ziele wie z. B. Versorgungssicherheit, Kostenoptimierung oder Betriebssicherheit dienen. Analog zu den Begriffen Personalmanagement oder -»Umweltmanagement verdeutlicht der Begriff Energiemanagement, daß die Energiebewirtschaftung des Betriebes als eine weitere Führungs- oder Leitungsaufgabe (ein weiterer Managementbereich) innerhalb der Unternehmung betrachtet wird. Das Energiemanagement in der Industrie dient i. a. dem übergeordneten Ziel, die Energiekosten und damit die direkten und indirekten Produktionskosten des Unternehmens zu senken. Weiterfuhrende Ziele sind (in Anlehnung an Wohinz/Moor): •









Transparenz betrieblicher Abläufe schaffen, wodurch bislang unerkannte technische, strukturelle oder organisatorische Schwachstellen bzw. Verbesserungspotentiale aufgedeckt werden können; Verbesserung der internen —»Kommunikation und Koordination in allen energierelevanten Belangen; Verbesserung der Reaktionsfähigkeit auf Störungen und Abweichungen im Betrieb; erhöhte Reaktionsfähigkeit auf Änderungen im energiepolitischen und energiewirtschaftlichen Umfeld des Unternehmens; erhöhte Transparenz der quantitativen und qualitativen Entwicklung des be89

Energiemanagement

trieblichen Energiebedarfs, insbesondere in Hinblick auf durchzuführende oder bereits durchgeführte Verbesserungsmaßnahmen und Investitionsentscheidungen. Zentrale Aufgaben des Energiemanagements in der Industrie sind die kontinuierliche Optimierung des Energiebezug und -einsatzes (vgl. Instrumente des Energiemanagements von Siedlungs- und Wirtschaftsgebieten), die Ausrichtung des betrieblichen Energiekonzeptes auf die zukünftige Versorgungssicherheit des Betriebes sowie die Bereitstellung der hierfür notwendigen Daten und Informationen. Letzteres erfordert die Transparenz der betrieblichen Energieströme und Energiekostenflüsse; 5. Energiemanagement-System Analog zum Umweltmanagement-System implementierte Struktur innerhalb der Aufbau- und Ablauforganisation einer Unter-

Energiemanagement

nehmung. Mit dem EnergiemanagementSystem (EMS) werden die Führungs-, Verwaltungs- und Organisationsstrukturen sowie die organisatorischen und technischen Aufgaben des Energiemanagements (s. o.) im Unternehmen verankert. Struktur und Ausprägung des EMS richten sich im allgemeinen nach Größe und Energie- bzw. Energiekostenintensität des Unternehmens. Obwohl bisher noch keine allgemein anerkannten Normen für die Struktur von EMS vorliegen, ist diese oftmals eng angelehnt an die von Qualitäts- (QMS) oder UmweltmanagementSystemen (UMS). Nicht selten bildet das EMS einen Bestandteil des UMS, idealerweise sollte es jedoch - im Gegensatz zum UMS - außer Energieströmen auch deren Qualität berücksichtigen (s. o.). Das Energiemanagement-System unterstützt die Geschäftsleitung eines Unternehmens in folgenden Bereichen (vgl. Abb. 1).

Abb. 1 : Bereiche des Energiemanagements

6. Energiepolitik und Energiezielsetzung Mit der Festschreibung einer langfristig angelegten betrieblichen Energiepolitik werden Unternehmensleitlinien und strategische Prinzipien zum Umgang mit der Energie als Produktionsfaktor formuliert und verankert. Im allgemeinen wird mit der ausdrücklichen Formulierung einer Energiepolitik und energierelevanter Strategieentscheidungen eine Konkretisierung des Bewußtseins aller

90

Mitarbeiter für eine rationelle Energienutzung verfolgt. Energie orientierte Unternehmens- und Bereichsziele sind kurz- und mittelfristig angelegt und werden konkret, nachvollziehbar und überprüfbar formuliert; 7. Interne Energieberatung Um die Berücksichtigung der Belange des Energiemanagements in allen Geschäftsabläufen zu gewährleisten, wird eine interne

Energiemanagement

Beratung institutionalisiert - oftmals durch die Person eines Energiebeauftragten. Entscheidend für die Wirksamkeit einer internen Beratung ist neben der Akzeptanz einer solchen Funktion auch die Festlegung, in welchen Bereichen dem Energiebeauftragten Mitspracherechte eingeräumt werden. 8. Energieprogramme Energie- oder Energiemanagement-Programme sind auf den einzelnen Betrieb abgestimmte, zielgerichtete Maßnahmen zur Energiebedarfs-Reduzierung oder Energieeinsatz-Optimierung. Das Energiemanagement initiiert, koordiniert und begleitet derartige Energieprogramme (z. B. Mitarbeiterschulungen zur Veränderung des

Im Sinne eines Regelkreises (Controlling = Regelung), umfaßt das Energie-Controlling alle Funktionen von der Datenerfassung, Verwaltung und Abweichungsanalysen über die Aufstellung von Ziel- und SollwertGrößen bis hin zur Konzeption, Planung und Initiierung von regulierenden Maßnahmen.

Energiemanagement

Nutzerverhaltens, Detailanalysen einzelner Anlagen oder Bereiche zur Aufdeckung von Schwachstellen); 9. Energie-Controlling Das Energie-Controlling innerhalb eines Unternehmens ist (in Anlehnung an Wohinz/Moor) ein zentraler Teilbereich des Energiemanagements mit Service-, Informations- und Motivationsfunktion. Nach dem klassischen Controlling-Verständnis liefert das Energie-Controlling zum einen die notwendigen Informationen für die kontinuierliche Energieplanung und die Festlegung von Zielwerten, zum anderen koordiniert es die Energieflußsteuerung und Energieflußkontrolle.

Das Energie-Controlling besteht i. a. aus den in Abbildung 2 dargestellten Bausteinen. Die Energieplanung beinhaltet dabei die Aufstellung von Zielgrößen und Sollwertvorgaben. Soll-Ist-Vergleiche der Energiedaten fuhren zur Planung, Initiierung und Durchführung von Korrekturmaßnahmen. Dem Regelkreis übergeordnet sind das Energieberichtswesen (Energiedatenverwaltung und 91

Energieträger

Entsorgung

-buchhaltung) und die Energiekostenrechnung Bestandteile des Energie-Controllings. Weiterfuhrende Literatur: Baehr, H. D.: Thermodynamik, 8. Aufl., Berlin et al. 1992; Bejan, AJ Tsatsaronis, G/Moran, M.\ Thermal Design and Optimization, New York et al. 1996; Bosnjakovi, F.: Kampf den Nichtumkehrbarkeiten!, in: Archiv für Wärmewirtschaft und Dampfkesselwesen. Zeitschrift für Energiewirtschaft, Bd. 19, Nr. 1, o. O. 1938; Knoche, K. FJ Rudolph, MJ Schaefer, H.: Zur Problematik der Bewertung von Energieträgern und Energieumwandlungsprozessen, in: Brennstoff-Wärme-Kraft, Bd. 46, Nr. 10, o. 0 . 1994; Wohinz, J. WJ Moor, M : Betriebliches Energiemanagement. Aktuelle Investition in die Zukunft, Wien, New York 1989. Prof. Dr. K. F. Knoche Dipl.-Ing. M. Kruska Dipl.-Ing. P. Weber Dipl.-Ing. I. Kuperjans

Energieträger ist der Sammelbegriff für Stoffe, deren gespeicherter Energieinhalt nutzbar gemacht werden kann. Energieträgerformen sind z. B. Erdöl, Kohle und Biomasse (Rapsöl). Dabei unterscheidet man Primär- (z. B. Steinkohle, Erdöl) und Sekundärenergieträger (z. B. Benzin, elektr. Strom) sowie regenerative (z. B. —»Solarenergie, -»Windenergie) und nichtregenerative Energieträger (z. B. Braunkohle, Uran). -»Ressourcen, -»Energieträger, fossile

Energieträger, fossile Aus geologischen Prozeßen entstandene Rohstofflagerstätten wie Kohle, Erdgas, Erdöl sowie der nukleare Energieträger Uran. Es handelt sich um erschöpfbare Energierohstoffe.

Energieverbrauch -»Energiebedarf

92

Energieversorgung, nachhaltige Die ressourcen- und umweltschonende Energieversorgung umfaßt -»Energie, die primär aus nachwachsenden Rohstoffen/—»Ressourcen gewonnen werden kann. In der Bundesrepublik Deutschland beträgt der Anteil der nachhaltigen Energieversorgung zur Zeit etwa 15%. Nachhaltige Energieversorgung wird beispielsweise mittels Wasser-, -»Photovoltaik- und Windkraftwerken erzeugt.

Enquete-Kommission ist ein Beratergremium der Bundesregierung, das aus Wissenschaftlern, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens bzw. Interessensvertretern besteht. In der Regel wird die Enquete-Kommission für eine Legislaturperiode eingerichtet. Im Jahr 1995 wurde die Enquete-Kommission zum „Schutz des Menschen und der -»Umwelt" ins Leben gerufen. In ihrem Abschlußbericht von geht diese auf das Konzept der Nachhaltigkeit ein und formuliert Zielvorgaben, Maßnahmen und -»Instrumente für ausgewählte Handlungsfelder.

Entropie Der Entropiesatz wird als „Satz von der Erhaltung der -»Energie" bezeichnet. Nach dem ersten Hauptsatz der -»Thermodynamik bleibt die Gesamtenergie innerhalb eines geschlossenen Systems erhalten. Nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, sind innerhalb eines geschlossenen Systems alle Veränderungen so gerichtet, daß die Entropie zunimmt. Entropie bezeichnet das Maß für den Grad der Unordnung eines Systems. Entropie ist eine physikalische Zustandsgröße, das Maß der in einem geschlossenen thermodynamischen System zur Abgabe physikalischer Arbeit nicht mehr verfügbaren Energie.

Entsorgung Nach dem —»Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz umfaßt die Entsorgung sowohl die Beseitigung als auch die Verwertung von Abfallen. -»Abfallbeseitigung, -»Abfallverwertung

Entsorgungslogistik

Entsorgungslogistik Die Aufgaben der Entsorgungslogistik umfassen den Transport, Umschlag und die Lagerung aller in den Betriebsprozessen anfallenden Abfall-, Rest- und Schadstoffe sowie Überschuß- und Ausschußmaterialien. Die Entsorgungslogistik beschäftigt sich mit dem inner- und außerbetrieblichen Fluß der zu entsorgenden Abfall- und Reststoffe sowie den zugehörigen Informationen.

EPA Abk.: Environmental Protection Agency; usamerikanische Umweltbehörde mit Sitz in Washington D.C., USA. Sie entspricht in etwa dem deutschen —»Umweltbundesamt.

ERP-Umweltprogramm Abk.: European Recovery Program; Europäisches Umweltprogramm. Mittel sind u. a. zinsverbilligte Kredite.

Europäische Umweltagentur Abk.: EUA. Mit Beschluß des Europarates vom 07. 05. 1990 errichtete Institution, die die Lieferung zuverlässiger und vergleichbarer -»Informationen über die -»Umwelt an die Europäische Union und die Mitgliedsstaaten in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Umweltinformations- und Umweltbeobachtungsnetz zum Ziel hat. Sitz der Agentur ist Kopenhagen. Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, der Agentur die wichtigsten Komponenten ihrer landesweiten Umweltinformationsnetze mitzuteilen. Die Europäische Umweltagentur steht den NichtMitgliedsländern offen.

Eutrophierung entsteht durch den verstärkten Eintrag von Phosphor- und Stickstoffverbindungen aus häuslichen (Waschmitteln), gewerblichen und industriellen Abwässern sowie durch Oberflächenabfluß von Düngemitteln von landwirtschaftlichen Nutzflächen. Diese Nährstoffiibersättigung der Gewässer bewirkt ein erhöhtes Planktonwachstum. Durch diese Überproduktion an organischer Substanz, erhöht sich der Sauerstoffverbrauch im

Externe Effekte

Gewässer und es kann so zu Faulschlammbildung am Gewässergrund kommen. Auf Grund des Sauerstoffmangel kann das Gewässer „umkippen". Bei älteren Gewässern kann auch eine natürliche Eutrophierung vorliegen.

Externe Effekte Man unterscheidet verschiedene Typen externer Effekte, von denen vor allem eine Form, nämlich technologische Externalitäten, für die Wirtschaftspolitik relevant ist. Viele Arten von Umweltproblemen stellen eine Folge technologischer externer Effekte dar. Technologische externe Effekte liegen dann vor, wenn Handlungen eines Akteurs den Nutzen bzw. den Gewinn eines anderen Akteurs direkt beeinflussen, ohne daß dieser Zusammenhang durch den Marktmechanismus erfaßt wird; es findet also kein Ausgleich - etwa in Form einer -»Kompensationszahlung - statt. Technologische externe Effekte können sowohl positiver als auch negativer Natur sein. Für Umweltprobleme sind vor allen die negativen technologischen Effekte relevant.

Private (d. h. auf den jeweiligen Akteur entfallende) Kosten und Nutzen

+ Externe bzw. soziale Zusatzkosten/-nutzen (=Ausmaß des technologischen externen Effektes)

Soziale Kosten und Nutzen

Abb.

1:

Der Zusammenhang zwischen privaten, externen und sozialen Kosten bzw. Nutzen. 93

Externe Effekte

Externe Effekte

B e i s p i e l e fiir technologische Externalitäten:

handelt) eine zu große M e n g e

produziert;

wird das betreffende Gut über Märkte ge(1)

E i n e Farbenfabrik leitet Abwässer in

handelt, so ist der betreffenden

Preis

einen F l u ß , weshalb sich das Fanger-

gering (da der Produzent nicht

sämtliche

gebnis der Flußfischer nach

Kosten trägt). D a dem Geschädigten zusätz-

und

Quantität

Produktionsfunktion

(2)

Qualität

verschlechtert.

In

die

der Fischer geht

zu

liche Kosten aufgebürdet werden, ist sein Aktivitätsniveau

gesamtgesellschaftlich

die S c h a d s t o f f m e n g e ein, ohne daß die-

gesehen zu gering, ein von ihm kommerziell

ser

entsprechende

bereitgestelltes Gut wäre zu teuer (da er nicht

marktmäßige Beziehungen (z. B . Ent-

von ihm verursachte Kosten tragen muß). Im

schädigung der Fischer) geregelt wird

Falle positiver externer E f f e k t e wird dem

(negativer externer Effekt).

Verursacher nur ein Teil der von ihm be-

Da

Einfluß

durch

Erkenntnisse

der

Grundlagenfor-

wirkten Nutzen entgolten; folglich ist der

nicht

Preis des erzeugten Gutes zu niedrig und das

patentierbar sind, existieren auch keine

Aktivitätsniveau des Nutzenstifters fällt zu

R e c h t e an diesem Wissen. Jedes Unter-

gering aus. D a der entsprechende Nutznießer

nehmen, das ( a u f irgendeine W e i s e ) in

nur einen Teil der Kosten für die bezogene

schung

den

nach

geltendem

Besitz

von

Recht

Ergebnissen

der

Grundlagenforschung gelangt, darf die-

Leistung trägt, ist sein Aktivitätsniveau zu hoch und er gibt seine Leistung zu billig ab.

ses W i s s e n für seine Z w e c k e einsetzen, ohne einen Beitrag zu den entsprechen-

Zwar führen technologische externe Effekte

den K o s t e n der

ohne

Grundlagenforschung

leisten z u müssen (positiver externer Effekt).

entsprechende

Fehlallokationen

Gegenmaßnahmen

und somit zu

zu

Wohlfahrt-

seinbußen; es ist aber in der R e g e l keineswegs wirtschaftlich sinnvoll, eine Externali-

Liegen technologische externe Effekte vor,

tät vollständig zu beseitigen und somit etwa

so bedeutet dies, daß die privaten (d. h. die

sämtliche Beeinträchtigungen der —»Umwelt

für den j e w e i l i g e n Produzenten oder Konsu-

zu vermeiden.

menten

Einnahmen

darin, daß die Vermeidung einer negativen

spürbaren) K o s t e n und Nutzen von den sich

Extemalität (z. B . einer Einheit Schadstoffe-

gesamtgesellschaftlich

als

Ausgaben

oder

ergebenden

sozialen

D e r Grund hierfür

besteht

mission) mit entsprechenden

Vermeidungs-

Kosten bzw. Nutzen abweichen (vgl. Abbil-

kosten

beurteilen

dung). D i e D i f f e r e n z zwischen beiden Ko-

können, ob die Vermeidung einer Einheit

verbunden

ist.

Um

zu

sten* b z w . Nutzenkategorien gibt das Aus-

Schädigung sinnvoll ist, muß man die dafür

maß des technologischen externen Effektes

anfallenden

an und wird i m Falle eines negativen exter-

dungskosten) den durch die Einschränkung

nen

der

Effektes

"soziale positiven

als

"externe

Zusatzkosten"

Aufwendungen

Kosten"

oder

bezeichnet.

Bei

(Grenzschaden) gegenüber stellen. Nur wenn

vermiedenen

Schäden

Externalitäten

der mit der Einschränkung der - » E m i s s i o n

spricht man analog von "externen Nutzen"

verbundene Nutzen ( v e r m i e d e n e r Schaden)

bzw. "sozialen Zusatznutzen". Das Vorliegen

die

technologischer Externalitäten hat zur Folge,

übersteigt, ist die Reduktion der Extemalität

daß

die

technologischen

Extemalität

(Grenzvermei-

Marktpreise

Knappheitsrelationen

die

(soziale

entsprechenden

tatsächlichen

ökonomisch

Kosten

vollständige Vermeidung einer Emission in

und

Nutzen) nur .verzerrt' widerspiegeln.

gesehen

Vermeidungskosten von Vorteil.

Da

die

der R e g e l mit enormen K o s t e n verbunden ist, ein sehr geringes Emissionsniveau sich aber

Technologische

externe Effekte führen zu

häufig als wenig schädlich erweist, sprechen

einer Verzerrung der -»Faktorallokation und

solche Nutzen-Kosten-Kalküle meist gegen

haben Wohlfahrtseinbußen

die vollständige Vermeidung einer Emission.

zur Folge.

Bei

negativen Externalitäten besteht die Fehlal-

Das optimale Ausmaß einer Emission

lokation

der

dadurch gekennzeichnet, daß der in Geldein-

externen K o s t e n die betreffende Aktivität in

heiten gemessene Grenzschaden die gleiche

darin,

daß

der

Verursacher

zu großem A u s m a ß betreibt, also z. B . (wenn es

94

sich

um

einen

Hersteller

von

Gütern

ist

Externe Kosten Höhe wie aufweist.

die

Externe Nutzen Grenzvermeidungskosten

Die Existenz technologischer externer Effekte ist eng mit den entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen verknüpft. Sie sind nur dadurch möglich, daß man das sogenannte "Ausschlußprinzip" nicht auf alle Bestandteile der Kosten bzw. Nutzen eines Gutes anwendet. Dies heißt fur den Fall externer Nutzen, daß jemand, der keine Gegenleistung erbringt, nicht von der Nutznießung ausgeschlossen ist. Bei externen Kosten meint die Nichtanwendung des Ausschlußprinzips, daß Dritte Kosten ohne eine entsprechende Kompensation hinnehmen müssen. Das Auftreten technologischer externer Effekte ist somit eng mit der Form der geltenden —»Property-Rights verknüpft. Das Vorliegen positiver Extemalitäten ist also dadurch bedingt, daß keine (zu vertretbaren Kosten durchsetzbaren) PropertyRights existieren, die es dem Erzeuger ermöglichen würden, die unentgeltliche Nutznießung durch andere zu unterbinden. Im Falle negativer technologischer externer Effekte muß der Schädiger aufgrund der bestehenden Property-Rights nicht für sämtliche Folgen seines Handelns aufkommen: der Geschädigte kann sich mangels entsprechender (durchsetzbarer) Rechte nicht hinreichend vor der Schädigung schützen. Hätte beispielsweise ein Flußfischer, dessen Fangergebnisse sich durch die Abwässer einer Farbenfabrik verschlechtern, Property-Rights am Fluß (insbesondere ein Recht zur Abwehr von Verschmutzungen), so wäre er berechtigt, die Entstehung einer negativen Externalität zu unterbinden. Für die Bekämpfung der negativen Folgen technologischer externer Effekte steht eine Reihe unterschiedlicher ->Instrumente zur Verfügung. Neben moralischen Appellen, der Fusion der Beteiligten und Ge- bzw. Verboten sind insbesondere -»Abgaben/Steuern, die Aushandlung von Kompen-

sationszahlungen sowie handelbare Umweltzertifikate zu nennen; darüber hinaus können auch von der Ausgestaltung des Haftungsrechts nicht unerhebliche Anreize zur Vermeidung negativer technologischer externer Effekte ausgehen. Bei der Beurteilung dieser verschiedenen instrumentellen Alternativen kommt es nicht nur darauf an, inwieweit mit dem betreffenden Mittel die schädlichen Folgen auf ein Optimum reduziert werden (Kriterium der statischen Effizienz). Von wesentlicher Bedeutung ist auch, inwieweit von einem Eingriffsinstrument Anreize ausgehen, Technologien zu entwickeln, die von vornherein mit einem geringeren Niveau an Schädigung verbunden sind bzw. bei denen sich eine schädliche Emission kostengünstiger vermeiden läßt (Kriterium der dynamischen Effizienz). Weiterhin wäre von Bedeutung, wie genau sich ein bestimmter Umweltstandard (z. B. SOi-Emission pro Jahr) mit einem bestimmten Instrument erreichen läßt (Kriterium: Treffsicherheit). Die verschiedenen Instrumente zur Bekämpfung technologischer Extemalitäten weisen im Hinblick auf diese Kriterien ganz erhebliche Unterschiede auf. Weiterführende Literatur: Fritsch, MJ Wein, T.l Ewers, H.- J:. Marktversagen und Wirtschaftspolitik, 3. Aufl., München 1999; Feess, E.: Umweltökonomie und Umweltpolitik, München 1995. Prof. Dr. M. Fritsch

Externe Kosten -•Externe Effekte

E x t e r n e Nutzen ->Externe Effekte

95

Faktorallokation, effiziente

Finanzreform, Umweltaspekte einer

F Faktorallokation, effiziente ist die optimale Zuweisung der relativ zu den -•Bedürfnissen der Wirtschaftssubjekte begrenzten Mittel auf alternative produktive Verwendungen (Pareto-Optimalität).

Faktor Vier-Konzept bezeichnet nach von Weizsäkker/Lovins/Lovins den Versuch der Neuausrichtung des technischen Fortschritts derart, daß bei halbiertem Naturverbrauch eine Verdopplung des verteilbaren Wohlstands erreicht wird.

Filter sind Anlagen, die der Beseitigung von Schadstoffen aus flüssigen und gasförmigen Medien dienen. In der Wasseraufbereitung werden z. B. Sand, Kies, Splitt, Schotter, Vlies oder Aktivkohle eingesetzt. Zur Luftreinigung werden z. B. Elektro- und Aktivkohlefilter genutzt (Problem der -»Entsorgung kontaminierten Filtermaterials). -•Umweltschutz, additiver; -»End-of-PipeMaßnahmen

Filterstäube sind in -»Filtern zurückgehaltene Partikel aus Verbrennungsprozessen, wie Flugaschen aus Braun- und Steinkohlekohlekraftwerken sowie schadstoffbelastete Stäube aus Anlagen der Hausmüll- und Sonderabfallverbrennung.

Finanzreform, Umweltaspekte einer 1. Einordnung der Fragestellung Mit dem Begriff der Finanzform verbinden sich zwei unterschiedliche Interpretationen. Nach der ersten Interpretation handelt es sich um die gesamthafte Betrachtung der Finanzordnung in einem Staat und deren Verbesserungsmöglichkeiten. Im Zentrum steht der vertikale Finanzausgleich, also die Vertei-

lung von Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen auf Ebenen von Gebietskörperschaften. Typisch hierfür war in Deutschland das „Gutachten zur Finanzreform" von 1966, das die Finanzreform von 1969 stark geprägt hat. Zu dieser Finanzreform im engeren Sinne werden in jüngster Zeit zahlreiche Vorschläge gemacht, die insbesondere die Steuerverteilung zwischen Bund und Landesebene betreffen. An diese Änderungen im vertikalen Staatsgefüge kann man die Frage richten, wie sie auf die umweltpolitischen Ziele wirken. Diese Finanzreform i. e. S. wird im folgenden Kapitel 2 kurz behandelt. Die zweite Interpretation von „Finanzreform" umfaßt die Summe jeglicher Änderungsnotwendigkeiten der öffentlichen Finanzen, ohne daß auf das Verhältnis der Gebietskörperschaftsebenen zueinander besonders Bezug genommen wird. Im Vordergrund steht dann oft eine Steuerreform. Unter Umweltaspekten wurde hierzu in den vergangenen Jahren vor allem eine „ökologische Steuerreform" diskutiert, aber auch der Einsatz von Subventionen für Umweltziele, der Abbau umweltbelastender Subventionen usf. Die Steuern bzw. allgemeiner die öffentlichen -»Abgaben sind dabei der unter Umweltaspekten meistdiskutierte Ausschnitt der öffentlichen Finanzen. Vorschläge zu einer „ökologischen" oder „umweltgerechten" Finanzreform i. w. S. enthalten daher vornehmlich Abgabentatbestände (s. etwa SRU 1996). Dieser Fragestellung ist der größte Teil des vorliegenden Beitrags (Kapitel 3 und 4) gewidmet. 2. Umweltaspekte einer Finanzreform i. e. S. Im Vordergrund der Kritik an der Verteilung und Ausfüllung der finanzpolitischen Kompetenzen von Bund, Land und Gemeinde stehen zwei Bereiche. Der eine betrifft die Verteilung der Aufgaben zwischen den drei Ebenen, insbesondere die häufige Aufteilung der Verantwortung für eine einzelne Aufgabe. In ähnlicher Weise wird in dem zweiten 97

Finanzreform, Umweltaspekte einer

Bereich argumentiert, der vertikalen Steuerverteilung. Auch hier wird bemängelt, daß keine Ebene mehr über ihre eigenen Steuereinnahmen weitgehend autonom befinden kann. Über beide Bereiche hinweg kann man argumentieren, daß ein stärkeres Trennsystem gefordert wird, im Gegensatz zu den bestehenden Mischelementen. Die Aufgabenverteilung enthält auch die Verteilung der umweltpolitischen Aufgaben. Dem Bund steht zum einen die konkurrierende Gesetzgebung für die -»Abfallbeseitigung, die -»Luftreinhaltung und die —•Lärmbekämpfung zu (Art. 74 GG) sowie zum anderen die Rahmengesetzgebung für -»Naturschutz und Landschaftspflege sowie für Bodenverteilung, Raumordnung und Wasserhaushalt (Art. 75 GG). Soweit der Bund von der konkurrierenden Gesetzgebung Gebrauch gemacht hat, und das gilt für die drei genannten Fälle, sind die Länder im wesentlichen nur ausführend tätig. Die Rahmengesetzgebung, die vom Bund ebenfalls weitgehend ausgefüllt wurde, beläßt den Ländern hingegen einen erheblichen umweltpolitischen Spielraum. Es hat den Anschein, als ob diese Fragestellung der Kompetenzverteilung derzeit politisch wenig kontrovers ist. In der ökonomischen Perspektive ist allerdings zu fragen, ob die Kompetenzen der jeweils richtigen Ebene zugeordnet sind. Nach dem für die Finanzordnung im föderativen Staat zentralen Prinzip der fiskalischen Äquivalenz soll der Nutzenkreis einer öffentlichen Aufgabe dem Entscheiderkreis über diese öffentliche Aufgabe (und darüber hinaus dem Kreis der Kostenträger) entsprechen. Beispielsweise kann man für den Lärm aus stationären Quellen argumentieren, daß hierfür eine Landes-, wenn nicht gar eine Gemeindekompetenz ausreicht, weil die unmittelbare Betroffenheit örtlich gebunden ist. Hingegen wird man die Kompetenz für grenzüberschreitende Luft- oder Gewässerbelastungen beim Bund, wenn nicht bei der EU sehen wollen (Döring 1997). Wenn diese Sicht sich durchsetzt, wären im Zuge einer Finanzreform i. e. S. erhebliche Änderungen vorzunehmen.

98

Finanzreform, Umweltaspekte einer

Auch die vertikale Steuerverteilung hat unmittelbare Umweltbezüge. Eine umweltorientierte Steuerreform würde völlig anders aussehen, wenn, anders als heute, die Gesetzgebungskompetenz für Verbrauchsteuern auch den Ländern zugesprochen würde. Umweltsteuern sind zumeist Steuern auf spezielle Güter bzw. Verbrauchsteuern, so daß sie dann je nach Zuordnung vom einzelnen Land festgelegt und jedenfalls ihrer Höhe nach variiert werden könnten, während sie heute bundeseinheitlich durch den Bund festgelegt und erhoben werden. Eine Entscheidung nur für die eine oder andere Ebene wäre in diesem Falle wiederum unzweckmäßig. Für Probleme örtlichen Zuschnitts würden örtliche Steuern genügen (wie der Versuch der Stadt Kassel zeigte, in ihrem Stadtgebiet Einweggeschirr mit einer Abgabe zu belasten). Zielt eine Steuer jedoch auf die Minderung von CO2, so ist mindestens die Bundeskompetenz gefragt, besser wäre wiederum eine EU-Kompetenz, weil die Minderung auf das globale Gut „Klimastabilisierung" zielt. Die folgenden Abschnitte beziehen sich auf die Finanzreform im weiteren Sinne, also die Summe wünschenswerter Änderungen auf der Einnahmenseite ( Kap.3) und Ausgabenseite (Kap. 4) des Budgets. 3. Umweltaspekte von Reformen auf der Einnahmenseite des öffentlichen Haushalts Die Berücksichtigung von Umweltbelangen bei der Ausgestaltung der öffentlichen Einnahmen kann zum einen punktuell zu einzelnen Vorschriften des Steuerrechts erfolgen (3.1), zum anderen im Wege einer unter Umweltvorzeichen konzipierten umfassenden Steuerreform (3.2). Darüber hinaus enthalten die Entgeltabgaben starke Umweltbezüge (3.3). 3.1. Die Einschätzung von Einzelregelungen im Steuerrecht Das Steuerrecht enthält an zahlreichen Stellen Elemente, die entweder auf positive Umwelteffekte zielen, oder aber - oft ungeplant - negative Umwelteffekte auslösen. Die Liste dieser möglichen Ansatzpunkte ist lang (zu Systematik und früheren Fällen vgl.

Finanzreform, Umweltaspekte einer Dickertmann 1988). Hier sei beispielhaft auf zwei Sachverhalte verwiesen. Über längere Zeit enthielt § 7d EStG die Möglichkeit der beschleunigten Abschreibung für Umweltschutzinvestitionen. Umweltpolitisch hatte dies den Vorteil, die Bereitschaft der Wirtschaft zu fördern, umweltbezogenen -»Auflagen zügig nachzukommen (ehe durchgreifende gesetzliche Maßnahmen existierten) oder freiwillige darüber hinausgehende umweltbezogene Investitionen zu unterstützen. Nachteilig war, daß überwiegend nur End-of-pipeTechnologien gefördert werden konnten, weil beim integrierten -»Umweltschutz der Umweltschutzanteil an einer Investition zumeist nur schwer abzuschätzen ist. Zudem dürfte es in starkem Maße zu reinen Mitnahmeeffekten gekommen sein. Die Mineralölsteuer hat immer schon als eine Steuer gewirkt, die die mit dem Verbrauch dieses Produkts und mit Verkehrsbewegungen einhergehenden -»Emissionen reduzierte. Wenn die ursprünglichen Begründungen der Mineralölsteuer auch anderer Art waren (Luxussteuer; Wegekostenanlastung), so kann sie von ihrer Wirkung her dennoch als eine zugleich im Sinne des Umweltschutzes wirkende Maßnahme interpretiert werden. Dementsprechend spielt sie auch bei den umweltbezogenen Steuerreformen eine große Rolle. Generell haben Umweltsteuern im Vergleich mit dem Ordnungsrecht den Nachteil, daß sie alle Emissionen belasten, während das Ordnungsrecht als dominierendes Instrument zu dem umweltpolitischen Grundkonsens gefuhrt hat, die als tolerabel angesehenen Emissionen nicht zu belasten. Eine Umweltsteuer hingegen belastet, wenn durch sie der politisch angepeilte -»Grenzwert der -»Emission erreicht ist, nur noch die als unbedenklich angesehene „Restverschmutzung". 3.2. Umweltorientierte Steuerreform Die Forderung nach einer umweltorientierten Steuerreform, insbesondere nach einer „ökologischen Steuerreform", geht über den umweltpolitischen Einsatz einzelner be-

Finanzreform, Umweltaspekte einer

grenzter -»Umweltabgaben, wie er jahrelang die Debatte bestimmte, hinaus (zu Darstellung und Kritik s. Zimmermann 1996). Zwar wird nach wie vor die Lenkungswirkung der einzelnen Umweltsteuer mit ihren statischen und dynamischen Effizienzeffekten betont. Zugleich soll aber der Staatsanteil nicht steigen. Daher sind zur Erzielung der Aufkommensneutralität einer solchen Reform andere Steuern zu senken. Das führte seinerzeit auf den Denkansatz der doppelten Dividende. Die erste Dividende besteht in der verringerten -»Umweltbelastung. Die zweite soll dadurch erzielt werden, daß als besonders schädlich angesehene Steuern oder Abgaben, insbesondere Sozialversicherungsbeiträge, gesenkt werden. Dazu dient der Vergleich der „Zusatzlasten" beider Steuern (Wissenschaftlicher Beirat 1997). Die theoretische Diskussion ergab, daß eine Reduzierung von Zusatzlasten kaum erreichbar ist. So erhofft man sich wenigstens, durch geringere Sozialversicherungsbeiträge niedrigere Arbeitskosten und ein höheres Angebot an Arbeitsplätzen zu erzielen. Doch auch dieser Effekt ist sehr unsicher. Denn gleichzeitig werden durch Umweltsteuern die Preise steigen und die Reallöhne unter Druck geraten. Wenn dann von Seiten der Gewerkschaften höhere Lohnforderungen durchgesetzt werden, steigen die Produktionskosten, und die Arbeitsnachfrage sinkt. Unter dem Aspekt der -»Globalisierung wären daher eher Steuerlasten auf den Faktor Kapital zu senken (Wissenschaftlicher Beirat 1997). Wegen dieser Schwierigkeiten ist von einer umfassenden „ökologischen Steuerreform" dann abzuraten, wenn sie auf mehr abzielt als den Schutz der —»Umwelt. Nimmt man die Funktionsweise des politischen Systems hinzu, so ist im Rahmen einer ökologischen Steuerreform das schlechtestmögliche Szenario das wahrscheinlichste: Unter dem politisch förderlichen Etikett des Umweltschutzes werden fiskalisch starke, aber umweltpolitisch schwache Steuern eingeführt. Nicht zuletzt eröffnen sich über solche breiten Umweltsteuem umfangreiche Spielräume für zusätzliche Staatstätigkeit: Gut begründete neue Umweltsteuern fuhren 99

Finanzreform, Umweltaspekte einer dazu, daß im Zusammenwirken mit den schwer zu verringernden bestehenden Steuern einiges im Staatssektor „hängenbleibt": Zwangsabgabenquote und Staatsanteil dürften steigen. Daher sollten Umweltsteuern lediglich dort eingesetzt werden, wo sie mit Blick auf umweltpolitische Ziele als unverzichtbar erscheinen. Dazu müssen zwei Merkmale eines Umweltproblems zusammentreffen: (1) (2)

Die Zahl der Emittenten muß sehr groß sein, und die Emission muß von der Intensität der Nutzung einer Emissionsquelle abhängen, nicht von den Eigenschaften der Quelle selbst. Um dies am Beispiel des Individualverkehrs zu verdeutlichen: Man kann die Abgase von Motoren soweit verringern, wie man will: Wenn die Kraftfahrzeugnutzungen in ihrer Summe inakzeptabel hohe Emissionen verursachen - aber auch nur dann - ist diese Kraftfahrzeugnutzung selbst zu reduzieren. Dazu ist eine erhöhte Mineralölsteuer geeignet. Fallen dadurch öffentliche Einnahmen an, sollte man sie dazu verwenden, andere unerwünschte Steuern zu senken. Das sollte aber nicht das primäre Ziel der umweltbezogenen Steuererhebung sein.

3.3. Entgeltabgaben mit Umwelteffekt Neben Steuern bestehen vor allem auf der kommunalen Ebene zahlreiche Entgeltabgaben: Gebühren, Beiträge und Erwerbseinkünfte. Sie sind zum Teil von erheblicher Umweltrelevanz, wie zwei Beispiele zeigen mögen. Abfälle der privaten Haushalte gehören zu den Bereichen, in denen Abgaben wahrscheinlich unverzichtbar sind: Die Zahl der Emissionsquellen „privater Haushalt" ist sehr groß, und die „Nutzung" dieser Quelle, also die laufende Produktion des Abfalls, ist das wichtige Merkmal für diesen Ausschnitt der Abfallproblematik. Der Abgabensatz muß erheblich sein, wenn die Lästigkeit, die mit Vermeidungsbemühungen einhergeht, überspielt werden soll. Erfreulicherweise gibt es eine solche „Umweltabgabe" in der Praxis. So wirken die Gebühren, die durch die 100

Finanzreform, Umweltaspekte einer

Kosten einer geordneten -»Deponie nach dem -»Stand der Technik oder nach der ebenso nach dem Stand der Technik durchgeführten Abfallverbrennung entstehen, in diese Richtung. Voraussetzung ist allerdings zum einen eine Bemessung der Höhe der Gebühr, die sich am Ressourcenverzehr orientiert, sowie zum anderen eine verursachergerechte Anlastung beim einzelnen privaten Haushalt, etwa durch Verwiegen am Müllfahrzeug. Als zweites Beispiel können die Versorgungsbetriebe der Gemeinden gelten (Gas, Wasser, Elektrizität, öffentlicher Personennahverkehr). So übt die Preispolitik für Gas, Wasser und Elektrizität deutliche Umwelteffekte aus. Und der „Nulltarif' im öffentlichen Personennahverkehr (Festsetzen des Fahrpreises auf Null) und generell die Höhe des Fahrpreises beeinflussen die Inanspruchnahme dieses umweltfreundlichen Verkehrsmittels. 4. Umweltaspekte der öffentlichen Ausgaben In einer Finanzreform (im weiteren Sinne) unter Umweltaspekten darf die Ausgabenseite nicht vergessen werden. Hier sind insbesondere die Subventionen und die Sachausgaben von Bedeutung. Unter Umweltzielen ist zwischen umweltschädlichen und umweltforderlichen Subventionen zu unterscheiden. Zu ersteren gehören beispielsweise Subventionen für die Förderung und den Einsatz von Steinkohle. Die energetische Verwendung von Steinkohle ist mit hohen Emissionen verbunden (im Gegensatz etwa zu Wasserkraft, aber auch zu Kernenergie). Unter globalen Umweltgesichtspunkten ist hervorzuheben, daß hier der C0 2 -Ausstoß im Vergleich mit anderen -»Energieträgern besonders hoch ist. Eine umweltorientierte Finanzreform hat demzufolge derartige Subventionen auf den Prüfstand zu stellen. Doch auch die Rolle umweltförderlicher Subventionen ist umstritten. Sie wurden beispielsweise eingesetzt, um die Umrüstung privater Heizungen zu verbilligen. Auch kann man Zuschüsse zu unternehmerischen Investitionen (-»Forschung und Entwicklung

Flächennutzungsplan

unter Umweltzielen, Übererfüllung von Auflagen usf.) gewähren. Die Maßnahmenerfullung trägt zwar zur Erfüllung des Umweltziels bei, doch geschieht die Finanzierung über das —»Gemeinlastprinzip, denn die Subventionen müssen aus allgemeinen Steuermitteln aufgebracht werden. Zudem werden durch Subventionen im allgemeinen falsche Preissignale gesetzt, so daß der Anreiz besteht, die umweltbelastende Aktivität auszuweiten, um die Subvention zu erhalten. Daher ist dieses Instrument sehr vorsichtig zu verwenden. Mit Blick auf die Sachausgaben der öffentlichen Hand ist auf die umfänglichen Bemühungen zu verweisen, im Wege der umweltfreundlichen —Beschaffung seitens der öffentlichen Hand das Umweltziel zu unterstützen. Hier kann der Staat eine wichtige Vorreiterrolle einnehmen. Aufs Ganze gesehen kann mit dem Bemühen, die öffentlichen Ausgaben und Einnahmen im Zuge einer Finanzreform unter Umweltaspekten umzugestalten, sicherlich ein bedeutsamer Beitrag zur Erreichung von Umweltzielen geleistet werden. Es muß aber bedacht werden, daß diese Ausgaben und Einnahmen zumeist in erster Linie anderen Zielen dienen. Daher kann man nicht erwarten (und als Ökonom fordern), daß nunmehr primär unter Umweltzielen gehandelt wird. Zwar ist in der Zielkonkurrenz im öffentlichen Haushalt den Umweltzielen sicherlich größeres Gewicht als bisher zu geben. Man darf aber auch nicht zuviel davon erwarten. Und zugleich hilft dies zu erklären, warum -»Umweltpolitik weltweit in erster Linie im Wege des Ordnungsrechts betrieben wird, denn hier kann ein Instrument im Wege des reinen Assignment genau auf ein Ziel zugeschnitten werden, was im Bereich der öffentlichen Finanzen nur im Ausnahmefall möglich ist. Weiterfuhrende Literatur: Dickertmann, D.: Maßnahmen für den Umweltschutz im Rahmen des bestehenden Steuersystems. Eine Bestandsaufnahme, in: Schmidt, K. (Hrsg.), öffentliche Finanzen und Umweltpolitik I. Schriften des Vereins für Socialpolitik, NF Bd. 176/ I, Berlin 1988;

FISchenrecycling

Döring, T.\ Subsidiarität und Umweltpolitik in der Europäischen Union, Marburg 1997; Gawel, E.: Die kommunalen Gebühren, Berlin 1995; SRU (Rat von Sachverständigen für Umweltfragen), Umweltgutachten 1996, Teil 5, Stuttgart 1996; Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen: Umweltsteuern aus finanzwissenschaftlicher Sicht, Schriftenreihe des Bundesministerium der Finanzen, Heft 63, Bonn 1997; Zimmermann, H.: Öko-Steuern. Ansätze und Probleme einer „ökologischen Steuerreform", in: Siebert, H. (Hrsg.), Elemente einer rationalen Umweltpolitik, Tübingen 1996. Prof. Dr. H. Zimmermann

Flächennutzungsplan ist ein Plan zur Darstellung der beabsichtigten Art der Bodennutzung gemäß den voraussichtlichen Bedürfnissen. In Grundzügen sind dabei die Baugebiete, die Flächen für den Gemeinbedarf und für Versorgungsanlagen, die Verkehrsflächen, Grünflächen und die Flächen für Land- und Forstwirtschaft auszuweisen. Eine besondere Rolle hierbei spielt die Abstandsplanung.

Flächenrecycling Flächenrecycling wird verstanden als eine nutzungsbezogene Wiedereingliederung von Flächen in den Natur- und Wirtschaftskreislauf, die ihre bisherige Funktion verloren haben. Hierunter fallen Militärliegenschaften, Industrie- und Gewerbebetriebe. Das Flächenrecycling wird durch planerische, umwelttechnische und wirtschaftpolitische Maßnahmen durchgeführt. 1. Brachflächen Wirtschaftliche Umstrukturierungsprozesse bedingen das Brachfallen großer Flächenareale, insb. in den alten Montanrevieren. -Strukturwandel läßt nicht nur brachliegende Grundstücke entstehen, sondern bewirkt auch eine erhöhte Nachfrage nach gewerblichen Flächen seitens anderer Gewerbebetriebe/ Gewerbebranchen. Brachflächen lassen sich in folgende Kategorien einteilen:

101

Flichenrecycling

• • •

Industrie- und Gewerbebrachen, Infrastrukturbrachen und Militärische Brachen (auch Konversionsflächen genannt).

Entsprechend ihrer Entstehungsgeschichte konzentrieren sich die unterschiedlichen Brachenkategorien in bestimmten geographischen Räumen. Neben wirtschaftlichen Strukturveränderungen bedingen gesellschaftliche Neuformierungprozesse (Rüstungsabbau) ein Brachfallen von Flächen. Aufgegebene militärische Liegenschaften im Osten Deutschlands sind besonders umfangreich. Mit dem Abzug des Militärs entstanden große Areale vornehmlich im Außenbereich. Diese Konversionsflächen bieten ein erhebliches Potential für die Kommunal- und Regionalstruktur, nachdem sie von Militäraltlasten, wie Munition gesäubert wurden. Die Erschließung dieser Konversionsflächen stellt ein Spezifikum dar, da Militärstationen ihrer -»Umwelt gegenüber eher abgeschottet waren und sich häufig nur eine zentrale Zufahrt zu den Grundstücken bietet. -»Konversion bedeutet im herkömmlichen Sinne „Umwidmung" oder „Neubestimung". Während sich Alttextilstandorte in peripheren Gebieten verteilen, liegen stillgegelegte Bergbauflächen und ehemaligen Stahlstandorte in alten Montanrevieren wie dem Ruhrgebiet. Durch spektakuläre Waterfrontprojekte gewinnen funktionslos gewordene Hafenflächen an Bedeutung, indem sie die Skyline der Städte in den Hafenbereichen prägen und das Image verbessern. Große Probleme hingegen bereiten die linienhaften, heute z. B. zu Radwegenetzen umfunktionierten Brachflächentypen, wie aufgelassene Bahnstrecken, Straßen oder Kanäle. 2. Ziele des Flächenrecyclings Nach wie vor steigt der Flächenbedarf für höherwertige städtebauliche Nutzungen. Unter dem Aspekt der Nachhaltigen Stadtentwicklung kommt den Brachflächen eine essenzielle Bedeutung zu, insbesondere bei Berücksichtigung des Ressourcenschutzes. In der -»Agenda 21 und in dem „Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Siedlungsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland", einem ganzheitlichen Zielkonzept, beschlossen vom Deutschen Nationalkommite -»Ha102

Flächenrecycling bitat II im März 1996 werden die Rahmenbedingungen einer zukünftigen Nachhaltigen Stadtentwicklung skizziert. Das Flächenrecycling nimmt in diesem Zusammenhang eine zentrale Stellung ein. Dem Brachflächenrecycling soll der Ausweisung von Flächen auf der „grünen Wiese" Vorrang eingeräumt werden. Mit der gültigen Novellierung des Baugesetzbuches sollen die Gemeinden durch ihre -»Bauleitplanung eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung gewährleisten. Der Terminus der "nachhaltigen Entwicklung" wird aus dem Begriff des -»„Sustainable Development", einer der Hauptforderungen der Weltkonferenz für Umwelt und Entwicklung im Jahr 1992 in - » R i o de Janeiro, abgeleitet. Nachhaltigkeit verfolgt die Trias Ökonomie, -»Ökologie und Soziales in Verbindung mit einer Zukunftsdimension. Zukünftige Generationen sollen mindestens die gleichen Lebensbedingungen vorfinden wie gegenwärtige Gesellschaften. Der Ressourcenverbrauch soll auf ein Niveau herabgesenkt werden, das die -»Regenerationsfähigkeit der -»Ressourcen nicht übersteigt. Durch Flächenrecycling kann Umweltbelastungen entgegengewirkt werden, indem Schadstoffe immobilisiert werden und der Erschöpfbarkeit und Belastbarkeit der Ressource Boden Beachtung geschenkt wird. Täglich ist in Deutschland ein Zuwachs an versiegelter Fläche von 120 ha zu verzeichnen. Demgegenüber stehen 25.000 ha an ehemaligen Industrieflächen in Ballungsräumen. Bundesweit beträgt die Höhe der Altlastenverdachts fläche 190.000 ha. 10 bis 20 % dieser Flächen müssen saniert werden. Im Bundesumweltministerium wird Flächenrecycling im Entwurf des umweltpolitischen Schwerpunktprogramms „Nachhaltige Entwicklung in Deutschland" in den Schwerpunktthemen „Schutz des Naturhaushalts" und „Ressourcenschonung" thematisiert. Übergeordnete Ziele sind eine dauerhafte -»Entkopplung von Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrsfläche vom Wirtschaftswachstum, die Reduzierung der Siedlungs- und Verkehrsfläche auf 30 ha pro Tag bis zum Jahre 2020 und die Beseitigung der von -»Altlasten ausgehenden Gefahren für Mensch und Umwelt in Verbindung mit der Wiedernutzbarmachung

Flächenrecycling möglichst vieler Altlastenflächen und sonstiger Brachflächen für neue Nutzungen. 3. Potentiale und Restriktionen des Flächenrecyclings 3.1. Potentiale Mit der Nutzung alter, bereits versiegelter Flächen im Gegensatz zum Neubau auf der „grünen Wiese" wird in einem erheblichen Maße der ökologischen Dimension des Nachhaltigkeitsprinzips Rechnung getragen. Gefahrenpotentiale, die von diesen Flächen für Mensch und Natur ausgehen, werden zu verhindern gesucht. Durch gezieltes Wiedereinbringen von Flächenarealen in die Landschaft können Grünzüge vernetzt und die ökologische Situation einer Region gestärkt werden. Indem Flächen zum Teil wirtschaftlich neu erschlossen werden, wird Standorten mit hohen Arbeitslosenquoten arbeitsmarktpolitisch geholfen und auf die ökonomische Seite des Nachhaltigkeitsprinzips eingegangen. Die alten Infrastruktureinrichtungen der funktionslos gewordenen Flächen entsprechen den harten Standortfaktoren im weitesten Sinne, z. B. durch eine verkehrliche Erschließung. Jedoch kommen weichen Standortfaktoren eine immer bedeutendere Rolle zu. Unter diesen ->Standortfaktoren ist das Maß an Lebensqualität zu verstehen, daß an einem bestimmten Standort geboten wird. Ökologie, Kultur und das Image nehmen einen hohen Stellenwert bei diesen zukünftigen Standortanforderungen ein. Insbesondere die WirtschaftsfÖrderungsabteilungen der Städte beklagen Gewerbeflächenengpässe, denen durch eine Neunutzung der Brachflächen entgegengewirkt werden kann, ohne weitere Fläche zu versiegeln. Flächenrecycling bietet Chancen zur Verbesserung der Umweltqualität durch bodenschonende Gewerbe- und Wohnflächen und durch den Wiederaufbau von Landschaft. Weiteres Potential liegt in einer positiven Veränderung des Stadtbildes, welches nicht nur für die Bürger von Bedeutung ist, sondern ein effektives Standortmarketing ermöglicht. Zurückgebliebene Gebäude werden häufig als Restriktion aufgefaßt, obwohl sich in ihnen ein erhebliches Entwicklungspotential birgt. Es sind Zeitzeugen einer vergangenen Epoche. Die Nutzung historischer Industriearchitektur läßt auf diesen Flächen ein be-

Flichenrecycllng sonderes Ambiente entstehen. Auf vielen Revitalisierungsstandorten wird aus den industriegeschichtlichen Bauten Identität gezogen. Oft gelten ausgediente Fördertürme als Wahrzeichen dieser Flächen. Häufig hat sich in den alten Fabrikhallen, insb. im Ruhrgebiet, eine Kulturszene etabliert: Stadtteiltheater, Kinos, Diskotheken oder Musicals. In letzter Zeit gewinnen diese Relikte der —>Industrialisierungsepoche an Wertschätzung, nicht zuletzt durch die Bestrebungen der IBA-Emscherpark, den alten Industrieflächen und Industriegebäuden neue Nutzungen zuzuführen. Als eine strukturpolitische Maßnahme des Landes Nordrhein-Westfalen verfolgte sie das Ziel der Nachhaltigen Stadtentwicklung. Neue Wege in der Stadtplanung wurden durch sie realisiert. Bekanntes Beispiel für die Verbindung von Landschaft, Kultur, Wirtschaft und Industriedenkmälern sind der Landschaftspark Duisburg-Nord und der Gasometer in Oberhausen. 3.2. Restriktionen Wesentliche Entwicklungshemmnisse ergeben sich durch die Restriktionen —»Kontamination, Kosten der Aufbereitung und dem aus Altlasten resultierenden schlechtem Image, den sog. mentalen Altlasten. Ein weiteres Problem ist der Mobilisierungszeitraum der Grundstücke, denn um eine Fläche einer nachhaltigen Nutzung zufuhren zu können, bedarf es längerer Zeiträume. Dieser Mobilisierungszeitraum gilt häufig als Ausschlußkriterium für die Flächenentwicklung, da Investoren und Grundstückseigentümer in der Regel an einer schnellen Reaktivierung interessiert sind. In den meisten Fällen muß das gängige Planungsrecht für die Flächen hinsichtlich der Folgenutzung abgeändert werden. Insbesondere bei alten Zechenstandorten stellt die Entlassung aus der Bergaufsicht, die die Aufstellung eines Abschlußbetriebsplan verlangt, der wiederum ein gesondertes Abwägungsverfahren beinhaltet, ein zeitaufwendiges Verfahren dar, da der Flächennutzung- und Gebietsentwicklungsplan danach zusätzlich angepaßt werden muß. Hemmnis früherer Flächenmobilisierung war eine „Bodensperre" seitens der Bergbauunternehmen, die aus Angst vor Betriebsansiedelungen neuer Branchen und daraus resul-

103

Flächenrecycling tierender Konkurrenz um Arbeitskräfte, ihre Flächen horteten. Oft fielen auch Flächen brach, weil sie für Unternehmen kein weiteres Geschäftsfeld boten, wie z. B. Flächen der Deutschen Bahn AG. Neben Kontaminationen bilden bauliche Altlasten, wie vorhandene Gebäude, Fundamente, Kanäle und Kabel erhebliche Restriktionen. Erschwert wird die Situation durch nicht zu lokalisierende, aufgegebene Schächte, Bergsenkungsproblematiken, bergmännische Wasserhaltung und Hohlräumen im Untergrund. Das größte Problem stellen jedoch die Altlasten dar. Chemische Altlasten sind die im -»Grundwasser, im -»Boden und in der Luft befindlichen Kontaminationen. Nach dem BBodSchG werden sie in Altstandorte und Altablagerungen unterteilt. Gesundheitsschädliche Wirkungen und sanierungsbedingte Kosten bedingen mentale Altlasten, die das negative Image in der Bevölkerung bzw. die negative Einstellung der Öffentlichkeit bezüglich alter Industrie- und Konversionsstandorten und ihrer Restriktionen beinhalten. Der Vermarktung ehemaliger Industrieflächen stehen erheblichen Akzeptanzprobleme gegenüber. 4. Formen der Wiedemutzung Unterschiedlichste Folgenutzungen können sich durch eine Revitalisierung ergeben. Die Grundstücke fungieren als potentielle Flächen für die Ansiedlung von Industrie und Gewerbe, Wohnen, Freizeit und Erholung oder als Standort zur Realisierung städtebaulicher Ziele. Wichtigstes Kriterium für die Folgenutzung ist, ob es sich bei dem Grundstück um eine Altlast handelt. Das Ausmaß einer Kontamination und weiterer Restriktionen ist von zentraler Bedeutung für die Folgenutzung. Oft müssen bestimmte potentielle zukünftige Nutzungen durch Restriktionen ausgeschlossen werden. Die umgebende Nutzungsstruktur beeinflußt ebenfalls die Zukunft der Fläche. Flächen ehemaliger Schachtanlagen liegen häufig in Außenbereichen und werden somit häufig renaturiert. Es kommt entweder zu einer baulichen Wieder- oder zu einer Freiraumnutzung. Die Wiedernutzung kann folgende Nutzungsstrukturen aufweisen:

104

FISchenrecycling 1.

Freiraumnutzung: aufgesplittet in anthropogen nutzbaren und nicht nutzbaren Raum, um: • •

2.

den Grünflächenanteil der Stadt zu erhöhen; durch Lage in der Landschaft, die durch ehemalige Nutzungen zersiedelte Landschaftsfläche neu vernetzen zu können.

bauliche Nutzung: aufgesplittet in Gewerbe, Freizeitnutzung.

Wohnen,

Wird eine bauliche Folgenutzung angestrebt, muß die Sanierung ihrer Folgenutzung angepaßt werden. Oberste Priorität ist es, daß von den Altstandorten keine Gefährdung der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt ausgeht. Die verschiedenen Folgenutzungen setzen jedoch unterschiedliche Sanierungsmaßnahmen voraus. So ist Wohnnutzung wesentlich sensibler und bedingt ein umfangreicheres Sanierungsverfahren als gewerbliche Nutzung. Bei einer erhöhten Kontamination ist eine gewerbliche Folgenutzung die kostengünstigere Alternative. Der Umfang von Sanierungsmaßnahmen auf Freiflächen ist bedeutend niedriger als bei baulichen Nutzungen. Häufig wird lediglich eine Bodenabdeckung mit Mutterboden vorgenommen oder stark belastetes Material wird ausgekoffert. 5. Arbeitsschritte des Flächenrecyclings Die Sanierung von Brachflächen ist eine interdisziplinäre Aufgabe. Geowissenschaftler, Ökologen, Naturwissenschaftler, Ingenieure und nicht zuletzt Manager sind bei einer Revitalisierung von Brachflächen beteiligt. Wesentliche Arbeitsschritte sind (Genske, D./ Noll, H.-P. 1995): 1. 2. 3.

Gefahrdungsabschätzung; Sanierungsplanung; Durchführung und Überwachung der Sanierungsmaßnahme.

5.1. Gefährdungsabschätzung Die Gefährdungsabschätzung umfaßt die Gesamtheit der Untersuchungen, Analysen und Bewertungen, die notwendig sind, um

FISchenrecycling eine Gefahrenbeurteilung durchzuführen. Zuerst wird eine Dokumentation des heutigen Zustands erfolgen, (Status-QuoArbeitspapier). Mit diesem Schritt wird eine Karte des Untersuchungsgebietes angefertigt, in der der gegenwärtige Stand der Bebauung zu sehen ist. In einer darauf folgenden historischen Recherche werden altes Kartenmaterial, alte Betriebspläne, Chroniken, geologische und hydrologische Karten und Luftbilder ausgewertet. Ziel dieser Recherche ist es, produktions- und standortspezifische Informationen über eventuelle Altlastenverdachtsflächen zu sammeln. Mit dieser Art der Recherche können alle ehemaligen und bestehenden Bebauungen, Produktionsstandorte und Standortnutzungen skizziert werden, um Altlastverdachtsflächen bestimmen zu können. So kann z. B. in der Nähe von Kokereien mit Altlasten gerechnet werden. Durch eine Recherche der Firmenchroniken und Zeitungen können ehemalige Unialle aufgedeckt werden, die eine Bodenkontamination zur Folge hatten. 5.2. Sanierungsplanung Die Sanierungsplanung baut auf den Ergebnissen der Gefährdungsabschätzung auf. Mittels der Gefährdungsabschätzung können Verunreinigungen und die Bebaubarkeit des Untergrundes erkannt werden. Die Sanierungsplanung setzt sich im wesentlichen aus den folgenden drei Schritten zusammen: 1. 2. 3.

Sanierungsuntersuchung Machbarkeitsstudie Sanierungskonzept

Wenn in der Gefährdungsabschätzung eine Kontamination festgestellt wurde, wird eine Abstimmung mit dem Träger des Vorhabens und den beteiligten Behörden in der Regel unter der Federführung einer koordinierenden Instanz erfolgen. Basis sind hier die festgelegten Sanierungsziele, welche folgende Beispiele umfassen können: • • •

Einhaltung des zeitlichen Rahmens der Sanierungsmaßnahme; Erhaltung schützenswerter —»Biotope; Ermöglichung einer Folgenutzung;

Flachenrecycling •

• •



Minimierung kontaminierten Bodenaushubs im Sinne der —»Abfallvermeidung; Sicherstellung der Überwachung der Sanierung; Unterbindung der Wirkungspfade von Schadstoffen über die Medien ^ B o den, Wasser, Luft; Verbesserung des Image, bzw. der Akzeptanz in der Öffentlichkeit für die Maßnahme.

5.2.1. Sanierungsuntersuchungen Vor der eigentlichen Sanierung erfolgen Sanierungsuntersuchungen. Laut BBodSchG besteht bei Kontaminationen für Behörden die Pflicht, von denjenigen Untersuchungen für die Entscheidung über die Art und den Umfang der Sanierung zu verlangen, die für die Sanierung zur Verantwortung gezogen werden. Mit der Untersuchung können die späteren Maßnahmen festgelegt werden. Prüfungsrelevante Punkte einer Sanierungsuntersuchung sind: • • • • • • •



Art der Verwertung und -»Entsorgung der anfallenden Abfälle; die Eignung der Verfahren; eine -»Nutzen-Kosten-Analyse; erforderliche Genehmigungen; potentieller Kosten- und Zeitaufwand; sinnvolle Nachsorgemaßnahmen; technische Voraussetzungen für die Realisierbarkeit der Sanierungsmaßnahmen; vermuteter Wirkungsgrad der Maßnahmen.

Das Ergebnis der Sanierungsuntersuchung stellt ein Sanierungsplan dar. Diese Untersuchung schafft die Basis für eine Machbarkeitsstudie. 5.2.2. Machbarkeitsstudie In der Machbarkeitsstudie werden die besten Sicherungsund Sanierungsmaßnahmen herausselektiert. Die einzelnen Maßnahmen und Verfahren werden nach bestimmten Kriterien untersucht: • •

Akzeptanz; Betriebssicherheit; 105

Flichenrecycling

• • • • •

Einhalten des Sanierungsziels; Kosten; Nachsorge und Überwachung; Vorliegen zukünftiger Nutzungseinschränkungen; Zeitbedarf.

5.2.3. Sanierungskonzept Sanierung bedeutet die Beseitigung einer bestehenden Gefahr für die Umwelt und die menschliche Gesundheit. Es bestehen drei Möglichkeiten der Sanierung: 1. 2. 3.

Dekontamination; Sicherung; Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen.

Unter Dekontamination ist eine vollständige Entfernung der Schadstoffe z. B. durch Bodenaushub zu verstehen. Laut BBodSchG wird bei schädlichen Bodenverunreinigungen, die nach Inkrafttreten des Gesetzes entstehen, der Dekontamination Vorrang eingeräumt werden müssen. Da Deponieraum für Kontaminationen teuer ist, wird aus Kostengründen häufig davon abgesehen. Sicherung umfaßt Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung von Verunreinigungen, z. B. das Einkapseln einer Bodenverunreinigung. Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen legen Verhaltensregeln und Nutzungseinschränkungen fest, z. B. Spielverbot oder Verbot des Anbaus von Nahrungsmitteln auf der belasteten Fläche. Sicherungs-, Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen müssen überwacht werden, während bei einer Dekontamination dauerhaft von keinen negativen Auswirkungen ausgegangen werden kann. Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen dürfen laut BBodSchG nur durchgeführt werden, wenn andere Sanierungsmaßnahmen nicht möglich bzw. unzumutbar sind. Dies wäre der Fall, wenn die Kontamination überbaut ist oder es noch kein technisches Verfahren zur Beseitigung gibt. Für die Sanierung des Baugrundes alter Zechenstandorte gibt es besondere Verfahren. So können Bauwerkslasten zum Beispiel durch Pfahlgründung in tieferen, tragfähigen Schichten realisiert werden. Heterogenitäten des Baugrundes werden durch Injektionen 106

F19chenrecycling oder Verfüllung von Hohlräumen ausgeglichen. Zentrale Aufgabe der Machbarkeitsstudie ist eine vernünftige Verzahnung von Baugrundsanierung und Altlastensanierung, da ansonsten eine umweltverträgliche und wirtschaftliche Revitalisierung ausgeschlossen werden kann. Auf Grundlage dieser Machbarkeitsstudie erfolgt eine Diskussion mit den verschiedenen Beteiligten und es wird das endgültige Sanierungskonzept festgelegt. Für jeden einzelnen Teilbereich der Fläche werden nun konkrete Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen vorgeschrieben. A m Ende der Sanierungsplanung steht ein Sanierungsplan mit folgenden Inhalten: • • • • • • •

beabsichtigte Maßnahmen; Ergebnisse der Sanierungsuntersuchung; Gefahrenpotential; Kosten- und Zeitrahmen; Sanierungsziele; Standortverhältnisse; Überwachungsmaßnahmen:

5.3. Durchfuhrung und Überwachung der Sanierungsmaßnahme Als Grundlage für die Durchfuhrung und Überwachung der Sanierungsmaßnahme dient das Sanierungskonzept. Erkenntnisse aus der Gefährdungsabschätzung liefern potentielle Sanierungskosten. Kosten sind der entscheidende Faktor für die Bestimmung der weiteren Nutzung einer Fläche. Falls die Kosten den erwirtschafteten Wert durch Grundstücksverkauf oder durch Fördermittel übersteigt, entscheidet man sich für einen Konkurrenzstandort auf der „grünen Wiese". 5.4. Kostenermittlung von Flächen Die Wertermittlung von Standorten ist eine interdisziplinäre Aufgabe. Der Grundstückswert eines revitalisierten Standortes berechnet sich aus dem Aufwand für Sanierung, Erschließung und der planungsrechtlich zulässigen Verwertung des Grundstücks. Mentale Altlasten sind in diese Rechnung mit einzubeziehen, da sie den Wert einer Fläche erheblich schmälern können. Wird eine Sanierung belastungsbezogen durchge-

FISchenrecycling führt, kann dadurch die Sanierungsmaßnahme gering gehalten werden und somit der Wert der Fläche gesteigert werden. Grundstücke, die in Zukunft nicht bebaut werden können, können als ->Ausgleichsflächen ausgewiesen werden. Die Ermittlung des Verkehrswerts wird im wesentlichen durch das Baugesetzbuch geregelt. Die Wertermittlung von vorgenutzten Industrieflächen erfolgt nach den gleichen Kriterien wie bei herkömmlichen Grundstücken. Drei grundsätzliche Verfahren müssen bei der Ermittlung des Verkehrswerts beachtet werden: 1. 2. 3.

Ertragswert, Sachwert, Vergleichswert.

Der Wert unbebauter Grundstücke wird durch Vergleichswerte ermittelt, während bei bebauten Grundstücken die einzelnen Komponenten Gebäude, —>Boden, Außenanlagen bewertet und in den anzuwendenden Verfahren berücksichtigt werden. Wertbeeinflussende Faktoren müssen durch Zu- oder Abschläge in die Rechnung mit einbezogen werden. Die bereits beschriebenen unterschiedlichen Potentiale bzw. Restriktionen des Grundstücks schlagen sich in den Zuund Abschlägen nieder. Bei kontaminierten Grundstücken muß neben den herkömmlichen Bewertungsmethoden noch die Qualität des Untergrundes mit einbezogen werden. Für die Ermittlung dieses Wertes sind Experten hinzuzuziehen. 5.5. Einsatz multimedialer Arbeitsweisen Das Flächenrecycling bedient sich immer häufiger multimedialer Arbeitsweisen. So erfolgt die Erstellung des Status-Quo-Papiers unter Computereinsatz. Mittels Digitalisierung wird die Fläche als Kartenmaterial in einen Computer eingegeben, um modifiziert werden zu können. 3D-Grafik-Workstations tragen zur Visualisierung von Brachflächen bei. Die Arbeit an Altlastenprojekten wird durch den Einsatz elektronisch Datenverarbeitungsmedien erleichtert, da Umweltbelastungsdaten besser analysiert werden können. Mittels dreidimensionaler Simulation kann die Komplexität einer Revitalisierung

Flfichenrecycling transparent gemacht und eine abschließende Präsentation somit erleichtert werden. Bereits vorliegendes Kartenmaterial kann mit den Daten der historische Recherche gefüttert werden. Mit der sog. Layertechnik, einer Technik zur Überlagerung von digitalen Folien können alle Daten in einer einzigen Karte dargestellt werden. Die multimediale Visualisierung der Problematik mit einer dreidimensionalen Darstellung von Schadstoffwegen und zukünftigen Nutzungen wird immer häufiger verfolgt. Geo-Informationssysteme unterstützen diese Arbeit und erleichtern einen Vergleich der unterschiedlichsten Flächen. Der Einsatz von Computertechnik, insb. dem Internet, begünstigt eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Da die Bedingungen einer jeden Fläche unterschiedlich in bezug auf Schadstoffbesatz, der historischen Nutzung und der umgebenden Struktur sind, kann nicht auf eine allgemein Strategie zur Revitalisierung zurückgegriffen werden. Vielmehr muß das strategische Vorgehen bei jeder Fläche neu durchdacht werden, obwohl die wesentlichen Kernarbeitsschritte, die bereits skizziert wurden, gleich bleiben. Insbesondere bei der Vermarktung von Grundstücken helfen Datenbanken, in denen Flächengröße und Potentiale der Fläche dargestellt werden können. Durch das Internet und mittels dreidimensionaler Darstellung können sich weltweit Interessenten über Grundstücke informieren. 6. Auswirkungen des Bundes - Bodenschutzgesetzes Mit Inkrafttreten des BBodSchG zum 1. März 1999 ist eine wesentliche Grundlage für eine effektive Altlastensanierung und die Revitalisierung von kontaminierten Industriestandorten und ihrer Wiedereingliederung in den Wirtschaftskreislauf geschaffen worden. In dem Gesetz finden wirtschaftliche Erfordernisse Berücksichtigung. Das Gesetz legitimiert einen sinnvollen Umgang mit belasteten Boden. Das BBodSchG definiert in § 4 den Kreis der Sanierungspflichtigen. Auch der Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers einer schädlichen Bodenverunreinigung kann nun zur Sanierung herangezogen werden. Mit § 13 werden die Anforderungen an den Sanierungsplan als Bestandteil

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Fluorchlorkohlenwasserstoffe eines öffentlich-rechtlichen Sanierungsvertrages geregelt. Da es bisher keine einheitliche gesetzliche Regelung bezüglich der Altlastenproblematik gab, konnte der Aufwand für die Sanierung von Altlasten nicht rechtssicher kalkuliert werden. Wann eine Altlastenverdachtsfläche tatsächlich als eine Altlast zu bezeichnen war, war bis zum Inkrafttreten des Gesetzes völlig unklar. Es gab keine Regelungen, ab wann Untersuchungsmaßnahmen durchzuführen waren, wann Sanierungsmaßnahmen realisiert werden sollten oder ab welchem Zeitpunkt ein Boden als saniert galt. Bedingt durch diese fehlenden Regelungen wurden alle Beteiligte wie Eigentümer, Sanierer oder Investoren verunsichert. Die größte Hemmschwelle des Flächenrecyclings war bisher die Angst vor Altlasten. Diese Angst ließ selbst innerstädtische Flächen mit bester Infrastruktur unangetastet. Somit entpuppten sich Altlasten als Blockade für die gesamte Entwicklung einer Fläche. Durch das Gesetz werden nun die Sanierungsverantwortung, die Befugnisse der Behörden, die Sanierungsplanung und die Beteiligung der Öffentlichkeit verbindlich festgelegt. Bodenwerte können leichter ermittelt werden. Einem bundeseinheitlichen Vorgehen bei der Altlastenbearbeitung durch einheitliche Vorsorge-, Prüf- und Maßnahmewerte ist nun der Weg bereitet worden. Dem Problem der Kalkulierbarkeit, dem sich Grundeigentümer und Investoren von Sanierungsmaßnahmen gegenüberstehen, haben sich Versicherungen angenommen. Sie versichern ein konkretes Sanierungsprojekt oder auch eine Fläche, auf der bereits Sanierungsmaßnahmen vorgenommen wurden. Versicherungspolicen sind demnach grundstücksbezogen und nicht personenbezogen. Durch das BBodSchG wurde ein neuer Grundstein für das Flächenrecycling geschaffen. Wichtig ist nun, daß die Chancen, die diese funktionslos gewordenen Flächen bergen, auch genutzt und Umstrukturierungen dem Prinzip einer nachhaltigen Entwicklung gerecht werden. Weiterfuhrende Literatur: Kompa, RJ Pidoll, M. VJ Schreiber, B. (Hrsg.): Flächenrecycling. Inwertsetzung. Bauwürdigkeit. Baureifemachung, Berlin u. 108

Free-Rider-Verhalten a. 1997; Genske, DJ Noll, H.- P.: Montanstandorte im Wandel. Konzepte und Beispiele zur Wiedernutzbarmachung, in: Genske, D./ Noll, H.- ?./ Trinkaus, E.: Brachflächenrecycling 1995, Essen 1995; Kreibich, RJ Schmid, A. SJ Siebel, WJ Sieverts, TJ Zlonicky, P. (Hrsg.): Bauplatz Zukunft. Dispute über die Entwicklung von Industrieregionen, Essen 1994; Genske, DJ Noll, H.P.: Brachflächen und Flächenrecycling, Berlin 1995; Zeitschrift Brachflächenrecycling, Essen 1994-1998; Zeitschrift Flächenrecycling Geoprofi, Essen, ab 1998. A. Maniura

Fluorchlorkohlenwasserstoffe Abk.: FCKW; sind organische Verbindungen, die hauptsächlich als Aerosoltreibgase, Kältemittel sowie bei der Kunststoffverschäumung eingesetzt werden. FCKW führen in der Stratosphäre zu einem Abbau der Ozonschicht (-»Ozon, -»Ozonloch). —»Wiener Konvention

Förderprogramme -»Deutsche Bundesstiftung Umwelt, -»Umweltbundesamt

Forschung und Entwicklung -»Innovationen, ökologische

Free-Rider-Verhalten bezeichnet das strategische Verhalten eines Wirtschaftssubjektes, das öffentliche Gut —»Umwelt unentgeltlich zu nutzen ohne dabei seine wahre Zahlungsbereitschaft für das Gut Umwelt offenbaren zu müssen. Es bildet sich daher kein Knappheitspreis. Da Wirtschaftssubjekte nicht von der Nutzung des Gutes Umwelt ausgeschlossen werden können, kommt es zur Übernutzung der Ressource Umwelt. Das einzelne Wirtschaftssubjekt erhält einen Nutzen aus der unentgeltlichen Nutzung der Umwelt ohne die Kosten deren Bereitstellung tragen zu müssen.

Frühwarnsysteme

Frühwarnsysteme

Frühwarnsysteme ermöglichen das rechtzeitige Ergreifen präventiver Maßnahmen, um Wettbewerbsvorteile zu realisieren bzw. -nachteile zu vermeiden. Als Methoden zur Identifizierung zukünftiger Chancen-/ Risikopotentiale finden die Diffusions- und Trendforschung, die Szenariotechnik sowie Chancen-/ -»Risikoanalysen und Cross-/ Impact-Analysen Verwendung.

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GATT

Genehmigungsverfahren

G GATT Abk.: General Agreement on Tarifs and Trade. -»Umweltschutz in GATT und WTO

Gefährdungshaftung bezeichnet die gesetzliche Schadensersatzpflicht, die kein Verschulden voraussetzt. Ein Haftungsgrund liegt schon dann vor, wenn eine Anlage in Betrieb genommen wird, die geeignet ist Dritten trotz erforderlicher Sorgfalt Schaden zuzufügen. Die Gefährdungshaftung ist im —»Umwelthaftungsgesetz geregelt: 1.

die Haftung umfaßt den (störungsfreien) Normalbetrieb;

2.

dem Geschädigten wird zum Nachweis der Schadensverursachung Beweiserleichterung eingeräumt;

3.

der Anlagenbetreiber hat aufgrund der —»Kausalitätsvermutung einen Nichtverursachungsbeweis zu bringen (Beweislastumkehr);

4.

der Geschädigte hat erweiterte Auskunftsrechte gegenüber dem Anlagenbetreiber;

5.

die maximale Haftungssumme beträgt bis zu 320 Mio. DM für Personen- und Sachschäden.

Gefährliche Güter (auch: Gefahrgüter) sind Stoffe und Gegenstände, die aufgrund ihrer Natur, Eigenschaften oder ihres Zustandes im Zusammenhang mit ihrer verkehrlichen Beförderung, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die Gemeingüter, das Leben und die Gesundheit von Mensch und Tieren sowie anderweitigen Sachen darstellen. -»Gefahrstoffverordnung

Gefangenendilemma kennzeichnet eine spieltheoretische Situation, in der individuell rationales Verhalten der einzelnen Gruppenmitglieder zu einem für die Gruppe insgesamt suboptimalen Ergebnis führt. Beispielssituation: Einzelverhör mehrerer Gefangener, die unabhängig voneinander verhört werden, wobei die Kronzeugenregelung gilt, d. h. gesteht ein Gefangener, so erhält er eine gemilderte Strafe. Leugnet der Befragte, so geht er straffrei aus, so lange ihn kein Mitgefangener belastet. Für diesen Fall würde er die Höchststrafe erhalten. Das Dilemma des Modells liegt darin, daß jedem isoliert handelnden Gefangenen ein Geständnis vorteilhaft erscheint. Folglich werden alle Gefangenen gestehen und sich dadurch einer Bestrafung aussetzen, der sie durch gemeinsames konsequentes Leugnen hätten ausweichen können.

Gemeinlastprinzip -»Umweltpolitik

Genehmigungsverfahren 1. Begriff und Wesen Mit dem Begriff der "Genehmigungsverfahren" werden hoheitliche Verwaltungsprozeduren beschrieben, die die Übereinstimmung privatwirtschaftlicher Aktivität mit gewissen materiellen rechtlichen Anforderungen auf dem Wege der präventiven Kontrolle sicherstellen wollen. Sie sind damit Mittel des Rechtsvollzuges. Die Erfüllung der gestellten materiellen Anforderungen, etwa die Einhaltung von -»Emissionsgrenzwerten, wird dabei nicht erst aktivitätsbegleitend einer Überwachung unterworfen, sondern bereits vor Aufnahme der zu regulierenden Tätigkeit im Rahmen einer Eröffnungskontrolle geprüft. Der Modus der Präventivkontrolle geht daher grundsätzlich von einem (formellen) Verbot aus, das erst durch einen förmlichen Verwaltungsakt

111

Genehmigungsverfahren

(hier: den Genehmigungsbescheid) punktuell aufgehoben wird. Während bei ökonomischen Instrumenten (->Abgaben, Lizenzen) die Umweltinanspruchnahme nur von der Zahlung eines entsprechenden Entgelts (Abgabesatz) bzw. der Haltung entgeltpflichtiger Erlaubnisscheine (Lizenzen) abhängig gemacht wird und die Einhaltung dieser Vollzugsregeln nur laufend zu überwachen ist, wird ein Genehmigungsverfahren erforderlich, wo die materielle Obereinstimmung von Privataktivitäten mit hoheitlich vorbestimmten Allokationsergebnissen (Standards, Technikeinsatz) bereits vorab sichergestellt werden soll. Genehmigungen als punktuelle Verbotsausnahme mit materieller Kontrollfunktion sind damit Ausdruck ordnungsrechtlicher Regulierung. 2. Verwaltungsrechtliche Aspekte von Genehmigungsverfahren Rechtswissenschaftlich stellen "Genehmigungen" jedoch nur eine spezielle Untergruppe hoheitlicher "Zulassungen" dar. Insbesondere im ->Umweltrecht werden unterschieden die immissionsschutzrechtliche und atomrechtliche Genehmigung (§ 6 BImSchG, § 7 AtomG), die wasserrechtliche Erlaubnis und Bewilligung (§ 6 WHG) sowie die gentechnischen Genehmigungen (§§ 13, 16 GenTG). Die einzelnen Zulassungsarten unterscheiden sich verwaltungsrechtlich insbesondere nach ihrer Rechtswirkung (rechtliche Ausgestaltung der Gestattungswirkung) und dem jeweils zugrunde liegenden Rechtsanspruch des Genehmigungsnachfragers: Beim lediglich formellen (d. h. allein zu Kontrollzwecken statuierten) "präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt" hat der Antragsteller einen Rechtsanspruch auf Zulassung bei Vorliegen der Voraussetzungen ("gebundene Erlaubnis"); beim auch materiell mißbilligenden "repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt" hingegen wächst der Behörde ein Entscheidungsermessen zu, inwieweit als sozialschädlich qualifizierten Aktivitäten im Einzelfall Raum gegeben werden kann (z. B. in § 6 WHG). Auch im Rahmen eines bestimmten Zulassungszweiges, z. B. der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, werden wiederum verschie-

112

Genehmigungsverfahren

dene Verfahrensarten mit unterschiedlichen Anforderungen und Rechtswirkungen unterschieden (förmliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung nach §§ 10 ff. BImSchG, vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach § 19, daneben existieren nicht-genehmigungsbedürftige Anlagen (§ 22) und Vorgänge (z. B. nach § 15) mit je eigenen Zulassungsregeln). Im folgenden sei jedoch vereinfachend weiter allgemein von "Genehmigungen" gesprochen. Bei den Rechtswirkungen einer Zulassung unterscheidet man insbesondere die Feststellungs-, Gestattungs- und Stabilisierungswirkung: Eine Erlaubnis spricht verbindlich aus, daß dem beantragten Verhalten oder Vorhaben Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen (Feststellungswirkung), und hebt insoweit die Verbotsschranke punktuell auf (Gestattungswirkung). Daneben schirmt sie die präventiv geprüfte Aktivität in bestimmten Grenzen vor späteren Zugriffen ab (Stabilisierungs-, auch: Legalisierungswirkung). 3. Effiziente Genehmigungsverfahren und Verfahrensökonomie Die umweltökonomische Diskussion hat sich bei der Betrachtung umweltverwaltungsrechtlichen Handelns lange Zeit am materiellen Recht regulativer Steuerung ausgerichtet und über die Verfahren zu dessen Durchsetzung im wesentlichen hinweggesehen. Das Zustandekommen von "Genehmigungen", deren genaue Regulierungswirkung, ja die bloße Existenz einzelwirtschaftlicher Genehmigungsprozesse wurden dabei ausgeblendet. Verfahren zur regulativen Durchsetzung materiellen Umweltrechts werden aber gegenwärtig unter vielfältigen Gesichtspunkten der Effektivierung, der Risikobewältigung, nicht zuletzt der Beschleunigung intensiv diskutiert. Zudem erscheinen Verfahrensregeln der Steuerung auch institutionenökonomisch überaus relevant: Nicht mehr eine absolute, anonym generierte Regulierungsnorm steht im Mittelpunkt der Betrachtung, bei der die Behörde zu einem unpersönlichen und ohne Eigeninteresse agierenden Norm-Exekutor gerät, sondern vielmehr eine komplexe Interaktionsform mit zahlreichen gestaltbaren Regeln, die über Anreizstruktur, Handlungsressourcen und damit den zu erwartenden

Genehmigungsverfahren Regulierungsoutput maßgeblich mitentscheiden. Unabhängig von den jeweils materiell zu erzielenden Allokationsergebnissen hat sich ein Steuerungsverfahren ökonomisch in der Hauptsache auf drei Feldern zu bewähren: 1.

Spezifizierung von Verfligungsrechten: Dem individuellen Umweltnutzer sind zunächst spezifizierte Verfügungsrechte über privat genutzte Umweltressourcen zu überbringen; diese zeigen an, welchen Teilausschnitt aus dem gesellschaftlich für zulässig gehaltenen Umweltgebrauch auf das betreffende Individuum entfallt. Ein Zulassungsverfahren konkretisiert dazu die individuell gestattete Umweltnutzung aus abstrakten Allokationsgeboten und überbringt diese in einem formlichen Verwaltungsakt (Bescheid). Produktion und Ausgestaltung dieser Verfügungsrechtebündel sollen effizient sein, d. h. insbesondere keine Zeit verschwenden ("Beschleunigung") und zwischen Geschwindigkeit der Erteilung und Qualität der Zulassung (Bestandskraft, Interessenausgleich, Risikoallokation) kostenminimierend vermitteln.

2.

Revisionsfähigkeit: Bei Änderungen im gesamtwirtschaftlich-ökologischen Datenkranz (neue Umweltnutzer, Verschärfung der ökologischen -»Restriktionen, etc.) ergibt sich die Notwendigkeit, die einmal überbrachte Verfügungsrechteposition zu revidieren, um sie mit den aktuellen Notwendigkeiten der jeweils angestrebten Allokationsleistung der Steuerung erneut in Deckung zu bringen. Die Aufdeckung solcher Änderungs- und Anpassungserfordernisse sowie ihre reibungslose Vornahme kennzeichnet die -»"Revisionsleistung" eines Allokationsverfahrens.

3.

Durchsetzung: Durch Verfahren ist schließlich auch sicherzustellen, daß zugestandene und tatsächlich in Anspruch genommene Umweltnutzung in Übereinstimmung bleiben (Vollzug i. e. S.), das Regelsy-

Genehmigungsverfahren stem der Steuerung mithin nicht durch regelwidrige Ausweichung unterlaufen wird. Dies kann durch Maßnahmen von Kontrolle und Überwachung geschehen, jedoch auch durch Konstituierung eines Eigeninteresses des Normdestinatars an der Normerfüllung selbst bzw. der Erfüllung des Regelungszwecks. In allen drei Kategorien ist eine Betrachtung der jeweiligen Effektivitäts- und Effizienz;leistung von Verfahren erforderlich. Von einem ökonomisch rationalen Allokationshebel wird man erwarten, daß er die gestellten Verfahrensaufgaben zuverlässig und mit minimalem Aufwand an Zeit und Gütereinsatz bewerkstelligt. 4. Die Genehmigungserteilung als Produktion von Verfügungsrechtebündeln Vor diesem Hintergrund können verwaltungsrechtliche Verfahren der Vorabkontrolle risikobehafteter privater Aktivität institutionenökonomisch als Regelsystem zur Generierung und Anpassung von Verfügungsrechtepositionen über sozialerhebliche -»Ressourcen gelten. Sie können unter Beachtung der jeweils ausgelösten Transaktionskosten nach ihren Leistungen hinsichtlich der Informationsverarbeitung, des Interessenausgleichs und der Risikobewältigung evaluiert (und entsprechend optimiert) werden. Wichtige Parameter sind dabei der Eingriffsmodus (präventiv/reaktiv), die in die Entscheidungsfindung eingebundenen administrativen und außeradministrativen Akteure und Interessen, die Prüftiefe sowie die allokative Reichweite des Genehmigungsspruchs (Qualität der generierten Verfügungsrechteposition und ihrer VerdünnungsrisikenBefristungen, Drittansprüche, etc.). Theoretisch gesucht ist grundsätzlich eine transaktionskostenoptimale Lösung des Interessenausgleichsproblems zwischen Schutzinteressen der Allgemeinheit und Drittbetroffener (Kontroll- und Schutzfunktion der Genehmigung) sowie Aktivitäts- und Sicherheitsinteressen der Genehmigungsnachfrager (Regelungsgehalt und Stabilisierungswirkung der Genehmigung). Das institutionelle "Design" von Genehmigungsverfahren erscheint dann als ein durch Abwägen der verschiedenen

113

Genehmigungsverfahren

Funktionen und Wirkungen zu Optimierungsproblem.

Genehmigungsverfahren

lösendes

Das Ergebnis eines Genehmigungsverfahrens ist eine förmliche Verfugungsrechteposition des Antragstellers in den Hauptdimensionen "-»Dauerhaftigkeit" (Bestandschutz), "materielle Einwirkungsmöglichkeit auf Ressourcen" (Reichweite oder Regelungsgehalt) sowie "Abwehr späterer Einreden" (Stabilität). Diese bestimmen zugleich über den wirtschaftlichen Wert des Gestattungstitels für den Inhaber: Eine Genehmigung kann als um so wertvoller für den Adressaten gelten, je bestandskräftiger und "stabiler" der Titel ausgestattet ist und je mehr private Ressourcenkontrolle dessen Regelungsgehalt zuläßt. Neben der materiellen Qualität eines Genehmigungstitels ist naturgemäß auch dessen "Produktionsdauer" als Zeitspanne bis zur behördlichen Genehmigungserteilung wirtschaftlich relevant. Während aus verwaltungsrechtlicher Sicht Genehmigungen in erster Linie die amtliche Bestätigung verkörpern, daß alle relevanten Normen eingehalten und die Interessen aller möglicherweise Betroffenen Berücksichtigung gefunden haben, betrachtet die ökonomische Theorie die Zulassung als eigenständiges "Verfügungs-" oder "—»Eigentumsrecht", genauer: als Bündel an Verfügungsrechten, welche die einzelnen Aspekte einer Genehmigung näher umschreiben. Während das Verwaltungsverfahrensrecht ferner nur wenige standardisierte und stark typisierte "Bündel" vorsieht, die nicht den Bedürfnissen des Destinatars der Genehmigung entsprechen, weil z. B. wichtige Merkmale fehlen (z. B. Veräußerbarkeit) oder aber umgekehrt "Rechte" enthalten, derer es aus Sicht des Investors gar nicht bedarf (z. B. unbefristete Geltung), zielt eine ökonomische Flexibilisierung von Genehmigungsentscheidungen auf eine Separation dieser Bündelung und eine fallweise, bedarfsorientierte Synthese einzelner Verfugungsrechte nach den Anforderungen der Rechteempfänger - soweit dies die Sicherstellung der übrigen Verfahrensziele zuläßt. Der institutionenökonomische Ansatz fordert daher, Teilungs- und Gestaltungsmöglichkeiten bei der Genehmigungserteilung verstärkt zu

114

berücksichtigen, z. B. durch Ausdifferenzierung von Verfahrenszweigen und Verfahrensoptionen. Dies entspricht dem institutionenökonomischen Programm einer Optimierung der Ausgestaltung von Verfugungs- und -»Eigentumsrechten, dem verbesserten Zuschnitt von Institutionen und der Verringerung von Transaktionskosten. Dabei geht es nicht darum, die behördliche Genehmigungsaktivität ausschließlich an den Wünschen privater Vorhabenträger auszurichten; vielmehr wird durch die Verfehlung optimierter "Bündel an Handlungsrechten" die Auferlegung einer Beschwer aufgezeigt, deren Wohlfahrtseinbuße sich gegenüber dem Schutzzweck des Verfahrens jeweils legitimieren muß. Wenn und soweit die Sicherstellung dieses Schutzzweckes keinen (aus der Sicht des Investors) suboptimalen Zuschnitt von Verfugungsrechten gebietet, besteht offensichtlich ein bisher unausgenutzter Optimierungsspielraum - dies allein ist die allokative Logik "nachfragegerechter Genehmigungserteilung". 5. Optimale Genehmigungsverfahren Die Überbringung einer spezifizierten Verfügungsrechteposition im Dienste eines umfassenden Interessenausgleichs durch den Verwaltungsakt der "Genehmigung" zehrt in erheblichem Umfange Kosten, vermeidet zugleich aber Wohlfahrtseinbußen, die der Allgemeinheit durch die unregulierte Verfolgung risikoreicher Privataktivitäten drohen. Ziel einer ökonomischen Optimierung von Verwaltungsverfahren muß stets die Minimierung der Gesamtkosten (bzw. gewisser wohldefinierter Teilausschnitte hiervon) bei gegebenem verfahrensbezogenem Zielerreichungsgrad sein (ggf. auch der optimierende Ausgleich von Schutzzielen und dazu erforderlichen Verzichtskosten). Bei dieser Betrachtung erscheinen die Nutzen des Verfahrens in Gestalt der hierdurch verhinderten externen Schäden (als sozialen Kosten). Auch juristisch müssen sich Genehmigungsverfahren aufgrund ihrer Einschränkungsund Kostenwirkung vor dem jeweils zu realisierenden Schutzzweck nach dem Verhältnismäßigkeitsgebot legitimieren. Gefordert ist also eine verfassungsrechtliche Abwägung, die mit der kostentheoretischen Optimierung korrespondiert. Eine "effiziente" Verfahrensgestaltung liegt dann

Genehmigungsverfahren vor, wenn der gesamtwirtschaftliche Werteverzehr bei gegebener Schutzwirkung vermindert werden kann; die Optimallösung ist erreicht, sofem eine weitere Wohlfahrtsverbesserung durch Variation der Verfahrensregeln nicht mehr möglich ist. Die Vorstellung, man könne die Verfahren präventiver Kontrolle vereinfachen, ihre zeitliche Dauer verkürzen und bei unverminderter materieller Schutzwirkung zugleich die Verfahrenskosten für alle Beteiligten senken, erscheint naturgemäß illusorisch; der realistischere Fall besteht darin, daß einzelne Komponenten der "Genehmigungspro-duktion" neu justiert werden - mit der Folge von Kostenverschiebungen, aber einer (idealiter) insgesamt niedrigeren Kostenlast. Erschwert werden Optimierungsüberlegungen in der Praxis durch die fehlende Meßbarkeit von Kostenlasten, aber auch den Umstand, daß einzelne Kostenkategorien gänzlich "unsichtbar" bleiben (z. B. administrative Kosten hochausdifferenzierter Verfahrenslandschaften oder auf die Allgemeinheit externalisierte Verfahrenslasten bei nachlassender präventiver Kontrolldichte). Besteht das ökonomische Ziel in der kostenminimalen Erreichung des Regulierungszweckes, so müssen zunächst die jeweils relevanten Kostengrößen und ihre Determinanten betrachtet werden: Die zeitliche Erstreckung ("Dauer") des Verfahrens von der Artikulation eines Genehmigungsbedarfs bis zur rechtskräftigen Erteilung des Bescheides (Zuweisung von Verfügungsrechten), der materielle Verfahrensaufwand (Umfang beizubringender Unterlagen und zu generierender Informationen-Meßdaten, Gutachten etc.), sowie Anzahl und Interaktionsform involvierter Verfahrensakteure bestimmen als wesentliche Kostendeterminanten den Werteverzehr einer präventiven EröfTnungskontrolle: Als "Kostenarten" ergeben sich zunächst: (1) (2) (3)

Zeitkosten, insbesondere als Wartekosten, ferner Verfahrenskosten (Transaktionskosten des Verfahrens) und schließlich Folgekosten als Gesamtheit des Aufwandes, der als Ergebnis nicht gehinderter Privataktivität anfällt:

Genehmigungsverfahren

a)

b)

c)

So entstehen Folgekosten zunächst als private Anpassungskosten (= Kosten des Investitionsrisikos), da nicht gehinderte Aktivität die Option auf nachträgliche Einreden (z. B. als nachträgliche behördliche Anordnung, nachbarrechtliche Abwehransprüche, zivilrechtliche Haftung) beinhaltet, femer als Interventionskosten, die den Behörden bei aktivitätsbegleitender Regulierung entstehen, sowie schließlich in Gestalt sozialer Folgekosten (= Kosten des Schadensrisikos), die als Ergebnis einzelwirtschaftlichen ökonomischen Handelns bei der Allgemeinheit inzidieren.

6. Präventive oder reaktive Kontrolle? Bei der Suche nach "optimalen" Genehmigungsprozessen kann ein aus Nachfragersicht optimiertes Genehmigungsprodukt, aber auch ein gesellschaftlich optimales Regulierungsverfahren oder bloß ein von produktionstechnischen Ineffizienzen freies Procedere gefragt sein. Der undifferenzierte Ruf nach "Beschleunigung" bzw. "Optimierung" muß daher zunächst die zu optimierende Variable sowie das relevante Kostenspektrum des jeweiligen Optimierungskalküls explizieren. Zunächst kann ganz grundsätzlich die "Regimefrage" gestellt werden, d. h. gesucht ist das optimale Regulierungsverfahren selbst: In welchen Bereichen ist mit präventiven, wo mit nachträglichen Kontrollverfahren zu regulieren? Es liegt auf der Hand, daß bei geringer Sozialerheblichkeit aufwendige Verfahren der Eröffnungskontrolle ökonomisch kontraindiziert sind und zugunsten fallweiser nachträglicher Eingriffsmöglichkeiten zurückzustellen sind. Die genaue Grenzziehung der Problembereiche allerdings sowie der im Einzelfall zu realisierende Umfang präventiver Befugnisse (z. B. auch als Zwischenlösung) bzw. die konkrete Balance zwischen präventiven und reaktiven Befugnissen der Behörde bleiben zunächst offen und sind ökonomischen Effizienzüberlegungen zugänglich.

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Genehmigungsverfahren Der staatliche Genehmigungsvorbehalt ist als Mittel des Rechtsvollzuges ein Instrument des Interessenausgleichs zwischen gesellschaftlichen und privaten Ressourcenansprüchen. Als eigentliches Problem stellt sich dabei der Umstand, daß das Verfahren des gesellschaftlichen Interessenausgleichs grundsätzlich mit Ressourcen- und Zeitzehrung einhergeht, welche in Bezug auf den gewählten Modus der Regulierung (präventiv durch Eröffnungskontrolle oder reaktiv durch nachträgliche Anordnungen) nicht als invariant gelten können. Denn in einer Welt ohne Transaktionskosten wäre es unerheblich, ob Präventivkontrollen die Regulierung privater Aktivität auf das gesellschaftlich akzeptable Maß sicherstellen oder ob diese Aufgabe von nachträglichen Vollzugsmaßnahmen wahrgenommen würde: In einer neoklassischen Idealwelt mit vollständiger, symmetrisch verteilter Information, kostenloser regulativer Intervention und unter Abwesenheit von Zeitverzögerungen in den Anpassungsreaktionen wären beide Lösungen vielmehr sogar notwendig identisch. In der realen Welt hingegen entsteht Ressourcenzehrung durch aufwendige Verfahren des gesellschaftlichen Interessenausgleichs: Zwischen den Extremen eines völligen Verbotes riskanter Privataktivitäten und deren ungehinderter Entfaltung hat staatliche Regulierung das jeweilige gesellschaftliche "Optimum" sozialerheblicher privater Aktivität entsprechend den materiell-rechtlichen Festlegungen im —»Umwelt- und Technikrecht - als Ausdruck der gesellschaftlichen Zielvorgabe - Zur Bewältigung dieses Interessenausgleichs im konkreten Einzelfall stehen unterschiedliche Verfahren bereit, die stark vereinfacht in der Dualität von Präventivkontrolle und antragsunabhängigem, aktivitätsbegleitendem Vollzug abgebildet werden können - von Mischformen einmal abgesehen. Beide Regime repräsentieren je spezifische Verfahrensmodi mit unterschiedlichen Anreizstrukturen der Vollzugsakteure und Transaktionskosten der Vollzugsdurchsetzung. In der Realität werden deren Allokationsergebnisse als Folge abweichender institutioneller Rahmenbedingungen der Vollzugssituation, insbesondere der Anreizund Beweislastumkehr, nicht äquivalent sein; präventive Kontrolle kann daher auch ökonomisch als potentiell überlegener Vollzugs116

Genehmigungsverfahren hebel zur Sicherstellung des materiellen Rechts gelten. Grundsätzlich muß jedoch eine Partei warten, bis das Ergebnis der Regulierung festgestellt ist. Welche Partei dies ist (Regime-Frage), wie lange die Ergebnisermittlung in Anspruch nehmen darf (Zeitfrage), mit welchen verfahrensspezifischen Kosten jeweils zu rechnen ist (Effizienzfrage) und wer verbleibende Risiken einmal genehmigter Aktivitäten jeweils zu tragen hat (Risikofrage), diese Fragen sind Gegenstand eines spezifisch ökonomischen Verfahrenskalküls. 7. Optimierung präventiver Kontrollen Die Optimierung bereits gegebener präventiver Kontrollverfahren kann sich demgegenüber grundsätzlich auf drei Feldern bewegen: (a)

Optimierung der "Produktionstechnik" zur Erstellung von Gestattungen: Hierdurch sollen Verfahren von produktionsbedingten Ineffizienzen (z. B. Verschwendung von Zeit ohne materielle Schutzwirkung) freigehalten und Effizienzreserven im Produktionsprozeß der Genehmigungserteilung aufgespürt werden. Ineffizienzen bei der Faktorkombination können sich etwa infolge unzureichender Koordination zwischen verfahrensbeteiligten Behörden ergeben, wodurch unnötig viel Zeit zur Genehmigungsproduktion verbraucht wird.

(b)

Optimierung der Genehmigungsausstattung („einzelwirtschaftliche Optimierung"): Aus der Sicht des Regulierungsnachfragers kann das Genehmigungsverfahren durch Gestaltung des Ausstattungstupels "Zeitdauer" und "Mächtigkeit" optimiert werden: Der verfahrensbedingt erlittene Ressourcenverzehr (Zeitbedarf der Genehmigung, Aufwand der Antragstellung) ist gegen den einzelwirtschaftliche Wert der Genehmigung (deren Mächtigkeit) abzuwägen. Eine Beschleunigung oder Vereinfachung des Verfahrens ist für den Nachfrager sinnvoll, wenn unter Beachtung des dann nachlassenden Wertes des Genehmigungstitels (durch Rückverlagerung von Risiken) insge-

Genehmigungsverfahren samt ein Netto-Vorteil verbleibt. Bundesdeutsche Genehmigungsverfahren, die ihres Umfanges und ihrer Zeitzehrung wegen seit langem besonders heftiger Kritik ausgesetzt sind, bringen eine Gestattung hervor, die einen hohen Bestandsschutz genießt, grundsätzlich unbefristet gilt und von einer weitreichenden Übernahme von (Mit-) Verantwortung für die betreffende Anlage bzw. das zu genehmigende Vorhaben durch den Staat begleitet wird. Die daraus folgende Investitions- und Planungssicherheit für den Antragsteller korrespondiert dabei in gewisser Weise mit dem Umfang und der Intensität der Überprüfung der von dem Vorhaben ausgehenden Risiken im Genehmigungsverfahren bzw. dem Ausmaß antizipierter Interessenverarbeitung durch unterschiedliche Formen der Verfahrensteilhabe (z. B. der Öffentlichkeitsbeteiligung). Von "beschleunigten" Genehmigungsverfahren kann daher kaum eine Generierung identischer Verfügungsrechtepositionen erwartet werden; die damit einhergehende Reduzierung des Wertes einer Genehmigung ist gegen den Zeitgewinn aufzurechnen; "Beschleunigungen" können daher auch zu einer Erhöhung von Kosten der Antragsteller fuhren. Daher sind Aussagen darüber anzustreben, inwieweit der Aufwand des Genehmigungsverfahrens den Wert der Genehmigung ökonomisch angemessen ausdrückt. (c)

Optimierung der Genehmigungsentscheidung insgesamt („gesamtwirtschaftliche Optimierung"): Hierbei wird der gesamte volkswirtschaftliche Ressourcenverzehr des Verfahrens zum erzielten Nutzen aus der erstellten Verfügungsrechteposition in Beziehung gesetzt. Dies fuhrt auf einen gesamtwirtschaftlichen Interessenausgleich in der Zeitdimension unter Berücksichtigung von verfahrensspezifischen Transaktionskosten. Im Gegensatz zum Modell optimaler einzelwirtschaftlicher Regulierungsnachfrage werden hier die bei der Behörde anfallenden Verfahrenskosten sowie die

Genehmigungsverfahren Auswirkungen auf die Allgemeinheit in das Kalkül mit einbezogen. Als Aktionsparameter einer Optimierung kommen grundsätzlich in Frage: (1) materielle Anforderungen an risikobehaftete Privataktivitäten, d. h. das Ausmaß des hierdurch sicherzustellenden Schutzniveaus, (2) formelle Zulassungserfordernisse zur Gewährleistung des materiellen Schutzniveaus im Modus der Präventivkontrolle, (3) die konkrete "Produktionstechnik" der Genehmigungserteilung sowie (4) das "Verfahrensverständnis" im Sinne einer tradierten hoheitlichen oder aber institutionenökonomisch flexiblen Genehmigungserteilung (dazu Abschnitt 8). Als Voraussetzung einer ökonomischen Optimierungsbetrachtung gilt jedoch im Rahmen der Beschleunigungsdiskussion einvernehmlich ein unverändertes Schutzniveau: Die materiellen Anforderungen an die Schutzwirkung von Verfahrensänderungen scheiden daher zwar nicht theoretisch, wohl aber in der hier relevanten Diskussion von vorneherein aus; die c.-p.-Bedingung der Sicherung identischer Schutzwirkung mit Blick auf die resultierende Umweltqualität und die Interessen Drittbetroffener liegt allen Überlegungen zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren i. d. R. auch explizit zugrunde. Fraglich allerdings bleibt, ob der jeweils verwendete Modellrahmen dies stets zu garantieren vermag. Der eigentliche Vorgang der Optimierung beschreibt methodisch den Prozeß der möglichst umfassend informationsverarbeitenden Güterabwägung und eine hierauf gestützte "rationale" Entscheidung über die Gestaltung der zu optimierenden Variablen, z. B. die "richtige" Verfahrensdauer, den Grad präventiver Kontrolle etc. Die Informationsanforderungen an eine "rationale" behördliche Entscheidungsfindung sind dabei ganz erheblich (Interessenausgleich, Risikoprävention sowie Rechtsauslegung und -Subsumtion). Sowohl für den intratemporalen Interessenausgleich als auch hinsichtlich der Abschätzung künftiger Risiko-Nutzen117

Genehmigungsverfahren Potentiale bieten daher solche Verfahrensausgestaltungen einen EfFizienzvorsprung, die die informationelle Prätention der administrativen Steuerung durch Verwertung externen Kosten- und Risiko -Wissens zu vermindern verstehen. Eine solche effiziente Wissensnutzung bzw. Informationsverarbeitung wird durch eine institutionenökonomische Prozeßgestaltung angestrebt. 8. "Hoheitliche" versus "flexible" Genehmigung Das zuvor skizzierte Programm einer "optimalen" Verfahrensgestaltung kann grundsätzlich auf zwei Wegen umgesetzt werden: Die materiellen Optimierungsanliegen der ökonomischen Theorie lassen sich zunächst dadurch ansteuern, daß die Kriterien für eine ökonomisch "optimale" Lösung antizipiert und in das förmliche Zulassungsrecht ohne Freiheitsgrade für die Vollzugsakteure implementiert werden: Das Auffinden der Optimallösung wird so im Verordnungswege verbindlich vorgezeichnet. Man könnte dieses Verfahrensverständnis als "hoheitliche Optimierung" bezeichnen, weil sich "optimierte" Verfahrensergebnisse hier nicht ergebnisoffen als Resultat einer Vollzugsinteraktion sondern im unmittelbaren Vollzug bereits "optimierter" Verfahrensnormen ergeben sollen. Hierzu dienen im wesentlichen optimierte Differenzierungen bei den jeweiligen Zulassungserfordemissen bzw. bei der Ausstattung von Genehmigungstiteln, sowie eine optimierte Produktionstechnik bei der behördeninternen Genehmigungserteilung. Ansätze "hoheitlicher Beschleunigung" können, speziell im deutschen Zulassungsrecht, bereits auf eine lange Tradition zurückblicken. Die Tatsache, daß beschleunigend konzipierte Maßnahmen faktisch, ja u. U. sogar strukturell im Ergebnis oftmals "entschleunigend" wirken, haben ihnen nicht nur in der verwaltungsrechtlichen Evaluationsforschung sondern gerade auch aus ökonomischer Sicht Kritik eingebracht. Demgegenüber steht institutionenökonomische Ansatz, die jeweiligen Optimallösungen im Zulassungsrecht dezentral durch regulierte "Märkte für Genehmigungen" zwischen Behörden und Investoren auszuhandeln und "vertraglich" zu besiegeln ("Verträge" repräsentieren hierbei Vereinba118

Genehmigungsverfahren rungssysteme, die ökonomische Austauschbeziehungen regeln - gleichsam als "regelhaftes Verhältnis"; dies ist nicht zu verwechseln mit dem rechtlichen Vertragsinstitut). Aus dem hoheitlichen Testat des bloßen Vorliegens der Genehmigungsvoraussetzungen (und damit des punktuellen Fortfalls eines generellen staatlichen Verbots) wird so tendenziell eine verhandelnde Interaktion über ein flexibel zu gestaltendes Bündel an Verfügungsrechten insbesondere über Umweltressourcen. Eine solche "marktnahe Optimierung" gestattet die Einbeziehung bislang entscheidungsexterner Informationen über Kosten und Nutzen der zu gestattenden Aktivität. Diese "Optimierung" äußert sich prozedural in Wahlrechten der Vollzugsakteure und gesetzlich programmierten NormFlexibilisierungen. Ziel ist die verhandelnde Interaktion über eine differenzierte "Produktpalette" an Verfugungsrechtebündeln unter Ausnutzung von Freiheitsgraden sowohl auf der Anbieter - als auch auf der Nachfragerseite. Das starre, hoheitlich typisierte Bündel an Verfügungsrechten soll aufgelöst und im Einzelfall bedarfsgerecht neu geschnürt werden. Ein solches institutionenökonomisches Verständnis von Kontrollerlaubnissen hat gegenüber der herrschenden Lehre von der Genehmigung vor allem zwei wichtige Konsequenzen: Der hoheitliche Charakter des Genehmigungsverfahrens wird zunächst grundsätzlich "überformt" durch kooperative Interaktionsstrukturen, bei denen die Verfahrensherrschaft der Behörde prozedural zwar rückläufig ist, dies jedoch idealiter am materiellen Regulierungserfolg nichts ändern soll; die im Rahmen einer solchen "kooperativen Genehmigung" flexibilisierte Zulassung führt ferner insbesondere dazu, daß der Investor gleichsam als Preis fiir die Verkürzung von Genehmigungsverfahren - gewisse Risiken, die zuvor von Schutznormen pauschal verhindert wurden, nun selbst übernimmt ("Reallokation von Risiken"). Der zentrale Beschleunigungs- und Flexibilisierungshebel betrifft damit die Freisetzung von Wartezeit, die bisher zum Zwecke des präventiven Ausschlusses von Risiken durch Normsetzung erforderlich war, um den Preis einer verstärkten Rückverlagerung von Risiken auf den Anlagenbetreiber (z. B. das Risiko späterer Einreden). Eine solche Reallokation

Genehmigungsverfahren von Risiken ist ökonomisch sinnvoll, soweit die pauschale Risikoverhinderung durch Nonnen ineffizient ist und durch private Risikohaftung ein äquivalentes Schutzniveau sichergestellt werden kann. Offensichtlich endet ein solches Kalkül dort, wo eine wertäquivalente Entschädigung nicht sichergestellt werden kann, etwa wegen irreparabler Schäden, Beweislastproblemen, mangels Entschädigungsmasse des Urhebers oder aus anderen Gründen einer "Schadensdiskontierung" im präventiven Kalkül des Verursachers. Damit kann Ziel einer solchen Konzeption nicht schrankenlose Privatisierung von Umwelt- und Technikrisiken sein, sondern nur die fallweise Überprüfung der starren nonngestützten Risikoprävention. Es liegt auf der Hand, daß die beiden skizzierten Verfahrenswege ("hoheitliche" versus "flexible" Genehmigungen) lediglich idealtypische Konstruktionen darstellen, die sich weder gegenseitig ausschließen noch j e in reiner Form realisiert werden können. Sie geben informationsökonomisch jeweils unterschiedliche Antworten auf die Frage, an welcher Stelle des Vollzuges die erforderlichen Informationsinputs (über Kosten und Nutzen der Regulierung) für einen rationale Gestaltung von Zulassungen zweckmäßigerweise erfolgen sollen - im überindividuellen Programmbereich ohne Freiheitsgrade der Vollzugsakteure oder aber im Vollzugsprozeß selbst unter Beteiligung der Betroffenen. Im Gegensatz zur informellen Kooperation der Praxis wird hier aber eine regelgebundene Interaktion mit klarem Zielauftrag angestrebt, d. h. eine regelhafte Struktur für die derzeit eher notleidend verhandelnde Verwaltung. Die unbestreitbaren Modifikation im Staatsverständnis als Folge eines solchen Ansatzes sind daher weniger "Anschlag" auf vorsorgende und schützende Staatlichkeit als vielmehr Reflex einer krisenhaften Erschütterung hoheitlicher Gestaltungs- und Präventionsansprüche durch regulatives Recht. Ziel ist damit eine Institutionen- und anreizökonomisch "geordnete" Kooperation durch Vorgabe zielführender Regeln für das durch Informationsasymmetrien belastete "Kooperationsspiel", das derartige "Genehmigungsmärkte" in der Praxis längst etabliert hat: Diese betreffen die verhandelbaren Ressourcen "Zeit" (z. B. Sanierungsfristen),

Genehmigungsverfahren "Wissen" (Informationsoffenbarung und -generierung), "Vollzugsklima" und "Kooperationsbereitschaft", aber auch materielle Anforderungen (Auslegungs- und Subsumtionsarbeit der Behörde, deren Prüftiefe etc.). 9. Aktuelle Entwicklungen und rechtspolitische Aspekte Das verwaltungsrechtliche Institut der Genehmigung ist unverkennbar bereits seit längerem - nicht zuletzt unter den Anforderungen des Umweltschutzes - einem deutlichen Wandel unterworfen. Dabei sind die umweltrechtlichen Eröffnungskontrollen gegenwärtig tendenziell durch einen schwindenden Stabilisierungsgehalt charakterisiert, d. h. die Abschirmwirkung einmal erteilter Genehmigungen gegenüber späteren Ansprüchen der Behörde oder Dritter läßt generell nach. In diesem Zusammenhang sind vor allem erweiterte Anzeige-, Untersuchungs-, Dokumentations- und Beobachtungspflichten im Rahmen des Überwachungsverhältnisses, aber auch zunehmend erleichterte Möglichkeiten zum Erlaß nachträglicher Anordnungen zu nennen. Die abnehmende Stabilisierungswirkung der Genehmigung und die Akzentuierung der laufenden Betriebsüberwachung können als institutionelle Reaktion auf die Einsicht verstanden werden, daß die präventive Kontrolle in starkem Maße mit neuartigen Ungewißheitsproblemen zu kämpfen hat ("Erfahrungs-" statt "Inspektionsrisiken"), die eine Modifizierung im Regelsystem erforderlich machen. Wirtschaftliche Beschleunigungskritik, verwaltungsrechtliche Risikokritik und ökonomische Allokationskritik zielen gleichermaßen auf einen Ausbau aktivitätsbegleitender Regulierung, die mit dem Offenbarwerden von Risiken im Zeitablauf jeweils Schritt zu halten vermag. Unter dem allseits postulierten Erfordernis, das Genehmigte an veränderte Anforderungen und Erkenntnisse anzupassen, wird sich daher die Mächtigkeit von Genehmigungstiteln in der ->Risikogesellschaft tendenziell rückläufig entwickeln müssen. Ob dies freilich Veranlassung gibt, im Gegenzug die Regulierungsintensität der Eröffnungskontrolle zu reduzieren, präventive und reaktive Kontrolle mithin eher substitutiv denn komplementär einzuordnen, 119

Genehmigungsverfahren

bleibt als entscheidende Streitfrage zunächst umstritten. Als spezieller Problemausschnitt sind hier insbesondere Beschleunigung und —»Deregulierung im Umweltverfahrensrecht seit geraumer Zeit in der Diskussion. In den neunziger Jahren hat der Gesetzgeber vor allem unter Berufung auf standortpolitische Argumente eine Fülle an beschleunigenden und vereinfachenden Maßnahmen beschlossen. Speziell die Eröffnungskontrollen im besonderen Verwaltungsrecht, etwa das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren, wurden durch vereinfachende und beschleunigende Eingriffe z. T. mehrfach erfaßt. Hierbei wird tendenziell auf einen "Regimewechsel" gesetzt, d. h. die Eröffnungskontrolle soll - unter Wahrung der vorgegebenen Qualitätsstandards - fallweise nach den Bedürfnissen der Genehmigungsnachfrager zugunsten aktivitätsbegleitender Kontrollen abgebaut und damit (Warte-) Zeit freigesetzt werden. Aus der ökonomischen Theorie des Vollzuges ergeben sich allerdings gute Gründe für die Annahme, daß die c.-p.-Bedingung hinsichtlich der Vollzugswirkungen des materiellen Rechts verletzt ist: Die als "Kosten der Durchführung" bezeichneten Transaktionskosten des Verfahrens müßten bei einem Regimewechsel den dann erforderlichen "Interventionskosten" eines antragsunabhängigen, aktivitätsbegleitenden Vollzuges gleichkommen. Dies aber ist wohl ersichtlich nicht der Fall: Durch Umkehr der Anreizstruktur nach Zulassung einer Risikoaktivität wird der Vollzug materieller Normen erheblich erschwert - anders gewendet: die Behörde muß für gleiche Vollzugsergebnisse höhere Vollzugsaufwendungen tragen. Bei stärkerer Budgetanspannung lassen jedoch die Anreize für normtreues Verhalten bei den Verwaltungsunterworfenen nach mit der Folge sich tendenziell verschlechternder Umweltqualität. Der einzelwirtschaftlich möglicherweise angezeigte Übergang zu verstärkter Nachkontrolle bei gleichzeitig nachlassender Strenge der Eröffnungskontrolle (Beschleunigung im Zulassungsrecht) gerät somit aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive suboptimal, sofern verfahrensspezifische Durchsetzungskosten nicht ins Kalkül einbezogen werden. Mit Blick auf die Beschleunigungsdebatte gilt 120

Genehmigungsverfahren

zudem, daß das Verhältnis von "effizienter Genehmigung" und "Zeitdauer des Zulassungsverfahrens" aus theoretischer Sicht a priori unbestimmt ist: Hier ist sowohl die Möglichkeit "ineffizienter", weil insgesamt kostenvermehrender Beschleunigung zu nennen, als auch die - spiegelbildliche Option, das Optimum im Einzelfall gerade durch "Entschleunigung" (und entsprechend gesteigerte Mächtigkeit der Genehmigung) zu erzielen. Daneben sehen sich Genehmigungsverfahren auch durch aktuelle rechtspolitische Vorhaben unter Veränderungsdruck: Im Zuge der Kodifizierung des Umweltrechts in einem ->"Umweltgesetzbuch" sind insbesondere vereinheitlichende Zulassungsverfahren geplant. Im "Professoren-Entwurf' ist in den §§ 52 ff UBG-ProfE eine der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nachempfundene "Umweltbewilligung" als Regeltypus der Eröffnungskontrolle vorgesehen. Insbesondere auch vor dem Hintergrund der in deutsches Recht umzusetzenden europäischen IVU-Richtlinie schlägt der Kommissionsentwurf zum UGB hingegen den neuartigen Typus der "Vorhabengenehmigung" vor (§§ 80 ff. UGB-KomE), die nicht nur eine vereinheitlichende sondern zugleich auch medienübergreifende Zulassungsentscheidung formt. Weiterführende Literatur: Gawel, E.\ Ökonomische Analyse des Genehmigungsrechts, in: ders. (Hrsg.): Institutionelle Probleme der Umweltpolitik, Berlin 1996; Gawel, E.: Der Abbau präventiver Kontrollen. Beschleunigung um welchen Preis? in: Koch, H.- J. (Hrsg.): Aktuelle Probleme des Immissionsschutzrechts, Baden-Baden 1998; Lübbe-Wolff, G.\ Die Beschleunigungsgesetze, in: Daily, A. (Hrsg.): Wirtschaftsförderung per Umweltrecht?, Loccumer Protokolle, 5/ 97 o. O o. J.; Maurer, H.\ Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl., München 1992; Schatz, K.IV.: Reform von Planungs- und Genehmigungsverfahren, in: Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie, Bd. 15, o. O. 1996; Wahl, R.: Erlaubnis, in: Handwörterbuch des Umweltrechts, 2. Aufl., Berlin 1986. Dr. E. Gawel

Gentechnik Gentechnik Unter Gentechnik versteht man technische Verfahren zur gezielten Veränderung des Erbgutes von Organismen. Nutzenbringende Anwendungsbereiche sind in der Medizin, Landwirtschaft und im -»Umweltschutz zu finden. Das oft diskutierte Gefahrenpotential liegt in dem Risiko der unkontrollierten Verbreitung gentechnisch veränderter Organismen. Die tatsächliche Gefährdung der —»Umwelt ist aufgrund fehlender Erfahrung kaum vorherzusagen und nicht auszuschließen.

Gentechnikgesetz Bundesgesetz von 1990 zur Regelung der -»Gentechnik. Die Zielsetzung ist der Schutz von Leben und der Gesundheit von Menschen, Tieren, Pflanzen, Sachgütern und der sonstigen -»Umwelt vor Gefahren, die von gentechnischen Verfahren und Produkten ausgehen können. Ferner wurde mit dem Gentechnikgesetz ein rechtlicher Rahmen für die -»Forschung und Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten der Gentechnik geschaffen. Das Gentechnikgesetz regelt die Anwendungsbereiche: • • • •

gentechnische Anlagen; gentechnische Arbeiten; Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen; Inverkehrbringen von Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten bzw. aus solchen bestehen.

Die Haftung des Gentechnikgesetztes sieht vor, daß wenn jemand infolge von Eigenschaften eines gentechnisch veränderten Organismus getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt wird, der Betreiber den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen hat.

Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung -»Umweltverträglichkeitsprüfung

Gewässerschutzpolitik Gewässergüte Maß für die Umweltqualität von Oberflächengewässern. Kriterien für die Gewässergüte sind: • •

im Gewässer befindliche Organismen; Sauerstoffgehalt;



hygienisch-bakteriologische Merkmale.

Gewässergüteklassen sind ein Beurteilungssystem für die -»Gewässergüte. Man unterscheidet vier Gewässergüteklassen: 1. Klasse: nicht oder wenig verunreinigt; 2. Klasse: mäßig verunreinigt; 3. Klasse: stark verunreinigt; 4. Klasse: übermäßig verunreinigt. Die Gewässergüte wird von der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser und -»Abwasser in Form von Gewässergütekarten dargestellt.

Gewässerschutzbeauftragter -»Betriebsbeauftragter

Gewässerschutzkommission Internationales Gremium zum Schutz und der Überwachung von Gewässern. Themenbereiche sind z. B. Fragen der Binnenschifffahrt, des Schiffahrtsrechts sowie der Umwelt- und Wasserqualität. Deutschland ist Mitglied in der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins, der Mosel und der Saar, des Bodensees und in der Ständigen Gewässerkommission für das deutschösterreichische Einzugsgebiet der Donau und der Deutsch-Niederländischen Grenzgewässerkommission.

Gewässerschutzpolitik ist Teil der staatlichen -»Umweltpolitik und umfaßt alle Maßnahmen zum Schutz der Gewässer. Höchste Priorität wird dem Erhalt der Gewässer und des Wasserhaushalts als Bestandteil des Naturhaushalts sowie als Lebensgrundlage für Menschen, Tiere und Pflanze

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Gewerbeaufsicht

Globalisierung und Nachhaltigkeit

Verfolgte Grundsätze sind: • • • •

die die die die

Erhaltung und Wiederherstellung der natürlichen -»Gewässergüte; Bekämpfung der Ursachen von Gewässerbelastungen; Unterlassung jeder vermeidbaren Beeinträchtigung; sparsame Verwendung von Wasser.

Die hierbei eingesetzten Mittel sind rechtliche und wirtschaftliche Maßnahmen zum Schutz vor wassergefährdenden Stoffen und zur Verbesserung der Abwasserbehandlung.

Gewerbeaufsicht überwacht von staatlicher Seite die Einhaltung von arbeitsrechtlichen und Arbeitsschutzbestimmungen (§ 139b GewO) sowie die -»Auflagen der Betriebsgenehmigung mit dem Ziel der Gefahrenabwehr für Dritte. Eine Einschränkung der Gewerbefreiheit im Umweltbereich erfolgt bspw. durch das -»Bundesimmissionsschutzgesetz. Gemäß § 12 Abs. 1 BImSchG können an die Genehmigung eines Gewerbebetriebs Bedingungen und Auflagen geknüpft werden, wenn die Sicherung der Umweltverträglichkeit dieses erfordert.

Giftstoffe sind Substanzen, die durch ihre physikalischen oder chemischen Eigenschaften einem Organismus Schaden zufügen. Gift- bzw. Schadstoffe verbreiten sich z. B. über die Medien Luft, Wasser, Nahrung und -»Boden. Die Stoffe können durch Einatmen, Schlucken oder durch Kontakt mit der Haut aufgenommen werden und akute oder chronische Gesundheitsschäden hervorrufen oder zum Tode fuhren.

Globalisierung und Nachhaltigkeit Globalisierung Der Begriff der Globalisierung muß unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung interpretiert werden. Im weiteren Sinne sind darunter zunächst die friedlichen Bemühungen der Menschen zu verstehen, ihren Lebensraum zu erweitern bzw. neuen Lebensraum zu erschließen. Ein Teil der großen Völkerwanderungen ist daher durchaus als 122

erster Globalisierungsschritt zu werten, der von Menschen verursacht wurde. Mit Beginn der -»Industrialisierung standen aus Sicht der Unternehmen vermehrt die Fragen der Markterweiterungspotentiale mit dem Ziel im Vordergrund, durch eine internationale Standortpolitik Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Allerdings waren diesbezügliche Entwicklungsmöglichkeiten bis Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die standortgebundene, vorrangig materialorientierte Produktion sehr begrenzt. Die Entscheidung über den Unternehmensstandort wurde i. d. R. über die Abbauverfugbarkeit der Eingangsstoffe determiniert, was u. a. zu einer Bildung großer Industriezentren geführt hat (z. B. Ruhrgebiet). Diese mehr lokale, an einzelne Standorte gebundene Orientierung der Unternehmen, wurde mit Beginn des 20. Jahrhunderts durch die erste von der Wirtschaft getragene Globalisierungswelle abgelöst, als es darum ging, durch eine internationale Standortpolitik vermehrt "economies of scale" zu nutzen. Die sich international annähernden Produktionsanforderungen und Konsumneigungen, der technische Fortschritt und nicht zuletzt die verbesserten Transportmöglichkeiten machten diese Entwicklung möglich (Porter, M. E., Der Wettbewerb auf globalen Märkten: Ein Rahmenkonzept, in: Globaler Wettbewerb: Strategien der neuen Internationalisierung, Porter, M. E. (Hrsg.), S. 47, Wiesbaden 1989). Mit der drastischen Senkung der realen Transportkosten durch innovative Entwicklungen im Transportsektor gewann die Globalisierungstendenz ab 1950 zusätzlich an Dynamik (beispielsweise haben sich die durchschnittlichen Transportkosten je Flugmeile für Passagiere von 0,68 US-Dollar [bezogen auf die Kaufkraft 1990] im Jahr 1930 auf 0,15 US-Dollar im Jahr 1990 reduziert, in: Petschow, U., et. al., Nachhaltigkeit und Globalisierung, -»EnqueteKommission „Schutz des Menschen und der

Globalisierung und Nachhaltigkeitt Umwelt des 13. Deutschen Bundestages", S. 4, Heidelberg 1998). Gleichzeitig stiegen aber auch die Koordinierungs- und Logistikanforderungen an global operierende Unternehmen, worin der rasante technische Fortschritt in den Informations- und Kommunikationstechnologien u. a. begründet liegt (ein dreiminütiges Transatlantikgespräch zwischen London und New York kostete 1930 noch rund 245 US-Dollar, 1990 nur noch 3,3 US-Dollar). Der jetzige und zu erwartende Globalisierungstrend am Ende des 20. Jahrhunderts und für das 21. Jahrhundert wird zunehmend von den Nutzungsmöglichkeiten dieser modernen IuKTechnologien geprägt. Durch diese kurze Darstellung wird bereits deutlich, daß der Begriff der Globalisierung unmittelbar mit der Entwicklungsfähigkeit international tätiger Unternehmen zusammenhängt. Sofern man die dadurch entstandene Quantität und Qualität des Produkt- und Dienstleistungsangebotes als Maßstab für den Erfolg dieser Entwicklung interpretieren möchte, muß man zwangsläufig zu dem Umkehrschluß kommen, daß die Länder und Menschen von diesem Trend ausgeschlossen werden, die dem technischen Fortschritt nicht folgen können. Genau an dieser Stelle setzt beispielsweise die Kritik der WTOGegner oder auch die Kritik an den Weltausstellungen an. Darüber hinaus besteht aus ökologischer Sicht die Gefahr, daß die begrenzt verfugbaren -»Ressourcen für alle Menschen von nur einem geringen Prozentsatz genutzt werden und nach dem Gebrauch/ Verbrauch in einer Form an die Natur zurückgegeben werden, die keine Reproduktionsfähigkeit bzw. Integration in die natürlichen Kreisläufe ermöglicht (beispielsweise umfaßt die Bevölkerung der USA nur 6% an der Weltbevölkerung, verursacht aber ca. 25% des sogenannten biologischen Fußabdrucks; Indien und China machen zusammen 52% der Weltbevölkerung aus, verursachen aber gegenwärtig nicht mehr als 20% des weltweiten biologischen Fußabdrucks, in: Sturm, A., et. al., Die Gewinner und die Verlierer im globalen Wettbewerb, S. 36 f., Zürich, 1999).

Globalisierung und Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit Der Begriff der Nachhaltigkeit ist nicht erst durch die Arbeiten des -»Club of Rome Anfang der 70er Jahre über die —»Grenzen des Wachstums (Meadows, D. L.: The Limits of Growth, New York, 1972) oder die Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.): Konferenz der - » U N C E D , Dokumente: —»Agenda 21, Bonn, 1993) 1992 in —»Rio de Janeiro geprägt worden, sondern u. a. auch durch die Praxis der Forstwirtschaft. In Abhängigkeit von der Art beträgt das Wachstum eines Baumes in Europa durchaus zwischen 150 und 300 Jahren, bevor eine Verwertung als hochwertiges Nutzholz erfolgen kann. Dies bedeutet zwangsläufig, daß deijenige, der einen Baum für kommerzielle Zwecke pflanzt, diese Entscheidung nicht für kurzfristig angelegte Ertragsaussichten trifft, sondern frühestens für die Existenzsicherung der übernächsten Untemehmergeneration. Da der Wald darüber hinaus nicht nur ein wertvolles Sozialgut, sondern auch für die Sicherung und den Erhalt des weltweiten -»Ökosystems von zentralem Stellenwert ist, kommt den Entscheidungen über "Pflanzen und Fällen" eine besondere Bedeutung zu. Andere Beispiele belegen ebenfalls, daß ein Ökosystem immer dann stabil ist, wenn der Natur nicht mehr entnommen bzw. an dieselbe abgegeben wird, als die natürliche Reproduktionsrate bzw. die Aufnahme- und Regenerationskapazität zuläßt. Werden diese Grenzen nicht beachtet, entstehen instabile Zustände, die den Fortbestand des gesamten Systems gefährden. Unter Beachtung dieser bekannten und wissenschaftlich belegten Kriterien kann der Begriff der Nachhaltigkeit im allgemeinen Kontext wie folgt definiert werden: "Die Gestaltung einer dauerhaften Entwicklung, die den -»Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen (in Anlehnung an die Definition der International Union for Conservation of Nature and Natural Resources, 1980)". Die Leitlinie aus Sicht betrieblicher Entscheider könnte somit lauten: "Die Gestaltung eines effizienten und

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Globalisierung und Nachhaltigkeitt effektiven Umganges mit den begrenzt verfügbaren Ressourcen bzw. Aufnahmekapazitäten der Natur mit dem Ziel, die Verund Entsorgungssicherheit auch für nachfolgende Generationen zu gewährleisten". Dilemmasituation und Herausforderung für das 21. Jahrhundert Die gegenwärtig wertschöpfungsorientierte Ausrichtung der Wirtschaft durch Abschöpfung der natürlichen Ressourcen ist hingegen auf Dauer durch die begrenzte Verfügbarkeit derselben determiniert. Diese —»Restriktion müßte zwar zwangsläufig zu einem wirtschaftlichen Umgang mit den knappen Ressourcen fuhren, denn Knappheit ist nach Auffassung der Ökonomen die Grundlage für die Entwicklung von effizienteren Strukturen. Das Dilemma besteht jedoch u. a. in der fehlenden —»Internalisierungsmöglichkeit der sogenannten externen Effekte, wodurch die Quantifizierbarkeit der Nachhaltigkeitsziele im Rahmen einer globalen interdisziplinären Nutzen- und Wohlfahrtsfunktion unmöglich wird. Die Harmonisierung dieser Wechselbeziehung zwischen Globalisierung und -»Umweltschutz kann daher durchaus als die prioritäre Zielstellung des 21. Jahrhunderts für die internationale Staatengemeinschaft aufgefaßt werden. Globaler Umweltschutz bzw. die Globalisierung im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung kann daher definiert werden als: "Ökonomisch tragfähige, ökologisch verträgliche und sozial ausgewogene sowie gerechte Gestaltung einer dauerhaften Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen weltweit lebenden Menschheit entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil frei zu wählen". Auf Grundlage dieser Definition werden im Folgenden die einzelnen Handlungsmöglichkeiten zur Harmonisierung der Spannungsfelder zwischen Globalisierung und Umweltschutz aufgezeigt. Interdisziplinäre Dimensionen zur Harmonisierung zwischen Globalisierung und Umweltschutz Wirtschaftliche Dimensionen Eine sowohl aus volks- als auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht wesentliche 124

Globalisierung und Nachhaltigkeit Voraussetzung für den internationalen Handel sind niedrige Transportkosten, die die wirtschaftliche Globalisierung überhaupt erst rentabel werden lassen. In d e m Maße, in dem diese Kosten nicht mehr subventioniert werden und deshalb entsprechend steigen würden, wäre auch davon auszugehen, daß ein Großteil des internationalen Handels jeweils gleichartiger Produkte und damit auch des umgeschlagenen Stoffstroms zurückginge. Dies würde allerdings nicht zwangsweise zu einer Abkehr von der Globalisierung per se führen, sondern lediglich zu einer Relativierung der Sinnhaftigkeit eines bestimmten globalen wirtschaftlichen Engagements. Im Bereich der weltweiten Direktinvestitionen von Unternehmen besteht die Frage, inwieweit temporär niedrigere —»Umweltstandards Investitionsanreize darstellen und zu einer umweltinduzierten Standortverlagerung, verbunden mit einer Verschlechterung der Umweltsituation vor allem in Entwicklungsländern fuhren könnten. Die verfügbaren empirischen Untersuchungen sprechen allerdings gegen eine solche Entwicklung, da auch aus rein betriebswirtschaftlichem Kalkül eine solche Investitionsstandortpolitik wenn überhaupt, dann nur kurzfristig und in wenigen, nicht kapitalintesiven Branchen Sinn machen würde. Aufgabe der Wirtschaft muß es daher sein, insbesondere in wirtschaftlich schwachen Regionen eine -»Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcenverbrauch zu forcieren, um die globale -»Umweltbelastung zu reduzieren. Dafür gibt es unterschiedliche Maßnahmen, wie beispielsweise den durch internationale Emissionszertifikatskäufe und -Verkäufe initiierte und finanzierte Transfer moderner integrierter Umwelttechnologien in Länder, die ihre Emissionszertifikate nicht ausschöpfen. In Costa Rica beispielsweise soll eine solche Politik dazu führen, daß sich das Land in absehbarer Zeit komplett mit regenerativen Energiequellen auf der Basis modemer, importierter Umwelttechnologien versorgt. Politische Dimensionen Im Bereich der Politik stellt sich die Frage, ob in einer Zeit, in der immer größere Konzerne mit weltweiten Standorten und ent-

Globalisierung und Nachhaltigkeitt sprechend großem wirtschaftlichen und politischem Einfluß agieren, nationalstaatliche Maßnahmen zum Umweltschutz überhaupt noch durchsetzbar sind und welche möglichen Alternativen es dazu gibt. In diesem Zusammenhang wird vor allem das Konzept der Global Govemance diskutiert. Ziel dieses Konzeptes ist die Schaffung eines Weltordnungsrahmens, der allerdings nicht durch eine Weltregierung im Sinne eines Global Government, sondern durch konsensuale Absprachen staatlicher und nichtstaatlicher Akteure umgesetzt werden soll. Dies sollte unter Berücksichtigung des jeweils national unterschiedlichen wirtschaftlichen und sozialen sowie des damit verknüpften ökologischen Niveaus entsprechend in permanenter Abstimmung zwischen Handels* und —»Umweltpolitik erfolgen. Momentan sind diesbezüglich funktionierende Strukturen erst in Ansätzen erkennbar, d. h. die Effizienz der Anreiz- und Kontrollmöglichkeiten ist noch zu prüfen, jedoch ist davon auszugehen, daß sich diese in absehbarer Zeit realisieren lassen. Es ist allerdings auch bereits erkennbar, daß es von maßgeblicher Bedeutung sein wird, auf eine ausgewogene Besetzung der entscheidungsrelevanten Gremien zu achten, um einseitig forcierte Entwicklungen zu verhindern, wie z. B. das von den Unternehmen gewünschte und über die - » O E C D geplante, mittlerweile aber aufgrund des öffentlichen Drucks wieder zurückgestellte "Multilateral Agreement on Investment". Dieses sollte den Unternehmen ohne ausreichende Berücksichtigung ökologischer und sozialer Interessen aller Betroffenen einen einseitigen Schutz ihrer Investitionen zusichern und hat sich deshalb bislang in dieser Form auch noch nicht durchgesetzt. Soziale Dimensionen Die soziale Komponente des Verhältnisses von Globalisierung und Umweltschutz betrifft einerseits das Konsumverhalten der Menschen in ihren jeweiligen Ländern und die daraus resultierenden, unter Umständen globalen Umweltwirkungen, andererseits betrifft sie das Verhältnis der Länder untereinander in Bezug auf die Verfügbarkeit knapper Ressourcen bzw. modemer integrierter Umwelttechnologien. Dies bringt sowohl die hochentwickelten Länder als auch

Globalisierung und Nachhaltigkeit die Entwicklungsländer in eine soziale Dilemmasituation auf verschiedenen Ebenen. Einerseits wird es schwierig sein, das Konsumverhalten und den damit verbundenen Ressourcenverbrauch in den hochentwickelten Ländern auf ein wesentlich niedrigeres Niveau zu senken, andererseits sind sich alle Länder bewußt, daß ein weltweit gleiches Konsumverhalten vom ökologischen System global in dieser Form nicht verkraftet werden kann. Allerdings kann man den Entwicklungsländern trotzdem nicht verwehren, daß sie das in den hochentwickelten Ländern übliche Wohlstandsniveau anstreben. Das bedeutet, daß man Lösungen finden muß, die die Entwicklung moderner Umweltschutzverfahren und deren Transfer in Entwicklungsländer beschleunigen sowie ein unter globalen Gesichtspunkten ökologisch und sozial verträglichen Umgang mit knappen Ressourcen fordern. Hier wird für die nächsten Jahre ein wesentlicher Schwerpunkt der internationalen Umweltpolitik liegen müssen, will man verhindern, daß es tatsächlich zu bereits heute prognostizierten Konflikten um weltweit knapper werdende Ressourcen kommt. Ökologische Dimensionen Mit Zunahme der Globalisierung kommt es auch zu einer sowohl qualitativen als auch quantitativen Veränderung der globalen Stoffströme bei einem gleichzeitig steigenden Ressourcenverbrauch. Dabei ist jeder einzelne Akteur als Element in einem komplexen System zu verstehen, zwischen denen verschiedene Beziehungen bestehen. Bei der Gestaltung dieses Systems gilt es insbesondere, negative Rückkopplungen zu vermeiden und positive Rückkopplungen mit dem Ziel zu fördern, eine effizientere Nutzung des Ressourcenverbrauchs zu gewährleisten (u. a. auch als -»Effizienzrevolution bezeichnet). Die Optimierung des Beziehungsgefüges in dem vorher skizzierten interdisziplinären Kontext ist Voraussetzung für eine Harmonisierung im Sinne eines stabilen Kreislaufsystems. Als Basis für die nachhaltige globale Gestaltung des o. a. Beziehungsgefüges können beispielsweise die von der EnqueteKommission des Deutschen Bundestages 125

Glockenpolitik

Grundwasser

"Schutz des Menschen und der Umwelt" aufgeführten Grundregeln gelten: 1.

2.

3.

4.

Die Abbaurate emeuerbarer Ressourcen darf deren -»Regenerationsrate nicht überschreiten (Aufrechterhaltung der ökologischen Leistungsfähigkeit). Stoffeinträge in die Umwelt müssen sich an der Belastbarkeit der als Senken dienenden —•Umweltmedien in allen ihren Funktionen orientieren (Verbot der Überlastung der belebten und unbelebten Umwelt). Nicht erneuerbare Ressourcen sollen nur in dem Umfang genutzt werden, wie ein gleichwertiger Ersatz in Form erneuerbarer Ressourcen oder eine höhere Produktivität der erneuerbaren sowie der nicht erneuerbaren Ressourcen geschaffen werden kann (Forderung nach ökologisch orientierten -»Innovationen). Das Zeitmaß anthropogener Einträge bzw. Eingriffe in die Umwelt muß in einem ausgewogenen Verhältnis zu der Zeit stehen, die die Umwelt zur Reaktion benötigt (Beachtung der Ökologie der Zeit).

Weiterführende Literatur: Beck, U.: Was ist Globalisierung? Frankfurt a. M. 1997; Brodel, D.: Internationales Umweltmanagement, Wiesbaden 1996; Meadows, D.: Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Stuttgart 1994; Petschow, U.l Hübner, K.l Dröge, S.l Meyerhoff, J.: Nachhaltigkeit und Globalisierung, Berlin/ Heidelberg/New York 1998. Prof. Dr. M. Kramer Dipl.-Kfm. R. Wagner

Glockenpolitik -»Bubble-Policy

Grandfathering bezeichnet die kostenlose Vergabe von —•Zertifikaten an die emittierenden Wirtschaftseinheiten gemäß deren Anteil an den Gesamtemissionen. Nachteilig ist die Bevor126

zugung existenter Produzenten durch die kostenlose Zuteilung, während Neueinsteiger die Emissionsrechte käuflich erwerben müssen. Weiter werden bereits effizient produzierende Unternehmen benachteiligt, da ihre bisherigen Vermeidungsleistungen nicht berücksichtigt werden. Vorteilhaft ist die bessere politische Durchsetzbarkeit gegenüber anderweitigen, kostenpflichtigen Vergabeverfahren.

Greenpeace ist eine 1970 von einer kleinen Gruppe kanadischer Friedensaktivisten ins Leben gerufene Umweltorganisation, die heute mit ca. 2,5 Mio. Fördermitgliedern und Vertretungen in über zwanzig Ländern als eine der größten internationalen Nichtregierungsorganisationen (—»Non Governmental Organisation) gilt. Neben umfangreicher Informationsarbeit hat die Umweltorganisation insbesondere durch unterschiedliche Aktionen (z. B. die Besetzung der Bohrinsel Brent Spar, die der britische Mineralölkonzern Shell in der Nordsee versenken wollte) Beachtung in der Weltöffentlichkeit erlangt. Greenpeace setzt diese ein, um auf schwerwiegende Umweltverstöße und -Zerstörungen aufmerksam zu machen und Defizite nationalstaatlicher und internationaler —»Umweltpolitik aufzudecken.

Grenzen des Wachstums -»Club of Rome

Grenzwerte Die Festlegung von Grenzwerten von staatlicher Seite dient der Vermeidung und Verminderung von Schadwirkungen auf den Menschen und seine -»Umwelt. Es lassen sich toxikologisch begründete Grenzwerte, Richtwerte und vorsorgliche Minimalwerte unterscheiden.

Grundwasser Wasser, das durch die Versickerung des Niederschlagswassers im -»Boden und im Gestein die vorhandenen unterirdischen

Grüne

Hohlräume ausfüllt. Grundwasser dient der Frischwasserversorgung.

Grüner Punkt Grüner Punkt ist das Lizenzzeichen der -»Duales System Deutschland GmbH.

Grüne Die Grünen; 1980 auf Bundesebene gegründete Partei. Zusammenschluß grüner und alternativer Gruppierungen, die eine ökologisch, sozial, basisdemokratisch und gewaltfreie Politik betreiben wollen. Nach dem Zusammenschluß mit der ostdeutschen Friedensbewegung 1990 Umbenennung in Bündnis 90/ Die Grünen.

127

Habitat

Humanökologie

H Habitat Synonym zu -»Biotop.

Habitat II Konferenz zum Thema Armut und Wohnen 1996 in Istanbul/Türkei. Deutschland stellte dort seinen nationalen Aktionsplan fiir eine nachhaltige Siedlungsentwicklung vor. Halbwertszeit wird der Zeitraum genannt, nach dem von einem Stoff nur noch die Hälfte vorhanden ist. Die physikalische Halbwertszeit bezieht sich auf den Zerfall der Kerne eines Radionuklides, die biologische auf die natürliche Ausscheidung bestimmter Stoffe aus dem Körper eines Lebewesens. Die effektive Halbwertszeit beschreibt das Zusammenwirken der beiden Phänomene und ist demnach die Zeit, in der sich in einem biologischen System die Menge eines Radionuklides um die Hälfte reduziert hat.

Handelshemmnisse -»Umweltschutz, in GATT und WTO, —•Umweltpolitik, als strategische Handelspolitik

Holsystem ist ein Prinzip, bei dem im Gegensatz zum Bringsystem Produkte bzw. Verpackungen regelmäßig beim Verbraucher abgeholt werden. In der -»Abfallwirtschaft bspw.

basiert die Hausmüllabfuhr auf einem Holsystem, wohingegen Sammelwertstoffhöfe ein Beispiel für -»Bringsysteme darstellen.

Holzrecycling Verfahren nach dem sortierte Holzreste jeglicher Art (z. B. Transportpaletten) geschreddert und anschließend weiterverarbeitet werden.

Hot Spot Aus Sicht der -»Umweltpolitik aufgrund der besonders hohen Schadstoffkonzentration relevanter Raum, der meist akute Gefahrenabwehrmaßnahmen erfordert. -»Kombinationswirkung

Humankapital Makroökonomischer Begriff. Bezeichnet das in Arbeitskräften repräsentierte Leistungsvermögen der Bevölkerung.

Humanökologie Wissenschaft, die sich mit der Struktur und Funktion der vom Menschen in zunehmendem Maße veränderten Natur auseinandersetzt. Die Teildisziplin der -»Ökologie untersucht die Eigenschaften und die Funktionsweise von —»Ökosystemen sowie die Abhängigkeiten des Menschen von diesen.

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ICLEI

Informationen, umweltbezogene

I ICLEI Abk.: International Council for Local Environmental Initiatives. 1990 gegründeter weltweiter Zusammenschluß von derzeit über 300 Vertretern aus Städten, Landkreisen und Gemeinden. Das Ziel der ICLEI ist es, durch die Gründung und Unterstützung weltweiter Initiativen auf lokaler Ebene, einen Beitrag zur Lösung globaler Umweltprobleme zu leisten.

IdU Abk.: Institut der Umweltgutachter und berater in Deutschland. Das IdU versteht sich als unabhängige, überparteiliche und gemeinnützige Plattform aller Umweltfachleute in Deutschland.

Immission sind Umwelteinwirkungen von: • • • • •

Luftverunreinigungen (Luftimmission); Geräuschen (-»Lärmimmission); Erschütterungen (Erschütterungsimmission); Strahlen (Strahlenimmission) und Wärme (Wärmeimmission);

auf Menschen, Tiere, Pflanzen oder Sachen. —»Emission

Immissionsbeauftragter -»Betriebsbeauftragter

Immissionskataster ist die räumliche Darstellung der -»Immission für ein bestimmtes Gebiet. Hier werden Dauer und Spitzenbelastungen festgehalten. Dies geschieht durch die direkte Messung von —»Emissionen in Meßnetzen. Immissionskataster sind Basis für Luftreinhaltepläne und Infrastrukturmaßnahmen.

Indikatorensysteme Systeme, die vorab spezifizierte Werte erfassen, verarbeiten und so Hinweise auf vergangene bzw. zukünftige Veränderungen anzeigen.

I ndustrialisier ung -»Strukturwandel Ende des 19. Jahrhunderts, der gekennzeichnet ist durch die Verlagerung des volkswirtschaftlichen Schwerpunktes vom Primär- (Land- und Agrarwirtschaft) zum Sekundärsektor (Manufakturen und Industrie). Die Industrialisierung hängt eng mit der nahezu gleichzeitigen Entwicklung der Dampfmaschine und des mechanischen Webstuhls zusammen.

Informationen, umweltbezogene 1. Einfuhrung Ziel des folgenden Textes ist die systematische Darstellung „umweltbezogener Informationen" mit ihren verschiedenen Formen und Typen und die Beschreibung der Anwendung umweltbezogener Informationen in der gesellschaftlichen Praxis. Dabei wird davon ausgegangen, daß umweltbezogene Informationen nur dann Sinn ergeben, wenn sie in der gesellschaftlichen Praxis (Öffentlichkeit, Politik, Verwaltung, öffentliche und private Institutionen, Unternehmen, Alltag, Privatsphäre u. ä.) zu Handeln fuhren oder führen sollen, sie also über ihre informationstheoretische Funktion hinaus, nämlich Unsicherheit zu reduzieren, eine Steuerungsfunktion zugewiesen bekommen. Unter „umweltbezogenen Informationen" werden im Folgenden das Wissen und die Inhalte verstanden, die einen Bezug zur -»Umwelt im ökologischen Sinne haben und die für umweltbezogene Ziele relevant sind. Oberbegrifflich wird kein Unterschied hinsichtlich der Informationsqualität gemacht, so daß unter „umweltbezogenen

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Informationen, umweltbezogene

Informationen" von wissenschaftlich gewonnenen bis hin zu Handlungsempfehlungen alle diesbezüglichen Informationen verstanden werden. Der Frage, wer welche umweltbezogenen Informationen produziert, wird an dieser Stelle nicht nachgegangen, sondern eine Beschränkung auf die inhaltlichen bzw. steuerungsbezogenen Aspekte derartiger Informationen vorgenommen. Umwelt als Bezugspunkt für umweltbezogene Informationen wird in einem umfassenden Sinne verstanden als die äußeren Lebensbedingungen für die menschliche und gesellschaftliche Existenz einschließlich der natürlichen Lebensgrundlagen (—»Boden, Luft, Wasser, Flora und Fauna). Im einzelnen wird nicht unterschieden in ökologische, politologische, soziologische u. ä. Umweltbegriffe, da diese Unterscheidungen, solange die natürliche Umwelt im Blickpunkt steht, unter Zielgesichtspunkten irrelevant sind. Begrifflich und systematisch haben Informationen mit Umweltbezug spätestens mit Inkrafttreten zweier gesetzlicher Regelungen politisch, rechtlich und in der Öffentlichkeit erheblich an Gewicht gewonnen: Zum einen durch das Umweltinformationsgesetz (UIG), das Bedingungen und Verfahren für Staat, Länder und Kommunen festlegt, wie und welche Informationen zum Zustand der Umwelt an die Bürger weitergegeben werden müssen bzw. können. Andererseits durch das Umweltauditgesetz (UAG), das gemäß EGUmweltaudit-Verordnung die Erhebung und Verarbeitung betrieblicher —»Umweltkennzahlen regelt. Länger schon veröffentlicht das -»Umweltbundesamt einen regelmäßigen Jahresbericht, der die Arbeit des Umweltbundesamtes beschreibt und gleichzeitig einen informatorischen Überblick zu den aktuellen Umweltproblemen und -aktivitäten bietet. Einen systematischen Überblick zum Zustand der Umwelt in Deutschland bieten die zweijährlich seit 1984 ebenfalls vom Umweltbundesamt veröffentlichten „Daten zur Umwelt" (jüngst 1997). Die Kommunen (Städte, Kreise und Gemeinden) versuchen seit den 70er Jahren die 132

Informationen, umweltbezogene

Situation ihrer lokalen Umwelt mit Hilfe kommunaler —»Umweltberichte zu erfassen und zu beschreiben. Sicherlich dienten diese der Entscheidungsvorbereitung und der umweltpolitischen Planung, obgleich auch ein starker Druck bestand, derartige Berichte zu erstellen bzw. erstellen zu lassen, ohne daß die Perspektive eines veränderten politischen Handelns bestand, so daß viele dieser Berichte mehr oder weniger sang- und klanglos in den Schubladen verschwanden. Diese umfassende, und damit der Gefahr einer nicht handhabbaren Informationsflut unterliegende Form, wird seit den 90er Jahren faktisch abgelöst oder ergänzt durch sachgebiets- bzw. problembezogene Informationen, wie Energiebericht, Boden-, Emissions-, —»Immissions- oder -»Grundwasser - kataster, die systematische, detaillierte und häufig regelmäßig fortgeschriebene Berichte für den kommunalen -»Umweltschutz darstellen. Diese waren nicht als inhaltliche Ablösung zu verstehen, da Umweltberichte und -kataster unterschiedliche Fragestellungen bearbeiten und verschiedene Zielgruppen ansprechen; letztere sind eher Informationen für Fachleute und die Basis für Detailentscheidungen im Umweltschutz. Erhebung und Umgang mit umweltbezogenen Informationen unterliegen methodisch denselben Bedingungen wie alle Informationen. Erschwerend hinzu kommen die Komplexität des Gegenstandsbereichs, die Heterogenität der Daten bzgl. Herkunft und Erfassung, ihre zeitliche Variabilität (NichtWiederholbarkeit von Messungen), die großen Datenmengen, die unterschiedlichen und vielfältigen Einflußgrößen, unterschiedliche anthropogene Einflüsse und permanente neue Erkenntnisse, die sich ständig verändernde Anforderungen an die Daten und die Datenverarbeitungssysteme zur Folge haben. 2. Überblick Eine klare begriffliche Unterscheidung verschiedener Typen umweltbezogener Informationen existiert nicht. So werden die im Folgenden als Informationsträger verstandenen Begriffe —»Kennzahlen, Indikatoren, Indizes, Daten u. ä. in teils unterschied-

Informationen, umweltbezogene licher, teils identischer Weise verwandt; für weitere Verwirrung sorgt die Unterscheidung in quantitative und qualitative Informationen. Während Umweltinformationen in einem allgemeinen Sinn Inhalte/ Kenntnisse/ Aussagen über die Umwelt darstellen, sind Umweltdaten die Informationen, die empirisch erhoben werden (können), wobei die methodischen Implikationen und Probleme an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Umweltkennzahlen wiederum beschreiben steuerungsrelevante, also beeinflußbare Sachverhalte, die aus den erhobenen Umweltdaten errechnet werden, bspw. die CO2Emissionen pro Einwohner oder der -»Energieverbrauch pro Nutzer einer Einrichtung. Die konkrete Ausprägung, z. B. 13t CO2 pro Einwohner, ist entsprechend als Kennzahlenwert zu bezeichnen. Dadurch wird eine Fülle von Einzeldaten verdichtet, um entscheiden und steuern zu können. Das Bewertungsproblem bei der Auswahl und Zuordnung der Daten, bei der Entscheidung über die Wichtigkeit (Steuerungsrelevanz) einer Kennzahl kann letztlich nur auf dem Konsensweg der Kennzahlen-Anwender gelöst werden. Eine Unterscheidung zwischen Umweltkennzahlen und -indikatoren ist sinnvollerweise nicht zu treffen, da Kennzahlen auch Indikatoren, also „Anzeiger" oder „Reprä-

Informationen, umweltbezogene sentanten" für einen Sachverhalt sein können; obige Kennzahl könnte bspw. als Indikator für eine erfolgreiche oder nicht erfolgreiche —»Umweltpolitik verstanden werden je nach Zusammenhang, in dem sie verwandt wird. Einschränkend ist hinzuzufügen, daß Umweltindikatoren begrifflich oft verwandt werden, wo Sachverhalte nicht direkt meßbar oder per Kennzahl darstellbar sind. So kann die Artenvielfalt oder das Auftreten einer bestimmten Spezies ein Indikator für die nicht direkt meßbare Qualität eines ökologischen Systems sein. Umweltkennzahlen, -indikatoren und -indizes beschreiben Umweltsysteme oder Umwelt-Teilsysteme und sollen Entscheidungshilfen bieten, um die Komplexität des Realsystem Umwelt zu reduzieren. Aus Vereinfachungsgründen ist zu empfehlen, Kennzahlen bzw. Indikatoren nach den jeweiligen Steuerungszwecken, also den mit Hilfe von Maßnahmen oder Strategien anzustrebenden Zielen, zu bilden und zu verwenden. Damit bleiben diese Informationsträger begrenzt auf einzelne —»Umweltmedien (Boden, Luft, Wasser und Teilbereiche davon) und/oder Umweltthemen (-»Abfall, —»Verkehr, -»Energie usw.). Eine Strukturierung der Typen umweltbezogener Informationen könnte unter dem eingangs erwähnten Gesichtspunkt der Anwendungsorientierung folgendermaßen aussehen:

133

Informationen, umweltbezogene

Informationen, umweltbezogene

Beschreibungs-/ Handlungs ebene

Ziele

Zielgruppen/Akteure

Informationssystem/-medium

Umweltbeobac htung Umweltbeschre ibung Umweltanalyse

Information Erfassung Beschreibung Überwachung Kontrolle Frühwarung Analyse Ausweitung Prognose Legitimation Evaluation

Bund Länder Kommunen Bürger Öffentlichkeit Unternehmen

Umweltbericht Umweltinformationssystem Geo-Informationssystem Umwelt-/öko-Bilanz Öko-Budget* Umweltstudie Umweltökonomische Gesamtrechnung Input-/Output-Analyse Umweltstatistik Umwelt-Audit Datensammlungen

Zieldefinition Verbesserung Sicherung Reaktion Maßnahmenko ntro lie (Evaluation) Effizienz Effektivität

Bund Länder Kommunen Unternehmen

Umwelt(qualitäts)ziele Umweltstandards Umweltverträglichkeitspr üfung Öko-Konto Öko-Controlling

Umweltkennzahlen Umweltind ikatoren Umweltindizes

Zieldiskussion Steuerung shilfe Soll-Ist-Vergleich Zeit-Vergleich Best-Practise Wettbewerb Wettbewerbse rsatz

Bund Länder Kommunen Unternehmen

Internationale Vergleiche Interkommunale Vergleiche Betriebsvergleiche (ökologisches Benchma rking) Ranking

Umweltken nzahlen Umweltind ikatoren Umweltindizes

Information Appell Umweltmoral Individuelles Handeln Lernen von Andren Kontakt

Meinungsträger Öffentlichkeit BQrger Zielgruppen Organisationen

Massenmedien „Umwelt-Tips" (Broschüren CD-ROM *s usw.) Internet

s.o. Ist-Beschreibungen Prognosen Handlungsempfehlungen

Umweltberichterstattung

Steuerung (Management) Planung Überwachung

Umweltplanung

Vergleich (Vergleichende Umweltberichterstattung) Steuerungshilfe

öfTentlichkeitsa rbeit

Informationsträger

Umweltdaten Umweltkennzahlen Umweltind ikatoren Umweltindizes

Abb.l: Typen umweltbezogener Informationen

Insgesamt ist eine jeweils eindeutige Zuordnung der einzelnen Begriffe nicht möglich: So überschneiden sich die Ziele für alle vier Ebenen, sind möglicherweise sogar weitgehend deckungsgleich. Auch die Zielgruppen können allenfalls schwerpunktmäßig zugeordnet werden. Etwas aus dem Rahmen fällt die Ebene Öffentlichkeitsarbeit, da hier auf Ergebnisse der anderen Beschreibungs-/ Handlungsebenen zurückgegriffen wird bzw. Öffentlichkeitsarbeit Konsequenz aus der 134

Umweltberichterstattung usw. ist - zudem wird auf den ersten drei Ebenen auch Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Die in der mittleren Spalte als Informationssysteme beschriebenen Systeme überschneiden sich ebenfalls und beinhalten alle jeweils Daten (bzw. die Darstellung der Daten). So beinhaltet Umweltbeobachtung immer auch -analyse und wird in Form von Umweltberichterstattung an die entsprechenden Adres-

Informationen, umweltbezogene säten übermittelt. Auch die Handlungsebenen weisen Überschneidungen auf (so dient der Vergleich bspw. auch der Informationsbeschaffung für Steuerungszwecke), so daß die obigen begrifflichen Unterscheidungen nur aus Darstellungsgründen klar voneinander zu trennen sind. Die angegebenen Ziele beanspruchen keine Vollständigkeit, sondern verdeutlichen die Akzente der jeweiligen Handlungsebenen. Zudem sind die jeweiligen Ziele nicht auf die angegebene Handlungsebene beschränkt. Nicht abgebildet werden kann die Tatsache, daß selbstverständlich Umweltbeobachtung/ -berichterstattung ein Umwelt-Zielsystem voraussetzt, da andernfalls Beschreibung und Analyse der Umweltsituation sinnlos werden - legitimatorische Absichten als politologisch zu analysierendes Thema seien an dieser Stelle vernachlässigt. Ein schwierige methodische Frage ist darin zu sehen, daß die Zuordnung von Kennzahlen u. ä. zu Zielen bzw. die Abbildung der Zielerreichungsgrade einen hohen definitorischen Aufwand erfordert, wobei die kausalen Beziehungen damit noch nicht geklärt bzw. oft nicht zu klären sind. Welche Maßnahmen tragen zur Zielerreichung bei, wo doch so viele unterschiedliche, teils widersprüchliche Faktoren zusammenspielen, externe Einflüsse hinzukommen, so daß häufig nur vermutet werden kann, welche Maßnahmen erfolgreich sind und welche nicht. Hinzu kommt das Problem der Messung von Umweltzuständen und Umweltbeeinflussungen (s. o.). Die begriffliche und methodische Problematik verliert vor dem Hintergrund der praktischen Anwendung umweltbezogener Informationen an Bedeutung, wenn wie oben beschrieben davon ausgegangen wird, daß umweltbezogene Informationen zielbezogen erhoben und für/von bestimmten Zielgruppen genutzt werden. Letztlich werden umweltbezogene Informationen jeder Art nach folgendem Schema generiert: •

In der Realität wird mit Hilfe von Messungen (z. B. in bundesweiten Meßnetzen) der Ist-Stand der Umwelt

Informationen, umweltbezogene







erfaßt und in Form von Umweltdaten abgebildet. Diese werden bearbeitet, verwaltet und verfügbar gemacht mittels Datenbanken, Umweltinformationssystemen usw. Daraus werden ggf. zur Reduktion der Daten- /Informationsfülle Kennzahlenwerte berechnet, die abgebildet in Kennzahlensystemen Steuerungshilfen für Planungen und Maßnahmen bieten. Umgesetzte Maßnahmen führen zu Veränderungen in der Umwelt bzw. bzgl. einzelner Meßgrößen, so daß der Kreislauf von vorne losgeht.

Übergreifendes Ziel ist bei der Erfassung und Verwendung umweltbezogener Informationen letztlich - neben dem Gesamtziel der Wahrung und Verbesserung von Natur und Umwelt - die Überwachung, Kontrolle und Steuerung von Umweltzuständen bzw. umweltbedeutsamen Prozessen. Umweltbezogene Informationen werden von unterschiedlichen Gruppen genutzt bzw. für unterschiedliche Gruppen generiert. Aus dem Blickwinkel der Zielgruppen bzw. der tatsächlichen oder potentiellen Handlungsträger und ihrer möglichen Handlungsziele ergeben sich Anforderungen an die Informationen, die zur Zielerreichung benötigt werden bzw. diese unterstützen. Auf nationaler Ebene und in den einzelnen Bundesländern ist die Flut umweltbezogener Informationen in Form von Berichten, Meßberichten, Bilanzen, Programmen, Plänen, Atlanten (z. B. Badegewässeratlas), Statistiken, Abschätzungen (Gefährdungsabschätzungen), Datenzusammenstellungen, Katastern, Konzepten u. ä. nicht mehr überschaubar - weder für die Experten noch für diverse Nutzergruppen. Allein für den Bund zählen die „Daten zur Umwelt 1997" insgesamt 123 und für die Bundesländer 96 verschiedene Schriften mit Umweltinformationen auf, was vermutlich nur die Spitze des „umweltpolitischen Informations-Eisbergs" darstellt. So verweisen andere Autoren auf über 600 Berichte von Bund, Ländern und Kommunen zu Umwelt und Natur mit der entsprechen-

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Informationen, umweltbezogene den Verwendung von Indikatoren, die von 1971 bis 1991 veröffentlicht wurden. 3. Einzelbeschreibungen Umweltbezogene Informationen deskriptiver Art haben sicherlich in den vergangenen Jahrzehnten dominiert. Diese Informationsfülle hat(te) einerseits ein normative Seite (angesichts der aktuellen Ozonbelastung [ - • O z o n , -»Ozonloch] weniger Auto zu fahren, den individuellen Energieverbrauch zur Verhinderung der Klimakatastrophe zu reduzieren, den Müll zu sortieren, usw.) und andererseits eine lähmende Wirkung, da individuelles, politisches und gesellschaftliches Handeln aussichtslos erscheint angesichts von Umfang, Intensität und Mächtigkeit der Umweltprobleme - ausgewiesen und belegt durch die jedem zugänglichen umweltbezogenen Informationen. Die bisherige Beschreibung hat gezeigt, daß die Verwendung umweltbezogener Informationen von folgenloser Deskription, über die Frühwamsystem-Funktion bis hin zu rein legitimatorischen Zwecken reicht - dies gilt für alle Informationen. Generell haben umweltbezogene Informationen prinzipiell folgende Funktionen: • • • • •

Aufklärungs- und Meinungsbildungsfunktion; Entscheidungsgrundlage; Evaluierungsfunktion (bzgl. der Effektivität von Umweltschutzmaßnahmen); Frühwarnfunktion; Visualisierungsfunktion (Zustände, Schäden u. ä. großräumig erfassen und sichtbar machen).

Folgend werden die unterschiedlichen Typen und Formen umweltbezogener Informationen kurz beschrieben, wobei mit den bereits oben angesprochenen Informationsträgern begonnen wird:

Informationen, umweltbezogene Umweltindikatoren/Umweltkennzahlen Umweltkennzahlen und -indikatoren beschreiben Ist- und Sollzustände in Umweltsystemen bzw. unter umweltbezogenen Fragestellungen und machen damit Zustandsoder Qualitätsbeschreibungen möglich. Damit bilden sie das Gerüst für die Umweltberichterstattung, insbesondere für die vergleichende Umweltberichterstattung. Letztlich werden immer Kennzahlen benötigt, wenn Umwelt beeinflußt werden soll, da nur mit ihrer Hilfe der Erfolg von Maßnahmen, Planungen usw. erfaßt werden kann. Die Verwendung von -»Umweltkennzahlen berechnet aus Umweltdaten (s. o.) - ein gemeinsames Leitbild oder zumindest ein vereinbartes, oft implizites, Zielsystem voraus, vor dessen Hintergrund die relevanten Kennzahlen ausgewählt oder gebildet werden können. Anders formuliert: Umweltkennzahlen/ -indikatoren drücken die Abweichung der Umweltsituation oder den Folgen geplanter Einflüsse von den Umweltzielen, Umweltqualitätsstandards usw. aus. Eine weitere Verdichtung und damit Abbau von Komplexität wird erreicht, wenn auf nur noch wenige Schlüsselkennzahlen zurückgegriffen wird, mit deren Hilfe gesteuert wird. Der -»Sachverständigenrat für Umweltfragen weist Umweltindikatoren folgende Aufgaben zu: • •

• • • •

Informationsträger Umweltdaten sind die in der Wirklichkeit mit Hilfe empirischer Methoden gewonnenen quantitativen oder qualitativen Informationen, die anschließend statistisch verarbeitet und dargestellt werden und/oder der Berechnung von Kennzahlen u. ä. zugrunde liegen. 136



Beschreibung des aktuellen Zustands; Bestimmung der Tragekapazität (=Aufnahme- und Abbaufahigkeit der Umweltmedien Boden, Luft und Wasser); Diagnose bestehender Belastungen; Erfolgskontrolle für Umweltschutzmaßnahmen; Erleichterung der politischen Willensbildung; Öffentliche Aufklärung und -»Kommunikation; Prognose von Belastungen (Trends).

Mehrere Kennzahlen werden zu Kennzahlensystemen zusammengefaßt: Ein Kennzahlensystem kann problem-/ sachbezogen verstanden werden (Kennzah-

Informationen, umweltbezogene

lensystem -»Lärm) oder den Steuerungsaspekt betonen (Kennzahlensystem —•Energiemanagement). Von besonderer Bedeutung ist das Indikatorensystem der -»OECD, das zwischen Belastungs-, Zustands- und Gegenmaßnahmenindikatoren unterscheidet. In der (betriebswirtschaftlich orientierten) Kennzahlenliteratur werden Kennzahlen z. B. unterschieden in „Messuhren", die die eigene Leistung im Verhältnis zu einem Standard beschreiben, und „Büchsenöffner", die weiteren Klärungsbedarf andeuten. Betriebliche Umweltkennzahlen Im Rahmen der betrieblichen Umweltberichterstattung wird mit Umweltkennzahlen gearbeitet, die den Ressourcenverbrauch, die Abwassersituation, den -»Energiebedarf, die Emissionen, die Stoffströme, die Aufwendungen für Umweltschutz u. ä. bei der Erreichung der Unternehmensziele beschreiben. Mit Hilfe dieser Kennzahlen können Energieeffizienz, Stoffeffizienz, Wassereinsatzeffizienz, Abwassereffizienz, Wasserverlustquote u. ä. als Bewertungsgrößen dargestellt werden. Betriebliche Umweltkennzahlen können untergliedert werden in: •





Umweltleistungskennzahlen (Stoffund Energieeinsatz, Verkehrsaufwand, Input-/Output-Bilanz); -»Umweltmanagement-Kennzahlen (Umweltkosten, Beschaffung, Gesundheit u. ä.); Umweltzustands- / Umweltqualitätskennzahlen (Belastungen von Boden, Luft, Wasser, Flora und Fauna, Lärmbelastungen).

Umweltindizes Während Umweltindikatoren/ -kennzahlen zur Beschreibung von Ist- und SollZuständen eines Umweltsystems verwandt werden (s. o.), stellen Umweltindizes den Vergleich eines Indikators/ einer Kennzahl zu einer Vergleichsgröße her, z. B. Veränderungen im Zeitverlauf oder infolge von Maßnahmen. Einzelindizes (z. B. die jährliche Angabe eines Emissionsstoffes bezogen auf ein Ausgangsjahr) können zusammengefaßt werden zu Gesamtindizes, z. B. zu

Informationen, umweltbezogene

einem Luftschadstoff-Index. Insgesamt wird unterschieden in deskriptive Indizes und normative Indizes (zur Bewertung eines Zustands). Informationsmedien Umweltdaten, Umweltkennzahlen und Umweltindizes werden in den unterschiedlichsten Formen (hier Medien genannt), verwandt. Die wichtigsten sind im folgenden aufgezählt: Umweltstatistik Die Umweltstatistik stellt Informationen über den Zustand der Umwelt, die Belastungen für die Umwelt und die Reaktionen der -»Ökosysteme auf die Belastungen zusammen, um diese zu quantifizieren und damit interpretierbar zu machen. Dabei wird besonders unterschieden in primärstatistische Erhebungen wie regelmäßige Umweltbeobachtungen oder Befragungen von Personen zu umweltrelevanten Aktivitäten und sekundärstatistische Erhebungen wie der Auswertung von Verwaltungsunterlagen oder anderer Erhebungen. Per Bundesgesetz ist im Umweltstatistikgesetz (UStatG) von 1974, zuletzt geändert 1994, festgelegt, daß eine Bundesstatistik zu fuhren ist mit den entsprechenden Daten u. a. zur Abfallentsorgung, zu nachweispflichtigen Abfällen und Sekundärrohstoffen, zur Verwertung und -»Entsorgung von Rückständen, zur öffentlichen Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, zu Luftverunreinigungen, zu ozonschichtschädigenden und klimawirksamen Stoffen, zu Unfällen mit wassergefährdenden Stoffen, zu den Aufwendungen für Umweltschutz im produzierenden Gewerbe und zu den Waren und Dienstleistungen für den Umweltschutz. Das Gesetz legt weiter fest, wie häufig die Daten zu den einzelnen Gebieten zu erheben sind und wer auskunftspflichtig ist. In der EU werden seit 1985 gemeinsame umweltstatistische Daten gesammelt, die sich insbesondere mit den menschlichen Aktivitäten und ihren Auswirkungen auf die Umwelt, den daraus resultierenden Veränderungen der Umweltqualität und den Maßnahmen zum Umweltschutz mit ihrem Nutzen und ihren Kosten befassen. 137

Informationen, umweltbezogene Umweltinformationssysteme (UIS) dienen unterschiedlichsten Anwendungen auf lokaler, regionaler, bundesweiter sowie betrieblicher Ebene. Neben ihrer Funktion, Informationen zu bündeln und handhabbar zu machen, können Veränderungen in der Umwelt oder beim Auftreten bestimmter Stoffe dargestellt werden sowie Grundinformationen für (Planungs-)Entscheidungen bereitgestellt werden, z. B. Immissionsbelastungen bei der Ausweisung eines Baugebietes; auch die Maßnahmenrealisierung wird mit Hilfe von Umweltinformationssystemen überwacht bzw. dargestellt. Geographische Informationssysteme (GIS) verknüpfen raumbezogene Daten lokal/regional, werten sie aus, visualisieren diese Informationen und machen sie damit praktisch nutzbar.

Informationen, umweltbezogene nehmen, die die wichtigsten ökologischen Informationen erfassen, bewerten und entscheidungsbezogen darstellen. Derartige Informationen sind z. B. Ressourcenverbrauch, Energieeinsatz, Emissionen, Transportaufwand und Entsorgung zum Ende des Produktlebens; dazu gehört auch die Produktbilanz bzw. die Analyse des -»Produktlebenszyklus unter ökologischen Aspekten, •

-»Öko-Controlling als datengestützter Prozeß für die kontinuierliche Überwachung und Auswertung der Stoff- und Energieströme - letztlich auf Basis der Ökobilanz,



Umwelt-Audit für gewerbliche Unternehmen als Umweltmanagement- und Umweltbetriebsprüfungssystem zur Förderung des betrieblichen Umweltschutzes, wozu u. a. auch die Bereitstellung diesbezüglicher Informationen für die Öffentlichkeit gehört (siehe UAG von 1995),



Eine besondere Form ist die vergleichende Umweltberichterstattung, die praktiziert wird zwischen Betrieben, Kommunen, Nationen sowie weiteren Organisationen oder Institutionen (s. u.).

In der Regel EDV-gestützt beschreiben Umweltinformationssysteme Ist-Zustand, Gefährdungen und Nutzungskonflikte in einem ausgewählten Umweltbereich und bieten im Detail an: •

• •

Daten in Sach-/Fachdatenbanken (Meßund Erhebungsdaten, geographische Daten, Orientierungsdaten als Zielvorgaben, Dokumentationsdaten wie Texte, Bescheide, Gesetze); Methoden (Analysen, Auswertungen, Prognosen); Digitale Karten.

Die Umweltberichterstattung ist die systematische und regelmäßige Veröffentlichung von Umweltinformationen, die sich auf politische, räumliche, geographische Einheiten oder Unternehmen beziehen kann. Besondere Formen stattung sind u. a.: • •



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der

Umweltberichter-

Umweltberichte bspw. für eine Kommune oder ein Unternehmen; Umweltstudien zur Beschreibung einer Einzelsituation oder eines Einzelproblems, um eine Entscheidung vorzubereiten; Umwelt- bzw. Ökobilanzen als umfassende Gesamtbetrachtungen in Unter-

Öko-Budget® Eine besondere Form der Anwendung von Umweltindikatoren stellt das von der -»Deutschen Bundesstiftung Umwelt geforderte Demonstrationsvorhaben „Kommunale Naturhaushaltswirtschaft" dar. Mit Hilfe eines Öko-Budget® wird der Umweltverbrauch einer Kommune in einem Naturhaushaltsplan sichtbar gemacht. Dabei wird in drei Indikatorentypen unterschieden: Verbrauchs-, Vermögensund Effizienzindikatoren, die konsequent auf Umweltgüter und deren Verbrauch bezogen werden. In Analogie zu kommunalen Finanzwirtschaft wird dann u. a. auch von „Naturkapital", „Naturhaushaltsjahr", „ökologischen Ausgaben" und „Umwelt-Leistungs-Rechnung" gesprochen.

Informationen, umweltbezogene Eine Sonderform einer ökologischen Budgetierung stellt das Öko-Konto dar: Für eine Kommune wird ein Konto geführt, auf dem Eingriffe in Natur und Landschaft (Baugebiete, Versiegelungen u. ä.) mit Kompensationsräumen, die naturnahe Eigenschaften aufweisen, verrechnet werden können. Der jeweilige Kontostand spiegelt die Handlungsmöglichkeiten und -grenzen zur Landschaftsnutzung der Kommune wider, kann allerdings das Problem der Bewertung unterschiedlicher Zustände und Eingriffe nicht lösen. Umweltökonomische Gesamtrechnung (UGR) Die Umweltökonomische Gesamtrechnung als ein ökonomisch geprägtes, statistisches Umweltberichtssystem, beschreibt die Wechselbeziehungen zwischen der gesellschaftlichen Herstellung - auf nationaler und globaler Ebene - von Gütern und der Belastung der Umwelt sowie der Umweltfolgen. Damit ergänzt sie die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, indem sie bspw. das Umweltvermögen (Naturvermögen), die Umweltschutzund Umweltschadenskosten beschreibt und bewertet, wodurch auch die Feststellung der Erhaltungskosten möglich wird. Zudem wird versucht, die Vermeidungskosten für die Verursacher, die externen Vermeidungskosten für die Betroffenen (zum Schutz vor Auswirkungen) und die externen Schadenskosten für Betroffene (z. B. Verluste oder Krankheiten) bei Umwelteingriffen zu errechnen. Dazu können auch Material- und Energieflüsse (Input-Output-Analysen) gehören, die quantifiziert werden, um sie möglicherweise anders organisieren zu können. Das Kernproblem bleibt die monetäre Bewertung von Umweltvermögen und -Schäden usw., da keine Marktpreise existieren. Umweltqualitätsziele (UQZ) -»Umweltqualitätsziele sind umweltpolitische Festlegungen, die die Sicherung oder das Erreichen einer definierten Umweltqualität beschreiben. Derartige Umweltqualitätsziele - in wenigen bundesdeutschen Kommunen definiert und als Zielkonzept handlungsrelevant - erfordern ein entsprechendes Berichtswesen, das den Ist-Zustand an den Zielfestlegungen mißt und beschreibt.

Informationen, umweltbezogene Ausgangslage für Umweltqualitätsziele sind Leitlinien, die aus einem Leitbild, das letztlich dezisionistisch festgelegt wird, entwikkelt werden, also ein hierarchisches Zielsystem darstellen. Dieses bezieht sich auf verschiedene Umweltbereiche wie - » L u f treinhaltung, Bodenschutz, Gewässerschutz u. ä.. Aus Umweltqualitätszielen können dann Umweltqualitätsstandards entwickelt werden. Umwelt(qualitäts)standards Umweltqualitätsstandards sind der für ein Umweltqualitätsziel oder ein Umweltziel (politisch) festgelegte quantitative Wert, der in der politischen oder kommunalen Praxis erreicht werden soll/muß, insbesondere bezogen auf Ressourcenvorräte, Konzentrationen, Eintragsraten, strukturelle Veränderungen und Gesundheitsrisiken. Umweltqualitätsstandards sind die entsprechenden Zustandsdaten der Umwelt, die die kritischen bzw. vermeintlich akzeptablen —»Belastungsgrenzen bzw. -risiken meßbar machen. Eine Sonderform sind -»Grenzwerte, bspw. MAK-Werte (Maximale Arbeitsplatz Konzentration) zur Festlegung der Belastungsgrenze durch Schadstoffe an Arbeitsplätzen oder Grenzwerte für Strahlenimmissionen. Letztlich legen - staatlich definierte Grenzwerte - Akzeptanzlinien fest, die als Schutzanspruch und/oder Eingriffsschwelle verstanden werden. Im besten Falle entsprechen Grenzwerte naturwissenschaftlichen Erkenntnissen zur Wirkung von Stoffen, i. d. R. sind sie sicherlich politisch ausgehandelte (Kompromiß) Festlegungen. Umweltverträglichkeitsprüfung: Eine umfassende Informationsbeschaffung erfordert die -»Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem „-»Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG)" von 1990 bezogen auf ein Planungsvorhaben: Die Auswirkungen des Vorhabens sind zu erheben, zu beschreiben und zu bewerten hinsichtlich Menschen, Tiere, Pflanzen, der Umweltmedien, der Landschaft einschließlich der Wechselwirkungen. Ebenfalls sind zu berücksichtigen Kultur- und sonstige Sachgüter. Viele Kommunen praktizieren eine freiwillige Umweltverträglichkeitsprü139

Informationen, umweltbezogene

fung in Fällen, für die das UVPG keine Prüfung vorschreibt. ökologisches Benchmarking Die Methode des -»Benchmarking - entwikkelt und angewandt erstmalig von amerikanischen Firmen in den 80er Jahren - vergleicht Produkte, Dienstleistungen und Prozesse zwischen verschiedenen Unternehmen, um am Vorbild des Besten die Qualität der eigenen Leistungen und Produkte zu verbessern, Kosten und Aufwände zu reduzieren, Prozesse zu optimieren usw. Der Benchmarkingprozeß läuft in etwa folgendermaßen ab: • • • • •

Auswahl der Vergleichspartner; Festlegung von und Einigung auf Umwelt-Vergleichs-Kennzahlen; Festlegung der Erhebungskriterien; Erhebung der Daten und Berechnung der Kennzahlenwerte; Auswertung und Vergleich.

Ökologische Benchmarkings zwischen Firmen sind dem Autor nicht bekannt; allerdings veröffentlichen inzwischen zahlreiche Firmen Umweltberichte und/oder geben die Ergebnisse ihres Umwelt-Audits bekannt, so daß eine gewisse Vergleichsmöglichkeit gegeben ist. Zudem hatte die Fachzeitschrift „Ökologische Briefe" in der letzten Zeit ihres Erscheinens Mitte der 90er Jahre Firmen vorgestellt, die jeweils einer Punktbewertung bzgl. der ökologischen Auswirkungen ihrer Firmentätigkeit unterzogen wurden, wobei auch diese Informationen allenfalls indirekte Vergleiche zwischen den Unternehmen erlaubten. Interkommunale Vergleiche Vergleichbar mit dem Benchmarking in der Privatwirtschaft bieten interkommunale Vergleiche einen Wettbewerbsersatz für Kommunen und kommunale Einrichtungen, um mit Hilfe von Kennzahlen die eigenen Leistungen zu vergleichen, von den anderen Kommunen zu lernen und sich damit zu verbessern. Für diesen Vergleich werden Kennzahlen definiert und beschrieben, die Leistungsqualität (z. B. Bearbeitungsdauer oder Beratungsqualität des Umweltamtes und Kosten (z. B. Kosten pro Bescheid oder Aufwand pro eingesparte Kilowattstunde 140

Informationen, umweltbezogene

Energie) beschreiben. Die teilnehmenden Kommunen erheben die zur Berechnung der Kennzahlenwerte notwendigen Daten, die Werte werden im Vergleichsring diskutiert und schließlich die entsprechenden SteuerungsVeränderungen vorgenommen. Sowohl Vergleich wie Kennzahlendefinition und Steuerungsveränderung erfordern die Definition bzw. Formulierung von Zielen, die mit entsprechenden Entscheidungen und/oder Maßnahmen anzustreben sind. Begrifflich ist deutlich zu unterstreichen, daß Benchmarkings oder Vergleiche entgegen dem vermeintlichen Wortsinn keine Kennzahlen, sondern Kennzahlenwerte vergleichen. Kennzahlen sind die Beschreibung eines Sachverhalts, für den aus den erhobenen Daten Kennzahlenwerte berechnet werden - diese können dann mit ihren unterschiedlichen Ausprägungen zwischen den Vergleichspartner verglichen werden. Aus Benchmarkings und interkommunalen bzw. interkommunalen Vergleichen können Rankings, also Rangordnungen (auch „Hitparaden" genannt) gebildet werden, von denen allerdings angesichts des komplexen Sachverhalts und den oben beschriebenen methodischen und inhaltlichen Implikationen nur abgeraten werden kann. Weiterführende Literatur: Umweltbundesamt (Hrsg.): Daten zur Umwelt. Der Zustand der Umwelt in Deutschland. Ausgabe 1997, Berlin 1997; Schellhorn, M: Umweltrechnungslegung. Instrumente der Rechenschaft über die Inanspruchnahme der natürlichen Umwelt, Wiesbaden 1997; Stoyan, DJ Stoyan, H.: Umweltstatistik. Statistische Verarbeitung und Analyse von Umweltdaten, Leipzig 1997; Deutscher Bundestag (Hrsg.): Umweltgutachten 1994 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, Drucksache 12/6995, o. A. 1994; Seidel, E.l Clausen, J.l Seifert, E. K. (Hrsg.): Umweltkennzahlen. Planungs-, Steuerungs- und Kontrollgrößen für ein umweltorientiertes Management, München 1998. Dipl.-SozJDipl.-Päd.

R. Körte

Innovationen, ökologische

Innovationen, ökologische 1. Die ökologische Relevanz betrieblicher Innovationsaktivitäten Der Begriff Innovation stammt aus dem Lateinischen und umfaßt Neuerungen, Neueinführung, Erneuerung oder die Neuheit selbst. In der Literatur findet sich eine Vielzahl von Definitionen, die jeweils verschiedene Teilaspekte von Innovationen hervorheben bzw. isoliert als Innovation bezeichnen und somit ein breites Spektrum an Bedeutungen schaffen. Um zu klären, was Innovation ist, muß man zunächst die Betrachtungsperspektive festlegen. Maßgeblich ist nicht die objektive Innovation im Sinne einer (Welt-)Neuheit, sondern die Erstmaligkeit für das innovierende Subjekt. Das kann eine einzelne Person, ein Unternehmen, eine Branche, eine Volkswirtschaft oder die gesamte Menschheit (in diesem Fall handelt es sich um eine objektive Innovation) sein. Im betriebswirtschaftlichen Kontext ist das Unternehmen Orientierungsrahmen für die

Innovationen, ökologische

Bestimmung von Innovationen. In systemtheoretischer Sicht sind Unternehmen offene sozio-technische Systeme. Systemelemente sind dabei im Kern die Produktionsfaktoren Personal sowie Betriebsmittel, die über formelle und informelle organisatorische Strukturen und Prozesse (Beziehungen) verknüpft sind. Innerhalb von Unternehmen vollzieht sich ein Transformationsprozeß, durch den ein Input bestehend aus Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie Vorprodukten in Output, d. h. in Sach- und Dienstleistungen sowie ggf. Abfälle und —»Emissionen umgewandelt wird (vgl. Abb. 1). Über In- bzw. Output-Beziehungen ist das Unternehmen in eine Wertschöpfungskette aus vorgelagerten Zulieferern und nachgelagerten Abnehmern eingebunden. Weitere Beziehungen bestehen zu nebengelagerten Akteuren wie Dienstleistern (z. B. Banken), Behörden, Wettbewerbern, etc.

Abb. 1 : Einfaches Modell des Systems „Unternehmen" mit seinem Umfeld und Austauschbeziehungen zur Umwelt

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Innovationen, ökologische Innovationsobjekte können alle Elemente einer Unternehmung (Sach- und Dienstleistungen, Personal, Betriebsmittel) sowie die organisatorischen Beziehungen im Unternehmen und zum Untemehmensumfeld (Lieferanten, Kunden, Wettbewerber) sein. Innovation bedeutet dann die Veränderung einzelner oder mehrerer dieser Objekte, wobei letzteres aufgrund der vorhandenen Interdependenzen zwischen den Innovationsobjekten der Regelfall ist. Beispielweise bringt die Einführung neuer Produkte veränderte Produktionsverfahren mit sich oder Verfahrensinnovationen erfordern Änderungen im Kompetenzprofil der Mitarbeiter oder in der Organisationsstruktur und bewirken somit Sozialinnovationen. Änderungen im System Unternehmung ziehen in der Regel Änderungen an den Schnittstellen zum Umfeld nach sich, z. B. in Form neuer Zulieferbeziehungen oder neuer Absatzmärkte. Die Auswirkungen von Innovationen machen also selten an den Unternehmensgrenzen halt, sondern führen zu Verschiebungen innerhalb der Wertschöpfungskette. Ergebnis des Innovierens ist eine neue Systemstruktur mit neuen oder modifizierten Elementen und Beziehungen. Die Art der Veränderung kann dabei variieren von der "Modifikation" oder dem "Hinzufügen" einzelner Elemente und Beziehungen bis hin zu deren "Wegfall". Beispielsweise führt die Implementation einer vollautomatischen Verpackungsmaschine (Hinzufügen einer Prozeßinnovation) zum Abbau von Arbeitskräften (Wegfall) und zur Neuorganisation bestehender Strukturen und Abläufe (Modifikation der unternehmensinternen Beziehungen). Der ökologische Bezug einer Innovation ergibt sich aus ihren vielfaltigen Austauschbeziehungen zur -»Umwelt. Dazu gehören auf der Inputseite die Abhängigkeit von den direkt und über Vorprodukte indirekt verwendeten -»Ressourcen und auf der Outputseite sowohl die durch den betrieblichen Transformationsprozeß anfallenden Emissionen und Abfälle als auch die beim Ge- bzw. Verbrauch und der —»Entsorgung auftretenden Umweltbe- und -entlastungen. Innovationen sind also mit positiven und/oder negativen Auswirkungen auf die Umwelt verbunden. Im Falle positiver Umweltaus142

Innovationen, ökologische wirkungen spricht man auch von ökologischen Innovationen. In der wissenschaftlichen Literatur wird häufiger der Begriff Umwelttechnik verwendet, wobei sich die Forschungsarbeiten auf die Innovationsobjekte Produkte und Verfahren beschränken, d. h. mit Umwelttechnik bzw. ökologischen Innovationen werden alle Verfahren und Produkte bezeichnet, die zu umweltentlastenden und/oder ressourcensparenden Effekten führen. Tiefergehende Zuordnungen erfolgen nach Objektbereichen wie - » L u f treinhaltung, Gewässerschutz und Abwasserbehandlung, -»Lärmschutz, Bodenschutz etc., nach Funktionsbereichen wie nachsorgender, kompensatorischer, vorsorgender -»Umweltschutz und Umweltbeobachtung sowie einer Kombination beider Gliederungsmöglichkeiten. Besonderes Augenmerk wird der Entwicklung der Umwelttechnik von der derzeit in der Praxis vorherrschenden additiven (auch nachgeschaltete oder „end of pipe") Umwelttechnik zur integrierten Umwelttechnik geschenkt. Zu den additiven Umwelttechniken zählen Produkte und Verfahren, die - am Output des Produktionsprozesses ansetzend bereits entstandene Umweltbelastungen reduzieren (z. B. -»Filter, Kläranlagen). Da mit dieser Art ökologischer Innovationen aufgrund ihres Reparaturcharakters jedoch zusätzlicher Ressourcenverbrauch sowie lediglich Verlagerungen von Umweltbelastungen in andere -»Umweltmedien verbunden sind, stehen additive Umwelttechniken in der Kritik. Diese Nachteile versucht man durch produkt- und produktionsintegrierte Umwelttechnik zu überwinden. Ansatzpunkte integrierter ökologischer Innovationen sind die ressourcensparende und umweltentlastende Veränderung des Inputs (z. B. Verringerung des Rohstoffeinsatzes, Substitution umweltgefährdender Hilfsstoffe), der Produktionsverfahren (z. B. Einsatz von Maschinen mit geringem -»Energiebedarf und/oder niedrigem Schadstoffausstoß, Einsatz abfall- und abwasserarmer/-freier Produktionsprozesse), der Produkte (z. B. Entwicklung von Produkten mit hoher Lebensdauer, Reparatur-, Demontage- und -»Recyclingfreundlichkeit) und - bei Ausweitung des Betrachtungsfeldes - der organisatorischen Beziehungen (z. B. Optimierung

Innovationen, Ökologische von Logistiksystemen, Aufbau von Rücknahme- und Verwertungssystemen). Additive und integrierte Umwelttechnik sind jedoch keine sich gegenseitig ausschließenden Techniken. Zum einen haben additive ökologische Innovationen dort ihre Einsatzberechtigung, wo integrierte Umwelttechniken nicht vorhanden oder mit erheblichen Nachteilen verbunden sind und wo verbleibende, irreversibel veränderte Stoffanteile aufgefangen werden müssen. Zum anderen ist in der Praxis die ökologische Optimierung von Produkten oder Produktionsprozessen häufig erst durch die Kombination beider Umwelttechnikarten möglich. Diese in ökologischer Sicht positiven Veränderungen der Austauschbeziehungen zwischen Unternehmung und Umwelt sind traditionell jedoch nicht primäres Ziel betrieblicher Innovationsaktivitäten. Dies wird in empirischen Untersuchungen bestätigt. Hauptziele sind demnach die Steigerung von Absatz und Flexibilität, die Senkung der Lohnkosten und die Verbesserung der Produktqualität; die Verminderung der Umweltbelastungen spielt eine vergleichsweise untergeordnete Rolle im Zielbündel unternehmerischer Innovationsaktivitäten. Trotzdem treten - beabsichtigt oder unbeabsichtigt - umweltentlastende und/oder ressourcensparende Effekte als "Nebeneffekte" von Innovationen auf. So sind seit Jahrzehnten mit Prozeßinnovationen aufgrund ihres Rationalisierungscharakters häufig Einsparungen im Material- und Energiebereich verbunden. Für Produktinnovationen wurde schon immer aus ökonomischen Gründen versucht, den Roh- / Hilfsstoff- und Energiebedarf kontinuierlich zu senken. Dies gilt auch für die Optimierung von Logistiksystemen: Mit der gezielten Ausnutzung von Rationalisierungspotentialen werden gleichzeitig -»Energieverbrauch und Schadstoffemissionen gesenkt. Hier zeigt sich das - insbesondere für die Wirtschaftsstatistik und die —»umweltökonomische Gesamtrechnung sehr bedeutsame - Abgrenzungsproblem zwischen ökologischen und „normalen" Innovationen. Deutlich wird aber auch, daß durch die gezielte Ausnutzung von Kosteneinsparungspotentialen gleichfalls Ressourcen eingespart und Umweltentlastungspotentiale erschlossen werden können, d. h. Ökonomie und

Innovationen, ökologische

-»Ökologie stehen nicht grundsätzlich im Widerspruch. 2. Ökologiebezogene Kriterien für betriebliche Innovationsaktivitäten Mit der -»Globalisierung der Umweltprobleme, dem zunehmenden -»Umweltbewußtsein der Nachfrager sowie der stetig steigenden Anzahl von Umweltschutzregelungen haben sich die Rahmenbedingungen betrieblicher Innovationsaktivitäten jedoch verändert. Diese Entwicklungen im Umweltbereich stellen sowohl Nebenbedingungen von Innovationsstrategien als auch eine Aufforderung zu deren Neuorientierung dar. Die bislang vorherrschende Ausrichtung von Innovationen an ökonomischen und technologischen Wettbewerbsfaktoren wird zunehmend um ökologische Kriterien erweitert. Um dieser Herausforderung konstruktiv zu begegnen, ist es notwendig, bei der Planung von Innovationen den aus einzelbetrieblicher Sicht relevanten Umweltausschnitt abzustekken, aus dem sich die für die Unternehmung zu berücksichtigenden Austauschbeziehungen zur Umwelt ergeben. Bei der Ableitung ökologiebezogener Kriterien für betriebliche Innovationsaktivitäten sind neben Umweltwirkungen, die sich bis zur Markteinführung neuer Produkte bzw. bei der Anwendung neuer Prozesse ergeben, auch solche Beziehungen zwischen Unternehmung und Umwelt zu berücksichtigen, die beim Ge- und Verbrauch und bei der Entsorgung auftreten. Traditionell waren es die Unternehmen gewohnt, abgesehen von der reinen Gewährleistungshaftung, sich von der weiteren Verantwortung für ihre Produkte beim Ge- und Verbrauch und bei der Entsorgung zu distanzieren. Da die dort auftretenden Umweltbelastungen nicht mehr ausschließlich dem Besitzer oder Eigentümer angelastet werden, sondern zunehmend - z. T. gesetzlich in Form von Rücknahme- und Verwertungspflichten verankert - auf den Hersteller zurückfallen, muß dieser den Vorgang des Ge- und Verbrauchs analysieren und darüber hinaus das Verhalten seines Produktes bei der Entsorgung antizipieren. Als Nebenbedingungen für betriebliche Innovationsaktivitäten werden dementsprechend ökologiebezogene Anforderungen wirksam, die die materiellen Wirkungszu-

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Innovationen, ökologische

sammenhänge bzw. Stoffsysteme zwischen Produkten, Verfahren und Umwelt über die gesamte Wertschöpfungskette einbeziehen (vgl. Abb. 2). Zu ihrer Konkretisierung müssen die betroffenen Input- und Outputströme offengelegt und deren Wirkungsbereiche analysiert werden. Die notwendigen Informationen liefern Stoffstromanalysen, mittels derer die betroffenen Material- und Energieströme über die gesamte Wertschöpfungskette erfaßt werden können, und -»Input-Output-Bilanzen, in denen die ermittelten Strömungsgrößen gegenübergestellt werden. Vergleicht man die in den Input-

Innovationen, ökologische

Output-Bilanzen aufgeschlüsselten Größen mit externen Daten über Ressourcenbegrenzung, gesetzlich festgelegten Standards und Belastungsgrenzwerten, Kundenanforderungen und gesellschaftlichen -»Restriktionen, so werden potentielle Konflikte zwischen Unternehmen und Umwelt sichtbar. Eine solche Konfliktanalyse ermöglicht neben der Identifizierung auch eine Bewertung der Austauschbeziehungen zwischen Unternehmen und Umwelt. Sie zeigt Ansatzpunkte zum Abbau bzw. zur Vermeidung von Umweltbelastungen auf und erlaubt zugleich die Zuordnung konkreter Maßnahmen.

Abb. 2: Einfaches Modell von Stoffströmen in Wertschöpfungsketten

3. Determinanten und Induktionsmechanismen ökologischer Innovationen Nun setzen sich ökologische Innovationen nicht durch, weil sie ökologisch sinnvoll und/oder technologisch machbar sind, sondern weil sie ökonomisch tragfahig und zur Erfüllung gesetzlicher Anforderungen notwendig sind. Die wesentlichen Determinanten ökologischer Innovationen sind das Rentabilitätskalkül der Unternehmen und die Politik bzw. Gesetzgebung. Zu Umwelt144

Schutzmaßnahmen kommt es erst, wenn diese durch marktseitige Sanktionen oder gesetzliche Regelungen "verordnet" werden. In der betrieblichen Praxis stehen daher noch oftmals reaktive Maßnahmen in Form additiver Umwelttechnik im Vordergrund. Damit haben derartige Maßnahmen lediglich Reparaturcharakter und kommen chronisch verspätet. Gerade aber vorausschauende Konfliktvermeidung, indem konfliktäre Austauschbeziehungen zur Umwelt bereits im

Innovationen, ökologische Planungsstadium von neuen Produkten und Verfahren in Frage gestellt und ökologische Nebenbedingungen aktiv/antizipativ berücksichtigt werden, zahlt sich oftmals in ökonomischen Vorteilen aus. Empirische Studien kommen zu dem Ergebnis, daß die Nutzung von Kosten vorteilen, Marktchancen und Differenzierungsmöglichkeiten gegenüber Wettbewerbern sowie die Einstellung auf die antizipierte - » U m weltpolitik und das Ausmaß der umweltpolitischen Regelungsbetroffenheit zu den zentralen Motiven für die Generierung und Nutzung ökologischer Innovationen zählen. Mangelnde Rentabilität, die unzureichende technologische Reife und Informationsdefizite über die Technik sind die bedeutendsten Hemmnisse für die Entwicklung bzw. Anwendung und Diffusion von ökologischen Innovationen. Die in der Innovationsforschung gemachte Unterscheidung zwischen autonomen bzw. potentialorientierten und bedarfsorientierten Induktionen als Auslöser für (ökologische) Innovationen findet sich hier wieder. Die autonome Induktion bezeichnet den Wandel des Angebots an Problemlösungen, d. h. die Entwicklung z. B. neuer Produkte, Verfahren oder Organisationsstrukturen, für die Anwendungsbereiche (zu lösende Probleme, zu deckende Bedarfe) gesucht bzw. geschaffen werden müssen. Die bedarfsorientierte Induktion resultiert aus einem Wandel von Nachfrage- bzw. Bedarfsverhältnissen, d. h. für neu entstandene Bedarfe bzw. Probleme werden Problemlösungen gesucht. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Push- und Pull-Innovationen. Im Falle ökologischer Innovationen beeinflussen die zunehmende ökologische Sensibilisierung der Nachfrage sowie verschärfte Umweltschutzgesetzgebungen den Bedarfsimpuls. Während allein durch die Nachfrage ausgelöste Innovationsaktivitäten die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen durch umweltgerechte Produkte, Verfahren und Materialien in den Vordergrund stellen, haben durch Umweltschutzauflagen bestimmte Innovationsaktivitäten die Erfüllung entsprechender Regelungen zum Ziel. Neben dem Bedarf determinieren autonom entstandene Potentiale die technische Entwicklung. Im Rahmen autonom induzierter

Innovationen, Ökologische

-»Forschung und Entwicklung wird unabhängig von Bedarfsimpulsen als Initiativfunktion neues Wissen bereitgestellt und ein Angebotsdruck neuer Umwelttechniken erzeugt. Dieses neue Wissen stellt den Ausgangspunkt von (ökologischen) Innovationen und damit einen alternativen technischnaturwissenschaftlichen Standard zur Erfüllung von Umweltschutzauflagen, gleichzeitig aber auch die Quelle "neuer" Umweltbelastungen dar. Darüber hinaus ermöglicht neues Wissen erst, bestimmte Tatbestände als Umweltbelastungen zu erkennen. Gerade verbesserte bzw. neue Meßtechniken schaffen die Voraussetzungen, negative ökologische Auswirkungen von Produkten sowie Produktionsverfahren aufzudecken. Regelmäßig werden dabei durch die technische Entwicklung "jahrzehntelang bewährte" und als unbedenklich geltende Vorgehensweisen "ex post" als umweltbelastend qualifiziert. Aber auch die durch Forschung und Entwicklung induzierte technische Entwicklung in anderen Bereichen - beispielsweise werden durch die Klärung physiologischer Zusammenhänge und Reaktionen beim Menschen bestimmte Stoffe als gesundheitsgefährdend eingestuft - führt zu einer Zuspitzung der restriktiven Wirkung ökologischer Nebenbedingungen. Innovationen allgemein und damit auch ökologische Innovationen im besonderen dynamisieren somit die Definition von Umweltbelastungen und wirken sich auf die Verschärfung von Umweltschutzgesetzgebungen aus. (Ökologisch orientierte) Innovationsaktivitäten lassen sich demnach als positiv rückkoppelnder Regelkreis beschreiben, der letztlich technische Entwicklung induziert, Impulse für weitere Forschung und Entwicklung gibt, technisch-naturwissenschaftliche Problemlösungsalternativen schöpft und gleichzeitig "ökologische" Nebenbedingungen neu formuliert bzw. verschärft. 4. Die Grenzen der Planbarkeit ökologischer Innovationen Um aktiv ökologische Nebenbedingungen für betriebliche Innovationsaktivitäten einbeziehen zu können, muß der "Forscher" die umweltrelevanten Auswirkungen aktueller sowie zukünftiger Entwicklungen im Unternehmen und seinem Umfeld abschätzen. Das 145

Input-Output-Bllanzen Bestreben, den steten Wandel der Austauschbeziehungen zur Umwelt planend zu bewältigen und zu bewerten, stößt auf zwei Hindernisse: Zum einen auf die beschränkte Möglichkeit, die bestehenden Austauschbeziehungen zur Umwelt über die gesamte Wertschöpfungskette vollständig und eindeutig zu erfassen. Zum anderen auf die Unmöglichkeit, diese Austauschbeziehungen für die Zukunft abzubilden. D. h. zu dem Unsicherheitsfaktor, der aus der unvollständigen Kenntnis der aktuellen Situation resultiert, kommt die Unsicherheit bei der Bestimmung der zukünftigen Situation hinzu. Diese Unsicherheiten sind nicht durch die vielfach diskutierten technokratischen Versuche wie —»Technikfolgenabschätzung etc. zu bewältigen. Mit dem Ballast der Rationalitätsutopie versucht man, mit diesen Planungsansätzen quasi aus der Vogelperspektive eine ideale "Zukunftslandschaft" zu entwerfen. Die Grenzen solcher Ansätze werden jedoch sehr schnell deutlich, wenn man bedenkt, daß die Forschung und Entwicklung bei größeren Innovationen einen Zeitraum von bis zu 10 Jahren einnimmt, ein bestimmtes Modell bis zu 10 Jahren produziert und dann beispielsweise wie ein Kühlschrank auch noch 10 Jahre genutzt wird. Dementsprechend hätten die Entwickler von Kühlschränken schon im Jahre 1960 das -»Ozonloch (—»Ozon) von 1990 beachten bzw. die potentiellen Auswirkungen von FCKW antizipieren müssen. Da es sich um offene Entwicklungsprozesse handelt, gilt es vielmehr, formative Lernprozesse zu implementieren, so daß die Veränderungen der Austauschbeziehungen zur Umwelt frühzeitig und flexibel in die betrieblichen Innovationsaktivitäten integriert werden können. Das Unternehmen muß sich intensiv mit den ökologischer Austauschbeziehungen der gesamten Wertschöpfungskette beschäftigen, um Hinweise sowohl für konkrete (ökologische) Innovationen im technischen, personellen und organisatorischen Bereich als auch für den Aufbau und die Sicherung von Innovationspotentialen zu erhalten.

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Input-Output-Bilanzen Weiterführende Literatur: Coenen, RJ Klein-Vielhauer, S.I Meyer, R:. Integrierte Umwelttechnik. Chancen erkennen und nutzen, Berlin 1996; Kreikebaum, H. M: Umweltgerechte Produktion. Integrierter Umweltschutz als Aufgabe der Untemehmensfuhrung im Industriebetrieb, Wiesbaden 1992; Staudt, E.\ Produktion einschließlich Recycling (Wiederverwendung), in: Vogl, J./ Heigl, A./ Schäfer, K. (Hrsg.): Handbuch des Umweltschutzes, München 1977; Staudt, EJ Kriegesmann, B. \ Innovationsmanagement, in: Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Schuster, P. (Hrsg.): Handbuch der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 2., Berlin/Heidelberg 1998; Umweltbundesamt (Hrsg.): Innovationspotentiale von Umwelttechnologien. Innovationsstrategien im Spannungsfeld von Technologie, Ökonomie und Ökologie, Heidelberg 1998. Prof. Dr. E. Staudt Dipl.-Wirt.-Ing. M. Schroll

Input-Output-Bilanzen 1. Umweltbezogene Bilanzierung Grundidee umweltbezogener Bilanzen ist es, die Umweltwirkungen wirtschaftlicher Aktivitäten darzustellen und zu bewerten. Zu unterscheiden sind Wirkungen durch die Entnahme von Stoffen aus der Natur (Input) und die Abgabe von marktfähigen Produkten sowie nicht gewolltem Output an die Natur. Die Umweltwirkungen lassen sich eigentlich nur an den -»Immissionen - Eintrag von Stoffen in die Natur feststellen. Für einen immissionsorientierten Ansatz ergeben sich aber unüberwindliche Meß- und Zuordnungsprobleme von -»Umweltschäden zu den Quellen der Schädigung. Ersatzweise wird daher auf die Messung des In- und Output des Wirtschaftens zurückgegriffen. Es liegt nahe, den gesamten Input und Output eines Betriebes in einer Periode in Form einer Bilanz gegenüberzustellen. InputOutput-Bilanzen (IOB) sind damit Flußbilanzen. Dieser Bilanzbegriff weicht von dem der kaufmännischen Bilanz ab, in der Bestände eines Stichtages gegenübergestellt werden.

Input-Output-Bilanzen In der Literatur zur Darstellung umweltbezogener Wirkungen des Wirtschaftens lassen sich drei Formen unterscheiden, von denen die beiden ersten aufeinander aufbauende Stufen ökologischer -»Bilanzierung sind: Bei der ersten Form werden die Input- und Outputströme in der IOB dargestellt. Die IOB wird häufig auch als Stoff- und Energiebilanz (SEB) oder als Sachbilanz bezeichnet. Die theoretische Konzeption dieser Bilanzierung stammt aus der Naturwissenschaft. Nach dem ersten Hauptsatz der -»Thermodynamik gehen in geschlossenen Systemen durch Transformationsprozeße weder Masse noch -»Energie verloren, d. h. Input und Output entsprechen sich inhaltlich, nur die Erscheinungsformen wandeln sich. IOB übertragen dieses Prinzip der inhaltlichen Entsprechung auf alle Arten von Input und Output von Transformationsprozeßen. Diese Form der Darstellung von Umweltwirkungen erfaßt grundsätzlich unbewertete Mengen; alle Mengen sind dimensionsverschieden. Aufbauend auf den Mengengrößen der IOB kann eine ökologische Bewertung angestrebt werden. Dieser Schritt ist mit dem Übergang von der Produktions- zur Kostentheorie in der Betriebswirtschaftslehre vergleichbar. Sinn der Bewertung ist es einmal, die dimensionsverschiedenen Größen zu vereinheitlichen (Verrechnungsfunktion der Bewertung). Aufbauend auf der Bewertung des Inputs und Outputs wird zudem eine ökologische Steuerung (ökologisches Controlling) der Transformationsprozeße nach ökologischen Zielen angestrebt (Lenkungsfunktion der Bewertung). Formen der Bilanzierung von ökologischen Wirkungen, die sich mit der Verrechnungs- und Lenkungsfunktion beschäftigen, werden als Ökobilanzen bezeichnet. Es gibt aber kein allgemein anerkanntes Konstruktionsprinzip für ökobilanzen, da keine unumstrittene Methode zur Ableitung geeigneter Wertansätze existiert. Beispielsweise kann die Verdichtung auf Basis ökonomischer oder ökologischer Bewertungsansätze (ökologische Buchführung) angestrebt werden. Weil es aber an konsensfähigen Wertansätzen fehlt, beschränkt sich die

Input-Output-Bilanzen ökologische Bilanzierung häufig auf die Analyse von Einzelaspekten oder versucht eine verbale Beschreibung der übergreifenden ökologischen Wirkungen, wie es z. B. das Konzept des —»Umweltbundesamtes vorsieht. Häufig gehen Unternehmen dazu über, im Anhang zum Jahresabschluß ihre sozialen und ökologischen Aktivitäten in verbaler Form darzulegen. Hierbei handelt es sich in erster Linie um ein Instrument zur Außendarstellung und nicht um eines des Controlling. Diese Darstellungsform ökologischer Wirkungen wird häufig als Umweltbilanz bezeichnet. Im weiteren wird nur auf jene Ansätze näher eingegangen, die dem Öko-Controlling dienen. Bilanzierungsformen, die als Basis für ein Öko-Controlling genügen, sollten folgenden Anforderungen genügen: •

Vollständigkeit: Idealerweise sollte die Bilanz alle ökologischen Wirkungen wirtschaftlicher Aktivitäten abbilden. Der hohe Erfassungsaufwand und die auftretenden Meßprobleme lassen es aber realistisch erscheinen, nur ausgewählte Stoff- und Energieflüsse abzubilden, die mit besonders negativen ökologischen Wirkungen verbunden sind.



Stabilität im Zeitablauf: Um die Positionen der Bilanzen im Zeitablauf miteinander vergleichen zu können, sollte das Gliederungsprinzip und die Erfassungsmethodik von Inund Output zeitstabil sein. Diese Forderung erscheint aber angesichts verbesserter chemisch-physikalischer Meßmethoden und der Entwicklung neuer Stoffe unrealistisch.



Transparenz: Die Daten und die Vorgehensweise zur Erstellung der Bilanzen sind offenzulegen, um Akzeptanz zu erreichen.



Abbildung hänge:

der

Wirkungszusammen-

147

Input-Output-Bilanzen

Input-Output-Bilanzen

Für ein ökologisches Controlling ist es erforderlich, die Wirkungszusammenhänge zwischen Input und Output in Form einer ökologischen Produktionsfunktion zu erfassen, d. h. es muß erkennbar sein, durch welche Parameter wirtschaftlichen Handelns auf Input und Output eingewirkt werden kann. Erst bei Kenntnis dieser Abhängigkeiten ist eine gezielte ökologische Planung möglich. Gegen diese Forderung verstößt die IOB grundsätzlich, denn sie stellt nur Input und Output, nicht aber den Wirkungszusammenhang dar. In diesem grundsätzlichen Mangel kommt bereits der sehr eingeschränkte Wert der IOB für ein Öko-Controlling zum Ausdruck. •

Nutzen müssen gegeneinander abgewogen werden. Da mit der Genauigkeit und dem Detaillierungsgrad der Bilanzen die Kosten für die Erfassung der Daten steigen, ist ein wirtschaftlich vertretbarer Genauigkeitsgrad anzustreben. Der Nutzen der ökologischen Bilanzierung hängt davon ab, für welche Zwecke diese Informationen eingesetzt werden können. 2. Aufgaben von Input-Output-Bilanzen Eine IOB kann grundsätzlich für folgende Zwecke eingesetzt werden: Zur Beurteilung der ökologischen Leistungsfähigkeit können in Anlehnung an die Produktivitäts- und Wirtschaftlichkeitsmessung -»Kennzahlen wie:

Wirtschaftlichkeit: Die ökologische Bilanzierung kann kein Selbstzweck sein. Kosten und

ökologische Produktivität = ^ u t P u t Input und Ökologische Wirtschaftlichkeit =

gebildet werden. Derartige Kennziffern können für eine Operationalisierung der input- und outputbezogenen Forderungen des -»Sustainable Development benutzt werden. Die aus der IOB abgeleiteten Kennziffern können auch zur Entscheidungsunterstützung eingesetzt werden, wenn diese Kennziffern für alternative Technologien bekannt sind. Die Kennziffern können dann im Sinne von Benchmarks für die Anregung von Investitionsvorhaben dienen. Derartige Benchmarks können auch für die Formulierung ökologischer Ziele herangezogen werden. Über eine ABC-Analyse können auch Schwachstellen für die ökologische Schwerpunktbildung herausgearbeitet werden. Dazu ist es aber i. d. R. erforderlich, die Informationen der IOB zu disaggregieren. Zum 148

Wertschöpfung Umweltwirkung (Input oder Output)

Beispiel ist eine bestimmte -»Emission maschinenbezogen zu erfassen, um erkennen zu können, durch welche der Maschinen z. B. 80 % der Emissionen verursacht werden. Die Ableitung von Kennzahlen aus der IOB bereitet Probleme, da sowohl die Inputgrößen als auch die Outputgrößen dimensionsverschieden sind. Es können deshalb nur Teilproduktivitäten .Ausbringungsmenge zu Einsatzmenge bestimmter Materialien" oder „Ausbringungsmenge zu Ausstoßmenge spezieller Emissionen" gebildet werden. Zudem ergeben sich bei der Zuordnung von Input und Output Probleme, wenn es sich um hoch aggregierte Bilanzformen wie z. B. Bilanzen für das gesamte Unternehmen handelt. Der für eine bestimmte Ausbringungsmenge erforderliche Faktoreinsatz läßt

Input-Output-Bllanzen

Input-Output-Bilanzen

sich aus der verdichteten Bilanz nicht erkennen. Dazu müßten die Informationen nach einzelnen Produktionsprozessen disaggregiert werden.

der Behälter geleert wird. Als Folge ergeben sich in den Kennzahlen Verzerrungseffekte, weil Input und Output nicht periodengerecht ermittelt wurden.

Die skizzierten Kennziffern sind für ein internes Controlling unzureichend, da die IOB die Wirkungszusammenhänge zwischen Input und Output nicht aufdeckt. Die Kennzahlen sind Durchschnittsgrößen; aus ihnen ist nicht zu erkennen, wie sich Input oder Output verändert, wenn die Einstellung bestimmter Prozeßparameter verändert wird. Zum Beispiel läßt sich die ökologische Wirkung einer verbesserten Temperaturfuhrung in einem Verbrennungsprozeß aus diesen Kennzahlen nicht ableiten. Die Kennziffern sind damit für diese Art ökologischer Steuerung unbrauchbar.

Die Informationen einer IOB oder die Kennziffern können außer zu innerbetrieblichen Steuerungszwecken auch für die außerbetriebliche Informations- und -»Kommunikationspolitik eingesetzt werden. Beispielsweise können sie benutzt werden, um bei Endverbrauchern ökologische Präferenzen für das Unternehmen oder dessen Produkte zu gewinnen. Auch der Umgang mit Behörden, Nachbarn, Umweltverbänden kann durch die objektivierten Umweltwirkungen erleichtert werden, was zu einer verbesserten Akzeptanz fuhrt.

Ein Vergleich dieser Kennziffern zwischen Betrieben oder verschiedenen Zeiträumen kann allerdings ökologisch vor- oder nachteilige Entwicklungen aufdecken. Bei diesen Vergleichen ist jedoch Vorsicht geboten. Zum Beispiel können sich von einer zur anderen Periode „ökologische Nachteile" zeigen, die nicht in der Struktur der Produktionsprozesse, sondern in der Art der Messung des nicht gewollten ökologischen Output bestehen. Werden Produktionsabfälle in Behältern zwischengelagert, die nur im Mehljahresrhythmus geleert werden, erscheint der nicht gewollte Output in der IOB j e nach Meßmethode u. U. nicht im Entstehungsjahr, sondern erst in dem Jahr, in dem Input Rohstoffe Erze [t] Lösungsmittel [m 3 ] Betriebsstoffe Energie Strom [KWh] Öl [m 3 ] Gas [m 3 ] Wasser Trinkwasser [m 3 ] Kühlwasser [m 3 ]

3. Aufbau von Input-Output-Bilanzen IOB stellen den gesamten Input eines Zeitraums dem gesamten Output gegenüber. Bilanzierungsobjekt kann ein ganzes Unternehmen, ein einzelner Betrieb des Unternehmens, ein Produkt oder ein bestimmter Produktionsprozeß sein. Mithin ist zwischen hoch- und niedrigaggregierten IOB zu unterscheiden. Die Inputseite wird nach stofflichen und energetischen Inputs gegliedert, während auf der Outputseite zwischen erwünschtem und unerwünschtem Output unterschieden wird. Eine grobe, exemplarische Gliederung zeigt folgendes Beispiel. Die Unterteilung beider Seiten der Bilanz kann beliebig verfeinert werden.

Output Produkte [ME, t, m 3 ] Abfälle Sonderabfälle [ME, t oder m 3 ] Wertstoffe [ME, t oder m 3 ] Restmüll [ME, t oder m 3 ] Emissionen C 0 2 [g/m 3 ] S0 2 [g/m 3 ] NO x [g/m 3 ] Abwärme [kJ/m 2 ] Abwasser [m 3 ]

Abb. 1: Aufbau einer Input-Outputbilanz

149

Input-Output-Bilanzen IOB fußen wie bereits erwähnt auf dem ersten Hauptsatz der ->Thermodynamik, demzufolge Masse und -»Energie in einem abgeschlossenen System konstant sind. Wird der Betrieb als abgeschlossenes System aufgefaßt, müssen sich Input und Output von Stoffen und Energien bei stationärer Sicht entsprechen. Eine Bilanz, die auf der Inputseite diejenigen Stoffe und Energien erfaßt, die in einer Periode in die Produktionsprozesse eingehen, und auf der Outputseite alle Produktoutputs und Emissionen aufführt, die im gleichen Zeitraum entstehen, ist aus thermodynamischer Sicht stets ausgeglichen. IOB folgen damit dem physikalischen Bilanzprinzip. Sie streben grundsätzlich eine vollständige Abbildung von Input und Output an. Das Prinzip der inhaltlichen Entsprechung von Input und Output gilt allerdings nur bei stationärer Sicht. Diese Entsprechung muß sich nicht ergeben, wenn der gesamte Input einer Periode und der gesamte Output des gleichen Zeitraums gegenübergestellt werden. Innerhalb dieses Zeitraums geht die IOB aus thermodynamischer Sicht nicht auf, wenn nicht der gesamte Input im gleichen Zeitraum zu Output geführt hat. Erfaßt das Unternehmen in der IOB nur marktfähige Produkte, nicht aber auch alle Formen von Halbfabrikaten, kann es zwischen Input und Output keine Entsprechung geben, weil der Input für die Halbfabrikate in der Bilanz erscheint, nicht aber der Output. IOB verstoßen daher i. d. R. in zeitlicher Hinsicht gegen die Voraussetzung der Geschlossenheit, wenn nicht auch die im Produktionsprozeß steckenden Güter erfaßt werden. Das Ausmaß dieses Verstoßes hängt von der Zeitdauer der Produktionsprozesse ab. Für Produktionen mit kurzen Durchlaufzeiten ergeben sich daraus kaum nennenswerte Verzerrungen, wohl aber bei Produktionen mit mehrjährigen Durchlaufzeiten. 4. Formen von Input-Output-Bilanzen IOB können nach dem Grad des Aggregationszustandes für unterschiedliche Bezugsobjekte aufgestellt werden. Sie können nach zeitlichen Aspekten und nach dem Grad der Vollständigkeit differenziert werden. Zudem können sie sich auf unterschiedliche Ferti150

Input-Output-Bilanzen gungstiefen beziehen. Nach dem Aggregationszustand kann zwischen Prozeß-, Produkt-, Betriebs- und Unternehmensbilanzen unterschieden werden. Aus volkswirtschaftlicher Sicht können IOB für Regionen oder ganze Volkswirtschaften aufgestellt werden. Prozeßbezogene IOB stellen den In- und Output für bestimmte Produktionsschritte von Produkten dar. Werden alle Prozesse zusammengefaßt, die sich auf ein Produkt beziehen, entsteht eine produktbezogene IOB. Bei einer betriebsbezogenen IOB wird der In- und Output aller Produkte aggregiert, die in einer Betriebsstätte gefertigt werden usw. Aus prozeß- und produktbezogenen IOB lassen sich noch sinnvoll Kennziffern ableiten, weil sich Input und Output direkt aufeinander beziehen. Der Bezug zwischen Input und Output geht allerdings mit zunehmender Aggregation der Daten verloren. Produktbezogene IOB können nach der erfaßten Wertschöpfungstiefe unterschieden werden. Es können einzelne Stufen der Wertschöpfung ohne die Wirkungen in vorund nachgelagerten Stufen dargestellt werden. Es kann aber auch versucht werden, die ganze Kette von der Urproduktion bis zur -»Entsorgung (cradle to grave-Ansatz) abzubilden. Formal kann in diesem Ansatz eine Kern- von einer Komplementärbilanz unterschieden werden. Die Kernbilanz erfaßt die Wirkungen in einer bestimmten Produktionsstufe z. B. der Automontage, während die ökologischen Wirkungen in vor- und nachgelagerten Stufen in der Komplementärbilanz abgebildet werden. Ein stufenübergreifender Ansatz ist mit zwei Problemen verbunden. Entstehen aus dem -»Recycling von Altprodukten Sekundärstoffe, ist das entlastend beim Input zu berücksichtigen, wenn die Umweltwirkungen korrekt beurteilt werden sollen. Bei einer Kaskade von Wiederverwendungen ist der Entlastungseffekt aber schwer einzuschätzen. Ein zweites Problem entsteht, wenn in einzelnen Stufen Kuppelproduktion vorliegt. Bei der Produktion von Eisen fällt bspw. neben Eisen verwendbare Schlacke an. Es läßt sich dann keine logisch begründbare Aufteilung der mit der Eisenproduktion

Input-Output-Bllanzen

Input-Output-Bilanzen verbundenen Emissionen auf die beiden Produkte Schlacke und Eisen angeben. Hier liegt die gleiche Problemstruktur vor wie bei der „verursachungsgerechten" Verteilung von Gemeinkosten in der Kostenrechnung. Beide Probleme sind grundsätzlich logisch unlösbar. Damit aber läßt sich für ein Auto nicht begründen, mit welcher ökologischen Belastung dieses Produkt in allen Wertschöpfungsstufen zusammen verbunden ist. Jeder Ausweis einer bestimmten Belastung ist reine Willkür.

zu erzielen sind. IOB können nicht transparent machen, wie Input und Output auf veränderte Produktionsmengen reagieren oder welcher Einfluß von veränderten Parametern zur Prozeßführung (z. B. Temperaturführung in Verbrennungsprozessen) ausgeht. Die ermittelten Kennziffern sind lediglich Durchschnittswerte. Für eine ökologische Steuerung wären aber Veränderungswerte erforderlich. Die IOB müßten für diesen Zweck zu einer ökologischen Produktionstheorie erweitert werden. Für die Erklärung des Zusammenhanges zwischen gewolltem Output und dem Input kann dazu auf die betriebswirtschaftliche Produktionstheorie zurückgegriffen werden. Zudem müßten die Emissionen als Funktionen der Variablen der Prozesse (Menge, Leistung, Prozeßparameter) erklärt werden. Abzuleiten sind daher Produktionskoeffizienten - Input j e Mengeneinheit, Emissionen j e Outputeinheit - als Funktion der Variablen. Es müßte folglich gezeigt werden, zu welchen Emissionen es pro Mengeneinheit kommt, wenn ein Produktionsprozeß mit bestimmter Leistung gefahren wird. Sind die Wirkungszusammenhänge bekannt, ist zu erkennen, welcher Faktorverbrauch und welche Emissionen fix sind - also von der Betriebsbereitschaft abhängen - und welche auf das Volumen der Produktionsprozesse zurückgehen (variable Wirkungen). Ökologische Wirkungen sind dabei i. d. R. nicht streng funktional, sie enthalten meistens eine Zufallskomponente. Beispielsweise ist einer bestimmten Produktionsmenge und Leistung kein eindeutiger Wert einer Emission zuzuordnen, weil die Produktionsprozesse technisch nicht voll beherrscht werden. Es gibt daher Streuungen um die zu bestimmenden Mittelwerte der Produktionskoeffizienten.

Eine weitere Differenzierung bezieht sich auf die Vollständigkeit der erfaßten Wirkungen. Da erhebliche Messungsprobleme bei der Erfassung von Emissionen - z. B. -»Abwärme über Wände und Decken - bestehen und andererseits bestimmte Formen von gewolltem oder ungewolltem Output umweltpolitisch weitgehend unbedenklich sind, können IOB auf die umweltpolitisch bedenklichen Input- und Outputgrößen beschränkt sein. IOB bilden den kumulierten Input und Output eines bestimmten Zeitraums ab, sie geben aber keine Informationen über deren zeitliche Struktur. Insgesamt über ein Jahr gesehen können dann bestimmte Emissionen unter den -»Grenzwerten liegen, dennoch kann es in bestimmten Zeiträumen zu bedenklichen Spitzenwerten kommen. Um derartige Erscheinungen in den Griff zu bekommen, muß versucht werden, den Zeitablauf mit in die Abbildung der Umweltwirkungen zu integrieren. Abzuleiten sind dann Input- und Outputfunktionen der Zeit. Eine einfache IOB kann diese Aufgabe grundsätzlich nicht bewältigen. 5. Probleme von Input-Output-Bilanzen IOB sind mit vier generellen Problembereichen verbunden, die bei allen Darstellungsformen von Input- und Output gelten: 1.

Die IOB bildet die Wirkungszusammenhänge zwischen Input und Output nicht ab. Damit kann sie kein Instrument zur ökologischen Gestaltung der innerbetrieblichen Prozesse sein. Es bleibt unklar, durch welche innerbetrieblichen Maßnahmen positive ökologische Wirkungen auf Input und Output

2.

IOB gehen davon aus, daß umweltrelevante Wirkungen nur durch den Input und Output von Produktionsprozessen i. w. S. entstehen. Dieser Ansatz berücksichtigt nicht, daß auch mit Be151

Input-Output-Bilanzen

ständen ein Umweltverbrauch verbunden sein kann. Hierbei kann es sich um Bestände an Inputfaktoren (Grundstükke, Gebäude, Rohstoffe) aber auch an Output (Halbfabrikate, Lagerbestände ungewollten Outputs) handeln. Bestände sind in zweifacher Hinsicht ökologisch relevant: Zum einen sind Betriebsflächen (bebaut, versiegelt oder unversiegelt) als Umweltverbrauch aufzufassen, andererseits können Lagerbestände an gefährlichen Inputfaktoren oder eingelagerten ->Reststoffen ein Gefährdungspotential für die -»Umwelt darstellen. Diese Belastungen bzw. Gefährdungen erscheinen in einer allein auf Flußgrößen aufgebauten IOB nicht. Aus diesem Grunde wird in der Praxis auch häufiger vom reinen Flußprinzip abgewichen und es werden ergänzend Bestandsgrößen in die IOB integriert, um einen vollständigen Überblick über die mit den wirtschaftlichen Aktivitäten verbundenen Belastungen und Risiken zu haben. 3.

4.

152

Der erste Hauptsatz der Thermodynamik gilt nur für geschlossene Systeme. Ein Produktionsbetrieb ist aber niemals geschlossen, da Austauschbeziehungen zu Umsystemen (Natur, Märkte) unterhalten werden. Die Geschlossenheit kann daher nur meßtechnisch simuliert werden, indem alle Stoff- und Energieströme, die in den Betrieb hinein- und aus ihm herausfließen, erfaßt und gegenübergestellt werden. Meßtechnische Probleme führen aber dazu, daß nicht jede Form von Austauschbeziehungen erfaßt werden kann. Beispielsweise lassen sich der Luftverbrauch, der Wärmeverlust durch Wände oder die Emissionen durch Maschinen gar nicht oder nur sehr unvollkommen bestimmen. Damit aber stellt sich für eine IOB stets die Frage nach der Vollständigkeit bzw. der Ausgeglichenheit der Bilanz. Um das Gefährdungspotential durch Input und Output beurteilen zu können, müßten in einer IOB eigentlich die ausgetauschten Mengen chemischer Grundstoffe oder Verbindungen erfaßt

Input-Output-Bilanzen

werden. Dazu aber wäre es nötig, die Zusammensetzung der eingesetzten oder auch im Recycling zurückgewonnenen Stoffe zu kennen. Der erreichbare Informationsstand über die Beschaffenheit der Stoffe reicht für die Art der Bilanzierung aber meistens nicht aus. Ersatzweise wird dann im Input nur die Menge der verbrauchten oder im Recycling zurückgewonnenen Rohstoffmengen erfaßt, ohne deren Spezifikation zu nennen. Als Folge dieser datentechnischen Unzulänglichkeiten spiegelt eine IOB das von den wirtschaftlichen Aktivitäten ausgehende Gefährdungspotential der Umwelt nur sehr unzulänglich wider. Die skizzierten Informationsdefizite können durch bewußte Geheimhaltung von Rezepturen begründet sein; viel häufiger ist aber die Unkenntnis über die Zusammensetzung der Stoffe - bzw. Recyclate - für die Informationsdefizite verantwortlich. Den Informationsmängeln kann nur durch Deklaration der Inhaltsstoffe oder Komponenten entgegengewirkt werden. Die geschilderten Problembereiche zeigen, daß es sich bei einer IOB um ein sehr unvollkommenes, in mehrfacher Hinsicht verbesserungsbedürftiges Instrument des Öko-Controlling handelt. Weiterführende Literatur: Braunschweig, A.l Müller-Wenk, R.: Ökobilanzen für Unternehmungen. Eine Wegleitung für die Praxis, Bern/Stuttgart/Wien 1993; Böning, J. Ar. Methoden betrieblicher ökobilanzierung, Marburg 1994; Hailay, H. (Hrsg.): Die Ökobilanz. Ein betriebliches Informationssystem, Schriftenreihe des IÖW, 27/89, Berlin 1990; Hopfenbeck, WJ Jasch, C.: Öko-Controlling. Umdenken zahlt sich aus, Landsberg a. Lech 1993; Schmidt, MJ Schorb, A:. Stoffstromanalysen in Ökobilanzen und Öko-Audits, Berlin et al. 1995; Schellhorn, M.: Umweltrechnungslegung, Wiesbaden 1995; Umweltbundesamt (Hrsg.): Ökobilanzen für Produkte. Bedeutung. Sachstand. Perspektiven, Berlin 1992. Prof. Dr. D. Adam

Instrumente, im Umweltschutz

Instrumente, betriebswirtschaftliche und deren Anwendung im Umweltschutz 1. Voraussetzungen Die Auswahl und Nutzung von betriebswirtschaftlichen Instrumenten im -»Umweltschutz hängt von der (normativ von der —»Unternehmensführung festgelegten) Grundhaltung des Unternehmens ab. Empirische Untersuchungen zeigen immer wieder, daß die betriebswirtschaftlichen Instrumente des Umweltmanagements nur dann genutzt und angewandt werden, wenn das Unternehmen sich proaktiv mit Umweltfragen auseinandersetzt. Selbst bei gleichen Marktund regulatorischen Bedingungen gibt es hier zwischen Unternehmen weitreichende Unterschiede. Die im Umweltschutz angewandten Instrumente unterscheiden sich nicht grundlegend von anderen betriebswirtschaftlichen Instrumenten. Sie sollen dazu dienen, Unternehmen unter sich wandelnden Markt- und Rahmenbedingungen erfolgreich überleben zu lassen. Allerdings gibt es Spezifika, die ein besonderes Design erforderlich machen: •



Zum einen sind viele ökologische —»Informationen nicht monetär und müssen daher für die Steuerung von Untemehmensprozessen „übersetzt" werden, damit ihre Relevanz vom Management erkannt wird (z. B. Stoffstromflüsse); Zum anderen stammt der überwiegende Teil der Informationen nicht aus Marktprozessen, sondern aus dem politisch/regulatorischen Bereich oder von gesellschaftlichen -»Anspruchsgruppen. Denn Unternehmen werden Umweltkriterien nur insoweit berücksichtigen, wie es ihren erwerbswirtschaftlichen Zielen entspricht; die „-»Intemalisierung externer Effekte" muß durch einen „außenstehenden", marktextemen Dritten (in der Regel der Staat) vorgenommen werden.

Aus dieser Komplementärfunktion des Umweltschutzes ergibt sich die Notwendigkeit, die Instrumente für das -»Umweltmanagement so auszuwählen, daß sie zu den „normalen" Managementsystemen und -prozessen passen. Nur diese Instrumente werden hier behandelt, nicht solche Instrumente, die

Instrumente, im Umweltschutz

vorwiegend ökologische Wirkungen erfassen (z. B. Öko-Bilanz, LCA). 2. Umweltanalyse Unternehmensrelevante Signale, die sich auf den Umweltschutz beziehen, werden nur zum kleinen Teil aus dem Markt übermittelt. Hierbei handelt es sich um Fälle in denen Umweltschutz „individualisierbar" ist, d. h. Kosten oder Risiken und Nutzen direkt beim Kunden anfallen (-»Energieeinsparung oder rückstandsfreie Lebensmittel sind zwei bekannte Beispiele). Relevanter sind Trends im politisch/regulatorischen Bereich, weil durch neue gesetzliche Bestimmungen die —»Wirtschaftlichkeit von Investitionen, Produktionsprozessen oder Produkten nachhaltig beeinflusst werden. Darüber hinaus sind gesellschaftliche Diskussionen bedeutsam, da sie langfristige Konsumtrends prägen können (z. B. Trend zu kleineren und sparsameren Autos durch die ökologische Kritik). Um diese Trends frühzeitig zu erkennen, reicht die traditionelle Marktforschung nicht aus. Vielmehr ist es notwendig, „schwache Signale" aufzufangen, die frühzeitig auf neu auftauchende Probleme aufmerksam machen. Instrumente für diese Erkennung sind die Diffusionskurve, die Cross-Impact-Analyse und die Szenarioanalyse. Die Diffusionskurve beruht auf „typischen" Mustern der Verbreitung und Handlungsrelevanz von Informationen. In der -»Ökologie tauchen sie zuerst in der Wissenschaft als neue Erkenntnis auf (etwa Umweltwirkungen von Chemikalien), werden dann von der Umweltbewegung aufgegriffen und zwingen die Fachpolitik zur Auseinandersetzung mit dem Thema. Falls es von allgemeinerem Interesse ist, wird es von den Medien aufgegriffen und zu einem generellen politischen Thema mit Handlungsdruck für die Regierung. Die Cross-Impact-Analyse versucht, mit Hilfe eines -»Brainstorming-Verfahrens die künftigen (ökologischen) Einflußfaktoren auf das Unternehmen und deren vermuteten Auswirkungen herauszuarbeiten. Dabei können sich oft gerade dort, wo widersprüchliche, unklare oder ungewisse Einschätzungen bestehen, Trendbrüche und neue 153

Instrumente, im Umweltschutz Entwicklungen verbergen. Voraussetzung bei der Anwendung dieses relativ einfachen Verfahrens ist, daß die unterschiedlichsten Meinungen auch alle geäußert werden und kein Konsensdruck herrscht. Am bekanntesten, aber in der Anwendung am aufwendigsten, ist die Szenario-Technik. In Szenarien werden verschiedene, in sich plausible „Zukünfte" entwickelt, die auf unterschiedlichen Ausprägungen mehrerer Faktoren basieren. Es kann dann abgeschätzt werden, wie das Unternehmen für die einzelnen „Zukünfte" gerüstet ist bzw. welche Optionen bestehen, um auch im ungünstigsten Fall (aus Sicht des Unternehmens) zu überleben. Alle Instrumente sehen voraus, daß kreativ, offen und unkonventionell gedacht wird und nicht vorschnell Ideen abgeblockt oder als unerwünscht abgetan werden. 3. Strategieentwicklung im Umweltschutz Die Strategie wird aufgrund der Umfeldbedingungen und der normativen Zielsetzung des Unternehmens entwickelt. Das bekannteste Instrument ist die Portfolio-Analyse. Die Grundidee der Portfolio-Analyse besteht darin, daß in einer Matrix einerseits die Ausprägungen eines externen Zukunftsmerkmals (z. B. Marktpotential durch Umweltschutz), andererseits die Ausprägungen eines internen Gegenwartsfaktors (z. B. Risikoexponierung) eingetragen werden. Je nachdem wie viel Merkmalsausprägungen differenziert werden (z. B. nur zwei: hoch/niedrig, oder drei: hoch/mittel/niedrig), ergibt sich in der Matrix eine bestimmte Anzahl Felder (bei je zwei Ausprägungen sind es vier Felder, bei je drei Ausprägungen neun Felder usw.). Diese Felder können zur Klassifizierung von Strategien und der Positionierung des Unternehmens (oder der Unternehmensteile) benutzt werden. Dieses Instrument kann auch problemlos auf die Umweltstrategie angewandt werden. Da die Portfolio-Analyse weit verbreitet ist, kann so sichergestellt werden, daß die Gesamtstrategie des Unternehmens (oder eines Teiles) und die Umweltstrategie nach dem gleichen „Raster" erstellt und so auf Kompatibilität rasch abgeschätzt werden können. Die sich ergebenden Grundstrategien (z. B. 154

Instrumente, im Umweltschutz „marktorientiert proaktiv" oder auch „interner Effizienzgewinn ausschöpfen") werden durch Maßnahmenprogramme umgesetzt. 4. Controlling Die primäre Aufgabe des Controlling besteht in der effektiven Informationsversorgung und der rechtzeitigen Feststellung und Analyse von Soll-Ist-Abweichungen. Im Umweltschutz besonders relevant ist die sichere Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen, die klare Festlegung von Verantwortlichkeiten und Berichtspflichten (auch bei Störfällen) und die Erforschung von „Umweltkosten" (siehe dazu Abschnitt 5). Bewährt haben sich regelmäßige Audits, die von Sachverständigen aus anderen Teilen des Unternehmens durchgeführt werden (ggf. unterstützt von Externen). Audits prüfen sowohl die Verfahren als auch die Ergebnisse. Ihre Aufgabe ist es aber nicht nur, Abweichungen von gesetzlichen oder unternehmensbezogenen Standards zu ermitteln, sondern auch (und im gut gemanagten Unternehmen gerade) zusätzliche Verbesserungspotentiale aufzuzeigen (etwa Kosteneinsparung durch - > Abfallvermeidung). Zunehmend werden die internen Organisationsregelungen mit Zielfestlegungen sowie ihre Überprüfungen in —>Umweltmanagementsystemen systematisiert und transparent gemacht. Neben industriespezifischen Standards (z. B. Responsible Care in der Chemischen Industrie) wurde dazu auch ein ISOStandard entwickelt, nämlich die -»ISO 14000er Serie, die alle umweltbezogenen Normierungen enthält: die ISO 14001 für Umweltmanagementsysteme, die ISO 14010 - 12 für Auditierungen etc.; die Entwicklung ist dabei noch nicht abgeschlossen. Innerhalb der Europäischen Union existiert ein Umweltmanagementund Auditsystem (->EMAS), das als Besonderheit eine von unabhängigen Gutachtern validierte - » U m welterklärung aufweist und in eine EUVerordnung gefaßt ist. Die Teilnahme ist jedoch freiwillig. 5. Kostenrechnung Ansätze, eine besondere „Umweltkostenrechnung" aufzustellen, haben sich bislang

Instrumente, im Umweltschutz

nicht bewährt. Einmal scheiterten sie an der Frage, was denn eigentlich Umweltkosten seien, zum anderen wurden sie umso irrelevanter, je mehr die Unternehmen den Umweltschutz in die Produkte und Produktionsprozesse integrierten. Nur bei nachgeschalteten Reinigungsanlagen lassen sich „Umweltschutz-Kosten" halbwegs genau erfassen. Zwei andere Kostenrechnungsinstrumente sind jedoch für den Umweltschutz in Unternehmen wichtig: 1. 2.

die Prozeßkostenrechnung und die Lebenszykluskostenrechnung.

Typisch für den Umweltschutz ist, daß er oft über die ganze (Wertschöpfungs-) Kette geht, Kosten und Erträge aber an unterschiedlichen Punkten anfallen (typisches Beispiel: Mehrweggetränkeverpackungen, wo der Abfüller niedrigere, der Handel höhere Kosten hat). Als erster Schritt ist durch eine Prozeßkostenrechnung Transparenz darüber zu schaffen, ob die Gesamtkosten der umweltorientierten Prozesse gegenüber dem konventionellen Prozeß (hier z. B. -»Einweggegen Mehrwegverpackung) niedriger sind und wie sich dann die Kosten in den einzelnen Schritten des Prozesses verändern, wenn eine Prozeßumstellung erfolgt. Dazu können die etablierten Methoden der Prozeßkostenrechnung angewandt werden, sie ersetzen jedoch nicht die oft schwierigen Verhandlungen über die Aufteilung der Kosteneinsparung. Eine zweite Variante einer umweltbezogenen Kostenrechnung ist die Lebenszykluskostenrechnung (life cycle costing - LCC), die alle Kosten der Herstellung, des Gebrauchs und der -»Entsorgung umfaßt. Ihre Anwendung erfolgt in der Regel bei langfristigen Kapitalgütern (sowohl für den Haushalt als auch in Unternehmen). Typischerweise entstehen bei umweltfreundlichen Gütern im Herstellungsprozeß höhere Aufwendungen, etwa durch eine „demontage-freundliche" Konstruktion oder durch einen zusätzlichen Kapitaleinsatz, der zu geringeren Energieverbräuchen führt. Durch geringere Betriebsund Entsorgungskosten kann dieser anfängli-

Instrumente, im Umweltschutz

che Mehraufwand hochprofitabel sein. Es muß jedoch über eine LCC nachgewiesen werden, daß die Gesamtkosten über den (Produkt-) Lebenszyklus niedriger sind, um diesen anfänglichen Mehraufwand betriebswirtschaftlich zu rechtfertigen. 6. Risikomanagement Viele Umweltwirkungen von wirtschaftlichen Prozessen sind hinsichtlich ihrer ökonomischen Konsequenzen und ihres zeitlichen Eintrittes höchst unsicher, weil sowohl die wissenschaftliche Erkenntnis als auch die politische Akzeptanz von Umweltbeeinträchtigungen sich verändern. Für die Analyse der damit verbundenen Probleme lassen sich auch die Instrumente des —»Risikomanagements anwenden. Vor allem ist die Regel zu beachten, daß bei Entscheidungen unter Unsicherheit die Risikoaversion eine rationale Haltung ist. Daraus ergibt sich eine Präferenz für Instrumente und Maßnahmen der Risikovermeidung oder -Verminderung (z. B. Substitution von Gefahrstoffen). Die Überwälzung von Risiken ist dann angebracht, wenn die Umweltrisiken außerhalb des Unternehmensbereiches entstehen (z. B. beim Lieferanten) und die Risikokosten am Ort der Entstehung anfallen, womit ein Anreiz zur Risikovermeidung oder Verminderung geschaffen wird. Das Instrument der Versicherung gegen —»Umweltschäden hat an Bedeutung gewonnen, seitdem die (europäische) Gesetzgebung und Rechtssprechung die verschuldensunabhängige -»Gefährdungshaftung für Schäden etabliert, die von Unternehmen verursacht werden. Ferner werden zunehmend umfangreiche -»Risikoanalysen (gerade für mögliche Störfälle) als Genehmigungsvoraussetzungen verlangt. 7. Fazit Wie schon einleitend konstatiert, zeigt diese Auswahl, daß sich nahezu alle betriebswirtschaftlichen Instrumente auch auf unternehmensbezogene Umweltschutzfragen anwenden oder so modifizieren lassen, daß Umweltschutzkriterien in den Informations- und Entscheidungskalkülen mitberücksichtigt werden können. Der Engpaß liegt nicht in den Instrumenten, sondern in den Rahmenbedingungen (einschließlich des —»Konsu 155

Instrumente, umweltpolitische mentenverhaltens). Gegenwärtig bestehen nur geringe Anreize und wenig Druck, diese Instrumente auch auf Fragen des Umweltschutzes anwenden zu müssen. Prof. Dr. U. Steger

Instrumente, umweltpolitische -»Umweltpolitik

Interessengruppen - » Anspruchsgruppen

Internalisierung Methodischer Ansatz der Allokationstheorie zur Einbeziehung -»externer Effekte in das Individualkalkül von Haushalten und Unternehmungen gemäß dem -»Verursacherprinzip. Ziel ist die pareto-optimale —»Allokation. Internalisierung kann bspw. mittels der -»Pigou-Steuer oder durch Verhandlungen (—»Coase-Theorem) erfolgen.

Investitionsplanung und -kontrolle, umweltschutzbezogene 1. Gegenstand und Aufgabe der umweltschutzbezogenen Investitionsplanung und -kontrolle Investitionsentscheidungen determinieren die unternehmerischen Aktionsmöglichkeiten i. d. R. in erheblichem Umfang und sind oft nur unter der Hinnahme von Ergebnisverschlechterungen revidierbar. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Investitionsplanung als eigenständiger Teilbereich der Unternehmensgesamtplanung, deren wesentliche Aufgabe in der Ermittlung des Investitionsbedarfs und der Investitionsalternativen sowie der Bestimmung von Informationen sowohl über die monetären als auch nichtmonetären Wirkungen der potentiellen Investitionen besteht, um diese auf ihre Zielwirksamkeit hin beurteilen zu können. Die zunehmende Belastung der ökologischen -»Umwelt als Folge wirtschaftlichen Handelns, der gesellschaftliche Wertewandel und eine wachsende Sensibilisierung der Öffentlichkeit sowie eine tendenzielle Verschärfung des Umweltrechts sind interdependente 156

Inverstitionsplanung und -kontrolle Faktoren, die eine umfassende Berücksichtigung ökologischer Aspekte im Investitionsplanungsprozeß erfordern. Der daraus resultierende erhöhte Planungsaufwand erfordert eine spezifische umweltschutzbezogene Investitionsplanung, die sich nicht nur auf die Planung sogenannter „Umweltschutzinvestitionen" - verstanden als Investitionen bei denen der -»Umweltschutz als Ziel bzw. Wirkung eine dominierende Rolle spielt bezieht, sondern, da praktisch von allen Investitionen umweltrelevante Wirkungen ausgehen, auf sämtliche Investitionen. Investitionskontrollen sind als Ergänzung der Investitionsplanung zu betrachten, die sowohl das Ergebnis der realisierten Investitionsvorhaben inkl. der zugrundeliegenden Prämissen und Einzeldaten der Handlungsaltemativen als auch in Form verfahrensorientierter Kontrollen den Vergleich zwischen tatsächlich angewandten und vorgeschriebenen Investitionsplanungsprozessen sowie die Überwachung der unternehmensinternen und -externen Bestimmungsfaktoren des Investitionsentscheidungsprozeßes betreffen können. 2. Umweltschutzbezogene Investitionsplanung im unternehmerischen Investitionsprozeß Die umweltschutzbezogene Investitionsplanung setzt sich aus den drei ineinandergreifenden, sich gegenseitig ergänzenden Teilplanungen der langfristigen Investitionsplanung, der jährlichen Investitionsbudgetierung und der Investitionsprojektplanung zusammen. Aufgabe der langfristigen Investitionsplanung ist es, für einen längerfristigen Planungszeitraum (i. d. R. fünf oder mehr Jahre) den gesamten erwarteten Investitionsbedarf des Unternehmens abzuschätzen und mit den übrigen Planungsbereichen des Unternehmens, wie insb. der Finanz- und Produktionsplanung, abzustimmen. Sie definiert damit die Rahmenbedingungen für die kurzfristige Investitionsbudgetierung. Diese erfaßt die für das zu budgetierende Jahr zur Realisierung vorgesehenen Investitionsprojekte und stimmt deren Finanzbedarf mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln ab. Sie unterscheidet sich von der lang

Investitionsplanung und -kontrolle fristigen Investitionsplanung insb. durch ihren höheren Detailierungs- und Verbindlichkeitsgrad und dient der Umsetzung der umweltschutzbezogenen Unternehmenspolitik in konkrete Maßnahmen. Aufgabe der Investitionsprojektplanung ist es, die fiir die Detailbewertung und zieloptimale Auswahl der Investitionsaltemativen notwendigen Informationen zu ermitteln und auszuwerten. Die Investitionsplanung umfaßt somit sowohl die ein- oder mehijährige Investitionsgesamtplanung als auch die Planung der einzelnen Investitionsprojekte selbst. Sie ist ein dynamischer Vorgang, der sich idealtypisch in mehrere, durch Rückkopplungen verbundene Phasen unterteilen läßt: •





Problemstellungsphase: Das grundlegende Investitionsmotiv besteht in der Ausnutzung von Chancen und Abwendung von Risiken in reaktiver und antizipativer Anpassung an Änderungen der Unternehmensumwelt. Voraussetzungen für die Anregung von Investitionen in der Problemstellungsphase sind die Analyse der Ausgangssituation in den einzelnen Unternehmensbereichen einerseits sowie eine Prognose der zukünftig zu erwartenden Situation andererseits. Erst die Gegenüberstellung mit den verfolgten Zielsetzungen ermöglicht es, Investitionsnotwendigkeiten zu erkennen und das Ausmaß des Investitionsproblems festzustellen. Suchphase: Für die gegebene Problemstellung werden Lösungsalternativen gesammelt und inhaltlich konkretisiert. Bereits in dieser Phase sollten Investitionsalternativen aussortiert werden, die den gesetzten technischen, rechtlichen oder zeitlichen Anforderungen nicht entsprechen oder bereits ersten Überlegungen zufolge keinen ausreichenden ökologischen oder ökonomischen Zielbeitrag erzielen. Beurteilungsphase: Sie dient der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung. Es wird diejenige Investitionsaltemative bestimmt, die

Inverstitionsplanung und -kontrolle die höchste Zielwirksamkeit verspricht. Zu diesem Zweck werden die relevanten Investitionsalternativen anhand ihrer quantitativen und ggf. qualitativen (nicht-monetären) Zielbeiträge bewertet. Das Ergebnis der Bewertung besteht in der Aufstellung einer Rangordnung der Investitionsprojekte. •

Entscheidungsphase: Mit der Ermittlung einer Rangordnung wird auf Basis der zugrunde gelegten Bewertungskriterien die zieloptimale Alternative im Sinne einer Entscheidungsempfehlung festgelegt. Alle positiv entschiedenen Projekte bilden zusammen in Abhängigkeit von dem zur Verfügung stehenden Investitionsbudget das Investitionsprogramm für die jeweilige Planungsperiode.

Als Teilbereich der Unternehmensgesamtplanung weist die Investitionsplanung vielfältige Interdependenzen zu anderen betrieblichen Planungsbereichen, wie insb. zur Finanzierungsplanung, aber zusätzlich auch zur Produktions-, Beschaffungs- und Absatzplanung sowie zusätzlich zwischen einzelnen (isolierten oder sich gegenseitig ergänzenden) Investitionsprojekten selbst auf. Die betriebswirtschaftliche Theorie hat Ansätze entwickelt, diese Wechselwirkungen im Rahmen einer simultanen Planung der Unternehmensteilbereiche zu berücksichtigen. Allerdings scheitert der praktische Einsatz solcher Modelle bislang aufgrund ihres hohen Datenbedarfs und ihrer Komplexität. In der Praxis wird deshalb eine sukzessive Planung anhand von Einzelplänen vorgenommen, und in einem iterativen Prozeß die Optimierung eines koordinierenden Unternehmensgesamtplans angestrebt. 3. Instrumente der umweltschutzbezogenen Investitionsplanung Für die einzelnen Phasen des Investitionsplanungsprozeßes sind in der Literatur spezifische - I n s t r u m e n t e entwickelt worden. Dabei stehen neben speziellen Planungstechniken für die Problemstellungsund Suchphase, wie z. B. der umweltschutzbezogenen Früherkennung, Szenariotechniken, Gap-Analysen, Kreativitätstechniken, 157

Investitionsplanung und -kontrolle sowie Methoden der Investitionskontrolle die Investitionsrechnungen als Instrumente für die (ökonomische) Beurteilung der Investitionsprojekte im Vordergrund der diskutierten investitionsspezifischen Planungsansätze. Investitionsrechnungen sind ein methodisches Hilfsmittel zur Analyse der erwarteten monetären Zielbeiträge, wie z. B. prognostizierte Ein- und Auszahlungen, ggf. unter Berücksichtigung unsicherer (mehrwertiger) Erwartungen und sollen dem Entscheidungsträger eine transparente, d. h. begründbare und nachvollziehbare Entscheidungsgrundlage liefern. Die Verfahren der Investitionsrechnung können in Abhängigkeit davon, ob sie den zeitlichen Anfall der erwarteten Einund Auszahlungen berücksichtigen, in statische und dynamische Verfahren unterschieden werden. Im Gegensatz zu den auf (periodisierten) Kosten und Erträgen beruhenden statischen Verfahren, gehen die dynamischen Investitionsrechnungen von den (erwarteten) Einzahlungen und Auszahlungen aus, die durch das Investitionsprojekt während der gesamten (erwarteten) Nutzungsdauer verursacht werden. Dabei wird durch die Anwendung der Zinseszinsrechnung die zeitliche Struktur der Zahlungen berücksichtigt, indem die Zahlungsgrößen durch Ab- oder Aufzinsen auf einen bestimmten Bezugszeitpunkt vergleichbar gemacht werden. Die dynamischen Verfahren verlangen ein "Durchdenken" der Investitionsalternativen über die gesamte erwartete Nutzungsdauer hinweg und sind daher nicht nur aus finanzmathematischen (kapitaltheoretischen) Gesichtspunkten, sondern auch unter dem Aspekt der Entscheidungstransparenz den statischen Verfahren konzeptionell überlegen. Auch lassen sich nur mit ihnen die zum Teil beträchtlichen finanziellen Auswirkungen der für solche Investitionen oftmals in Anspruch nehmbarer öffentlichen Finanzierungshilfen, wie z. B. zinsverbilligte Kredite im Rahmen der —»ERP-Umweltprogramme, die ggf. noch mit Investitionszuschüssen und/oder -Zulagen verbunden werden können, sowie die steuerlichen Wirkungen von Abschreibungsvergünstigungen erfassen. Auf der Basis von Projektfinanzplänen (vgl. A b b . l ) können diese in Abhängigkeit von den für Investitionsentscheidungen operationalisierten, quantifizierten Untemehmenszielen (wie z. B. Gewinn-, Vermögen-, 158

Inverstitionsplanung und -kontrolle Entnahmemaximierung) zu quantitativen Entscheidungskriterien (z. B. Kapitalwert, Annuität, Interner Zinsfuß, VermögensEndwert, periodische Entnahmemöglichkeiten) verdichtet werden. Für die Berücksichtigung ökologischer Aspekte bei Investitionsentscheidungen werden in der Literatur monetär sowie nichtmonetär integrierende Ansätze diskutiert. Zu den monetär integrierenden Ansätzen zählen z. B. die Vorschläge, Umweltwirkungen im Rahmen einer simultanen Produktions- und Investitionsplanung zu berücksichtigen. Dabei erfolgt eine Optimierung der üblichen Entscheidungskriterien der dynamischen Wirtschaftlichkeitsrechnung auf Basis eines linearen Programmierungsansatzes, in den umweltrelevante -»Emissionen als Nebenbedingungen eingehen. Die Kritik an diesen Modellen richtet sich insb. darauf, daß sie den Umweltschutz lediglich als die ökonomische Zielerreichung mindernde -»Restriktionen behandeln. Die ausschließliche Berücksichtigung finanziell negativer Wirkungen von Umweltschutzmaßnahmen wird einer umweltschutzorientierten -»Unternehmensführung jedoch nicht gerecht und verkennt, daß die Durchführung von Umweltschutzmaßnahmen zumindest längerfristig durchaus auch allein auf Basis finanzieller Zielgrößen rentabel sein kann. Eine weitere Einengung erfahren diese Modelle dadurch, daß die - zumindest im Rahmen einer offensiv - antizipativen (aktiven) umweltschutzorientierten Unternehmensstrategie - notwendige (möglichst) vollständige Erfassung und Beurteilung der Umweltwirkungen bereits vom Ansatz her nicht erfolgt: Die emissionsbezogene Sichtweise vernachlässigt zum einen die auch durch den Input bedingte Umweltinanspruchnahme; zum anderen muß bemängelt werden, daß aufgrund einer fehlenden, nach Umweltwirkungskategorien differenzierenden Beurteilung der Emissionen eine Berücksichtigung der von ihnen ausgehenden, vielfach nur qualitativ beschreibbaren Umweltwirkungen, allenfalls indirekt und für den Entscheidungsträger in nicht transparenter Weise erfolgt. Als problematisch erweist sich zudem, daß die Ansätze eine monetäre Bewertung der Emissionen erfordern, da die

Investitionsplanung und -kontrolle

Inverstitionsplanung und -kontrolle

bislang diskutierten Monetarisierungsansätze sehr umstritten sind und zumindest zur Zeit noch keine befriedigende Lösung des Bewertungsproblems bieten können. Darüber hinaus birgt eine Zusammenfassung der

unterschiedlichen Umweltwirkungen zu einer hochaggregierten, eindimensionalen Größe die Gefahr von Informationsverlusten und Intransparenz.

Projektfinanzplan Zeitpunkte

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

Daten Anschaffungsauszahlungen Finanzierung ERP-Umweltkredit Tilgung Zinsen Investitionszuschuß Erlöse Regenerierte Ätzlösung Kupfer Betriebliche Auszahlungen Personal Energie Hilfsstoffe (Chemikalien) Instandhaltung/W artung Entsorgung Sonstige Auszahlungen Zahlungsüberschüsse (vor Steuern) Gewerbeertragsteuer Körperschaftsteuer Solidaritätszuschlag ZahlungsüberschQsse (nach Steuern) Kapitalwert Interner Zinsfuß Annuität Amortisationsdauer [Jahre] Abb. 1: Schema eines Projektfinanzplans für die umweltschutzbezogene Investitionsplanung

Die nicht-monetär integrierende Investitionsplanungs- und -kontrollrechnung versucht deshalb, wie Abb. 2 zeigt, eine ganzheitliche Beurteilung der Investitionsprojekte durch eine zunächst getrennte Bewertung der ökonomischen und ökologischen Zielerrei-

chungsgrade sicherzustellen. Dabei wird die ökonomische Zielerreichung auf Basis projektbezogener Ein- und Auszahlungen anhand der bekannten Entscheidungskriterien der dynamischen Investitionsrechnung beurteilt.

159

Investitionsplanung und -kontrolle

Inverstitionsplanung und -kontrolle

Nicht-monetär integrierende Umweltschutzinvestitionsplanungs- u n d -kontrollrechnung

ö k o l o g i s c h e Zielgröße

ö k o n o m i s c h e Zielgrößen Z.B.:

Z. B.: Minimierung der Emissionen Ressourcenschonung Minimierung ökologischer Risiken

Projekterfolg Rentabilität/Liquidität Finanzielle Risiken/Chancen

I Bewertung der Zielerreichung mittels ökologischer Kennzahlen auf Basis projektbezogener S t o f f - und Energieflußrechnungen z. B.: Emissionskennzahlen Effizienzkennzahlen Ressourcen-Belastungs-Kennzahlenl

B e w e r t u n g der Zielerreichung mittels ökonomischer K e n n z a h l e n auf Basis dynamischer Investitionsrechnungen z.B.: Kapitalwert/interner Z i n s f u ß Amortisationsdauer Cash-Flow-Profil

Zielgewichtung und Ermittlung

Zielgewichtung und Ermittlung

Ökologische Wertigkeit

ö k o n o m i s c h e Wertigkeit

I

x Nutzwert-/Cash-Flow-Portfol io

- Ermittlung der zielentsprechenden Alternativen - G e w i c h t u n g der ökonomischen und ökologischen Wertigkeit u n d Z u s a m m e n f a s s u n g zu möglichen Entscheidungswerten

I < T

-

Entscheidungsempfehlung

Realisierung

ökonomische Plan-/Soll-(Ist-Daten

>

Systemintegrierte Kontrolle - Abweichungsanalysen - Planrevisionen - Anpassungsmaßnahmen


KennzahIen, mit denen sich auch im Rahmen der späteren Investitionskontrolle ggf. Hinweise auf Anpassungsnotwendigkeiten gewinnen lassen. Die wirkungsorientierte Beurteilung der Stoff- und Energieflüsse kann auf Basis naturwissenschaftlicher Erkenntnisse weitgehend objektiv erfolgen, während der Beitrag der einzelnen Wirkungsbereiche zur ökologischen Wertigkeit immer nur subjektiv

Investitionsplanung und -kontrolle

Inverstitionsplanung und -kontrolle

festgelegt werden kann. Anhaltspunkte für die Festlegung entsprechender Gewichte können dabei z. B. die gesellschaftliche Wertschätzung bzgl. umweltschutzbezogener Zielsetzungen sein.

Die einen Ausschnitt aus einem Zielsystem darstellende folgende Abbildung verdeutlicht die beschriebene Vorgehensweise:

Ökologische Wertigkeit

*0,2

I

* 0,3

Treibhauseffekt 790 g CO2 - Äquivalente •=• 48% der besten Alternative

Ressourcenbeanspruchung

'11

Kohlendioxid (CQ) 730 g

Kohlenmonoxid (CO) 19 g

Methan (CH.) 0,3 g

Abb. 3: Ausschnitt eines Zielsystems zur Bestimmung der ökologischen Wertigkeit

Von den relevanten Zielgrößen ist beispielhaft der Beitrag des —>Treibhauseffektes zur Gesamtzielerreichung dargestellt: Der Treibhauseffekt wird bestimmt durch eine Vielzahl klimarelevanter Gase, von denen im vorliegenden Fall Kohlendioxid, Kohlenmonoxid und Methan relevant sind. Aufgrund naturwissenschaftlicher Untersuchungen ist bekannt, das die einzelnen Gase einen unterschiedlichen Beitrag am Treibhauseffekt haben. Dies kann bei der Bewertung berücksichtigt werden, indem die Wirkungen auf eine Referenzgröße - hier Kohlendioxid normiert und entsprechend gewichtet werden. So ergibt sich bspw. für Kohlenmonoxid ein aufgrund seiner im Vergleich zum Kohlendioxid dreimal so starken Wirkung ein Gewichtungsfaktor von 3, mit dem die emittierte Menge multipliziert wird. Wird dieses Vorgehen für alle klimarelevanten Gase durchgeführt, ergibt sich die in C0 2 Äquivalenten ausgedrückte Wirkung auf den Treibhauseffekt. 4. Berücksichtigung der Unsicherheit Insbesondere bei strategisch ausgerichteten Umweltschutzmaßnahmen ist eine Ergän-

zung um eine ->Risiko-Chancen-Analyse, etwa auf Basis von Sensitivitätsanalysen und Simulationsrechnungen, erforderlich, um die sich aus der Unsicherheit der Planung ergebenden Risiken aber auch Chancen aufzuzeigen. In einer einfachen Variante der RisikoChancen-Beurteilung wird als Bandbreitenrechnung das jeweilige Entscheidungskriterium anhand weniger Umweltkonstellationen, wie z. B. der als wahrscheinlich, pessimistisch und optimistisch erachteten Zukunftsentwicklungen (normal, best, worst case), berechnet ("Drei-Werte-Methode") und so die Bandbreite der Zielkriterienausprägung aufgezeigt. Die Einschätzung der Vorteilhaftigkeit des Projektes muß der Entscheidungsträger in Abhängigkeit von seiner individuellen Risikoeinstellung treffen, wobei die Eintrittswahrscheinlichkeiten der zugrunde gelegten Annahmen sowie der Erfüllungsgrad der jeweiligen Zielgrößen die ausschlaggebenden Determinanten der Entscheidungsfindung darstellen. Das Risiko eines Projektes läßt sich weiterhin durch die Ermittlung der Empfindlichkeit (Sensitivität) des Entscheidungskriteriums in Bezug auf die Variation verschiedener Einflußgrößen 161

Investitionsplanung und -kontrolle beschreiben. Mit Hilfe von Sensitivitätsanalysen lassen sich kritische Werte bestimmen, die Auskunft darüber geben, wie weit eine Einflußgröße unter ceteris paribusBedingungen von ihrem ursprünglich geplanten Wert abweichen darf, ohne daß das Entscheidungskriterium einen vorgegebenen Wert über- bzw. unterschreitet. Solche Sensitivitätsbetrachtungen sind nicht nur auf die in die Investitionsrechnung eingehenden Einflußfaktoren (wie z. B. Ein- und Auszahlungen, Auslastungsgrade, Nutzungsdauer, Kalkulationszinsfuß) beschränkt werden, sondern auch für die das Ergebnis der Nutzwertanalyse bestimmenden (quantitativen) Einflußgrößen (wie z. B. Emissionen, -»Abwasser-, Abfallvolumen) durchgeführt werden. Risikosimulationen sind Verfahren, die die Wahrscheinlichkeitsverteilung des Entscheidungskriteriums auf Basis (subjektiver) Wahrscheinlichkeitsverteilungen der als unsicher erachteten Einflußgrößen ermitteln. Sie erlauben die Beschreibung komplexer Investitionsprojekte unter Beachtung einer großen Anzahl unsicherer Einflußgrößen mit unterschiedlichen funktionalen Zusammenhängen zwischen den Einflußgrößen untereinander sowie zwischen den Einflußgrößen und den Zielbeiträgen und vermitteln dem Entscheidungsträger Informationen über die Verteilung des Entscheidungskriteriums. Ein computergestütztes Verfahren der Risikosimulation stellt die Monte-Carlo-Simulation dar. Dabei wir für jede unsichere Einflußgröße durch eine vom Computer simulierte Zufallsauswahl eine Zahl ermittelt, die wiederum für eine bestimmte Ausprägung der Einflußgröße steht. Wenn für alle als unsicher erachteten Einflußgrößen eine Ausprägung bestimmt worden ist, wird auf Basis dieser Werte das Entscheidungskriterium (z. B. der Kapitalwert) berechnet und anschließend der nächste Simulationslauf gestartet. Dieses Vorgehen wird solange wiederholt, bis eine ausreichend stabile Häufigkeitsverteilung des Entscheidungskriteriums erreicht ist. Aus der Wahrscheinlichkeitsverteilung des Entscheidungskriteriums kann dann auf dem Wege der Kumulation ein Risiko-Chancen-Profil abgeleitet werden, aus dem unter anderem abzulesen ist, mit welcher Wahrscheinlichkeit das betrachtete 162

Inverstitionsplanung und -kontrolle Zielkriterium erreicht oder über- bzw. unterschritten wird. Die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Zielkriterien können ggf. zu („vereinwertigten") Präferenzwerten als Entscheidungskriterien (z. B. Kapitalerwartungswert als alleiniges Entscheidungskriterium bzw. Kapitalerwartungswert und Streuung als kombiniertes Entscheidungskriterium) verdichtet werden. 5.

Entscheidungsfindung unter Berücksichtigung ökologischer und ökonomischer Aspekte Für die Entscheidungsfindung müssen die ökonomischen und ökologischen Zielgrößen zusammengeführt werden. Hierzu kann das in der folgenden Abb. 4 gezeigte genutzt werden, das die ökonomische und ökologische Wertigkeit gegenüberstellt. Zusammengefaßte grafische Darstellung:

g

// f

///// /////

(

1 3 I ökologisc « •c

Mindestanforderung

4 0

0.5

• 1,0

Ökonomische Wertigkeit

Abb.4: Nutzwert-/CashFlow-Portfolio

Die ökologische Wertigkeit einer Alternative läßt sich dabei als das Verhältnis zwischen dem bei der Nutzwertanalyse ermittelten und dem (idealtypisch) maximal erreichbaren Nutzen bestimmen. Analog dazu steht die ökonomische Wertigkeit als Meßgröße für die finanzielle Zielerreichung. Von den in der Abb. 3 positionierten Investitionsaltemativen kann die Alternative C aus dem Entscheidungsfeld ausgeschlossen werden, da sie nicht den gesetzten ökologischen Mindestanforderungen genügt. Die Auswahl aus

Investitionsplanung und -kontrolle den zulässigen Alternativen A und B muß letztlich unter Vornahme einer subjektiven Zielgewichtung der ökologischen und ökonomischen Zielgrößen durch die Entscheidungsträger erfolgen. 6. Umweltschutzbezogene Investitionskontrolle Die Investitionskontrolle wird verstanden als permanenter, in den gesamten betrieblichen Investitionsprozeß integrierter, also prozeßabhängiger und systemimmanenter, regelungs- und steuerungswirksamer Überwachungsvorgang und bezieht sich auf die Phasen der Planung, Realisierung und Nachkontrolle (bzw. Nutzung) von Investitionsprojekten bzw. -Objekten. Ihre wesentlichen Funktionen sind in der Informations- und Verhaltensbeeinflussungsfunktion zu sehen. Die erstere beinhaltet die Bereitstellung von Informationen über die betriebliche Investitionstätigkeit und deren Zielbeiträge um eine nachträgliche Korrektur eingetretener bzw. eine Verhinderung künftiger Abweichungen durch reaktive bzw. antizipative Anpassungsmaßnahmen zu ermöglichen. Darüber hinaus kann sie Lernprozesse zur Verbesserung künftiger Investitionsplanungen auslösen. Die Verhaltensbeeinflussungsfunktion stellt auf die psychologischen Wirkungen der Investitionskontrollen auf die Mitarbeiter ab. Durch die Präventivwirkung soll eine sorgfältigere Prognose, Planung und Begründung der in die Bewertung der Handlungsalternativen eingehenden Prämissen und Einzeldaten sowie eine Verminderung der Manipulationsmöglichkeiten und -Wahrscheinlichkeiten bewirkt werden. Nach dem Kontrollobjekt lassen sich ergebnisorientierte und verfahrensorientierte Kontrollen unterscheiden. Letztere haben den Vergleich zwischen tatsächlich angewandten und vorgeschriebenen Planungsprozessen zum Gegenstand. Als Systemkontrollen stellen sie die Zielorientierung des umweltschutzbezogenen Investitionsplanungs-, -realisierungs- und -kontrollsystems sicher und decken UnWirtschaftlichkeiten durch laufende Überwachung der unternehmensinternen und -externen Bestimmungsfaktoren des Investitionsentscheidungsprozeßes auf. Sie tragen so zu Verbesserung der personellen und instrumentellen Effizienz der Ent-

Inverstltionsplanung und -kontrolle scheidungsfindung bei. Als Planinhaltskontrollen beziehen sie sich auf die Kontrolle der Einhaltung der Investitionsplanungs- und -bewilligungsrichtlinien (formale Kontrolle) bzw. auf die Analyse der Plausibilität der Prämissen und Einzeldaten sowie auf die sach- und zeitbezogene Integration und Koordination der Investitions(teil-)pläne. Ergebnisorientierte Kontrollen informieren über die erwarteten/realisierten ökonomischen und ökologischen Zielbeiträge inkl. der zugrunde liegenden Prämissen und Einzeldaten der Handlungsalternativen. Als Prämissenkontrollen kommt ihnen im Rahmen des umweltschutzbezogenen Investitionsplanungsprozeßes die Aufgabe zu, laufend im Sinne eines Wird-Ist-Vergleichs die auf Basis von Kontrollinformationen aktualisierten Erwartungen bezüglich der künftigen Entwicklung der Prämissen, wie z. B. Auslastungsgrade, Preisentwicklungen, umweltrechtliche Entwicklungen, mit den gegenwärtigen Ist-Größen zu vergleichen. Aufgabe der Planfortschrittskontrollen ist es, die sach- und zeitgerechte Realisierung einzelner Planbestandteile zu überwachen. Voraussetzung ist allerdings, daß die Investitionspläne in einzelne Planabschnitte auflösbar sind, die die Planverwirklichung schrittweise beschreiben oder zumindest eine Prognose über die spätere Planrealisierung zulassen (Soll-Wird-Vergleich). Durchfuhrungskontrollen sollen bei Investitionen mit zeitlich umfangreichen Realsierungsphasen, wie z. B. die Installation von Rauchgasentschwefelungsanlagen, die Einhaltung der technischen, terminlichen und finanziellen Vorgaben sicherstellen. Nachkontrollen beziehen sich auf die Kontrolle der ökonomischen und ökologischen Zielerreichung der Investitionsobjekte während der Nutzungsphase. Die Ermittlung und die Analyse monetärer und nicht-monetärer Abweichungen kann auf Basis von Investitionsnachrechnungen sowie der Kontrolle der für die ökologische Beurteilung der Investitionsprojekte zugrunde gelegten Daten und Prämissen (z. B. in projektbezogenen Stoff- und Energieflußrechnungen) erfolgen. Die Investitionsnachrechnung verdichtet die ermittelten Ist-Daten zu Kennzahlen wie etwa Kapitalwert, Auslastungsgrade, Emissionskennzahlen, Ressourcenbelastungskennzah163

Investitionsplanung und -kontrolle len, um den Plan-Ist- bzw. den Soll-IstVergleich auf einer höheren Aggregationsstufe durchfuhren zu können. Im Rahmen einer Vollkontrollrechnung gehen dabei sämtliche, auch bei der Investitionsplanung berücksichtigte Daten ein, während sich die Teilkontrollrechnung auf ausgewählte, kritische Einflußgrößen, die für den Erfolg einer Investition von herausragender Bedeutung sind, beschränkt. Die Problematik der Teilkontrollrechnung besteht in der Ermittlung der in den Kontrollprozeß einzubeziehenden kritischen Größen, die für den Erfolg oder Mißerfolg einer Investition von herausragender Bedeutung sind. Zur Auswahl möglicher kritischer Daten kann die Sensitivitätsanalyse Entscheidungshilfen liefern.

Inverstitionsplanung und -kontrolle

Die Kontrolle der Ist-Daten kann zu einer -»Revision der Plan-Daten für die restliche Nutzungsdauer eines Investitionsobjektes führen, so daß neben den ursprünglichen Plan-Daten auch revidierte Plan-Daten, ggf. zusätzliche Soll-Daten sowie Ist-Daten und ggf. auch aus Prognosen über die künftige Planrealisierung abgeleitete Wird-Daten zur Verfügung stehen. Diese Daten werden miteinander verglichen und die unterschiedlichen Abweichungen, z. B. Plan- Ist-, PlanWird-, Soll-Istund/oder Soll-WirdAbweichungen, ermittelt und in einem Kontrollbericht (vgl. Abb. 5) zusammengefaßt.

Abb. 5: Auszug aus einem Investitionskontrollbericht

Um die Abweichungsursachen zu lokalisieren, können die Abweichungen in Teilabweichungen aufgespalten werden. Erst nach Aufdeckung der Abweichungsursachen können bei den in Abhängigkeit von der Unternehmensund/oder Projektgröße "wesentlichen" Abweichungen die im Hin-

164

blick auf die verfolgten Kontrollziele erforderlichen Planrevisionen und/oder (reaktiven bzw. antizipativen) Anpassungsmaßnahmen (z. B. in Form von Rationalisierungs- und Erweiterungsinvestitionen oder Stillegungsentscheidungen) angeregt bzw. eingeleitet werden.

Investitionsrechenverfahren

7. Fazit Ökologische Zielgrößen lassen sich grundsätzlich im Rahmen der betrieblichen Investitionsplanungsmodelle berücksichtigen. Unumgänglich ist hierfür jedoch eine Erfassung und anschließende Bewertung der projektbezogenen Umweltwirkungen, die i. d. R. nur auf nicht-monetärer Basis erfolgen kann. Der sich aufgrund des noch lückenhaften wissenschaftlichen Erkenntnisstands bezüglich der Umweltwirkungen ergebende Bewertungsspielraum erfordert dabei eine besonders sorgfältige Dokumentation der zugrunde gelegten Prämissen und Einzeldaten, um die Entscheidungstransparenz sicherzustellen. Zusätzlich läßt sich die insbesondere mit der Abschätzung ökologischer Wirkungen einhergehende Unsicherheit durch Sensitivitäts- und -»Risikoanalysen berücksichtigen, um die Stabilität einer möglichen Entscheidungsempfehlung zu prüfen. Die der Entscheidung zugrunde gelegten geplanten ökonomischen und ökologischen Daten sowie die jeweiligen IstGrößen sind während der Nutzungsphase des Investitionsprojektes in ein laufendes System der Investitionskontrolle einzubeziehen. Weiterführende Literatur: Lange, CJ Schaefer, S.: Investitions-Controlling, in: Kern, W./ Schröder, H.- J./ Weber, J. (Hrsg.): Handwörterbuch der Produktionswirtschaft, 2. Aufl., Stuttgart 1996; Lange, C./ Ukena, Hr. Integrierte Investitionsplanung und -kontrolle im Rahmen eines betrieblichen Umweltschutz-Controllingsystems, in: Zeitschrift für Angewandte Umweltforschung, 9. Jg., o. O. 1996; Ukena, Hr. Umweltschutzorientierte Investitionsplanung und -kontrolle, in: Wirtschaft, Wissenschaft und Umwelt, Bd. 2, Fortschritts-Berichte, VDI, Reihe 15, Nr. 181, o. O. 1997; Wicke, L. et al.: Betriebliche Umweltökonomie, München 1992. Prof. Dr. C. Lange Dipl.-Oec H. Ukena Investitionsrechenverfahren -»Investitionsplanung und -kontrolle, umweltschutzbezogene

ISO 14000

Irreversibilität bedeutet den generellen Ausschluß der Umkehrbarkeit eines Prozesses oder Zustandes.

ISO Abk.: International Standards Organization. Die internationale Organisation für Normung ist eine Standardisierungsorganisation mit Sitz in Genf. Ziel ist die Entwicklung weltweit gültiger Standardnormen, um den Austausch internationaler Waren und Dienstleistungen zu erleichtern und die gegenseitige Zusammenarbeit im Bereich der wissenschaftlichen, technologischen und wirtschaftlichen Aktivitäten zu fördern. Im Umweltbereich wurde die ->ISO 14000 ff. von der Strategie Advisory Group on Environment (SAGE) entwickelt. Aufgabenbereich der SAGE ist die Ermittlung des Bedarfs für eine internationale Standardisierung der Schlüsselelemente des Konzeptes von Sustainable Industrial Development, die Erarbeitung von Vorschlägen für eine übergeordnete strategische Planung der ISO auf dem Gebiet des Umweltschutzverhaltens und des —»Umweltmanagements sowie das Vorlegen entsprechender Empfehlungen für zukünftige Aktivitäten der International Standards Organization. Das SAGE-Team wurde im Juni 1993 aufgelöst und in das ISO-Technical Committee 207 "Environmental Management" überführt.

ISO 14000 Die auf -»ISO-Ebene gebildeten Subcommittees und Arbeitsgruppen des Technical Committee TC 207 haben für die Regelungsbereiche des —»Umweltmanagements die Normenserie ISO 14000 ff. erarbeitet. Die Normenentwürfe der ISO 9000 ff. zum Qualitätsmanagement dienten zum Teil als Grundlage für die ISO 14000 Serie. •

In der ISO 14001 werden die Kernelemente für den Aufbau eines Umweltmanagementsystems aufgeführt. Hierzu gehören u. a. die Umweltpolitk, das Umweltmangementsystem selbst und das Umweltmanagementsystem-Audit;

165

ISO 14000

ISO 14000



Die ISO 14004 ist ein Leitfaden, der die Unternehmen beim Aufbau bzw. der Verbesserung von Umweltmanagementsystemen unterstützen soll. Sie beinhaltet Beispiele und Checklisten;



Die drei Dokumente ISO 14010, 14011 und 14012 regeln das Umweltmanagementsystem-Audit;



Die ISO 14020 beinhaltet allgemeine Anforderungen für die Vergabe von -»Umweltzeichen;



ISO 14030 beinhaltet die Umweltleistungsbewertung. Hier werden Nonnen zur Bewertung der Umweltleistung von

166

Betrieben mit angeschlossenen -»Kennzahlen und Indikatoren entworfen (—»Umweltkennzahlen); •

In der ISO 14040 ist die Produktlebenszyklusanalyse geregelt. Hier werden die Prinzipien und Grundlagen bei der Erstellung und Bewertung einer Produktökobilanz erklärt;



In ISO 14050 sind Begriffe und Definitionen zusammengefaßt.

Jod

Joint Products

Jod ist ein chemisches Element aus der Gruppe der Halogene, das bei Menschen und Tieren hauptsächlich für die Funktion der Schilddrüse benötigt wird.

Joint Implementation Ansatz der —»Klimaschutzpolitik, bei der die im internationalen Vergleich erheblichen Kostenunterschiede bei der Reduktion von Klimaschadstoffen (vor allem für Kohlendioxid) ausgenutzt werden, um zu ökonomisch vorteilhaften Lösungen zu gelangen. Ein Land mit hohen Grenzvermeidungskosten hat somit die Möglichkeit, seinen Klimaschutzverpflichtungen durch Reduktionsmaßnahmen in einem anderen Land mit niedrigeren Grenzvermeidungskosten nachzukommen.

Joint Products -»Kuppelprodukte

167

Katalysatoren

Kl&rschlammverordnung

K Katalysatoren sind Stoffe, die eine Stoffumwandlung beeinflußen, ohne dabei selbst verbraucht oder verändert zu werden. Katalysatoren werden z. B. als Vorrichtung zur -»Abgasreinigung von Kraftfahrzeugen, -»Kraftwerken und Industrieanlagen eingesetzt. Sie senken die Stickoxide und oxidieren Kohlenmonoxid und unverbrannte -»Kohlenwasserstoffe. Ein geregelter Dreiwegekatalysator reduziert alle drei Komponenten um bis zu 90%. Katalysatoren bestehen aus Edelmetallen oder Schüttgutträgern.

Kausalitätsvermutung § 6 Abs. 1 S. 1 UmweltHG schreibt vor, daß, wenn der Betrieb einer Anlage geeignet ist einen konkret eingetretenen Schaden zu verursachen, vermutet wird, daß der Schaden durch den Betrieb der Anlage entstanden ist. Hiermit reduziert sich die Beweislast des Geschädigten von dem früher erforderlichen Vollbeweis auf den Beweis der Schadenseignung der Anlage. Der Betreiber der Anlage kann gemäß § 6 Abs. 2 UmweltHG die Vermutungswirkung entkräftigen, wenn er den Beweis erbringt, daß die Anlage bestimmungsgemäß im Rahmen des Normalbetriebs betrieben wurde.

Kennzahlen sind betriebliche Kennziffern und dienen als Maßstabswerte für den innerbetrieblichen und zwischenbetrieblichen Vergleich aber auch für den Zeitvergleich. Kennzahlen verdichten dabei verschiedene Größen in einem relativ leicht faßbaren Zahlenausdruck in einem sinnvollen Verhältnis zueinander, der über einen betrieblichen Tatbestand informiert. Hierbei können Kennzahlen über einen Stichtag (als Bestandsgröße) oder über einen Zeitraum (als Stromgröße) informieren. Zudem sind Kennzahlen nach den zueinander ins Verhältnis gesetzten Größen zu unterscheiden:







Gliederungskennzahlen sind Kennzahlen, die eine Teilgröße (z. B. Energiekosten) im Verhältnis zur Gesamtgröße (z. B. Gesamtkosten) ausdrücken; Beziehungskennzahlen beinhalten zwei verschiedenartige Größen, zwischen denen ein sachlogischer Zusammenhang besteht (z. B. Abfallmenge im Verhältnis zur insgesamt hergestellten Menge); bei Indexkennzahlen wird eine absolute Zahl für einen Zeitpunkt oder Zeitraum in Relation zur gleichen Zahl eines früheren Zeitpunktes oder Zeitraumes gesetzt.

Klärschlammverordnung Abk.: AbfKlärV. Die Klärschlammverordnung von 1982, novelliert im Jahr 1992, regelt bundesweit das Ausbringen von Klärschlamm auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Flächen. Die Verordnung bestimmt, daß der Klärschlamm vor seiner Ausbringung entkeimt werden muß und setzt für Blei, Cadmium, Chrom, Kupfer, Nickel, Quecksilber und Zink -»Grenzwerte fest. Weiter werden die Zeitabstände, in denen der Klärschlamm ausgebracht werden darf, geregelt und die jährliche Ausbringungsmenge begrenzt. Mit der Novellierung wurden die Höchstgehalte für die Schwermetalle Cadmium und Quecksilber deutlich reduziert, Höchstgehalte für organische Schadstoffe ergänzt und das Aufbringen von Klärschlamm auf Gemüse* und Obstanbauflächen sowie auf forstwirtschaftlich genutzte Böden und Dauergrünland verboten. Durch verstärkte Pflichten zur Nährstoffuntersuchung des Klärschlamms und der Aufbringungsflächen sollen Überdüngungen (—»Eutrophierung) und Nährstoffauswaschungen in Oberflächen- und -»Grundwasser unterbunden werden. Die Überwachung der Klärschlamm-

169

Klima ausbringung wird durch verschärfte Nachweispflichten verbessert.

Klima ist das langfristige Verhalten der Atmosphäre, d. h. ein Komplex meteorologischer Eigenschaften, sog. Klimaelemente. Die Ausprägungen der Klimaelemente werden in einem bestimmten Raum kurzfristig als "Wetter" ermittelt und stellen als langjährige Mittelwerte, Varianzen und Wahrscheinlichkeiten bestimmter Wetterereignisse einen Klimazustand dar. Man unterscheidet nach der räumlichen Ausdehnung in Mikroklima (z. B. Blattoberfläche), Mesoklima (z. B. Klima, Gebirgsklima) und Makroklima (z. B. Landesklima).

Klimaveränderungen tatsächliche Reduktion der Treibhausgase angeführt. Derartige Konkretisierungen finden sich später im -»-Kyoto-Protokoll von 1997.

Klimaschutzpolitik ist ein Teilbereich der Umweltpolitk, dessen Ziel der Schutz des natürlichen -»Klimasystems vor anthropogenen -»Klimaveränderungen ist (—»Treibhauseffekt, -»Ozonloch, -»Ozon). Der globale Charakter von Klimaveränderungen erfordert eine konzertierte Klimaschutzpolitik auf internationaler Ebene (-»Klimarahmenkonvention). Maßnahmen der Klimaschutzpolitik sind u. a.: •

Klimarahmenkonvention Engl.: United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC). Auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro von 154 Staaten unterzeichneter Beschluß mit dem Ziel, die Konzentration klimarelevanter Gase in der Atmosphäre auf einem Niveau zu stabilisieren, welches einen Fortbestand des Menschen und seiner Lebensbedingungen ermöglicht. Die unterzeichnenden Staaten verpflichten sich • •

• • •

zur Erfassung der jeweils produzierten und absorbierten Treibhausgase; zur Verringerung des Ausstoßes klimarelevanter Gase (z. B. durch Emissionsreduktion, Erhaltung von Gebieten, die in der Lage sind, der Atmosphäre klimarelevante Gase zu entziehen (z. B. Wälder, Ozeane); zur Kooperation im Klimaschutz; zur Umsetzung auf nationaler Ebene und zum Einbringen der Klimaschutzproblematik in die öffentliche Diskussion.

Die juristisch bestehende Rechtsverbindlichkeit der Beschlüsse wird allerdings durch fehlende Sanktionsmöglichkeiten ausgehöhlt. Als ein weiterer Nachteil wird häufig das Fehlen eines konkreten Zeitrahmens für eine 170



• •

Emissionsminderungsprogramme (z. B. C02-Minderungsprogramm); Klimaforschungsprogramme mit den Schwerpunkten: -»Klimasystem, Klimafolgen, Reduktionsmöglichkeiten bei Treibhausgasemissionen, etc.; Klimaüberwachungsprogramme; Bildung öffentlichen Bewußtseins für Klimaschutz.

Klimasystem umfaßt die Atmosphäre, Hydrosphäre Kryosphäre, Geosphäre und Biosphäre. Zwischen den einzelnen Subsystemen bestehen komplexe, nicht-lineare Wirkungszusammenhänge.

Klimaveränderungen sind im langfristigen Zeitvergleich beobachtete oder erwartete Differenzen zwischen zwei vergleichbaren Klimazuständen, unabhängig von der Ursache und der räumlichen Ausdehnung des -»Klimas. Ursachenbezogen wird zwischen natürlichen und anthropogenen Klimaveränderungen unterschieden. Heute beobachtbare Auswirkungen sind u. a.: •

der Anstieg der bodennahen Lufttemperaturen im globalen und jahreszeitlichen Mittel der letzten hundert Jahre;

KMU •



• • •

Kompensationslösungen die Anhäufung außergewöhnlich warmer Jahre seit Beginn der achtziger Jahre; die Abnahme der jährlichen Schneebedeckung in der Nord-hemisphäre um ca. 8% seit den frühen siebziger Jahren; die Abnahme der alpinen Gletschermasse um etwa 50% seit 1850; das Abschmelzen der Polkappen; die Abnahme der Niederschläge in der Sahelzone.

KMU Abk.: Kleine und mittlere Unternehmen. KMU sind Unternehmen mit 1 bis etwa 250 Mitarbeitern. Hierunter fallen auch öffentlich-rechtliche Organisationen wie Institute, Verbände und Vereine etc.

Kohlenwasserstoffe Sammelbezeichnung für organische Verbindungen aus Kohlenstoff und Wasserstoff. Kohlenwasserstoffe sind farblose, schwach bis nicht riechende Substanzen, die brennbar sind. Sie sind biologisch nicht abbaubar, krebserregend und verursachen erhebliche Gesundheitsprobleme. Kohlenwasserstoffe finden als Motorkraftstoff und als Lösesowie Schmiermittel Verwendung.

Kollektivgttter (Gegensatz: Individualgüter) sind Güter, die von mehreren Wirtschaftssubjekten genutzt werden können und folgende Merkmale aufweisen: •



Nicht-Anwendbarkeit des Ausschlußprinzips. Die Nutzung des Kollektivgutes kann also nicht von der Zahlung eines Entgeltes abhängig gemacht werden. Nicht rivalisierender Konsum. Der Nutzen aus dem Kollektivgut ist unabhängig von der Anzahl der Nutzer.

Synonym zu Kollektivgütem wird häufig der Begriff „öffentliche Güter" verwendet (Gegensatz: private Güter), welcher stärker auf die Bereitstellung als auf die Nutzung des Gutes fokussiert.

Aus umweltökonomischer Sicht ist die Interpretation von Kollektivgütern als Ausprägung von negativen —»externen Effekten bedeutsam. -»Allmende, -»Free-RiderVerhalten, -»Gefangenendilemma

Kombinationswirkung liegt vor, wenn durch das Zusammenwirken mehrerer Stoffe deren Wirkung auf einen Organismus oder ein Material verstärkt (synergistische Kombinationswirkung), neutralisiert oder reduziert (antagonistische Kombinationswirkungen) wird.

Kommunikation -»Umweltkommunikation

Kompensationslösungen 1. Grundprinzip Kompensationslösungen ermöglichen, daß Emittenten ihre Verpflichtungen zur Emissionsreduktion nicht nur durch eigene Maßnahmen, sondern auch durch Emissionsverringerungen außerhalb ihres Wirkungskreises erfüllen können. Sie werden derzeit vorrangig in der internationalen -»Umweltpolitik, so z. B. in der Klima- und S02-Politik diskutiert, wurden aber auch schon auf nationaler Ebene eingesetzt. In den USA erfolgte Kompensation im Rahmen des Clean Air Act bereits seit 1974 in zwei verschiedenen Varianten: innerhalb eines Unternehmens („netting") und mit anderen Unternehmen („offsets"). Ein Versuch, das Prinzip 1986 in Deutschland einzuführen, scheiterte an den zu restriktiven Bedingungen für seine Anwendung. Internationale Kompensation besteht grundsätzlich aus zwei Elementen. Im Ausland erreichte Verringerungen müssen auf die inländischen Verringerungsziele völkerrechtlich angerechnet werden können. Inländische Emittenten werden bei Nachweis einer Verringerung im Ausland proportional zur erreichten Verringerung von emissionsbezogenen Steuern oder -»Auflagen entlastet oder erhalten eine zusätzliche Zuteilung von

171

Kompensationslösungen

Emissionsrechten. Das zweite Element entfällt, wenn es sich um rein staatliche Investitionen handelt. 2. Vorteile Durch Kompensation ist eine Effizienzerhöhung bei der Erreichung von Emissionsverpflichtungen möglich, indem die Unterschiede der Grenzvermeidungskosten zwischen verschiedenen Emittenten ausgenutzt werden. Im Bereich der internationalen Umweltpolitik kommt hinzu, daß kein globales Emissionsziel vorgegeben werden muß, um weltweit die kostengünstigsten Verringerungsmöglichkeiten zu nutzen. Der Effizienzgewinn kann allerdings durch Transaktionskosten und strategisches Verhalten reduziert werden. Das Kompensationsinstrument läßt sich flexibel handhaben und ermöglicht die Beteiligung von Unternehmen, NichtRegierungsorganisationen und Einzelpersonen. Die von der Industrie gefürchtete Wettbewerbsverzerrung bei einem nationalen Steuer- oder ordnungspolitischen Alleingang wird gemildert, wenn emissionsintensive Industrien ihre steuerliche und ordnungsrechtliche Belastung durch Kompensationsprojekte reduzieren können. Der umweltpolitisch erforderliche —»Strukturwandel wird somit abgefedert. Hinzu kommt ein freiwilliger Ressourcen- und -»Technologietransfer in die Entwicklungs- und Transformationsländer, da dort die billigsten Verringerungsoptionen zu finden sind. Erfolgreiche Kompensationsprojekte tragen dazu bei, in den Empfängerländern Fehlinvestitionen in energie- und emissionsintensive Technologien zu vermeiden, die bei dem früher oder später notwendigen Übergang zu einer umweltverträglicheren Ökonomie vorzeitig entwertet würden. Hinzu kommt, daß die Emissionsverringerung bei Globalschadstoffen häufig mit einer Emissionsverringerung von Lokalschadstoffen einhergeht, also positive Extemalitäten anfallen. 3. Nachteile Kompensationslösungen eignen sich ohne Einschränkung nur für Globalschadstoffe. Bei Lokalschadstoffen kann es ansonsten zur Bildung von ,,->Hot spots" kommen. Will 172

Kompensationslösungen

man diese vermeiden, ist eine komplexe Modellierung erforderlich, die die Kompensation sehr schwerfällig macht und durch die erforderliche Regulierung die Transaktionskosten erhöht. Aus diesem Grund ist bislang die Kompensation bei S02-(—»)Emissionen in Europa nicht eingesetzt worden, obwohl sie laut dem multilateralen Abkommen zur Verringerung der SCVEmissionen prinzipiell möglich wäre. Dasselbe Problem belastete die Kompensation in den USA, so daß es nur zu relativ wenigen Kompensationen kam einigen tausend innerhalb von 15 Jahren, während im Rahmen des SO2Emissionsrechtshandels dieselbe Zahl in einem Jahr erreicht wird. Eine intensive Nutzung des Kompensationskonzepts kann zu einem Rückgang der Innovationsanreize in den Investorländern fuhren, da Innovation aufgrund der niedrigeren Vermeidungskosten an Attraktivität verliert. Daher ist die Kompensation so auszugestalten, daß —Innovationen attraktiv bleiben. Dies ist beispielsweise durch eine Verringerung des Anrechnungsprozentsatzes mit der Zeit möglich, wobei gleichzeitig die klimapolitischen Instrumente in den Investorländern verschärft werden. Durch gleichgerichtete Anreize für den Investor und den Anbieter der Verringerung besteht ein hoher Anreiz zum betrügerischen Ausweis einer überhöhten Emissionsverringerung durch das Kompensationsprojekt. Diesem muß durch hohe Verifikationsstandards entgegengewirkt werden. Allerdings erhöht dies die Transaktionskosten. Also ist eine Abwägung zwischen der Verläßlichkeit der Emissionsverringerungsdaten und den Kosten der Emissionsverringerung erforderlich. Im Gegensatz zum Emissionsrechtshandel auf Grundlage fester Emissionsziele ist bei Kompensationsprojekten - vor allem in Ländern ohne Emissionsziele - die Bestimmung eines Referenzszenarios erforderlich, das als Basis zur Berechnung der Emissionsverringerung dient. Ohne klare Regeln für die Festlegung der Referenzszenarien kann Kompensation zur Umgehung der Emissionsziele fuhren. Selbst bei Globalschadstof-

Kompensationslösungen fen erfordert die Durchführung von Kompensation wesentlich höhere Transaktionskosten als der laufende Betrieb eines Emissionsrechtshandelssystems. Dies liegt daran, daß bei letzterem die -»Zertifizierung der Verringerung gegenüber dem Referenzszenario entfällt. Häufig wird unter den Nachteilen aufgeführt, daß Entwicklungsländer durch Kompensationsprojekte die "billigen" Verringerungsoptionen aufbrauchen und bei einer zukünftigen Festlegung von Emissionszielen für ihre Länder die Zielerreichung nur mit höheren Kosten möglich ist. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß Kompensationsprojekte im Empfängerland die Kostenkurve für Emissionsverringerungen verschieben, da ohne Kompensation keine Verringerungsprojekte durchgeführt werden und kein Anreiz besteht, entsprechendes Know-How zu erwerben. Somit würde die zukünftige Zielerreichung vereinfacht. Es ist außerdem in der Regel nicht möglich, heute auf Kompensationsprojekte zu verzichten, um dieselbe Option später selbst zu nutzen. Dies ist bei technischen Projekten der Fall, wenn das Ziel erst nach Ablauf der ökonomischen Lebensdauer der Anlage festgelegt wird. Nur im Fall von Landnutzungsprojekten gilt dieses Argument nicht, da hier eine Speicherung von Treibhausgasen erfolgt, die nicht rückgängig gemacht werden darf. Man muß auch berücksichtigen, daß die durch Kompensationsprojekte erreichte Verringerung das Empfängerland nichts gekostet hat. Daher ist die Ausgangsbasis besser, als wenn es die "billigen" Verringerungen selbst finanzieren müßte. 4. Umsetzung der Kompensation in der internationalen Klimapolitik Im Vorfeld der Verhandlungen über die UN-»Klimarahmenkonvention brachte Norwegen 1991 die Kompensationsidee in die Diskussion. Sie fand in die Konvention insofern Eingang, als Artikel 4 (2a) die „gemeinsame Umsetzung" von Zielen und Maßnahmen erlaubt. Dieser Begriff blieb als Anglizismus „-»Joint Implementation" haften. Wie diese im Detail ablaufen solle, blieb jedoch offen. Bald kam es zu einer offenen Kontroverse zwischen einigen

Kompensationslösungen Industriestaaten, die das Konzept gerne zügig einsetzen wollten, und der Mehrheit der Entwicklungsländer, die es ablehnten. Letztere hatten nämlich gehofft, daß die Klimakonvention zu großen, ungebundenen Finanztransfers in den Süden führen würden und sahen sich enttäuscht, da ihnen seitens der Industrieländer lediglich 2 Mrd. $ zur Verfügung gestellt worden waren, die zudem noch von der -»Weltbank verwaltet wurden. Joint Implementation wurde als neokolonialistischer Eingriff in die nationale Souveränität gesehen und somit zum Zankapfel zwischen Nord und Süd. Hinzu kam Druck seitens der großen Umweltorganisationen, die das Konzept als „Ablaßhandel" verdammten. Sie befürchteten vor allem, daß die Joint Implementation in den Entwicklungsländern hauptsächlich zu Baumplantagen führen würde, da diese sehr kostengünstig Emissionen speichern würden. Trotz dieser Situation begannen die USA, Norwegen und die Niederlande, nationale Koordinationsstellen für Joint Implementation aufzubauen und Pilotprojekte zu entwerfen. Dafür boten sich die Transformationsländer an, die von Anfang an der Idee positiv gegenübergestanden hatten, da sie im Gegensatz zu den Entwicklungsländern nicht auf andere Transfers hoffen konnten. 1994 wurden die ersten Projekte in Tschechien und Polen vorbereitet. Noch kurz vor der ersten Konferenz der Vertragsstaaten der Klimakonvention 1995 in Berlin stand die Ablehnungsfront der Entwicklungsländer scheinbar unerschütterlich. Allerdings gärte es unter der Oberfläche. Costa Rica, das schon häufig Vorreiter hinsichtlich innovativer umweltpolitischer Instrumente wie den —»Debt-for-NatureSwaps gewesen war, witterte die Chance, neue Finanzmittel aus den Industrieländern anzuziehen. Im Herbst 1994 schloß es mit den USA einen Rahmenvertrag über Joint Implementation ab und gründete ein Koordinationsbüro. Schnell wurden die ersten Projektvorschläge entwickelt. Neben dem Forstsektor waren emeuerbare -»Energien gefragt.

173

Kompensationslösungen

Das Beispiel Costa Ricas stieß bei einer Reihe lateinamerikanischer Länder auf Interesse, so daß bei der Berliner Vertragsstaatenkonferenz die Ablehnungsfront zusammenbrach. Es kam zu einem Kompromiß, der unter dem neuen Namen „Activities Implemented Jointly" (AIJ) eine Erprobungsphase für Joint Implementation festlegte, die bis Ende 1999 laufen solle. Während dieser Zeit dürfen die Emissionsverrin-

Kompensationslösungen gerungen nicht auf die Ziele der Industrieländer angerechnet werden. Wer damit gerechnet hatte, daß nun ein Ansturm auf Emissionsverringerungsprojekte in Entwicklungs- und Transformationsländern einsetzen würde, sah sich getäuscht. Die Erprobungsphase gestaltete sich sehr zähflüssig. Es wurden zwar viele Projekte vorgeschlagen, aber nur wenige tatsächlich realisiert (s. Tab. 1).

Zahl der bewilligten Projekte Zahl der Projekte in Realisierungsphase 1 Zahl der Investorländer Zahl der Gastländer - davon Transformationsländer Anteil der Transformationsländer an allen Projekten Geplante Emissionsverringerung (Mio. t CO2) 2 Davon Anteil in Transformationsländern

1995 10 0 3 7 5 60% 23 56,5%

1996 16 3 3 7 5 50% 111 39,5%

1997 61 13 5 12 7 74% 140 32,6%

1998 95 70 8 24 10 72% 162 31,3%

1 Dabei handelt es sich um Schätzungen - es gibt keine verläßlichen Zahlen. Meist handelt es sich um kleinere Projekte in den Transformationsländem. 2 Die bisher erreichte Emissionsverringerung liegt wesentlich niedriger (siehe Anmerkung 1).

Tab. 1: Entwicklung der Erprobungsphase von Activities Implemented Jointly

Folgende Gründe waren dafür ausschlaggebend: •





Kaum ein Industrieland setzte heimische Anreize fur Unternehmen, in AIJ zu investieren. Damit beschränkte sich das kommerzielle Interesse auf solche Projekte, die entweder sehr medienwirksam waren, eine Marktöffnungsfunktion hatten oder ohnehin Gewinn brachten; Die Transaktionskosten waren aufgrund der Neuheit des Konzepts zunächst sehr hoch; Viele Länder waren nicht bereit, Projekte zuzulassen.

Da sich beim Fortgang der Verhandlungen der Widerstand wichtiger Entwicklungsländer wie China und Indien eher wieder verschärfte, wurde allgemein damit gerechnet, daß eine Anrechnung nach Ende der Erprobungsphase, wenn überhaupt, nur bei Joint Implementation zwischen Ländern 174

möglich wäre, die beide ein Ziel haben. Somit konzentrierte sich das Interesse für ernsthafte Projekte auf die Transformationsländer. Im Dezember 1997 wurde auf der Dritten Vertragsstaatenkonferenz in Kyoto ein Protokoll verabschiedet, das als Durchbruch in der Klimapolitik bezeichnet werden kann. Wenn auch sein Inkrafttreten längst nicht gesichert ist, da sich in einer Reihe von Ländern heftiger innenpolitischer Widerstand abzeichnet, legt es erstmals bindende Emissionsziele ftir die Industrieländer zum Zeitraum 2008-2012 fest. Gleichzeitig wurde überraschenderweise eine Reihe von Flexibilisierungsinstrumenten zugelassen. Joint Implementation ist sowohl mit Entwicklungs- als auch Transformationsländem möglich, wobei es in ersterem Fall wieder einmal den Namen gewechselt hat und nun als „Clean Development Mechanism" (CDM) bezeichnet wird. Anrechnung aus CDM-Projekten soll

Kompensationslosungen schon ab 2000 möglich sein, aus Joint Implementation mit Transformationsländem erst ab Beginn der Zielperiode 2008. Angerechnete Emissionsverringerungen aus Joint Implementation werden vom Emissionsbudget des Gastlandes abgezogen, verschärfen also das Emissionsziel. Allerdings werden CDM-Projekte mit einer noch nicht quantifizierten Abgabe belegt, aus der Anpassungsmaßnahmen und die Verwaltungskosten des CDM gedeckt werden sollen. Unklar ist, ob Speicherungsprojekte (z. B. Aufforstung) zulässig sind, oder nur Emissionsverringerungsprojekte zugelassen werden. Bezüglich ersterer muß ein Expertengutachten des zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaveränderung abgewartet werden, das frühestens 2000 vorliegt, da es unterschiedliche Auffassungen über die Speicherungskapazitäten von Wäldern gibt. Außerdem ist auch unmittelbarer Emissionsrechtshandel möglich, dessen Ausgestaltung jedoch noch völlig offen ist. Offen bleibt auch, ob nur ein Teil der Ziele durch die Flexibilisierungsinstrumente erreicht werden darf. Diese Fragen wurden im November 1998 auf der 4. Vertragsstaatenkonferenz in Buenos Aires erörtert, aber noch nicht abschließend geklärt. Dies soll erst 2000 auf der 6. Vertragstaatenkonferenz erfolgen. Nachdem sich der erste Staub gelegt hatte, lebte das Interesse am CDM und Joint Implementation stark auf, wie die rasche Zunahme der bewilligten und umgesetzten Projekte zeigt (siehe Tabelle 1). Eine Reihe von Unternehmen aus Industrieländern stellt sich jetzt emsthaft auf klimapolitische Maßnahmen im Inland ein und betreibt erste Absicherungsmaßnahmen. Auch der Anteil finanzierter Projekte nimmt jetzt deutlich zu. Deutlich wird, daß der Anteil von Speicherungsprojekten rückläufig ist (siehe Tab. 2). 5. Offene Fragen 5.1. Bestimmung des Referenzszenarios Auf den ersten Blick erscheint die Kalkulation der Emissionsverringerung bei einem Kompensationsprojekt einfach. Man mißt die -»Emission der neuen Anlage und zieht diejenige der alten Anlage ab, die sonst weitergelaufen wäre. Letzteres ist das

Kompensationslösungen sogenannte Referenzszenario. Leider gibt es aber eine Reihe von Fällen, in denen die Berechnung dieses Szenarios unklar ist. Nehmen wir beispielsweise den Fall eines Windparks. Dieser erzeugt (abgesehen von den mit den Baumaterialien verbundenen Emissionen) emissionsfreien Strom. Jetzt stellt sich aber die Frage, welches -»Kraftwerk durch den Windpark verdrängt wird. Handelt es sich um ein Kohlekraftwerk, ist die Emissionsverringerung hoch, während sie bei einem Kernkraftwerk Null wäre. Wenn man den Durchschnitt des gesamten Stromerzeugungssektors wählt, erhält man einen mittleren Wert. Das Beispiel zeigt, daß die Erstellung von Referenzszenarien stark von den Annahmen abhängt. Prinzipiell könnte man länder-, sektor- und projektspezifische Szenarien errechnen. Erstere basieren auf makroökonomischen oder Energiemodellen und sind sehr aufwendig, da sie einen enormen Datenbedarf haben. Laufen sie dann aber einmal, sind die Kosten ihrer Anwendung für jedes einzelne Projekt gering. Außerdem erfassen sie indirekte Effekte wie die Verringerung der Preise fossiler Brennstoffe bei einem Ausbau erneuerbarer Energien. Projektspezifische Szenarien vernachlässigen die indirekten Effekte, sind aber einfacher zu erstellen, da keine Modellierung erforderlich ist. Sie sind daher für Entwicklungsländer geeigneter als die länderspezifischen Szenarien. Ein Kompromiß wäre ein sektorspezifisches Szenario, wobei die Abgrenzung der Sektoren manchmal schwierig ist. Für die Praxis könnte sich der Matrix-Ansatz, der bestimmte sektorale und regionale Parameter definiert, langfristig am sinnvollsten erweisen. Realistische Referenzszenarien sind vor allem dann wichtig, wenn das Land, in dem das Kompensationsprojekt stattfindet, kein Emissionsziel hat, wie dies beim CDM der Fall ist. Ein zu laxes Referenzszenario würde in diesem Fall zu einer Übertreibung der Emissionsverringerung und dadurch zu einer entsprechenden Aufweichung des Emissionsziels des Investorlandes führen. Das Problem stellt sich nicht, wenn beide beteiligten Länder ein Ziel haben, wo die Emissionsverringerung des Kompensati-

175

Kompensationslösungen onsprojekts vom Emissionsbudget des Gastlandes abgezogen wird. Das Gastland hat dann kein Interesse an einer fiktiven Emissionsverringerung, da diese zu einer Verschärfung seines Zieles fuhren würde. Bislang hat man sich noch nicht auf einheitliche Regeln für Referenzszenarien einigen können. Die Berechnung der Emissionsverringerung aus den Pilotprojekten erfolgt nach den unterschiedlichsten Methoden. Ohne eine politische Entscheidung über das Regelwerk ist nicht mit einer Umsetzung von Kompensationsprojekten in großem Maßstab zu rechnen. 5.2.

Berücksichtigung gewinnbringender Projekte? Die in Berlin getroffene Entscheidung sieht vor, daß nur Projekte als AIJ anerkannt werden, deren Finanzierung aus „zusätzlichen" Mitteln erfolgt. Dies soll der Befürchtung entgegenwirken, daß Entwicklungshilfemittel zur Finanzierung von AIJ umgewidmet werden. Entscheidend für die Beteiligung privater Unternehmen ist die Frage, ob Projekte in das Referenzszenario aufgenommen werden müssen, die gesamtwirtschaftlich gewinnbringend sind. Solange diese Projekte aufgrund ordnungspolitischer Hemmnisse, fehlender Information und knappen —>Humankapitalressourcen nicht autonom durchgeführt werden, besteht keine Veranlassung sie im Referenzszenario aufzufuhren und somit von CDM oder Joint Implementation auszuschließen. Häufig ergibt sich bei diesen Projekten das Problem, daß sich der Investor den Gewinn nicht aneignen kann, da dieser bei anderen Wirtschaftssubjekten anfällt. Es wäre also höchstens gerechtfertigt, Projekte auszuschließen, bei denen der Investor Gewinn macht. Wenn jedoch ein solcher Ausschluss vorgenommen würde, gäbe es einen Anreiz, die Kosten zu hoch anzusetzen, um positive Kosten ausweisen zu können. Bürokraten und Unternehmen in den Empfängerländem würden dann versuchen, gewinnbringende Projekte entsprechend umzudefmieren und eventuell aufzuschieben, bis sie als Kompensationsprojekt extern finanziert werden. Insofern ist ein Ausschluss gewinnbringender Projekte nicht sinnvoll.

176

Kompensationslösungen 5.3. Institutionelle Ausgestaltung Die institutionelle Ausgestaltung internationaler Kompensation kann höchst unterschiedlich sein. Das eine Extrem ist eine rein bilaterale Abwicklung, bei der Regierungen Rahmenverträge schließen, auf deren Basis Investoren und Projektanbieter unabhängig agieren. Das andere Extrem ist ein internationaler Fonds. Staaten oder private Investoren, die Kompensation wünschen, nehmen Einzahlungen vor, während andere Länder Kompensationsprojekte anbieten und somit in einen Wettbewerb um die Fondsmittel eintreten. Die Projekte werden nach ihrer Effizienz bei der Emissionsverringerung ausgewählt. Jeder Investor erhält während der Projektlaufzeit gemäß seinem Anteil an dem Projektportfolio bzw. an einzelnen Projekten eine Emissionsgutschrift. Denkbar wäre auch ein internationales Clearinghouse, das ein Monopol auf die Projektvermittlung hat. Über diese Ansätze hinaus könnte eine zentrale "Projektbörse" alle Interessenten schnell und umfassend über sämtliche Angebote für Kompensationsprojekte und entsprechende Finanzierungsmöglichkeiten informieren. Diese internationale Datenbank sollte gebührenfrei zugänglich sein und könnte vom Unterausschuß für Umsetzungsfragen der Klimarahmenkonvention betreut werden. Zur Reduzierung institutioneller Ineffizienzen sollte es zu einem Wettbewerb zwischen der Kompensation über individuelle Projekte auf bilateraler Ebene und der multilateralen Organisation der Kompensation über einen internationalen Fonds kommen. Auch für die Verifikation, deren Rolle aufgrund des Betrugspotentials sehr wichtig ist, gibt es unterschiedliche Modelle. Einerseits könnten die Projektpartner verpflichtet werden, unabhängige Dritte zur Evaluation heranzuziehen. Letztere müßten sich bei einer internationalen Aufsichtsinstanz akkreditieren und unterlägen Stichprobenkontrollen. Andererseits könnte die Verifikation ausschließlich durch eine internationale Instanz erfolgen. Bei jeder Monopolsituation ist mit einer Erhöhung der Transaktionskosten zu rechnen. Am sinnvollsten

Kompensationslösungen

Kompensationslösungen

Koppelung läßt sich der Wirkungsgrad auf über 80% steigern. Aufgrund der starken Ausweitung der Energieerzeugung ist in vielen Entwicklungsländern aufgrund von Kapitalund Kapazitätsengpässen ein autonom vorgenommener Ersatz alter ineffizienter Kraftwerke auszuschließen. Dieser könnte nur mittels Entwicklungshilfe oder CDM in Gang gesetzt werden. Auch bei ausschließlicher Betrachtung des Zubaus ergeben sich große Potentiale. Wenn man in China neue Kohlekraftwerke statt durch Eigenbau auf Basis westeuropäischen Standards erstellen würde, könnte der Wirkungsgrad der Neubauten um 4 % gesteigert werden. Der mittlere Wirkungsgrad würde dann 2010 ca. 2 % höher liegen als beim ausschließlichen Einsatz chinesischer Neubauten; die gesamten C0 2 -Emissionen lägen 5% niedriger. Durch Know-How-Transfer kann sichergestellt werden, daß der technische Wirkungsgrad einer Anlage bei der Nutzung auch tatsächlich erreicht wird.

wäre ein Wettbewerb unterschiedlicher Institutionen, wobei eine internationale Instanz die Einhaltung von Mindeststandards im Verifikationsbereich überwachen muß. Außerdem ist die Herstellung von Transparenz wichtig. Bei der Erprobungsphase der AIJ hat sich gezeigt, daß der Aufbau von Know-How bei öffentlichen Stellen und Unternehmen in den Gastländern eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung für die erfolgreiche Umsetzung von Kompensationsprojekten ist. Hier wäre der Transfer von Erfahrungen aus der Entwicklungszusammenarbeit hilfreich. 6. Formen von Kompensationsprojekten Die Bandbreite sinnvoller Projekte, die zu einer anrechenbaren Verringerung von Treibhausgasemissionen führen können, ist sehr groß. Sie wird im folgenden skizziert. Speicherungsmaßnahmen im Forstsektor, die derzeit mit 3 und 8 US-$/ (t C 0 2 ) eindeutig am kostengünstigsten sind, werden nicht diskutiert, da sie höchstens mittelfristig und vielleicht nur in Transformationsländern zum Einsatz kommen können. • •

Effizienzsteigerung bei der Energieerzeugung auf Basis fossiler Brennstoffe: Darunter fallen Maßnahmen wie die Steigerung des Wirkungsgrads von Kraftwerken und Dampferzeugern. Während beispielsweise der durchschnittliche Wirkungsgrad deutscher Wärmekraftwerke bei ca. 35% liegt, beträgt er in China nur ca. 20%. Durch den Ersatz alter Kraftwerke durch die modernste einsatzreife Kraftwerkstechnologie mit einem Wirkungsgrad von ca. 42% (Braunkohlekraftwerk) bis 55% (Gas-Kombikraftwerk) läßt sich also eine Emissionsreduktion von über 50% erzielen. Bei Kraft-Wärme-

Gleichermaßen kann die Emission bei der Produktion und dem Transport fossiler Brennstoffe verringert werden. Da z. B. bei Erdgasförderung und transport in den GUS-Staaten vermeidbare Verluste von 2-4,5% auftreten, bietet sich hier ein großes Potential für Joint-ImplementationProjekte. Allerdings zeigen die ersten Erfahrungen mit derartigen Projekten in Rußland, daß ein Erfolg nur bei Änderung der politischen Rahmenbedingungen möglich ist. Solange z. B. die Gasgesellschaften ihr eingespartes Gas nicht verkaufen können, sind die Projekte für sie nicht attraktiv.

177

Kompost

Walderhaltung, Wiederforstung Erstauforstung Landwirtschaft Brennstoffsubstitution Methanauffang Energieeffizienz Erneuerbare Energien

Kompost

30

1995 (84,5)

25

(1,3)

6,3

10

1996 (64,4)

20

(10,7) 0

30 10

(0,2) 0

0

(2,5) (1,0)

12,5 6,3 25,0 25,0

(2,2) (27,0) (1,7) (0,5)

1997 13,4 (58,5)

1998 11,6 (52,2)

1,6 1,6 3,2 3,2 34,4 42,6

1,1 2,1 3,2 2,1 37,9 42,1

(0,2) (Verhaltenslücke bezeichnet wird. 4. Ansätze zur Erklärung und Verringerung der Diskrepanz zwischen Umweltbewußtsein und -verhalten Zur Erklärung der Frage, warum hohes Umweltbewußtsein nicht ein entsprechendes umweltorientiertes Verhalten nach sich zieht, werden unterschiedliche Ansätze zu Rate gezogen. Viele davon lassen sich entweder auf informationsökonomische oder nutzentheoretische Erklärungen zurückführen, aus denen sich dann auch Maßnahmen zur Schließung der diagnostizierten -»Verhaltenslücke ableiten lassen. Informationsökonomische Erklärungen fokussieren auf die Informationsunsicherheit, die Konsumenten bei der umweltorientierten Bewertung alternativer Konsumangebote verspüren. Diese Unsicherheit beruht zum einen auf marktexogenen generellen Informationsdefiziten, die wiederum Folge der Komplexität, Langfristigkeit und Dynamik ökologischer Probleme sind: Viele ökologische Neben- und Folgewirkungen des Konsums sind auch Experten bis heute weitgehend unbekannt oder werden kontrovers diskutiert. Zum anderen sind Informationsdefizite bei Konsumenten aber häufig marktendogener Natur und basieren auf einer Informationsasymmetrie zwischen Anbietern und Nachfragern. Aus Sicht der Konsumenten lassen sich Produkteigenschaften einteilen in Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften (search, experience und credence qualities). Nur Sucheigenschaften wie Farbe und Form kann der Konsument bereits vor dem Kauf nachprüfen. Bei Erfahrungseigenschaften wie Haltbarkeit, Funktionsfähigkeit oder Energieverbrauch benötigt er für ein eigenes Qualitätsurteil eine entsprechende Konsumerfahrung, und Vertrauenseigenschaften wie Materialzusammensetzung oder Produktionsbedingungen kann ein Konsument ohne Hilfe i. d. R. gar nicht valide bewerten. Umweltbewußte Konsumenten

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Konsumentenverhalten, umweltorientiertes stehen nun vor dem Problem, daß es sich bei Umwelteigenschaften überwiegend um Vertrauenseigenschaften handelt. Zwar lassen sich Einzelaspekte wie z. B. die Verpackungsmenge bereits durch bloße Inaugenscheinnahme beurteilen; welche Zusammensetzung und ökologische Konsequenzen der verwendete Verpackungsstoff jedoch hat, können jedoch - wenn überhaupt - nur Anbieter oder Experten beurteilen. Konsumenten können umweltorientierte Auswahlkriterien aber nur anwenden, wenn sich die angebotenen Leistungen von ihnen auch hinsichtlich ihrer ökologischen Qualität beurteilen lassen. Ist dies nicht der Fall, kann sich ein ökologischer Qualitätsvorteil auch nicht in erhöhter Zahlungsbereitschaft niederschlagen, wodurch Anbieter ökologisch vorteilhafter Produkte ihre ggf. höheren Erstellungskosten am Markt nicht abgegolten bekommen. In dieser Analyse steckt allerdings zugleich ein Schlüssel zur Verringerung des Problems: Es geht darum, ökologische Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften in "Quasi-Sucheigenschafien" zu überfuhren und ihnen damit höhere Relevanz für die Konsumentscheidung zu verschaffen. Dabei findet ein Abbau marktendogener Informationsdefizite durch eine Informationsübertragung von Anbietern und/oder Experten auf die Konsumenten statt. Eine Form der direkten Informationsübertragung bei Vertrauenseigenschaften ist die Öffnung von Produktionsstätten zur Inspektion durch die Konsumenten, wie es beispielsweise beim Hofladen-Verkauf von Bio-Lebensmitteln der Fall ist. Da eine solche direkte Überprüfung für die Masse von Konsumenten und Unternehmen kaum möglich ist, sind Formen der indirekten Informationsübertragung, z. B. über entsprechende verläßliche Angaben auf der Produktverpackung oder in Printmedien, von größerer Bedeutung. Dabei ist jedoch zu beachten, daß die Bereitschaft und Fähigkeit zur Aufnahme ökologieorientierten Faktenwissens angesichts einer generell konstatierten Informationsüberlastung von Konsumenten begrenzt ist. Weite Verbreitung hat deshalb das sog. Öko-Labeling gefunden. —>Öko-Label sind Schlüsselinformationen (information chunks), in denen das Gesamturteil eines ökologischen Bewertungs-

Konsumentenverhalten, umweltorientiertes prozesses in komprimierter, leicht verständlicher Form abgebildet wird. Sollen solche Öko-Label bei den Konsumenten die erwünschte Glaubwürdigkeit erzeugen, müssen die ökologischen Bewertungen von entsprechend fachkompetenten und unabhängigen Institutionen durchgeführt werden. Beispiele sind hier der von der Jury Umweltzeichen vergebene Blaue Engel, das Qualitätsurteil der Zeitschrift Öko-Test oder auch die Warenzeichen der Anbauverbände der AGÖL (Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau). Durch Firmen-Label, die nicht auf dem Urteil unabhängiger Dritter beruhen, ist es in den letzten Jahren jedoch zu einer Label-Hypertrophie und damit einhergehend zu einer Verunsicherung der Konsumenten gekommen, wodurch entsprechende Schwierigkeiten für den Einsatz dieses Instrumentes entstanden sind. Eine relativ leicht zugängliche, von unabhängiger Seite erstellte Informationsquelle ist in Deutschland auch der sozial-ökologische Unternehmenstest, in dem über die Produktebene hinaus das soziale und ökologische Verhalten des gesamten Unternehmens untersucht wird. Dieser Test wird vom Institut für Markt-Umwelt-Gesellschaft (imug) in Zusammenarbeit mit zahlreichen Verbraucherverbänden durchgeführt und in Form branchenbezogener Einkaufsführer publiziert. Informationsdefizite erklären jedoch nur einen Teil der ökologischen Verhaltenslücke. Die Empirie zeigt, daß selbst in Bereichen, in denen der Umweltvorteil einer ökologischen Alternative anerkannt ist, umweltbewußte Konsumenten trotz vorhandenen Wissens entgegen ihrer ökologischer Werte und Einstellungen handeln. An dieser Stelle greifen nutzentheoretische Überlegungen, die auf der Charakterisierung der natürlichen —»Umwelt als öffentlichem Gut basieren. Derartige Güter sind dadurch gekennzeichnet, daß zum einen niemand von ihrer Nutzung ausgeschlossen werden kann (fehlendes Ausschlußprinzip) und zum anderen die Grenzkosten ihres Konsums gleich Null sind (keine Konsumrivalität), was bedeutet, daß es (theoretisch) irrelevant ist, ob von dem Gut eine Einheit mehr oder weniger genutzt wird: Ob ein weiterer Konsument in den Kurzurlaub fliegt, verschlechtert nicht die globale Umweltsituation. Daraus ergibt sich umgekehrt, daß auch die Reduzierung der

Konsumentenverhalten, umweltorientiertes Umweltnutzung durch den einzelnen nur marginale, nicht direkt spürbare Umweltschutzeffekte hat. Zudem wird jede Umweltwirkung "sozialisiert", kommt also allen gleichermaßen zugute, während entstehende Kosten bzw. Nutzeneinbußen vom Umweltschützer privat zu tragen sind. Auf der Konsumentenseite hemmt eine solche Konstellation die Eigeninitiative und fördert das sog. Trittbrettfahrer-Verhalten (->FreeRider-Verhalten): Ein Konsument der z. B. Fahrrad anstatt Auto fährt, kann so evtl. erhebliche Zeit- und Bequemlichkeitseinbußen erleiden, ohne daß er durch eine bessere Luftqualität entschädigt würde. Verzichten jedoch viele auf das Auto, so kann die dadurch erreichte Verbesserung der Umweltqualität auch von den wenigen verbliebenen Autofahrern genossen werden. Somit stellt sich die Frage, warum Konsumenten dann überhaupt ökologisch handeln. Aus nutzentheoretischer Sicht und anknüpfend an die oben vorgenommene Kategorisierung von Bedürfnissen ergeben sich dafür zwei Erklärungsansätze. Zum einen kann ökologischeres Handeln generell, also auch bei fehlendem Umweltbewußtsein, einen individuell höheren Netto-Nutzen stiften, wenn es mit geringeren Kosten oder zusätzlichen funktionalen oder physiologischen Nutzenkomponenten verknüpft ist. So bietet das Rad fahren im Gegensatz zum Autofahren ggf. die Möglichkeit zu (fast) kostenloser gesunder Bewegung an frischer Luft; Lebensmittel aus ökologischem Anbau sind häufig gesünder und schmackhafter als konventionell erzeugte Ware. Neben diesem generellen Nutzen gibt es mit dem psychologisch orientierten Selbstachtungs- und dem sozial basierten Fremdachtungsnutzen aber auch spezielle ökologisch bedingte Nutzenkomponenten, die nur von umweltbewußten Konsumenten bzw. von Konsumenten mit einem umweltbewußten Umfeld realisiert werden können. Dabei entsteht der individuelle Nutzen des ökologischeren Handelns nicht aus den tatsächlich erreichten Umweltverbesserungen als Handlungsergebnis, sondern aus der Übereinstimmung des Handlungsprozesses mit den eigenen Bedürfnissen sowie den Anforderungen der Bezugspersonen.

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Kontamination 5. Perspektiven für das umweltorientierte Konsumentenverhalten Die bisherigen Erkenntnisse zum umweltorientierten Konsumentenverhalten geben unterschiedlichen Akteursgruppen Hinweise für zukünftiges Handeln. Unternehmen, die ein "echtes" ökologieorientiertes Marketing (-»Marketing, ökologieorientiertes) betreiben, muß klar sein, daß der Umweltvorteil an sich weder erkennbar noch individuell nutzenstiftend ist. Nur durch eine entsprechende Leistungs- und Kommunikationspolitik kann es gelingen, zum einen den (sozialen) ökologischen Nutzen des eigenen Angebotes verständlich und glaubwürdig zu präsentieren und ihn zum anderen mit individuellen Nutzenkomponenten zu verknüpfen. Ein unternehmerisches -»Öko-Marketing, das auch auf das Streben von Konsumenten nach einem ökologisch bedingten Fremdund Selbstachtungsnutzen setzt, ist dazu jedoch auf ein ausreichendes Umweltbewußtsein angewiesen. Dieses sicherzustellen ist Ziel eines Marketing für —»Ökologie, das v. a. von Umweltverbänden und staatlichen Institutionen betrieben wird und in Zeiten stagnierenden bzw. sogar fallenden Umweltbewußtseins neu an Bedeutung gewinnt. Von Seiten der umweltorientierten Konsumentenverhaltensforschung kann ein solches Unterfangen unterstützt werden durch eine Schwerpunktverlagerung, weg von der primär deskriptiven Erforschung des Umweltbewußtseins hin zu Möglichkeiten seiner bewußten Stimulierung und Steigerung. Dazu scheint eine stärkere Verknüpfung der umweltorientierten Forschung mit Theorien und Methoden der traditionell marktorientierten Konsumforschung notwendig zu sein. Daneben sind weiterhin Ansätze zur Schließung der Verhaltenslücke sowie die Suche nach Möglichkeiten des umweltgerechten Verhaltens ohne explizit umweltorientierten Antrieb von besonderer Relevanz. Insgesamt wird sich zum einen der Trend zu einer Ausdifferenzierung der umweltorientierten Konsumentenforschung weiter fortsetzen, um so die Spezifika der unterschiedlichen Bereiche wie Wohn-, Verkehrs-, Ernährungsund Kleidungsverhalten konkret herauszuarbeiten. Zum anderen wird es aber auch darauf ankommen, Querschnittsthemen zu entdecken und zu vertiefen, die eine Übertra-

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Kontrahierungspolitik gung von Erkenntnisgewinnen zwischen den einzelnen Untersuchungsfeldern erleichtern. Aktuell diskutierte Themen sind dabei beispielsweise Öko-effiziente Dienstleistung und Konsum ohne Eigentum, ökologische Konsum- und Lebensstile oder Fragen der Verknüpfung der Umweltorientierung mit der sozialen Dimension der Nachhaltigkeit. Weiterfuhrende Literatur: Cornwell, T. BJ Schwepker Jr., C. H.\ Ecologically Concerned Consumers and Their Product Purchases, in: Polonsky, M. J./Mintu-Wimsatt, A. T. (eds.): Environmental Marketing. Strategies. Practice. Theory, and Research, New York/London 1997; Engel, J. F./ Blackwell, R. DJ Miniard, P. W.\ Consumer Behavior, 8. Aufl., Fort Worth 1995; Hansen, UJ Schräder, U.: A Modern Model of Consumption for a Sustainable Society, in: Journal of Consumer Policy, Vol. 20, No. 4, o. O. 1997; HennigThurau, T.: Konsum-Kompetenz, Frankfurt u. a. 1998; Meffert, HJ Kirchgeorg, M.\ Ökologieorientiertes Konsumentenverhalten als markt- und wettbewerbsstrategische Herausforderung für das Umweltmanagement, in: Steger, U. (Hrsg.): Handbuch des integrierten Umweltmanagements, München 1998; Scherhorn, GJ Reisch, LJ Schrödl, S.: Wege zu nachhaltigen Konsummustern. Überblick über den Stand der Forschung und vorrangige Forschungsthemen, Marburg 1997. Dipl.-Oec. U. Schräder Dr. T. Hennig-Thurau

Kontamination Verunreinigung bzw. Belastung von Wasser, Boden, Luft, Nahrungsmitteln oder Organismen mit Chemikalien oder radioaktivem Material.

Kontrahierungspolitik Beinhaltet alle Maßnahmen- und Zielentscheidungen zur vertraglichen Absicherung der Transaktionsbedingungen bei einem Verkauf. Die Ausrichtung erfolgt auf den Kontrahierungsmix mit den Entscheidungsbereichen der Preispolitk und Konditionenpolitik. In der Preispolitk fuhren

Konversion die oft höheren Kosten einer ökologischen Verfahrensbzw. Produktwahl, trotz zahlreicher Kosteneinsparungen, zu höheren Preisforderungen. ->Öko-Marketing

Konversion bedeutet im weiteren Sinne Umdeutung. Im betriebswirtschaftlichen Kontext beschreibt Konversion die Neustrukturierung eines Unternehmens. Geoökologisch bezeichnet Konversion die Umstrukturierung und Revitalisierung alter Militärliegenschaften und großer Flächenareale. —»Flächenrecycling

Konzept der Dematerialisierung Das Konzept der Demateralisierung fordert, Güter zu schaffen, die von der Wiege bis zur Bahre (-»Lebenszyklusanalyse) einen möglichst geringen Verbrauch an natürlichen -»Ressourcen erfordern. Ziel ist die Steigerung der Ressourcenproduktivität.

Konzept des Umweltraums Von H. Opschoor 1992 entwickeltes Konzept. Umweltraum bezeichnet denjenigen Raum, der durch Menschen genutzt werden kann, ohne irreversible Einwirkungen auf diesen auszuüben. Er bezeichnet die Menge an -»Ressourcen, die dauerhaft genutzt werden können, und somit in gleichem Maße zukünftigen Generationen zur Verfügung stehen können.

Kooperationslösungen der Umweltpolitik 1. Begriffliche Grundlagen Kooperationslösungen der -»Umweltpolitik umfassen alle Formen der freiwilligen Zusammenarbeit zwischen gesellschaftlichen, staatlichen und wirtschaftlichen Akteuren, um im Konsens gemeinsame Umweltschutzziele festzulegen und/oder durchzusetzen. Bei der Betrachtung von Kooperationslösungen der Umweltpolitik ist es zweckmäßig, die theoretischen und praktischen Zusammenhänge, wie man sie bei allen Kooperationen beobachten kann, auf den speziellen ökologischen Kontext zu übertragen. Deshalb werden im folgenden zunächst allge-

Kooperationslösungen der Umweltpolitik mein der Begriff und die Motive der Kooperation geklärt; die Untersuchung von Kooperationslösungen in der Umweltpolitik ist dann der zweite Schritt. Der Begriff Kooperation kommt vom lateinischen cooperare (= zusammenarbeiten, mitwirken) und wird definiert als das bewußte Handeln von Personen, Gruppen oder Organisationen auf einen bestimmten Zweck hin, wobei die Einzelaktivitäten der Beteiligten durch Verhandlungen und Abmachungen koordiniert werden. Es handelt sich bei einer Kooperation also um eine spezielle Art der Koordination von Plänen verschiedener Akteure. Kooperation ist gegen die dezentrale Marktkoordination (Konkurrenz) und die zentrale Koordination über Pläne (Zentralplanung) abzugrenzen, wobei sie zwischen diesen beiden Extrempolen eingeordnet werden kann. Als Motive für Kooperation lassen sich Produktivitäts-, Macht- und Diffusionswirkungen nennen. Produktivitätswirkungen sind auf die Ausschöpfung von Synergiepotentialen durch gemeinsames Handeln zurückfuhren, d. h. es werden -»economies of scale and scope ausgenutzt. Machtwirkungen entstehen aus der Bündelung und kollektiven Vertretung gemeinsamer Interessen, wie dies beispielsweise in Kartellen und Untemehmensverbänden geschieht. Diffusionswirkungen der Kooperation erwachsen aus den Vorteilen einer raschen Informationsweitergabe innerhalb von Kooperationen, so daß die Verbreitung technischen Fortschritts durch kooperatives Verhalten gefördert wird. Kooperation ermöglicht grundsätzlich eine Ausweitung des Handlungsspielraumes der Kooperationspartner, denn sonst würde freiwillig keine Zusammenarbeit zustande kommen. Dem steht der Nachteil gegenüber, daß Kooperation in der Regel nur möglich ist, wenn die Partner auf einen Teil ihrer Handlungsautonomie verzichten. In einer Kooperation müssen z. B. gemeinsame Entscheidungen getroffen werden, an die der einzelne gebunden ist, auch wenn dies im Einzelfall seinen Individualzielen entgegensteht. Der Zusammenhang zwischen der Ausweitung des Handlungsspielraumes unter Inkaufnahme eines gewissen Verlustes an 187

Kooperationslösungen der Umweltpolitik Autonomie wird als „Paradoxon der Kooperation" bezeichnet. Hierauf wird im Rahmen der Kooperationstheorie näher einzugehen sein (Gliederungspunkt 3). Unter dem Stichwort „-»Kooperationsprinzip" spielen Kooperationslösungen sowohl in der staatlichen als auch in der betrieblichen Umweltpolitik eine prominente Rolle. Dies ist Thema des nächsten Abschnitts. 2. Das Kooperationsprinzip in der staatlichen und betrieblichen Umweltpolitik Bereits im ersten Umweltprogramm der Bundesregierung im Jahre 1971 wurde das Kooperationsprinzip neben dem Verursacher- und dem Vorsorgeprinzip als grundlegende Leitlinie der staatlichen Umweltpolitik festgelegt. Das Kooperationsprinzip entspricht einer Anwendung des Subsidiaritätsprinzips und bezweckt eine möglichst weitgehende Delegation des Umweltschutzes auf Wirtschaft und Gesellschaft. Angestrebt wird ein ausgewogenes Verhältnis zwischen individueller Freiheit und gesellschaftlichen Bedürfnissen. Dies soll erreicht werden, indem auf die Mitverantwortlichkeit und Mitwirkung der Verursacher umweltschädigender Aktivitäten sowie auf die Beteiligung der Betroffenen bei geplanten und durchzuführenden, umweltschützenden Maßnahmen hingewirkt wird. Darüber hinaus bildet das Kooperationsprinzip - neben dem Kreislaufprinzip und dem Verantwortungsprinzip - ein Kernelement im umweltpolitischen Leitbild einer dauerhaftnachhaltigen Entwicklung (-»Sustainable Development). Der Sustainable-Development-Gedanke läßt sich sowohl auf der Ebene (inter-)nationaler staatlicher Umweltpolitik als auch auf betrieblicher Ebene, im Rahmen eines integrierten Ansatzes des -»Umweltmanagements, anwenden. Das Kreislaufprinzip korrespondiert als erste Säule des Sustainable-DevelopmentLeitbildes mit dem Begriff der zirkulären Ökonomie, in der die gesamt- und einzelwirtschaftlichen Wertschöpfungskreisläufe so gestaltet werden sollen, daß die Zunahme der -»Entropie im ökologischen und ökonomischen System möglichst gering ist. Darüber hinaus wird mit dem Verantwor-

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Kooperationslösungen der Umweltpolitik tungsprinzip, dem zweiten Grundpfeiler eines Sustainable Development, eine interund intragenerative Gerechtigkeit angestrebt, also einerseits der Abbau des Wohlstandsgefälles zwischen Industrie- und Entwicklungsländern und andererseits die Berücksichtigung der -»Bedürfnisse zukünftiger Generationen in heutigen Entscheidungen. Das Kooperationsprinzip soll als drittes Prinzip einer dauerhaft nachhaltigen Entwicklung die Notwendigkeit verdeutlichen, im -»Umweltschutz das Verhalten aller beteiligten Individuen, Gruppen und Staaten aufeinander abzustimmen. Hierzu ist ein Zustand notwendig, der die Anreize und Beiträge aller Betroffenen zum Ausgleich bringt. Ein solches Gleichgewicht wird in Marktwirtschaften im Idealfall im Zuge demokratischer, politischer und marktlicher Prozesse hergestellt. Staatliche Umweltpolitik wirkt hierbei auf die Rahmenbedingungen ein, um Anreize für umweltpolitische Kooperationen von Unternehmen und Bürgern zu ermöglichen und zu fordern. Staatliche Umweltpolitik kann sich aber auch über ihre Akteure direkt an Kooperationslösungen beteiligen. Sie setzt insofern einerseits -»Restriktionen für private Kooperationen, wird aber andererseits auch von unternehmerischen Kooperationsstrategien beeinflußt. Beispielsweise können Unternehmen mit Hilfe ihrer Verbände, die als Kooperationsinstrument zu deuten sind, Einfluß auf staatliche Gesetze und Verordnungen nehmen (Lobbying), die ihrerseits nach Erlaß für die Unternehmen bindend wirken. Es ergeben sich daher in Bezug auf Kooperationslösungen enge Interdependenzen zwischen staatlicher und betrieblicher Umweltpolitik. Bevor hierauf eingegangen werden kann, müssen zunächst allgemein das Wesen der Kooperation sowie ihre Voraussetzungen und Probleme aus theoretischer Sicht betrachtet werden. 3. Theorie der Kooperation Die Theorie der Kooperation analysiert die Bedingungen, unter denen kollektives Handeln entsteht. Sie gibt darauf aufbauend Empfehlungen ab, wie die Entwicklung und die Existenz von Kooperation gefordert werden können. Die Theorie der Kooperation

Kooperationslösungen der Umweltpolitik ist eine ökonomische Forschungsrichtung, die allerdings vielfach auf andere Sozialwissenschaften zurückgreifen muß, wie z. B. auf die (Sozial-) Psychologie. Die hier dargestellten Ansätze stellen die ökonomische Perspektive in den Vordergrund. Oben wurde bereits auf das „Paradoxon der Kooperation" hingewiesen. Hieraus erwachsen zwei Problemkreise, die die Grundlage der Kooperationstheorie darstellen: (1)

(2)

Häufig kommt es nicht zu Kooperation, obwohl dies für alle Beteiligten vorteilhaft wäre. Bestehende Kooperationen sind generell durch eine Tendenz zur Instabilität gekennzeichnet. Diese Probleme werden unter den Begriffen -»„Gefangenendilemma" und „Anreiz zum Trittbrettfahren" (->Free-Rider-Verhalten) behandelt. Es wird im folgenden deutlich, daß es sich um zwei Ausprägungen desselben Phänomens handelt. Der Unterschied besteht darin, daß man beim Gefangenendilemma kleine Gruppen betrachtet, typischerweise nur zwei Personen, während bei der Analyse des Trittbrettfahrer-Problems meist große Gruppen untersucht werden.

Das Gefangenendilemma kann man mittlerweile als den Klassiker der Kooperationstheorie bezeichnen. Dies ist darauf zurückzuführen, daß es in besonders anschaulicher Weise die Anreizstrukturen verdeutlicht, die bewältigt werden müssen, um erfolgreich zu kooperieren. Seinen Namen entlehnt das Gefangenendilemma aus dem amerikanischen Strafrecht, in dem es die Kronzeugenregelung gibt. Zwei Gefangene werden des gemeinsamen Mordes bezichtigt, den man ihnen aber nicht nachweisen kann. Der Staatsanwalt entwickelt eine Strategie, die ihm dennoch die Überführung der Gefangenen ermöglicht. Dazu macht er beiden Gefangenen folgendes Angebot: (1)

Wenn einer der Gefangenen ein Geständnis ablegt, das den anderen belastet und dieser leugnet, so kommt der Geständige als Kronzeuge frei, wäh-

Kooperationslösungen der Umweltpolitik

(2) (3)

rend der andere die Höchststrafe von 25 Jahren absitzen muß. Sind beide geständig, so bekommen beide die übliche Strafe von 15 Jahren. Schweigen beide, so erhalten sie jeweils 1 Jahr für eine vom Staatsanwalt nachweisbare Tat, also nicht wegen Mordes, sondern z. B. wegen unerlaubten Waffenbesitzes.

Die Gefangenen befinden sich nun in einem Dilemma: Die beste Lösung aus Sicht beider wäre Kooperation, d. h. gemeinsames Leugnen, denn dann betrüge die Summe der Haftstrafen lediglich 2 Jahre. Aus Sicht des einzelnen ist es aber immer vorteilhaft zu gestehen, unabhängig davon, wie der andere sich verhält: (a)

(b)

Gesteht der andere, so ist es für den ersten von Vorteil ebenfalls zu gestehen, weil er dann statt 25 nur 15 Jahre einsitzt. Leugnet der andere, so ist für den ersten ebenfalls „Gestehen" die beste Strategie, weil er dann freikommt, anstatt 1 Jahr im Gefängnis zu verbringen. Die Anreizstruktur fuhrt dazu, daß rational-eigennützige Akteure gestehen werden. Im Ergebnis erhalten dann beide 15 Jahre Gefängnisstrafe (30 Jahre in der Summe), also die denkbar schlechteste Lösung. Dieses intuitiv paradox erscheinende Ergebnis ist auf das Auseinanderfallen von individueller und kollektiver Rationalität zurückzuführen. Maßgeblich für das Scheitern der Kooperation im Gefangenenbeispiel ist, daß die Entscheidungssituation nur ein einziges Mal vorliegt. In der Spieltheorie, die derartige Probleme mathematisch analysiert, spricht man von einem one-shot game. Wird eine Dilemmasituation mehrmals wiederholt, so ändern sich die Anreize; die Zukunft wirft einen Schatten auf die Gegenwart. Es kann nun vorteilhaft für den einzelnen sein, sich eine Reputation als verläßlicher Partner aufzubauen. Die Beteiligten können daher das Risiko eingehen, kurzfristig ausgebeutet zu werden, weil sie später die Möglichkeit haben werden, sich zu rächen. Jeder Partner verfügt über ein Drohpotential 189

Kooperationslösungen der Umweltpolitik für den Fall, daß der andere die Kooperationsbereitschaft ausnutzt. Die Anreize nicht zu kooperieren nehmen zu, wenn man große Gruppen betrachtet. In diesem Falle spricht man vom Problem des Trittbrettfahrens. Die Konsequenz ist allerdings die gleiche wie beim Gefangenendilemma: Es kommt zum Auseinanderfallen von individueller und kollektiver Rationalität. Ein einfaches Beispiel aus dem Umweltbereich möge die Grundstruktur des Problems verdeutlichen: Eine Papierfabrik leitet ihre Abwässer in einen Fluß ein und fugt dadurch einer Gruppe von 100 Fischern einen Schaden durch geringere Fangerträge zu. Der Eigentümer der Papierfabrik ist bereit, eine Kläranlage zu bauen, wenn er eine Zahlung in Höhe von 100 GE erhält. Für jeden der Fischer ergäben sich dabei Mehreinnahmen aus höheren Fangergebnissen in Höhe von 2 GE. Die gesamten Mehrerträge von 200 GE übersteigen also die Kosten von 100 GE; eine Kooperation der Fischer würde zu einem sozialen Überschuß von 100 GE führen. Aus kollektiver Sicht wäre es zweifellos sinnvoll, daß jeder Fischer einen Finanzierungsbeitrag in Höhe von 1 GE zahlt, so daß die Kläranlage gebaut werden kann. Der einzelne Fischer wird aber anders kalkulieren, sofern er individuell-rational handelt. Da er vom Nutzen der Kläranlage nicht ausgeschlossen werden kann, also einen Mehrertrag von 2 GE auch ohne Beteiligung am Kläranlagen-Bau erwirtschaftet, so wäre es vorteilhaft für ihn, nicht zur Finanzierung beizutragen. Für die 99 anderen Fischer ergäbe sich keine signifikante Änderung, denn sie würden von ihrem Mehrertrag von 2 GE nun Kosten von 100/99 GE subtrahieren müssen, was für den einzelnen jedoch kaum spürbar wäre. Hierin aber liegt der Kern des Problems. Jeder einzelne der 100 Fischer wird das oben skizzierte individuellrationale Kalkül anstellen, mit dem Ergebnis, daß niemand einen Finanzierungsbeitrag leistet, so daß die Kläranlage nicht gebaut werden könnte. Die Ursache für das Scheitern der Kooperation, d. h. für das Trittbrettfahren liegt darin begründet, daß es sich bei der Kläranlage um ein sogenanntes Kollektivgut handelt.

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Kooperationslösungen der Umweltpolitik

-»Kollektivgüter lassen sich durch Eigenschaften charakterisieren: (1) (2)

zwei

Nicht-Exkludierbarkeit und Nicht-Rivalität.

Nicht-Exkludierbarkeit bedeutet, daß niemand von der Nutzung eines Gutes ausgeschlossen werden kann. Nicht-Rivalität liegt vor, wenn kein Nutzer externe Effekte auf die anderen Beteiligten verursacht. Anders ausgedrückt können mehrere Wirtschaftssubjekte ein Gut gemeinsam nutzen, ohne sich gegenseitig zu beeinträchtigen oder zu behindern, es entstehen also keine Überfullungskosten. Bei Vorliegen beider Charakteristika spricht man von einem rein öffentlichen Gut, bei Fehlen beider Eigenschaften handelt es sich um ein privates Gut. In der Realität befinden sich die meisten Güter zwischen diesen beiden Extrempolen, d. h. sie weisen beide Charakteristika mehr oder weniger stark ausgeprägt auf. Beispielweise ist die -»Umwelt (z. B. die Erdatmosphäre) als sogenanntes Quasi-Kollektivgut dadurch gekennzeichnet, daß einerseits NichtExkludierbarkeit vorliegt, während jedoch andererseits zwischen den Nutzern Rivalität besteht. Die Bereitstellung eines (Quasi-) Kollektivgutes macht eine Kooperation der Betroffenen bzw. Beteiligten erforderlich. Wie das obige Beispiel zeigt, kann dies mit Schwierigkeiten behaftet sein, weil die individuelle und die kollektive Rationalität auseinanderfallen: Kooperatives Handeln würde für alle einen positiven Netto-Nutzen bringen. Aus der Perspektive des Individuums ist es aber vorteilhaft, die Trittbrettfahrer-Position einzunehmen, d. h. sich am Kooperationserlös zu beteiligen, nicht aber an den Kosten. Kooperation bedeutet in der hier verwendeten Terminologie demnach, daß ein ->Gefangenendilemma aufgelöst oder Trittbrettfahren verhindert wird. Um eine Gruppe zu stabilisieren, sind Institutionen notwendig. Diese werden von der Neuen Institutionenökonomik (New Institutional Economics), einem modernen Zweig der mikroökonomischen Wirtschaftstheorie, als

Kooperationslösungen der Umweltpolitik

Satz von Normen und Regeln definiert, die im Falle von Verstößen mit Sanktionen bewehrt sind. Aus Sicht des Gruppenmitgliedes ist es rational, sich Institutionen zu unterwerfen, die Kooperationen stabilisieren, weil durch sie ebenso alle anderen Kooperationspartner dazu veranlaßt werden, sich kooperativ zu verhalten. Bezogen auf das oben geschilderte Gefangenendilemma ist das Schweigegesetz (Omertà) der Mafia ein besonders illustratives Beispiel für eine Institution. Die Omertà sieht vor, daß geständige Verräter erschossen werden, sobald sie als Kronzeuge frei kommen. Diese Institution ist aus Sicht der Mafia-Angehörigen positiv zu werten, denn jeder kann leugnen, ohne der Gefahr ausgesetzt zu sein, von jemand anderem verraten zu werden. Dieses Beispiel macht darüber hinaus deutlich, das Kooperation auch negative gesellschaftliche Effekte haben und daher sozial unerwünscht sein kann. Dies zeigt sich im Wirtschaftsleben besonders deutlich bei Kartellen und im Lobbying. Letzteres kann auch im Umweltbereich von Belang sein, wenn beispielsweise Interessenverbände wünschenswerte Umweltgesetze oder -Verordnungen zu verhindern oder ihren Partikularzielen entsprechend abzuändern suchen. Als Zwischenergebnis der bisherigen Ausfuhrungen läßt sich festhalten, daß Kooperationswillige geeignete Institutionen finden müssen, um eine Kooperation zu implementieren und zu stabilisieren. Dabei geht es immer darum, Trittbrettfahren auszuschalten bzw. die Anreizstrukturen von Gefangenendilemmata aufzulösen. Die umfaßendste Institution zur Absicherung der Kooperation ganzer Gesellschaften ist der Staat. Die Kooperation erfolgt dabei auf konstitutioneller Ebene. Der Staat begrenzt bis zu einem gewissen Grad die Freiheit des Individuums, damit ein Leben in (staatlich begrenzter) Freiheit in einem Gemeinwesen möglich wird. Dieses „Paradoxon der Freiheit" ist das Äquivalent zu dem oben beschriebenen „Paradoxon der Kooperation". Der Staat bedient sich gewöhnlich des Instruments des Zwangs. Bezogen auf das obige Beispiel würde jeder Fischer zur Abgabe des Finanzierungsbeitrages gezwungen. Neben dem Zwang diskutiert die Ko-

Kooperationslösungen der Umweltpolitik operationstheorie vor allem selektive Anreize als Instrument, das den einzelnen dazu veranlassen soll, seinen individuellen Beitrag zur Kooperation zu leisten. Selektive Anreize werden geschaffen durch zusätzliche Leistungen des Kollektivs, die exklusiv nur denjenigen zugute kommen, die sich kooperativ verhalten. Ein typisches Beispiel wäre ein Verband, der die Interessen von Unternehmen beispielsweise in einem Gesetzgebungsverfahren vertritt. Von den Erfolgen dieser Arbeit lassen sich gewöhnlich Trittbrettfahrer nicht ausschließen. Um die Unternehmen trotzdem dazu zu veranlassen, Mitglied des Verbandes zu werden, könnte er zusätzlich Qualitäts- oder -»Öko-Label vergeben, die exklusiv nur Mitglieder bekommen können. Eine weitere Institution zur Sicherstellung von Kooperation ist die Reputation, die im Rahmen des Gefangenendilemmas bereits angesprochen wurde. Reputation läßt sich als eine Form der Investition interpretieren, die entwertet würde, wenn man sich kurzfristig opportunistisch verhält und damit eine langfristig vorteilhafte Kooperation zerstört. Neben diesen extern wirkenden Institutionen können aber auch sozial-psychologische Mechanismen, wie Vertrauen, geteilte Werte und eine gemeinsame Kultur, Kooperationen entstehen lassen und absichern. Von großer Bedeutung für viele Kooperationen ist Solidarität, die von der Kooperationstheorie ebenfalls als Institution im Sinne der oben gebrachten Definition gedeutet wird. Solidarität erzeugt ein Wir-Gefuhl und damit eine Gruppen-Identität. Wer gegen solidarische Normen verstößt, wird mit Hilfe sozialer Sanktionsmechanismen bestraft. Zusammenfassend werden im folgenden die Voraussetzungen für erfolgreiche Kooperation genannt: (1)

(2)

Die Trittbrettfahrer-Position darf nicht attraktiv sein; ihre Ausübung muß institutionell durch Zwang, selektive Anreize, Reputation oder Solidarität verhindert werden. Es muß durch die Zusammenarbeit ein Kooperationserlös erwirtschaftet werden, der größer ist als die Summe des191

Kooperationslösungen der Umweltpolitik

(3)

(4)

sen, was die Partner allein erreichen könnten. Dies bedeutet vor allem, daß der Gesamtnutzen die Gesamtkosten, einschließlich der Opportunitätskosten, übersteigen muß. Für jedes einzelne Kooperationsmitglied muß der Anreiz-Beitrags-Saldo positiv sein, der individuelle Nutzen muß die vom einzelnen zu tragenden Kosten übersteigen. Die Aufteilung des Kooperationserlöses und der Finanzierungslasten muß von den Partnern als gerecht empfunden werden (Verteilungsgerechtigkeit). Diese Zusammenhänge spielen fur jede Art der Kooperation eine bedeutende Rolle, so auch für Kooperationslösungen der Umweltpolitik.

Diese theoretischen Überlegungen sind für die Umweltpolitik von höchster Bedeutung, denn das Umweltproblem selbst stellt ein Kooperationsproblem dar. Die Übernutzung der -»Umweltmedien wird durch die exzessive Ausübung der Trittbrettfahrer-Option verursacht. Der Einfluß einzelner Individuen, Haushalte oder Unternehmen auf die Umweltqualität ist so gering, daß isoliertes individuelles Handeln zwecklos ist, nur das Zusammenwirken sehr vieler Wirtschaftsubjekte kann spürbare Verbesserungen bewirken. Dem steht aber der Anreiz zum Trittbrettfahren entgegen, sofern dies nicht durch geeignete Institutionen verhindert wird. Mögliche Wege zur Lösung von Umweltproblemen sind also immer spezielle Formen der Kooperation, die eines institutionellen Rahmens auf globaler, nationaler und regionaler Ebene bedürfen. 4. Systematik der Kooperationslösungen der Umweltpolitik Entscheidungslogisch ist streng zwischen Ziel und Mittel zu trennen. Nur so ist rationales Handeln gemäß dem ökonomischen Prinzip möglich. Kooperationslösungen können sich auf beide Ebenen beziehen. Dies wird deutlich, wenn man sich die Merkmale bzw. die Struktur des Entscheidungsprozesses staatlicher und betrieblicher Umweltpolitik anschaut.

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Kooperationslösungen der Umweltpolitik So gilt für eine rationale staatliche Umweltpolitik, daß sie auf der Grundlage einer ökologisch-ökonomischen Bestandsaufnahme (Ist-Situation) erfolgen muß. Es sind operationale umweltpolitische Ziele zu definieren (Soll-Situation), um rechtlichadministrativ und politisch durchsetzbare Instrumente zur Erreichung dieser Ziele festlegen zu können. Eine kontinuierliche Kontrolle hat die Effektivität und Effizienz der Umweltpolitik zu gewährleisten. Der Entscheidungsprozeß im betrieblichen -»Umweltmanagement sollte eine analoge Struktur aufweisen. Auf die Identifikation strategischer Schlüsselfaktoren (ökologische SWOT-Analyse, d. h. Chancen/Risiken- und Stärken/Schwächen-Analyse) muß eine ökologiegerechte Festlegung der Unternehmensziele erfolgen. Daraus lassen sich ökologische Unternehmensstrategien ableiten; auf taktischer und operationaler Ebene ergeben sich gegebenenfalls konkrete Umweltschutzmaßnahmen im —»Beschaffungs-, Produktions-, -»Marketing- und Entsorgungsbereich. Eine Kontrolle stellt auch hier eine wirkungsvolle und wirtschaftliche Erreichung der ökologischen und ökonomischen Unternehmensziele sicher. In beiden Entscheidungskontexten wird also zwischen der Ziel- und der Instrumentenebene differenziert. Diese Unterscheidung kann als eine Dimension herangezogen werden, um Kooperationslösungen der Umweltpolitik zu systematisieren. Als zweites Merkmal werden im folgenden die unterschiedlichen Beteiligten einer Kooperationslösung herangezogen. Dabei sind die Kooperationsarten teilweise interdependent. Beispielsweise muß sich eine Gruppe von Bürgern zunächst als Anspruchsgruppe organisieren, um als Kooperationspartner eines Unternehmens auftreten zu können. Ebenso müssen z. B. Unternehmen einer Branche kooperieren, wenn sie gemeinsam als Gruppe ein —»Selbstverpflichtungsabkommen mit dem Staat aushandeln wollen. Die nachfolgende Systematik der Kooperationslösungen der Umweltpolitik dient als Gliederung der weiteren Ausführungen.

Kooperationslösungen der Umweltpolitlk

Kooperationslösungen der Umweltpolitik

Zielebene staatliche Akteure staatliche Akteure Staatlicher Akteur Bflrger bzw. gesellschaftliche Akteure

Instrumentenebene

globale und internationale Umweltpolitik (vgl. Gp. 5) Kooperative umweltpolitische Zielfindung (vgl. Gp. 6) organisierte Anspruchsgruppe, Bürgerinitiative, Umweltverbände (vgl. Gp. 7)

BOrger BOrger Unternehmen staatlicher Akteur -

politikorientierte Unternehmenskooperation (vgl. Gp. 9) ökologieorientierte Kooperation von Unternehmen (vertikal, horizontal oder lateral) (vgl. Gp. 8)

Unternehmen Unternehmen Unternehmen Öffentlichkeit

öffentlichkeitsorientierte Unternehmenskooperation (vgl. Gp. 10)

5. Globale und internationale Kooperation in der Umweltpolitik Globale Umweltprobleme erfordern das Handeln einer großen Zahl von Staaten. Kein Staat kann im Alleingang die anthropogenen -»Klimaveränderungen durch Spurengase in der Atmosphäre, die Schädigung der Ozonschicht(-»Ozon, —»Ozonloch) insbesondere durch -»Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) und Methylbromid, den Verlust der biogenetischen Vielfalt, die Ausweitung der Wüsten, die Übernutzung der weltweiten Wasservorräte sowie die Gefahren durch hochgefährliche toxische Abfälle spürbar beeinflußen. Zur Bekämpfung jedes dieser Umweltprobleme ist eine mehr oder weniger große Koalition von Staaten notwendig, teilweise müßte sogar die gesamte Staatengemeinschaft aktiv werden. Internationale Kooperation ist auf der Zielund der Instrumentenebene denkbar. Bisherige internationale Abkommen definierten in der Regel die anzustrebenden Umweltziele. Die instrumentelle Umsetzung soll dann auf nationaler Ebene erfolgen. Es ist aber auch eine internationale Kooperation auf Instrumentenebene möglich, so z. B. bei der Institutionalisierung eines globalen Zertifikatmarktes für C0 2 -Emissionen. Eine solche Kooperationslösung wäre im Falle von Globalschadstoffen effizienter, weil Umwelt-

schutzmaßnahmen dort durchgeführt werden können, wo die Vermeidungskosten am geringsten sind. Ebenso sind Emissionsreduktionen im Rahmen von Kompensationslösungen (-»Joint implementation) zwischen Emittenten in Industrie- und Entwickungsländem bei den Instrumenten einzuordnen. Die grundlegende Schwierigkeit einer internationalen Kooperation läßt sich aus der Kooperationstheorie ableiten. Globaler Umweltschutz hat die Eigenschaften eines Kollektivgutes, so daß aus Sicht des Einzelstaates die Trittbrettfahrer-Position attraktiv ist. Die Staatengemeinschaft befindet sich somit in einem -»Gefangenendilemma. Da es keine überstaatliche Institution gibt, die wirksam Zwang ausüben könnte (MetaStaat), sind internationale oder gar globale Umweltschutzabkommen außerordentlich schwierig zu institutionalisieren. Hinzu kommt, daß eine funktionierende Kooperation nur dann gewährleistet werden kann, wenn die Aufteilung des Kooperationserlöses und der aufzuwendenden Kosten als gerecht empfunden wird. Die Interessengegensätze der verschiedenen Staaten - exemplarisch seien die Gruppen der Industrie- und Entwicklungsländer genannt - sind jedoch so groß, daß ein als gerecht empfundener Konsens nur sehr schwer erreichbar ist.

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Kooperationslösungen der Umweltpolitik Eindrucksvoll wird dies sichtbar in dem bisher umfassendsten Versuch einer Kooperation zur Lösung internationaler Umweltprobleme, dem Bemühen zur Bekämpfung des —»Treibhauseffektes. Weder die 1992 in -»Rio vereinbarte -»Klimarahmenkonvention noch die Verhandlungen auf den nachfolgenden Vertragsstaatenkonferenzen in Berlin (1995) und in Kyoto (1997) haben bisher zu Ergebnissen geführt, die aus ökologischer Sicht als ausreichend bezeichnet werden können. Es gibt allerdings auch Beispiele erfolgreicher internationaler Kooperation. Als Musterbeispiel gelten die Verträge zum Schutz der Ozonschicht. So verpflichteten sich die Industrieländer im Montrealer Protokoll von 1987, das 1989 in Kraft trat, sowie in den Amendements 1990 in London und 1994 in Kopenhagen, bis zum Jahre 1996 ganz auf FCKW zu verzichten. Im Gegenzug sollten die Entwicklungsländer ihre FCKWProduktion bis 2005 auf 50% des Durchschnittsniveaus von 1995-1997 reduzieren, um bis 2010 ebenfalls ganz auszusteigen. Anfang 1998 waren 165 Nationen Mitglied des Protokolls, 120 hatten die London Amendements und 77 die Kopenhagen Amendements ratifiziert. Fragt man nach den Gründen für den Erfolg dieser Kooperation, so läßt sich zunächst auf die oligopolistische Marktstruktur bei den FCKW-Produzenten hinweisen. Die Herstellung dieses Gases konzentrierte sich wegen hoher Skalenerträge auf wenige Länder und Finnen. Es wurde oben bereits gezeigt, daß eine kleine Gruppe tendenziell eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine stabile Kooperation aufweist. Hinzu kommt, daß die Hersteller von FCKW auch die FCKW-Substitute produzieren, so daß ihnen aus dem Ausstieg keine großen Nachteile erwachsen. Darüber hinaus ist das gestiegene —»Umweltbewußtsein in der Bevölkerung ursächlich dafür, daß Unternehmen Wettbewerbsvorteile erlangen konnten, wenn sie auf FCKW verzichteten. Eine Ursache für die starke Zunahme der Mitgliederzahl des Abkommens dürfte in den 1987 vereinbarten Handelsbeschränkungen liegen, die als selektive Anreize auf die noch verbliebenen Produzenten von FCKW und FCKW-haltigen Produkten wirkten. Somit

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Kooperationslösungen der Umweltpolitik sind beide Beispiele, sowohl die mangelnde Kooperation zur Bekämpfung des Treibhauseffektes wie auch die erfolgreiche Einigung zum Schutz der Ozonschicht, mit der oben skizzierten Kooperationstheorie erklärbar. Lernen kann man aus diesen Beispielen, daß wegen des Fehlens einer überstaatlichen Instanz Lösungen überhaupt nur im Rahmen von internationalen Verhandlungen erreichbar sind. Kooperation läßt sich vor allem durch Multiaspektverhandlungen und Seitenzahlungen erreichen. In beiden Fällen werden selektive Anreize eingesetzt. Bei Multiaspektverhandlungen werden nicht nur -»Umweltqualitätsziele thematisiert, sondern beispielsweise auch der simultane Abbau von -»Handelshemmnissen im Falle eines Verhandlungserfolges. Seitenzahlungen belohnen kooperatives Verhalten direkt mit monetären Transfers. Es wird deutlich, daß solche Lösungen keine echten Kooperationen mehr sind, sondern eher Tauschakte darstellen. 6. Kooperative umweltpolitische Zielfindung In der Umweltökonomik wurde in der Vergangenheit in erster Linie eine Diskussion über die Effektivität und Effizienz des umweltpolitischen Instrumentariums gefuhrt. Vor allem theoretischen Vergleichen wie, -»Auflagen versus marktorientierte —»Instrumente' und .-»Abgaben versus -»Zertifikate* wurde große Aufmerksamkeit geschenkt. Die anzustrebenden Umweltqualitätsziele wurden in diesen Analysen zumeist als operational und bekannt unterstellt. Umweltökonomen gingen bei der Frage nach einem Umweltziel regelmäßig davon aus, daß Naturwissenschaftler ein ökologisches Gleichgewicht feststellen oder daß Sozialwissenschaftler mittels -»Nutzen-KostenAnalysen ein wohlfahrtsökonomisches Pareto-Optimum ermitteln können. Die Praxis hat mittlerweile jedoch gezeigt, daß ein grundlegendes Problem der Umweltpolitik gerade darin besteht, diese anzustrebenden Umweltqualitätsziele festzulegen. Auch der —»Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) hat in seinen Umweltgutachten der letzten Jahre den Zielsetzungsverfahren verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet (vgl. die Umweltgutachten 1994, 1996 und 1998).

Kooperationslösungen der Umweltpolitik Vor allem unter dem Eindruck mangelnder Akzeptanz umweltpolitischer Maßnahmen in der Bevölkerung hat man erkannt, daß eine —•Partizipation der betroffenen gesellschaftlichen Akteure und Bürger zu einem sehr frühen Zeitpunkt, also bereits während der Zielfindungsphase, von großer Bedeutung ist. Der Sachverständigenrat hat daher einen entsprechenden Verfahrensvorschlag unterbreitet. Diesem liegt die Idee zugrunde, daß der Staat auf die Kooperation und das Wissen dieser Gruppen zurückgreift, um so eine Legitimation der Ziele zu gewährleisten und die Übernahme von Verantwortung durch die gesellschaftlichen Kräfte zu erleichtem. Wichtig für eine solche Kooperationslösung aller gesellschaftlichen Gruppen ist, daß sich die Akteure, also vor allem Bürger bzw. Haushalte und Unternehmen, zuvor organisiert haben. Nur so ist es möglich, daß sie ihre partikularen Interessen artikulieren können. Es besteht allerdings die Gefahr, daß sich in einem Zielfmdungsverfahren der vom Sachverständigenrat empfohlenen Art diejenigen zu ihrem Vorteil durchsetzen, die besonders effektiv als Gruppe koalieren können. So sagt die Theorie der Kooperation voraus, daß eine Koalition der Konsumenten als extrem große Gruppe sehr viel problematischer ist als die Gruppenbildung einiger Unternehmen einer Branche. Dies ist bei der Institutionalisierung eines kooperativen Zielfindungsverfahrens zu beachten. Die Kosten der Teilnahme an diesem Prozeß müssen für die Betroffenen möglichst gering gehalten werden. Für die Legitimität und das Funktionieren kooperativer Zielfindung ist von entscheidender Bedeutung, daß sich die gesellschaftlichen -»Anspruchsgruppen mittels Kooperation zu -Interessengruppen zusammengeschlossen haben. Dies ist unter anderem Thema der folgenden Abschnitte. 7. Organisation von Anspruchsgruppen Die Organisation von -»Anspruchsgruppen erfordert kooperatives Verhalten mehrerer Individuen mit gleichen oder ähnlichen Zielen. Grundsätzlich haben organisierte Anspruchsgruppen instrumentellen Charakter; ein gemeinsames Interesse soll gebündelt werden, um es öffentlich artikulieren und gegenüber anderen vertreten zu können. -•Bürgerinitiativen gegen Atomkraftwerke,

Kooperationslösungen der Umweltpolitik End- und Zwischenlager sowie Atommülltransporte lassen sich hier als Beispiel anfuhren. Auch in diesem Zusammenhang zeigt sich wiederum die oben bereits skizzierte Problemstruktur des Auseinanderfallens von individueller und kollektiver Rationalität. Jeder betroffene Bürger hat ein Interesse an dem Kooperationserlös; viele möchten an diesem partizipieren, ohne sich jedoch an den Kosten, z. B. dem Zeitaufwand für die Teilnahme an Demonstrationen, zu beteiligen. Nun stellt sich allerdings die Frage, weshalb sich in der Realität trotzdem Anspruchsgruppen in Form sehr effektiv und effizient organisierter Bürgerinitiativen bilden? Der Grund liegt vor allem darin, daß Institutionen wie Solidarität oder Gruppenzwang dafür Sorge tragen, daß das einzelne Individuum nicht seine TrittbrettfahrerPosition ausnutzt. Häufig sind Anspruchsgruppen relativ klein, so daß über soziale Sanktionen Trittbrettfahrer-Verhalten ausgeschaltet wird. Auch intrinsische Motivation spielt natürlich eine Rolle, gewissermaßen als internalisierte Institution. Eine besonders wirkungsvolle Organisation von Anspruchsgruppen stellen -»Umweltverbände dar. Aus ökonomischer Sicht handelt es sich bei ihnen um Non-ProfitOrganisationen, die ein bestimmtes Gut „verkaufen", nämlich die Vertretung von (Umwelt-) Interessen. Umweltverbände werden häufig bereits mit modernen - » M a nagement - Methoden geführt; sie verfügen zumeist über beachtliche Kompetenzen im Bereich Marketing und Öffentlichkeitsarbeit. Bei dem von ihnen angebotenen Produkt handelt es sich aus Konsumentensicht allerdings um ein Kollektivgut. Es müßte daher wiederum geklärt werden, wieso Bürger bereit sind, für die Aktivitäten von Umweltverbänden Geld zu spenden, obwohl sie einen Anreiz zum Trittbrettfahren haben. Das Trittbrettfahrer-Problem wird in diesem Fall durch Institutionen, wie Solidarität und altruistische Einstellungsmuster sowie soziale Sanktionsmechanismen, gelöst. Deutlich wird hierbei, daß neben externen Institutionen vor allem auch internalisierte Normen und Werte bei der Bewältigung von Gefangendilemma-Situationen eine große Rolle spielen. Abschließende Erklärungen

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Kooperationslösungen der Ilmweltpolitik können bisher allerdings nicht geliefert werden; sicherlich muß zu diesem Zweck auch auf die Erkenntnisse anderer verhaltenswissenschaftlicher Disziplinen zurückgegriffen werden. 8.

ökologieorientierte Kooperation von Unternehmen Kooperation von Unternehmen bezeichnet die bewußte Koordination des Handelns mehrerer Unternehmungen zur Erreichung eines gemeinsamen Zieles. Speziell ökologieorientierte Kooperationen von Unternehmen dienen der Verfolgung gemeinsamer ökologischer Unternehmensziele. Im folgenden wird statt „Kooperation von Unternehmen" der Begriff „Untemehmenskooperation" verwendet, der streng von der politikorientierten und der öffentlichkeitsorientierten Untemehmenskooperation zu trennen ist. Theoretisch werden Unternehmenskooperationen vor allem von der Neuen Institutionökonomik analysiert, die oben bereits erwähnt wurde. Dort werden Unternehmenskooperationen als hybride Organisationsformen bezeichnet, die auf einem Kontinuum zwischen den beiden Polen „Markt" und „Hierarchie bzw. Unternehmung" eingeordnet werden können. Typische Beispiele für hybride Organisationsformen sind Franchising-Systeme, Genossenschaften, Strategische Allianzen, Joint Ventures, japanische Keiretsus und dynamische Netzwerke. Diese Organisationenformen werden als hybrid bezeichnet, weil die Beziehungen der kooperierenden Unternehmen sich weder als marktlich im Sinne eines neoklassischen Tausches noch als hierarchisch, d. h. als eine unternehmensinterne Koordination, charakterisieren lassen. Sie enthalten sowohl marktliche als auch hierarchische Elemente; es handelt sich in der Regel um langfristige und offene, sogenannte relationale Verträge (relational contracting), in denen das Vertrauen der Kooperationspartner untereinander von großer Bedeutung ist. Ökologieorientierte Unternehmenskooperationen stellen aus Sicht eines Unternehmens eine strategische Option sowohl im Rahmen eines offensiven wie auch eines defensiven —•Umweltmanagements dar. Ein Beispiel für den ersten Fall ist eine strategische Allianz 196

Kooperationslösungen der Umweltpolitik zur Entwicklung eines innovativen ökologischen Produkts. Demgegenüber könnte man sich bei einer defensiv angelegten Kooperationsstrategie eine Koalition von Unternehmen denken, die sich zur Verhinderung der Verabschiedung eines umweltrelevanten Gesetzes zusammenschließen. Die defensive oder offensive ökologische Basisstrategie eines Unternehmens enthält daher in der Regel auch eine Komponente, die das geplante Kooperationsverhalten des Unternehmens festlegt. Es lassen sich horizontale, vertikale und laterale Unternehmenskooperationen unterscheiden. Horizontale ökologieorientierte Unternehmenskooperation: Horizontale (ökologieorientierte) Unternehmenskooperationen beziehen sich auf Unternehmen derselben Branche bzw. derselben Wertschöpfungsstufe, die der Erreichung gemeinsamer (umweltbezogener) Ziele dienen. Wettbewerbstheoretisch sind horizontale Unternehmenskooperationen jeglicher Art dann als bedenklich einzustufen, wenn sie zu wettbewerbsbeschränkendem Verhalten fuhren. Aus volkswirtschaftlicher Perspektive besteht die Gefahr, daß Unternehmen die Zusammenarbeit im ökologischen Kontext nutzen, um Absprachen auch in anderen Bereichen zu treffen, z. B. über Preise oder Mengen. Aus diesem Grunde sind „Vereinbarungen zwischen im Wettbewerb stehenden Unternehmen [...] und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, [...] verboten" (§1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, GWB). Allerdings lassen sich Unternehmenskooperationen in einigen Fällen von diesem Kartellverbot freistellen; für ökologieorientierte Unternehmenskooperationen relevant sind folgende Ausnahmetatbestände: Normenund Typenkartelle, Konditionenkartelle (§2 GWB), Spezialisierungskartelle (§3 GWB), Mittelstandskartelle (§4 GWB) und sonstige Kartelle (§7 GWB). Unter den §7 GWB fallen beispielsweise Vereinbarungen über die Rücknahme oder -»Entsorgung von Waren. Horizontale Unternehmenskooperationen können der Etablierung von Entsorgungs-

Kooperationslosungen der Umweltpolitik Strategien dienen. Beispielsweise haben sich unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft PVC und Umwelt (AgPU) eine Reihe von Branchenkooperationen gebildet (z. B. die Arbeitsgemeinschaft PVC-DachbahnenRecycling GmbH oder der Kunststoffrohrverband e. V.), die Recycling-Garantieerklärungen für ihre Produkte abgeben und zu diesem Zweck Recyclinganlagen errichtet haben. Somit läßt sich festhalten, daß die Interessenbündelung in horizontalen Unternehmenskooperationen häufig in entsprechenden Unternehmensverbänden institutionalisiert wird. Es sei darauf hingewiesen, das die Gründung und die Existenz von Unternehmensverbänden die Lösung des Trittbrettfahrer-Problems erfordert. Dies gilt besonders dann, wenn die Aufgabe eines Verbandes im Lobbying besteht, weil dann in der Regel Nichtmitglieder vom Erfolg der Interessenvertretung nicht ausgeschlossen werden können (Nicht-Exkludierbarkeit). Anders ist dies, wenn der Verband mit selektiven Anreizen arbeitet, beispielsweise mit der Vergabe von —>öko-Labels, die ausschließlich Mitglieder bekommen können. Derartige selektive Anreize können die Ausnutzung der Trittbrettfahrer-Option unattraktiv machen. Allgemein können horizontale Unternehmenskooperationen der politischen Interessensvertretung dienen, der Koordination von freiwilligen Selbstverpflichtungen, der Gewinnung und Weitergabe von -»Informationen (z. B. Aufstellen gemeinsamer ÖkoBilanzen) sowie der gemeinsamen Öffentlichkeitsarbeit (vgl. zu weiteren Einzelheiten die Punkte 9 und 10: politikorientierte bzw. öffentlichkeitsorientierte Unternehmenskooperation). Vertikale ökologieorientierte Unternehmenskooperation: In einer vertikalen (ökologieorientierten) Untemehmenskooperation arbeiten Unternehmen unterschiedlicher Stufen eines Wertschöpfungskreislaufs bzw. einer Wertschöpfungskette zusammen. In einem integrierten Ansatz des Umweltmanagements kann eine so verstandene Kooperationsstrategie der Umsetzung des Kreislaufprinzips

Kooperationslösungen der Umweltpolitik im Rahmen eines Sustainable Development dienen. Ein typisches Beispiel für vertikale ökologieorientierte Unternehmenskooperationen sind Strategien von Hersteller und Handel im vertikalen Marketing. Sowohl der Hersteller als auch der Handel haben die beiden strategische Optionen, sich entweder defensiv oder offensiv zu verhalten. Daraus ergeben sich verschiedene ökologieorientierte Strategien von Handel und Hersteller im vertikalen Marketing. Von Ignoranz spricht man, wenn sich sowohl Handel als auch Hersteller ökologisch defensiv verhalten. Dabei können sie kooperieren, indem sie beispielsweise gemeinsam versuchen, staatliche ökologieorientierte Verordnungen abzuwenden. Verhält sich der Handel offensiv, der Hersteller demgegenüber defensiv, so wird der Handel versuchen, die Produkte des Herstellers zu substituieren. Ist umgekehrt der Hersteller offensiv, der Handel jedoch defensiv, so wird sich der Hersteller darum bemühen müssen, den Handel zu umgehen. Der vierte Fall der (innovativen) Kooperation, bei der Hersteller und Handel gemeinsam offensiv umweltorientiert vorgehen, entspricht der eingangs erwähnten Kooperationsstrategie im Rahmen eines integrierten Ansatzes des Umweltmanagements. Insbesondere zur Institutionalisierung eines Recycling-Kreislaufs ist eine intensive Zusammenarbeit auf vertikaler Ebene notwendig. Dies sei beispielhaft für ein TextilVersandhandelsunternehmen aufgezeigt, das sich als ökologischer gate-keeper profilieren möchte. Zur ökologischen Verbesserung seines Sortimentes könnte es auf die Optimierung der gesamten Wertschöpfungskette abzielen. In der Produktion nähme das Unternehmen Einfluß auf seine Lieferanten, so daß diese durch Verzicht auf bestimmte Produktionsmethoden bzw. die ökologische Ausrichtung der Herstellungsverfahren die unmittelbaren Belastungen der Umwelt so gering wie möglich hielten. Beim Gebrauch sollten die Produkte vor allem unter humanökologischen Aspekten unbedenklich sein. Für die -»Entsorgung/Verwertung müßte das Handelshaus das Ziel der Ressourcenschonung verfolgen, indem ein Produkt so gestaltet würde, daß es entweder in die biologi197

Kooperationslösungen der Umweltpolitik sehen oder die technischen Kreisläufe zurückgeführt werden könnte. RetroDistributionssysteme müßten in Kooperation mit Logistikunternehmen eingeführt werden, um eine Rückführung gebrauchter Güter vom Endkunden in den Stoffkreislauf zu gewährleisten. In der Praxis gibt es bereits Beispiele für Strategische Allianzen zwischen Handelsunternehmen und Lieferanten, die gemeinsam eine solche Optimierung des Stoffkreislaufes erfolgreich betreiben. Laterale ökologieorientierte Untemehmenskooperation: In einer lateralen (ökologieorientierten) Unternehmenskooperation arbeiten Unternehmen unterschiedlicher Branchen zusammen. Beispielsweise könnte man im Rahmen einer F & E-Allianz Kernkompetenzen aus unterschiedlichsten Bereichen bündeln, um auf diese Weise unkonventionelle Umweltschutz-Innovationen zu entwickeln. Das bisher umfangreichste ökologische Kooperationsmodell in Deutschland, das sowohl horizontale als auch vertikale und laterale Elemente aufweist, ist das Duale System zur Entsorgung und zum —•Recycling von Verpackungsabfällen (—»Duales System Deutschland). Das Duale System ist ein integriertes Entsorgungs- und Recyclingsystem, in dem Konsumgüterhersteller, Verpackungsproduzenten und der Handel zusammenarbeiten. Entstanden ist das System als Reaktion auf die „Verordnung zur Vermeidung von Verpackungsabfällen (VerpackungsV)", weil die beteiligten Unternehmen durch die Errichtung eines flächendeckenden, haushaltsnahen Erfassungssystems für gebrauchte Verpackungen einer gesetzlichen Pfand- und Rücknahmeverpflichtung zuvorkommen wollten (vgl. auch Punkt 9: politikorientierte Untemehmenskooperation). Bereits in der Entstehungsphase zeigten sich Schwierigkeiten durch den Versuch verschiedener Unternehmen, als Trittbrettfahrer am Nutzen des Systems teilzuhaben, ohne sich an den Kosten zu beteiligen. Diese Schwierigkeit wurde durch verstärkte Kontrollen und Strafzahlungen behoben, so daß Unternehmen nicht mehr den sogenannten „Grünen Punkt" auf ihren Produkten verwenden können, wenn sie die

198

Kooperationslösungen der Umweltpolitik Lizenzgebühr nicht entrichtet haben. Diese Strafzahlungen bzw. ihre Androhung zeigt, wie wichtig ein Sanktionspotential für das Funktionieren von Institutionen ist. Das Duale System verzeichnet mittlerweile nach Behebung der Anfangsschwierigkeiten bemerkenswerte Erfolge, was insbesondere auch auf die Kooperationsbereitschaft der Konsumenten zurückzuführen ist, die ihren Müll sehr sorgfältig trennen müssen. Das Duale System sammelte im Jahr 1998 insgesamt 6,21 Millionen Tonnen Verpackungsabfälle; das entspricht durchschnittlich 75,8 Kilogramm pro Kopf. Folgende Verwertungsmengen wurden erreicht: Glas 2,7 Millionen Tonnen (1997: 2,74), Papier, Pappe und Karton 1,42 Millionen Tonnen (1997: 1,40), Kunststoffe 600.000 Tonnen (1997: 603.000), Weißblech 375.000 Tonnen (1997: 295.000), Aluminium 43.000 Tonnen (1997: 39.000) und Verbundstoffe 345.000 Tonnen (408.000). Damit wurden die Anforderungen der VerpackungsV zum größten Teil erfüllt. Insgesamt sind im Jahre 1998 im Vergleich zum Vorjahr 40.000 Tonnen weniger Verpackungen auf den Markt gekommen, was als Kooperationserfolg des Dualen Systems gedeutet werden kann. Probleme stellen sich dem Dualen System hingegen in Bezug auf die Mehrwegquote für Getränkeverpackungen. Die nach VerpakkungsV einzuhaltende Quote für Mehrwegverpackungen von 72 v. H. wurde 1998 erstmals nicht erreicht, was bei nochmaligem Unterschreiten zur Erhebung eines Zwangspfandes auf -»Einweg - Getränkeverpackungen führen könnte. Das Duale System stellt eine -»Selbstverpflichtung der Wirtschaft dar; die zugrunde liegende Unternehmenskooperation läßt sich insofern als Basis einer politikorientierten Unternehmenskooperation interpretieren. 9. Politikorientierte Unternehmenskooperation Politikorientierte Unternehmenskooperation bezeichnet die Koordination der Ziele und des Handelns zwischen Unternehmen bzw. Unternehmens verbänden und staatlichen Akteuren. Unter den Begriff Staat fallen dabei alle Organisationen der Exekutive (Regierungen auf nationaler, regionaler und

Kooperationslosungen der Umweltpolitik

Kooperationslösungen der Umweltpolitik

lokaler Ebene, Ministerien und nachgelagerte Behörden) und der Legislative (Parlamente auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene sowie Parlamentsverwaltung). In der Regel werden in politikorientierten Unternehmenskooperationen die Unternehmen einer oder mehrerer Branchen durch ihre Verbände vertreten. Kooperationslösungen werden häufig als Alternative zu ordnungspolitischen und fiskalischen Instrumenten der Umweltpolitik gesehen. Diese Auffassung ist aber irreführend, weil die Gruppe von Unternehmen selbst spezieller Instrumente bedarf, um die Umweltschutz-Maßnahmen untereinander aufzuteilen, z. B. durch Quoten oder effizienter durch -»Zertifikate. Das Wesen der Kooperation zwischen Staat und Wirtschaft liegt vielmehr darin, daß die staatlichen Akteure Widerstände auf der Seite der Unternehmen abbauen wollen und möglicherweise auf Informationen aus der Wirtschaft angewiesen sind. Im Rahmen von Verhandlungen einigen sich dann die Vertreter der Unternehmen und des Staates auf ein umweltpolitisches Ziel, auf das die Unternehmen als Gruppe verpflichtet werden. Die bekanntesten politikorientierten Untemehmenskooperationen sind (Branchen-) Selbstverpflichtungen. Beispiele auf Branchenebene finden sich in der Faserzement-, Aerosol-, Lack-, Wasch-/Reinigungsmittel-, Automobil-, Getränke(verpackungs)- und der chemischen Industrie sowie im Handel. Allgemein lassen sich vier Typen Selbstverpflichtungen unterscheiden:

von

(1)

Selbstverpflichtungen mit absoluten stofflichen Reduktionszielen, wie z. B. die Erklärung zur Klimavorsorge von zwölf Industrieverbänden vom 27. 3. 1996 und der Stufenplan der Chemischen Industrie zum Verzicht auf die FCKW-Produktion gemäß Montrealer Protokoll aus dem Jahre 1990;

(2)

Selbstverpflichtungen mit relativen stofflichen Reduktionszielen, wie die Erklärung der deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge vom 10. 3. 1995;

(3)

Selbstverpflichtungen zu Produktinnovationen, wie z. B. die Zusage der deutschen Automobilindustrie zur Ent-

wicklung eines 3-Liter-Autos und zur Verminderung des Pkw-TreibstoffVerbrauchs um 25% bis zum Jahr 2000 (1995); (4)

Selbstverpflichtungen zur Produktverantwortung, wie beispielsweise zur Kennzeichnung der Inhaltsstoffe von Produkten (z. B. von Kunststoffprodukten seit 1990) und zur Rücknahme und Verwertung von Altprodukten (z. B. die Erklärung zur Altautorücknahme und -Verwertung durch die deutsche Automobilindustrie vom 2 1 . 2 . 1996).

Es sollte darauf hingewiesen werden, daß es sich bei Selbstverpflichtungen häufig nicht um echte Kooperationen handelt, weil die beteiligten Unternehmen mit derartigen Abkommen lediglich versuchen, härteren Maßnahmen des Staates vorzubeugen. Entsprechend nutzt der Staat die Drohung mit gesetzlichen Instrumenten, um die Unternehmen zur Kooperation zu zwingen. Wie schwierig es auch dann noch ist, zu einer Einigung unter den betroffenen Unternehmen zu kommen, zeigt sich im Fall des Elektronikschrotts aus den Bereichen Informations-, Büro- und Kommunikationstechnik. Hier liegt bereits ein Entwurf zur IT-AltgeräteVerordnung vor (ITV), weil eine Selbstverpflichtung bisher nicht zustande kam. 10. öffentlichkeitsorientierte Untemehmenskooperation öffentlichkeitsorientierte Unternehmenskooperationen umfassen die Zusammenarbeit von einzelnen Unternehmen oder Untemehmensverbänden mit Individuen oder organisierten Anspruchsgruppen. Zu einer solchen Kooperation kann es beispielsweise kommen, wenn eine Bürgerinitiative von Anliegern einer Fabrik mit dem Unternehmen über die Reduktion von Emissionen verhandelt. Ein weiteres Beispiel ist die Kooperation des Bundes für Umwelt und Naturschutz ->BUND mit einem Hersteller von Computer-Tastaturen, in der ein Kriterienkatalog für eine umweltverträgliche Tastatur festgelegt wurde. Der Hersteller hat im Anschluß daran mit dieser Kooperation geworben, woraus erkennbar wird, daß diese Kooperation neben der gemeinsamen Festlegung eines Umweltqualitätziels auch einen instrumentellen 199

Kooperationsprinzip

Kreislaufwirtschaft

Charakter hat. Dies wird noch deutlicher bei einer Zusammenarbeit zwischen —»Greenpeace und einem ostdeutschen Unternehmen, das einen FCKW- und FCKW-Ersatzstoff (R134a, H-FCKWs)-freien Kühlschrank entwickelt hatte. Greenpeace forderte im Rahmen dieser Kooperation den Absatz des Kühlschrankes und erreichte dadurch eine Verringerung der Verwendung von FCKW. Das beteiligte Unternehmen konnte auf diese Weise seine Innovation am Markt durchsetzen, was angesichts der geringen Größe des Unternehmens sonst sehr schwierig gewesen wäre.

Weiterführende Literatur: Bonus, H.: öffentliche Güter. Verführung und Gefangenendilemma, in: List Forum, Bd. 10, Heft 10, o. O. o. J.; Holzhey, M./ Tegner, H.\ Selbstverpflichtungen. Ein Ausweg aus der umweltpolitischen Sackgasse? in: Wirtschaftsdienst 1996/VIII, o. O. 1996; Meffert, HJ Kirchgeorg, M.: Marktorientiertes Umweltmanagement. Konzeption. Strategie. Implementierung mit Praxisfällen, Stuttgart 1998; Schneidewind, U: Die Unternehmung als strukturpolitischer Akteur. Kooperatives Schnittmengenmanagement im ökologischen Kontext, Marburg 1998.

11. Perspektiven In der Literatur sowie in der umweltpolitischen Praxis werden vermehrt Ansätze diskutiert, die Kooperationslösungen der Umweltpolitik als Allheilmittel zur notwendig anstehenden Umsetzung einer nachhaltig-dauerhaften Entwicklung propagieren. Dabei dienen umfassende kooperative Netzwerke, die die Interessen aller betroffenen Akteure in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft unter Berücksichtigung der Ansprüche zukünftiger Generationen aufeinander abstimmen sollen, als „reale Utopien". Netzwerke dieser Art sollen aus solchen Kooperationen evolvieren, wie sie im vorliegenden Beitrag diskutiert wurden. Aus Sicht der oben vorgetragenen Kooperationstheorie ist bezüglich solcher Überlegungen Skepsis angebracht, da aufgrund der beschriebenen Tendenz von Kooperationen zur Instabilität eine dauerhafte Lösung der Umweltprobleme auf diese Weise nicht zu erwarten ist. Kooperationslösungen sind ohne Zweifel notwendig zur Bündelung von Informationen und zur Schaffung von Akzeptanz; sie sollten aber eingebettet sein in ein umfassendes Konzept einer ökologisch-sozialen -»Marktwirtschaft. Die Institutionen eines so konzipierten Wirtschafts- und Gesellschaftssystems stehen zwar auf dem Fundament der Kooperation aller Beteiligten auf konstitutioneller Ebene, innerhalb der gesetzten und legitimierten Rahmenbedingungen sorgen aber vorzugsweise Marktkräfte für eine effiziente —»Allokation der knappen (Umwelt*) -»Ressourcen, wie beispielsweise auf einem Markt für Umweltnutzungszertifikate.

Dipl.-Vw. D. Polster

200

Kooperationsprinzip Grundsatz der -»Umweltpolitik in der Bundesrepublik Deutschland neben dem -»Vorsorgeprinzip und dem —»Verursacherprinzip. Nach dem Kooperationsprinzip sollen alle gesellschaftlichen Kräfte frühzeitig am umweltpolitischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß beteiligt werden. Ziel ist die Unterstützung umweltpolitischer Entscheidungsträger bei Zielfindung und Zielerreichung, die Erlangung eines besseren Informationsstandes aller Beteiligten und die Förderung des Umweltbewußtseins der Bevölkerung.

Kosten-Nutzen-Analyse -»Nutzen-Kosten-Analyse

Kraftwerk Ort zur Herstellung bzw. Umwandlung von -»Energieträgern fester, flüssiger oder gasförmiger Art in elektrische -»Energie (z. B. Kern-, Kohle-, Wasser-, Wind-, -»Photovoltaik-Kraftwerke).

Kreislaufwirtschaft bedeutet in der Produktionswirtschaft einen geschlossenen Stoffkreislauf durch anlageinterne Kreislaufführung von Produktionsmitteln und die Rückgewinnung der in den Produkten enthalten Rohstoffe und Energien (-»Umweltschutz, integrierter). In der -»Ab

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz

fallwirtschaft umfaßt der Begriff -»Kreislaufwirtschaft die -»Abfallvermeidung durch direkte stoffliche Wiederverwertung und die -»Abfallverwertung durch energetische oder stoffliche Wiedereinführung von Abfällen in die Herstellung. —»Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz

3. Teil: 4. Teil: 5. Teil: 6. Teil:

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Die Idee der -»Kreislaufwirtschaft besteht darin, Produkte, Komponenten und Stoffe länger in der Nutzung zu halten und somit auf der einen Seite die für eine Neuproduktion benötigten -»Ressourcen einzusparen und andererseits die Menge des Abfalls, der direkt aus der Produktion, aber auch aus den Altprodukten nach der Nutzung resultiert, zu verringern. Um diese Idee zu unterstützen, hat der Gesetzgeber mit dem "Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen" - auch Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) oder kurz Kreislaufgesetz genannt - einen rechtlichen Rahmen geschaffen, der auf Stoffkreisläufe und Ressourcenschonung ausgelegt ist. Neben der Unterstützung des Kreislaufgedankens werden mit diesem Gesetz vor allem auch Widersprüche mit anderen Bundesgesetzen und europäischem Recht - wie z. B. der EGAbfallrahmenrichtlinie - beseitigt. Dazu war es nötig, den Abfallbegriff an die - » E G Richtlinie anzupassen und die Subjektivität dieses Begriffes zu reduzieren. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ist neben dem Gesetz über die Überwachung und Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung von Abfällen ein Artikel des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen und ersetzt das alte —»Abfallgesetz mit seinen entsprechenden Verordnungen. Das KrW-/AbfG besteht aus neun Teilen: 1. Teil: 2. Teil:

Allgemeine Vorschriften (§§ 13 KrW-/AbfG); Grundsätze und Pflichten der Erzeuger und Besitzer von Ab-

7. Teil: 8. Teil: 9. Teil:

fällen sowie der Entsorgungsträger (§§ 4-21 KrW-/AbfG); Produktverantwortung (§§ 2226 KrW-/AbfG); Planungsverantwortung (§§ 2736 KrW-/AbfG); Absatzförderung (§ 37 KrW/AbfG); Informationspflichten (§§ 38-39 RrW-/AbfG); Überwachung (§§ 40-52 KrW/AbfO); Betriebsorganisation (§§ 53-55 KrW-/AbfG); Schlußbestimmungen (§§ 56-64 KrW-/AbfG).

Ergänzt und konkretisiert werden die z. T. sehr vage formulierten Bestimmungen dieses Gesetzes durch ein untergesetzliches Regelwerk: Die Regelungen des Europäischen Abfallartenkatalogs (EAKV), der Bestimmungsverordnung besonders überwachungsbedürftiger Abfälle (BestbüAbfV), der Bestimmungsverordnung überwachungsbedürftiger Abfälle zur Verwertung (BestüVAbfV), der Nachweisverordnung (NachwV), der Verordnung über Abfallwirtschaftskonzepte und Abfallbilanzen (AbfKoBiV), der Entsorgungsfachbetriebeverordnung (EfbV), der Richtlinie für die Tätigkeit und Anerkennung von Entsorgergemeinschaften und der Transportgenehmigungsverordnung (TgV) fußen alle auf dem KrW-/AbfG. Zentraler Ansatzpunkt des KrW-/AbfG ist der neue, vorsorgeorientierte Abfallbegriff. Abfälle werden nach dem KrW-/AbfG als bewegliche Sachen definiert - wobei der Begriff .beweglich' einen juristischen Bewertungsspielraum bietet -, die unter die im Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich der Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muß (§ 3 KrW-/AbfG). Ein Entledigungswille wird immer dann angenommen, wenn Stoffe anfallen, ohne daß der Zweck darauf gerichtet ist (z. B. Produktionsabfälle, zum Teil auch Ab-, Neben- oder -»Kuppelprodukte, sofern keine neue Verwendung erkennbar ist) oder die ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, ohne daß ein neuer Verwendungszweck existiert. Ein Entledi 201

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz gungszwang besteht immer dann, wenn von den Stoffen, die nicht mehr zweckgebunden verwendet werden, heute oder in der Zukunft eine Gefahr für die Allgemeinheit, insbesondere für die - » U m w e l t ausgeht. Dieser neue Abfallbegriff umfaßt somit auch alle Stoffe, die bisher als vermeintliche Wirtschaftsgüter frei handelbar waren; die rechtliche Trennung von -»Abfall, Rest- und Wertstoffen entfällt. Der Gesetzgeber hat mit dieser Definitionsänderung den subjektiven Entscheidungsspielraum der Abfallbesitzer eingegrenzt und gleichzeitig Schlupflöcher geschlossen, indem er die Anzahl der Stoffe, die unter das strengere Abfallgesetz fallen, drastisch erhöht hat. Leider ist mit dieser Änderung auch ein wesentlicher Nachteil verbunden. Mit der negativen Belegung des Begriffes Abfall im allgemeinen Sprachgebrauch bekommen nun auch Rest- bzw. Wertstoffe, die jetzt Abfälle zur Verwertung darstellen, ein Negativimage; der Einsatz von Abfällen in neuen Produkten ist schwieriger zu kommunizieren als der Einsatz von WertStoffen. Das Entledigen sieht als zwei Ausprägungen die Verwertung und Beseitigung vor: es wird unterschieden in Abfälle zur Verwertung und Abfälle zur Beseitigung, um so die Abfälle in die Gruppe der verwertbaren —»Reststoffe und der nicht verwertbaren Abfälle im klassischen Sinn differenzieren zu können. Die Grundsätze einer abfallarmen Kreislaufwirtschaft werden konkretisiert, wobei die Prioritätenfolge Vermeiden-VerwertenBeseitigen eindeutig festgeschrieben wird (§ 4 Abs. 1 KrW-/AbfG). Die -»Abfallvermeidung ist zwar kein Merkmal einer Kreislaufwirtschaft, ist aber dennoch die Option eines nachhaltigen Wirtschaftens. Die Maßnahmen zur Vermeidung sind dabei die anlageninterne Kreislaufführung (als eine Möglichkeit des produktionsintegrierten Umweltschutzes) und die abfallarme Produktgestaltung, die Einfluß auf die Produktentwicklung, konstruktion und -planung nimmt. Auch spricht das Gesetz die Konsumenten an, deren Verhalten auf den Erwerb abfall- und schadstoffarmer Produkte gerichtet sein soll (§ 4 Abs. 2 KrW-/AbfG).

202

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Die Verwertung hat Vorrang vor der Beseitigung, sofem dieses technisch und wirtschaftlich zumutbar ist. Bei der Verwertung sieht das Gesetz die gleichrangigen Optionen der stofflichen und der energetischen Verwertung vor; unter diesen beiden Handhabungsarten hat die ökologisch bessere Vorrang (§ 6 Abs. 1 KrW-/AbfG). Die energetische Verwertung ist im Gegensatz zur stofflichen an bestimmte Kriterien (ein Heizwert der einzelnen Abfallart von mindestens 11.000 k j / k g Abfall, ein Feuerungswirkungsgrad von mindestens 75%) gekoppelt, für nachwachsende Rohstoffe jedoch gelten dabei wesentliche geringere Anforderungen (§ 6 Abs. 2 KrW-/AbfG). Die stoffliche Verwertung tritt in drei Formen auf (§ 4 Abs. 3 KrW-/AbfG): 1.

2.

3.

Gewinnung sekundärer Rohstoffe aus den Abfällen und Substitution primärer Rohstoffe. Nutzung der stofflichen Eigenschaften der Abfälle für den ursprünglichen Zweck, z. B. der Einsatz von Austauschmotoren nach erfolgter Aufarbeitung oder der Einsatz von -»Altglas für die Neuglasproduktion. Nutzung der stofflichen Eigenschaften der Abfälle für einen anderen Zweck. Diese Nutzung schließt explizit die Energierückgewinnung aus und führt darüber hinaus i. d. R. zum -»Downcycling, wie etwa die Nutzung von Joghurtbechern für Parkbänke.

Die Regelungen der -»Abfallbeseitigung sind weitaus weniger präzise als die Punkte der Vermeidung und Verwertung. Lediglich in den Fällen, in denen die Beseitigung die umweltverträglichere Lösung darstellt (§ 5 Abs. 5 KrW-/AbfG), werden unter der Berücksichtigung des Gemeinwohls und dem -»Stand der Technik Anforderungen an die Abfallbeseitigung gestellt (§ 11 f. KrW/AbfG), die durch Verordnungen und Verwaltungsvorschriften konkretisiert werden sollen. Der Unterschied zwischen einer Verwertung und einer Beseitigung kann dabei durchaus fließend sein (z. B. die energetische Verwertung und Verbrennung von Abfällen).

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz

Das Abgrenzungskriterium ist der Hauptzweck der jeweiligen Handhabungsarten: Während der Hauptzweck der Verwertung in der Nutzung des Abfalls liegt und nicht in der Beseitigung des Schadstoffpotentials ist der Hauptzweck der Beseitigung in der Reduzierung des Abfallvolumens und des Schadstoffpotentials zu sehen. Um die Idee der Kreislaufwirtschaft umzusetzen, wird das —»Verursacherprinzip angewendet: Negative exteme Effekte der Produktion werden so als ökonomische Nachteile intemalisiert. Die Produzenten und Besitzer von Abfällen sind im Grundsatz zur Verwertung und Beseitigung verpflichtet (§ 5 Abs. 2 KrW-/AbfG). Sie können sich zur Erfüllung dieser Pflicht der Dienste Dritter bedienen (§ 16 ff. KrW-/AbfG). Damit werden in diesem Gesetz Anreize für privatwirtschaftliche Kooperationen zur Verwertung und Beseitigung geschaffen, wie z. B . diagonale (Entsorgungsnetzwerke von Unternehmen unterschiedlicher Branchen), horizontale (Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen der gleichen Branche) und vertikale Kooperationen (Zusammenarbeit der Produzenten mit Entsorgungsunternehmen). Um jedoch einen unsachgemäßen Umgang mit diesen Abfällen zu verhindern, ist die Abfallüberlassung besonders geregelt. So muß bei einer Beauftragung eines Dritten dessen Zuverlässigkeit nachgewiesen werden, was i. d. R. durch eine -»Zertifizierung des Entsorgers geschieht (§ 52 KrW-/AbfG und EfbV). Dabei ist der Dritte nur der Erfüllungsgehilfe, die abfallrechtliche Verantwortung verbleibt beim Abfallerzeuger. Abweichend davon, sind Abfälle aus Privathaushalten weiterhin den öffentlichrechtlichen Entsorgungsträgem zu überlassen, wenn die Privathaushalte die Abfälle nicht selbst ordnungsgemäß verwerten oder beseitigen können, wenn eine Verwertung nicht beabsichtigt wird oder wenn keine überwiegenden öffentlichen Interessen eine Überlassung erfordern. Die Überlassungspflicht gilt insbesondere nicht bei Abfällen, für die eine Rücknahme- oder Rückgabepflicht (im Sinne der Produktverantwortung, § 2 4 KrW-/AbfG) besteht. Um hierbei einen sach- und ordnungsgemäßen Umgang mit

Krelslaufwlrtschafts- und Abfallgesetz

den Abfällen sicherzustellen, sind im KrW/AbfG eine Reihe von weiteren Vorschriften, die das Interesse der Überwachungsbehörden aber auch der Öffentlichkeit befriedigen sollen, festgeschrieben. Neben der Zertifizierungspflicht für Entsorgungsunternehmen sind dies vor allem Mitteilungspflichten über die Betriebsorganisation und die Abfallbeauftragten (§§ 53 ff. KrW-/AbfG) sowie das Aufstellen von Abfallwirtschaftskonzepten und -bilanzen. Das Abfallwirtschaftskonzept (§ 19 KrW/AbflG) des Erzeugers soll als internes Planungsinstrument fungieren und als Grundlage einer behördlichen Abfallwirtschaftsplanung dienen. Das Abfallwirtschaftskonzept soll zusammen mit der Abfallbilanz (§ 20 KrW-/AbfG) zu einem Soll-Ist-Vergleich der betrieblichen Abfallsituation führen. Das Abfallwirtschaftskonzept befaßt sich primär mit den in der Zukunft anfallenden Abfällen, wogegen die Abfallbilanz nur die in der Vergangenheit erzeugten Abfällen berücksichtigt. Sowohl das Wirtschaftskonzept als auch die Bilanz können durch einen von den Behörden bestellten Sachverständigen überprüft werden. Das angesprochene Verursacherprinzip findet seine Umsetzung in der in den §§ 22 ff. KrW-/AbfG festgeschriebenen Produktverantwortung. Wer Produkte entwickelt, herstellt, be- und verarbeitet oder vertreibt, trägt zur Erfüllung der Ziele der Kreislaufwirtschaft die Produktverantwortung für die gesamte Produktnutzungsdauer. Dazu sind die Produkte so zu konstruieren und herzustellen, daß bei der Produktion und der Nutzung die Entstehung von Abfällen möglichst vermieden wird und nach der Nutzung eine umweltverträgliche Verwertung und Beseitigung sichergestellt ist. Die Produkte sollen mehrfach verwendbar, technisch langlebig, reparaturfreundlich und schadstoffarm sein. Dabei wird ein vorrangiger Einsatz von verwertbaren Abfällen oder sekundären Rohstoffen angemahnt, die Erzeugnisse sind mit einem Hinweis auf Rückgabe-, Wiederverwendungs- und Verwertungsmöglichkeiten bzw. -pflichten zu versehen und insbesondere schadstoffhaltige Erzeugnisse sind für eine bessere Verwertung und Beseitigung zu kennzeichnen. 203

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Um die Ziele der Kreislaufwirtschaft zu erreichen, ist die Rücknahme- und Rückgabepflicht für Produkte ein zentrales Element der Produktverantwortung. Zurückgenommene Produkte und der nach dem Gebrauch verbleibende -»Abfall sind umweltverträglich zu verwerten oder zu beseitigen. Die exakte Ausgestaltung der Produktverantwortung kann durch Rechtsverordnungen erfolgen, die insbesondere die Verbote, Beschränkungen und Kennzeichnungen (§ 23 KrW-/AbfG) und die Modalitäten der Rücknahme* und Rückgabepflichten, der Abfallüberlassung und der Kostentragung (§ 24 KrW-/AbfG) festlegen. Solche Verordnungen sind in einigen Bereichen schon umgesetzt worden bzw. eine Umsetzung steht in naher Zukunft bevor (Verordnungen für Altautos, -»Altpapier, Batterien, Elektronikschrott und Verpackungen). In diesem Zusammenhang kommt den -»Selbstverpflichtungen der Industrie eine entscheidende Rolle zu. Falls durch die Selbstverpflichtung bei vertretbarem Aufwand die Erreichung ökologischer Ziele gewährleistet ist, kann auf die Durchsetzung administrativ festgelegter Verordnungen verzichtet werden. Die stärksten Auswirkungen auf die Unternehmen resultieren aus der Produktverantwortung. Zum einen werden Ansätze der Produkthaftung auf den Abfallbereich übertragen und beeinflußen somit die Risikosituation der Unternehmen. Zum anderen werden über die Rücknahme- und Verwertungspflichten bisher externe Kosten internalisiert. Durch die Produktverantwortung gerät der gesamte Lebenszyklus in den Mittelpunkt der Planung. Dazu ist es notwendig, die bisher auf die innerbetrieblichen Leistungsprozesse ausgerichtete Planung (Beschaffung, Produktion, Absatz) integrativ um die Aspekte der Nutzung, Verwertung und Beseitigung zu erweitern; der allgemeine Trend zu einer funktionsübergreifenden Planung wird dadurch noch gestärkt. Auch wird die Planung zunehmend strategischer, da die Produkte, die heute geplant, produziert oder verkauft werden in der Zukunft Kosten und Planungsaufwand zeitigen. Die Planung muß im Sinne dieses Gesetzes strategisch auf -»Abfallvermeidung und -rückfiihrung ausgerichtet sein. Wesentlichen Einfluß auf

204

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz die Abfallsituation nehmen vor allem die Planungsbereiche der Beschaffung und der Konstruktion. Die Wahl der Einsatzstoffe hat erhebliche Konsequenzen für die Langlebigkeit der Produkte sowie für das Abfall- und Schadstoffpotential in der Produktions-, Nutzungsund Entsorgungsphase. In der Beschaffung muß deshalb darauf geachtet werden, daß dieses Potential sowohl quantitativ (mengenmäßig) als auch qualitativ (Schadstoffinhalte) reduziert wird. Sind Sekundärrohstoffe, Einzelteile oder komplette Komponenten am Markt oder im eigenen Stoffkreislauf (aus Produktionsabfällen oder zurückgenommenen Altprodukten) vorhanden, so sind bevorzugt diese Stoffe einzusetzen. Der ökologische Vorteil des Einsatzes von Sekundärrohstoffen darf allerdings durch ein schlechteres Abfall- und Schadstoffverhalten nicht überkompensiert werden. Deshalb sind besondere Anforderungen an die sekundären Einsatzstoffe zu stellen: •





Rohstoffe, Teile und Komponenten müssen in ausreichender Anzahl und zu den richtigen Zeitpunkten verfugbar sein. Der Rohstoff muß genau beschrieben sein (z. B. chemisch-physikalische Zusammensetzung), um eventuelle Verwendungsmöglichkeiten zu überprüfen. Bei Baugruppen ist es notwendig deren Einzelteile, bzw. die Eigenschaften des Ganzen zu kennen. Die Qualität wiederzuverwendender Stoffe und Teile hängt eng mit ihrer Belastbarkeit und damit der E r s e t z barkeit zusammen. Als Qualitätsdaten müssen chemische und physikalische Einzelheiten von Stoffen sowie der Zustand von Baugruppen und Teilen bekannt sein. Beispielsweise muß bei der Verwendung von Altpapier grundsätzlich ein gewisser Anteil von Primärrohstoffen zugesetzt werden, weil sich die Zellstoffasern mit jedem Kreislauf verkürzen. Ohne den Zusatz längerer Fasern würde das Papier keine hinreichende Festigkeit bieten. Für die Rohstoffbeschaffung ist es insofern auch wichtig, über die Wiederholbarkeit des

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Aufarbeitungsprozesses informiert zu sein. Im Zusammenspiel zwischen Beschaffung und Produktentwicklung muß vor allem die Frage geklärt werden, ob die Sekundärrohstoffe den Einsatzbedingungen entsprechen, ohne daß die daraus resultierenden Produkte marktrelevante Qualitätsmängel aufweisen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß in Deutschland bisher kein Produkt als neuwertig verkauft werden darf, das gebrauchte Einzelteile oder Komponenten enthält. In produktbezogenen —>Forschungs- und Entwicklungsprozessen müssen für verwertbare Abfalle ggf. neue Einsatzmöglichkeiten gefunden werden. Die heutigen Konstruktionskriterien für Produkte wie Handhabungs-, Kosten-, Funktions-, Norm-, Montage-, Fertigungs- und Qualitätsgerechtheit müssen durch Kriterien wie Rückfuhrungs-, Demontage-, Recycling-, Vermeidungs-, Verwertungs-, Beseitigungs-, Umwelt- und Wartungsgerechtheit ergänzt werden. Diese Kriterien müssen schon bei der Entwicklung beachtet werden, da nachträgliche Änderungen technisch nicht mehr oder nur mit hohen Kosten durchfuhrbar sind. Die Bedeutung der Entwicklungsphase resultiert daraus, daß das gesamte Leistungs- und Kostenprofil eines Produktes zu mehr als zwei Dritteln durch seine Konstruktion bereits festgelegt wird. Hierzu ist insbesondere abzuschätzen, wie sich in der Zukunft die Verwertungsmöglichkeiten, die Demontage- und Recyclingtechnik und das gesetzliche Regelwerk verändern werden. In der Entwicklung sollte daher das Planungsinstrument des Life-Cycle-Engineering verstärkt zum Einsatz kommen. Bei der Konstruktion sollte der Rohstoffeinsatz sowohl qualitativ (Werkstoffvielfalt) als auch quantitativ (Werkstoffmenge) deutlich reduziert werden. Dies kann geschehen, indem nur noch wenige, "erprobte" Materialien oder Standardteile eingesetzt werden bzw. die Produkte verkleinert werden. Diese Dematerialisierung, also Senkung der Masse eines Produktes, verringert die Abfallströme und gleichzeitig die darin enthaltenen toxischen Ströme.

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Als wesentliches Konstruktionsmerkmal ist die Demontagegerechtheit der Produkte zu nennen; sie beeinflußt die anderen Konstruktionskriterien entscheidend. Zu ihr gehören die modulare Bauweise, die Verwendung reversibler Verbindungen und der Einsatz von Standardteilen. Die Demontage erlaubt zum einen am Ende der Lebensdauer eine effiziente Trennung von Teilen und Baugruppen aus dem Produktverbund, zum anderen gewährleistet eine demontagefreundliche Bauweise eine leichte Eingriffsmöglichkeit für Instandhaltungen und technische Hochrüstungen während der Nutzung. Beides wird z. B. durch leicht lösbare Verbindungstechniken wie Steckverbindungen sowie durch eine Kennzeichnung der Materialien gefördert. Die Produktion wird im wesentlichen durch die Beschaffung und Konstruktion determiniert. Insofern ist eine enge Abstimmung der drei Bereiche notwendig. So ist zu überprüfen, ob eine aus Beschaffungs- oder Konstruktionssicht sinnvolle Entscheidung auch in der Produktion umgesetzt werden kann. Auch muß abgewägt werden, ob Einsatzstoffe, die zwar ökologisch sinnvoll sind, deren Verarbeitung aber mit einer sehr energieintensiven Produktionstechnologie verbunden ist, vertretbar sind. Von den Einsatzstoffen und konstruktiven Merkmalen ist es auch abhängig, ob die in § 4 Abs. 2 KrW-/AbPG geforderte anlageninterne Kreislauffuhrung mit sog. Clean Technologies umgesetzt werden kann. Werden Sekundärrohstoffe oder aufgearbeitete Komponenten eingesetzt, so ist in der Produktionsplanung insbesondere die zeitliche und mengenmäßige Bereitstellung zu berücksichtigen. Werden diese Inputfaktoren aus den eigenen Stoffkreisläufen gewonnen, so ist zusätzlich eine Abstimmung von Produktions- und Recyclingplanung erforderlich. In der Regel wird jedes Produkt nach der Nutzung zu Abfall. Aus diesem Grund fordert der Gesetzgeber die Produktion von Langzeitprodukten (§ 22 Abs. 1 I KrW-/ AbfG). Durch den Einsatz langlebiger Materialien, Maßnahmen der Instandhaltung oder der technischen Hochrüstung kann die herkömmliche Nutzungsdauer von Produkten deutlich erhöht werden. Diese verlängerte 205

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Produktlebensdauer impliziert, daß die Güter länger gebraucht und somit seltener vom Nutzer ersetzt werden. Verdeutlichen läßt sich die Strategie an folgendem Rechenbeispiel: Bei einer Verdopplung der Nutzungsdauer werden ceteris paribus nur noch rund 50% der vorher nachgefragten Neuprodukte und somit auch die zur Herstellung notwendigen Materialien in einer Periode benötigt. Gleichzeitig fällt auch nur noch rund 50% der Abfallmenge pro Periode an. Insofern wird eine Verlangsamung der Ressourcenströme erreicht, was zu weniger Abfall und einem geringeren Ressourceneinsatz pro Periode fuhrt. Durch die Konzeption des Produktes als System (modularer Aufbau) wird es für den Nutzer möglich, während der Gebrauchsphase sämtliche Instandhaltungsmaßnahmen durchzuführen. Weiterhin soll die Langlebigkeit aber nicht dazu führen, daß der technische Fortschritt unberücksichtigt bleibt. Eine Modulbauweise erlaubt einen leichten Ausbau von Baugruppen und den Austausch durch weiterentwickelte Komponenten. Somit kann das System "Produkt" in Grenzen dem aktuellen Stand der Technik angepaßt werden, ohne daß ein Systemwechsel durchgeführt werden muß. Dies hat eine gesteigerte Ressourceneffizienz zur Folge und führt dazu, daß die Unternehmen ihre Forschung auf die Entwicklung von Modulen konzentrieren können. Um vorzeitige Ersatzkäufe und damit verkürzte Gebrauchszeiten durch den Konsumenten zu verhindern, müssen Meßmethoden zur Bestimmung des Qualitätszustandes von Produkten und Komponenten angeboten werden, denn häufig sind die Nutzer über den technischen Zustand ihres Produktes nicht informiert und neigen im Zweifel dazu, das Produkt zu ersetzen. Die Qualitätskontrolle ermöglicht die Vermeidung einer zeitlichen Unternutzung von Produkten, indem sie eine Bestimmung des technischen Ist-Zustandes während des Gebrauches gestattet. Mit dem Ersatzteilgeschäft, der technischen Aufrüstung und den Qualitätskontrollen können die Produzenten Dienstleistungsangebote schaffen und neue Geschäftsfelder 206

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz eröffnen, mit denen die wirtschaftlichen Nachteile einer Nutzungsdauerverlängerung kompensiert werden können. Schließlich bedeutet eine Verlangsamung der Mengenströme und die dadurch induzierte Verringerung der Produktions- und Absatzmengen eine reduzierte Produktumschlaggeschwindigkeit bzw. -häufigkeit, verschlechterte Erfahrungskurveneffekte und natürlich geringere Umsätze. Ein weiterer Dienstleistungsbereich in diesem Zusammenhang wäre z. B. das Leasing, bei dem nicht der Produkt-, sondern der Nutzungsverkauf im Vordergrund steht. Unabhängig von der Lebensdauer erfordern die Rückgabe- und Rücknahmepflichten geeignete Rückführungssysteme. Die bisher stark auf die Distribution ausgelegte Logistik ist um die Aspekte der —»Entsorgung und der Redistribution zu erweitern (§ 4 Abs. 5 KrW/AbfG). Dabei ist die Frage zu klären, wie geeignete Systeme vor allem bei der Abfallbzw. Altproduktsammlung (z. B. -»Pfandsysteme, Sammelstellen) aussehen und ob (in Abstimmung mit der Konstruktion) die bestehenden Distributionssysteme für die Rückführung genutzt werden können. Neben den außerbetrieblichen Logistikleistungen ist auch die innerbetriebliche Logistik anzupassen; so müssen -»Recycling, Demontage und Produktion geeignet miteinander verknüpft werden. Eine besondere Aufgabe kommt in diesem Zusammenhang den Informationssystemen zu, die innerbetrieblich die einzelnen Produktions- und Recyclingbereiche sowie den Anfall von Produktionsabfällen betrachten müssen und außerbetrieblich nicht mehr nur den Neuproduktbedarf, sondern explizit auch den Altprodukt- bzw. Abfallanfall zu berücksichtigen haben. Die durch die Produktverantwortung veränderte Risikosituation schlägt auch auf die indirekten Unternehmensbereiche durch. So ist zu überprüfen, ob sich durch die Rücknahmepflicht Rückstellungen für die Rückführung und Entsorgung begründen lassen. Das Controlling steht vor einer veränderten wirtschaftlichen Situation und muß ggf. für die neuen Aufgaben geeignete -»Kennzahlen bereitstellen. Die -»Wirtschaftlichkeit von Investitionsprojekten hängt nun von zusätzli-

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz chen Sachverhalten (z. B. Rückführung, Umweltverträglichkeit und Entsorgung) ab, die alle ein erhebliches Unsicherheitspotential besitzen. Die erweiterten Aufgabenstellungen und die daraus resultierenden Kostenund Erlöswirkungen verändern die wirtschaftliche Situation. Die dargestellten neuen Planungsschritte erfordern ggf. erweiterte Planungs-, Management- und Informationskapazitäten. Auch müssen neue Logistiksysteme, Demontage-, Recycling- und Produktionstechnologien implementiert werden. Für die Sammlung, den Transport und ggf. die Lagerung von Rückständen und Altprodukten sind Kapazitäten bereitzustellen. Die Kosten, die für diese Aktivitäten anfallen, haben Gemeinkostencharakter, d. h., das Problem der Kostenverrechnung wird sich verstärken. Auch die Kosten des Recycling, der Aufarbeitung und der Demontage bereiten Probleme, da sie jeweils nur dem Input, aber nicht d e m Output - also den Sekundärrohstoffen bzw. Komponenten - zugerechnet werden können. Die zu beseitigenden Stoffe verursachen direkte Entsorgungskosten. Falls die Verwendung von Sekundärrohstoffen zu verminderten Erlösen infolge geringerer Marktgängigkeit der Produkte fuhrt, müssen diese entgangenen Erlöse als Opportunitätskosten angelastet werden. Eine direkte Zurechnung von Erlösen ist häufig nicht möglich, da viele der aus den Abfällen gewonnenen Stoffe nicht zum Verkauf kommen. Nur für den Fall einer direkten Weiterveräußerung können Sekundärrohstoffmengen mit Verkaufspreisen bewertet werden. In der Regel sind hier Opportunitätserlöse anzusetzen, d. h., die durch ein Recycling eingesparten Kosten können als Erlöse berücksichtigt werden. In Frage kommen hierfür bspw.: •



eingesparte Kosten für die Entsorgung der Rückstände in Form von Transportkosten, Deponiegebühren und —»Abgaben für Sondermüll; eingesparte Energiekosten bei der Produktion (bei der Glasproduktion ist j e 10% Altglasanteil eine 2%-ige —>Energieeinsparung zu verzeichnen) bzw. der thermischen Rückstandsverwertung;

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz



eingesparte Beschaffungskosten durch die Substitution von Primär- durch Sekundärrohstoffe (wobei Materialeinsparungen direkt den Aufarbeitungskosten gegenzurechnen sind).

Diese vielfältigen, neuen Aufgaben können die Unternehmen intern, aber auch unternehmensübergreifend durchführen. Die im KrW-/AbfG gelegten Anreize für Kooperationen bei der Rücknahme (§ 16 ff. KrW/AbfG) lassen sich auch auf die anderen Planungsbereiche übertragen. Untemehmensübergreifende Lösungen haben dabei den Vorteil der Arbeitsteilung und Spezialisierung. So können bestehende Systeme bei anderen Unternehmen oder auf anderen Wertschöpfungsstufen mitgenutzt werden. Bei der Altproduktrücknahme bietet es sich bspw. an, die Händler als Sammelstellen zu nutzen, da sie den direkten Kontakt zum Konsumenten und i. d. R. auch (geringe) Lagerkapazitäten besitzen. Die bestehende Logistik kann dann zur Redistribution genutzt werden. Auch hier bieten sich kooperative Lösungen an, wie sie im Bereich der City-Logistik und Warenverkehrs- bzw. Verteilzentren schon realisiert wurden. Bei der Verwertung kann es durchaus sinnvoll sein, bestimmte Materialien untereinander auszutauschen, um die für neue Recyclingtechnologien notwendigen kritischen Mengen realisieren zu können. Die Kooperationen können zwischen verschiedenen Wertschöpfungsstufen, zwischen konkurrierenden und auch branchenfremden Unternehmen bestehen. Gerade wenn für zu verwertende Abfälle noch keine Wiederverwendungsmöglichkeiten existieren, lohnt ein Blick in andere Wirtschaftsbereiche - die Existenz von Reststoffbörsen der Industrie- und Handelskammern und anderer Wirtschaftsverbände sowie von Entsorgungsnetzwerken sind ein Indiz dafür. Allerdings sind alle Kooperationsformen in Hinblick auf wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen kritisch zu hinterfragen. Neben den positiven Implikationen durch das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz gibt es auch einige kritische Elemente, die nicht vernachlässigt werden sollen.

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Kuppelprodukte

Das KrW-/AbfG definiert sowohl die zu beseitigenden als auch die zu verwertenden Sachen als Abfall. Diese Unterscheidung wird zwar dem gesetzlichen Regelwerk gerecht, doch stiftet sie im Wirtschaftsleben ein nicht unerhebliches Imageproblem. Der Einsatz von Abfällen wird vom Konsumenten - rein umgangssprachlich - negativer bewertet als der Einsatz von Wertstoffen, ungeachtet der Tatsache, daß es sich physisch um den gleichen Rohstoff handelt. Selbst bei geschlossenen Stoffkreisläufen wird auch künftig nicht auf die Beseitigung von Abfällen verzichtet werden können. Dieses liegt zum einen daran, daß Verwertungsmöglichkeiten zum Teil nicht existieren bzw. nur durch unzumutbar hohen Aufwand (Kosten, -»Energie) erreicht werden können oder daß einzelne Rohstoffe nach einer endlichen Zahl von Recyclingdurchläufen nicht mehr eingesetzt werden können (—»Downcycling). Innerhalb des Downcycling, aber auch grundsätzlich beim Versuch, die Abfallmengen zu reduzieren, kommt es tendenziell zu einer Erhöhung der Schadstoffkonzentrationen, was letztlich zu erhöhten Kontrollen im Sinne des Gesetzes und zu einer technisch und wirtschaftlich aufwendigeren Entsorgung führen kann. Der Gesetzgeber hat darüber hinaus mit der Konstruktion des KrW-/AbfG als Rahmengesetz sehr viel Spielraum für die Konkretisierung einzelner Bestimmungen durch Rechtsverordnungen gelassen, z. B. bei den Kennzeichnungs- und Rücknahmepflichten. Neben den rechtsstaatlichen Bedenken gegen solche Konstrukte, resultiert daraus ein nicht unerhebliches Unsicherheitspotential für die Unternehmen. Gerade bei der strategischen Ausrichtung der Planung - bedingt durch z. T. sehr lange Nutzungsdauern - kommt somit der Berücksichtigung des Risikos und der Früherkennung eine neue, besondere Rolle im unternehmerischen Planungsprozeß zu. Weiterfuhrende Literatur: Gesellschaft fiir Umweltrecht: Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. Was ändert sich?

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Kyoto-Protokoll

Dokumentation, Berlin 1997; v. Koller, H.: Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. Textausgabe mit Erläuterungen, 2. Aufl., Berlin 1996; Püchert, H.I Spengler, TJ Rentz, O.: Techno-ökonomische Auswirkungen rechtlicher Anforderungen an die zukünftige Kreislauf- und Abfallwirtschaft genehmigungsbedürftiger Anlagen, in: Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht (ZfU), 20. Jg., Heft 1, o. 0., 1997; Wagner, G. R.I Matten, D.: Die unternehmerische Bedeutung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 24. Jg., Heft l l , o . O. 1995. Dr. A. Dinge Kuppelprodukte sind produktionsprozeßbedingt Nebenprodukte.

anfallende

Kyoto-Protokoll Im Jahr 1997 in Kyoto/Japan getroffene rechtlich verbindliche Vereinbarung, die den Industrienationen vorschreibt, von 2008 bis 2012 ihren gemeinsamen Ausstoß der klimarelevanten Gase Kohlendioxyd (CO2), Methan (CH4), Distickstoffoxid (N 2 0), Hydrofluorcarbone (HFCs), Perfluorcarbone (PFCs) und Schwefelhexafluoride (SF6) im Durchschnitt dieser fünf Jahre um 5,2% zu reduzieren. —>Fluorchlorkohlenwasserstoffe wurden ausgeklammert, da diese bereits im Montrealer Protokoll zum Schutze der Ozonschicht (-»Ozon, -•Ozonloch) 1987 geregelt sind. Das Kyoto-Protokoll enthält drei „Mechanismen", die helfen sollen, die Reduktion kosteneffektiv zu gestalten und gleichzeitig eine nachhaltige Wirtschaftsweise zu fordern. Diese sind der Mechanismus für saubere Entwicklung, der Emissionshandelsmechanismus und —»Joint Implementation.

Lärm

Lärm

L Lärm Lärm ist unerwünschter und/oder gesundheitsschädlicher Schall und wird in Dezibel (dB) gemessen. 1. Einflußgrößen Betrachtet man Einflußgrößen, die Schall zu Lärm werden lassen, so sind physikalische und psychologische Faktoren zu unterscheiden. Die Akustik betreffend ist zunächst die Lautstärke des Geräusches zu nennen. Je lauter ein Geräusch ist, desto belästigender wird es empfunden (sogenannte Lautheitsregel). Des weiteren sind insbesondere die Dauer, der zeitliche Verlauf (Dynamik) sowie die spektrale Zusammensetzung des Geräusches von Bedeutung. Die akustischen Determinanten allein sind für eine Erklärung der Gesamtbelästigung allerdings unzureichend. Nach Ortscheid läßt sich heutzutage lediglich etwa ein Drittel der Spannweite individueller Reaktionen auf Lärm durch physikalisch meßbare Größen erklären. Zwei Drittel hängen vielmehr von nichtakustischen, psychologischen Faktoren ab. Anschaulich wird dieser Zusammenhang, wenn man das unterschiedliche Empfinden von Meeres- und Autobahnrauschen bei gleichen Belastungspegeln betrachtet. Nach Höger sind die folgenden psychosozialen Variablen im wesentlichen von Bedeutung: •

Die Einstellungen der Betroffenen zur Schallquelle, zum Verursacher, zum Schall selbst (Gewöhnungsbereitschaft);



Die wahrgenommene Möglichkeit, sich vor den negativen Folgen des Lärms zu schützen (Kontrollaspekt);



Die individuelle Lärmempfindlichkeit (dispositionelle Variable);



Alter, Geschlecht, Gesundheit.

Sozialstatus

und

2. Lärmwirkungen auf den Menschen Lärm wird offensichtlich von jedem anders empfunden. Doch das heißt nicht, daß man sich an ihn gewöhnen kann. Schädliche Wirkungen setzen, von der Lärmwirkungsforschung bis in die 80er Jahre unterschätzt, bereits bei Pegelbelastungen um 60 dB(A) ein, die von Betroffenen überhaupt nicht als belastend wahrgenommen werden. Die moderne Lärmwirkungsforschung unterscheidet üblicherweise aurale (das Gehör betreffende) und extraaurale Wirkungen. Insbesondere sind die organismischen Funktionsbereiche Gehör, Zentralnervensystem, Herz-Kreislaufsystem und endokrines System betroffen. Im Rahmen der auralen Schadwirkungsmechanismen sind zum einen Innenohrschäden, verursacht durch Schallpegel über 85 dB(A), zu nennen, welche von einer vorübergehenden Verminderung des Hörvermögens bis zur irreparablen, völligen Taubheit fuhren können. Zum anderen lassen sich Stoffwechselüberlastungsschäden durch länger andauernde, intensive funktionelle Beanspruchung sowie Störungen der Mikrozirkulation im Innenohr, als Reaktion auf Beschallung mit hohen Pegeln, beobachten. Insgesamt gesehen sind die genannten auralen Schäden im Vergleich zu extraauralen Schäden jedoch von geringerer Relevanz. Im folgenden sollen die komplexen extraauralen Schadwirkungsmechanismen zum besseren Verständnis getrennt nach physischen und psychischen Komponenten dargestellt werden, obgleich beide z. T. eng miteinander zusammenhängen. Aus rein physischer Sicht setzt nach Höger ab einem Lärmpegel von ca. 60 dB(A) eine unwillkürliche Erhöhung des Erregungsniveaus des vegetativen Nervensystems ein. Der Störung folgt eine Akutreaktion. Das endokrine System schüttet Streßhormone aus und der Blutdruck steigt, das Herzinfarktrisiko erhöht sich. Der Berliner Tagesspiegel berichtete

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Lärm 1997 von einem im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung 80-fach erhöhten Herzinfarktrisiko für Anwohner des Hauptstraßennetzes von Berlin, und stützt sich dabei auf eine bislang unter Verschluß gehaltene Studie der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Der akute Streß ändert zudem den Mineralstoffwechsel. Dem Körper wird vor allem Magnesium entzogen, was ihn gegenüber Lärm wiederum stärker sensibilisiert. Des weiteren ändern sich Durchblutung, Atemfrequenz, Muskeltonus und somit insbesondere auch die Schlafqualität. Letztere wird bereits ab einem tagsüber nahezu unbedenklichen Spitzenpegel um 35 dB(A) beeinträchtigt. Die Schlaftiefe verringert sich, REM-Phasen werden verkürzt und treten verspätet ein. Aufwachreaktionen und Einschlafstörungen lassen sich bei Maximalpegeln ab etwa 40 dB(A) (im Wohnraum gemessen) feststellen. Bei einem Immissionspegel von 50 dB(A) beträgt die Wahrscheinlichkeit des Aufwachens bereits über 50%. In einer Studie von 1993 wurde nachgewiesen, daß nachts bei geöffnetem Fenster bei mehr als 50% der Bevölkerung in Deutschland ein entsprechender Pegel vorherrscht. Bei geschlossenen Fenstern sind noch immer ca. 30% betroffen. Doch nicht nur die Erholung des Körpers wird durch Lärm beeinträchtigt. Auch das psychische Wohlbefinden ist durch die Störung der Rekreationsfunktion beeinträchtigt, was sich gerade am Feierabend und an Wochenenden bemerkbar macht. In diesen Zeiträumen besteht ein erhöhtes Bedürfnis nach einer lärmarmen Umwelt, das sich häufig in Form der „Flucht" in ruhige Erholungsgebiete äußert. Der zunehmende Freizeitverkehr verschärft dabei wiederum die Problematik und macht eine Regeneration in „Oasen der Stille" immer schwieriger. Besonders problematisch ist zudem die kumulierte Dauerbelastung durch Verkehrs-, Arbeitsplatz-, Freizeit- und Umweltgeräusche einzuschätzen. Als gravierendste psychische Wirkung von Lärm wird allerdings die Störung der Kommunikation empfunden. Geräusche behindern dabei den Sprecher stärker als den Zuhörer. Sprache wird durch den Störeinfluß auf das unbedingt Nötige reduziert und verarmt. Die Sprachverständlichkeit für Sätze sinkt bereits auf 50%, wenn der Störpegel um 6 dB(A) über dem 210

L9rm Sprechpegel liegt. Dies wäre z. B. der Fall, wenn bei geöffhetem Fenster ein Pkw vorbeifährt. Beobachtbare Folgen derartiger Kommunikationsstörungen treten ab einem Mittelungspegel von etwa 45 dB(A) auf und äußern sich u.a. in einer verzögerten intellektuellen Entwicklung, insbesondere bezüglich der Lesefähigkeit von Kindern. Zudem lassen sich auch bei Erwachsenen Beeinträchtigungen der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit konstatieren. Kopfschmerzen und allgemeines Unlustgefühl führen zu Konzentrationsschwächen und erhöhen die Fehlerhäufigkeiten. 3. Messung von Lärm Um die komplexen Expositions-Wirkungszusammenhänge (Schall-Belästigung) durch Messung vergleichbar und operationalisierbar zu machen, erscheint es notwendig, die Begriffe „Belastung" und „Belästigung" gegeneinander abzugrenzen. So ist im folgenden Belastung oder Lärmbelastung als physikalisch meßbare, objektive Schallsituation zu verstehen, während Belästigung ein durch Lärm ausgelöstes Gefühl des Unbehagens bezeichnen soll. 3.1. Physikalische Belastungsmessung Unter vielen physikalischen Maßen (z. B. "Phon" oder "Sone") hat sich das Dezibel, welches eine Verhältniszahl für unterschiedliche Schallintensitäten (S) liefert, als das, bei vertretbarem Meßaufwand, geeignetste Lärmmaß herausgestellt. Grundlage der Bewertung ist der Schallpegel L. Dieser ist definiert als der 10 fache dekadische Logarithmus vom Verhältnis der Schallintensität S zu einer festen „Bezugsschallintensität" S 0 = 10 12 Watt/m 2 . Der Referenzwert S 0 spiegelt dabei die Hörschwelle wider. L = 10 lg (S/ So) Die dimensionslosen (Verhältnis-) Zahlenwerte werden nun als Dezibel (dB) definiert. Die Hörschwelle wird dabei als 1 dB angenommen, so daß die Schmerzgrenze, die 10 Billionen-fach höher liegt, einen Wert von 130 dB aufweist. Der Einfluß des Frequenzbereiches bei gleicher Intensität eines Geräusches läßt sich näherungsweise mit Hilfe unterschiedlicher Bewertungskurven (A, B, C, D) für das Maß Dezibel abbilden.

Lärm

Das deutsche Lärmschutzgesetz verzichtet aber auf eine genaue frequenzabhängige Bewertung und schreibt stattdessen die Verwendung der „A-Skala" vor. Diese berücksichtigt besonders die Eigenschaften des menschlichen Gehörs, welches im mittleren Frequenzbereich (500 bis 4000 Hz) die größte Empfindlichkeit besitzt. Allerdings führt die dB(A)-Bewertung zu einer systematischen Unterschätzung von niederfrequentem Lärm im Straßenverkehr (insbesondere von Lkw-Lärm) und zu einer Überschätzung von mittel- oder hochfrequenten Lärmquellen (z. B. Schienenverkehr). Die Dauer und die Häufigkeit von Schallereignissen können berücksichtigt werden, indem man dB(A)-Meßwerte über einen bestimmten Zeitraum, üblicherweise eine Stunde, mittelt. Es ergibt sich der sogenannte „äquivalente Dauerschallpegel" (L«,) oder auch „Mittelungspegel" (L m ). Dieser gibt jedoch keinen Aufschluß über die Spitzen und über die Ereignishäufigkeiten. Aufgrund dieser Problematik wird gegebenenfalls zusätzlich der Maximalpegel ( L ^ ) zur Bewertung einer Schallsituation herangezogen. Gerade in Intervallen auftretender Lärm (z. B. Fluglärm) kann so genauer beschrieben werden. Für relativ kontinuierliche Belastungen (wie Straßen- und Schienenverkehrslärm) aber ist der Mittelungspegel L^, gemessen in dB(A), als geeignetes Belastungsmaß anerkannt. 3.2. Dependenzen zwischen Belastung und Belästigung Um zu einem ganzheitlichen Ansatz der Messung des komplexen Umweltproblemes Lärm zu gelangen, ist zunächst eine Untersuchung des Verhältnisses von (physikalisch meßbarer) Belastung und (subjektiv empfundener) Belästigung sinnvoll. Insbesondere erscheint die Frage interessant, wie stark herrschende Schallpegel (L«,) gesenkt werden müssen, um die Belästigung spürbar zu vermindern. Gibt es hierbei wissenschaftlich fundierte dB(A)-Schwellenwerte, die es ermöglichen, individuelles Belästigungsempfinden in bewertbare Kategorien einzuteilen? Die Sozialforschung unterscheidet üblicherweise Reaktionen wie „gar nicht (unerheblich) belästigt", „nicht so stark belästigt", „stark (erheblich) belästigt" und „unzumutbar belästigt". Der Grad der Belästigung

Lärm

wird dabei im Rahmen direkter Befragungen, sinnvollerweise ohne Vorgabe des herrschenden Belastungspegels, ermittelt. Stellt man die Ergebnisse den physikalischen Meßwerten gegenüber, so läßt sich vor allem der folgende Zusammenhang beobachten: Die Minderung des Mittelungspegels um 3 dB(A) entspricht einer 50%-igen Reduktion der Schallbelastung. Um aber die Halbierung der Belästigungsempfindung von „stark", ca. 63-70 dB (A), zu „nicht so stark belästigt" zu erreichen, wäre eine Abnahme um 10 dB(A) nötig, was in Bezug auf Verkehrslärm einer Verringerung des Verkehrs um 90% entsprechen würde. Um zu einem „unerheblichen" Grad an Belästigung zu gelangen, müßte der Schalldruckpegel, der eine starke Belästigung anzeigt, gar um 50 dB(A) gesenkt werden. Erhöht er sich andererseits um 4 dB(A), ist die Schallsituation nach Jansen bereits als „unzumutbar" einzustufen. Insgesamt bleibt festzuhalten, daß der äquivalente Dauerschallpegel die komplexen Ursache-Wirkungszusammenhänge nicht beschreiben kann und daher für die Prognose individueller Belästigungsreaktionen zu grob ist. Jedoch lassen sich durch die Belastungsmessung via Mittelungspegel, vergleichbar mit der Temperaturmessung, gefährdende Lärmpotentiale angeben, die die Vorhersage von Belästigungsmittelwerten ermöglichen. 4. Lärmarten Straßenverkehrslärm wird als die störendste Schallquelle empfunden. Im Jahre 1994 fühlten sich in den alten Bundesländern etwa 66% der Bevölkerung hierdurch belästigt. Es folgten die Lärmarten Flugverkehr (46%), Schienenverkehr (25%), Industrie und Gewerbe (21%), Nachbarn (19%) und Sportanlagen (8%). Bis auf den Nachbarschaftslärm welcher im Trend von 1984-1994 zumindest bei den nicht so stark Belästigten abnahm, lassen die restlichen Lärmarten nahezu gleichermaßen eine Negativentwicklung erkennen: Die Zahl der stark Belästigten ist zwar relativ konstant geblieben; die Zahl der nicht so stark Belästigten und somit auch die Gesamtzahl der Belästigten hat im Laufe der Zeit allerdings stetig zugenommen. Straßenverkehrslärm als die am stärksten störende Lärmart soll im folgenden näher betrachtet werden.

211

Lärm Das Phänomen Straßenverkehrslärm läßt sich zunächst als das Zusammenwirken einer Vielzahl von Punktschallquellen (Pkw, Lkw, Motorrad) beschreiben. Die Schallentstehung am einzelnen Kraftfahrzeug ist vor allem durch Motor, Getriebe, Reifen und Straßenoberfläche sowie durch den Strömungswiderstand bedingt. Obgleich jede dieser Einflußgrößen mit der Geschwindigkeit positiv korreliert, dominiert das Rollgeräusch bereits ab etwa 50 km/h den Lärm der anderen Schallquellen. Dies gilt insbesondere für das bis dahin vorherrschende Motorengeräusch. Bei ausreichender Verkehrsdichte vereinfacht sich die Schallausbreitungssituation, so daß sich der (Autobahn-)Verkehr als Linienquelle betrachten läßt, die den Schall im rechten Winkel zur Fahrbahn abstrahlt. Im Vergleich zu anderen Lärmarten zeichnet sich Autobahnlärm durch Permanenz und Gleichförmigkeit der Geräusche (Entfernungsrauschen), tiefe Frequenzen und unvorhersehbare Impulse aus. Letztere werden vor allem durch starke und plötzliche Schwankungen von Geschwindigkeiten und durch die unterschiedlichen Frequenzen von Lkw (tief), Pkw (mittel) und Motorrad (hoch) verursacht. Die insgesamt tiefe Frequenzverteilung des Autobahnlärms ist also durch den hohen Lkw-Anteil auf Autobahnen zu erklären. Die Belästigung durch Autobahnlärm ist in erster Linie durch dessen Permanenz bestimmt. Das nahezu pausenlose Geräuschereignis läßt den Verlust der Kontrollierbarkeit der Schallsituation in den Vordergrund treten und verurteilt Betroffene zu passivem Schutzverhalten. Störend wirkt allerdings auch der bloße Anblick einer nahegelegenen Autobahn (Zerschneidung der Landschaft). Derartige „optische Effekte" tragen zu einer, bei gleichem Belastungspegel, insgesamt höheren Belästigungsreaktion durch Autobahn- im Vergleich zu Stadtstraßenlärm bei. Dies führt dazu, daß Autobahnlärm von 50-60 dB(A) als mindestens doppelt so lästig empfunden wird wie Stadtstraßenlärm, obwohl eine unterschiedliche Wahrnehmung der Lautheit nicht festgestellt werden kann. Doch auch der hauptsächlich mit der Straße konkurrierende Verkehrsträger Schiene verursacht Lärm. Schienenverkehrslärm hat 212

Lärm prinzipiell ähnliche Belastungswirkungen wie der von Autos, jedoch wird er im allgemeinen wesentlich besser akzeptiert. Als Gründe hierfür sind die Regelmäßigkeit der Vorbeifahrten (Kontrollaspekt), sowie die längeren Ruhezeiten zwischen den Pegelspitzen (Rekreationsmöglichkeit) zu nennen. Ein gemittelt gleichlautes Schallereignis kann von Betroffenen besser eingeordnet werden. Zudem ist die Einstellung zur Lärmquelle Bahn im Vergleich zum Straßenverkehr allgemein positiver. Diesen Aspekten wird in der Lärmschutzrverordnung 16. BImSchV § 3 Anlage 2 in Form des sogenannten „Schienenbonus" Rechnung getragen. Dieser erlaubt es, von den zu berechnenden Tagund Nachtpegeln jeweils 5 dB(A) abzuziehen. In der Literatur (Hauck, Windelberg) finden sich hingegen wissenschaftlich nachgewiesene Lästigkeitsunterschiede von 5 dB(A) tagsüber und 10 dB(A) nachts, so daß der geltende Bonus als politischer Wert und nicht etwa als physikalisches Datum zu interpretieren ist. In der Schweizer Lärmschutzverordnung ist bereits eine Spannweite von 5 bis 15 dB(A) für den Bonus, in Abhängigkeit der Zugfrequenz, vorgesehen. Da die Anwendung des Schienenbonus zudem bei hohen Geschwindigkeiten und starkem Güterverkehr als problematisch anzusehen ist, erscheint es sinnvoll, den Schienenbonus nur bis zu einer Belastung von 70 dB(A) voll zu gewähren. Bei Pegeln zwischen 70 und 75 dB(A) sollte er nur noch reduziert und ab 75 dB(A) überhaupt nicht mehr zur Anwendung kommen. 5. Rechtliche Grundlagen Der Verkehrslärm findet im deutschen Recht seit dem Jahre 1974 besondere Berücksichtigung. Im Rahmen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG), insbesondere in den §§41 bis 43, wird die sogenannte Lärmvorsorge behandelt, die den Lärmschutz beim Neubau und der wesentlichen Änderung von Straßen- und Schienenwegen vorschreibt. Eine Konkretisierung dieser Normen stellt die seit 1990 geltende Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) dar. Darüberhinaus wird seit 1978 auch an bestehenden Autobahnen und Bundesstraßen Lärmschutz durchgeführt, die sogenannte Lärmsanierung. Neben baulichen Möglichkeiten des Lärmschutzes bestehen zudem

Lärm straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen, die in § 45 der Straßenverkehrsordnung (StVO) näher geregelt sind. 5.1. Lärmvorsorge Gemäß den o. g. Vorschriften sind beim Bau oder der wesentlichen Änderung von öffentlichen Straßen, sowie von Eisen- und Straßenbahnen schädliche Verkehrsgeräusche soweit als möglich zu vermeiden. Vorrangig sind Schutzmaßnahmen am Verkehrsweg wie z. B. Lärmschutzwände. Ist dies nicht möglich, müssen sogenannte "passive" Lärmschutzmaßnahmen (vor allem Schallschutzfenster) an den betroffenen Gebäuden durchgeführt werden. Die dabei dem zuständigen Eigentümer entstehenden Kosten werden in voller Höhe vom Bund erstattet. Gelingt es durch den Einsatz von Lärmschutzmaßnahmen nicht, die belasteten Wohnbereiche mit vertretbarem Aufwand zu Lärmvorsorge Gebietskategorie Krankenhäuser, Schulen, Kur- und Altenheime. Wohn- und Kleinsiedlungsgebiete Kern-, Dorf- und Mischgebiete Gewerbegebiete

Lärm schützen, erhält der Eigentümer für die verbleibenden Beeinträchtigungen eine Entschädigung in Geld. Zu beachten ist dabei, daß nur der Bau oder die wesentliche Änderung von Verkehrswegen (z. B. zusätzlicher Fahrstreifen oder zusätzliches Gleis) Lärmschutz auslösen, und nicht etwa straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen, die zu einer Steigerung der Lärmbelastung führen (z. B. Verkehrsverlagerungen). Diese Ausfuhrungen sind sinngemäß ebenfalls für Schienenwege gültig. Auch hier löst die Erhöhung der Zugzahlen ohne gleichzeitigen baulichen Eingriff keine Lärmvorsorge aus. Lärmvorsorge an Straßen und Schienenwegen muß durchgeführt werden, wenn der Beurteilungspegel, welcher auf der Basis der prognostizierten Fahrzeugzahlen für eine Strecke basiert, die nachfolgenden Immissionsgrenzwerte übersteigt (Tab. 1).

Tag (6 - 22 Uhr) 57 59 64 69

Nacht (22 - 6 Uhr) 47 49 54 59

Tab. 1: Immissionsgrenzwerte der Lärmvorsorge in dB(A) nach Bundesministerium für Verkehr 1993. 5.2. Lärmsanierung Die Lärmsanierung an Straßen richtet sich nach der Dringlichkeit im Rahmen der vorhandenen Haushaltsmittel. Diese wird vor allem nach der Stärke der Lärmbelastung, der Lärmsanierung Gebietskategorie Krankenhäuser, Schulen, Kur- und Altenheime, Wohn- und Kleinsiedlungsgebiete Kern-, Dorf- und Mischgebiete Gewerbegebiete

Anzahl der Betroffenen und der Gebietskategorie beurteilt. Die im Vergleich zu den Vorsorgewerten wesentlich höheren Immissionsgrenzwerte der Lärmsanierung an Bundesfernstraßen zeigt Tabelle 2. Tag (6 - 22 Uhr) 70

Nacht (22 - 6 Uhr) 60

72 75

62 65

Tab. 2: Immissionsgrenzwerte der Lärmsanierung an Bundesfernstraßen in dB(A) nach Bundesministerium für Verkehr 1993. Im Gegensatz zur Lärmvorsorge werden bei der Lärmsanierung dem betroffenen Eigentümer auf Antrag nur bis zu 75% der lärmbedingten Aufwendungen erstattet. Der Bund ist dabei nicht zur Zahlung, sondern lediglich

zur Prüfung des Antrages verpflichtet. Dies fuhrt dazu, daß selbst bei deutlich überschrittenen Immissionsgrenzwerten aufgrund leerer öffentlicher Kassen Lärmsanierungsmaßnahmen nicht durchgeführt werden. 213

Lärm

Lärm

Die Lärmsanierung an Schienenwegen ist ebenfalls problematisch, da sich die Deutsche Bahn AG nach wie vor nicht in der Lage sieht, den Lärmschutz an stark belasteten Strecken aus eigenen Mitteln zu verbessern. Der Bund als Eigentümer der Schienenverkehrswege hat zudem eine Lärmsanie-

rung an bestehenden Eisenbahnstrecken nicht vorgesehen. Die folgende Abbildung bietet eine zusammenfassende Übersicht über typische Geräusche, Lärmwirkungen und -»Grenzwerte.

LÄRMWIRKUNGEN

TYPISCHE GERÄUSCHE

Leq* (25m) dB(A)

nur unter Laborbedingungen hörbar

Grundgeräusch, kein starker Wind

Bereich der normalen Unterhaltung

Belastung Belästigung

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

Hörschwelle

50

Wahrscheinlichkeit Aufzuwachen über 50%

Leq (25m) dB(A)

IMMISSIONSGRENZW E R T E (T=Tag, N=Nacht) Vorsorge Sanierung

gar nicht belästigt Schlafstörung Aufwachen Kommunikationsstörungen 49

Wohngebiet

(N)

54

Mischgebiete

(N)

59 60

Wohn- (T), Gew.gebiet W o h n g e b i e t (N)

62

Mischgebiete (N)

55

nicht so stark belästigt 60 Erhöhung des Erregungsniveaus des veqetativen Nervensystems starker Stadtverkehr

65

Pkw: 70-90 dB(A)

stark belästigt

70

) Lkw: 80-90 dB(A) Motorrad: 80-100 dB(A)

Flugzeugtriebwerk in 50-100m Abstand

|II

S 1

1 I I I1

75 80 85 90 95 100 105 110 115 120 125 130

64 65

Mischgebiete (T) Gewerbegebiet (N)

69 70

Gewerbegebiet (T) Wohngebiet (T)

72

Mischgebiete (T)

75

Gewerbegebiet (T)

(N)

unzumutbar belästigt Innenohrschäden

* Äquivalenter Dauerschallpegel bzw. Mittelungspegel

Abb. 1: Zusammenfassende Übersicht über typische Geräusche, Lärmwirkungen und Grenzwerte (Quelle: Eigene Darstellung nach Ortscheid, Höger, Ising/ Rebentisch, Weinberger et al., Jansen. 214

Lärmschutz

Leistungsprinzip

Weiterführende Literatur: Bundesministerium fiir Verkehr (BMV) (Hrsg.): Lärmschutz im Verkehr. Bonn 1993; Geßner, CJ Weinreich, S.: Externe Kosten des Straßen- und Schienenverkehrslärms am Beispiel der Strecke Frankfurt - Basel. ZEW Dokumentation, Nr. 98-08. Mannheim 1998; Höger, R.\ Lärmwirkungsforschung. Ergebnisse. Perspektiven. Praxis, in: Günther, R 7 Timp, D. W. (Hrsg.): Umweltpsychologische Mitteilungen. Bd. 1., o. O. 1993; Ising, H./ Rebentisch, E.\ Zur Wirkung von Lärm auf den Menschen, in: psychomed 4, o. O. 1992; Jansen, Gr. Zur „erheblichen Belästigung" und „Gefährdung" durch Lärm, in: Zeitschrift fiir Lärmbekämpfung, 33, o. O. 1986; Kurpjuweit, K.: Dreck und Lärm töten im Jahr 50 Menschen, in: Der Tagesspiegel, Nr. 15971, Berlin 1997; Mager, N.\ Fluglärm und ökonomische Planung. Erfassung und gesamtwirtschaftliche Bewertung der Lärmbelastungen durch den Luftverkehr, Gießen 1982; Maibach, M. (Hrsg.): Die vergessenen Milliarden. Externe Kosten im Energie- und im Verkehrsbereich, Bem/Stuttgart/Wien 1996; Ortscheid, J.\ Daten zur Belästigung der Bevölkerung durch Lärm, in: Zeitschrift für Lärmbekämpfung, 43, o. O. 1996; Weinberger, MJ Thomassen, H. G./Willeke, R.\ Kosten des Lärms in der Bundesrepublik Deutschland. Berichte des Umweltbundesamtes, 9/91, Berlin 1991; Windelberg, D.\ Lästigkeit und Schienenbonus, in: Zeitschrift für Lärmbekämpfung, 42, o. O. 1995.

passive Schutzmaßnahmen, wie z. B. Lärmschutzwall oder -fenster erfolgen. -»Lärm, -»TA Lärm

Dipl.-Vw. C. Geßner

Lebenszyklusanalyse Engl.: Life Cycle Analysis; betrachtet den Lebenslauf eines Produktes von der Entwicklung bis zur endgültigen Beseitigung. Dabei beachtete sie sämtliche -»Energieund Materialflüsse, die in das Produkt einfließen.

Lärmschutz Unter Lärmschutz versteht man alle Maßnahmen, die die Lärmbelastung begrenzen und vor allem das Ziel haben, gesundheitsgefährdenden -»Lärm zu vermeiden. Hierbei wird das -»Bundesimmissionsschutzgesetz durch Regelungen des Straßenverkehrs-, Schienenverkehrs-, Luftverkehrsund Schiffverkehrsrecht, des Raumordnungs-, Bauplanungs- und Bauordnungsrecht sowie des Gewerberechts ergänzt. Die Verminderung von Lärmemissionen kann direkt an der Lärmquelle (aktiver Lärmschutz) oder durch

Landschaftsplanung Handlungsprogramm gemäß —»Bundesnaturschutzgesetz, das die überörtlichen Erfordernisse und Maßnahmen im Hinblick auf die Ziele der Landschaftspflege und des Naturschutzes beschreibt. Je nachdem, ob der Bereich eines Landes oder lediglich Teile eines Landes betroffen sind, lassen sich Landschaftsprogramme bzw. Landschaftsrahmenpläne unterscheiden. Diese konkretisieren sich in Landschaftsplänen, die die örtlichen Gegebenheiten berücksichtigen.

Landschaftsschutzgebiete In § 15 -»Bundesnaturschutzgesetz werden Landschaftsschutzgebiete definiert als "rechtsverbindlich festgelegte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft (...) erforderlich ist". Landschaftsschutzgebiete haben das Ziel, die Leistungsfähigkeit der Naturgüter zu erhalten bzw. wiederherzustellen oder die Vielfalt und Eigenart des Landschaftsbildes und seine Bedeutung fiir die Erholung zu bewahren. Die Schutzintensität ist wegen des Teilziels der Erholungssicherung deutlich geringer als bei Naturschutzgebieten.

Leistungsprinzip Verteilungs- und Bewertungsprinzip für individuelles und soziales Handeln. Voraussetzung ist die Leistungsstimulation mittels sozialer Anerkennung oder monetärer Entlohnung, z. B. Akkordlohn.

215

Logistik, umweltvertrSgliche Logistik, umweltverträgliche 1. Umweltmanagement und umweltverträgliche Logistik Wird —»Umweltmanagement verstanden als die Gesamtheit der dispositiven Aufgaben, die unter expliziter Berücksichtigung der ökologischen Forderungen der externen und internen -»Anspruchsgruppen zur Bestimmung der Ziele, der Struktur und der Handlungsweisen eines Unternehmens sowie zu deren Umsetzung notwendig sind, dann erwachsen daraus zunächst: •

die Formulierung einer umweltschutzorientierten Unternehmensphilosophie, häufig in Verbindung mit einer Präzisierung in Gestalt eines entsprechenden Leitbildes, z. B. des -»Sustainable Development;



die Integration des Umweltschutzes in das unternehmerische Zielsystem sowie die Ableitung von Umweltschutzstrategien, welche die Tätigkeitsfelder eines Unternehmens im Hinblick auf ökologische Belange charakterisieren.



Die Umweltschutzstrategien erlauben somit eine systematische, in sich abgestimmte Ausrichtung der verschiedenen Bereiche, Funktionen und Prozesse eines Unternehmens auf die ökologischen Ziele und das die normative Umweltschutzorientierung eines Unternehmens kennzeichnende Leitbild. Insofern wird auch die Logistik in Abhängigkeit ihres Verständnisses im Unternehmen als betriebswirtschaftliche Querschnittsfunktion, als Prozeß oder als Unternehmensbereich von den Umweltschutzstrategien tangiert. Insbesondere die offensiven Strategievarianten fordern eine aktive Durchleuchtung der Beziehungen zwischen -»Umweltschutz und Logistik. Hierbei lassen sich zwei grundsätzliche Integrationsausrichtungen unterscheiden. Zum einen gilt es, die klassische, auf die Versorgung von Bedarfsträgern ausgerichtete Auffassung von Logistik mit dem ökologischen An-

216

Logistik, umweltvertrSgliche Spruch zu verknüpfen. Zum anderen kann die Logistik selbst dafür eingesetzt werden, um bestimmte Felder des Umweltmanagements zu bearbeiten. Die erstgenannte Integrationsrichtung (Abb. 1) findet ihren Niederschlag in einer die ökologischen Ziele berücksichtigenden Beschaffungs-, Produktions-, Distributions- und Ersatzteillogistik, wo den Umweltschutzbelangen in einer angepaßten Gestaltung der traditionellen versorgungsorientierten Aufgabenfelder, wie etwa dem Transport oder der Verpackung, Rechnung getragen wird. Ein besonderer Stellenwert haftet dieser Betrachtungsperspektive an, sofern es sich um die Versorgung mit gefährlichen Gütern handelt. Bei der zweitgenannten Integrationsrichtung (Abb. 2) übernimmt die Logistik spezifische Aufgaben für den Umweltschutz im allgemeinen und die -»Entsorgung im besonderen, wobei letztere nach einer weiten Begriffsauffassung sowohl die Verwendung und Verwertung als auch die geordnete Beseitigung abdeckt. Für diesen als Entsorgungslogistik bezeichneten Zusammenhang zwischen Umweltschutz und Logistik wurde im Verlauf der 90er Jahre in der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre eine eigene Konzeption entwickelt, die nachfolgend zunächst im Kern und dann mit ihrer Erweiterung auf Kreislaufwirtschaftssysteme vorgestellt wird. Demgegenüber beschränken sich die Erkenntnisse zur Umweltverträglichkeit der versorgungsorientierten Logistik auf einzelne Gestaltungsalternativen logistischer Aufgabenbereiche (z. B. Einsatz emissionsarmer Transportmittel) oder spezieller logistischer Konzepte (z. B. umweltverträgliche Modifikation einer Justin-Time-Anlieferung). Mit den abschließend Erwähnung findenden Kreislaufwirtschaftssystemen ergeben sich jedoch Anknüpfungspunkte für eine zukünftige konzeptionelle Prägung der umweltverträglichen Logistik im Versorgungsbereich.

Logistik, umweltverträgliche

Logistik, umweltvertrSgliche

Umweltschutz

Lagerung

Transport

Umschlag

Verpackung

Auftragsabwick

lune

bei gefährlichen Gütern

Logistik

Abb. 1: Einbeziehung von Umweltschutzaspekten in die Logistik (Quelle: Stölzle 1993)

Abb. 2: Stellung der Entsorgungslogistik im Beziehungsfeld von Umweltschutz und Logistik (Quelle: Stölzle 1993) 217

Logistik, umweltverträgliche

Logistik, umweltverträgliche

2. Entsorgungslogistik Der Begriff Entsorgungslogistik kennzeichnet die Anwendung der Logistikkonzeption auf Abfälle, um mit allen Tätigkeiten der raum-zeitlichen Transformation, einschließlich der Mengen- und Sortenänderung, einen ökonomisch und ökologisch effizienten Abfallfluß zu gestalten. Dabei liegt dem Terminus -»Abfall in Anlehnung an das -»Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz eine weite Auffassung zugrunde, die sowohl Abfälle inklusive Altprodukte, die für den Wiedereinsatz bestimmt sind, als auch Abfälle inklusive der sogenannten Sonderabfälle, die einer geordneten Beseitigung zugeführt werden sollen, umfaßt. Der Hinweis auf die ökologische Effizienz erfordert eine explizite Einbeziehung von Umweltschutzzielen in die Konzeption. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß eine umweltverträgliche Gestaltung der auf die Versorgung ausgerichteten Logistik ebenfalls dem Gebot ökologischer Effizienz unterliegt. Das Streben nach ökonomischer Effizienz Subsysteme der Logistik nach den Phasen des Stoffstromes Beschaffungslogistik

Produktionslogistik

Distributionslogistik

Objektbereich

Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Kaufteile und Handelswaren Roh«, Hilfs- und Betriebsstoffe, Zwischen* und Endprodukte Endprodukte, Handelswaren

Ersatzteillogistik

Ersatzteile

Entsorgungslogistik

Abfälle

entstammt der versorgungsorientierten Logistikkonzeption und trägt der Zuordnung der -»Entsorgungslogistik zur Unternehmenslogistik im besonderen und zur Betriebswirtschaftslehre im allgemeinen Rechnung. Die Beschränkung des Aufgabenfeldes auf Transformationsprozesse in räumlicher, zeitlicher, mengen- und artgemäßer Hinsicht dient zur Abgrenzung von Transformationsprozessen, welche die stoffliche Zusammensetzung von Abfällen verändern. Damit gelingt beispielsweise eine saubere Trennung zwischen Entsorgungslogistik und Demontage. Unter Rückgriff auf diese konstitutiven Merkmale der Entsorgungslogistik sowie das Charakteristikum, daß der entsorgungslogistische Fluß seine Quelle am Ort der Abfallentstehung und seine Senke am Ort des Wiedereinsatzes oder der geordneten Beseitigung der Abfälle hat, kann gemäß Abb. 3 eine Abgrenzung zu den vier phasenbezogenen versorgungsorientierten Subsystemen der Logistik erfolgen.

Flußrichtung

Formalzielorientierung

Ausgewählte Ökologische Sachziele Umweltschutzorient) erte Lieferantenauswahl Wahl emissionsarmer Fördermittel

Versorgung von Bedarfsträgem ökonomische und ökologische Ziele

Vom Ort der Abfallentstehung zum Ort des Wiedereinsatzes oder der geordneten Beseitigung

Einsatz möglichst weniger und umweltgerechter Verpackungen Substitution von ungeplanten Eiltransporten aber die Straße durch geplante Ersatzteiltransporte mit emissionsarmen Verkehrsträgern Erhöhung der Wiedereinsatzquote von Abfällen durch getrennte Sammlung

Abb.3: Charakterisierung der Entsorgungslogistik gegenüber den versorgungsorientierten logistischen Subsystemen (Quelle: In Anlehnung an Stölzle)

Die flußorientierte Charakterisierung der Entsorgungslogistik kann erweitert werden um einen speziellen Führungsansatz, der derzeit für das Logistikverständnis diskutiert wird. Dabei stehen Managementaufgaben im Zusammenhang mit der Entwicklung, Gestaltung, Lenkung und Realisierung des

218

Abfallstromes sowie des dazugehörigen Informationsflusses im Vordergrund der Betrachtung. Eine solche Auffassung erscheint besonders hilfreich, wenn eine Differenzierung von Abfallströmen nach Maßgabe ihrer Objekte in:

Logistik, umweltvertrSgliche









die Rückführung von gebrauchten Produkten und ihren Komponenten zum Zwecke der Wieder- oder Weiterverwendung; die Kanalisierung fester Abfalle (z. B. —>Einweg - Verpackungen) zur Verwertung oder Beseitigung; die Handhabung flüssiger Abfälle im Hinblick auf eine Trennung und/oder Aufbereitung mit sich anschließender Verwertung oder Beseitigung; die Zufuhrung sogenannter Sonderabfälle zu den Beseitigungsanlagen unter besonderer Beachtung der mit der Logistik gefährlicher Güter einhergehenden Risiken vorgenommen wird.

In der Regel induzieren diese verschiedenen Kategorien von Abfallströmen jeweils eigene Anforderungen an ihre logistische Handhabung. Ein weiterer Anstieg der Komplexität resultiert aus der Differenzierung in unternehmensinterne und unternehmensübergreifende Abfallströme sowie der Tatsache, daß Abfallströme nicht nur eine kontinuierliche, sondern häufig eine diskontinuierliche Charakteristik aufweisen, die auf Impulsen basiert, welche in der versorgungsorientierten Logistik nicht vorkommen. Exemplarisch sei das anschwellende Volumen zu einem Hersteller rückführender Altprodukte genannt, wenn dieser eine Rücknahmegarantie gegenüber der Öffentlichkeit bekundet. Diese Dynamik - auch in Bezug auf die Veränderung von Abfallströmen und ihren Strukturen - sowie die angesprochene Komplexität der Abfallströme legen die Entwicklung eines eigenen Managementkonzepts für die Entsorgungslogistik nahe. Die Managementaufgaben sollen dabei nicht nur die Herausbildung spezifischer Logistiksysteme für die Abfallströme unterstützen, sondern auch dem Integrationsbedarf mit dem Umweltmanagement, etwa im Hinblick auf das ökologische ->Marketing eines Unternehmens, und den technischen Gestaltungsoptionen, z. B. in Form der Nutzung eines durchgängigen

Logistik, umweltvertrfigliche Mehrwegbehältersystems fllr Gefahrstoffe, Rechnung tragen. Dazu gehört weiterhin die Beurteilung von entsorgungslogistischen Lösungen aus ökologischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Sicht, wie es beispielsweise das Instrument der Rückstandslinienmatrix vorsieht. Eine besondere Bedeutung erfahren die Managementaufgaben der Entsorgungslogistik bei der Konfiguration von Rreislaufwirtschaftssystemen. 4. Logistik in der Kreislaufwirtschaft Die Fokussierung der Betrachtung auf die Logistik in Kreislaufwirtschaftssystemen ist nicht nur vor dem Hintergrund des Kreislaufwirtschafits- und Abfallgesetzes zu sehen. Auch das Postulat der nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development) läßt sich durch die Forderung nach geschlossenen Stoffkreisläufen konkretisieren. Mit Blick auf die Entsorgungslogistik steht zunächst die Rückführung von gebrauchten Produkten, die ebenfalls unter den Abfallbegriff subsumiert werden, im Mittelpunkt. Dafür müssen Redistributionskanäle etabliert werden, die eine Sammlung und Sortierung der Altprodukte bei den Endverbrauchern ermöglichen und die Bildung weitgehend homogener Stoffströme, die bis zu den Herstellern und ihren Lieferanten reichen, erlauben. Angesichts der unterschiedlichen Anforderungen, die an solche Redistributionskanäle einerseits und klassische Distributionskanäle andererseits (siehe Abb. 4) gestellt werden, erfährt die Rückführung häufig ein eigenständiges Logistikkonzept. Dabei verdienen die Schnittstellen zwischen Redistribution und Distribution eine besondere Beachtung, stellen sie doch eine wichtige Voraussetzung für die Realisierung einer Kreislaufführung dar. So wird beispielsweise die Leistungsfähigkeit einer Redistributionslogistik für kreislauffähige Produkte auch daran gemessen, welches Serviceniveau sie gegenüber den Institutionen bietet, die für eine erneute Distribution dieser Produkte zuständig sind.

219

Lokale Agenda 21

Abgrenzungsmerkmal Objekte

Marktbezug

Kemaufgaben

Lokale Agenda 21 Kanalart DUtrlbutionskanal Redistributionskanal • Zielprodukte • Abfälle • Hochwertig • Niedrigwertig • Stark differenziert • Wenig oder nicht differenziert • Eine oder wenige Quellen (Hersteller) • Viele Quellen (Endabnehmer) • Viele Senken (Endabnehmer) • Eine oder wenige Senken (Hersteller) • Differenzierte Nachfragestruktur • Standardisierte Nachfragestruktur • Starke Differenzierung nach Maßgabe der • Geringe Differenzierung nach Maßgabe der Endabnehmer Hersteller • Assortieren • Sortieren • Verteilen • Sammeln

Abb. 4: Abgrenzung von Distributions- und Redistributionskanal (Quelle: Mit leichten Veränderungen entnommen aus Stölzle 1993)

Ein entsorgungslogistisches Konzept in der Kreislaufwirtschaft zeichnet sich durch die folgenden Konfigurationsmerkmaie aus: •

• •

Zentralisierungsgrad des -»Recyclings oder der Demontage in Verbindung mit einer Aufbereitung; Stufigkeit der Redistribution; Vernetzungsgrad der Altproduktströme.

Bei der Festlegung des Zentralisierungsgrades ist aus ökonomischer Sicht eine Abwägung zwischen Kostensenkungspotentialen, resultierend aus économies of scale und économies of scope infolge der Bündelung von Recyclingaktivitäten einerseits, und zusätzlichen, mit der Zentralisierung einhergehenden Transportkosten andererseits, erforderlich. Dabei gilt es zu beachten, daß Altprodukte häufig niedrigwertig und somit transportkostenempfindlich sind, weshalb dezentrale Strukturen tendenziell vorteilhaft erscheinen. Aus ökologischer Sicht empfiehlt sich ebenfalls eine Dezentralität, um zusätzlichen Energieaufwand und transportbedingte -»Emissionen zu vermeiden. Im Hinblick auf die Stufigkeit kommen die direkte, die einstufige oder die mehrstufige Redistribution in Betracht. Entscheidungsrelevant sind dabei u. a. die Art der Altprodukte, der Zentralisierungsgrad des Recyclings sowie die Anfallstruktur der Altprodukte. Angesichts der prinzipiell unterschiedlichen Ausprägungen dieser Kriterien läßt sich keine allgemeingültige Vorteilhaftigkeitsaussage zugunsten einer Stufigkeitsausprägung ableiten. Der Vemetzungsgrad schließlich spricht zum einen die Gestaltungsoptionen des Altproduktstromes und zum anderen den Aufbau

220

von Entsorgungsnetzwerken als Organisationsform an. Im Hinblick auf die erstgenannte Interpretation kommen Nabe-Speiche-, Rastersysteme oder die strukturierte Vernetzung in Frage. Die zweitgenannte Interpretation umschreibt das Ausmaß, in dem die an der Rückführung beteiligten Institutionen Kooperationen in Gestalt von Netzwerkorganisationen eingehen. Hier offenbart sich ein bisher wenig erforschtes Integrationspotential mit Beschaffungs- und Produktionsnetzwerken. Weiterführende Literatur: Bruns, K.\ Analyse und Beurteilung von Entsorgungslogistiksystemen. Ökonomisch, ökologische und gesellschaftliche Aspekte, Wiesbaden 1997; Göpfert, /.: Industrielle Entsorgungslogistik, in: Weber, J./ Baumgarten, H. (Hrsg.): Handbuch Logistik. Management von Material- und Warenflußprozessen, Stuttgart 1999; Neher, Ar. Kreislaufwirtschaft für Unternehmen. Ein fließsystemorientierter Ansatz. Wiesbaden 1998; Stölzle, W.: Umweltschutz und Entsorgungslogistik. Theoretische Grundlagen mit ersten empirischen Ergebnissen zur innerbetrieblichen Entsorgungslogistik, Berlin 1993; Stölzle, W:. Logistik im Versorgungsbereich, in: Lutz, U. u. a., (Hrsg.): Betriebliches Umweltmanagement. Grundlagen. Methoden. Praxisbeispiele. Loseblattsammlung. Kennziffer 0401, Teil 8., Berlin 1995. Prof. Dr. W. Stölzle

Lokale Agenda 21 Agenda (lat.) bedeutet wörtlich übersetzt: „was getan werden muß", „was zu verhan

Lokale Agenda 21 dein ist". 21 verweist auf das 21. Jahrhundert und lokal definiert die Handlungsebene: Städte und Gemeinden, Kommunalpolitik und -Verwaltung, Leben, Wohnen, Arbeiten und Wirtschaften "vor Ort". Programmatisch verankert ist die Lokale Agenda 21 in dem 1992 auf der Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen (-»UNCED) in Rio de Janeiro von 179 Staaten verabschiedeten Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert. Die ->RioKonferenz hebt die Debatte um Ziele und Maßnahmen einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Entwicklung (-»Sustainable Development) erstmals auf eine viel beachtete internationale politische Bühne. Inhaltlich geht es dabei nicht nur um den Versuch, die allenfalls als allgemeines und unverbindliches Leitbild konsensfähige Idee der nachhaltigen Entwicklung zu konkretisieren. In der Rezeption des Rio-Dokuments vielfach unbeachtet geht es darin über die Zielformulierung hinaus auch um den Weg bzw. den Prozeß der Zielrealisierung und um damit zusammenhängende Anforderungen an die Akteure, Institutionen und —»Organisationen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. In dieser Perspektive betont die -»Agenda 21 die Notwendigkeit eines neuen, auf -»Partizipation und Konsensfindung orientierten Politikmodells, ohne daß die Umsetzung einer zukunftsfähigen Entwicklung und darauf abgestimmter Maßnahmen gar nicht gelingen kann. Unter der Überschrift "Stärkung der Rolle wichtiger Gruppen" geht es dabei namentlich um "Engagement und echte Beteiligung aller gesellschaftlicher Gruppen", "umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit an der Entscheidungsfindung", "Notwendigkeit neuer Formen der Partizipation" und "echte gesellschaftliche Partnerschaft". Damit betont erstmals ein global abgestimmtes Aktionsprogramm die Wichtigkeit der Zusammenarbeit von Regierungsund Nicht-Regierungsorganisationen, Unternehmen, Initiativen und anderen bürgerschaftlichen Gruppen. Um Dialog und öffentliche Beteiligung zu ermöglichen, fordert die Agenda 21 Transparenz und Offenheit des administrativen Handelns. In diesem Zusammenhang besonders hervorgehoben wird die Beteiligung und Mitwir-

Lokale Agenda 21 kung der Kommunen, die ihrerseits mit einer Lokalen Agenda 21 auf die Initiierung eines innovativen Prozesses zur Entwicklung und Anwendung eines beteiligungsorientierten Politikmodells bzw. neuen Steuerungsmodells verpflichtet werden. Wörtlich heißt es in Kapitel 28 der Agenda 21: "Jede Kommunalverwaltung soll in einen Dialog mit ihren Bürgern, örtlichen Organisationen und der Privatwirtschaft eintreten und eine kommunale Agenda 21 beschließen. Durch Konsultation und Herstellung eines Konsenses würden die Kommunen von ihren Bürgern und von örtlichen Organisationen von Bürger-, Gemeinde-, Wirtschafts- und Gewerbeorganisationen lernen und für die Formulierung der am besten geeigneten Strategien die erforderlichen Informationen erlangen. Durch den Konsultationsprozeß würde das Bewußtsein der einzelnen Haushalte für Fragen der nachhaltigen Entwicklung geschärft und kommunalpolitische Programme, Leitlinien, Gesetze und sonstige Vorschriften zur Verwirklichung der Ziele der Agenda 21 bewertet und modifiziert". Derartig konzipiert beinhaltet die Lokale Agenda 21 im Kern die Aufforderung zur Repolitisierung bzw. politischen Aufwertung der lokalen Ebene, zur Weiterentwicklung und Anwendung eines partizipativen, dialogischen Politikmodells, das Konsultation also das gemeinsame Beratschlagen über zukunftsfähige Leitbilder der Stadtentwicklung, eine sozialökologische Erneuerung städtischen Lebens und die Entwicklung darauf abgestimmter Diskussions-, Planungsund Entscheidungsprozesse in den Mittelpunkt stellt. Dabei geht es weder um die Aushebelung etablierter Formen des kommunalpolitischen Planungs- und Entscheidungsprozesses sowie des Verwaltungshandelns, noch um ihre bloße Ergänzung um unverbindliche und letztlich unproduktive "Laiendiskurse" oder kommunalpolitisch irrelevante "Spielwiesen". Im Gesamtzusammenhang betrachtet handelt es sich bei der hier verfolgten "Strategie nachhaltiger Entwicklung" vielmehr um die Organisation von Suchprozessen nach immer besseren Problemlösungen und das Experimentieren mit darauf abgestimmten neuen Formen der Beteiligung und Vernetzung von unter221

Lokale Agenda 21 schiedlichen Akteuren bzw. Akteursgruppen. Die im Konzept der Lokalen Agenda 21 zum Ausdruck kommende "Redefinition des Lokalen" bzw. Aufwertung des "demokratischen Nahbereichs" (U. Beck) hängt mit der Erkenntnis zusammen, daß viele globale Probleme ihre Ursachen auf der lokalen Ebene haben (Produktion und Konsum, Siedlungsstrukturen, Flächenverbrauch, —»Verkehr, -»Energieverbrauch, Lebensstile) und dementsprechend auch primär dort zu bearbeiten wären. Zum anderen bietet die Kommune, der Stadtteil oder allgemeiner ausgedrückt, die Lebenswelt des Alltags, d. h. der Ort, der den alltäglichen Erfahrungshorizont der Bürgerinnen und Bürger bestimmt, am ehesten Anknüpfungspunkte für ihre aktive Beteiligung an notwendigen Innovationsprozessen. Konsultation und Beteiligung im Sinne der Lokalen Agenda 21 beinhalten Chancen und Potentiale im Hinblick auf eine zukunftsfähige Innovation von Politik und Verwaltung auf kommunaler Ebene. Bürgernahe Informationen und die frühzeitige und unbürokratische Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in den kommunalen Planungs- und Entscheidungsprozeß reduzieren das Risiko von Fehlplanungen und helfen somit, Kosten zu sparen. Die vor Ort vorhandene Sachkompetenz auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger, der Verbände, sowie der Wirtschaft kann systematisch genutzt und das bürgerschaftliche Engagement problem- und bedarfsorientiert weiter aktiviert werden. Zugleich kann die Akzeptanz für bestimmte kommunalpolitische Entscheidungen und Maßnahmen gesteigert werden. Nicht zuletzt entstehen durch konsultative und dialogische Verfahren der Bürgerbeteiligung neue und zielgruppenspezifische Formen der Solidarität. Dialog als Austausch unter Gleichen, gegenseitige Beratung und gegenseitiges Lernen als Öffnung des politischen Prozesses sowie die Erarbeitung von Konsens zwischen allen Beteiligten sind dabei die Leitplanken für einen sozialökologischen Innovationsprozeß auf kommunaler Ebene. Insofern bietet der Lokale Agenda Prozeß für die Kommunen die Chance, vorhandene Blokkierungen und Innovationshemmnisse zu überwinden und inhaltlich wie strategisch neue Perspektiven zu entwickeln. Er lebt 222

Lokale Agenda 21 vom Engagement und den Erfahrungen, die die Menschen vor Ort und die sog. kommunalpolitisch relevanten Akteure in diesen Prozeß aktiv einbringen. Wesentliche Voraussetzung dafür, daß verkrustete Strukturen und eingeschliffene Routinen überwunden und notwendige Trendwenden eingeleitet werden können, ist, daß vor allem die tatsächlich brisanten und vor Ort umstrittenen Themen in der Perspektive auf die Erarbeitung konsensualer Zielsetzungen und Problemlösungen zur Diskussion gestellt werden. Weil - wie die Agenda 21 betont - die Unternehmerschaft "eine der wichtigsten Triebkräfte für -»Innovationen" ist und "eine wichtige Rolle in der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes" spielt, ist die systematische Einbeziehung von Akteuren der lokalen Wirtschaft in den Agenda-Prozeß von ausschlaggebender Bedeutung - und ist darüber hinaus auch ganz nebenbei eine erfolgversprechende Form der "Rationalisierung" von intransparenten und kaum kontrollierbaren Interessenverflechtungen im kommunalpolitischen Planungs- und Entscheidungsprozeß. Der Text des Rio-Dokuments sieht vor, daß bis 1996 die Mehrzahl der Kommunalverwaltungen in den Unterzeichnerländern einen Konsens hinsichtlich einer Lokalen Agenda 21 erzielt haben sollte. Eine vom Internationalen Rat für Kommunale Umweltinitiativen (-»ICLEI) gemeinsam mit dem Department for Policy Coordination and Sustainable Development der Vereinten Nationen durchgeführte weltweite Erhebung weist Ende 1996 ca. 1.800 Kommunen in 64 Ländern aus, die bis zu diesem Zeitpunkt in einen lokalen Agenda-Prozeß eingetreten sind; das ist weniger als 1% aller Kommunen. Mit 1576 Fällen liegt der Schwerpunkt - mit einem deutlichen Nord-Süd-Gefälle - eindeutig bei den europäischen Städten. Zum Erhebungszeitpunkt wurden in Deutschland 30 Städte mit lokalen Agenda-Aktivitäten erfaßt. Wie nicht anders zu erwarten, ist die Beteiligung in den Ländern am größten, in denen der Prozeß auf nationaler Ebene koordiniert und unterstützt wird. Thematisch wird in den westlichen Industrieländern eine starke Konzentration auf Umweltschutzfragen, insbesondere in den Handlungsfeldern

Lokale Agenda 21 Verkehr, -»Energie, Flächennutzung und Innenstadtentwicklung festgestellt. Dabei differieren die strategischen und prozessualen Vorgehensweisen sowohl zwischen als auch in den einzelnen Ländern z. T. sehr stark. In den sog. „Entwicklungs-" und „Schwellenländem" dominieren hingegen eindeutig soziale und entwicklungspolitische Aspekte. Den regelmäßig durchgeführten Recherchen von Agenda-Transfer, Bonn, zufolge, haben bis März 1999 (Stand vom 18. 03.) bereits 869 Kommunen in Deutschland (5,8%) - mit einem sehr ausgeprägten West-Ost-Gefölle und anteiligen Schwerpunkten in den Bundesländern Hessen und Nordrhein-Westfalen - einen Ratsbeschluß zur Lokalen Agenda 21 herbeigeführt. Wie die bisher mit der lokalen Agenda 21 gesammelten Praxiserfahrungen zeigen, ist die Realisierung einer tragfähigen Kooperation mit der örtlichen Wirtschaft ebenso wie die Einbeziehung von unorganisierten und kommunalpolitisch unengagierten Bürgerinnen und Bürgern bislang fast überall eine ungelöste Aufgabe. Auffällig ist eine weitgehende Konzentration auf Öffentlichkeitsarbeit, Information, Motivation und (Umwelt-) Bildung auf der einen Seite und auf den Aufund Ausbau formaler Organisationsstrukturen (Agenda-Büro, -Beauftragte, -Beiräte, -Foren, -Fachforen, -Arbeitskreise u. ä.) bei gleichzeitig weitgehender Unklarheit über die damit im einzelnen verbundenen Kompetenzen auf der anderen Seite. Mit der Folge von handlungslähmenden Friktionen ist in vielen Fällen hochgradig umstritten, ob bei der Lokalen Agenda 21 nun der Weg bzw. der (soziale Innovations-)Prozeß oder das, was dabei im einzelnen und konkret herauskommt, das Entscheidende ist. Entsprechend der unterschiedlichen Bedeutung, die der lokalen Agenda 21 in den Kommunen von Seiten der Kommunalpolitik und -Verwaltung zugeschrieben wird, variiert darüber hinaus die unter dem Gesichtspunkt praktischer Relevanz nicht unerhebliche Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln einerseits und die konkrete Art und Weise der Einbindung in die bestehende Verwaltungsstruktur andererseits. Ein im Sinne der Realisierung zukunftsfähiger Leitbilder, Ziele und Problemlösungen

Lokale Agenda 21 auf kommunaler Ebene erfolgreicher Agenda-Prozeß entwickelt sich nicht im Selbstlauf. Die Lokale Agenda muß auf der Basis politischer Beschlüsse von Politik und Verwaltung nicht nur proklamiert, sondern aktiv und öffentlich mitgetragen werden. Sie als lästige Pflichtübung mißzuverstehen oder sie "von oben" zu diktieren, hieße, die notwendigen internen und externen Veränderungen unmöglich zu machen. Die Initiierung und Organisation eines lokalen AgendaProzesses erfordert zunächst neue und zusätzliche Aktivitäten der Kommune. In der Anschubphase sind entsprechend zusätzliche personelle und finanzielle Mittel, insbesondere zur Koordination und Moderation der Konsultationsprozesse, aufzuwenden. Mittelund langfristig wird die Lokale Agenda 21 in vielen Handlungsfeldern Wege eines effizienteren Mitteleinsatzes aufzeigen und damit Kosten einsparen. Der Agenda-Prozeß beginnt mit der Entwicklung eines unter Beteiligung der Bürger und örtlichen Organisationen auf die Bedingungen vor Ort abgestimmten Handlungskonzepts. Hauptaufgabe dieses Konzeptes ist die verbindliche und transparente Regelung und Koordination von Aufgaben, Themen, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. Bürgerbeteiligung ist weder Anhängsel noch "Schmiermittel" des Agenda-Prozesses, sondern seine eigentliche Substanz und Qualität. Bürgerbeteiligung allerdings weder in einem auf Bildung und Akzeptanzbeschaffung reduzierten Sinne, noch mißverstanden als basisdemokratische Chaotisierung von Planungsund Entscheidungsprozessen. Bürgerbeteiligung dient ausdrücklich vielmehr und ausschließlich dem Zweck, daß "die Kommunen von ihren Bürgern und örtlichen Organisationen, von Bürger-, Gemeinde-, Wirtschafts- und Gewerbeorganisationen lernen und für die Formulierung der am besten geeigneten Strategien die erforderlichen Informationen erlangen". Hierfür problem- und aufgabenbezogen geeignete arbeits- und entscheidungsfähige Formen zu finden, ist eine Hauptaufgabe und zugleich Erfolgsbedingung des AgendaProzesses. Die gesamte Bandbreite der Interessen ist dabei ebenso zu berücksichtigen wie die Umsetzung und Erfolgskontrolle. Daß dies in der Regel nicht ohne Konflikte 223

Luftreinhalteplan und Reibungen erfolgt, spricht keineswegs gegen ein solches Vorgehen, sondern für ein professionelles Management und den Einsatz geeigneter Verfahren. Von besonderer Bedeutung ist die systematische Einbeziehung der Wirtschaft in konkrete Projekte regionaler Kooperation. Den Dialog zwischen Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Akteuren vor Ort ideell, materiell und organisatorisch zu fördern, ist ein entscheidender Hebel zur Überwindung der viel beklagten Innovationskrise und zugleich ein wichtiger Schritt in Richtung auf eine "Innovation der Innovation". In der Perspektive auf die Entwicklung eines sich selbst tragenden und steuernden, permanenten Lernprozesses scheiden enge zeitliche Vorgaben aus. Die realistische Formulierung von problem- und aufgabenorientierten "Meilensteinen" hingegen ist notwendiger Bestandteil dieses Prozesses. Der AgendaProzeß zielt dezemats- und ämterübergreifend auf eine zukunftsfahige Entwicklung der Stadt als ein Ort, der seinen Bürgern hohe Lebensqualität, soziale Gerechtigkeit und Umweltverträglichkeit bietet, dies aber auch gleichermaßen den Mitbürgern auf der "Einen Welt" zugesteht. Thematisch läßt er sich also weder auf ein reines Umweltprogramm noch auf die klassischen Ressorts und Pflichtaufgaben der Kommunalverwaltung reduzieren. Eine Entwicklung zur zukunftsfähigen Stadt ist ohne ein systematisches Zusammenwirken von -»Umweltschutz, nachhaltigem Wirtschaften, sozialer Integration und erweiterter Bürgerbeteiligung nicht zu erreichen. Weiterführende Literatur: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.): Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro. Dokumente, Agenda 21, Bonn o. J.; Kuhn, S. Suchy, G.l Zimmermann, M. (Hrsg.), Internationaler Rat für Kommunale Umweltinitiativen. Lokale Agenda 21. Deutschland. Kommunale Strategien für eine zukunftsbeständige Entwicklung, Berlin/ Heidelberg/ New York 1998; Jäger, T.l Schwarz, M.: Das

224

Luftverschmutzung sozial-ökologische Innovationspotential einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Entwicklung auf betrieblicher und kommunaler Ebene, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 50/98, o. O., o. J; Stark, S.: Lokale Agenda 21. Hemmnisse. Risiken. Chancen, Wuppertal Paper Nr. 73, Wuppertal 1997; CAF/AgendaTransfer. Lokale Agenda 21. Anregungen zum Handeln. Beispiele aus der Praxis, Bonn 1998. Dr. M. Schwarz

Luftreinhalteplan Luftreinhaltepläne sind nach § 74 BImSchG seitens der Landesbehörden durchzuführen. Zu ihrer Erstellung sind potentielle Luftverunreinigungen zu messen, auszuwerten und in sog. -»Emissionskatastern darzustellen. —»Bundesimmisionsschutzgesetz, - » T A Luft

Luftreinhaltung sind alle Maßnahmen, die den Umfang der Luftverunreinigungen durch Vermeidung von —»Emissionen und durch den Schutz vor - I m m i s s i o n e n vermindern.

Luftreinhaltepolitik sind alle staatlichen Maßnahmen mit dem Ziel, eine bestimmte Luftqualität zu gewährleisten. Maßnahmen sind u. a. Emissionsverbote, die Festlegung von Emissionsgrenzwerten, -abgaben, -lizenzen sowie die Förderung von Anlagen und Techniken zur Emissionsvermeidung und -minderung.

Luftverschmutzung ist die Belastung der Luft durch Schadstoffe wie Schwefeldioxid, Stickoxide, Kohlenmonoxid, Schwermetalle, Ruß sowie —»Kohlenwasserstoffe. Verursacht wird Luftverschmutzung vor allem durch Straßenverkehr, Industrieabgase und Heizungen privater Haushalte. —»Saurer Regen

Marketing, ökologisches

Management, ökologieorientiertes

M Management, ökologieorientiertes ->Untemehmensfiihrung, ökologische

Marketing, ökologisches 1. Einleitung Mit steigender Tendenz vom Verkäufer- zum Käufermarkt wurde der Absatzbereich zunehmend zum Engpaß für Unternehmer. Hierdurch wurde in den USA die Entwicklung neuer, situationsgerechter Konzepte absatzwirtschaftlicher Bemühungen angeregt, die als der Ursprung des Marketing anzusehen sind. Die neuen Konzepte berücksichtigen bei Entscheidungen der Unternehmung verstärkt die -»Bedürfnisse der Nachfrager. Die Dynamik der Märkte, verursacht z. B. durch die ständigen technologischen Entwicklungen, den ökologischen Bewußtseinswandel der Nachfrager, neue Gesetzgebung etc., führen dazu, daß auch im Leistungsbereich der Unternehmung immer wieder Anpassungen bzw. -»Innovationen vorgenommen werden müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten bzw. zu verbessern. Marketing ist aber auch als Konzeption der Unternehmensfuhrung zu verstehen da langfristig Umsatz- oder Gewinneinbußen, Fehlinvestitionen, Imageverluste etc. nur vermieden werden können, wenn die Dynamik des Marktes in der strategischen Unternehmungs- und Marketingpolitik berücksichtigt wird. Marketing umfaßt also alle Maßnahmen einer ziel- und wettbewerbsorientierten Ausrichtung der marktrelevanten Aktivitäten einer Unternehmung an ausgewählten Problemfeldern gegenwärtiger und zukünftiger Kundenpotentiale unter dem Einsatz von planenden, steuernden, koordinierenden und kontrollierenden Instrumenten aus formaler Sicht und marketingpolitischer Instrumente aus materialer Sicht. Zu den Herausforderungen der Gegenwart an das Marketing gehören sicherlich die ökologischen Problemstellungen. Diese ziehen sich, ausgelöst durch zunehmende umwelt-

politische -»Restriktionen (Ökologie-Push) oder durch das gewandelte -»Umweltbewußtsein der Konsumenten (Ökologie-Pull), durch fast alle Branchen. Zunehmend gewinnt der -»Umweltschutz auch als Marktund Wettbewerbsfaktor an Bedeutung. Hieraus folgt, daß das Marketing als Schnittstelle zwischen der Unternehmung und dem Markt den Umweltschutz im besonderen Maße bei Entscheidungen berücksichtigen muß. 2. Aufgaben des ökologischen Marketing Die Aufgaben des Marketing sind die Planung, Durchsetzung und Kontrolle sämtlicher Absatzmarktaktivitäten nach dem Gebot "von der Wiege bis zur Bahre", um Umweltbelastungen möglichst zu vermeiden oder zu verringern und damit die Bedürfnisse aktueller und potentieller Kunden unter Ausnutzung von Wettbewerbs vorteilen dauerhaft zu befriedigen und gleichzeitig bei Verfolgung der Unternehmensziele die gesellschaftliche Legitimität zu bewahren. Der Entwurf einer effizienten und langfristig glaubwürdigen ökologischen Marketingkonzeption muß: •







die relevanten Umweltprobleme analysieren, die das Unternehmen bei Betrachtung des gesamten Produktlebenszyklusses gegenwärtig und zukünftig betreffen und die Chancen/Risiken und Stärken/ Schwächen ableiten; die Unternehmensphilosophie und Marketingziele durch umweltschutzbezogene Grundsätze und Zielsetzungen ergänzen; die strategischen Akzentsetzungen der Marktbearbeitung festlegen, um den ökologischen Problemen bei einzelnen Zielgruppen gerecht zu werden; die Marketinginstrumente modifizieren und integriert zur Umsetzung des ökologischen Marketing im horizontalen und vertikalen Wettbewerb einsetzen; 225

Marketing, Ökologisches



die umweltorientierten Marketingaktivitäten mit Hilfe eines -»ÖkoControllings kontrollieren und steuern.

Marketing, ökologisches Welche der o. g. Profilierungsalternativen bevorzugt wird, hängt von den: •

3. Informationsquellen für das ökologische Marketing Basis einer Marketing-Konzeption ist eine Situationsanalyse, die unternehmensinterne und -externe Faktoren umfaßt. Hierbei steht das umweltorientierte -»Konsumentenverhalten im Vordergrund. Zur Bewertung der Chancen und Risiken der Wettbewerbsprofilierung im ökologischen Marketing ist ebenfalls die Wettbewerbssituation zu analysieren. Hierbei ist vor allem die umweltschutzinduzierte Dynamik, z. B. Risiken durch innovative Ersatzprodukte oder den Markteintritt neuer Wettbewerber, zu analysieren. Darüber hinaus sind im vertikalen Marketing die Umweltstrategien des Handels zu berücksichtigen, der als "ökologischer gate-keeper" die Diffusion ökologischer Produkte unterstützen oder boykottieren kann. Aber auch nichtmarktliche Gruppen, -»Anspruchsgruppen, können den Erfolg einer Unternehmung beeinflußen und sind daher bei der Erstellung der MarketingKonzeption zu berücksichtigen. Der Vergleich der umweit- und marktbezogenen Chancen und Risiken mit den unternehmensspezifischen Stärken und Schwächen gibt Hinweise darauf, ob und in welchem Ausmaß der Umweltschutz und die Umweltverträglichkeit der Produkte in der Marketing-Konzeption als Profilierungs- und Differenzierungsmerkmal berücksichtigt werden soll. Dabei stehen folgende Möglichkeiten der Berücksichtigung des Umweltschutzes als Positionierungseigenschaft offen: • • •



226

Umweltschutz nicht als Profilierungseigenschaft berücksichtigen; Umweltschutz als Bestandteil der bestehenden Eigenschaften; Umweltschutz als Zusatznutzen gleichberechtigt neben anderen Eigenschaften; Umweltschutz als dominante Eigenschaft.





konsumentenbezogenen Faktoren, wie z. B. Ausprägung des Umweltbewußtsein, Stellenwert des Umweltschutzes in der Idealposition etc; wettbewerbsbezogenen Faktoren, wie z. B. Vorhandensein von Konkurrenten mit der gleichen Profilierung etc; produktund programmpolitische Faktoren, wie z. B. Innovation des Umweltschutzes, -»Dauerhaftigkeit und Einzigartigkeit des Nutzens durch Umweltschutz, Kompatibilität der Umweltschutzeigenschaft mit anderen Produkteigenschaften etc.

4. Strategienentwicklung im ökologischen Marketing Die Marketingziele und -Strategien werden, auf der Situationsanalyse basierend, von umweltbezogenen Unternehmensleitbildern wie dem Sustainable Development abgeleitet. Nach einzelnen —»Umweltmedien, wie Wasser, Luft etc., Unternehmensfunktionen, Produkten, Regionen und Zielgruppen differenziert, werden konkrete Umweltschutzziele operationalisiert, d. h. nach Inhalt, Ausmaß, Zeit- und Segmentbezug festgelegt. Erst die Berücksichtigung des Umweltschutzes im Zielsystem der Unternehmen ermöglicht eine ökologische Gestaltung der Aktivitäten der Wertschöpfungskette aus konzeptioneller Gesamtsicht. Schwierigkeiten treten auf, wenn die Zielsetzung Umweltschutz in konfliktärer Beziehung zu ökonomischen Zielen steht. Die Lösung des Zielkonfliktes ist von dem verantwortungsethischen Verhalten der Entscheidungsträger abhängig. Im Rahmen des strategischen Marketing sind die Basis- und Marktteilnehmerstrategien zu entwickeln. Im ökologischen Marketing kommen als Basisstrategie die reaktive und die proaktive Ausrichtung in Betracht. Umweltschutz wird beim reaktiven Verhalten durch gesetzlichen Zwang im Zielsystem aufgenommen. Dabei werden umweltschutzbezogene Maßnahmen im allgemeinen nur durchgeführt, um das Einhalten von Mindestanforderungen oder -»Grenzwerten zu gewährleisten. Allerdings ist proaktives

Marketing, Ökologisches

Marketing, ökologisches Verhalten, also frühzeitig und die gesetzlichen Vorschriften übertreffend, notwendig, um sich langfristig im Markt und in der Gesellschaft als umweltorientiertes Unternehmen zu profilieren. Die Marktteilnehmerstrategien lassen sich seitens der Konsumenten in eine differenzierte und in eine undifferenzierte Marktbearbeitung unterscheiden. Voraussetzung für die Schaffung eines Wettbewerbsvorteils durch Umweltorientierung ist eine wettbewerbsorientierte Ausrichtung der Marketingstrategie. Grundsätzlich ist es möglich, sich über eine gute Qualität, einen geringen Preis bzw. Kosten oder in einer Nische zu profilieren. Außerdem ist es auch bei der ökoorientierung wichtig, welcher Markteintrittszeitpunkt gewählt wird. Es ist von besonderer Bedeutung, ob ein Unternehmen ein (Umwelt-)Produkt als erster (als sog. Pionier) oder später, (als sog. früher oder später Folger) in den Markt einfuhrt. Beim vertikalen Marketing stehen generell die Umgehungs-, Substitutions- oder Kooperationsstrategie gegenüber dem Handel zur Wahl.

täten, die sich von der Ideengewinnung bis zur Serienreife erstrecken. Während die finale Betrachtung die Kombination sämtlicher Produkteigenschaften beinhaltet. Der Produktbegriff bezieht sich im weiteren Sinne auf alle Zusatzleistungen (Verpackung, Kundendienst, Qualität etc.), die vom Konsumenten erworben werden können. Wobei Umweltverträglichkeit oft als Qualitätseigenschaft wahrgenommen wird. Die Produktgestaltung hat sich an dem Lebenszyklus zu orientieren und sich dabei an dem normativen Verhaltensmaßstab des Sustainable Developments zu halten. Darüber hinaus muß der Gebrauchsnutzen und ein akzeptabler Preis gewährleistet sein. Dieses wird vor allem dann zur Herausforderung, wenn die ökologieorientierte Produktgestaltung im Konflikt zu technischen Vorschriften oder zu Mindestqualitätsanforderungen der Konsumenten steht. Informationen für die ökologieorientierte Produktgestaltung und über die Umweltwirkungen einzelner Maßnahmen lassen sich in den einzelnen Produktlebenszyklusphasen ermitteln: •

5. Operative Entscheidungen des ökologischen Marketing Auf der Ebene des operativen Marketing wird auf Basis der vorher festgelegten Marketingstrategien, die als Rahmen der operativen Entscheidungen dienen, der Einsatz der Marketinginstrumente geplant bzw. der Marketing-Mix (Produkt-, Kontrahierungs-, Kommunikations- und -•Distributionspolitik) festgelegt. Die Gestaltung des Marketing-Mix erfolgt auf Grundlage der Positionierungsentscheidung für umweltverträgliche Produktvariation und -innovation. Zusätzlich ist zu entscheiden, ob der Umweltschutz flankierend, gleichberechtigt oder dominant als Produkteigenschaft in der Markenpositionierung Berücksichtigung findet. 5.1. ökologieorientierte Produktpolitik Die ökologieorientierte Produktpolitik ist Ausgangspunkt eines ökologieorientierten Marketingmix. Diese kann final oder prozessual erfolgen. Die prozessuale Produktgestaltung betrachtet die Abfolge von Aktivi-





in der Produktionsphase über den Einsatz umweltverträglicher Stoffe, die Langlebigkeit der Produkte oder die Wiederverwendung von —»Abfall; in der Ge- bzw. Verbrauchsphase über die Gesundheitsverträglichkeit der Produktsubstanzen, die Wiederverwendund -verwertbarkeit von Verpackungen, -•Lärm-, Schadstoffemissionen und -•Energieverbrauch, Verlängerung der Lebensdauer durch regelmäßige Wartungsintervalle; in der Entsorgungsphase über das Abfallvolumen, die Möglichkeit der Produktzerlegung in Verbundstoffe für die Zuführung in den Rcyclingprozeß oder Recyclingfähigkeit der Produktbestandteile.

Informationen für eine ganzheitliche ökologische Analyse und Bewertung von Produkten liefern ökobilanzen. Aber auch Verfahren wie das Marketing-Assessment, Technikfolgeabschätzung oder die Produktlinien227

Marketing, ökologisches

Marketing, ökologisches

analyse geben Auskunft über die Umweltverträglichkeit von Produkten. Es existieren zwei Ansatzmöglichkeiten einer ökologieorientierten Produktgestaltung: Erstens der integrierte Umweltschutz oder zweitens end-of-pipe-Maßnahmen. Bei der Ressourcenwahl ist zu analysieren, ob nicht regenerierbare durch regenerierbare bzw. nachwachsende Rohstoffe ersetzbar sind. Die Einsparungs- bzw. Substitutionspotentiale sind entlang des gesamten Prodkuktlebenszyklusses auszuschöpfen. Hierbei steht die Erhöhung der Ressourceneffizienz im Vordergrund, die durch eine Verringerung des Ressourceneinsatzes, eine Erhöhung der Umlaufzahl der eingesetzten —»Ressourcen mit Hilfe kreislaufgerechter Produktgestaltung und durch eine zeitliche Verlängerung der Ressourcennutzung durch Gestaltung von langlebigen Produkten erreicht wird. Die Produktpolitik beinhaltet ebenfalls die Verpackungspolitik, die besonders durch den hohen Anteil am Hausmüll (ca. 50%) in der Lage ist, einen erheblichen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Die Funktion der Verpackung hat sich in den letzten Jahren mehrfach gewandelt und damit auch die Anforderungen, die an Verpackungen gestellt werden. Vom anfänglichen Transportschutz hat sich die Verpackung über mehrere Stufen zu einem Qualitätsbestandteil entwickelt, der das ästhetisches Empfinden anspricht und den Gebrauch erleichtem kann. Es sind daher Lösungen zu entwickeln, die den Umweltschutz berücksichtigen ohne die anderen Funktionen zu vernachlässigen. Hierbei nennen Meffert/Kirchgeorg folgende umweltorientierte Anforderungen an Verpackungen: • •

• • •

228

möglichst geringer Rohstoff- und Energieverbrauch; minimale Luft- und Wasserbelastung bei Herstellung, Distribution, Gebrauch und -»Entsorgung; optimale Gewichtsreduzierung; ideale Nutzung der Raumkapazität; Verwendung möglichst wiederverwendbarer bzw. wiederverwertbarer

Materialien, die zudem ohne Probleme zu entsorgen sind. 5.2.

Ökologieorientierte Kommunikationspolitik Die -»Kommunikationspolitik hat die Aufgabe durch die Übermittlung von Informationen und Bedeutungsinhalten die Meinungen, Einstellungen, Erwartungen und Verhaltensweisen nach bestimmten Zielsetzungen zu steuern. Besonders das zunehmende Umweltbewußtsein der Konsumenten und der Öffentlichkeit und die sich daraus ergebende Kritik an das unternehmerische Verhalten drängen die Unternehmen zu einer zweiseitigen Kommunikationspolitik, um möglichen Imageverlusten aus verursachten -»Umweltschäden vorzubeugen. Ergänzend zu den klassischen Instrumenten der -»Kommunikation, wie Werbung, Öffentlichkeitsarbeit etc. schafft eine dialogorientierte Informationspolitik (vor allem mit den Anspruchsgruppen) die Voraussetzungen für eine glaubwürdige Identität, die mit dem Umweltschutz im Einklang steht. Je nach der verfolgten ökologischen Strategie variiert der Einsatz der einzelnen Instrumente. Eine defensive Umweltschutzstrategie wird oft von Unternehmen ökologisch betroffener Branchen gewählt, wobei das primäre Ziel in der Verbesserung des Unternehmensimage liegt. Hierzu eignen sich vor allem Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit, die Verständnis für die Unternehmensaktivitäten, gewinnen sollen. Hier werden häufig PRAktionen durchgeführt, die das Engagement für bedrohte Tierarten oder die Einrichtung von Stiftungen zum Inhalt haben. Hingegen ist eine offensive Strategie erforderlich, wenn Unternehmen ökologieorientierte Leistungen anbieten. Als kommunikationspolitisches Instrument steht dabei vor allem die Werbung im Vordergrund. Im Investitionsgütermarketing überwiegt der persönliche Verkauf und bei Konsumgütern nutzt man hauptsächlich Massenmedien. 5.3. Ökologieorientierte Preis- und Kontrahierungspolitik Im Rahmen der Preispolitik formuliert der Anbieter die Entgeltforderung für seine

Marketing, ökologisches angebotene Leistung. Preispolitik und Leistungsangebotspolitik stehen also in einem komplementären Verhältnis. Die Aufgaben der Preispolitik sind von der jeweiligen Phase des Produktlebenszyklusses abhängig. In bzw. vor der Einführungsphase besteht die Aufgabe der Preispolitik in der Festlegung eines Preises und bei Nachfrage- oder Kostenänderungen in der Änderung von Preisen oder bei Wettbewerberaktionen in der Reaktion. Als ökologierelevante Entscheidung kommt die Bestimmung der optimalen Preisrelation von Produktvarianten, die sich in der Eigenschaft der Umweltverträglichkeit unterscheiden. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß umweltfreundliche Produkte oft durch zusätzliche Umweltschutzinvestitionen höhere Herstellungskosten verursachen, die j e nach Preiselastizität der Nachfrage über den Preis an die Konsumenten weitergegeben werden können. In der Praxis ist die Nachfrage nach umweltverträglichen Produkten überwiegend elastisch, so daß eine Preiserhöhung zu einer Verringerung der Nachfrage fuhrt. Zur Vermeidung eines Nachfragerückgangs aufgrund von Preiserhöhungen kommt nur eine Mischkalkulation in Frage, welche die höheren Kosten der umweltfreundlichen Produkte auf andere Produkte umlegt, oder die Bearbeitung eines Kundensegmentes, das aufgrund einer höheren Preisbereitschaft bereit ist, für den Nutzen Umweltverträglichkeit einen höheren Preis zu zahlen. Im Kontext der -»Kontrahierungspolitik wird im Zusammenhang mit dem -»Kreislaufwirtschaftsgesetz über eine stärkere Ausrichtung der Absatzaktivitäten auf Mietbzw. Leasing- statt Verkaufsgeschäfte diskutiert. Die im Kreislaufwirtschaftsgesetz geregelte Produktverantwortung beinhaltet auch die Rücknahme und anschließende Verwertung von produktbezogenem -»Abfall. Auf die Tätigkeiten der Hersteller hätte das zur Folge, daß dieser nicht nur produziert, sondern mit dem Miet- bzw. Leasinggeschäft auch Dienstleistungen am Markt anbietet. Der ökologische Nutzen des -»Öko-Leasing ergibt sich daraus, daß der Leasingnehmer nur die Nutzung des Produktes bezahlt und der Leasinggeber seine ökonomischen Ziele eher erreicht, wenn sein

Marketing, ökologisches Produkt möglichst lange und intensiv genutzt werden kann. Hierdurch entsteht ein Anreiz zur Ressourceneinsparung und Abfallverringerung für den Leasinggeber. Voraussetzung hierfür ist, daß der Leasinggeber der Hersteller ist und der Leasingnehmer, der auch gleichzeitig Nutzer des Produktes ist, keine Kaufoption ausüben kann. 5.4. Ökologieorientierte Distributionspolitik Die Distributionspolitik steuert die Bewegung eines Gutes von seiner Entstehung bis hin zum Ge- und Verbrauch sowie die Rückführungsprozesse der ge- bzw. verbrauchten Produkte im Rahmen des Recycling bzw. der Entsorgung. -»Distributionspolitik, ökologieorientierte 6.

Implementierung eines ökologischen Marketing Bei der wirkungsvollen organisatorischen Implementierung eines ökologisches Marketing stehen als erste Stufe die Ernennung eines Betriebsbeauftragten für Umweltschutz bis zur höchsten Implementierungsstufe, die funktionale Eingliederung des Umweltschutzes zu Wahl. Hierbei ist eine große Akzeptanz seitens der Mitarbeiter und eine Breitenwirkung im gesamten Unternehmen durch die Verknüpfung eines -»Top-downAnsatzes mit einem -»Bottom-up-Ansatzes. Zum Abbau möglicher Akzeptanz- oder Verhaltensbarrieren der Implementierung eines ökologischen Marketing ist ein innengerichtetes Marketing geeignet. Die Koordination und Kontrolle der Umweltschutzmaßnahmen erfolgt über ein ökologieorientiertes Controlling, das den Entscheidungsträgern Planungs-, Steuerungs- und Kontrollinstrumente zur wirkungsvollen Implementierung eines ökologischen Marketing zur Verfügung stellt. 7. Ausblick Besonders zukünftige Änderungen im —»Umweltrecht, wettbewerbsrelevante Aspekte und das zunehmende Umweltbewußtsein werden zu einem steigenden Stellenwert des ökologischen Marketing führen. Allerdings ist die Bedeutung des Umweltschutzes im Konsumgütermarketing von der Kategorie der angebotenen Leistung abhängig. So wird sich vor allem im Bereich der 229

Marktwirtschaft, öko-soziale

höherwertigen Güter die Umweltverträglichkeit zunehmend zu einem Grundnutzen und damit zu einem K.o.-Kriterium bei der Kaufentscheidung wandeln. Weiterführende Literatur: Hopfenbeck, W:. Umweltorientiertes Management und Marketing. Landsberg a. Lech 1990; Meffert, H.\ Marketing. 8. Aufl., Stuttgart 1998; Meffert, HJ Kirchgeorg, M.\ Marktorientiertes Umweltmanagement. Konzeption. Strategien. Implementierung mit Praxisfällen. Stuttgart 1998.

Materialwirtschaft, ökologische

onsflusses auf allen Wertschöpfungsketten, Logistik- und Bestandscontrolling), Materiallagerung (Warenannahme, Lagerorganisation, -Verwaltung, Ein- und Auslagerung), Materialdisposition (Bedarfsermittlung, -auslösung, Bestellmengenrechnung, Auftragsterminierung), Reststoffwirtschaft (-»Abfallvermeidung, schadstoffarme Inputstoffe, Prozeßoptimierung, internes und externes -»Recycling). Durchgängig in allen Bereichen hat eine Materialrationalisierung stattzufinden (z. B. mit dem Instrumentarium „Nummerung, Standardisierung, ABC-, Wert-, Make or Buy-Analysen").

Dipl.-Oec O. Klinghagen

Marktwirtschaft, Öko-soziale ->Umweltschutzleitbilder

Materialwirtschaft Die Materialwirtschaft umfaßt alle Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, die für den Produktionsprozeß einer industriellen Unternehmung benötigten Materialien, qualitativ, quantitativ, zum richtigen Zeitpunkt, am rechten Ort, zu günstigen Kosten bereitzustellen.

Materialwirtschaft, ökologische 1. Allgemeines Materialwirtschaft, insbesondere wenn man sie als integrierte Materialwirtschaft versteht, hat viele Berührungspunkte zu ökologischen Fragestellungen eines Unternehmens. Bezeichnenderweise nannte sich auch deshalb der erste umweltorientierte Arbeitskreis der Wirtschaft -»B.A.U.M. im Jahre 1984 „Bundesdeutscher Arbeitskreis fur Umweltbewußte Materialwirtschaft". Als abteilungsübergreifende Querschnittsfunktion umfaßt eine Integrierte Materialwirtschaft die Aufgabenstellungen: —»Einkauf (Beschaffungsmarktforschung und -marketing, Kaufverhandlungen, Bestellabwicklung, Lieferantenmanagement und Supply-Management), Transportwesen (Tourenplanung, inner-/außerbetrieblicher Transport, Verkehrsmittelwahl), Logistik (Optimierung des Material- und Informati230

Aufgrund dieses breiten Spektrums der Aufgabenstellung zur Stoffstromoptimierung über die gesamte Wertkette hinweg kann zurecht vermutet werden, daß erhebliche Schnittstellen zwischen Ökonomie und -»Ökologie existieren und durch ein aktives Materialmanagement doppelte Nutzeneffekte entstehen können. Bei komplexen materialwirtschaftlichen Aufgabenstellungen großer Unternehmen ist es deshalb durchaus zweckmäßig, die Umweltverantwortung dem Top-Management der -»Logistik/ Materialwirtschaft zuzuordnen. Gleichzeitig muß ein enger Informationsaustausch zwischen materialwirtschaftlichen Abteilungen und dem Umweltreferat erfolgen. An Umweltausschußsitzungen sollten je nach Problemstellung und Größe des Unternehmens verschiedene Vertreter der Materialwirtschaft teilnehmen. -»Umweltinformationen aus Schwachstellenanalysen und ökobilanzen sollten möglichst automatisch in EDVProgrammbausteine der Materialwirtschaft übernommen werden (z. B. in PPS-Systeme, Einkäufer-, Stücklistenprogramme). 2. Materialwirtschaft als Schlüsselfunktion für eine ökologische —»Unternehmensfiihrung Die in den beiden letzten Jahrzehnten deutlich feststellbare Bedeutungszunahme der Materialwirtschaft erklärt auch zum großen Teil, warum sie eine Schlüsselrolle zur ökologisierung des Unternehmens einnimmt:

Materialwirtschaft, ökologische a)

Großes Rationalisierungs-Potential im Materialbereich Im Durchschnitt der Industrie betragen die Materialkosten 50-60% im Vergleich zum Umsatz, vor allem in Einbeziehung der Betriebsmittelkosten (für die der Einkauf ebenfalls mitverantwortlich ist) oft deutlich über die Hälfte der Gesamtkosten. Da nach Stoffstromuntersuchungen zu vermuten ist, daß ca. 40% des Inputs (Gewichtsanteil) als -»Reststoff verloren geht, liegen hier ungenutzte Kostenreserven, die durch prozessorientierte Umweltkostenrechnungen (Prozeßkostenanalysen, Prozeßbilanzen) ermittelt werden können. Die auf der gesamten Prozeßlinie ermittelten Abfall- bzw. Abwasserwirtschaftskosten liegen häufig um den Faktor 5-10 höher als die primären (dem Rechnungswesen leicht entnehmbaren) Umweltkosten in Form von Abfall-, Abwassergebühren und Entsorgungskosten. Mit einer prozeßorientierten Aufdeckung der versteckten Umweltkosten läßt sich leichter argumentieren, daß sich reststoffvermeidende Maßnahmen, oder Investitionen/Programmveränderungen rentieren, daß integrierte Problemlösungen schneller aufgegriffen werden und das End-of-the-PipeDenken mit oft teurem (und letztlich nicht wertschöpfendem) Investment am Ende des Produktionsprozesses überwunden wird. Im einzelnen geht es um Abfallvermeidung, „Abwerfen" von unnötigem Materialballast (Transport-/Um-/Verkaufsverpackungen, Gewichtseinsparung), Einführung von Mehrwegsystemen, sortenreines Sammeln von Wertstoffen, die Kreislauffuhrung von Wasser, -»Abwärme, Abfällen, Optimierung von Losgrößen (z. B. zur Vermeidung von Reinigungsvorgängen bei Farbenwechsel). Wie bei den Materialkosten so sind auch im Umlaufvermögen Rationalisierungseffekte mit ökologischer Entlastungswirkung zu erwarten. Der Anteil des Bestandswerts am Gesamtvermögen des produzierenden Gewerbes beträgt ca. 1/3. Durch Maßnahmen einer bedarfsgerechten Disposition, Losgrößenrechnung, materialflußgerechten Anordnung der Maschinen, sinkt nicht nur die Kapitalbindung in den Beständen, sondern wird gleichzeitig (ökologisch relevant) bewirkt, daß das Verwertungsrisiko der

Materialwirtschaft, Ökologische Vorräte und eine vorgezogene (nicht vom Markt verlangte) Ressourcenbindung sinken. Allerdings muß darauf geachtet werden, daß nicht an anderer Stelle neue Umweltprobleme entstehen (etwa durch mehr —»Emissionen wegen der gestiegenen Anlieferungshäufigkeit oder durch erhöhten Flächenverbrauch). b) Optimierung des Materialflusses innerhalb der Wertschöpfungsketten Mit dem Ziel einer individuellen, kundengerechten und flexiblen Produktion bei niedrigen Beständen steigen die logistischen Anforderungen innerhalb der gesamten betriebswirtschaftlichen Wertkette. Mit engen Wertschöpfungspartnerschaften soll ein verschwendungsarmer Materialfluß organisiert werden, der nur das nachschiebt, was letztlich die Endnachfrage bzw. der konkrete Kundenwunsch anfordert. Jegliche Wertschöpfungskette ist aber gleichzeitig auch mit Schadschöpfungen verbunden, basiert auf mehr oder weniger erschöpfbaren Rohstoffen und endet mit einer mehr oder weniger schnellen Auflösung der Produkte in seine Einzelteile. Logistisches Denken ist demnach zwar eine wichtige Annäherung an ökologisch notwendiges „Denken in Stoffströmen", es darf aber nie lediglich linear sein, sondern muß von Anfang an die Verzahnung mit natürlichen Kreisläufen suchen. Logistik ist von daher nicht nur als „Vorwärtslogistik" zu optimieren, sondern immer auch als „Rückwärts (Retro-) Logistik. „Design to cost" muß immer mit einem „Öko-Design" der Produkte und Dienstleistungen verbunden sein (möglichst hohe Wieder-AVeiterverwendbarkeit des Produkts bzw. Wiederverwendbarkeit auf hohem Niveau, einfache Zerlegbarkeit, sortenreine Trennung, keine schädlichen Inhaltsstoffe, Multifimktionalität/ Langlebigkeit/ leichte Reparierbarkeit des Produktes, Einsatz von Sekundärrohstoffen). In diese Richtung weist deutlich das -»Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG verabsch. am 8. Juli 1994) mit dem Vorrang der -»Abfallvermeidung (§4) und der Produktverantwortung (§22) mit zu erwartenden Rücknahmegeboten für industrielle Güter. Logistik trägt erst dann zu einer zukunftsfähigen Unternehmensentwicklung bei, wenn ein ökolo-

231

Materialwirtschaft, Ökologische

Materialwirtschaft, Ökologische

gisch-ökonomisches Wertschöpfungsnetzwerk entsteht, wo auch (betriebswirtschaftlich nachweisbar) mehr Werte geschaffen, als vernichtet werden. Die „Naturblindheit des Marktes" macht hierzu den Aufbau eines ökologischen Rechnungswesens im UnterR O H S T O F F E N T N A H M E Liefer-

nehmen unverzichtbar. Gleichzeitig muß ökostrategisches Vorgehen mit dem Interesse verbunden sein, daß die staatliche Wirtschaftspolitik zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen externe Kosten zunehmend internalisiert.

•ökologieorientiertes Beschaffungsmarketing •Auswahl umweltfreundlicher Verfahren, Maschinen, Werkzeuge

•Input-Output-Analyse des Materialflusses (Prozeßbilanzen)

•Umweltbezogene Einkaufsge- und verböte •Kooperation mit Lieferanten über eine ökologiegerechte Verbesserung der Inputstoffe, Verpackung,, Transporte etc.

•energetische Prozeßoptimierung •Kuppelproduktion, bestandsminimi erende Materialsteuerung

•Nachrüst-, Reparaturangebote

Beschaffungslogistik

Produktionslogistik

Distributionslogistik

•Emissionskontrollen und -monitoring

•Versand mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln,Tourenoptimierung •Abfallmarketing •interindustrielles Recycling •Minimierung der Verkaufs-, Um-, Transportverpackung

A B F Ä L L E

*

Kunde

ant Rctrobeschaffungslogistik Retroproduktionslogistik

Retrodistributionslogistik

•Mehrwegverpackungen

•internes Recycling

•Mehrwegverpackungen

•Rücknahmeverp flichtung (z. B. CKW, Altöl) Rückverkäufe

•Reparatur

•Rücknahme gebrauchter Güter bzw. Wertstoffe

•Demontage

Abb. 1: Umweltaktivitäten in einzelnen Logistikbereichen (Vorwärts- und Rückwärtslogistik, Beispiel Industrie)

Neben einer qualitativen Veränderung der Stoffströme erfordert ein -»„Sustainable Development" für die westlichen Industrieländer auch deren absolute Reduzierung (mittelfristig mindestens um den -»Faktor 4). Logistikoptimierung muß deshalb nicht nur Emissionen reduzieren (im Hinblick auf eine Entlastung der „Senken"), sondern auch den Materialinput in Summe (im Hinblick auf die drohende Erschöpfung der „Quellen" und die mit Materialbewegungen generell verkoppelten Umweltbelastungen). Dabei würden auch die mit den Produkten verbundenen „ökologischen Rucksäcke" (mitgeschleppte Abfalle, -»Abwasser, Abraum, Rohstoffund -»Energieverbrauch für Transporte,

232

Veredelungsleistungen etc.) vermindert, die immerhin pro Bundesbürger und Jahr ca. 72 t erreichen (Wuppertal-Institut). c) Korrektur der Finanzökonomie durch realökonomische Betrachtungen Während Managemententscheidungen weitgehend nach Geldgrößen gefällt werden und natürlich auch das Materialmanagement finanzwirtschaftlichen Formalzielen (Rentabilität, Gewinn, Liquidität) gerecht werden muß und eine aktive Gewinnverbesserungsfunktion hat, werden die Signale der Realökonomie (Rohstoffverfügbarkeit, Umweltrisiken, Belastung der -»Umweltmedien, Veränderung der Qualität der Lebensgrundlagen) immer wichtiger für eine erfolgreiche

Materialwirtschaft, ökologische

Materialwirtschaft, ökologische und gesellschaftlich legitimierte Unternehmensfuhrung im operativen und strategischen Bereich. Die Materialwirtschaft ist dabei diejenige betriebswirtschaftliche Sachfunktion, die der Stoffsphäre am nächsten steht. Sie kann daher die in der Betriebspraxis häufig anzutreffende Identifikation der Umweltprobleme mit Stoffproblemen sowohl finanz- als auch realökonomisch einer zufriedenstellenden Lösung zuführen (z. B. durch einen umweltinformierten Einkauf, durch Vermeidung von Gefahrstoffen und Lagerrisiken). d) Immaterialisierung der Leistungsangebote Das Materialmanagement hat nicht nur im operativen Bereich eine wichtige Umweltschutz-Funktion, sondern muß (v. a. im Investitions- und Gebrauchsgüterbereich) ebenfalls an Dematerialisierungsstrategien zusammen mit der Marketing-Abteilung arbeiten. Die steigende Aufmerksamkeit gegenüber den Beschaffungsmärkten erklärt sich nicht nur aus sinkender Fertigungstiefe, steigender internationaler Arbeitsteilung und einer gestiegenen Vorwärtsintegration der Lieferanten. Ein an nachhaltiger Unternehmensentwicklung orientiertes SupplyManagement muß auch die abzusehende absolute Knappheit der Rohstoffe einbeziehen sowie durch „global sourcing" neu entstehende Versorgungsrisiken (z. B. durch Transporte, Kommunikationsschwierigkeiten) beachten. Da die Grenzen materieller Expansion und Umweltbelastbarkeit v. a. von der Emissionsseite her gesehen überdeutlich geworden sind, ist die Ausrichtung des Absatzmarketing an Zielen des „Immer Mehr" und des „Machens von Konsumbedürfnissen" durch eine „high volume production" überholt. Rein quantitative Sachzielsetzungen sind auf Dauer nicht durchhaltbar und auch für Schwellenländer und die Dritte Welt nicht nachahmenswert. So wichtig die in Gang gesetzten Recyclingmaßnahmen sind, läßt sich damit die Ressourcenerschöpfungsproblematik bestenfalls verzögern, aber nicht überwinden, vor allem dann nicht, wenn der RohstoffVerbrauch weiter steigt. Eine umweltverantwortliche Unternehmensführung bezieht somit die absolute Begrenztheit der Rohstoffe und die begrenzte Aufnahmekapazität der Umweltmedien (Wasser, Luft, ->Boden) bereits heute in die

Produktpolitik und strategische Planung ein, selbst wenn die Preise andere Signale setzen und Konsumenten aus Unwissenheit oder Bequemlichkeit zunächst etwas anderes verlangen. Dies ist „beyond lean production" zu beachten, einem Konzept, das ansonsten mit seinen Prinzipien der -»Interdisziplinarität, Vermeidung von Verschwendung, Wertkettenoptimierung, dezentrale Verantwortlichkeit, stark mit den Zielen einer ökologischen Materialwirtschaft übereinstimmt. Darüber hinaus ist (durchaus in Interaktion mit den Kunden, Verbraucher-, Umweltverbänden) an umweltschonenden Problemlösungen zu arbeiten, was eben den normativen Charakter einer ökologischen Unternehmenspolitik ausmacht und von der Maxime der Erfüllung beliebiger Kundenwünsche (wie sie im lean production-Konzept noch unterstellt ist), abweicht. Dematerialisierungsstrategien sind z. B. verbunden mit produktbegleitenden Serviceangeboten, ökologischen Dienstleistungen (z. B. Beratung eines Lackfabrikanten zur Verhinderung von Over-spray) oder nutzungsorientierten Dienstleistungen (z. B. Leasing von Kopiergeräten, Hausgeräten). Deutliche Dematerialisierungseffekte können zudem erreicht werden, wenn man sich weitgehend vom Produkt trennt und bedürfnis- (performance-)orientierte Leistungen anbietet (z. B. Mega-Watt-Strategien im Bereich der -»Energieversorgung). III. Das ökonomisch-ökologische Zieldreieck der Materialwirtschaft Durch die ökologische Erweiterung materialwirtschaftlicher Aufgabenstellungen ergibt sich auch eine Erweiterung des klassischen Zieldreiecks: •

hohe Lieferbereitschaft;



niedrige Kapitalbindung in den Beständen (Umlaufvermögen) und in Gebäuden/Anlagen (materialbezogenes Anlagevermögen);



minimalen Materialkosten mit oben skizzierten Umweltzielen.

den

233

Materialwirtschaft, ökologische

Materialwirtschaft, ökologische

Diese können wie folgt zusammengefaßt werden:

• •



emissionsarme und energiesparende Produktion bzw. Produktlinie; ressourcenschonendes Programm.

hoher Verwertungsgrad der Inputmaterialien;

Ressourcenschonendes Programm \

Niedrige Materialkosten

Hohe Lieferbereitschaft

Geringe Kapitalbindung

Hoher Verwertungsgrad der Inputmaterialien

Schadstoffarme Produktion/Produktlinie

Abb. 2: Ökonomisch-ökologisches Zieldreieck der Materialwirtschaft

Nach verschiedenen empirischen Untersuchungen harmoniert erwartungsgemäß in der Praxis das klassische materialwirtschaftliche Ziel „niedrige Materialkosten" eng mit dem ökologischen Ziel „hoher Verwertungsgrad der Inputstoffe". Hier drückt sich insbesondere in -»Umweltkennzahlen der „ÖkoEffizienz" (z. B. in der Materialproduktivität) aus, daß - bezogen auf den Produktoutput in Gewichtseinheiten - Abfälle vermieden oder Reststoffe in Kreislaufverfahren wiederverwertet werden. Dazu ist eine frühzeitige Abstimmung bei der Auswahl von Werkstoffen, Anlagen, Verfahren zwischen Einkauf, Konstruktion und Produktion erforderlich. Aus seiner Querschnittsfunktion heraus muß das Materialmanagement am Anfang der Wertschöpfungskette Prozesse ökonomisch und ökologisch optimieren. Ein „simultaneous engineering" zwischen Produkt-, Betriebsmittel-, Werkzeug und Werkstoffplanung ist auch deshalb unverzichtbar, weil im „pre-processing-Bereich" mit der Entwicklung und Konstruktion von Produkten (zumindest im Gerätebau) nicht nur ca. 80% der Folgekosten, sondern im gleichen Zuge durch die Festlegung von Stoffen, Bauelementen, Verfahrensschritten auch Emissionen, Rohstoff- und Energieverbrauch (und

234

zwar auf der gesamten Produktlinie) determiniert werden. Eine bedarfsgerechte Disposition mit einer geringen Kapitalbindung in (richtig sortierten) Beständen verhindert Verwertungsrisiken (bedingt durch Nachfrageverschiebung oder technischen Wandel) und sollte in enger Abstimmung mit der -»Beschaffungslogistik organisiert werden. Diese muß aber auch darauf bedacht sein, daß Lieferbeziehungen in kurzen Rhythmen nicht zulasten zusätzlicher Transportvorgänge und emissionsintensiver Verkehrsmittel erfolgen. Zwar sind die derzeit niedrigen Transportkosten (in fast allen Wirtschaftssektoren unter 2% der Herstellkosten) keine wirksame Restriktion für aufwendige und weite Transportströme, doch zeichnen sich durch zu erwartende Energieverteuerung, gesellschaftliche Kritik, ökologische Probleme (z. B. —»Treibhauseffekt) und kollabierende Verkehrssysteme (Staus, enger werden Lufträume etc.) für die Logistik eine Veränderung der Rahmenbedingungen ab. Ressourcenschonende, dematerialisierte Leistungsangebote werden aufgrund der oft dominierenden kurzfristigen Planungshorizonte und noch ausbleibenden Preissignale der Beschaftungsmärkte (hier überwiegen

Materialwirtschaft, ökologische weitgehend kurzfristige, relative Knappheitsindikatoren) in der Praxis erst ansatzweise mit dem Ziel einer hohen Lieferbereitschaft in Beziehung gebracht. Definiert man diese nicht nur über den Servicegrad, sondern auch über die Produkt-, Programm- und Produktionsflexibilität, so werden aber gerade in der strategischen Planung Dematerialisierungsziele Berücksichtigung finden müssen. Dazu hat sich das Materialmanagement auch in die strategische Geschäftsfeld-/ Unternehmensplanung einzuschalten, wo Risiken und Chancen der Differenzierung oder der Kostenführerschaft durch Immaterialisierung der Leistungsangebote abzuwägen sind. 4. Ansatzpunkte in einzelnen Funktionen Betrachtet man die fünf wichtigsten Teilfunktionen der Materialwirtschaft, nämlich Einkauf, Logistik, Lagerwirtschaft, Disposition und Reststoffwirtschaft, dann lassen sich ökologische Aspekte wie folgt integrieren: (1) Der Einkauf Der Einkauf ist das Einlaßtor für die Stoffströme eines Unternehmens. Er hat eine wichtige begin-of-pipe Funktion und trägt gleichzeitig eine ambivalente Verantwortung: zum einen als Risikoverhinderer (keine „ökologischen Bazillen" in das Unternehmen einzuschleppen), zum anderen als Innovator (Problemlösungen zur langfristigen Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu aktivieren). In enger Abstimmung mit dem Umweltreferat müssen Umweltrisiken (Rohstofferschöpfung, -ausbeutung, negative Auswirkungen auf der Produktlinie, emissionsträchtige Verfahren, Gefahrstoffe, Recyclingprobleme etc.) bekannt sein. Produktlinienanalysen können zusammen mit Versorgungsrisiken, Kostenund Preisentwicklungsuntersuchungen Vormarktanalysen ergänzen. Aus den Umweltinformationen von ökobilanzen können schließlich vom Einkauf Problemstofflisten erstellt werden, die Lieferanten konkrete Ver- und Gebote zur Stoffzusammensetzung ihrer Teile vorschreiben. Der Einkauf im Handel entwirft zur Auswahl geeigneter Lieferanten oder zur Listung neuer Produkte bereits Pflichtenhefte/Artikelpässe zur Sicherung der Umweltverträglichkeit seiner Sortimente oder läßt sich die Unbedenklichkeit

Materialwirtschaft, ökologische gewisser Inhaltstoffe garantieren. In jedem Fall sollte der Einkauf bei Gefahrstoffen oder umweltgefährdenden Stoffen/ Verdachtsmomenten auf der Information durch Sicherheitsdatenblätter bestehen, die nach EGRecht auch über Umweltwirkungen Auskunft geben sollen. Durch Beschaffungsmarketing muß der „gestaltende E i n k a u f insbesondere neue, umweltverträgliche Alternativen bei Stoffen, Teilen, Maschinen, Anlagen und Dienstleistungen (z. B. Logistikdienstleister, Reinigungsfirmen) ausfindig machen. Auch hier gilt es, einerseits (aufgrund von Hinweisen interner Abteilungen) aktiv den Beschaffungsmarkt zu erforschen; die Einschaltung von Technologie-Portfolios (technische Frühaufklärung) ist dabei ebenso wichtig wie die Teilnahme an value-engineering Teams zur Suche nach neuen Problemlösungen. Andererseits ist aufgrund der ökologisch orientierten Recherchen auf den Beschaffungsmärkten auch Bedarf in Abteilungen (Produktion, -»Marketing, F & E) zu wekken. Innovativer Einkauf bedeutet demnach ein Marketing nach zwei Seiten. „Supply Management" gestaltet die Beschaffungssortimente strategisch und kann je nach Produktstrategie stärker Kosten- oder Differenzierungsaspekte in die Entscheidungsfindung einfließen lassen, ökologische Kriterien sind hierbei insbesondere in der indirekten Wirkung zu beachten: zum einen kann der günstige Einstandspreis Uber mögliche Folgekosten (z. B. -»Entsorgung, Abfälle, Ausschuß, Verschnitt) im processing- und post-processing-Bereich hinwegtäuschen, zum anderen beachtet man bei der Lieferantenauswahl u. U. zuwenig die Kooperationsund Innovationsbereitschaft von Lieferanten für neue, attraktive und umweltfreundliche Produktbestandteile. Auch im Einkauf sollten deshalb (v. a. für wertmäßig und zukünftig wichtige -»Beschaffungen) Total-CostRechnungen durchgeführt und Lieferanten (je nach strategischem Beschaffungssegment) mit unterschiedlich gewichteten Kriterien bewertet werden. Kriterien wie Transportentfernung, Einsatz umweltfreundlicher Verkehrsmittel, Kooperationsbereitschaft und Beratung in Umweltfragen, -»Zertifizierung nach -»EMAS/-»ISO

235

Materialwirtschaft, ökologische 14000 ff. fließen in Lieferantenbewertungssysteme der Praxis bereits ein. Selbst wenn „global sourcing" für manche Unternehmen Wettbewerbsvorteile verspricht und viele Rohstoffe, Halbfabrikate und Produkte nur im Ausland zu beziehen sind, ist die Versorgungssicherheit der regionalen —»Beschaffung prinzipiell höher und es entstehen weniger Emissionen als bei weltweiten Transporten. Außerdem sind eine Reihe von Transaktionskosten und -risiken zu beachten, die u. U. das günstige Preisangebot im Ausland mehr als zunichte machen können. Nicht zu übersehen sind auch Initiativen, die wieder stärker regionale Wirtschaftskreisläufe fordern (z. B. Nahrungsmittelerzeugung, Nutzung regenerativer Energiequellen, Anbau heimischer Textilrohstoffe, Holz, Baumaterialien). Mit einer gut kontrollierbaren, „ökologisch sauberen" heimischen Wertschöpfungskette läßt sich u. U. die Produktattraktivität steigern und können erhebliche Transportströme vermieden werden. Unter ökologischen und betriebswirtschaftlichen Aspekten sollte der Einkauf deshalb prüfen: •





Können bestimmte Rohstoffe lokal statt weltweit beschafft und durch Verarbeitung regionaler Rohstoffe mit Herkunftsbezeichnung u. U. die Attraktivität des Produktes gesteigert werden? Sind die Länderrisiken, Kommunikations-, Mentalitätsbarrieren (z. B. Korruption) und Transportrisiken nicht größer als die Kostenvorteile? Entstehen Folgekosten, die den günstigen Einstandspreis erhöhen (z. B. Sicherstellung der Qualität, Nacharbeit, Ausschuß, rechtliche Auseinandersetzungen)?

(2) Logistik Logistikabteilungen des produzierenden Gewerbes, von Speditionen oder Handelsunternehmen, verfolgen mit Nachdruck das Ziel eines störungsfreien, schnellen und stetigen Warenstroms. Obwohl durch Just-inTime-Belieferungen und eine wertkettenorientierte Bestandsminimierung verfrühte Ressourcenbindung und Überbestände vermieden und durch kurze Lagerzeiten auch der Verderb von Waren (und damit -»Abfall) 236

Materialwirtschaft, Ökologische eingeschränkt werden können sind durch das Prinzip der kleinen Nachschubmengen und kurzen Lieferrhythmen tendenziell ökologisch negative Nebenwirkungen zu befürchten, nämlich: •









steigende Transportbewegungen, die zu Emissionen und überproportionalem Flächenbedarf durch Straßen-(LKW-) Verkehr führen; mangelhafte Abstimmung der Wertschöpfungskette (z. B. Wahl überlasteter Verkehrswege) oder einseitige Diktate des Abnehmers, wodurch die Bestände auf die Straße („rollende Bestände") oder zum Lieferanten verlagert werden; zunehmende Staugefahr und störungsempfmdliche Fertigungsabläufe, die neue Sicherheitspuffer oder zusätzliche Absicherungstransporte notwendig machen; erheblicher Flächenneubedarf durch die JIT-gerechte Fabrik, die ebenerdige, großzügige Flächenlayouts bevorzugt und die Ansiedlung der Zulieferanten und Warenverteilzentren in unmittelbarer Nähe des Herstellers anstrebt; Termindruck und sperrige Aufhängevorrichtungen zur schnellen Beladung von LKW, die zu laderaumvergeudenden Fahrten fuhren und eine optimale Auslastung verhindern.

Die Erhöhung der Umschlagshäufigkeit der Bestände ist betriebswirtschaftlich zweifellos erwünscht und gewährt außerdem eine größere Flexibilität gegenüber Kundenwünschen (gerade auch bei Forderungen nach umweltverträglichen Produkten!). Dennoch muß aufgrund der steigenden Umweltgefährdung (Treibhauseffekt, bodennahe Ozonbildung(-»Ozon, -»Ozonloch)) damit gerechnet werden, daß verkehrsbedingte -»Umweltschäden zunehmend den Verursachern zugerechnet werden (z. B. über eine ökologische Steuerreform, Energieabgaben, Schwerverkehrsabgaben, road pricing) und daß Fahrverbote oder -einschränkungen erlassen werden (z. B. nach der Ozon- oder der Smogverordnung der Länder oder durch Tempolimits). Zudem dürfte der Hinweis nicht überflüssig sein, daß die Erschöpfung

Materialwirtschaft, ökologische

der fossilen -»Energieträger in ca. 50 Jahren zu erwarten sein wird (bei forciertem Wachstum voraussichtlich noch früher!). Zu prüfen ist daher bei Planungen der Beschaffungs- und Distributionslogistik in langfristiger Sicht, ob das Produktionsprogramm nicht mit weniger Materieinput (und damit auch weniger Tonnenkilometern) und verkehrserzeugenden Dienstleistungen bestritten werden kann (langlebige Produkte, SoftwareInformationen statt hardware-Verkauf, Standardisierung von Verpackungen und Produkten, Telekommunikation) in kurz-/ mittelfristiger Sicht, ob: •









Gebietsspediteure bundesweit den Einzug aller Lieferanten in Umschlagsterminals übernehmen und aus kurzer Distanz (Speditionslager) mit OnlineVerbindung zum Hersteller ausliefern können (u. U. mit großen Losen zwischen Lieferant und Spediteur und kleineren Losen zwischen Spediteur und Abnehmer); durch Tourenoptimierung und Funktelefone Frachtkapazitäten besser ausgelastet und auch innerhalb des Speditionsgewerbes verkehrsminimierende Vorwärts- und Rückwärtslogistiken (Rückführung von Retouren, Altprodukten) aufgebaut werden können; Lieferanten zu Entwicklern und Produzenten von Systemkomponenten werden können (um damit auch Verkehrsströme zu reduzieren); umweltfreundliche Verkehrsmittel (Bahn, Schiff, LKW mit Rußfiltern bzw. Oxydationskatalysatoren) eingesetzt werden können; ausgewählte Logistikdienstleister im Verkehrsverbund umweltschonende Konzepte anbieten können (z. B. Zusammenstellung von Komplettladungen durch Gebietsspediteure in Verteilzentren, Übernahme von frei austauschbaren Norm-Containern durch die Bahn. Selbst wenn damit die Materialabrufe zeitlich vorverschoben werden müssen, sind Fahrzeughersteller bereits dazu übergegangen, einen wesentlichen Teil der JIT-Lieferungen über die Bahn abwickeln zu lassen).

Materialwirtschaft, ökologische (3) Lagerwirtschaft Umweltbezüge der Lagerwirtschaft ergeben sich durch die Lagerorganisation und -methode, die Lagertechnik und -logistik. Bei Teile- und Fertigerzeugnislagern bindet eine zentralisierte Lagerhaltung i. V. m. Hochregallagern aufgrund der intensiveren Grundflächennutzung und des Wegfallens von Mehrfachsicherheitsbeständen (z. B. bei räumlicher Trennung von Ersatzteil- und Teilelager) relativ weniger Raum. Allerdings müssen aufgrund der oft großen Baumassen landschaftsästhetische Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Bedingt kann die Häßlichkeit mancher Lagergebäude durch Berankung von Pflanzen oder Gliederung des Baukörpers gemindert werden. Das Raumangebot des Lagers wird zusätzlich besser genutzt bei chaotischer Einlagerung (ohne feste Stellplätze). Dabei muß für jede Materialart nicht der maximale Bestand räumlich vorgehalten werden, sondern nur eine Gesamtfläche, die sich am durchschnittlichen Bestand orientiert. Werden die Lagerfunktionen optimiert (z. B. nach Umschlagshäufigkeit, Minimierung der Ein- und Auslagerungsvorgänge), so kann auch der Energieverbrauch automatischer Fördereinrichtungen reduziert werden. Bei fertigungssynchroner Anlieferung lassen sich Lagerflächen weitgehend einsparen („lagerlose Fertigung"). Inwieweit dieser Flächenspareffekt durch großzügiges, ebenerdiges Fertigungslayout, neue Warenverteilzentren und Lagerhallen bei Spediteuren/Lieferanten (über-)kompensiert wird, muß im Rahmen der Warenflußoptimierung geprüft werden. Lager, die umweltgefährdende Stoffe enthalten, sollten separiert und auf den geringstmöglichen Umfang reduziert werden (z. B. Chemikalienlager, Giftstofflager, Lager für brennbare Flüssigkeiten). Die gesetzlichen Grundlagen hierfür sind z. B. die GefahrstofTV, der Katalog über wassergefährdende Stoffe, die Verordnung für brennbare Flüssigkeiten, das Chemikaliengesetz, die Verordnung zum Lagern, Abfüllen und Umschlagen wassergefährdender Stoffe. Die Nichtbeachtung von Lagervorschriften stellt eine Ordnungswidrigkeit (gem. §26/1 237

Materialwirtschaft, ökologische

Nr. 86 ChemG) dar, die mit Geldbußen geahndet wird. Unvergleichlich drastischer können Schadensersatzforderungen durch Störfälle sein oder Kosten der Altlastensanierung, die häufig durch falsche Lagerung verursacht werden (in der Chemischen Industrie die häufigste Ursache von Störfällen). Es sollte also in jedem Falle geprüft werden, ob alle Lagerobjekte (z. B. wassergefährdende Stoffe bzw. brennbare Flüssigkeiten) nach gesetzlichen Vorschriften behandelt werden (z. B. CKW-Behälter in speziellen Stahlbetonwannen) und ob überhaupt eine abfallrechtliche Genehmigung für die Lagerung bestimmter Teile (z. B. Schrott) vorliegt. Die örtliche Feuerwehr sollte über Lagerpläne für den Brandfall informiert sein, für umweltgefährdende Stoffe sollten Zugriffskontrollen existieren, begrenzt lagerfähige Stoffe regelmäßig im Verbrauch erfaßt und sicher entsorgt werden. Zur Risikominderung und zur angemessenen Gestaltung des Versicherungsschutzes (mit der Folge der Absenkung von Versicherungsprämien) bieten manche Versicherungen eine vorbeugende Umweltberatung an. Die Lagerlogistik für Distribution und Beschaffung muß auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren, die sich durch die europäische Liberalisierung der Transportpreisbildung, die Bahnreform und den zunehmenden Verkehrsinfarkt im Fern- und Flächenverteilverkehr charakterisieren lassen. Anzustreben ist auch hier eine stärkere Nutzung der Schienenwege, Synergiebildung in der Anlieferung und Verteilung, intelligente Abstimmung und Nutzung der Kapazitäten der Distributions- und Beschaffungslogistik. Durch entsprechende räumliche Verteilung von dezentralisierten Großlagern können z. B. Produzenten den Fem verkehr mit höheren Transportlosgrößen auf die Schiene oder das Schiff verlegen. In Verbindung mit City-Logistiken kann eine höhere Zeitflexibilität und Umweltverträglichkeit in der Einzelverteilung durch Regionallager erreicht werden. Von Regionallagern aus kann dann das gesamte Spektrum an lokalen Groß- und Kleinlieferungen durch Kleinspediteure und umweltfreundliche Verkehrsmittel (z. B. lärmarme Elektrotransporter im 238

Materialwirtschaft, ökologische

Innenstadtbereich) zugestellt werden.

mit

Tourenoptimierung

(4) Disposition Durch eine aktuelle Bestandsführung, abgesicherte Bedarfsprognosen und Kapazitäts/Belastungsabgleiche werden wesentliche Voraussetzungen für eine bestandsminimierende Materialsteuerung geschaffen, die wiederum dazu beiträgt, daß der Materialfluß sich ohne Überbestände dem Nachfragewandel und technischen Wandel auch zugunsten einer schnelleren Durchsetzung umweltfreundlicher Produkte (bei aktivem -»ÖkoMarketing) entwickelt. Probleme der Überbestände, wie sie vor allem bei Serienfertigern mit tiefem und breiten Programm entstehen können, lassen sich mindern durch konsequente Standardisierung und Fertigung im Modul-/Baukastensystem. Die enge Abstimmung mit dem Vertrieb in den Stadien des Produktanlaufs (Markteinführung) und des Produktauslaufs (Ablösung durch das Nachfolgemodell) ist eine weitere Voraussetzung für eine ressourcenschonende Disposition, weil Mengenrisiken durch Änderungsoptimierung vermieden werden. Dennoch entstehende Überbestände sollten regelmäßig durch systematische Verwurfsaktionen bereinigt werden mit dem Ziel, Restserien zu Sonderverkaufsaktionen noch zu verwerten, dispositorisch inaktive Teile möglicherweise zu aktiven Teilen umkonstruieren (vielleicht mit einfachen Arbeitsgängen) oder Rückverkaufsmöglichkeiten mit Lieferanten bzw. Recycling mit Verwertungsbetrieben überprüfen. Entsorgung sollte auch hier die ultima ratio sein! (5) Reststoffwirtschaft Durch das Kreislauf- und Abfallwirtschaftsgesetz und die darin definierte Produktverantwortung (Life-cycle-assessment) wird das Abfall- besser Reststoffmanagement für die Materialwirtschaft zu einer zentralen abteilungsübergreifenden Querschnittsaufgabe, die in Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle intensiv mit dem Umweltreferat zu koordinieren ist. Vermeidung von Abfallen hat dabei erste Priorität; an zweiter Stelle stehen die stoffliche und energetische Verwertung grundsätzlich gleichberechtigt. Die Verwertung genießt wiederum Vorrang vor der Beseitigung.

Meadows-Studie Voraussetzung für eine vorbeugende und reststoffoptimierende Abfall-/ Abwasser-/ Abwärmepolitik eines Industrieunternehmens ist auch hier der Auibau eines -»ÖkoControlling mit Betriebs-, Prozeß- und Produktlinienbilanzen bzw. Stoffstromanalysen, wodurch erst Reststoffschwachstellen systematisch ermittelt und Abfall-/ Abwasser-/ Energiekennzahlen zur Planung und Kontrolle bereichs- oder produktspezifisch verwendet werden können. Das KrW-/AbfG formuliert hierzu konkrete Pflichten (Mengenschwellen) zur Erstellung von Abfallwirtschaftskonzepten und -bilanzen (bei insgesamt 2000kg pro Jahr besonders überwachungsbedürftigen Abfällen oder mehr als 2.000t pro Abfallschlüssel und Jahr überwachungsbedürftiger Abfälle gemäß NachwV). Reststoffvermeidung beginnt mit abfallminimierenden Sachzielen und Marketingstrategien (z. B. Verkauf von „Funktionen" statt von Hardwareprodukten, Leasing-, -»Contracting-Konzepte). Dabei kann auch die freiwillige Produktrücknahme (weit vor den zu erwartenden Rücknahmegeboten!) zum Verkaufsargument werden (z. B. bei Hausgeräten, Teppichen, Büromöbeln). Entwicklung und Konstruktion müssen die Grundregeln des Öko-Designs beachten (Recycling-, Einstoff-, Störstoff-, Trennungsregel. Langlebigkeit, Haltbarkeit, Sparsamkeit in der Gebrauchsphase, Aufrüstbarkeit, Reparaturfähigkeit). Produktkomponenten und Werkstoffauswahl, die Entscheidung für Eigenoder Fremdfertigung bestimmen bereits maßgeblich das Volumen und die Schädlichkeit Verfahrens- oder ablaufbedingter Reststoffe. Die Arbeitsplanung kann über Verschnittoptimierungsprogramme Abfälle vermeiden helfen. In Verbindung mit dem Einkauf sollte in der Phase der -»Produktplanung/ -entwicklung auch das Outsourcing unter dem Aspekt der Emissionsverhinderung überprüft werden (z. B. Auslagerung von emissionsträchtigen Lackiervorgängen). Wichtig ist hier die Kooperation mit ökoinnovativen Lieferanten, die an integrierten Problemlösungen und Entsorgungskonzepten mitarbeiten (z. B. rent-a-chemical). Das gilt auch für Entsorgungsbetriebe, mit denen gemäß KrW-/AbfG, NachWV, AbfBestV j e nach Klassifizierung der Abfälle die Abfallentsorgung ordnungsgemäß durchzuführen

Meadows-Studie ist. Qualifizierte Entsorgungsfachbetriebe verstehen sich nicht nur als End-of-PipeTransport- und Abfallbeseitigungsfirmen, sondern geben auch Beratung und Hinweise zur -»Abfallvermeidung, WertstofTsortierung oder zum internem Recycling. Durch sortenreine Abfallsortierung und dem anschließendem Angebot an Wertstoffbörsen (z. B. beim DIHT, VCI oder bei Recyclingcenters) können aus Entsorgungskosten Wertstofferlöse werden, ebenso wie durch integrierte Techniken Reststoffe im Kreislauf geführt werden und damit RohstoffEinkaufskosten, Abwassergebühren/ -abgaben, Entsorgungsgebühren, Wasserkosten etc. gespart werden. Auch ein interindustrielles/ -institutionelles Recycling ist in Erwägung zu ziehen, um z. B. überschüssige —»Abwärme an benachbarte Wohneinheiten zu verkaufen. Der Verpackungsaufwand ist sowohl auf der Inputseite (Einkauf) als auch beim Output (Verkauf) über Mehrwegsysteme, Mehrfachverwendung (z. B. Kartons/Füllmaterial der Warenannahme für den Versand), Wiederverwendung, zu reduzieren. Letztlich muß es in der Reststoffwirtschaft darum gehen, Materialflüsse störungsfrei zu minimieren und unerwünschte -»Kuppelprodukte zunehmend zu erwünschten nutzenstiftenden und verkäuflichen Haupt- bzw. Nebenprodukten umzuwandeln. Weiterfuhrende Literatur: Fieten, R.\ Integrierte Materialwirtschaft. 3. Aufl., Leinfelden-Echterdingen 1994; Hartmann, H.\ Kriterien für die ökologische Lieferantenbewertung, in: Beschaffung aktuell, 1/96, o. O., o. J.; Stahlmann, V.: Umweltorientierte Materialwirtschaft, Wiesbaden 1988; ders.: Umweltverantwortung im Einkauf, in: Strub, M. (Hrsg.) Das große Handbuch des Einkaufs, Landsberg a. Lech 1998; Döttinger, KJ Roth, KJ Lutz, U Betriebliches Umweltmanagement, Loseblattsammlung, o. O., o. J. Prof. Dr. V. Stahlmann

Meadows-Studie Vom -»Club of Rome 1972 veröffentlichter Bericht über die Umweltsituation der Erde 239

Mediation

unter dem Titel „-»Grenzen des Wachstums" (Mitautor: Dennis Meadows). Mit diesem Bericht wurden der Weltöffentlichkeit erstmals die Folgen eines weiteren ungezügelten, wirtschaftlichen Wachstums vor Augen geführt.

Mediation Verfahren der freiwilligen, auf Konsens abzielenden Schlichtung bei dem die Konfliktparteien - zumeist unter der Moderation neutraler Sachverständiger - außerhalb von konventionellen Verwaltungs- und Planungsverfahren, jedoch unter der gleichartigen Zielsetzung wie bei formalen Verfahren, nach gemeinschaftlich getragenen und verpflichtenden Lösungen suchen. Der neutrale, nicht mit Entscheidungsmacht ausgestattete Mediator/Schlichter hilft, die zur kooperativen Konfliktverarbeitung wichtigen Beteiligten auszumachen, den Verfahrensrahmen zu erarbeiten, das Konfliktpotential zu erfassen und frühzeitig Konsens- und Dissenslinien erkennbar zu machen, die -»Kommunikation unter den Beteiligten aufrecht zu erhalten und Vorschläge zum Interessenausgleich zu entwikkeln. Der Vorteil dieses Verfahrens gegenüber stärker formalisierten Methoden liegt zum einen in der Möglichkeit rascher und unkonventioneller Wege zur Überbrückung von Informationsasymmetrien und/oder Projektwiderständen. Entscheidender Nachteil der Mediation ist die Unsicherheit bezüglich der tatsächlichen Verhaltenskonstanz der Konfliktparteien und der geringere Verbindlichkeitsgrad verglichen mit gerichtlichen Entscheidungen oder behördlichen Genehmigungsbescheiden.

Mengensteuer Steuer, für die die Einheit der Steuerbemessungsgrundlage in einer physikalischen Größe, z. B. Gewicht, ausgedrückt wird. Gegensatz: Preissteuer.

Mikropolitik und Umweltschutz Untemehmenspolitik wird im allgemeinen als ein Prozeß sozialer Auseinandersetzungen begriffen, der durch das interdependente 240

Mikropolitik und Umweltschutz Handeln aller Organisationsmitglieder gekennzeichnet ist, und zwar in erster Linie durch das Durchsetzen und Sichern von Interessen und Zielen. Politisch bedeutet, daß dieses durch die Ausübung von Macht geschieht. Das Konzept geht von Akteuren aus, die innerhalb der Organisationen und der bestehenden formellen wie informellen Machtverhältnissen ihre eigenen Interessen verfolgen. "Organisationen werden als mikropolitisches Ressourcenund Wertverteilungssystem betrachtet. Hierbei wird der Schwerpunkt der Betrachtung auf die bewußte Akkumulation von Macht und den gezielten und dosierten Einsatz von Machtmitteln als zentrale Erfolgsfaktoren ego-orientierten Verhaltens gelegt" (Krüssel 1996). Bei Neuberger (1995) wird dieses als alltäglicher Aufbau und Einsatz von Macht beschrieben. Es geht in der mikropolitischen Analyse um Rationalität, um Spiele und um Macht in Organisationen, mit dem Ziel, durch den systematischen Rekurs auf die Machtpolitik und die Spielstrategien der Akteure ein besseres Verständnis der Beziehungen zwischen Strukturen und Handlungen zu erhalten. Der Mikropolitik-Begriff ist in Deutschland von Bosetzky eingeführt worden und beruht auf dem Begriff "micropolitics" von Burns, der ihn 1962 in die sozialwissenschaftliche Diskussion eingeführt hat. Bosetzky definiert Mikropolitik als "die Bemühung, die systemeigenen materiellen und menschlichen Ressourcen zur Erreichung persönlicher Ziele, insbesondere des Aufstiegs im System selbst und in anderen Systemen zu verwenden sowie zur Sicherung und Verbesserung der eigenen Existenzbedingungen" (Bosetzky 1972). Mikropolitik meint im Unterschied zur großen Politik, z. B. der Untemehmenspolitik, jene alltäglich kleinen, unauffälligen, unterschwelligen Techniken in der Feinstruktur der Organisation, "mit denen Macht aufgebaut und eingesetzt wird, um den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern und sich fremder Kontrolle zu entziehen" (Neuberger 1995). Im einzelnen geht es in dem Konzept um das menschliche Verhalten in Organisationen, welches Ausdruck persönlicher Strategie und

Mikropolitik und Umweltschutz

Ambition ist. Die Machtbeziehungen sind der zentrale Regulierungsmechanismus und die Funktionsweise der Organisationen ist das Resultat einer Reihe von Spielen einschließlich der formellen und informellen Regeln, die "indirekt die Integration der widersprüchlichen Machtstrategien der Organisationsmitglieder bewirken" (Küpper/ Ortmann 1986). Im Rahmen der ökologischen ->Unternehmensführung soll der theoretische Ansatz der Mikropolitik die bisher kaum bis dato definitiv thematisch Einflußnahme der Belegschaft und der übrigen mikropolitischen Akteure auf die Umsetzung und Einfuhrung eines systematischen Umweltmanagements und der -»Organisation des betrieblichen Umweltschutzes darlegen. Umweltmanagement aus mikropolitischer Perspektive Inzwischen ist deutlich geworden, daß der Einsatz von -»Umweltschutz allein nicht mehr ausreicht. Erfolgreicher Umweltschutz bedeutet aufgrund der heterogenen Ansprüche mehr als nur den Einsatz von technischen und sozialen Lösungen. Die Nutzung der Chancen, die sich durch Innovationen ergeben können, erfordern vor allem innerbetrieblich eine optimistische Koordination und Kooperation, wie es bei der Einführung von —•Instrumenten des betrieblichen Umweltmanagements deutlich geworden ist. Die Integration aller Prozesse und aller Funktionsbereiche ist dabei das Hauptproblem der ökologischen Veränderung im Unternehmen („Qualitätsfunktion Umweltschutz"), denn die Implementierung von Umweltschutzmaßnahmen läuft keineswegs nach den formalen Strukturen der Betriebsorganisation und einer zweckrationalen Logik ab, sondern muß als ein Zusammenspiel der diversen Interessen betrieblicher Akteure aufgefaßt werden und wird "durch die unterschiedlichen sozialen Strategien der Akteure überlagert und von diesen über weite Strecken beherrscht" (Burschel 1996). Für die ökologische Modernisierung und betriebliche Reorganisation sind ganzheitliche Management-Ansätze gefragt. Die mikropolitische Analyse ist in der Lage, diese exemplarischen Prozesse für den

Mikropolitik und Umweltschutz

Einzelfall in ausreichendem Maße zu beschreiben. Aus dieser Perspektive zeigen sich die komplexen Rahmenbedingungen für ökologische Innovationsprozesse und Modernisierungen, mit all den Schwierigkeiten, aber auch den Möglichkeiten. Zumal die Tendenz in Richtung integrierte Umwelttechnik die Managementanforderungen erhöht. Es geht um Interessen und Macht, um Durchsetzungsvermögen und Koalitionen im Rahmen des ökologischen Modernisierungsprozesses. In der Praxis wird aber insbesondere das Thema Umweltmanagement von solchen mikropolitischen Aspekten beeinflußt, da alle Bereiche, alle Hierarchieebenen und auch alle Disziplinen berührt. Zusätzlich spielen dabei persönliche Einstellungen, Motive und Interessen eine Rolle, die den ökologischen Handlungs- und Entscheidungsspielraum determinieren können. Der ökologische Modemisierungsprozeß vollzieht sich als hochkontingenter Doppelprozeß, der sowohl die ökonomischen und technischen als auch die organisatorischen, politischen und sozialen Bereiche beeinflußt und damit sämtliche innerbetriebliche Handlungs- und Konfliktkonstellationen berührt. Birke/Schwarz bezeichnen dieses als einen machtdurchwirkten und ergebnisoffenen Such- und Lernprozeß, insbesondere, weil immer mehrere Entwicklungsvarianten offenstehen und die "Eingriffe in die eingespielten technischen, ökonomischen und organisatorischen 'Betriebsparadigmen' immer mit Konflikten und Aushandlungen einhergehen" (Birke/Schwarz 1994). Grundsätzlich läßt sich feststellen, daß die ökologische Handlungsfähigkeit vom Ausmaß der ökologischen Ausrichtung der Unternehmensführung abhängig ist. Je aktiver ein Unternehmen die Integration des Umweltschutzes angeht und je konsequenter ein offensives Umweltmanagement betrieben wird, desto größer ist die Handlungsfähigkeit, desto geringer sind die Willensbarrieren und um so weniger ist mit Widerständen bei der Umsetzung ökologischer Entscheidungen zu rechnen. Ausgangspunkt ist jeweils der ökologische Entscheidungsprozeß. Eine umweltbezogene Krise kann zu einer Interessenbetroffenheit 241

Mikropolitik und Umweltschutz und zu Interessengegensätzen zwischen ökologischen und nicht-ökologischen Akteuren führen. Es kann zu Zusammenschlüssen und Bündnisbildungen zwischen betroffenen Akteuren kommen, zu Machtkämpfen innerhalb der Koalitionen. "Durch diese intensiven Konflikte können die bestehenden Machtverhältnisse in der Organisation destabilisiert werden, oder aber es werden neue stabile Machtkonstellationen geschaffen" (Krüssel 1996). Welche Interessen sich in der Organisation oder im Entscheidungsprozeß durchsetzen, ist abhängig von der Machtausübung der Akteure. Zumindest läuft das in der Praxis nicht unter rationalen Gesichtspunkten ab. Zusätzlich bestimmt das Ausmaß der ökologischen Ausrichtung der Unternehmen die Machtrelationen in Form von Strukturen und Spielregeln. "Durch eine zunehmende Institutionalisierung ökologisch angereicherter Strukturen, Verfahrensvorschriften, Stellenbeschreibungen etc. werden ökologische Interessen Teil der Herrschaftsstruktur" (Krüssel 1996). Das bedeutet wiederum, j e aktiver und konsequenter ein Unternehmen Umweltmanagement betreibt und ökologisch ausgerichtet ist, desto geringer sind die Macht- und Interessenunterschiede zwischen den ökologischen und den nicht-ökologischen Akteuren. Die Verknüpfung von ökologischen Anliegen, parallel laufenden Interessen und persönlichen Motiven ist von entscheidender Bedeutung. Gerade im Falle eines erfolgreichen und innovativen Umweltmanagements spielen individuelle Akteure und deren Motiv- und Interessenlagen eine wichtige Rolle, z. B. persönliche Profilierung durch Umweltschutz oder wirtschaftliche Einsparmaßnahmen. Umweltschutz im Betriebsalltag Im Rahmen der Einfuhrung von Umweltmanagementsystemen muß für einen erfolgreichen integrierten Umweltschutz beachtet werden, daß weder Unternehmen noch Ökologisierungsprozesse nach zweckrationalen Gesichtspunkten funktionieren und strategisch durch eindeutige Effizienzkriterien steuerbar sind, so wie es in den betriebswirtschaftlichen Lehrbüchern beschrieben wird. Umweltmanagementprozesse werden durch die latenten Konflikte, Orientierungs242

Mikropolitik und Umweltschutz muster und die divergierenden Interessen und Problemwahmehmungen, die das Innenleben aller Betriebe prägen, in großem Maße beeinflußt. Umweltmanagement im besonderen, weil die erhöhten Kooperationsund Koordinationsanforderungen eines integrierten Systems noch intensiver von mikropolitischen Prozessen des Wahrnehmens, Interpretierens und des konflikthaltigen Verhandeins bestimmt werden. "Ohne ein Wissen über diese analytisch meist ausgeblendeten Probleme beim Aufbau eines Umweltmanagements werden Erfolgsfaktoren wie Wirkungsweisen der ökologischen Modernisierung von Unternehmen strukturdeterministisch auf Ökonomie, Technik und Organisation kurzgeschlossen, ohne den empirischen Befund 'situative Uneinheitlichkeit und Unübersichtlichkeit' analytisch präzisieren zu können" (Birke 1995). Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt (Burschel 1996) in seiner empirischen Untersuchung über die Implementierung betrieblicher Umwelttechnik und die Erfahrungen und Einstellungen der Belegschaft und des Managements zum betrieblichen Umweltschutz. Die Einführung von Umweltschutzmaßnahmen in Industriebetrieben läuft nicht nach festgelegten Organisationsstrukturen ab, sondern als eine Mischung diverser mikropolitischer Einflußnahmen der verschiedenen beteiligten oder nicht-beteiligten Akteure und kann sogar zu einer Blockade von integrierten Umweltschutzlösungen führen. "Verhandlungsgegenstand in den so entstehenden 'mikropolitischen Arenen' sind vorwiegend betrieblich-soziale Besitzstände der Akteure und erst nachrangig ökologischsachrationale Argumentationsmuster" (Burschel 1996). Folgende Handlungstypen wurden von Burschel extrahiert: • • • •

der konservative Reaktive; der Sachzwangapologet; der strategische Sozialtechnologe; der unaufgeregte Umweltschutzpragmatiker.

Interessanterweise fehlt etwa ein Typus des „Umweltschutzidealisten" oder ein ähnlicher Typ in dem untersuchten Unternehmen. Das Spektrum der Typen verweist einerseits auf

Mobiiitat die Heterogenität des Interessenspektrums, andererseits auch auf die damit notwendig werdenden Maßnahmen der Personal- bzw. Organisationsentwicklung. Statt eindeutiger Strategien, werden die ökologischen Reorganisationsprozesse durch folgende Kontingenzen und typischen Verläufe dominiert: von "trial and error" als Ausweg, daß es keinen "one best way" und keine konsistenten Gesamtkonzepte einer betrieblichen ökologisierung gibt, von einem "muddling through", einem "Durchwursteln" als Versuch, die Vielzahl von Konzepten und Entscheidungsalternativen zu bewältigen und von der "strategischen bricolage" (Ortmann 1990), dem ständigen Experimentieren in diesem Bereich, trotz der Erkenntnisse des modernen Projektmanagements. Diese Verläufe der Reorganisationsprozesse sind aus der Sicht der Unternehmen höchst prekär und können "insbesondere wegen ihrer latent bleibenden Konflikte zum Nadelöhr ökologischer Unternehmensreform" (Birke 1995) werden. Als Ausweg aus diesem mikropolitischen Dilemma können Ansätze einer ökologischen Organisationsentwicklung und der lernenden Organisation dienen, um einen erfolgreichen betrieblichen Umweltschutz zu ermöglichen. Grundlage dazu ist, daß die Unterschiede zwischen den organisatorischen Umweltschutzanforderungen und den Managementerfordemissen von den Unternehmen erkannt und berücksichtigt werden. Die bisherigen dominierenden technischen Umweltschutzmaßnahmen müssen koordiniert und "in einen sukzessiven Prozeß ökologischer Reorganisation mit modernen Managementmethoden und Organisationsentwicklung" (Birke 1995) überfuhrt werden. Diese Ausrichtung des Umweltmanagements ist erforderlich, um in geeigneter Weise mit den mikropolitischen Konflikten umgehen zu können und damit langfristig einen Weg der ökologischen Neuorientierung der Unternehmen zu ebnen. Weiterführende Literatur: Birke, MJ Schwarz, M.\ Umweltschutz im Betriebsalltag. Praxis und Perspektiven ökologischer Arbeitspolitik; Birke, MJ Schwarz, M.\ ökologische Unternehmensführung bedeutet den Abschied von traditio-

Mobilität nellen Verhaltensmustern, in: LeitschuhFecht, H./ Burmeister, K.: Die Zukunft der Unternehmen in einer ökologischen Wirtschaft, Frankfurt a. M. 1994; Birke, Mr. Vom betrieblichen Umweltschutz zur Betriebsökologie? Zur Mikropolitik ökologischer Modernisierung, in: Freimann, J./ Hildebrandt, E. (Hrsg): Praxis der betrieblichen Umweltpolitik. Forschungsergebnisse und Perspektiven, Wiesbaden 1995; Burschel, C.: Umweltschutz als sozialer Prozeß. Die Organisation des Umweltschutzes und die Implementierung von Umwelttechnik im Betrieb, o. O. 1996; Krüssel, P.: Ökologieorientierte Entscheidungsfindung in Unternehmen als politischer Prozeß. Interessensgegensätze und ihre Bedeutung für den Ablauf von Entscheidungsprozessen, München, Mering 1996; Küpper, WJ Ortmann, G.: Mikropolitik in Organisationen, in: Die Betriebswirtschaft 46, Heft 5, Stuttgart 1986; Neuberger, O.: Mikropolitik. Der alltägliche Aufbau und Einsatz von Macht in Organisationen, Stuttgart 1985; Ortmann, G.: Mikropolitik und systemische Kontrolle, in: Bergstermann, J./ Brandherm-Böhmker, A. (Hrsg.): Rationalisierung als sozialer Prozeß. Rahmenbedingungen und Verlauf eines neuen betriebsübergreifenden Rationalisierungstyps, Bonn 1990. Dipl.-Oec. C. Lehmann

Mobilität 1. Begriffsabgrenzung Mobilität leitet sich vom lateinischen „mobilitas"-„Beweglichkeit" ab. In abstrakter Sichtweise umschreibt Mobilität die Fähigkeit von Menschen, ihren Standort zwischen verschiedenen Zuständen in ihrer natürlichen oder sozialen ->Umwelt zu verändern. In sozialwissenschaftlicher Bedeutung steht Mobilität für eine Veränderung des Status eines Menschen im Vergleich zu wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Bezugsmaßstäben. Die berufliche, sektorale oder regionale Mobilität von Arbeitskräften etwa beschreibt den Wechsel des ausgeübten Berufes, zu einem Arbeitsplatz in einer anderen Branche der Wirtschaft oder an einem anderen Ort. Im Zusammenhang mit Auswirkungen auf die natürliche Umwelt steht bei der Definition von Mobilität jedoch 243

Mobiiitat die physische Beweglichkeit von Menschen (oder Gütern) zwischen verschiedenen Punkten im Raum, also die räumliche Ortsveränderung, im Vordergrund. Räumliche Ortsveränderung kann momentan, also kurzfristig, erfolgen - dann ist sie eng mit dem Begriff des Verkehrs verknüpft. Oder sie kann dauerhafter Natur und mit einer langfristigen Verlagerung des Wohnortes einer Person verbunden sein. Diese langfristige Form der räumlichen Mobilität steht allerdings nicht im Mittelpunkt der aktuellen umweltpolitischen Diskussion, obwohl auch ein Umzug nicht ohne die Inanspruchnahme von Verkehrsleistungen denkbar ist und zu zusätzlicher kurzfristiger Mobilität (etwa durch Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort) fuhren kann. Hier wird Mobilität mit der kurzfristigen räumlichen Beweglichkeit von Menschen oder Gütern gleichgesetzt. Mobilität beschreibt damit Phänomene, die mit Aktivitäten im Personen- und Güterverkehr in Beziehung stehen. Der räumlichen Mobilität dienen sowohl gewerbliche Verkehrsleistungen im Personen- und Güterverkehr als auch selbst erbrachte Verkehrsleistungen (Werksverkehr im Güterverkehr, motorisierter Individualverkehr mit Kraftfahrzeugen im Personenverkehr). Dabei werden meist nur solche Verkehrsleistungen in die Betrachtung mit einbezogen, die im Zusammenhang mit einer Interaktion der Menschen in der Gesellschaft und im arbeitsteiligen wirtschaftlichen System, also mit Produktion, Handel und Konsum von Gütern und Dienstleistungen stehen. Ausgeklammert bleibt die momentane Beweglichkeit von Menschen innerhalb der eigenen vier Wände oder auch die körperliche Mobilität im Sinne von Fitneß und dem Ausüben von Sportarten. Im Mittelpunkt der Verkehrsmobilität im hier verwendeten Sinne steht die Interaktion zwischen Menschen, die zu Verkehrsleistungen fuhrt, Nutzen stiftet, aber auch -»Ressourcen beansprucht und Kosten verursacht, die möglicherweise auch bei unbeteiligten Dritten anfallen können. Je nach räumlicher Perspektive kann Mobilität sich auf großräumige Verkehrsrelationen zwischen Regionen oder Ländern beziehen oder auch auf kleinräumige Verkehrsverhältnisse, etwa 244

Mobiiitat innerhalb von Städten oder Agglomerationsräumen. Erschwert wird die Definition, weil der Begriff der räumlichen Mobilität mehrdeutig gebraucht werden kann. Er kann sowohl die reine Möglichkeit zur Ortsveränderung (Beweglichkeit, potentielle Mobilität) ansprechen als auch die tatsächlich vollzogene Ortsveränderung (Bewegung, praktizierte Mobilität). Mobilität von Menschen und Gütern beschreibt im ersten Fall die Option, stets Verkehrsleistungen in Anspruch nehmen zu können (ohne daß dies dann tatsächlich immer getan wird), im zweiten Fall die (meist häufig) vollzogene Inanspruchnahme dieser Leistungen selbst. Beide Begriffsausprägungen können dabei in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen: Je höher die praktizierte Mobilität ist, je mehr Fahrzeugbewegungen also stattfinden, desto geringer wird bei gegebener Kapazität der Verkehrsinfrastrukturnetze die potentielle Mobilität, wenn es nämlich zu Stauungen kommt. Die praktizierte Mobilität beeinträchtigt dann die potentielle Mobilität ebenso wie die Erreichbarkeit von Standorten. Die umweltpolitische Debatte richtet sich überwiegend auf die praktizierte Mobilität, und zwar nicht nur, weil sie die potentielle Mobilität beeinträchtigen kann, sondern vor allem wegen der schädlichen Umweltwirkungen von Fahrzeugbewegungen. Die mit der praktizierten Mobilität einhergehenden Transportvorgänge haben in der Regel Wirkungen auf Dritte, die weder unmittelbare Nutzer noch Zahler der Verkehrsleistungen sind. ->Verkehr ist mit -»Lärm, - ^ L u f t verschmutzung, Gewässerverunreinigung und Bodenbelastung durch Schadstoffe verbunden, im Falle des Baus von Verkehrswegen auch mit Flächenversiegelung und Einschränkungen der naturräumlichen Nutzungs- und -yRegenerationsfähigkeit. Auch die Folgekosten von Unfällen gehören in diese Kategorie, soweit nicht vorher Versicherungsprämien zu entrichten waren. Die Kosten zur Vermeidung oder zum Ausgleich der Nebenwirkungen auf die Umwelt fallen meist extern an. Je höher die praktizierte Mobilität ist, desto relevanter werden die externen Kosten des Verkehrs. Daher

Mobilität

Mobiiitat

wird in der umweltpolitischen Debatte über die Mobilität häufig eine Strategie der Verkehrsvermeidung gefordert. 2. Wechselwirkungen und Umwelt

zwischen

Mobilität

2.1. Mobilität als Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung Aus ökonomischer Perspektive ist zunächst darauf zu verweisen, daß die Begegnung von Menschen sowie die Produktion, der Austausch und der Konsum von Gütern und Dienstleistungen nicht nur potentielle, sondern auch tatsächlich praktizierte Mobilität voraussetzen. Ohne Transportvorgänge ist eine arbeitsteilige Wirtschaft nicht denkbar. Die bestmögliche Nutzung der vorhandenen Ressourcen innerhalb der zur Verfügung stehenden Alternativen (die optimale —>A1lokation der Ressourcen) unterbliebe, wenn nicht die Spezialisierungsvorteile durch Handel genutzt werden könnten, wenn nicht durch Wettbewerb von außen lokale, regionale oder nationale Monopolstellungen untergraben würden und wenn es keinen Austausch und Ansammlung von neuem Wissen und Kenntnissen geben würde. Insofern sind die Fähigkeit zur räumlichen Bewegung von Menschen und von Gütern ebenso wie die vollzogene Bewegung selbst unabdingbare Grundlagen menschlichen Wirtschaftens unter der Beschränkung der Knappheit. Sie bilden die Basis für wirtschaftliches Wachstum und nicht nur für den erreichten materiellen Wohlstand, sondern auf dessen Basis auch für kulturelle Entwicklung. Dies wird in der Öffentlichkeit zuweilen vergessen, wenn wirtschaftliches Wachstum und das damit verknüpfte Wachstum des Verkehrswesens als allgemeines Umweltübel gebrandmarkt werden. Verkehrsleistungen haben letztlich Vorleistungscharakter für jede Art von menschlicher Interaktion. Im Sinne der Wachstumstheorie stellen Verkehrsleistungen einen nahezu limitationalen Produktionsfaktor dar: Ihr Fehlen würde ein nennenswertes Produktionsergebnis gar nicht erst entstehen lassen und selbst eine -^Entkopplung von Verkehrs- und Wirtschaftswachstum ist mit vielen Fragezeichen zu versehen. Die Be-

deutung der räumlichen Mobilität geht auch noch über ihren Vorleistungscharakter hinaus. Wenn es um Freizeitgestaltung und Reisen geht, werden Aktivitäten der praktizierten Mobilität selbst zu einem Konsumgut, für das im übrigen eine hohe Einkommenselastizität der Nachfrage besteht. Dieser Aspekt der Mobilität wird immer bedeutender, da ein Teil des gesamtwirtschaftlich zu verteilenden Produktivitätsfortschritts in Form von mehr Freizeit konsumiert wird. 2.2. Externe Kosten der Mobilität Trotz ihres generell nutzenstiftenden Charakters sind Transportvorgänge allerdings in der Tat mit Kosten verbunden, die über die reinen Transportkosten hinausgehen, die von den unmittelbaren Nutzern der Verkehrsleistungen getragen werden. Zu derartigen -•externen Kosten zählen (1) Nutzungskosten der Verkehrsinfrastruktureinrichtungen in der Nähe der Kapazitätsgrenzen sowie (2) externe Umweltkosten des Verkehrswegebaus und des Verkehrsbetriebes. Es sind diese externen Kosten, die die Transportvorgänge innerhalb einer Wirtschaft und damit die Mobilität zu einem umweltpolitischen Problem machen. Die umweltpolitische Debatte hat dabei meist eine ausgeprägte verkehrsträgerspezifische Dimension. Die Sorgen um verstopfte Verkehrswege und die durch Verkehrsleistungen verursachten —>Umweltschäden richten sich insbesondere gegen den Straßenverkehr, und zwar sowohl den Straßengüterverkehr als auch den motorisierten Individualverkehr mit Kraftfahrzeugen. Beide haben im Laufe der Zeit ihren Anteil am jeweiligen ->Modal Split erheblich ausweiten können. Der Straßengüterverkehr erbringt in Deutschland mittlerweile fast 2/3 der tonnenkilometrischen Verkehrsleistung, der motorisierte Individualverkehr mehr als 4/5 der Leistung im Personenverkehr. Von Seiten der aktiven —>Umweltpolitik wird gerade diese Art der praktizierten individuellen Mobilität kritisiert. Hinter den Initiativen zur Verringerung und Vermeidung externer Kosten des Verkehrs steht daher meist auch das Bestreben, einen ->Modal Shift weg vom Straßenverkehr hin zum Schienenverkehr herbeizufuhren.

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MobilitSt 2.2.1. Nutzungskosten von Verkehrswegen Nutzungskosten entstehen dadurch, daß sich die Verkehrsteilnehmer als Nutzer der Infrastruktur jenseits bestimmter Schwellenwerte des Auslastungsgrads gegenseitig behindern und die Grenzkosten der Nutzung von sonst nahe Null auf merklich positive Werte steigen. Spürbar werden diese Kosten durch Zeitverluste der Nutzer - die Verkehrswege können ihre ursprüngliche Aufgabe, ungehinderte Mobilität zu gewährleisten, nicht mehr erfüllen. Verkehrsinfrastruktureinrichtungen verlieren in der Nähe der Kapazitätsgrenze ihre ökonomische Eigenschaft eines öffentlichen Gutes, dessen Leistungen zweckmäßigerweise unentgeltlich abgegeben werden sollten. Bei Annäherung an die Kapazitätsgrenze werden die Leistungen der Verkehrsinfrastruktur zunehmend knapper und müßten eigentlich mit einem Preis belegt werden, der die Opportunitätskosten der Nutzung reflektiert, also den Wert einer alternativen Nutzung der dabei eingesetzten Ressourcen. Verkehrswege können aber - von wenigen Ausnahmen, wie Brücken, Tunnels, einigen Innenstädten oder Mautautobahnen in einigen europäischen Ländern oder in den Vereinigten Staaten abgesehen - aus Transaktionskostengründen im allgemeinen entgeltfrei genutzt werden, ihr Bau und ihre Unterhaltung wird traditionellerweise über Steuern finanziert, auch wenn als Folge der knapper werden öffentlichen Finanzen private Finanzierungsmodelle im Vordringen begriffen sind. Daher gehen die Opportunitätskosten der Nutzung normalerweise nicht (oder nur zum Teil) in das Nutzen-Kosten-Kalkül der Verkehrsteilnehmer ein. Es kommt zu Überlastungserscheinungen, zu Stauungen, zu Zeitverlusten, und wenn sich derartige Stauungen innerhalb ganzer Netze ausbreiten, im Extremfall zu dem, was in der Öffentlichkeit unter dem Stichwort „Verkehrsinfarkt" diskutiert wird. Ein Teil der externen Kosten wird durch die Zeitverluste im Stau allerdings direkt internalisiert, der Rest bleibt jedoch extern, weil jeder zusätzliche Nutzer, der in einen Stau einfährt, nur die durchschnittlichen Staukosten einkalkuliert, nicht aber die mit jedem marginalen Nutzer exponentiell steigenden StauGrenzkosten. Extern heißt im Falle von Staukosten allerdings nur, daß die Kosten bei 246

Mobiiitat anderen Verkehrsteilnehmern auftreten, nicht jedoch in der übrigen Volkswirtschaft außerhalb des Sektors Verkehr. 2.2.2. Externe Umweltkosten des Verkehrs Externe Umweltkosten des Verkehrs können sowohl mit dem Verkehrswegebau als auch mit dem Verkehrsbetrieb in Zusammenhang stehen. Staukosten in bestehenden überlasteten Verkehrsnetzen lassen sich prinzipiell durch Investitionen in Kapazitätserweiterungen des Verkehrswegenetzes und in qualitativ verbesserte Verkehrswege senken oder auch beseitigen, ökonomisch ist eine Beseitigung von Engpässen in Verkehrsnetzen sinnvoll, wenn das Investitionskalkül die künftigen Nutzen und Kosten hinreichend korrekt abbildet. Genau an diesem Punkt setzt aber die Kritik seitens der Umweltpolitik ein. Es wird argumentiert, daß hinsichtlich der Folgekosten des Verkehrswegebaus für künftige Generationen keine Kostenwahrheit herrsche. Ein weitergehender Infrastrukturausbau entspreche nicht den Idealen eines nachhaltigen Entwicklungspfades. Als „nachhaltig" wird dabei eine Entwicklung bezeichnet, die sich in ihrem Wachstum nicht ihrer eigenen Grundlagen beraubt. Als wesentliche negative Folgen werden die stärkere Nutzung der natürlichen Umwelt für wirtschaftliche Zwecke, die Flächenversiegelung durch forcierten Verkehrswegebau, unumkehrbare Eingriffe in biologische Prozesse bei Fauna und Flora und Einschränkungen der Regenerationsfähigkeit der Natur genannt. Der ökonomische Kern der Kritik liegt damit in der These begründet, daß ein weiterer Infrastrukturausbau langfristig wesentlich mehr gesamtwirtschaftliche Kosten verursache, als es die direkten Kosten der im Infrastrukturausbau eingesetzten Ressourcen widerspiegeln. Vernachlässigt würden die Kosten von Ausgleichsmaßnahmen für entstehende Beeinträchtigungen der natürlichen Lebensgrundlagen und die Opportunitätskosten der Nutzung des knappen Gutes Umwelt. Im Zusammenhang mit dem Verkehrswegebau wird im übrigen auf das Phänomen des „induzierten" Verkehrs verwiesen. Die verbesserte potentielle Mobilität animiere zu zusätzlicher praktizierter Mobilität und führe rasch zu erneuter Überlastung der soeben erst erweiterten Kapazitäten.

Mobiiitat

Mangelnde Kosten Wahrheit wird jedoch vor allem hinsichtlich der externen Umweltkosten des laufenden Verkehrsbetriebes beklagt. Zwar stehen -»Emissionen vieler Schadstoffe wie Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid, Stickoxiden und des Klimagifts Kohlendioxid sowie von Lärm zu einem großen Teil ursächlich mit Fahrzeugbewegungen in Zusammenhang, wenn auch nicht ausschließlich. Die Kosten aus der ->Luftverschmutzung, der Verunreinigung von Gewässern, der Lärmemissionen, oder aus der globalen Erwärmung aufgrund des Kohlendioxid-Schadstoffausstoßes sowie zur Beseitigung von Unfallfolgen (soweit diese nicht schon durch Versicherungsprämien internalisiert sind) gehen aber nicht in das Kalkül der Verkehrsteilnehmer bzw. der Anbieter von und Nachfrager nach Verkehrsleistungen ein - sie sind für die Verkehrsteilnehmer und -märkte externe Kosten. Analytisch abstrakt sind externe Kosten einfach zu fassen. Die Kurve der sozialen Grenzkosten (unter Einschluß aller externer Wirkungen) liegt über der Kurve der privaten Grenzkosten (die den Anbietern von Verkehrsleistungen unmittelbar entstehen). Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht wird bei einer derartigen Diskrepanz beider Kostenarten "zu viel" von der fraglichen Leistung produziert. Das gesamtwirtschaftliche Wohlfahrtsoptimum würde eine Reduzierung der mit externen Kosten verbundenen Aktivitäten erfordern. 2.3. Probleme der -»Intemalisierung externer Kosten Die Quantifizierung von externen Kosten und in noch viel stärkerem Maße das Ergreifen von geeigneten Maßnahmen, mit deren Hilfe sie internalisiert, also wieder entscheidungsrelevant gemacht werden können, ist schwierig und vielfach umstritten. Die verschiedenen Schätzungen der gesamtwirtschaftlichen Folge- und Vermeidungskosten des Verkehrs liegen weit auseinander. Aber auch die verschiedenen Maßnahmen, die zur Intemalisierung der externen Kosten ergriffen werden können, sind problematisch. Vergleichsweise Konsens herrscht noch über den Ansatz, daß die fehlende Kostenwahrheit wo immer möglich über preisliche Instrumente hergestellt werden sollte und mög-

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lichst wenig über generelle Ge- und Verbote oder administrative Beschränkungen. Wenn die Diskrepanz zwischen privaten und sozialen Kosten der Mobilität für die Umwelt durch höhere Preise für die Ortsveränderung überbrückt würde, dann würden die einzelnen Marktteilnehmer unter dieser zusätzlichen Restriktion auch gesamtwirtschaftlich effizient handeln. Sie müßten dann nämlich für die verursachten Umweltschäden bezahlen und erhielten Anreize zur Vermeidung der Schäden. Als preisliches Instrument zur Intemalisierung bei externen Kosten ist grundsätzlich zum einen eine Besteuerung der mit externen Kosten verbundenen Transaktionen denkbar. Mit der sog. ->Pigou-Steuer sollen die einzelwirtschaftlichen Grenzkosten auf das Niveau der sozialen Grenzkosten angehoben werden (in Falle externer Nutzen wären es entsprechende Subventionen). Zum anderen ist an sogenannte handelbare Verschmutzungslizenzen zu denken, die gegen Entgelt von allen Emittenten eines Schadstoffesauch von außerhalb des Verkehrssektorserworben werden müßten. Das würde die praktizierte Mobilität mit den Kosten des damit einhergehenden Verbrauchs an sauberer Umwelt belasten. Handelbare Verschmutzungslizenzen würden den Vorteil bieten, den Ausgleich zwischen privaten und sozialen Kosten den Markttransaktionen der Beteiligten und damit dem Preismechanismus zu überlassen. Abgesehen von der Schwierigkeit, daß ein tolerables Niveau an Emissionen des jeweiligen Schadstoffes definiert werden müßte, wäre ein System von Verschmutzungslizenzen allerdings mit erheblichen Transaktionskosten (einschließlich der Kosten für die Ermittlung und Kontrolle der individuellen Emissionsmengen) verbunden. Daher gilt die steuerliche Lösung als einfacher zu realisieren, obwohl man hier die Kostenverläufe von privaten und sozialen Kosten genau kennen müßte, um die mit einer Steuer stets verbundenen negativen Auswirkungen auf die Allokation der Ressourcen möglichst gering zu halten. Im Zusammenhang mit einer praktischen Intemalisierung der externen Kosten der Mobilität wird immer wieder eine drastische Erhöhung der Mineralölsteuer als fahrlei247

Mobilität

stungs- (= mobilitäts-) abhängige Abgabe diskutiert. Abgesehen davon, daß sie nicht proportional zu den Emissionen aller Schadstoffe verläuft, zeigen sich bei der Mineralölsteuer allerdings beispielhaft die Tücken eines Lenkungsinstruments, das als relativ ertragstarke Steuer zugleich zur Erzielung von fiskalischen Einnahmen dienen kann und soll. Denn eine nachhaltige Einschränkung der Mobilität würde mit spärlicher sprudelnden Einnahmen des Fiskus erkauft - und zwar nicht nur bei der Mineralölsteuer, sondern aufgrund von Wachstumseinbußen auch bei ertragsabhängigen Steuern -, zufriedenstellende Einnahmen dagegen mit einem nachhaltig verfehlten Lenkungszweck. Dieser „ t r a d e - o f f ist im übrigen kein abstraktes Gedankenmodell, sondern immer dann sehr real, wenn staatliche Ausgabeansätze über Steuern finanziert werden müssen. In der finanzpolitischen Debatte der letzten Jahre gilt die Mineralölsteuer als ein bevorzugtes Finanzierungsinstrument, das stärker anreizmindernde direkte Steuern und -»Abgaben ersetzen soll. Gerade dadurch tritt der beschriebene Konflikt zwischen Einnahmenerzielungs- und Lenkungszweck in den Vordergrund. Derartige Alltagsprobleme der praktischen Finanzpolitik aber mindern die theoretische Eleganz einer an der ->PigouSteuer orientierten Intemalisierungsabgabe entscheidend. 2.4. Das Argument der externen Nutzen des Verkehrs Im Rahmen der Debatte über externe Kosten der Mobilität und deren Internalisierung wird in der Verkehrswissenschaft seit einiger Zeit auch über mögliche externe Nutzen des Verkehrs bzw. der Mobilität diskutiert. Diese wären mit den externen Kosten zu saldieren und könnten sogar die Einführung komplizierter Internalisierungsmechanismen überflüssig machen. Die Berücksichtigung externer Nutzen des Verkehrs (und dabei explizit des Straßenverkehrs) wird im wesentlichen mit dessen Erschließungsfunktion für den Raum und dessen produktivitäts- und wachstumsfördernden Wirkungen begründet. Derartige wohlfahrtssteigernde Wirkungen der Mobilität werden von Kritikern dieses Ansatzes nicht geleugnet. Sie argumentieren aber, diese seien bereits internalisiert oder 248

Mobiiitat aber nur als pekuniäre externe Nutzen anzusehen. Im ersten Fall wären sie bereits in den internen Kosten des Verkehrs enthalten und innerhalb der mit Hilfe der Verkehrsleistungen erzeugten Wertschöpfung abgegolten. Im zweiten Fall würden sie zwar außerhalb der unmittelbar betrachteten Marktbeziehung auftreten, würden jedoch über relative Preisveränderungen auf verbundenen Märkten weitergewälzt und stellten - wie übrigens auch pekuniäre externe Kosten - keinen korrekturbedürftigen Mangel in der Ressourcenallokation dar. Demgegenüber verweisen die Befürworter einer Berücksichtigung externer Nutzen darauf, daß die Nutzen gleichwohl vielfach technologischer Natur seien, also mit den Umweltkosten zu verrechnen seien. Als Beispiele werden Agglomerationsvorteile und Spill-over Effekte beim technischen Fortschritt und bei Innovationen genannt. Das Argument bleibt allerdings umstritten. Insgesamt kann man festhalten, daß die Rolle der räumlichen Mobilität ambivalent ist. Auf der einen Seite ist praktizierte Mobilität eine unabdingbare Voraussetzung für notwendige wirtschaftliche Entwicklung, auf der anderen Seite verursachen Fahrzeugbewegungen externe Umweltkosten, die nicht nur die natürliche Umwelt sondern langfristig auch die wirtschaftliche Entwicklung beeinträchtigen können. Die praktischen Probleme einer wirksamen Internalisierung der externen Kosten des Verkehrs sind allerdings weiterhin alles andere als gelöst. Weiterfuhrende Literatur: Baum HJ Behnke, N. C.: Der volkswirtschaftliche Nutzen des Straßenverkehrs. Schriftenreihe des Verbandes der Automobilindustrie e.V., 82., Frankfurt a. M. 1997; Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft e.V.: Mobilität im 21. Jahrhundert. Die gesellschaftliche Herausforderung. Vorträge und Diskussionsergebnisse der Jahrestagung 1993 der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft, Internationales Verkehrswesen 45 (11), Würzburg 1993; Nash, C.: Transport Externalities. Does Monetary Valuation Make Sense?, in: de Rus, G./ Nash, C. (eds.): Recent Developments in Transport Economics, Aldershot, Ashgate 1997; Petersen, RJ Schallaböck, K. O.:

Modal Shift

Modernisierung, ökologische

Mobilität für morgen. Chancen einer zukunftsfähigen Verkehrspolitik. Berlin, o. J.; Verkehrsforum Seefeld (Hrsg.): Verkehrsforum Seefeld. Mobilität ohne Grenzen? Seefeld 1995. Dr. C.- F. Laaser

Modal Shift Begriff aus der Verkehrsforschung zur Beschreibung der Verkehrsverlagerungsprozesse zwischen alternativen Verkehrsträgern, z. B. von der Straße auf die Schiene. -»Mobilität

Modal Split Begriff aus der Verkehrsforschung Beschreibung der Zusammensetzung Verkehrsmittelangebotes. —»Mobilität

zur des

Modernisierung, ökologische Nicht in der Blockade des technischökonomischen Fortschritts, sondern in der Korrektur seiner Dynamik und Richtung liegen Entwicklungschancen für den Übergang unserer hochkomplexen Industriegesellschaft in ein ökologisch ausbalanciertes Wirtschaftssystem. Dank dieser ebenso plausiblen wie schillernden Botschaft vom ökonomisch-ökologischen Doppelnutzen ist das programmatische Leitbild der ökologischen Modernisierung seit mittlerweile zehn Jahren gesellschaftlich akzeptiert und zum Paradigma einer sich transdisziplinär etablierenden —»Umweltforschung geworden. Daß dieses Leitbild janusköpfig ist und keineswegs den Königsweg für eine ökologische Realpolitik an der Schwelle zum Jahrhundert der Umwelt (von Weizsäcker) offenbart, ist inzwischen nicht nur ein akademisches Thema. Seitdem ökologische Modernisierung zum Gegenstand von Regierungs- und Unternehmenspolitik avanciert, wird sie nicht nur als verheißungsvolle, sondern auch als ebenso voraussetzungsvolle Modernisierung der Moderne erfahrbar. Entstanden ist der Diskurs der ökologischen Modernisierung im Verlauf einer insbesondere von Politikwissenschaftlern und Ökonomen geführten Auseinandersetzung mit

den nationalen und internationalen Erfahrungen der -»Umweltpolitik der sechziger und siebziger Jahre. Zu den dabei entwickelten, auch die Nachhaltigkeitdebatte prägenden Wissensbeständen gehören die Grenzen des qualitativen Wachstums und die Modernisierungsanforderungen einer Readaption von anthropogenen in geogene Stoffkreisläufe. Folgenschwere modernisierungspolitische Konsequenzen offenbart nicht zuletzt auch das Katastrophenparadox (von Prittwitz): Da Umweltprobleme auch und gerade in hochdifferenzierten Industriegesellschaften erst dann thematisiert und lösbar werden, wenn sie ihren katastrophalen, die Akteure und Institutionen überfordernden Charakter verlieren und neue gesellschaftliche Handlungskapazitäten entstehen lassen, ist die schwierige (und soziologisch umstrittene) Lernfähigkeit zwischen den Teilsystemen der Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Technik und Massenmedien unverzichtbar. Zum Scheitern verurteilt sind deshalb Modellvorstellungen, mit qualitativen Wachstum oder ökologischen Marshallplänen (Wicke) einen allein auf Umweltnachfrage konzentrierten -»Strukturwandel zu induzieren. Industriellen Strukturwandel in einen ökologischen zu überführen, ist - so die Quintessenz der multinationalen Erfahrungen mit selektivem oder qualitativem Wachstum - ohne eine makro- wie mikroökonomisch zu gewährleistende -»Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch nicht möglich. Notwendig wird also eine Schwerpunktverlagerung vom klassischen, auf die nachträglich-kompensierende Reparatur von umweltmedialen Schäden fixierten —»Umweltschutz auf einen proaktiv-präventiven, produkt- und produktionsintegrierten Ressourcenschutz. Unerläßlich ist ebenfalls eine schrittweise aber drastische Verteuerung von -»Energie und —»Mobilität als Innovationsanreiz zur Steigerung der Ressourcenproduktivität, eine Integration von Umweltpolitik in die Wirtschafts-, Finanz-, Technologieund Arbeitsmarktpolitik und nicht zuletzt eine Modernisierung des schon mit umweltpolitischer Regulierung tendenziell überforderten staatlichen Politiksystems mittels zivilrechtlicher und verhandlungsorientierter Politikformen. 249

Modernisierung, ökologische Das neue Leitziel Wechselseitigkeit und Anschlußfähigkeit ökologischer und industrieller Stoffwechselprozesse ist zwar den komplexen, synergiereichen Umweltbelastungen adäquat, impliziert jedoch eine gesellschaftliche Selbstbefähigung zur strukturellen ökologisierung (von Prittwitz). Jenseits ökologischer Nischenerfolge, singulärer Pionierbeipiele oder zufälliger Trends wird entscheidend, ob und wie die drei Nachhaltigkeitsstrategien der Effizienz, Konsistenz und Suffizienz (Huber) miteinander kombiniert werden. Mit der modelltheoretischen Unterscheidung dieser Nachhaltigkeitsparameter offeriert das Konzept der ökologischen Modernisierung Möglichkeiten, die bislang disziplinär separierten umweltechnischen, umweltökonomischen und umweltpolitischen Modellkonstruktionen nachhaltiger Entwicklung aufeinander zu beziehen und bisherige Entwicklungs-, Ökonomie- und Politikstandards zu reformulieren: 1.

Die Effizienz-Strategie zielt darauf ab, die systematische Steigerung der Arbeits* und Kapitalproduktivität um die systematische Steigerung der Ressoucenproduktivität zu ergänzen, so daß gewünschte Produktionsleistungen mit geringstmöglichem Materialund Energieeinsatz möglich werden.

2.

Die Konsistenz-Strategie bezieht sich auf Umweltverträglichkeit von Stoffund Energieströmen mit dem Ziel, daß anthropogene und geogene Stoffströme einander nicht stören oder wechselseitig verstärken.

3.

Die Suffizienz-Strategie wirft die mittels Effienz- und Konsistenzstrategie nicht zu lösende Frage auf, ob ökologisch notwendige Obergrenzen der Wirtschaftsentwicklung zu definieren, solche Sättigungsgrenzen ökonomisch tragfähig und ökonomische Selbstbegrenzungen sozialverträglich zu gestalten sind.

Diese Nachhaltigkeitsstrategien sind, obwohl ein inzwischen auch betriebswirtschaftlich und ingenieurswissenschaftlich fundiertes Set von Wissensbeständen, Methoden und 250

Modernisierung, ökologische Techniken entwickelt ist, auf je unterschiedliche Weise gesellschaftlich akzeptiert und praxisrelevant. Am weitesten operationalisiert ist die Öko-Effizienzstrategie, von der aufgrund ihrer ökologischen EconomyEffekte, ihrer Prozeß- und Produktinnovationen ein scheinbar leichterer Einstieg in eine ökologische —>Unternehmensfilhrung erwartet wird. Dennoch steht die Umweltforschung bei der interdisziplinierten Erforschung und Entwicklung von ökologisierungspfaden erst am Anfang. Es fehlt nicht nur an Erfindung, Erforschung und Praxistransfer von technisch-stofflichen und ökonomischen -»Innovationen. Ungeklärt ist auch, wie angesichts korporatismusgestützter Besitzstandsverteidigung alle Nachhaltigkeitsstrategien - und nicht nur die mit der vorherrschenden Produktionsweise am ehesten anschlußfähige Öko-Effizienzstrategie auf den Makro-, Meso- und Mikroebenen der Gesellschaft, national wie international wirksam werden können. Die mit solchen Konzeptionalisierungs- und Operationalisierungdefiziten einhergehende Interpretationsoffenheit begünstigt den Vorwurf, daß auch das Modell der ökologischen Modernisierung mehr Beteuerung als Programm ist. —»Ökologie und Ökonomie voreilig und widerspruchsfrei zu versöhnen, das technisch-stoffliche Innovationspotential zu über- und das Risikopotential von Wissenschaft und Technik zu unterschätzen, sind die immer wiederkehrenden Kritikpunkte, die bei genauer Prüfung seiner Forschungslinien und empirischen Befunde kaum haltbar sind. Auch wenn ein technologisch-stofflicher Innovationssprung zur regenerativen Ressourcennutzung als möglich erachtet wird, besteht zumindest im wissenschaftlichen Diskurs der ökologischen Modernisierung Konsens, daß die Endlichkeit der ->Regenerationsfähigkeit der Natur ebenso wie das Risikopotential modemer Technik technologisch nicht aufhebbar, soziale Innovationen und institutionelle Reformen deshalb umso unverzichtbarer sind. Kritisierbar ist deshalb in sozialwissenschaftlicher Perspektive eher die organisationsanalytische Prägnanz und die modemisierungstheoretische Fundierung, die im Konzept der ökologischen Modernisierung defizitär bleiben.

Modernisierung, Bkoiogische Selbst eine transdisziplinär optimierte Umweltforschung und machtpozentierte Umweltpolitik ist mit der Entwicklung von drehbuchartigen Wendeszenarien oder Masterplans überfordert: zu differenziert und variantenreich sind die Umweltrisikoprofile der Unternehmen, zu spezifisch ihre technisch-stofflichen, die produktions- und marktökonomischen Gegebenheiten, zu kurzfristig und kostenorientiert die Planungshorizonte, zu turbulent die sich global oder regional ändernde Konkurrenz. Umweltziele und Leitbilder auf der Grundlage von Makroindikatoren, Hochrechnungen und Aggregatdaten bleiben praxisirrelavante Modellkonstruktionen, solange die in praktischen Modernisierungsprojekten radikal deutlich werdende Komplexität, Kontingenz und Brisanz ihrer Realisierung ausgeblendet wird. Daß der Praxistransfer von Umwelttechnik, Umweltpolitik und ->Umweltökonomie ohne soziologische und organisationswissenschaftliche Microfoundation kaum erfolgreich gelingen kann, ist eine Einsicht, die in diesen disziplinär separierten Diskursen der Umweltforschung gleichermaßen unterentwickelt bleibt. Unhinterfragt wird meist gegen besseres Wissen und alle Erfahrung an der Fiktion des friktionsfrei, effektiv und schnell zu reorganisierenden Unternehmens festgehalten. Das Technikleitbild des integrierten Umweltschutzes, die neuen umweltorientierten Sofwaresysteme der Produkt- und Produktionssteuerung, das Instrumentarium nichtdirigistischer Umweltpolitik und nicht zuletzt die Modelltheorien ökologischer Wettbewerbsstrategien unterstellen mehr oder minder eine unbegrenzte, eigeninteressierte und eigenverantwortliche Fähigkeit zur Innovation, Zweckrationalität und Selbstorganisation. Selbst in ambitionierten technisch-ökonomischen Reorganisationsprojekten wird jedoch diese zweifellos unerläßliche Modernisierungsanforderung weder im Selbstlauf noch als Nebenfolge erfüllt. Gerade die theoretisch evidenten technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Optimierungspotentiale ökologischer Wettbewerbsstrategien realisieren sich in der Praxis nicht als gradliniger one best way, sondern immer umwegig, mit ebenso komplexen wie unerwarteten Nebenfolgen.

Modernisierung, ökologische Die Emergenz und Kontingenz, die jede Reorganisation oder Umstrukturierung im Unternehmen kennzeichnet, ist bei ökologischen -»Innovationen besonders ausgeprägt. Es stehen technisch, stofflich, ökonomisch, organisatorisch und nicht zuletzt interessenspolitisch immer mehrere Entwicklungsvarianten und Handlungsoptionen offen, deren Auswahl, Bewertung und Entscheidung so unübersichtlich wie konflikthaltig und damit ergebnisoffen sind. Dies gilt gerade auch für differenziert elaborierte und operarionalisierte Unternehmenstrategien wie die der Company Oriented Sustainability (Dyllik, Beiz, Schneidewind). Was die Umschichtung der Produktpalette und die Ausweitung bisheriger Geschäftsfelder (von der Produkt- und Produktionsebene auf die Funktions- und Bedürfnisebene) für die Reorganisation der Untemehmensführung, die Entwicklung und Anwendung technischstofflicher Produkt- und Verfahrensinnovationen und vor allem für das Organisations-, Wissens- und Lernmanagement bedeuten, ist sowohl wissenschaftlich als auch in der Praxis nur als emergenter, sozialevolutionärer Prozeß zu erkunden. Erst die Perspektive der Ökologisierung als sozialer Prozeß (Burschel) eröffnet den Konzepten der ökologischen Modernisierung und der Nachaltigkeit neue Möglichkeiten, diesen komplizierten Paradigmawechsel in der Praxis der Unternehmen realanalytisch wie reformpolitisch zu präzisieren und jeweils unternehmensspezifische Antworten auf das ungelöste Problem seiner Pfadabhängigkeit zu finden: daß nämlich die Schritte evolutionärer Reformstrategien nicht ex ante determiniert, sequentiell zu planen und in ihrer Implementation zu steuern sind, sondern sukzessiv aufeinander folgend in ein Neuland führen, in dem sich jeder neue Schritt erst zu bewähren und neu zu orientieren hat. Selbst im makropolitischen Reformfeld der Beschäftigungspolitik ist inzwischen unbestritten, daß industriegesellschaftliche Modernisierung angewiesen ist auf einen offenen Politikprozeß, der Platz läßt für erfahrungsgestützte Korrekturen unerwünschter Nebenfolgen und unvermeidlicher Folgeprobleme (Streek, Heinze). Gerade die ökologische Modernisierung ist eine industriegesellschaftliche Reform, die 251

Monetarisierung einem gesellschaftlichen Mehrebenen-Prozeß ausgesetzt ist, der hochgradig inkremental, kontingent und ungleichzeitig abläuft. Als unterkomplex und anachronistisch haben sich modernisierungstheoretische Vorstellungen erwiesen, diesen Prozeß als Stufenabfolge, als lineare oder gar unumkehrbare Entwicklung zu analysieren oder zu planen. Während noch vor einigen Jahren Umbaukonzepte und Wendeszenarien Konjunktur hatten, werden heute in -»EnqueteKommissionen Institutionelle Reformen für eine Politik der Nachhaltigkeit als reflexive Entdeckungsund Gestaltungsprozesse (Minsch u. a.) konzipiert und - wie am Beispiel der ökologischen Steuerreform exemplarisch zu beobachten - mit weitaus größeren Schwierigkeiten in Regierungshandeln umzusetzen versucht. Ökologische Modernisierung bleibt also angewiesen auf ein gesellschaftliches Prozessieren mit und in allen Institutionen, ihren Arenen und Akteuren, das nur als Doppelprozeß der Konstitution von oben und der Emergenz von unten (Luhmann) erfolgreich sein kann. Sie wird auch weiterhin von einem Gemisch aus Teil-, Halb- und Gegenmodernisierung (Beck) geprägt werden. Selbst wenn es gelingen sollte, die für die einfache industrielle Modernisierung typische Dialektik des Neuen und immer Gleichen (Benjamin) zu korrigieren, bleibt ökologische Modernisierung eine reflexive. Immer wird sie mit nichterwarteten und nichtintentionalen Nebenfolgen ihrer Erfolge konfrontiert, deren Bewältigung Indikator und Maßstab ihrer Fähigkeit zur Selbstveränderung und Selbstreflexion ist. Könnte es z. B. nicht auch an der Art und

252

Monokultur Weise des ökologischen Modernisierungsdiskurses liegen, daß er immer noch eher eine Angelegenheit eines relativ kleinen Kreis von Experten, Überzeugungstätern und Umweltmarkt-Teilnehmem (Burschel) bleibt? Weiterfuhrende Literatur: Beck, UJ Giddens, AJ Scott Lash, S.: Reflexive Modernisierung, Frankfurt a. M. 1996; Hajer, M. A.\ The Politics Of Environmental Discourse. Ecological Modernization and the Policy Process, Oxford 1995; Huber, J:. Nachhaltige Entwicklung. Strategien für eine ökologische und soziale Erdpolitik, Berlin 1995; Minsch, JJ Feindt, P.- H.l Meister, H.PJ Schneidewind, UJ Schulz, T.: Institutionelle Reformen für eine Politik der Nachhaltigkeit, Berlin/Heidelberg/New York 1998; v. Prittwitz, V. (Hrsg.): Umweltpolitik als Modernisierungsprozeß. Politikwissenschaftliche Umweltforschung und -lehre in der Bundesrepublik, Opladen 1993. Dr. M. Birke

Monetarisierung -»Bewertung der Umwelt, monetäre

Monokultur Dauerhafter Anbau einer einzigen Nutzpflanze auf einem bestimmten Gebiet; es findet also kein Fruchtwechsel statt. Die Monokultur führt zur Auslaugung der Böden und begünstigt die Ausbreitung von Schädlingen.

Nachhaltige Entwicklung

Naturkatastrophen und Globaler Wandel

N Nachhaltige Entwicklung ->Sustainable Development

Naturkatastrophen und Globaler Wandel 1. Naturkatastrophen - Trends Die Gefährdung durch Naturkatastrophen und ihre Auswirkungen auf Mensch und Gesellschaft sind im Wachsen begriffen. Ca. 600.000 Tote waren in den letzten zehn Jahren weltweit zu beklagen, die jährliche

Anzahl ist steigend (IFRC 2000). Es ist sowohl eine starke Zunahme der Anzahl von Naturkatastrophen sowie der versicherten und volkswirtschaftlichen Schäden zu verzeichnen. Im Vergleich der 90er Jahre mit den 60er Jahren ergibt sich für Naturkatastrophen-Ereignisse eine Zunahme u m 220% und für volkswirtschaftliche Schäden u m 760%. Die versicherten Schäden stiegen im gleichen Zeitraum um 1510% an (Münchener Rückversicherung 2000).

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1995

Abb. 1: Zunahme der Schäden durch Naturkatastrophen (Quelle: Münchener Rückversicherung 2000).

Als Naturkatastrophe wird allgemein ein natürliches Extremereignis bezeichnet, das eine vulnerable Gesellschaft trifft. Wird die Selbsthilfefähigkeit der betroffenen Region deutlich überfordert und werden substantielle wirtschaftliche Schäden verursacht, welche internationale Hilfe erforderlich machen, spricht man von einer großen Naturkatastrophe. Man kann hierfür die folgenden Kriterien heranziehen:

• • •

Mehr als hundert Todesopfer; ein Schaden größer als 1% des Bruttoinlandproduktes; mehr als 1% der Bevölkerung als Betroffene (Smith 1996).

Die Auswirkungen von Naturkatastrophen auf den Menschen und seinen Lebensraum sind in Entwicklungsländern ungleich gravierender als in Industrieländern. Während ca. 75% der ökonomischen Schäden durch Naturkatastrophen in Industrieländern eintreten, sind 90% der Ereignisse und 95% der 253

Naturkatastrophen und Globaler Wandel Todesopfer in den unterentwickelten Ländern zu beklagen, welche ungefähr zwei Drittel der Weltbevölkerung darstellen. Die Verluste an Pro-Kopf-(-»)Bruttosozialprodukt werden in den Entwicklungsländern zwanzigmal so hoch eingeschätzt wie in den Industrieländern. Die größte Naturkatastrophe bezüglich des Verlustes an Menschenleben waren die Überschwemmungen 1887 in der Region Henan im Kaiserreich China mit 900.000 Toten, die Grosse Manndränke 1362 an der Nordsee forderte ca. 100.000 Todesopfer. Im 20. Jahrhundert wird der traurige Rekord von Bangladesch gehalten: Ein Zyklon forderte 1970 300.000 Tote. Desweiteren gab es bei einem Erdbeben 1976 in der Region Tangshan in China 290.000 Tote. Diese Ereignisse sind nicht deckungsgleich mit den größten volks- und versicherungswirtschaftlichen Ereignissen. Die größten volkswirtschaftlichen Naturkatastrophen waren das KobeErdbeben 1995 in Japan mit einem geschätzten Schaden von mehr als 100 Milliarden US $ und das Northridge-Erdbeben in Kalifornien/USA 1994 mit ca. 44 Mrd. US $ Schaden. Northridge war ebenfalls die zweithöchste versicherungswirtschaftliche Katastrophe mit 15 Mrd. US $ versicherten Schäden; den größten Schaden in dieser Kategorie verursachte Hurrikan Andrew 1992 mit 17 Mrd. US $. Das Ereignis mit den bisher größten ökonomischen Schäden in Europa waren die Winterstürme 1990, die einen volkswirtschaftlichen Schaden von 15 Mrd. US $ und einen versicherten Schaden von 10 Mrd. US $ hervorriefen, und auch für diese Breitengrade relativ viele Todesopfer (230) forderten (Münchener Rückversicherung 1999). Naturkatastrophen werden nach der Art des Eintrittes unterschieden:

254

Naturkatastrophen und Globaler Wandel •



Plötzlich auftretende Naturkatastrophen sind geotektonische Extremereignisse wie Erdbeben, Vulkanausbrüche und Massenbewegungen wie z. B. Bergstürze und extreme Wettereignisse, wie Überschwemmungen, Orkane in den mittleren Breitengraden und Zyklone in den Tropen (Hurrikane und Taifune). Allmählich entstehende Naturkatastrophen, welche entweder periodisch wiederkehren oder auch dauerhafter Natur sind, sind Hungersnöte, Desertifikation und Versteppung.

Bei den plötzlich auftretenden Ereignissen kann das Ereignis in seinem Eintritt nicht (Hurrikan) oder nur gering (Überschwemmung) beeinflußt werden. Die Wahrscheinlichkeit eines Eintrittes (z. B. durch Klimawandel) kann jedoch anthropogen bedingt sein. Bei allmählich auftretenden Ereignissen ist die menschliche Einwirkung meist signifikant und es besteht eine gewisse Vorwarnzeit. Beispielsweise entstehen Hungerkatastrophen als Folge von Dürren oft durch Versorgungsengpäße und Mißwirtschaft in den betroffenen Regionen. Aus diesem Grund werden Hungersnöte oft separat von anderen Naturkatastrophen behandelt. 2. Determinanten von Naturkatastrophen Für den Eintritt von Naturkatastrophen sind zwei Verursachungskomplexe maßgeblich, welche hier als Subsysteme der „Natursphäre" und „Anthroposphäre" verstanden werden sollen. Natürliche Extremereignisse wie Stürme, Niederschläge oder Erdbeben stellen eine Bedrohung dar, dessen Ausmaß die natürliche Vulnerabilität bestimmt. Die sozioökonomische, politische und institutionelle Vulnerabiliät hingegen wird in der Anthroposphäre determiniert (vgl. Abb. 2).

Naturkatastrophen und Globaler Wandel

Natursphäre

Naturkatastrophen und Globaler Wandel

Anthroposphäre

Globaler W a n d e l

Vulnerabilit ät

Bedrohung durch • Sturm • Niederschlag • Erdbeben etc.

• Bevölkerungsentwicklung • Landnutzung > Klimawandel

• • • •

Sozial Ökonomisch Institutionell Politisch

Katastrophenrisiko •IiEreignis " W ^

— -

T

Humanitäre Effekte

Ökonomische Schäden

| Ökologische Schäden

Abb. 2: Determinanten des Naturkatastrophenrisikos

Somit besteht eine doppelte Vulnerabilität. Hierbei ist das natürliche Extremereignis als notwendige Bedingung für den Eintritt einer Naturkatastrophe zu sehen. Eine Naturkatastrophe tritt allerdings nur ein, wenn dieses Extremereignis eine vulnerable Gesellschaft trifft. Erst durch die Interaktion von Natursphäre und Anthroposphäre manifestiert sich eine Naturkatastrophe. Hierdurch werden humanitäre Effekte (Todesopfer, Obdachlose, sonstige Betroffene), ökonomische und ökologische Schäden hervorgerufen. Wurden diese beiden VerursachungsKomplexe in der Vergangenheit als unkorreliert betrachtet und Naturkatastrophen und ihre Auswirkungen traditionell als „Schicksal" gesehen - Ereignisse, die der menschlichen Einflußnahme entzogen sind - so hat sich in den letzten Jahren die Betrachtungsweise geändert. Es wurde gezeigt, daß sich Faktoren dieser beiden Gruppen untereinander bedingen. Diese Phänomene werden unter dem Begriff des „Globalen Wandels" subsummiert.

3. Zunahme von Naturkatastrophen Wie oben gezeigt, ist ein Trend zur Zunahme von Naturkatastrophen und damit eine Steigerung sowohl der Konsequenzen für die menschliche Gesundheit, als auch der volkswirtschaftlichen Schäden zu verzeichnen. Es stellt sich die Frage, welche Determinanten der Natursphäre und der Anthroposphäre die Zunahme dieser Probleme bedingen. Auch sind Industrieländer und Entwicklungsländer in unterschiedlicher Weise betroffen. 3.1. Sachwertezuwachs Der Sachwertezuwachs aufgrund des allgemein gestiegenen Lebensstandards in den Industrieländern spielt eine große Rolle bei der Zunahme sowohl der volks- als auch der versicherungswirtschaftlichen Schäden. Dies zeigt sich, wenn die Entwicklung im vergleichsweise katastrophenarmen Deutschland im Vergleich der 80er mit den 90er Jahren betrachtet wird. Stieg die Anzahl der beobachteten Naturkatastrophen in diesem Zeitraum nur um 10%, so nahmen die volkswirtschaftlichen Schäden um 190%, die versicherten Schäden um 280% zu (Münchener Rückversicherung 1999). 255

Naturkatastrophen und Globaler Wandel 3.2. Zunehmende Komplexität und Vernetztheit Je stärker eine moderne Industriegesellschaft auf hochentwickelte Technologien angewiesen ist, desto anfälliger wird sie für außergewöhnliche Ereignisse, für welche diese Technologien nicht ausgelegt wurden. Ein Beispiel ist hier die Abhängigkeit von modernen Computertechnologien. Hinzu kommt die starke Interdependenz und Arbeitsteilung moderner Industriegesellschaften. Fällt ein Subsystem aus, werden auch die anderen Systemelemente betroffen und das Gesamtsystem kann seine Funktion nicht mehr erfüllen. Beispielsweise kann der Verlust von Stromübertragungsleitungen (z. B. infolge eines Sturmes) die Funktionsweise ganzer Volkswirtschaften grundlegend stören. 3.3. Elemente des Globalen Wandels Unter Phänomenen des globalen Wandels werden Veränderungen verstanden, die direkt oder indirekt die natürlichen Lebensgrundlagen merklich modifizieren. War dies schon immer ein Merkmal menschlicher Nutzung der -»Umwelt, so haben die Auswirkungen jedoch mittlerweile eine globale Dimension erreicht und gefährden sowohl gegenwärtige als auch zukünftige Lebens- und Wirtschaftsweisen (WBGU 1993): •

Der Mensch ist sowohl Verursacher als auch Betroffener. Er verändert seine Umwelt sowohl willentlich (z. B. Besiedlung, Ressourcennutzung) als auch unwillentlich (z. B. —»Treibhauseffekt).



Es besteht ein hohes Maß an Unsicherheit infolge von komplexen, nichtlinearen Kausalitäten und Zusammenhängen. Durch den Menschen verursachte Modifikationen sind oft durch ihre - im Vergleich zu natürlichen Veränderungen - hohen Veränderungsraten charakterisiert. Hierdurch werden die Anpassungsfähigkeit und die Reparaturmechanismen des Systems Erde überfordert.



Der globale Wandel bedingt vor allem die Zunahme der humanitären Konsequenzen. Faktoren der Natursphäre als auch der Anthroposphäre sind hier ausschlaggebend. Die 256

Naturkatastrophen und Globaler Wandel Diskussion dieser Faktoren ist besonders relevant für Entwicklungsländer. Längerfristig mag dies allerdings auch für die Gruppe der Industrieländer gelten. Die wichtigsten Kernprobleme des Globalen Wandels mit Relevanz für Naturkatastrophen sind: Bevölkerungsentwicklung und -Verteilung Es besteht ein hohes Wachstum der Weltbevölkerung, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern. Dies ist u. a. auf ein relativ niedriges Bildungsniveau, welches eine Determinante von hohen Geburtenraten ist, unzureichend ausgebildete soziale Sicherungssysteme und soziale Ausgrenzung von Bevölkerungsklassen zurückzuführen. Weiterhin herrscht ein Trend zur Landflucht, was eine starke Urbanisierung besonders in Küstengebieten bewirkt. Die städtische Infrastruktur ist hierdurch überfordert. Es ergibt sich eine Zunahme der städtischen und ländlichen Armut und der Übernutzung der Umwelt, was eine erhöhte Vulnerabilität für Naturkatastrophen mit sich bringt. Urbanisierung Urbanisierungstendenzen erhöhen die Vulnerabilität für Naturkatastrophen. Insbesondere gilt dies für sog. „Megacities" mit mehr als 1 Million Einwohner. Zwei- bis dreihundert dieser Großstädte existieren heute, ein Viertel der Weltbevölkerung lebt dort. Ein Großteil dieser Städte (20 der 30 größten) liegt in Entwicklungsländern. Diese Tendenz wird sich fortsetzen, wobei das größte Wachstumspotential in Südasien besteht (Smith 1996). Hierdurch erhöht sich die Anfälligkeit für Naturkatastrophen in folgender Weise: • •

Die Urbanisierung konzentriert Mensch und Kapital auf engstem Raum; Oft besteht eine starke Zuwanderung insbesondere durch arme Bevölkerungsschichten, die nur ungenügend materiell ausgerüstet sind und sich in der Folge in illegalen Siedlungen niederlassen, was zur Beanspruchung weniger geeigneter Flächen oder schon bestehender Problemzonen führt. Neue Risiken entstehen und bestehende

Naturkatastrophen und Globaler Wandel



werden erhöht. So wurde das Erdbeben in Guatemala-Stadt 1976 bekannt als das „Klassenbeben", da der Großteil der 23.000 Toten unter den Armen zu beklagen war, welche in unzureichenden Behausungen lebten und von, mit dem Erdbeben einhergehenden, Hangrutschungen betroffen waren (IFRC 1999). Die Wartung und der Ausbau städtischer Infrastruktur kann oft mit dem hohen Tempo der Urbanisierung nicht mithalten, was zu graduellem Verfall und erhöhter Vulnerabilität fuhrt.

Klimawandel Die -»Emission langlebiger Treibhausgase in die Atmosphäre führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem signifikanten anthropogenen Klimaeffekt. Es sind Rückkopplungen dieses Treibhauseffektes mit der ozeanischen Zirkulation und der Dynamik der polaren Eismassen zu erwarten. Bis 2100 wird eine Temperaturzunahme um 1-3,5 Grad Celsius und ein Anstieg des Meeresspiegels um 15-95 cm prognostiziert (Houghton et al. 1996). Heute bereits erfaßbar sind Veränderungen der Niederschlagsmuster in bestimmten Regionen (Münchener Rückversicherung 1999). Neuere —>Forschungen deuten auf Zusammenhänge zwischen anthropogenem Treibhauseffekt und dem El-Nino-Effekt bzw. der Zunahme der Hurrikane im Westatlantik hin. Allerdings ist noch weithin ungeklärt, welche genauen Effekte sich durch die prognostizierte Verschiebung der Klimagürtel und damit der Vegetationszonen sowie durch den erwarteten Anstieg des Meeresspiegels und die Zunahme von Wetterextremen ergeben. Besonders gefährdet von einer Klimaände-

Naturkatastrophen und Globaler Wandel rang sind niedrig gelegene Küstenzonen und Inseln. Die Gefahr eines Meeresspiegelanstiegs ergibt sich zum einen aus der Ausdehnung der Wassermassen durch einen Temperaturanstieg und zum anderen aus der Schmelze von Eis und Schnee. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts betrug der Anstieg des Wasserstandes bei Flut 20 cm. Zudem birgt eine Zunahme der Extremereignisse in Form von Stürmen eine erhöhte Gefahr für niedrig gelegene Küstenzonen und Inseln. Die Vulnerabilität wird auch durch anthropogene Prozesse verstärkt. Obwohl Küstengebiete insgesamt nur einen kleinen Teil der Landmasse der Erde ausmachen, sind sie häufig dicht besiedelt, da sie besonders fruchtbares Ackerland enthalten und für die Anlage großer Städte in besonderem Maße geeignet sind. Im Jahr 1999 lebten beinahe drei Milliarden Menschen in Küstengebieten - fast die Hälfte der Erdbevölkerung. Dreizehn der fünfzehn der weltweit größten Urbanen Siedlungen befanden sich in diesen Regionen, wo das Bevölkerungswachstum zudem doppelt so hoch ist wie im globalen Durchschnitt. Abbildung 3 zeigt die weltweite Hochwassergefährdungslage im Jahr 2000. Hier ist erkennbar, daß gerade dicht besiedelte Küstenzonen (US-amerikanische Ostküste, Nordseeküste, Südostasien) gefährdet sind. Städte wie Tokio, Shanghai, Lagos, Hong Kong und auch Hamburg sind besonders bedroht. Die Kosten für einen Schutz sind astronomisch hoch. So werden die Kosten für einen umfassenden Schutz der Niederlande vor einer Meeresspiegelerhöhung von 50 cm auf 3,5 Billionen US $ geschätzt (IFRC 1999).

257

Naturkatastrophen und Globaler Wandel

Naturkatastrophen und Globaler Wandel

Abb. 3: Hochwassergefährdung und Bevölkerungskonzentration im Jahr 2000, (Quelle: World Disasters Report 1999).

Ressourceniibernutzung Übernutzung der natürlichen -»Ressourcen durch nicht-nachhaltige Landwirtschaft, damit einhergehende Bodenerosion und der Raubbau an Wäldern erhöhen das Naturkatastrophenrisiko. Beispielsweise führt der Verlust an natürlicher Vegetation wie vor allem an Wäldern zu geringerer Wasserabsorptionsfähigkeit der Böden, wodurch sich die Gefahr von Überschwemmungen und Erdrutschungen erhöht. Die Überschwemmungen des Jangste 1998 in der Volksrepublik China, welche mehr als 3000 Todesopfer forderten, sind durch diese Faktoren zumindest verstärkt worden. Mehr als vier Fünftel der Waldfläche des JangsteFlußbasins wurden in den letzten Jahren gerodet. In Mittelamerika begruben Hangrutschungen und Schlammlawinen als Folge von Hurricane Mitch Tausende von Menschen, die sich auf derart exponierten Hängen angesiedelt hatten (IFRC 1999). Der globale Wandel hat eine räumliche und eine zeitliche Dimension. Die negativen Auswirkungen betreffen heute zum großen Teil Entwicklungsländer. In Zukunft ist jedoch zu erwarten, daß der globale Wandel auch verstärkt die Nordhalbkugel betreffen wird, wobei die Situation sich in den Ent-

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wicklungsländern noch verschlechtern dürfte. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Anstrengungen im Katastrophenmanagement noch zu verstärken. Während die Prävention im Mittelpunkt der internationalen UNODekade zur Katastrophenreduktion (IDNDR) der 90er Jahre stand, ist der Risikotransfer (wie z. B. Versicherung) für die von Naturkatastrophen betroffenen Entwicklungsländer noch neues Terrain, das erst in letzter Zeit in das Interesse internationaler Entwicklungsorganisationen und der Forschung gerückt ist. Weiterfuhrende Literatur: Houghton, J. T. et al.: Climate Change 1995, The Science of Climate Change. Contribution of Working Group II to the Second Assessment Report of the Intergovernmental Report on Climate Change, Cambridge 1996; International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies (IFRC) (Hrsg.): World Disasters Report, Genf 1999; International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies (IFRC) (Hrsg.): World Disasters Report, Genf 2000; Münchener Rückversicherung (Hrsg.): Topics 2000, München 1999; Münchener Rückversicherung (Hrsg.): Topics, München 2000; Smith,

Naturschutz

NutznieBerprinzlp

K.\ Environmental Hazards. Assessing risk and reducing disaster, London 1996; Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) (Hrsg.): Welt im Wandel. Grundstruktur globaler Mensch-Umwelt-Beziehungen, Bonn 1993.

Development sind Netzwerke von wesentlicher Bedeutung, da es notwendig ist, die Partikularinteressen aller betroffenen Akteure in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft unter Berücksichtigung der Ansprüche zukünftiger Generationen aufeinander abzustimmen. -»Kooperationslösungen der -»Umweltpolitik

Dipl.-Vw. R. Mechler

Naturschutz Schutz der natürlichen -»Umwelt durch Maßnahmen ordnender, sichernder, regenerierender, pflegender und entwickelnder Art.

NEPP Abk.: National Environmental Policy Plan. Bereits 1989 von den Niederlanden vorgelegter nationaler Umweltplan, in dem sich die Regierung das Ziel setzt, bis zum Jahre 2010 die Nutzung von Umweltressourcen als Rohstoffquellen und als Aufnahmemedium für Reststoffe auf ein Niveau zurückzuführen, das den Kriterien einer nachhaltigen Entwicklung entspricht ("sustainbility within one generation"). Inzwischen liegt bereits die erste Fortschreibung des Plans vor (NEPP 2). Besonderheiten des NEPP bestehen u. a. in der Festlegung und zeitlichen Staffelung von quantitativen Zielen und der Fixierung der Beiträge, die verschiedene Sektoren zur Erfüllung dieser Zwischenziele leisten sollen sowie in der Entwicklung der entsprechenden Maßnahmenprogramme. Zudem ist der interaktive, partizipative Ansatz bei der Entwicklung des Plans durch Beteiligung aller Akteurs- bzw. Zielgruppen sowie die Installation eines Systems zur periodischen Evaluation des Planvollzugs und der entsprechenden Fortschreibung bzw. -»Revision des Plans hervorzuheben.

Netzwerk auf Freiwilligkeit basierende informelle Kooperationsform, die auf die Bündelung von Informationen und die Schaffung von Akzeptanz abzielt. Für eine erfolgreiche Orientierung am Leitbild des —»Sustainable

Nicht-Regierungsorganisation Abk.: NRO; -»Non Governmental Organisation

Non Governmental Organisation Abk.: NGO; dt.: Nicht-Regierungsorganisation. Häufig aus -»Bürgerinitiativen entstandene Organisationen, die sich hauptsächlich im humanitären und ökologischen Bereich (z. B. -»Greenpeace) politisch engagieren. Parteinahe politische Stiftungen zählen ebenfalls zu den Non Governmental Organisations.

Nutzen-Kosten-Analyse Instrument zur Bewertung öffentlicher Projekte, u. a. im Umweltschutzbereich. Bestandteile der Nutzen-Kosten-Analyse sind die Abgrenzung des Projektes bzw. der Programmalternativen, eine Wirkungsanalyse der Programmalternativen und deren Bewertung. Die Nutzen-Kosten-Analyse simuliert eine marktmäßige -»Investitionsrechnung im öffentlichen Bereich. Hierbei werden die volkswirtschaftlichen Kosten und der Nutzen der einzelnen Projekte gegenübergestellt. Neben den leicht ermittelbaren direkten Kosten und Nutzen existieren indirekte (externe) Effekte, deren Erfassung und Bewertung schwierig ist. -»Bewertung der Umwelt, monetäre

NutznieBerprinzip -»Umweltpolitik

259

OECD

Ökobilanzierung

o OECD Abk. für: Organisation for Economic Cooperation and Development; Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Seit 1960 mit Sitz in Paris bestehende Organisation der Industrienationen. Ziel der Organsiation ist die Koordinierung der Wirtschaftspolitik, insbesondere der Konjunktur- und Währungspolitik. Die OECD beschäftigt sich weiter mit Entwicklungs- und Umweltfragen.

bereitzustellen, das der vollständigen Erfassung und Bewertung der Austauschbeziehungen (In- und Outputströme) zwischen Unternehmen und ->Umwelt während einer bestimmten Periode dient. Auf der Inputseite erfolgt eine Unterteilung in Material und -»Energie, auf der Outputseite wird in Produkte und Kondukte differenziert. Voraussetzung ist die Erfassung sämtlicher ökologisch relevanter Aktivitäten. Schritte bei der Ökobilanzierung sind:

Off-set-policy —»Ausgleichs - Politik

Öko-Banking Privatwirtschaftliche Umweltfinanzierung spezialisierter Institutionen („Öko-" oder „Alternativbanken") aber in zunehmender Weise auch Geschäftsgegenstand des konventionellen Bankenbereichs, mit dem Ziel, Kapitalanlagen zur Förderung ökologisch ausgerichteter Investitionen darzubieten. Dabei geht es im Aktivgeschäft insbesondere um die Forcierung ökologisch orientierter Wertpapierauswahl oder "Öko-Venture"Beteiligungsgesellschaften, sowie im Passivgeschäft u. a. um die Bereitschaft von Kapitalgebern, bei der Finanzierung derartiger Projekte auf bestimmte Rückflußanteile (konkretisierbar als Differenz zwischen der dabei erzielbaren und der ansonsten bei alternativer Kapitalanlagen möglichen höheren Verzinsung) zu verzichten, um damit einen aktiven Beitrag zum -»Umweltschutz zu leisten.

a)

Zieldefinition Festlegung der Anwendungsbereiche und Zielgruppen (interne und externe Anwendungsmöglichkeiten), Systembeschreibung mit Festlegung des Bilanzraumes und der Systemabgrenzung. Die Zieldiskussion ist insbesondere auch für die spätere Bewertung der Ergebnisse von Bedeutung.

b)

Erfassung der Umweltwirkungen (Sachbilanz) Erfassung der Stoff- und Energieflüsse im Zusammenhang mit den Aktivitäten eines Unternehmens bzw. Betriebes auf naturwissenschaftlich-technischer Ebene. Ziel ist eine systematische Wiedergabe aller relevanten -»Informationen. Bei der Erfassung werden bereits Hinweise zur ökologischen Optimierung geliefert (z. B. Ressourceneinsparung und Emissionsminderung). Je nach Bezugsebene kann in die vier Bilanztypen unterschieden werden: 1.

ökobilanzierung dient der Erfassung, Bewertung und Darstellung sämtlicher Umweltauswirkungen von Produkten, Prozessen, des Betriebes oder eines Standortes einer Unternehmung. Ziel ist dabei, ein ökologieorientiertes Informationsund Entscheidungsinstrument

Produktbilanz Die Produktbilanz erfaßt und bewertet sämtliche Umweltauswirkungen eines Produktes bzw. einer Dienstleistung über den gesamten -»Produktlebenszyklus hinweg. Sie erfaßt alle Umweltwirkungen, die mit der Extraktion 261

Öko-Controlling

ökoeflizienz

der Rohstoffe, dem Transport, der Produktion, der Konsumption und der —»Entsorgung einhergehen.

tät, Ozonabbau (->Ozon, -»Ozonloch), etc. d)

2.

Prozeßbilanz In der Prozeßbilanz werden die Transformationsvorgänge zwischen Input und Output untersucht. Genau abgegrenzte Produktionsprozesse werden hinsichtlich der in die Umwandlung eingehenden und diese wieder verlassenden Stoff- und Energiemengen analysiert.

3.

Betriebsbilanz In der Betriebsbilanz werden die eingesetzten Stoffe und Energien (Input) und die entstehenden Produkte und —»Emissionen (Output) betrachtet und gegenübergestellt. Gegenstand der Analyse sind nur durchlaufende Posten. Langlebige Wirtschaftsgüter wie Maschinen, Anlagen und Gebäude treten später in der Prozeßbilanz und Substanzbetrachtung auf. Der Betrieb wird an dieser Stelle als Blackbox betrachtet.

4.

c)

262

Standortbilanz In der Substanzbetrachtung/ Standortbilanz werden alle weiteren noch nicht erfaßten, dauerhaften Umwelteinflüsse wie Nutzung der Bodenfläche, Eingriffe in die Landschaftsstruktur, externe Dienstleistungen, allgemeine Verwaltungseinrichtung, etc. aufgelistet.

Wirkungsabschätzung und -analyse Die Ergebnisse der jeweiligen Sachbilanz werden hinsichtlich bestimmter Wirkungen auf die Umwelt wie z. B. Klimarelevanz, ökotoxizität oder Ressourcenbeanspruchung beurteilt. Diesen beruhen auf naturwissenschaftlichen Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen und beziehen sich auf bestimmte Wirkungskategorien und Indikatoren, wie z. B. Lärmbelästigung, Naturraumbeanspruchung, ökotoxizi-

Bilanzbewertung Bewertung der Umweltwirkungsabschätzungen zusammen mit den Ergebnissen der Sachbilanz auf der Basis eines an bestimmten gesellschaftlichen Werten und Prioritäten orientierten Problemverständnisses; mit dem Ziel, die einzelnen Umweltwirkungen zu gewichten, Schwachstellen und Entwicklungspotentiale im Hinblick auf ökologische Optimierungen zu identifizieren und umweltorientierte Entscheidungen im Kontext ökonomischer und sozialer Faktoren zu treffen.

Sachbilanz und Wirkungsanalyse werden weitgehend mit wissenschaftlichen Methoden und Instrumenten durchgeführt. Dagegen ist die Bilanzbewertung letztlich normativ. Aus diesem Grunde wird zunehmend gefordert, an die bestehende Systematik eine Schwachstellen- und Optimierungsanalyse anzufügen. Bei der Bilanzbewertung unterscheiden sich die Verfahren der internationalen Wissenschaftsvereinigung Society of Environmental Toxicology And Chemistry (SETAC) und des -»Umweltbundesamtes in einigen Details, u. a. in der Abgrenzung der einzelnen Bilanzierungsphasen.

Öko-Controlling -»Umweltcontrolling

Ökoeflizienz Für heute und morgen wirtschaften... Innerhalb der letzten acht Jahre - seit dem Erdgipfel von -»Rio 1992 - haben sich Forschungsaktivitäten weltweit verstärkt mit der Definition des Begriffs "sustainability" sowie mit der Formulierung von Zielen und Visionen für eine nachhaltige Entwicklung beschäftigt. Die zentrale Fragestellung dabei ist: Wie lassen sich die Ziele von Bedürfnisbefriedigung und Wohlstand für die jetzigen und künftigen Generationen erreichen, ohne unsere natürlichen Lebensgrundlagen - und damit künftige Generationen - zu gefährden?Insbesondere wirtschaftliche Aktivitäten

ökoeffizienz - dazu gehört auch der Konsumbereich werden oftmals einerseits als notwendiges Muß (z. B. Wirtschaftskraft, Arbeitsplätze, Steigerung des volkswirtschaftlichen Gewinns), andererseits als umweltbelastendes Desaster angesehen (z. B. —»Treibhause ffekt, —•Altlasten, -»Lärm). Das muß nicht sein: Vorsorgender -»Umweltschutz läßt sich durchaus mit einer gewinnorientierten und wettbewerbsfähigen Untemehmensstrategie verbinden. Daß Unternehmen beides in einer win-win-Strategie berücksichtigen können, wurde bereits vielfach bewiesen. In diesem Sinne können beide gewinnen: das Unternehmen und die -»Umwelt. Und trotzdem - die Breitenwirksamkeit dieses Ansatzes läßt auf sich warten. Die gesamtwirtschaftlichen Beteiligungsraten z. B. an der Öko-Audit-Verordnung und —»ISO 14.000 sind im Bezug auf die gesamtwirtschaftlich registrierte Anzahl an Unternehmen eher gering. Diese Systeme scheinen noch nicht dazu geeignet zu sein, aus dem Schatten einer zusätzlichen Arbeits- und Kostenbelastung herauszutreten, und ein erfolgreiches, im Unternehmen gelebtes, integriertes Managementsystem aufzubauen (Pfriem 1999; Röhn et. al. 1998), daß Einfluß nimmt auf die tagtäglichen untemehmensstrategieschen Entscheidungen. Exkurs: Politik und Umwelt Die Umweltpolitik konzentrierte sich bis Ende der achtziger Jahre vorzugsweise auf „en-of-the-pipe"-Lösungen. Ein -»Kreislaufwirtschaftssystem wurde bereits vorangetrieben, man kümmerte sich aber eher um die Wieder- und Weiterverwertung von Abfällen als um einen systemweit effizienten Einsatz von Ressourcen. Das Wachstum einer Volkswirtschaft hing für viele immer noch vom Verbrauch immer weiter wachsender Mengen an Ressourcen. Tatsächlich trägt diese Form der Umweltpolitik auch heute noch dazu bei, daß der Ressourcenumsatz der Industrieländer zu hoch ist, so z. B. durch die Herstellung und -»Entsorgung von Filtern oder anderer „Reinigungstechnologien". Sie verursacht damit wachsende additive Umweltschutzkosten, sowohl auf der technischen wie auf der administrativen Seite. Es hat sich aber gezeigt, daß sich durch einen Vorsorge- oder

ökoeffizienz auch inputorientierten Umweltschutz viele Umweltschutzinvestitionen vermeiden lassen. Hier können schon frühzeitig in der Prozeß- und Produktplanung Entscheidungen getroffen werden, die das Risiko mindern, nachsorgend investieren zu müssen. Seit Anfang der neunziger forciert daher die europäische wie nationale Umweltpolitik immer mehr den vorsorgenden Umweltschutz - sei es das „Cleaner Produktion" Programm der Vereinten Nationen (—>UNEP), die „Ökoeffizienz-Initiative" des World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) oder die einzelnen Umweltpläne verschiedener Wirtschaftsnationen (UNEP Internet, österreichische Bundesregierung 1996, BMU 1998, WBCSD 1999/2000). Dabei geht es immer mehr darum, win-win-Situationen herbeizufuhren, d. h. die Natur zu schonen, weniger Ressourcen zu verbrachen und Wettbewerbsfähigkeit zu stärken ( = ÖkoefFizienz-Strategien umzusetzen). Denn nur was meßbar, erfahrbar und verständlich ist, kann jedem relevanten Akteur im Unternehmen helfen, richtungssichere Entscheidungen zu treffen. Die Informationen darüber, welche Faktoren wichtig für eine Entscheidungsfindung und wie sie zu bewerten sind, vereinfachen eine mögliche Umsetzung und Transparenz von win-winSituationen entscheidend. Ökologische und ökonomische Leistung muß meßbar sein. Dann wird sie auch handhabbar. Was ist ökoeffizienz? Kurz gesagt bedeutet „ökoeffizienz": Mehr Werte schaffen und dabei weniger -»Ressourcen verbrauchen und die Umwelt belasten. Also: Mit weniger mehr erreichen! ökoeffizienzstrategien und -konzepte sorgen dafür, daß der wirtschaftliche Wert eines Produktes oder eines Unternehmens bei gleichzeitiger Minimierung des Ressourcenverbrauchs und negativer Umwelteinflüsse maximiert wird. Je weniger Ressourcen für die gleiche Leistung, den gleichen Kundennutzen eingesetzt werden, desto weniger muß bezahlt werden: • • •

für den -»Einkauf dieser Ressourcen; für die Prozeßführung; für die -»Entsorgung. 263

Ökoeffizienz

ökoeffizienz

Die Produktlinien und die zugehörigen Produktionsprozesse werden dabei lebenszyklusweit, d. h. von der Wiege bis zur Bahre, optimiert. Der von Stephan Schmidheiny 1990 gegründete Buisness Council for Sustanainable Development (heute bekannt als World Business Council for Sustainable Development-WBCSD) befaßt sich insbesondere mit der Frage, was nachhaltige Entwicklung für ein einzelnes Unternehmen bedeutet und wie diese auf der Mikro-Ebene (also der Ebene der Unternehmen) umgesetzt werden kann. Der WBCSD definiert Ökoeffizienz als die: „zunehmende Produktion von nützlichen Gütern und Dienstleistungen bei laufend abnehmendem Verbrauch von natürlichen Ressourcen, also Rohmaterialien und Energie" (vgl. Bosshardt 1999). Bei den meisten Ökoeffizienz-Konzepten (Schmidt-Bleek 1993, Fussler 1996, Liedtke 1997, Lehni 1998, BASF 1999, Factor 10, Innovation network 1999, Wirth 1999) werden die folgenden Ziele mit meßbaren Indikatoren versehen und ins Management miteinbezogen: • •

Erhöhung der Haltbarkeit von Produkten; Maximierung des Gebrauchs erneuerbarer Ressourcen;

• • • • •

Minimierung der Energieintensität von Produkten und Dienstleistungen; Minimierung der Materialintensität von Produkten und Dienstleistungen; Minimierung von toxischen Einwirkungen; Steigerung der Recyclingfähigkeit von Produkten; Steigerung des Gebrauchswertes von Produkten und Dienstleistungen, (vgl. —»OECD 1998).

Der Öko-Kompaß (Fussler 1996): Der Öko-Kompaß wurde erstmals von Claude Fussler, damals Vize-Präsident von Dow Europe, vorgestellt. Der Öko-Kompaß ist eine Alternative zur Produktbewertung über eine ökobilanz. Hier werden ein oder mehrere Alternativprodukte mit einem Referenzprodukt in sechs verschiedenen Kategorien verglichen: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Dienstleistungsorientierung; Energie-Intensität; Material-Intensität; ökotoxisches Risiko; Recyclingfähigkeit; Ressourcenschonung.

Dem Referenzprodukt wird dabei in jeder Kategorie eine 2 zugewiesen, die Alternativprodukte werden in den entsprechenden Kategorien zwischen 0 und 5 bewertet. D lenstlelstun gsorlen tleru n g

75%

Einsparung/ Verbesserung

50%

Einsparung/ Verbesserung

Ressourcenschonung Recyclingfälligkeit

leichte Einsparung/ Verbesserung _

Status Quo, keine Veränderung

Produktalternative

leichte Verschlechterung/ Mehrverbrauch 100% Verschlechterung/ M ehrverbrauch Energie-Intensität Gkotoxisehes

Risiko

Referenzprodukt Material-Intensität

Abb. 1: Öko-Kompaß (Fussler 1996)

264

Ökoeflizienz Das Alternativprodukt in der Abbildung erfüllt beispielsweise die gleiche Dienstleistung wie das Referenzprodukt, allerdings nur noch mit einem Viertel des ursprünglichen Materialeinsatzes (75% geringere Material-Intensität), der Hälfte des Energieeinsatzes und einem um 75% verminderten Abfallaufkommen (verbesserte Recyclingfähigkeit). Schmidt-Bleek, Factor 10 Institut und ehemaliger Vizepräsident des Wuppertaler Institutes, definierte bereits 1992 Indikatoren, die es ermöglichen, Ressourcenproduktivität von Wirtschaftsräumen, Produktlinien, Prozessen, Produkten, Dienstleistungen und Unternehmen zu messen. Dabei werden die ökonomischen und ökologischen Kennwerte innerhalb eines betrieblichen Informationssystems aufgearbeitet, bewertet und für Entscheidungen zur Verfügung gestellt (Orbach et al. 1998/IÖW 1999/Klagenfiirt Innovationen 1999/Wirth 1999). Kostenreduktionen können durch verschiedene Maßnahmen erreicht werden, sei es durch die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs, die Verbesserung der Ressourceneffizienz, die Reduzierung von -»Emissionen und Abfällen und/oder deren notwendige Behandlung oder auch durch die Konzeption innovativer Produkt- und Dienstleistungskonzepte, die neue Marktsegmente besetzen. Auch bezüglich der Umsetzung und Implementierung von Effizienz-Steigerungen in das unternehmerische Handeln gibt es unterschiedliche Ansatzpunkte. Neben der Optimierung bestehender Produkte, Produktionsprozesse und -anlagen sowie der Produktionsstandorte, gilt auch das -»Benchmarking als geeignete Möglichkeit der EffizienzSteigerung (vgl. BMG/Internet). Ökoeffizienzkonzepte begleiten Unternehmen im alltäglichen Handeln und liefern Informationen für eine komplexe, zukunftsorientierte Unternehmensstrategie. Warum ökoeffizienz - warum Ressourcenproduktivität? Da das Ausmaß der vom Menschen bewirkten, globalen Umweltbelastungen im wesentlichen von der Größenordnung des stofflichen Durchsatzes abhängt, setzt eine

Ökoefflzienz ökologisch tragfähige Entwicklung eine im Vergleich zur heutigen Situation deutliche Verminderung des absoluten Ressourcenverbrauchs (von Material, -»Energie und Fläche) voraus. Zur Planung und Erfolgskontrolle von entsprechenden Verbesserungsmaßnahmen können sowohl auf der nationalen wie auf der betrieblichen Ebene Instrumente der Stoffstromanalyse eingesetzt werden (vgl. Bringezu/Liedtke, 1997/IÖW 1999). Die Wirkungen, die einzelne Stoffe wie auch die riesigen Massenumsätze unserer Wirtschaften auf die —»Ökosysteme haben, sind meist nicht bestimmbar. Weder die Zerstörung der Ozonschicht (-»Ozon, -»Ozonloch) noch die Ursachen für Artensterben waren bisher zuverlässig vorhersagbar. Gleichzeitig ist es unmöglich, Zeitachsen möglicher Wirkungsmechanismen zu bestimmen. Wann spezifische Stoffe schädigende Wirkungen entfalten - und in welchen Konstellationen mit anderen emittierten Stoffen - zeitgleich oder zeitversetzt ist völlig unklar: Jetzt gleich, in einem Jahr, in fünf oder in 20 bis 100 Jahren - wann also können wir mit bestimmten Risiken rechnen?. Solange die (Aus-)Wirkungen nicht ausreichend bestimmbar sind, erscheint eine Vorsorge durch Vermeidung sinnvoll (Factor 10, Club 1997-2000). Verschiedene Organisation diskutieren daher die Möglichkeiten der Senkung des stofflichen Durchsatzes von Ressourcen. Die Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro im Jahre 1992 hat bewirkt, daß sich fast alle Regierungen dieser Welt verpflichteten, Schritte in Richtung Nachhaltigkeit zu unternehmen. Die Sondersitzung der Vollversammlung der Vereinten Nationen (UNGASS) in New York beschloß 1997 folgendes: "...Aufmerksamkeit sollte Studien zukommen, die vorschlagen, die Effizienz beim Verbrauch von Ressourcen zu steigern, einschließlich der Berücksichtigung einer zehnfachen Erhöhung der Ressourcenproduktivität in Industrieländern auf lange Sicht und der Möglichkeit einer vierfachen Verbesserung im Laufe der nächsten zwei oder drei Jahrzehnte. Weitere Forschungen sind 265

ökoefflzienz vonnöten, die Erreichbarkeit dieser Ziele zu überprüfen sowie die hierfür notwendigen praktischen Meßmethoden bereitzustellen. Die Industrieländer tragen hierfür eine besondere Verantwortung und müssen vorangehen." Die Umweltminister der -»OECDMitgliedstaaten erklärten in ihrer Pressemitteilung vom 3. April 1998 in Paris: "Die Minister stimmen darin überein...eine internationale Politik voranzutreiben, die eine Kohärenz zwischen Wirtschafts-, Umwelt- und Gesellschaftspolitik ermöglichen durch... innovative Vorschläge wie ökoeffizienz, die eine erhebliche Erhöhung der Ressourcenproduktivität anstreben, zum Beispiele Faktor 4 und später Faktor 10." Die Vorsitzende des informellen Treffens der Umweltminister der EU und der Kandidatenländer aus Zentral- und Osteuropa auf Zypern (Juli 1999), Mrs. Satu Hassi aus Finnland, resümierte die Veranstaltung: "Wo angebracht, sollten Ziele mit Zeitvorgaben gesetzt werden, um die ökoeffizienz in verschiedenen Sektoren zu verbessern und die Entwicklungen mittels passender Indikatoren zu verfolgen. Die Internalisierung von Umweltkosten, die Verwendung ökonomischer Instrumente und die Aufgabe nicht-nachhaltiger Subventionen werden ein mächtiges Werkzeug abgeben, um eine ökoefiizientere Produktion und Verbrauch zu erzielen, ökonomische Instrumente können die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und der Wirtschaftsbasis generell verbessern." In diesem Zusammenhang wurden Faktor 4und Faktor 10-Konzepte erwähnt. Die dort genannten Faktor 10- und Faktor 4Konzepte wurden in den letzten acht Jahren beschrieben und definiert (Schmidt-Bleek 1993, Weizsäcker 1995). Sie dienten und dienen dazu, die Aufmerksamkeit von den Outputfaktoren zu den Inputfaktoren zu lenken - also weg von Abfällen, hin zu den eingesetzten Ressourcen. Sie setzen ein gesamtwirtschaftliches Ziel - der gesamtwirtschaftliche Ressourcenverbrauch der Industrieländer soll z. B. bis 2050 um den Faktor

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Ökoeffizienz 10 gesenkt werden. Denn der pro KopfVerbrauch von Ressourcen in den industrialisierten Ländern ist so hoch, daß man mindestens vier Erden benötigen würde, um allen Menschen dieser Erde einen entsprechenden Wohlstand zu schaffen. Daraus wird geschlossen, daß nachhaltig im Sinne des Brundtland- Berichtes nur eine drastische ->Dematerialisierung der Wirtschaften der Industrieländer sein kann. Faktor 4, 10, 20 oder mehr an Ressourcenproduktvitätssteigerungen sind nach Schmidt-Bleek möglich, wenn das Innovationspotential genutzt wird, daß aus den öko- oder Ressourceneffizienzkonzepten erwächst. Ähnliche Steigerungen seien bereits bei der Arbeits- und Kapitalproduktivität erreicht worden (Lehner/Schmidt-Bleek, 1999). Wo spielt ökoeffizienz im Unternehmen eine Rolle? Von der Messung zum Management Mit Indikatoren oder Kennwerten mißt man die Leistung, die in einzelnen Unternehmensbereichen gefordert sind - seien es betriebwirtschaftliche, ökologische oder auch sozialorientierte Meßgrößen, die definiert werden müssen (Forum Umwelt und Entwicklung 1997/ Eurostat 1997/ GRI 1999/ Kuhndt/van der Lugt 2000/ Verfaillie/Bidwell 2000). Ökoeffizienz-Konzepte bedienen sich dieser Meßgrößen, definieren solche für das ökologische und ökonomische Controlling bzw. -»Management. Sie sind damit kompatibel mit bereits angewendeten Managmentsystemen im Unternehmen. Ohne Meßbarkeit von Fortschritten in Richtung Erhöhung der Ressourcenproduktivität bleiben Diskussionen über Nachhaltigkeit oder Ökoeffizienz ziemlich akademisch und dem Unternehmensalltag fern. MIPS - Ressourcenproduktivitäts-Kennwert Als ein Meßinstrument kann beispielsweise die Analyse der Materialintensität pro Serviceeinheit (MIPS) herangezogen werden. Hintergrund dessen ist, daß die menschliche Wirtschaft für sämtliche Produktionsprozesse Material und Land (Erdoberfläche) als natürliche Ressourceninputs von der Ökosphäre benötigt. Die Bewegung von Material aus seiner „natürlich angestammten" Umgebung sowie die Reduzierung oder

Ökoeffizienz

ökoefflzienz Ausschaltung der ökologischen Funktionen von Land (Erdoberfläche) durch technische Maßnahmen verursacht in jedem Falle Veränderungen des natürlichen Systems. 1992 schlug Schmidt-Bleek vor, den Materialinput pro Einheit Nutzen (pro Einheit Service) - MIPS -, als Basismaß für das ökologische Veränderungspotential von Produkten und Dienstleistungen einzuführen. Das MI ist die Gesamtsumme aller Inputs von natürlichem Material, einschließlich der Primärmaterialien für den Energieverbrauch und die notwendigen Transporte etc., S, der gewünschte Nutzen oder die erwartete Dienstleistung. Dabei gilt: „Je größer MIPS, desto höher ist der „ökologische Preis pro Einheit Service"... MIPS ist auch bekannt unter dem Ausdruck „ökologische Rucksäcke" und macht die systemweiten Ressourcenverbräuche von Produkten, Produktlinien, Prozessen, Dienstleistungen und Wirtschaftsräumen meß- und vergleichbar (Schmidt-Bleek, 1993). Was man nicht messen kann, kann man auch nicht gestalten, managen und vergleichen. Ohne ein Maß für die Ressourcenproduktivität ist Ökoeffizienz oder Dematerialisierung nicht verläßlich durchführbar, und eine nachhaltig zukunftsfähige Wirtschaft kaum erreichbar. Entscheidungsträger aller Ebenen (Unternehmen, Politik, Konsument) benötigen zuverlässige, richtungssichere, verständliche und harmonisierungsfähige, d. h. produkt- und branchenvergleichbare Informationen über die Ressourcenproduktivität und damit die ökologische Qualität von Gütern, Dienstleistungen und Technologien auf dem Markt. Dies ist eine unbedingte Voraussetzung für neue, marktfähige nachhaltigkeits- und qualitätsbezogene —»Innovationen. Grundsätzlich sollen mit Hilfe von Indikatoren komplexe Zustände und Zusammenhänge schneller und trotzdem richtungssicher bewertet werden. Dabei können sie sowohl Zustände als auch Entwicklungen beschreiben und dienen damit einerseits zur Problembeschreibung wie auch andererseits zur Überprüfung der Wirksamkeit von einge-

setzten Maßnahmen. Indikatoren ermöglichen so eine Strukturierung des ökoeffizienten Wirtschaftens und bieten einen Rahmen, der von der Planung über die Durchführung bis hin zur Überprüfung der Maßnahmen reicht (z. B. Umsetzung eines -»Umweltmanagementsystems). So kann man ein oder mehrere Ziele innerhalb des gesamten Wirtschaftsprozesses betrachten und darüber sowohl öffentlich wie auch intern regelmäßig berichten. Ressourcenmanagement: Mit den Werten bzw. der Bewertung entscheidender Kennwerte für die ökoeffizienz wie z. B. MIPS, KEA oder auch das Indikatorenset der Europäischen Umweltagentur (EEA) können die Unternehmen für sie angepaßte Managmentsysteme entwickeln. Dabei haben Öko- oder RessourceneffizienzKonzepte den Vorteil, mitgestaltend in den Bereichen ->Stoffstrommanagement, Produkt oder Nutzungsmanagement und ökoeffizienter Produktgestaltung wirken zu können. Technologische wie Produktinnovationen sind mit diesen Konzepten charakterisierbar, in ihren Potentialen berechenbar und letztendlich kontrolliert umsetzbar. Die genannten drei Aspekte betreffen (Liedtke, 1997): 1.

Stoffstrommangement Die Unternehmen erhalten Informationen darüber, welche Prozesse und Technologien besonders ressourcenund kosteneffizient sind. Diese Informationen erhalten sie für die gesamte Produktlinie - also von der Wiege bis zur Bahre oder Wiege. Im Einkauf kann z. B. entschieden werden, welches Vorprodukt das ökoeffizienteste ist. Sollte es z. B. preislich vergleichbar sein, so können die Ressourceneffizienz-Kennwerte die Kaufeintscheidung bringen. Es geht also nicht nur um die Aktivitäten in den eigenen Werkshallen, sondern auch um die Wirkungen des Unternehmens vor und nach den Werkstoren.

2.

Nutzungsmanagement Hier geht es darum, Innovationen für die Zukunft zu finden. Welche Produkte können wie vermarktet werden? 267

ökoefflzienz Welche sind dem Markt nicht mehr angepaßt? Welche Dienstleistungskonzeptionen können die ökoeffizienzstrategie des Unternehmens unterstützen und bringen den entscheidenden Wettbewerbsvorteil? Welche Verbünde und Kooperationen dienen diesem Zweck? Klar ist: Ein verminderter Ressourceneinsatz, langlebigere Produkte und Dienstleistungsangebote bedeuten bei heutiger Wirtschaftsweise häufig, daß verminderte Absatzchancen in der Zukunft bestehen. Deswegen halten viele Unternehmen noch immer an dem Verkauf der „Black-boxes" fest, ökoeffizienzstrategien sind auch ökonomisch sinnvoll, gerade vor dem Hintergrund der internationalen Konkurrenz: der Kunde wird an das Qualitätsprodukt des Unternehmens gebunden. Rücknahmemodelle, Instandhaltungs- und Wartungsaufgaben können nur regional begrenzt funktionieren. Eine bedürfnisorientierte Kundenbetreuung bindet deren Geld und Markentreue. Ökoeffizienz-Nischen können damit häufig das Überleben sichern. Ökoeffiziente Dienstleistungsangebote geben die Möglichkeit, neue, gewinnbringende und kundenorientiertere Marktsegmente zu besetzen (Frick et al. 1999). 3.

268

Ökoeffizientes Produktdesign (Tischner/Schmidt-Bleek 1996) Die Produktgestaltung berücksichtigt neben rein technischen und ästhetischen Faktoren auch unterschiedliche Potentiale der Konstruktion, des Materialeinsatzes, der Langlebigkeit, Reparierbarkeit, Wieder- und Weiterverwendbarkeit oder -verwertbarkeit, Zerlegbarkeit, etc. Damit ist das ->Produktdesign ein ganz entscheidender Faktor für ein ökoeffizientes Wirtschaften. Ein Produkt, das für die Deponierung geplant wird, ist ressourcenund kostenineffizient und nimmt der Wirtschaft und den Menschen ein Stück Wettbewerbsund Wohlstandspotential. Produkte oder Dienstleistungen, die von vornherein unter der Berücksichtigung von ökoeffizi-

ökoeffizienz enz-Kennwerten geplant und produziert werden, sparen Geld und sichern auch weiterhin hochwertige Ressourcen. Dabei können die Unternehmen mittels geeigneter Instrumente schnell prüfen, wo die Schwachstellen und Stärken ihrer Produkte liegen und diese in einem Verfahren des Re-Designs verbessern (Re-Design: ökoeffziente Optimierung bereits in der Produktion befindlicher Produkte unter Berücksichtigung der Finanz- und Investitionslage des Unternehmens). Ein Neu-Design von Produkten und Dienstleistungen zeigt den Unternehmen das Innovationspotential ihres Segments auf und hilft somit auch langfristige Unternehmensstrategien und -investitionen festzulegen. Wo geht es hin? Ein Ausblick: Wie bereits weiter oben ausgeführt, umfaßt der Begriff "Ökoeffizienz" die beiden Bereiche —>"ökologie" und "Ökonomie". Die Herausforderung einer nachhaltigen Entwicklung erfordert jedoch neben technologischen Veränderungen und Innovationen auch soziale Innovationen (—»EnqueteKommission 1994, -»BUND/Misereor 1996/ BMU 1998/ Teichert 1996). Die sozialen Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung spielen mittlerweile eine immer stärkere Rolle. Heute ist man sich bewußt, daß ohne die Beteiligung und Mitwirkung der Bürger (sei es nun als Verbraucher, Konsument oder als Mitarbeiter eines Unternehmens) eine nachhaltige Entwicklung nicht mit Leben gefüllt werden kann. Für die Umsetzung von Ökoeffizienz-Strategien bedeutet dies, Unternehmens- und Produktionsprozesse transparent und nachvollziehbar zu gestalten, um diese nicht als leere Worthülsen zurückzulassen, sondern in die Tat umzusetzen. Zukunftsfähigkeit kann man aber einem Unternehmen oder einer Branche nicht als Programm verordnen. Sie ist ein Lern- und Suchprozeß, der allerdings verläßliche Instrumente braucht, die zumindest die Richtung einer zukunftsfähigen Entwicklung anzeigen können. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wurden bereits unterschiedliche Konzepte entwickelt (Ewen et al. 1998/ CEFIC 1998/ Kuhndt/Liedtke 1999/ AG PVC 1999/Nattrass/Altomare 1999/ ICC

Öko-Label Nr. 210 /356 PJ Weaver et. al 2000). Ziel ist es, einzelne Prozesse, Prozeßketten, Produkte oder auch Dienstleistungen unter Berücksichtigung ökonomischer, sozialer und ökologischer Aspekte für eine nachhaltige Bedürfnisbefriedigung zu hinterfragen, zu analysieren und ggf. zu optimieren. So wird „Zukunftsfähigkeit oder Nachhaltigkeit" umgesetzt und gelebt. Nachhaltigkeit erfordert eine gegenseitige Unterstützung ökologischer und wirtschaftlicher Entwicklungen an der Eingangsseite des Wirtschaftzyklus, wo Ziele und Politiken festgelegt werden und eben nicht erst am Ende, wenn die Gesellschaft bereits die Schadenskosten einer nicht-nachhaltigen Entwicklung begleichen muß. Die Dematerialisierung schafft Synergien für den Wertewandel der Gesellschaft, ganz besonders in den westlichen Ländern. Tatsächlich kann ökoeffizienz in sich schon einen wichtigen Impuls und eine wertvolle Basis bieten für den -»Strukturwandel in Richtung einer mehr innovativen und dienstleistungsorientierten Wirtschaftsweise. Darüber hinaus kann sie auch einem nachhaltigeren Konsum dienen, da auch für den Kauf ökoeffizienter Produkte und Dienstleistungen entsprechende Informationen überschaubar und verständlich dargestellt werden können. Auf diese Weise wird Ökoeffizienz zu einer Schlüsselkomponente in einer zukunftsfähigen oder nachhaltigen Entwicklung. Um den Planeten Erde zu einem zukunftssicheren Platz für künftige Generationen zu machen, müssen die wesentlichen Fehlentwicklungen in den wirtschaftlichen wie auch gesellschaftlichen Systemen angepackt werden - und dies gleichzeitig mit denen der ökologischen Krise (Steilmann, 2000). Weiterführende Literatur: Ayres, RJ v. Leynseele, T.: Eco-Efficiency, Double Dividends and the Sustainable Firm, Fortainebleau 1997; Bosshardt, F. W:. ökoeffizienz. Das Leitmotiv des World Business Council for Sustainable Development, in: v. Weizsäcker, E. U./ SeilerHausmann J.- D. (Hrsg.): „ökoeffizienz. Management der Zukunft", Berlin / Basel /Boston 1999; Eurostat. Statistical Office of the European Communities. Indicators of

Öko-Leasing Sustainable Development. A pilot study following the methodology of the United Nations Commission on Sustainable Development. European Communities, Luxembourg 1997; Ewen, CJ Ebinger, FJ Gensch, C.- 0./ Grießhammer. R.I Wollny, V.\ Hoechst Nachhaltig. Sustainable Development. Vom Leitbild zum Werkzeug, Darmstadt/Freiburg 1998; Institut fiir ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW): Zeitschrift Ökologisches Wirtschaften. Ökoeffizienz, Heft 3, o. O. 1999; Lehner, F. SchmidtBleek, F.: Die Wachstumsmaschine. Der ökonomische Charme der Ökologie, München 1999; Schmidt-Bleek, F.: Wieviel Umwelt braucht der Mensch? MIPS. Das Maß für ökologisches Wirtschaften, Berlin/Basel/Boston 1993; v. Weizsäcker, E. UJ Lovins, AJ Hunter-Lovins, L.: Faktor Vier. Doppelter Wohlstand. Halbierter Naturverbrauch. Der neue Bericht an den Club of Rome, München 1995; v. Weizsäcker, E. UJ Seiler- Hausmann, J.-D. (Hrsg.): Ökoeffizienz. Management der Zukunft, Berlin/Basel/Boston 1999. Dr. C. Liedtke A. Schilde

Öko-Label kennzeichnet umweltfreundliche Produkte unterschiedlichster Branchen und Bereiche und bietet somit dem umweltbewußten Kunden eine wichtige Kaufhilfe. Eines der bekanntesten Öko-Label ist der seit 1977 existierende „Blaue Umweltengel".

Öko-Leasing 1. Ausgangsproblem Der Erkenntnisfortschritt in den Naturwissenschaften und die darauf aufbauende technologische Entwicklung haben seit dem ausgehenden neunzehnten Jahrhundert vor allem in den Industrienationen Europas, Amerikas und Südostasiens zu einer erheblichen Steigerung des Lebensstandards geführt: Eine ausreichende und flächendeckende Versorgung mit Gütern zur Befriedigung der Grundbedürfnisse nimmt in diesen Ländern lediglich noch den Charakter einer notwendigen Nebenbedingung ein; die unbegrenzte Verfügbarkeit von -»Energie 269

Öko-Leasing und Rohstoffen, nahezu uneingeschränkte -»Mobilität, Telekommunikation sowie viele Luxusgüter, zum Beispiel aus dem Bereich der Unterhaltungselektronik, werden in breiten Kreisen der Bevölkerung schon fast als Selbstverständlichkeiten hingenommen und gelten als kulturelle Standards. Allzuoft wird hierbei jedoch übersehen, daß sowohl die Grundbedarfsdeckung, als auch die Befriedigung des Luxusbedarfs in einer Art und Weise erfolgen, die die ökologischen und ökonomischen Grundlagen des Wirtschaftens gefährdet. -»Externe Effekte wie etwa die allmähliche Erwärmung der Erdatmosphäre und die daraus resultierenden -»Klimaveränderungen, die fortschreitende Verringerung der Ozonschicht (—>Ozon, -»Ozonloch), die zunehmenden Waldschäden oder die Erschöpfung natürlicher Senken für Abfallprodukte - um nur einige Aspekte zu nennen - bilden die Kehrseite der Produktions- und Konsumgewohnheiten der Industriegesellschaften und deuten darauf hin, daß sich - zumindest einstweilen - eine Belastbarkeitsgrenze der ökologischen -»Umwelt abzuzeichnen scheint. Um der sukzessiven „Erosion" unserer natürlichen Lebensgrundlagen entgegenzuwirken, ist es erforderlich, technische, wirtschaftliche und soziale Prozesse der Gesellschaft nachhaltig an die -»Tragfähigkeit (Belastbarkeit) der Natur anzupassen, eine Forderung, die längst nicht mehr allein aus ethisch-moralischen Erwägungen heraus zu erheben ist, sondern die mittlerweile zu einem existentiellen Imperativ für den Bestand unserer sozialen Systeme avanciert ist. Dabei ist aus ökonomischer Sicht entscheidend, daß dies unter weitestmöglicher Wahrung des Ordnungsrahmens der etablierten Wirtschaftssysteme erfolgt, das heißt vor allem unter Erhaltung des Prinzips der marktlichen Koordination dezentraler wirtschaftlicher Entscheidungen, und nicht auf einen Rückfall in überkommene Modelle zentraler Lenkung und übermäßiger Regulierung hinausläuft. Einer der unter dieser Vorbedingung erfolgversprechenden Ansätze zur Eindämmung der immer weiter um sich greifenden Umweltschädigung wird dabei die Ursache des Problems in dem hohen Materialumschlag des industriellen Metabo270

Öko-Leasing lismus annehmend - in einer umfassenden -»Dematerialisierung des Wirtschaftens, das heißt einer nachhaltigen Reduktion der gesamtwirtschaftlichen Stoff- und Materialströme gesehen, wobei vielfach ein Faktor zehn für notwendig, jedoch auch technisch möglich gehalten wird. In diesem Zusammenhang spielen neben technischen Effizienzsteigerungen vor allem Konzepte veränderter Konsum- und Nutzungsmuster eine zentrale Rolle, denen auch das Öko-Leasing, eine im Sinne ökologischer Zielsetzungen gestaltete Variante der Vermietung, zuzurechnen ist. Spielten Öko-Leasing-Systeme in der umweltökonomischen und umweltpolitischen Diskussion bislang eine eher untergeordnete Rolle, hat die Idee des ÖkoLeasing jüngst wiederum ganz erheblich dadurch an Aktualität gewonnen, daß sie in dem 1998 veröffentlichten Abschlußbericht der -»Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt" des 13. Deutschen Bundestages als mögliches Element einer nachhaltigen -»Umweltpolitik genannt wird. 2. Charakteristika der Finanzdienstleistung Leasing Der Begriff des Leasing wird weder in der Wirtschaftspraxis noch in der Literatur einheitlich verwendet, und der Versuch einer präzisen Definition wird durch die Vielzahl der damit bezeichneten Sachverhalte und die Vielzahl der vorzufindenden Akzentuierungen erheblich erschwert. Nähert man sich dem Leasing-Begriff aus rechtlicher Sicht, so kann Leasing als temporäre, gegen Entgelt gewährte Gebrauchsüberlassung von Wirtschaflsgütern, genauer von langlebigen Investitions- und Konsumgütern, bezeichnet werden, der wesentliche mietrechtliche Elemente innewohnen. Jedoch ist Leasing lediglich in der Variante des Operate-Leasing der Miete gleichzusetzen. Im Falle des Finanzierungs-Leasing ergeben sich dagegen Unterschiede zwischen beiden Vertragsformen aus einer von mietrechtlichen Regelungen abweichenden Verteilung von Rechten, Pflichten und Risiken zwischen einer Leasing-Gesellschaft als „Vermieterin" (Leasing-Geber) und ihrem Kunden als „Mieter" (Leasing-Nehmer). Diese führt dazu, daß der Leasing-Nehmer zwar hinsichtlich seiner

Öko-Leasing Risikoposition dem Eigentümer eines Wirtschaftsgutes gleichgestellt ist, ihm jedoch andererseits nicht dessen Verfügungsrechte zustehen, da das rechtliche Eigentum der Leasing-Gesellschaft zugeordnet ist. Die Differenzierung zwischen OperateLeasing und Finanzierungs-Leasing knüpft in erster Linie an den finanzwirtschaftlichen Aspekt der Verteilung des Investitionsrisikos zwischen Leasing-Geber und LeasingNehmer an. Im Rahmen des Operate-Leasing erwirbt der Leasing-Nehmer das Nutzungsrecht an einem Wirtschaftsgut für einen begrenzten, jedoch nicht an das (voraussichtliche) Nutzungspotential des Objekts gebundenen, oder auch für einen zunächst noch unbestimmten Zeitraum. Das Vertragsverhältnis kann von beiden Vertragspartnern unter Einhaltung einer bei Vertragsabschluß vereinbarten, zumeist vergleichsweise kurzen Kündigungsfrist jederzeit aufgelöst werden, ohne daß hierdurch besondere Verpflichtungen für den Leasing-Nehmer, etwa in Form einer Konventionalstrafe oder einer Abschlußzahlung, entstünden. Da OperateLeasing-Verträge in der Praxis selten längere Laufzeiten als ein Jahr aufweisen, läßt sich diese Vertragsgestaltung als kurzfristige Variante der Vermietung oder Verpachtung kennzeichnen. Aufgrund der im Vergleich zur technischen Nutzungsdauer zumeist kurzfristigen Vertragslaufzeit ist der Leasing-Geber darauf angewiesen, das jeweilige Objekt nacheinander mehreren Nutzern zu überlassen, um eine vollständige Amortisation der entstandenen Aufwendungen, insbesondere der Anschaffungskosten, zu erreichen und trägt insofern das gesamte mit der Investition verbundene Risiko. Im Gegensatz dazu läßt sich als zentrales Charakteristikum des herausstellen, daß der Leasing-Nehmer ungeachtet während der Vertragslaufzeit Finanzierungs-Leasing eintretender außerplanmäßiger Ereignisse so etwa zufälliger Untergang des Objekts, Verlust, Diebstahl, Beschädigung oder vorzeitiger Verschleiß - stets die volle Amortisation sämtlicher dem Leasing-Geber entstehender Aufwendungen sowie einer Gewinnmarge sicherzustellen hat und damit das gesamte Investitionsrisiko trägt. Ein zweites wesentliches Merkmal des Finanzie-

Öko-Leasing rungs-Leasing besteht darin, daß sich die Vertragslaufzeit des Leasing-Verhältnisses über eine beiderseitig unkündbare Grundmietzeit erstreckt, die aufgrund Steuer- und bilanzrechtlicher Regelungen sowie der darauf aufbauenden Praxis der Vertragsgestaltung zwischen vierzig und neunzig Prozent der gemäß der amtlichen Abschreibungstabellen zu ermittelnden betriebsgewöhnlichen Objektnutzungsdauer liegt. Im Gegensatz zum Operate-Leasing, das in erster Linie als Investitionsalternative zu qualifizieren ist, stellt sich das Finanzierungs-Leasing in wirtschaftlicher Betrachtungsweise meist als Finanzierungsalternative dar, vor allem, wenn nach Vertragsbeendigung ein Eigentumsübergang auf den Leasing-Nehmer stattfindet. Die sich damit auf den ersten Blick andeutende Parallele zum Bankkredit als substitutive Form der Fremdfinanzierung ist jedoch nicht sachgerecht, da insbesondere die differierende steuerliche Behandlung, abweichende Verfügungsrechte sowie die im Rahmen des Leasing ergänzend angebotenen Dienstleistungen eine Vielzahl subtiler, quantitativer und qualitativer Unterschiede zwischen beiden Alternativen begründen. Hinsichtlich der Dienstleistungskomponente ist dabei vor allem die in den Leistungsumfang des Leasing integrierte Verwertungsleistung hervorzuheben, der gerade im Zusammenhang des Öko-Leasing eine zentrale Rolle zukommt: Nach Ablauf der Vertragslaufzeit übernimmt die Leasing-Gesellschaft als Eigentümerin des Objekts dessen Verwertung, die sich entweder in Form der Veräußerung am Markt - dies schließt eine Veräußerung an den Leasing-Nehmer ein - oder der Verschrottung vollzieht. Gerade die Verwertungsfunktion, die der Leasing-Geber übernimmt, bildet, wie noch auszuführen sein wird, den zentralen Ansatzpunkt der Konzeption des Öko-Leasing, durch die eine umweltgerechte Objektentsorgung sicherzustellen versucht wird. Die gängigen Vertragsgestaltungen des Finanzierungs-Leasing lassen sich nach dem Grad der Amortisation des Leasing-Objekts während der Grundmietzeit zunächst in Vollund Teilamortisationsverträge klassifizieren. Werden durch die während der Grundmietzeit geleisteten Leasing-Raten sämtliche 271

Öko-Leasing dem Leasing-Geber entstehende Kosten dies sind insbesondere die Anschaffungsoder Herstellungskosten des Objekts, alle sonstigen Nebenkosten sowie die Finanzierungskosten der Leasing-Gesellschaft einschließlich einer Gewinnspanne gedeckt, handelt es sich um einen sogenannten Vollamortisationsvertrag. Diese Vertragsvariante kann mit und ohne Optionsrecht des LeasingNehmers ausgestattet sein. Wird bei Vertragsabschluß keine Optionsvereinbarung zugunsten des Leasing-Nehmers getroffen, muß dieser das Objekt nach Ablauf der Grundmietzeit an den Leasing-Geber zurückgeben. Dagegen räumt die Vereinbarung einer Kaufoption dem Leasing-Nehmer das Recht ein, das Leasing-Objekt am Ende der Grundmietzeit zu einem bei Vertragsabschluß festgelegten Preis zu erwerben. Alternativ oder auch zusätzlich hierzu eröffnet eine Mietverlängerungsoption dem Leasing-Nehmer die Möglichkeit, das Leasing-Objekt nach Ende der Vertragslaufzeit weiterhin entgeltlich zu nutzen. Werden während der Grundmietzeit eines Leasing-Verhältnisses hingegen die Aufwendungen des Leasing-Gebers samt seiner Gewinnmarge nur teilweise durch die periodischen Zahlungen des Leasing-Nehmers gedeckt, bleibt also zum Ende der Grundmietzeit ein noch nicht amortisierter Betrag in Höhe eines bei Vertragsabschluß kalkulierten Restwertes offen, spricht man von einem Teilamortisationsvertrag. Allen Varianten des Teilamortisationsvertrages ist gemeinsam, daß sie dem Leasing-Geber den bis zum Ende der Grundmietzeit noch nicht amortisierten Teil seiner Aufwendungen gewährleisten (Vollamortisationspflicht des Leasing-Nehmers). Bei einem Teilamortisationsvertrag mit Andienungsrecht geschieht dies dadurch, daß dem Leasing-Geber das Recht eingeräumt wird, den Leasing-Nehmer zum Kauf des Objektes zu einem bei Vertragsabschluß festgelegten Preis zu verpflichten, wenn kein Mietverlängerungsvertrag zustande kommt. Ein Teilamortisationsvertrag mit Mehrerlösbeteiligung sieht dagegen vor, daß das Leasing-Objekt nach Ablauf der Grundmietzeit durch den Leasing-Geber oder nach dessen Weisung durch den Leasing-Nehmer veräußert wird. Übersteigt der dabei erzielte Veräußerungserlös 272

Öko-Leasing den bis dahin noch nicht amortisierten Restwert, wird der Mehrerlös nach einer vertraglich festgelegten Quotierung auf beide Vertragsparteien verteilt. Kann der zur Vollamortisation erforderliche Restwert dagegen nicht erzielt werden, so besteht in Höhe der Differenz eine Zahlungsverpflichtung des Leasing-Nehmers gegenüber dem LeasingGeber. Entsprechend der Stellung des LeasingGebers beim Zustandekommen des LeasingVerhältnisses ist schließlich direktes Leasing von indirektem Leasing zu unterscheiden. Direktes Leasing ist dadurch gekennzeichnet, daß zwischen dem Hersteller oder Händler eines Wirtschaftsgutes und dem LeasingNehmer eine unmittelbare vertragliche Beziehung besteht, der Leasing-Vertrag mit anderen Worten also direkt zwischen dem Hersteller oder dem Händler des betreffenden Leasing-Objektes, der zugleich als Leasing-Geber auftritt, und dem LeasingNehmer zustandekommt. Das Spektrum der Objekte, die als Vertragsgegenstand in Frage kommen, ist hierbei auf das Produktangebot des jeweiligen Herstellers oder Händlers beschränkt. Im Gegensatz dazu zeichnet sich indirektes Leasing dadurch aus, daß zwischen Hersteller bzw. Händler und LeasingNehmer eine dritte Vertragspartei in Form einer selbständigen (institutionellen) Leasing-Gesellschaft steht. Diese kann sich entweder in Besitz eines Herstellers oder Händlers befinden - auch in diesem Fall werden lediglich Verträge über das gesellschafterspezifische Produktprogramm angeboten - oder in Besitz hersteller- und händlerunabhängiger Gesellschafter, so insbesondere von Banken. In letzterem Fall ist das Objektspektrum der Leasing-Gesellschaft prinzipiell unbegrenzt. 3.

Grundgedanken und Voraussetzungen eines Öko-Leasing Der Begriff des Öko-Leasing kennzeichnet unter ökologischen Gesichtspunkten, insbesondere vor dem Hintergrund der Zielsetzung einer nachhaltigen Reduktion der gesamtwirtschaftlichen Stoff- und Materialströme, konzipierte Vertragsmodelle (Gestaltungsvarianten) der Finanzdienstleistung Leasing. Der Grundgedanke des ÖkoLeasing beruht auf dem auf F. Vester zu-

Öko-Leasing rückgehenden biokybernetischen Prinzip der Funktionsorientierung, demzufolge die Funktion in der Natur eine höhere Bedeutung hat als der Funktionsträger. Überträgt man diese These in einen ökonomischen Kontext, findet sie ihre Entsprechung in der Feststellung, daß die Funktion eines Wirtschaftsgutes als Mittel zur Bedürfnisbefriedigung sowie die damit ermöglichte Nutzengenerierung für einen Investor bzw. Konsumenten im Grunde von höherer Bedeutung als das Produkt selbst ist. Im Gegensatz zu diesem in der Ökonomie seit langem anerkannten Sachverhalt zeichnet sich die Struktur vieler Marktprozesse in den industrialisierten Volkswirtschaften allerdings durch eine deutliche Produktorientierung aus, die vor allem in dem Umstand zum Ausdruck kommt, daß die Übertragung von -»Eigentumsrechten an einem Wirtschaftsgut ein zentrales Merkmal marktlicher Transaktionen darstellt. Genau hier setzt das Konzept des Öko-Leasing an, das auf der Hypothese basiert, eine nachhaltige Reduktion der gesamtwirtschaftlichen Stoffströme ließe sich durch die Konzeption funktionsorientierter Wirtschaftsprozesse erreichen, da hierdurch eine gleichwertige Funktionserfüllung für einen Investor bzw. Konsumenten bei jedoch deutlich verringerter Materialintensität gewährleistet werde. Demgemäß besteht das zentrale Prinzip eines Öko-Leasing als Grundmodell veränderter marktlicher Kooperationsmuster darin, zwischen dem Hersteller eines Wirtschaftsgutes, dem zum Absatz des Produktes an den Kunden gegebenenfalls eingeschalteten Absatzmittler (Händler), einer Leasing Gesellschaft und dem Verwender eines Wirtschaftsgutes (Leasing-Nehmer) einen in sich geschlossenen Produktkreislauf herzustellen, der die Rückkehr des Produktes am Ende seiner Lebensdauer zum Hersteller sicherstellt, bei dem eine umweltgerechte -»Entsorgung erfolgt. Dies geschieht - und hier kommt das Leasing-Element zum Tragen - indem der Nachfrager im Rahmen einer Markttransaktion nicht das Eigentum eines Wirtschaftsgutes, sondern lediglich die Funktion des Objektes gegen Zahlung einer anhand des erwarteten wirtschaftlichen Nutzungspotentials bemessenen Nutzungsgebühr erwirbt, das heißt mit anderen Wor-

Öko-Leasing ten, das nachgefragte Objekt für die Dauer seines Bedarfs mietet. Die Finanzierungsfunktion des Leasing tritt mithin vollständig hinter die Funktion der Nutzungsgewährung zurück. Die Funktionsorientierung des Prozesses fuhrt dabei zu der intendierten Trennung von Eigentum und Nutzungspotential eines Wirtschaftsgutes, die wiederum als Vehikel dient, die Rückführung eines Produktes über die Leasing-Gesellschaft als Eigentümerin zum Produzenten sicherzustellen und damit zugleich die ökologische Verantwortung für die Entsorgung des Produktes auf den Hersteller zu verlagern, von dem angenommen wird, daß dieser aufgrund seiner Produktkompetenz eine umweltverträglichere Entsorgung als der Verwender sicherstellen kann. Insofern soll durch das Konzept des ÖkoLeasing zunächst eine umfassende und ökologisch möglichst wenig belastende Form der -»Abfallverwertung und -beseitigung sichergestellt werden. Zugleich versprechen sich die Vertreter dieses Ansatzes aber auch, daß die umfassende Einbindung der Produzenten in die Produktentsorgung als Anpassungsreaktion hierauf zu einer verstärkten Berücksichtigung ökologischer Aspekte in der Produktentwicklung und letztlich insgesamt zu entsorgungsfreundlicheren Konstruktionen führt. Darüber hinaus erscheint Öko-Leasing aber auch geeignet, das beschriebene Stoff- und Abfallproblem dadurch zu entschärfen, daß eine Intensivierung bzw. Verlängerung der Nutzung eines Wirtschaftsgutes erreicht wird. So ist beispielsweise vorstellbar - man denke hierbei etwa an Produkte, die schnellen Innovationszyklen unterliegen - daß ein Objekt für einen Nutzer bereits seinen Gebrauchswert verloren hat, während es sich für einen anderen durchaus noch als zweckdienlich erweisen könnte. Stellt sich aufgrund der gebräuchlichen Bewertungsverfahren in derartigen Fällen für den Investor oder Konsumenten als Eigentümer praktisch meist nur noch die Alternative der Verschrottung als ökonomisch sinnvoll und zweckmäßig dar, eröffnet der geschlossene Kreislauf eines Öko-Leasing dagegen die Möglichkeit, das noch offenstehende Nutzungspotential anderen Verwendern zur Verfügung zu stellen; der Hersteller oder die zwischengeschaltete Leasing273

Öko-Leasing

Öko-Leasing

Gesellschaft fungiert hierbei als eine Art „Nutzungsintermediär". Auf diese Weise läßt sich eine Optimierung der Nutzungsmög-

lichkeiten umlaufender Produkte und damit eine Reduktion des Materialumschlags erzielen.

Umwelt

Produktions - und Distributionssystem Entsorgung ]QD

Rohstoffe

DOI

I Recycling :£>

Hersteller



->

Händler

Produktion und Vertrieb

Leasing-Gesellschaft

4

Nutzungsüberlassung

]0Ü

Investor / Verbraucher

11 j Objektrücklauf

Investitions - bzw. Konsumsphäre

Die tatsächliche Realisierung der mit einem Öko-Leasing verfolgten Zielsetzungen ist jedoch an die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen, die im wesentlichen Aspekte der zugrundeliegenden Leasing-Objekte, der Vertragsgestaltung und des Rechtsrahmens betreffen, gebunden. So ist zunächst evident, daß sich naturgemäß lediglich langlebige Investitions- oder Konsumgüter (Gebrauchsgüter) als Gegenstand von Öko-LeasingVerhältnissen eignen. Hierbei muß es sich jedoch nicht ausschließlich um „ÖkoProdukte" handeln wie etwa Wind- und Wasserkraftwerke, —»Solarenergieanlagen, Fahrzeuge mit niedrigem Kraftstoffverbrauch oder ähnliches, sondern es sollten möglichst alle verbreiteten material- und abfallintensiven Güter einbezogen werden, so insbesondere auch Straßenfahrzeuge, Luft- und Wasserfahrzeuge, Personalcomputer und EDV-Großanlagen, Unterhaltungselektronik oder Haushaltsgeräte.

274

Korrespondierend mit dem Grundprinzip eines Öko-Leasing-Systems, das Eigentum eines Wirtschaftsgutes und die damit verbundene Verantwortung für die Entsorgung von der Nutzungsmöglichkeit bzw. dem Nutzer zu lösen, besteht eine weitere, ganz entscheidende Voraussetzung des ÖkoLeasing darin, daß nur solche Vertragsgestaltungen gewählt werden, die eine Kaufoption des Leasing-Nehmers zum Ende der Vertragslaufzeit ausschließen. Denn nur auf diese Weise läßt sich sicherstellen, daß das Leasing-Objekt nach Vertragsbeendigung tatsächlich zum Hersteller zurückkehrt. Gleiches gilt für Andienungsrechte oder Mehrerlösbeteiligungen, die ebenfalls eine Übertragung der Eigentumsrechte der Leasing-Gesellschaft und eine Verlagerung der ökologischen Verantwortlichkeit für die Entsorgung am Ende der LeasingVertragslaufzeit zur Folge haben und insofern den intendierten Nutzungs- und Recyclingkreislauf durchbrechen. Aber auch die Einräumung von Mietverlängerungsoptionen

Öko-Leasing ist, wenngleich dies bei oberflächlicher Betrachtung zunächst nicht so erscheinen mag, im Zusammenhang der Zielsetzungen ökologisch orientierter Konzepte des Leasing als problematisch zu beurteilen. So könnte eine Mietverlängerungsoptionen zwar grundsätzlich als vertragliches Instrument zur Verlängerung der Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes interpretiert werden, doch ist der Anreiz für den Leasing-Nehmer, diese Option auszuüben, das heißt konkret, für die Nutzung eines Objekts weiterhin Nutzungsentgelte zu entrichten, in den Fällen, in denen das Leasing-Objekt in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum bereits weitgehend oder vollständig durch die gezahlten Raten amortisiert ist, als äußerst gering zu werten. Aus ökonomischer Sicht scheint hier für den Leasing-Nehmer wesentlich sinnvoller, das Objekt zu erwerben oder die Ratenzahlungen, auch wenn diese absolut höher ausfallen als im Rahmen einer Mietverlängerung, zur Nutzung von Objekten zu verwenden, die technisch auf dem neuesten Stand sind. Während der Kauf des Objekts, wie oben erwähnt, mit dem Grundgedanken eines Öko-Leasing-Konzepts unvereinbar ist, stellt letzteres einen Anreiz dar, der grundsätzlich nur in solchen Fällen akzeptabel erscheint, in denen ein verbesserter ökologischer Standard neuer Produkte die infolge des Objektersatzes entstehenden Umweltschädigungen (Abfallwirkungen) deutlich überkompensiert. Außerdem sollten Öko-Leasing-Verträge Elemente enthalten, die eine möglichst lange Verweildauer des Leasing-Objektes im Produktions- oder Konsumprozeß des Leasing-Nehmers zu erreichen vermögen. Auch diese Anforderung wird von den gegenwärtig gebräuchlichen Vertragsvarianten nur in den seltensten Fällen erfüllt, da die Leistungspolitik der Anbieter unter anderem auch darauf ausgerichtet ist, einem Leasing-Nehmer aufgrund der im Vergleich zum Kauf kürzeren Bindung an ein Objekt die Möglichkeit zu verschaffen, stets die neuesten technischen Entwicklungen nachzuvollziehen. Hierdurch wird jedoch tendenziell eine Beschleunigung, nicht aber eine Retardation des gesamtwirtschaftlichen Materialumsatzes erreicht, ein Umstand, der wiederum nur unter obengenannter Bedingung mit ökologischen Zielsetzungen kompatibel ist. Tenden-

Öko-Leasing ziell in Richtung Verkürzung der Nutzungszeit wirkt auch der Umstand, daß sich die Gestaltung der Vertragslaufzeit in praxi nicht an dem tatsächlich zu erwartenden Nutzungspotential eines Wirtschaftsgutes orientiert, sondern an fiktiven, durch die amtlichen Abschreibungstabellen vorgegebenen Nutzungszeiträumen, wobei erschwerend hinzukommt, daß die Laufzeit eines LeasingGeschäfts de facto durch die gegenwärtigen bilanz- und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen des Leasing-Geschäfts - vor allem sind hier die Leasing-Erlasse der Finanzverwaltung anzuführen - auf maximal neunzig Prozent der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer beschränkt ist. Hierdurch wird der Leasing-Nehmer bereits zu einem Zeitpunkt mit der Frage eines Ersatzes des im Wege des Leasing genutzten Wirtschaftsgutes konfrontiert, zu dem dieses noch über ein mitunter mehljähriges Nutzungspotential verfügt. Eine deutliche Verlängerung der Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes läßt sich hingegen durch professionelle Wartungsleistungen erreichen, die insofern als korrespondierende Zusatzdienstleistungen einen integralen Bestandteil des Öko-Leasing bilden sollten. Als besonders vorteilhaft ist daran zu werten, daß Leasing-Gesellschaften aufgrund ihres umfangreichen Objektbestandes und der Vielzahl der zu vergebenden Wartungsleistungen über Kompetenzvorteile in der Auswahl der Anbieter der Wartungsleistungen verfügen und somit eine qualitativ hochwertigere Objektwartung als der Leasing-Nehmer gewährleisten könnten. 4. Ausblick Aus theoretischer Sicht ist in der grundsätzlichen Konzeption des Öko-Leasing ein durchaus geeigneter Ansatz zur tendenziellen Eingrenzung der stetig weiter um sich greifenden Umweltprobleme zu sehen, sofern die entsprechenden Rahmenbedingungen hierfür geschaffen werden. Hierzu zählt unter anderem ein Rechtsrahmen, der den Herstellern eine deutlich höhere ökologische Verantwortung für ihre Erzeugnisse zuweist, beispielsweise in Form von Rücknahme- und Entsorgungsverpflichtungen im Rahmen der Abfallgesetzgebung, als dies bislang der Fall ist. Unter wettbewerblichen Gesichtspunkten 275

Öko-Leasing

ist daneben entscheidend, sicherzustellen, daß die Ausgestaltung eines Öko-LeasingSystems nicht zur Entstehung langfristiger bzw. dauerhafter Fixeinkommen für die eingebundenen Hersteller fuhrt. Darüber hinaus dürften auch, wie bereits erwähnt, Änderungen der gegenwärtigen Steuer- und bilanzrechtlichen Rahmenbedingungen des Leasing-Geschäfts unvermeidlich sein, um ökologisch orientierten Leasingvertragsgestaltungen den Weg zu ebnen. In diesem Zusammenhang könnte gleichzeitig über geeignete staatliche Lenkungsmaßnahmen, etwa in Form von -»Förderprogrammen oder Subventionen der Leasing-Raten, nachgedacht werden, um die Akzeptanz eines ÖkoLeasing zu fördern. Mit Blick auf die oben angeführten vertraglichen Voraussetzungen ökologisch orientierter Leasing-Systeme ist festzuhalten, daß die Variante des Operate-Leasing als Vertragsmodell hierfür deutlich geeigneter als die des Finanzierungs-Leasing erscheint, da die Konzeption des Finanzierungs-Leasing von vornherein so ausgelegt ist, daß eine Übertragung des Eigentums an dem zugrundeliegenden Leasing-Objekt zum Ende der Vertragslaufzeit zumindest möglich ist. Ein zweiter Grund ist darin zu sehen, daß der Leasing-Geber aufgrund der vertraglichen Vollamortisationspflicht des LeasingNehmers bei Finanzierungs-Leasing-Verhältnissen tendenziell ein geringeres Interesse an der Erhaltung des Objektes hat. In institutioneller Hinsicht dürften Öko-LeasingSysteme aufgrund der hier bestehenden unmittelbaren Vertriebs- und Logistikbeziehung am ehesten im Bereich des HerstellerLeasing (direktes Leasing) bzw. im Bereich hersteller- und händlerabhängiger LeasingGesellschaften zu realisieren sein. Bankenabhängige Leasing-Gesellschaften sind hingegen auf entsprechende Kooperationsbeziehungen angewiesen. Ein spezifisches Problem dürfte im Bereich unabhängiger Leasing-Gesellschaften ferner in dem mit einem Öko-Leasing zwangsläufig einhergehenden Verzicht auf die Chance, zusätzliche Erträge aus der Verwertung von LeasingObjekten zu erzielen, bestehen. Praktisch dürfte die Einführung von ÖkoLeasing-Systemen allerdings auf nicht unerhebliche Umsetzungsschwierigkeiten 276

Öko-Leasing

stoßen, eine These, die exemplarisch anhand eines Computerdruckers für den privaten Gebrauch - wesensgemäß ein potentielles Öko-Leasing-Objekt - verdeutlicht werden kann: Wie erläutert, kommt eine zeitabhängige Vertragsgestaltung im Rahmen eines Öko-Leasing grundsätzlich nicht in Frage, vielmehr muß die Entgeltbemessung anhand des tatsächlichen wirtschaftlichen Nutzungspotentials bzw. Nutzungsverbrauchs erfolgen. Konkret bedeutet dies, daß ein LeasingNehmer, der das beispielhaft angeführte Objekt im Wege eines Öko-LeasingVerhältnisses nutzt, einen bestimmten Betrag pro gedruckter Seite an den Hersteller abzuführen hat. Hierbei stellt sich jedoch unmittelbar die Frage nach einem Verfahren, mit dessen Hilfe der Hersteller den Seitenverbrauch des Leasing-Nehmers ermitteln kann. Selbst durch Vertragsgestaltungen, wie sie mitunter vorgeschlagen werden, bei denen der Hersteller dem Leasing-Nehmer gegen einmalige Zahlung eines festgelegten Betrages eine bestimmte Anzahl von Ausdrucken garantiert, kann diese Problematik nicht gelöst werden. Abgesehen von derartigen abwicklungstechnischen Problemen fragt sich femer gerade im Falle von Wirtschaftsgütern, die sich wie der beispielhaft angeführte Computerdrucker durch vergleichsweise geringe Anschaffungskosten auszeichnen, ob die Vielzahl der Verbraucher, die einen Kauf des Objektes aus Eigenmitteln darstellen könnten, im Rahmen eines ÖkoLeasing-Systems überhaupt bereit dazu wären, die dem Hersteller entstehenden Finanzierungskosten zu tragen. Darüber hinaus ist sicherlich auch eine generelle Akzeptanzproblematik zu erwarten, die aus psychologischen Vorbehalten der Verbraucher gegen eigentumslose Nutzungslösungen resultiert. Bevor Öko-Leasing-Systeme also tatsächlich zu einem effektiven Instrument der Umweltpolitik werden können, bedarf es zunächst einer nachhaltigen Überwindung derartiger Umsetzungs- und Akzeptanzprobleme. Weiterführende Literatur Büschgen, H. E.: Grundlagen des Leasing, in: Praxishandbuch Leasing, hrsg. von Büschgen, H. E., München 1998; derselbe: Mobilienleasing, in: Praxishandbuch Leasing, hrsg. von Büschgen, H. E., München

Ökologie

Ökologische Ökonomie

1998; Bender, H. J.: Elemente eines ÖkoLeasing als innovatives Finanz-Marketing, in: Recht der internationalen Wirtschaft, Beilage zu Heft 11, 42. Jg., o. O. 1996; Deutscher Bundestag. Referat Öffentlichkeitsarbeit (Hrsg.): Abschlußbericht der Enquete-Kommission Schutz des Menschen und der Umwelt. Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig-zukunftsverträglichen Entwicklung des 13. Deutschen Bundestages, Bonn 1998; Hinterberger, FJ Lukas, FJ Stewen, M.\ Ökologische Wirtschaftpolitik. Berlin u. a. 1996; Leinkauf, SJ Zundel, S.: Funktionsorientierung und ökoleasing. Strategien und Instrumente einer proaktiven Umweltpolitik. Schriftenreihe des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung, Nr. 79/94, Berlin 1994; v. Weizsäkker, E. U.: Erdpolitik. 4. Aufl., Darmstadt 1994. Prof. Dr. H. E. Büschgen

Ökologie Aus der Biologie hervorgegangene Wissenschaft, die sich mit den Beziehungen von Organismen untereinander sowie zwischen den Organismen und der sie umgebenden unbelebten (abiotische Faktoren wie -»Klima, Boden) und belebten -»Umwelt (biotische Faktoren) untersucht. Sie analysiert ihre zeitliche Entfaltung, Krisen in der Entwicklung sowie Mechanismen der Wiederherstellung von Gleichgewichten. Teildisziplinen der Ökologie sind Autökologie, Demökologie und Synökologie. Während die Autökologie die Umwelteinflüsse auf die Individuen einer Art untersucht, analysiert die Demökologie Umwelteinflüsse auf ganze Populationen einer bestimmten Tier- und Pflanzenwelt. Die Synökologie beschäftigt sich mit Wechselbeziehungen der Organismen einer Lebensgemeinschaft untereinander sowie zwischen diesen und der Umwelt.

ökologische Buchhaltung 1978 von Müller-Wenk entwickeltes Instrument zur Erfassung aller mengen- und wertmäßigen Arten der -»Umweltbelastung durch ein Unternehmen mittels nach verschiedenen Input- und Outputarten der

Produktion differenzierten Konten. Meßbare technisch physikalische Mengen werden mit sog. Äquivalenzkoeffizienten multipliziert und auf diese Weise in wertmäßige Rechnungseinheiten überfuhrt und hinsichtlich ihrer ökologischen Wirkungen vergleichbar gemacht.Ökologische Ökonomie

Ökologische Ökonomie 1. Einführung Aktuelle wirtschaftspolitische Diskussionen über Themen wie „Arbeitslosigkeit" und „Internationale Wettbewerbsfähigkeit" lassen vermuten, daß das Umweltproblem nun mühelos kontrollierbar ist und in Zukunft keinerlei Anlaß zur Besorgnis bietet. Doch im Gegenteil: Phänomene wie Artensterben, Regenwaldvernichtung, -»Ozonloch (-»Ozon) oder -»Treibhauseffekt sind Anzeichen für eine Verschärfung der Umweltproblematik. Vorwiegend aufgrund dieser angebrachten Probleme, die globaler und langfristiger Natur sind, wird immer mehr und häufiger Kritik an der neoklassischen -»Umweltökonomie geübt, vor allem ihre Annahmen, Methoden und Ergebnisse gelten nicht selten als unangemessen. Eine Alternative wird in Form der ökologischen Ökonomie („ecological economics") angeboten, die durch Arbeiten von N. Georgescu-Roegen, K. Boulding, H. Daly, E. Odum, P. und A. Ehrlich Mitte der 70er Jahre erstmals in die wissenschaftliche Szene getreten ist. Daß sich die ökologische Ökonomie nicht allgemeiner Akzeptanz erfreut, jedoch immer mehr an Popularität gewinnt, ist unter anderem an den steigenden Mitgliederzahlen der 1989 gegründeten „International Society for Ecological Economics" und der wachsenden wissenschaftlichen Bedeutung der internationalen Zeitschrift „Ecological Economics" zu erkennen. Dabei kann die Gründung der Zeitschrift „Ecological Economics" (1988) als ein Datum der Institutionalisierung der Ökologischen Ökonomie begriffen werden. Als federführende deutsche Institution ist das IÖW (Institut für ökologische Wirtschaftsforschung) in Berlin anzuführen. Des weiteren wurde in Deutschland 1996 die „Vereinigung für Ökologische Ökonomie e.V." gegründet. Auch stellen sich in jüngerer Zeit an die

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Ökologische Ökonomie Spitze der ökologischen Ökonomie Persönlichkeiten mit bedeutendem Hintergrund auf dem Gebiet der —»Nutzen-Kosten-Analyse, wie - stellvertretend für andere - Pearce, Direktor des London Environmental Economics Centre (LEEC). In diesem Zusammenhang ist Pearce & Turner als das erste Lehrbuch zu nennen, in dem die Fragestellungen der Ökologischen Ökonomie einen großen Teil beanspruchen und gleichgestellt mit gewohnten umweltökonomischen Standardthemen untersucht werden. Im Mittelpunkt der ökologischen Ökonomie steht das umweltpolitische Leitbild des Sustainability-Konzepts, das in der gängigen Literatur auch als —>„Sustainable Development", nachhaltige Entwicklung und dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung bezeichnet wird. Im Sinne der Ökologischen Ökonomie handelt es sich bei der nachhaltigen Entwicklung um die Konzeption der „starken" Nachhaltigkeit (strong sustainability). Diese impliziert eine vollkommene NichtSubstituierbarkeit von natürlichem Kapital durch Sachkapital bzw. andere Kapitalarten im Gegensatz zur „schwachen" Nachhaltigkeit (weak sustainability), die eine annähernd gänzliche Substitution des natürlichen Kapitals durch andere Kapitalarten erlaubt. Die Perspektive, aus der die nachhaltige Entwicklung gesehen wird, bestimmen zwei wesentliche Gesichtspunkte: zum einen, von welchem Naturbild ausgegangen wird, und zum anderen, welche Wissenschaft sich mit dem Begriff auseinandersetzt. Beide, sowohl die Ökologische Ökonomie mit der Konzeption der strong sustainability als auch die neoklassische Umweltökonomie mit der Konzeption der weak sustainability, sind der Wirtschaftswissenschaft zuzuordnen. Jedoch besitzt die Ökologische Ökonomie eine biozentrische Sichtweise, wohingegen die traditionelle Umweltökonomie eine anthropozentrische Sichtweise für sich beansprucht. Die wohl wichtigste Erkenntnis besteht darin, daß es sich bei der nachhaltigen Entwicklung um ein Leitbild handelt, das weit über die Betrachtung der umweltpolitischen Komponente hinausgeht und unmittelbar ökologische, ökonomische und soziale Entwicklungsprozesse berührt. Dabei ist

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ökologische Ökonomie insbesondere die Interdependenz der drei Dimensionen zu beachten, die integrative Lösungsansätze erfordert. Demnach sind ökologische, ökonomische und soziale Entwicklungen notwendig als innere Einheit zu sehen. 2. Kritik an der neoklassischen Umweltökonomie alias ökonomische Ökologie aus Sicht der Ökologischen Ökonomie. Die traditionelle Umweltökonomie übernimmt theoretisch und methodologisch die Grundsätze und Ziele der Ökonomie. In der ökonomischen Theorie bildet das einzelne Individuum und dessen Streben nach Gewinn* und Nutzenmaximierung die Grundlage. Folglich wird bei der Analyse sowohl von einem methodologischen als auch normativ-politischen Individualismus ausgegangen. Gesellschaftliche Zustände resultieren aus der Aggregation individueller Entscheidungen, die zu einer optimalen -»Allokation führen. Eine effiziente Allokation geht einher mit dem gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsmaximum. Die neoklassische Umweltökonomie geht davon aus, daß der Selbststeuerungsmechanismus des Marktes eigentlich funktioniert, wobei ein Korrekturbedarf bei Vorliegen externer Effekte nicht ausgeschlossen wird. Diese Korrektur wird durch Umweltschutzpolitik in Form einer -•Internalisierung - Strategie geleistet. Dabei wird nicht auf Diskrepanzen zwischen Ökonomie und Ökologie eingegangen. Die - • U m w e l t wird in das Schema von relativen Preisen und Präferenzen, von Kosten und Nutzen integriert, sie wird „verpreist". Umweltprobleme werden als Extemalität mit Wachstumsverlust deklariert und entspringen Markt- und/oder Politikversagen. Das Umweltproblem aus umweltökonomischer Sicht basiert also auf der ineffizienten Allokation von Naturgütem. Dadurch bewirkt das Marktgleichgewicht ein suboptimales Ergebnis. Werden diese Versagensfälle des Marktes und/oder der Politik beseitigt, d. h. das Pareto-Optimum als gesellschaftliches Wohlfahrtsmaximum als Folge der effizienten Allokation der natürlichen Umweltressourcen wird erreicht, so kommt es zur Versöhnung von Ökologie und Ökonomie. Ökonomische Effizienz und ökologische Effektivität, beides ist erfüllt.

ökologische Ökonomie Niemand wird wohl ernsthaft der ökonomischen Profession Kompetenz absprechen wollen, wenn es sich um die Frage einer ökonomisch optimalen, d. h. nichtverschwenderischen Nutzung der natürlichen Umwelt in bezug auf die Güterversorgung handelt. Inkompetenz ist ihr demgegenüber bei dem neoklassischen Unterfangen zu bescheinigen, ökonomische Ineffizienz als Folge neoklassischer Extemalitäten als hinreichende Bedingung ökologischer Ineffizienz aufzufassen. Im Umkehrschluß stellt somit der Wohlfahrtstheorie zufolge eine effiziente Allokation kein Umweltproblem dar. Dies gilt auch im Falle einer Übemutzung der ökologischen Systeme. Daly bringt diese Problematik auf den Punkt, indem er schreibt, daß die optimale Allokation eines gegebenen Ausmaßes des Ressourcenflusses innerhalb der Ökonomie eine Sache ist (ein mikroökonomisches Problem). Ein vollkommen anderes Problem dagegen stellt das optimale Ausmaß der gesamten Ökonomie in Relation zum —»Ökosystem dar (ein Problem auf der Makro-Makro-Ebene). Der Begriff „Ausmaß" ist dabei als ein Kürzel für das physische Ausmaß oder die Größe der menschlichen Anwesenheit im Ökosystem, gemessen als Bevölkerung mal Ressourcenverbrauch pro Kopf, zu verstehen. Nach dem Ansatz der Ökologischen Ökonomie sind nicht externe ökologische Effekte der Ökonomie das Problem, sondern externe ökonomische Effekte der Natur. Deshalb ist die ökologische Krise eben nicht nur durch Internalisierung der Natur in die Ökonomie lösbar, sondern vielmehr gilt es, die Ökonomie in die Natur zurückzuholen, sie wieder in diese einzubinden. Wie bereits beschrieben, basiert die traditionelle Umweltökonomie auf der paretianischen Allokationstheorie und ist demzufolge reine Effizienztheorie. Diese ist neben ökologischen Aspekten auch unter dem Gesichtspunkt der Verteilung prekär. Paretorelevant sind nur die negativen externen Effekte, bei denen die Grenznutzen der Beseitigung bzw. Vermeidung die Höhe der korrelierenden Grenzkosten übersteigen. Die pareto-irrelevanten Rest-Umweltbelastungen können sich in der langfristigen Betrachtung summieren und letztendlich im Zusammenbruch der Natur gipfeln. Da die statischen Effizienzkriterien den dynamischen Kondi-

Ökologische Ökonomie tionen ökologischer Systeme nicht nachkommen, fallen ökonomisches und ökologisches Optimum auseinander. Verschärfend wirken -»Irreversibilitäten in Ökosystemen. Auch die in der Pareto-Theorie ungelösten Verteilungsprobleme wirken sich negativ auf die Umwelt aus. Einerseits erhöhen größer werdende nationale und internationale Ungleichgewichte systematisch das Ausmaß der globalen externen Effekte. Andererseits blockieren diese UnVerhältnismäßigkeiten die Durchsetzung einer wirksamen - » U m weltpolitik. Überdies hemmen Ungleichheiten gegenwärtig die erforderliche Zukunftsvorsorge und führen demzufolge zu intergenerationeller Ungleichheit bzw. nicht nachhaltiger Entwicklung. Die zentrale Kritik der Ökologischen Ökonomie am neoklassischen Ansatz besteht darin, daß die Neoklassik in ihrer Orientierung an reduktionistisch-naturwissenschaftlicher Denkweise und ihrer einseitigen Betonung mathematischer, vor allem marginalistischer Gleichgewichtsanalyse, nicht in der Lage ist, komplexe Phänomene ganzheitlich zu erfassen, wie es die ökologische Realwelt erfordert. Abschließend sei festgehalten, daß das von den traditionellen Ökonomen eingebrachte allgemeine Thema „Internalisierung von Extemalitäten" gewiß einen wichtigen Platz bei der Analyse der Umweltproblematik einnimmt. Trotz dessen ist es für eine umfassende Lösung der Umweltproblematik ungeeignet. Die zunehmende Berufung auf sogenannte „Extemalitäten" ist der unverkennbare Beweis der Inkompatibilität immer mehr wichtiger Fakten mit dem existenten theoretischen Rahmen der neoklassischen Umweltökonomie. Wenn vermehrt lebenswichtige Tatsachen, eingeschlossen der Gabe der Erde selbst, Leben zu bewahren, als „Extemalitäten" behandelt werden müssen, dann ist die Zeit gekommen, grundlegende Rahmenbedingungen unseres Denkens zu verändern, um diese kritischen Probleme als intern und zentral untersuchen zu können. 3. Umweltökonomie als ökologische Ökonomie („Ecological Economics") Aus der Kritik bzw. den Grenzen der herkömmlichen Umweltökonomie entwickelte sich eine Neuorientierung im Sinne der ökologischen Ökonomie. Gegenüber der 279

ökologische Ökonomie konventionellen neoklassischen Umweltökonomie sind klare Akzentverschiebungen in bezug auf Erkenntnisinteressen, Zielsetzungen und im Verhältnis zu anderen Wissenschaften festzustellen. Hinsichtlich dem Verhältnis zu anderen Wissenschaften ist eine grundlegende Öffnung der Ökologischen Ökonomie gegenüber der Ökologie (Naturwissenschaften), den Sozialwissenschaften und den ethischen Grundlagen kennzeichnend. Die ökologische Ökonomie läßt sich allgemein als überdisziplinäres, systemtheoretisches und evolutorisches Entwicklungsmodell formulieren, in dem die Interdependenzen (Wirkungen, Rückwirkungen, Synergismen) zwischen ökonomischem, ökologischem und sozialem System analysiert werden. Der traditionellen Umweltökonomie kann nicht widersprochen werden, wenn sie diesem Prozedere eine erhöhte Komplexität des Systems im Gegensatz zur zeit- und raumunabhängigen neoklassischen Analyse vorwirft. Doch dieser Kritik der Neoklassik an der Ökologischen Ökonomie kann entschieden entgegnet werden, daß es zur Erklärung der Realität vielleicht rationaler ist, eine grobe Abschätzung in die richtige Richtung vorzunehmen als sich aufgrund exakter Berechnungen in die falsche Richtung zu bewegen. 3.1. Naturwissenschaftliche Aspekte Die Ökologische Ökonomie ist bestrebt, Erkenntnisse der Naturwissenschaft in die ökonomische Theorie zu integrieren. Naturwissenschaftliche Konzepte sind für die ökologische Ökonomie in doppelter Hinsicht relevant. Zum einen demonstrieren sie die Interdependenz zwischen Ökologie und Ökonomie und heben somit die natürlichen Einschränkungen für die ökonomische Analyse hervor. Zum anderen kann versucht werden, naturwissenschaftliche Gesetze und Theorien für die Analyse des ökonomischökologischen Systems anzuwenden. Als Beispiel für die Forderung nach einer intensivierten Einbeziehung naturwissenschaftlicher Gesetze und Theorien in ökonomische Modelle seien im folgenden die Kernthesen der sogenannten „Thermodynamischen Schule" kurz beschrieben. Zentral ist hier die Bedeutung physikalischer Gesetzmäßigkeiten in Form der zwei Hauptsätze der 280

Ökologische Ökonomie

->Thermodynamik für die ökonomische Theoriebildung. Basis der Überlegungen ist die Erkenntnis, daß durch menschliche Wirtschaftsaktivitäten -»Energie und Materie in andere Zustandsformen transformiert werden. Aus diesem Grund ist es durchaus möglich, die Thermodynamik als Teildisziplin der Physik auch für die Analyse wirtschaftlicher Prozesse nutzbar zu machen. Die beiden Hauptsätze der Thermodynamik lauten folgendermaßen: 1.

2.

In einem geschlossenen System kann Energie weder geschaffen noch zerstört werden. Die —»Entropie eines geschlossenen Systems nimmt zu bzw. bleibt - im Falle eines reversiblen Prozesses - konstant.

Die ökonomischen Implikationen dieser beiden Sätze sind in besonderem Maße auf die Einsichten bezüglich Entropie und Wirtschaft von Georgescu-Roegen zurückzufuhren. Dabei kann die „Quintessenz" seiner Ideen in der sogenannten „Entropiesanduhr" zusammenfassend dargestellt werden (Abb. 1). Zur inhaltlichen Erklärung der „Entropiesanduhr" sei insbesondere auf GeorgescuRoegen und Daly verwiesen. Das Entropiegesetz kann im ökonomischen Bereich als irreversible Entwertung der Natur durch ökonomische Prozesse ausgelegt werden. Einerseits ist niedrige Entropie (wertvolle Energie) ein ständiger Input des ökonomischen Systems. Andererseits gibt das ökonomische System hohe Entropie (wertlose Energie) an das Ökosystem ab. Da die niedrige Entropie nicht von Marktpreisen registriert wird, ist es ökonomisch effizient, ökologisch ineffizient zu arbeiten. Nur solange der Entropieaustausch mit der Umgebung realisierbar ist, läßt sich ein Gleichgewicht des ökonomischen Systems bewahren. Das ökonomische System trägt zu einer ununterbrochenen Erhöhung der Entropie im ökologischen System bei, und zwar durch: • • • •

Schadstoffemissionen in die Umwelt; Abbau nicht emeuerbarer Ressourcen; Übernutzung erneuerbarer Ressourcen; Störung der ökologischen Kreisläufe (Treibhauseffekt, Abbau der Ozonschicht).

ökologische Ökonomie

Ökologische Ökonomie

Sonncnvorrflte (niedrige Eutropie)

irdische Vorrtte (niedrige Entropie) irdischer Energiefluß Abfall (hohe Entropie)

Abb. 1: Entropiesanduhr (Daly 1999) Ein Beispiel aus ressourcenökonomischer Sicht soll die Problematik verdeutlichen. Eine bestimmte Menge Mineralöl im Boden steht für eine geringe Entropie, da dieser Zustand äquivalent mit einer bestimmten Menge verwertbarer Energie ist. Die nach der Verbrennung gerade dieser Menge Mineralöl in der Atmosphäre befindlichen Verbrennungsrückstände repräsentieren eine sehr hohe Entropie, da diese für eine gegen null gehende verwertbare Energie stehen, wenngleich gemäß erstem Hauptsatz der Thermodynamik die anfänglich im Mineralöl enthaltene Energiemenge nicht zerstört worden sein kann. Auf diese Weise transformiert der Mensch im Rahmen seiner wirtschaftlichen Aktivität natürliche Inputs in nicht mehr nutzbare Stoffe. Ein Großteil dieser Umwandlungsprozesse ist nicht mehr oder nur mit sehr großen Anstrengungen revidierbar, folglich „quasi irreversibel". In der Konsequenz bedeutet dies aus Sicht der thermodynamischen Schule, daß das ->Recycling als der „Königsweg" zur Lösung des Umweltproblems nur begrenzt geeignet ist. Vielmehr ist das Ausmaß menschlicher Wirtschaftsaktivität auf der Erde langfristig begrenzt durch diejenige Menge verwertbarer Energie, die dem System Erde ständig von außen durch Sonneneinstrahlung zugeführt wird. Aufgrund dieser Tatsache wird eine Obergrenze für die globale menschliche Wirtschaftsaktivität wahrgenommen, die von der neoklassischen Wachstumstheorie nicht berücksichtigt wird. 3.2. Ethische Aspekte Anliegen der ökologischen Ökonomie ist es auch, intra- und intergenerationelle Gerech-

tigkeitsfragen ausdrücklich aufzunehmen und zu integrieren. Entsprechend ist eine Aufgeschlossenheit gegenüber der Verteilungsethik in intra- und intergenerationeller Ausrichtung zu erkennen. Unkorrigiert und unreguliert wachsende Industriestaaten werden unter anderem für steigende nationale und internationale Verteilungsungleichheiten verantwortlich gemacht. Die Ökologische Ökonomie ist somit von dem der traditionellen Umweltökonomie mit Recht treffenden Vorwurf befreit, sich eindimensional den Fragen der Allokationseffizienz unter Vernachlässigung der Distributionswirkungen anzunehmen. Vor allem die intergenerationellen Ungleichheiten durch aktuelle Ressourcenausbeutung und -»Emission von Schadstoffen sowie das zunehmende Wohlstandsgefälle zwischen Industrie- und Entwicklungsländern sind für die Umwelt von Bedeutung. Die Ökologische Ökonomie fordert die Gleichbehandlung aller Generationen vor dem Hintergrund der intergenerationellen Gerechtigkeit. Deswegen wird das intertemporale gesellschaftliche Wohlfahrtskriterium der neoklassischen Ressourcenökonomie nicht akzeptiert. Insbesondere ist auf sozialer Ebene eine Diskontierung des Wohlergehens künftiger Generationen ethisch nicht vertretbar, wenngleich zu bemerken ist, daß auf individueller Ebene in der Tat diskontiert wird. Aus Sicht der Ökologischen Ökonomie ist es unzumutbar, daß im Ergebnis der neoklassischen Ressourcenökonomie eine langfristig sinkende gesellschaftliche Wohlfahrt sozial optimal ist. Aus diesem Grund wird dem Staat nahegelegt, auf eine soziale Diskontierung zu verzichten, auch wenn die Präferenzen der individuellen Gesellschaftsmitglieder durch Gegenwartsvorliebe charakterisiert sind. Resümierend kann folglich festgehalten werden, daß das für die neoklassische Ressourcenökonomie grundlegende Konzept der intertemporalen Wohlfahrtsmaximierung nach utilitaristischem Muster von den Vertretern der ökologischen Ökonomie abgelehnt wird. Demgegenüber will sich die Ökologische Ökonomie den durch die neoklassische und keynesianische Ökonomie in Vergessenheit geratenen Umgang mit ethischen Funda-

281

Ökologische Ökonomie menten, wie er sich noch bei Adam Smith findet, wieder zu eigen machen. Aus Gründen der Vollständigkeit und elementaren Bedeutung bei der Erläuterung des Begriffes „ökologische Ökonomie" wird ausführlich auf die Operationalisierung einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Ökologischen Ökonomie, also der Konzeption der streng sustainability folgend, eingegangen. 4.

Operationalisierung einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der ökologischen Ökonomie

Die Konkretisierung der nachhaltigen Entwicklung stellt eine komplexe Thematik dar, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden. 4.1. ökonomische, soziale und ökologische Ziele und deren Ableitung Eine Konkretisierung des Leitbildes aus Sicht der ökologischen Ökonomie erfordert die Festlegung von Zielen, und zwar in allen drei Dimensionen, der ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimension. Ziele in ökonomischer und sozialer Hinsicht liegen in vielfacher Hinsicht bereits vor. Eine Formulierung ökonomischer Ziele wurde unter anderem schon auf gesamtwirtschaftlicher Ebene im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes bezüglich auf Preisniveaustabilität, hohen Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht sowie stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum vorgenommen. Existenzminima, Einkommensziele in Rentenformeln oder das Ziel der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse sind seit langem soziale Ziele. Diese Zielsetzungen sind allerdings numerischer und quantifiziert normativer Art und somit weniger geeignet für die Nachhaltigkeitsdiskussion, da diese mehr nach qualitativen Zielvorstellungen verlangt, die in ihrer Gesamtheit auf die Erhaltung der ökonomischen und sozialen Stabilität von Entwicklungsprozessen einerseits sowie die Aufrechterhaltung ihrer dynamischen und damit innovativen Funktionen andererseits ausgerichtet ist. Demgegenüber ist in der praktischen Umweltpolitik eine Umorientierung in Richtung quantitativer Vorgaben mindestens einzu282

ökologische Ökonomie haltender Schutzziele notwendig, die, wo immer möglich, zu gesetzlich fixierten Umweltqualitäts- und Umwelthandlungszielen fuhren sollen. Die Sicherstellung und Verbesserung ökologischer, ökonomischer und sozialer Leistungsfähigkeiten ist das zentrale Ziel der nachhaltigen Entwicklung. Diese sind interdependent und können nicht teiloptimiert werden, ohne Entwicklungsprozesse als Ganzes zu gefährden. Die Notwendigkeit, alle drei Dimensionen gleichberechtigt zu behandeln, führte dazu, daß die -»Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt - Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung" des 13. Deutschen Bundstages im Zuge der Operationalisierung der nachhaltigen Entwicklung neben ökologischen Grundregeln auch ökonomische und soziale Regeln formulierte. Die Formulierung von ökonomischen und sozialen Grundregeln erwies sich allerdings als sehr schwierig, da hierfür neben einer mangelhaften wissenschaftlichen Basis auch die Durchführung einer detaillierten, politischen Debatte nicht machbar war. Insofern ist sich die Kommission durchaus über die Vorläufigkeit und Skizzenhaftigkeit der Regeln bewußt. Doch genau dies könnte bzw. sollte der Auslöser für eine notwendige wissenschaftliche und politische Auseinandersetzung mit den Thesen sein. Um den „Innovationsbedarf' und den .Anregungscharakter" der ökonomischen und sozialen Regeln besser zu vermitteln, seien die Thesen an dieser Stelle genannt: Regeln, die aus ökonomischer Sicht der Nachhaltigkeit beachtet werden sollten: 1.

Das ökonomische System soll individuelle und gesellschaftliche —»Bedürfnisse effizient befriedigen. Dafür ist die Wirtschaftsordnung so zu gestalten, daß sie die persönliche Initiative fördert (Eigenverantwortung) und das Eigeninteresse in den Dienst des Gemeinwohls stellt (Regelverantwortung), um das Wohlergehen der derzeitigen und künftigen Bevölkerung zu sichern. Es soll so organisiert werden, daß es auch gleichzeitig die übergeordneten Interessen wahrt.

ökologische Ökonomie 2.

3.

4.

Preise müssen dauerhaft die wesentliche Lenkungsfunktion auf Märkten wahrnehmen. Sie sollen dazu weitestgehend die Knappheit der Ressourcen, Senken, Produktionsfaktoren, Güter und Dienstleistungen wiedergeben. Die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs sind so zu gestalten, daß funktionsfähige Märkte entstehen und aufrechterhalten bleiben, Innovationen angeregt werden, daß eine langfristige Orientierung sich lohnt und der gesellschaftliche Wandel, der zur Anpassung an zukünftige Erfordernisse nötig ist, gefördert wird. Die ökonomische Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft und ihr Produktiv-, Sozial-, und -•Humankapital müssen im Zeitablauf zumindest erhalten werden. Sie sollten nicht bloß quantitativ vermehrt, sondern vor allem auch qualitativ ständig verbessert werden.

ökologische Ökonomie wie sie auf ein gestiegenes wirtschaftliches Leistungspotential zurückgehen 4.

Das in der Gesellschaft insgesamt und in den einzelnen Gliederungen vorhandene Leistungspotential soll für zukünftige Generationen zumindest erhalten werden.

Bereits in der 12. Legislative des Deutschen Bundestages hat die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt" aus primär ökologischem Antrieb heraus vier grundlegende Regeln, auch Managementregeln genannt, über den Umgang mit Ressourcen, Stoffen und Natur aufgestellt. Dabei ist anzumerken, daß diese nicht nur die Sicherung der Leistungsfähigkeit des natürlichen Produktionssystems „Ökosphäre" zum Ziel haben, sondern auch die Notwendigkeit der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des „natürlichen Kapitals" für nachfolgende Generationen betonen.

Regeln, die aus sozialer Sicht der Nachhaltigkeit beachtet werden sollten:

Regeln, die aus ökologischer Sicht Nachhaltigkeit beachtet werden sollten:

1.

Der soziale Rechtsstaat soll die Menschenwürde und die freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie die Entfaltungschancen für heutige und zukünftige Generationen gewährleisten, um auf diese Weise den sozialen Frieden zu bewahren.

1.

Die Abbaurate erneuerbarer Ressourcen soll deren ->Regenerationsrate nicht überschreiten. Dies entspricht der Forderung nach Aufrechterhaltung der ökologischen Leistungsfähigkeit, d. h. (mindestens) nach Erhaltung des von den Funktionen her definierten ökologischen Realkapitals.

2a.

Jedes Mitglied der Gesellschaft erhält Leistungen von der solidarischen Gesellschaft:

2.

Nicht-erneuerbare Ressourcen sollen nur in dem Umfang genutzt werden, in dem ein physisch und funktionell gleichwertiger Ersatz in Form emeuerbarer Ressourcen oder höherer Produktivität der emeuerbaren sowie der nicht-erneuerbaren Ressourcen geschaffen wird.

3.

Stoffeinträge in die Umwelt sollen sich an der Belastbarkeit der -»Umweltmedien orientieren, wobei alle Funktionen zu berücksichtigen sind, nicht zuletzt auch die „stille" und empfindlichere Regelungsfunktion.

-

-

entsprechend geleisteter Beiträge für die sozialen Sicherungssysteme, entsprechend Bedürftigkeit, wenn keine Ansprüche an die sozialen Sicherungssysteme bestehen.

2b.

Jedes Mitglied der Gesellschaft muß entsprechend seiner Leistungsfähigkeit einen solidarischen Beitrag für die Gesellschaft leisten.

2.

Die sozialen Sicherungssysteme können nur in dem Umfang wachsen,

der

283

Ökologische Ökonomie 4.

Das Zeitmaß anthropogener Einträge bzw. Eingriffe in die Umwelt muß im ausgewogenen Verhältnis zum Zeitmaß der für das Reaktionsvermögen der Umwelt relevanten natürlichen Prozesse stehen.

Eine fünfte Regel wurde vom -»Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) initiiert, um dem Aspekt der Risikovorsorge im Blick auf die Wahrung des Lebens und der Gesundheit des Menschen in Gegenwart und Zukunft Rechnung zu tragen. Sie knüpft an den ersten Grundsatz der Rio-Deklaration und an den Bericht der Enquete-Kommission der 12. Legislaturperiode, der die menschliche Gesundheit als wichtigstes Kriterium für ökologisches Handeln herausstellt. Sie lautet: 5.

Gefahren und unvertretbare Risiken für die menschliche Gesundheit durch anthropogene Einwirkungen sind zu vermeiden.

Die Situation der Weltwirtschaft des 20. Jahrhunderts ist jedoch so zu beurteilen, daß sie weit von der Einhaltung der fünf Managementregeln entfernt ist. Nicht wie erwartet die „Entnahmekapazität", sondern die „Aufnahmekapazität" der Umwelt wird in Zukunft problematisch werden. Darüber hinaus sind auch andere Ziele vorhanden, wie z. B. die Natur so zu schützen, zu pflegen und zu entwickeln, daß die Pflanzen- und Tierwelt sowie die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft als Lebensgrundlagen des Menschen nachhaltig gesichert sind. Die Festlegung von Umweltzielen stellt das Kernproblem des Sustainability-Konzepts dar. Nicht umsonst haben sich die EnqueteKommissionen „Schutz des Menschen und der Umwelt" des 12. und des 13. Deutschen Bundestages den ökologischen Zugang zur Nachhaltigkeitsdebatte als Problemeinstieg gewählt. Deswegen steht auch die Entwicklung von Umweltzielen, Umweltqualitätszielen und Umwelthandlungszielen an erster Stelle ihrer aktuellen Arbeiten. Und nicht umsonst wählt der SRU in seinem '94er Gutachten für das Leitbild den Begriff „dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung", 284

Ökologische Ökonomie der die ökologische Vorrangigkeit klarstellen soll. 4.2.

Entwicklung von Umweltzielen Zielfindung durch Umweltindikatoren

Aus dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung sind auf einer ersten operativen Ebene Leitlinien in Form von Managementregeln abgeleitet worden. Diese Regeln geben die Richtung der Konkretisierung an und machen deutlich, welche Folgen des Wirtschaftens unter stofflichen Gesichtspunkten beachtet werden müssen, um die Voraussetzungen des Wirtschaftens im Zeitablauf zu erhalten. Die Anwendung dieser Managementregeln ist allerdings mit Komplikationen verbunden, die den Problemen der Umsetzung der klassischen Prinzipien der Umweltpolitik -> Verursacherprinzip, —»Vorsorgeprinzip und —»Kooperationsprinzip - entsprechen. Die zentralen Probleme sind: • ungeklärte ökologische UrsacheWirkungsketten; • Fragen der Quantifizierung ökologischer Zusammenhänge; • ökonomische und soziale Bewertungen ökologischer Ziele. Für die weitere Operationalisierung der grundlegenden Regeln sind aus ökologischer Sicht neben einer weiteren Präzisierung der Stoff- und wirkungsbezogenen Kriterien für die Ressourcennutzung und der Inanspruchnahme der Aufnahmekapazität von Umweltmedien besonders zeit- und raumbezogene Kriterien bzw. Indikatoren notwendig, die den Ist-Zustand der Umwelt quantifizieren und somit eine Bewertung des Status Quo ermöglichen. Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung kann nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn ein allgemein akzeptiertes Maßsystem zum Zustand der natürlichen Umwelt vorliegt, das eine möglichst quantitative Beschreibung der Auswirkungen von Eingriffsmaßnahmen erlaubt, ähnlich wie es die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung mit Hilfe des BIP für den Bereich der Wirtschaft ist. Der Erfolg von Einzelmaßnahmen in der Umweltpolitik, wie die Praxis zeigt, wird

ökologische Ökonomie ziemlich differenziert bewertet werden, solange ein solches allgemein akzeptiertes System von Umweltindikatoren nicht zur Verfügung steht. Die Hauptanforderung an ein Umweltindikatorensystem ist eine möglichst repräsentative Darstellung der Situation der Umwelt. Es lassen sich weitere Anforderungen für ein Indikatorensystem nennen: • • •



Verdichtung einer Vielzahl von Einzeldaten zur Umweltsituation; Identifikation von politisch bedeutsamen Informationen; Bewertung von umweltpolitischen Programmen und gesetzlichen Grundlagen für die Regelungen des Umweltschutzes; Früherkennung von potentiellen ->Umweltschäden.

Die Konkretisierung und Operationalisierung des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung auf der Ebene quantitativer Umweltindikatoren muß in mehreren Stufen erfolgen. Die Entwicklung von Indikatoren erfolgt dem Rat von Sachverständigen für Umweltfragen zufolge wie in Abbildung 2 dargestellt. Aus dem Leitbild folgen Leitlinien (Managementregeln), aus denen sich wiederum —»Umweltqualitätsziele ableiten lassen. Umweltqualitätsstandards werden durch die quantitative Konkretisierung der Qualitätsziele festgelegt, die als Referenz für die Bildung von Umweltindikatoren dienen. Die Umweltindikatoren sollen die Abweichung der Umweltsituation vom Soll (Umweltqualitätsstandards) anzeigen. Es ist zu bemerken, daß die Indikatorenerstellung nicht nur ein naturwissenschaftliches Problem, sondern auch ein Bewertungsproblem ist, bei dem die Naturwissenschaft nur begrenzt beitragen kann. Denn Grundlage für die Ableitung von Umweltqualitätszielen sind einerseits der wissenschaftliche Erkenntnisstand über qualitative und, soweit verfügbar, quantitative UrsacheWirkungsbeziehungen und andererseits auf den Zustand oder die Eigenschaften der Umwelt bezogene gesellschaftliche Wertvorstellungen. In seinem Gutachten von 1996

Ökologische Ökonomie hat der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen die Vorschläge des '94er Gutachtens für die Entwicklung von Umweltindikatoren noch weiter präzisiert und sein Hauptanliegen auf die Bestimmung von —»Umweltstandards (quantifizierte Umweltqualitätsziele) gelegt. -»Indikatorensysteme sollten die ökonomische, ökologische und soziale Entwicklung berücksichtigen. Es sind zwar methodische Ansätze darüber vorhanden, jedoch ist die politische Umsetzung aufgrund eines fehlenden gesellschaftlichen Konsenses noch nicht möglich. Es handelt sich daher vorerst um Umweltindikatoren im eigentlichen Sinne, um Größen zur Beschreibung des Zustands der natürlichen Umwelt. In der ökonomischen und sozialen Dimension der Entwicklung dominieren nach wie vor ökonomische Indikatoren, eventuell ergänzt durch Sozialindikatoren (wie Bildungsgrad, Einkommensverteilung etc.). Es liegen bereits diverse Ansätze für Umweltindikatoren im nationalen und internationalen Bereich vor. Beispielhaft sei auf den Ansatz des Pressure-State-Response-Modells der —»OECD hingewiesen, ein erstes Indikatorenmodell. Das Pressure-State-Response-Modell basiert auf dem Vorschlag der OECD 1994 mit dem Ziel, Volkswirtschaften hinsichtlich ihrer ökologischen —»Dauerhaftigkeit vergleichend abbilden zu können. Das Indikatorenmodell ist vom theoretischen Anspruch her ein interessanter Ansatz, der beabsichtigt, zwischen der -»Umweltbelastung (pressure) und dem sich daraus resultierenden Umweltzustand (state) mit entsprechenden Handlungsmaßnahmen (response) eine Relation herzustellen. Ein Beispiel wäre die Emission von S0 2 , die eine —»Versauerung von Böden und Gewässern bewirken kann und die z. B. durch Endof-Pipe-Maßnahmen bei -»Kraftwerken reduziert wird. Wie unschwer zu erkennen ist, basiert das Modell auf einem reaktivem Grundmuster, das mehr zur Behandlung als zur Vorbeugung geeignet ist und deshalb dem Vorsorgeprinzip widerspricht. Außerdem tendiert es zu unzulässigen Vereinfachungen, welche die komplexen Wechselwirkungen zwischen Technosphäre und Umwelt falsch abbilden. 285

ökologische Ökonomie

Ökologische Ökonomie

Dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung unter Einbeziehung des Vorsorgeprinzips

Leitbild

VerbrauchsrateregenerierbareiRessourcen = Regenerationsrate Verbrauchsrate nichfegenerierbareiRessourcen = Spar-ySubstitutionsrate

Leitlinien (Handlungsprinzipien)

Erhalt der Umweltfunktionen Reststoffausstoß=Assimilationsrate Erhalt der menschlichen Gesundheit

c-wmmmmasmmm KritischerRessourcenverbrauch Kritische Belastungswerte unter Berücksichtigung der Tragekapazität

Umweltqualitätsziele

Kritische Belastungswerte für die menschliche Gesundheit

•I S r

WiBSi i

ISigSSig

Kritische Ressourcenvorräte Umweltqualitätsstandards

Kritische Konzentrationen KritischeEintragsraten KritischestrukturelleVeränderungen tragbare Gesundheitsrisiken

*

Umweltindikatoren sind Größen, die die Abweichung dämweltsitutatior(Ist) von Umweltqualitätsstandard|Soll) ausdrücken

¡11 ¿it I 1 x. •

11 • •

Z u s t a n d s d a t e n z u r Umweltsituation S S p S ¡ Ö S •• ffiMtsSf^äSSSi '

:

:



i? p l l p

Abb. 2: Leitbildorientierte Entwicklung von Uniweltindikatoren (SRU 1994)

286

ökologische Ökonomie

Ökologische Ökonomie

Die aktuelle Entwicklung von dagegen zielt darauf ab, neben ausgerichteten Indikatoren auch entierte, proaktiv ausgerichtete

miteinzubeziehen. Abbildung 3 enthält eine Übersicht wichtiger Indikatoren für eine nachhaltige Entwicklung.

Indikatoren den reaktiv vorsorgeoriIndikatoren

Treibende Kraft für Umweltbelastungen A.

Übersichts-Indikatoren

A . l . Materialinput

A.2. E n e r g i e v e r b r a u c h

A.3. F l ä c h e n n u t z u n g

B.

Reaktionen

V e r b r a u c h an

E r h ö h u n g der



abiotischen R o h s t o f f e n



Ressourcenproduktivität



biotischen R o h s t o f f e n



Dienstleistungen



Boden in der Land* und Forstwirtschaft



P r o d u k t e und P r o z e s s e



Wasser



Wirtschaftsräume



Luft

V e r b r a u c h an



Verringerung des Energieverbrauchs



fossilen E n e r g i e t r ä g e m





Kernenergie

Erhöhung Energien



erneuerbaren R e s s o u r c e n

Art und Intensität der N u t z u n g von F l ä c h e n ; Flächenzerschneidung

des

Anteils

erneuerbarer

E r h ö h u n g d e s Anteils •

u n g e n u t z t e r Flächen



schonend bewirtschafteter Flächen

Problemorientierte Indikatoren

B . l . Klima Veränderungen



E m i s s i o n e n von T r e i b h a u s g a s e n ( G W P )



V e r r i n g e r u n g der E m i s s i o n e n

B.2. Stratosphärischer Ozonabbau



Produktion (ODP)



V e r r i n g e r u n g der P r o d u k t i o n bauender Substanzen



Recycling- und Substitutionserfolge

B.4. E u t r o p h i e r u n g



Düngemitteleinsatz



E x t e n s i v i e r u n g der L a n d w i r t s c h a f t



Stickstoff- und P h o s p h o r e m i s s i o n e n



Optimierung der Abwasserbehandlung



S c h w e r m e t a l l index





E m i s s i o n e n organischer V e r b i n d u n g e n

V e r r i n g e r u n g toxischer A n t e i l e in Prod u k t e n und P r o d u k t i o n



E m i s s o n e n von S t r a h l u n g



Vermeidung von Strahlungsquellen



Abfallmengen: Siedlungsabfall, Gewerbeabfall, nukleare A b f ä l l e , S o n d e r m ü l l



Abfallvermeidung



Wiederverwendung und Verwertung



E m i s s i o n e n von L u f t s c h a d s t o f f e n



Verkehrsvermeidung



Lärmemissionen





T r i n k w a s s e r e n t n a h m e und -Verschmutzung

Verringerung des Trinkwasserverbrauchs



M e c h a n i s c h e und c h e m i s c h e B e a r b e i t u n g von Böden



E r h ö h u n g d e s Anteils an ö k o l o g i s c h e m Landbau



Versiegelung



Entsiegelung



Veränderung natumaher Landschaftsformen



Rekultivierung



E r h ö h u n g d e s Anteils g e s c h ü t z t e r Flächen



S c h u t z b e d r o h t e r Arten

B.5. T o x i s c h e K o n t a m i n a t i o n v o n H u m a n - und Ö k o s y stemen

B.6. A b f a l l

B.7. U m w e l t s c h ä d e n in städtischer U m g e b u n g

B.8. B o d e n d e g r a d i e r u n g , erosion

B.9. V e r l u s t an b i o l o g i s c h e r Vielfalt und L a n d s c h a f t



ozonabbauender

Substanzen

Standortveränderung

ozonab-

Abb. 3: Übersicht wichtiger Indikatoren für eine nachhaltige Entwicklung (Malley/ Schmidt-Bleek 1995)

287

Ökologische Ökonomie Der erste emsthafte Versuch, eine nachhaltige Entwicklung quantitativ zu definieren, wurde in den Niederlanden mit dem Aktionsplan „Sustainable Netherlands" unternommen. Der „Umweltraum pro Mensch" im Jahre 2010 wird dabei mit dem Umweltverbrauch eines Niederländers in der Gegenwart in Relation gesetzt, um konkrete Umweltziele abzuleiten. Damit soll das Ziel der intergenerativen Gerechtigkeit (normatives Kriterium) erreicht werden, d. h. die Nutzungsrechte an der Umwelt sollen in jeder Generation gleich verteilt sein. Der Umweltraum wird dabei definiert als die Menge an Energie, nicht erneuerbarer Rohstoffe, Wasser, Holz und landwirtschaftliche Flächen, die wir dauerhaft nutzen können. Das Jahr 2010 wird als Zieljahr zum Erreichen eines nachhaltigen Niveaus im Rahmen des Aktionsplans angepeilt. Eine erhebliche Reduzierung des Naturkonsums der Niederländer ist Voraussetzung dafür. Die 1996 erschienene Studie „Zukunftsfähiges Deutschland - Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung" des Wuppertal Instituts, die vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (—>BUND) und Misereor in Auftrag gegeben wurde, formuliert auch für Deutschland entsprechende Umweltziele. Zur Entstehungsgeschichte des Projektes ist zu sagen, daß der BUND eine Anleihe bei den Niederländern gemacht hat. Wesentlich bei der Studie ist die Formulierung der Umweltziele in einem dualistischen Ansatz. In komplementärer Weise wurden dabei zum einen an spezifischen Umweltproblemen eher nachsorgend orientierte Minderungsziele einbezogen und zum anderen allgemeine vorsorgeorientierte Ziele formuliert. Die vorsorgeorientierten Ziele haben die Parameter -»Energieverbrauch, Materialverbrauch und Flächenbelegung zur Grundlage. Eine Reduzierung des Energie- und Materialverbrauchs um durchschnittlich 80% bis 90% bzw. um einen Faktor 5 bis 10 wird als längerfristiges Ziel verfolgt. Die Höhe der Zielsetzungen kann durchaus für utopisch gehalten werden, hält man sich den kurzen zeitlichen Handlungsspielraum vor Augen. Es scheint notwendig zu sein, sowohl einen Handlungsrahmen auf politischer Ebene vorzugeben als auch einen

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ökologische Ökonomie grundlegenden gesellschaftlichen Wertewandel einzuleiten. Neben der Strategie des Wuppertal-Instituts („Zukunftsfähiges Deutschland") zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung existieren noch diverse andere Ansätze: die Studie „Nachhaltiges Deutschland" des Umweltbundesamtes, die Gutachten „Für eine dauerhafte-umweltgerechte Entwicklung" und „Zur Umsetzung einer dauerhaftumweltgerechten Entwicklung" des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, der Zwischenbericht „Konzept Nachhaltigkeit Fundamente für die Gesellschaft von morgen" sowie der Abschlußbericht „Konzept Nachhaltigkeit - Vom Leitbild zur Umsetzung" der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt - Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung" des 13. Deutschen Bundestages, die Initiative „Schritte zur Nachhaltigkeit" des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und schließlich der „National Environmental Policy Plan (NEPP)" der Niederlande. 4.3. Grundlegende Operationalisierungsprobleme Die Ausfuhrungen bezüglich der Schwierigkeiten bei der Operationalisierung beschränken sich auf das Herausstellen zweier grundlegender Probleme. Es handelt sich dabei erstens um die Problematik bzw. Möglichkeit der gleichberechtigten und integrativen Berücksichtigung der drei Dimensionen und zweitens um die Schwierigkeiten resultierend aus dem Postulat der intergenerativen Gerechtigkeit. Immer wieder wird in der Literatur die notwendige Gleichbehandlung der ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimension gefordert, wenn es um den Inhalt einer nachhaltigen Entwicklung geht. Daß dieser formale Konsens jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten im Zuge der Operationalisierung des Leitbildes verbunden ist, läßt sich schon allein an der Tatsache erkennen, daß erstmals im Jahre 1998 durch den Abschlußbericht der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt" ökonomische und soziale Regeln in einem ersten Operationalisierungsschritt formuliert wurden. Bis dahin wurde der Schwerpunkt

Ökologische Ökonomie

der Operationalisierungsbemiihungen auf den ökologischen Aspekt gelegt. Die Zukunft wird zeigen, inwieweit diese vor allem als Anstoß für eine notwendige Debatte in den Wirtschaftsund Sozialwissenschaften gedachten Regeln in weiteren Operationalisierungsschritten konkretisiert werden, um der geforderten Gleichbehandlung der drei Bereiche bei der Operationalisierung einer nachhaltigen Entwicklung gerecht zu werden. Das wohl schwierigste Problem ist im integrativen Lösungsansatz zu sehen, da die innerhalb fachdisziplinärer Grenzen wissenschaftlich bisher ungelöste - und vielleicht auch unlösbare - Aufgabe einer integrativen Zusammenschau der Wertsysteme und Zeitdimensionen von Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft ihrem Wesen nach eben nicht gleichzuschalten sind. Folglich ist die zeitliche und quantitative Umschreibung eines Endzustandes nachhaltiger Entwicklung aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Perspektive unmöglich. Das soll jedoch dem Lernen der einzelnen Bereiche in einem interdisziplinären Diskurs, im Idealfall ein auf Gegenseitigkeit beruhender Prozeß, nicht entgegenstehen, da ein Austausch und ein Aufeinanderzugehen der diversen Wissenschaften für die Konkretisierung des Leitbildes unabdingbar sind. Das Ziel einer Operationalisierung der nachhaltigen Entwicklung sollte sein, einen Mittelweg zwischen quantitativen und qualitativen Zielformulierungen zu finden, die auf der einen Seite einem dynamischen, offenen Entwicklungsprozeß nicht entgegenstehen und auf der anderen Seite die notwendige Bestimmtheit und Eindeutigkeit besitzen, die für eine Operationalisierung des Leitbildes vor allem im ökologischen Bereich von großer Wichtigkeit sind. Die Gerechtigkeit zwischen der heutigen und den künftigen Generationen wird besonders in der Definition der BrundtlandKommission für nachhaltige Entwicklung betont. Zum heutigen Zeitpunkt kann nicht festgestellt werden, welche Bedürfnisse künftige Generationen besitzen und welche Produktionsmöglichkeiten ihnen zur Befriedigung dieser Bedürfnisse zur Verfügung stehen werden. Aus diesem Grund herrscht große Uneinigkeit, wie oder ob überhaupt dieser Aspekt bei der Operationalisierung

Ökologische Ökonomie

miteinbezogen werden soll bzw. kann. Denn in diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob die heutige Generation für die künftige Generation eine Verantwortung trägt. Wird diese Frage bejaht, so wäre der noch verbleibende Handlungsspielraum der heute lebenden Menschen bei den nicht erneuerbaren Ressourcen stark reduziert, angesichts der Prognosen, die einen Anstieg der Weltbevölkerung in etwa dreißig Jahren auf fast zehn Milliarden Menschen vorhersagen. Wird die notwendige Einschränkung bei den nicht erneuerbaren Ressourcen genauer hinterfragt, so steht man vor weiteren Operationalisierungsproblemen, da umstritten ist, inwieweit eine Substitution nicht erneuerbarer Ressourcen durch emeuerbare Ressourcen möglich ist. Wird von einer unvollkommenen Substitutionalität der nicht emeuerbaren Ressourcen ausgegangen, so kann die Frage, mit welcher Rate die nicht regenerierbaren Ressourcen abgebaut werden sollen, unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit prinzipiell nicht beantwortet werden. Denn werden sie abgebaut, so gehen sie für nachfolgende Generationen verloren. Werden sie dagegen nicht abgebaut, hätte niemand einen Nutzen, weder die heutigen noch die zukünftigen Generationen, da sich ja auch die Nachfahren an das Abbauverbot halten müßten. Inwieweit eine zirkuläre Ökonomie und technologischer Fortschritt einen Ausweg aus dieser Dilemmasituation zeigen können, muß abgewartet werden. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe weiterer prinzipieller methodischer Probleme, die bei der Operationalisierung des Sustainability-Konzepts gelöst werden müssen (z. B. in Bezug auf die Tragekapazität der Umwelt). Weiterführende Literatur: Bartmann, H.: Umweltökonomie. Ökologische Ökonomie, Stuttgart 1996; Daly, H. Er. Wirtschaft jenseits von Wachstum, Salzburg/ München 1999; Georgescu-Roegen, N.: The Entropy Law and the Economic Process, Cambridge 1971; Hampicke, U.: Ökologische Ökonomie. Individuum und Natur in der Neoklassik, Opladen 1992; v. Knorring, E.\ Das Umweltproblem als Externalität. ökonomische Ökologie oder ökologische 289

Ökologische Steuerreform

Organisation, ökologieorientierte

Ökonomie? in: Zeitschrift für Umweltpolitik & Umweltrecht, Nr. 4; Pearce, D. WJ Turner, R. K.: The Economies of Natural Ressources and the Environment, London 1990; Rat von Sachverständigen für Umweltfragen. Umweltgutachten 1994/1996, Stuttgart 1994/1996.

abgrenzbar ist. Die Begriffe Ökotop und -»Biotop werden häufig gleichgesetzt, wobei der Begriff Biotop von den Biowissenschaften (als funktionale Einheit) und der Begriff Ökotop von den Geowissenschaften (als kleinste Raumeinheit) verwendet wird.

Dipl.-Oec. J. Schwarzbauer

Ölpest umgangssprachliche Bezeichnung für eine starke marine Verschmutzung durch Erdöl. Bei Ölunföllen bilden sich große zusammenhängende Ölflächen an der Wasseroberfläche, die bei starkem Seegang zu Wasser-inÖl-Emulsionen werden. Große, an die Küste treibende Ölmengen verursachen unvermeidbare Schäden an festsitzenden und weniger beweglichen Organismen im Flachwasser. Die Schädigungen erfolgen durch:

Ökologische Steuerreform —»Finanzreform, Umweltaspekte einer Öko-Marketing —»Marketing, ökologisches

Öko-Ranking Rangfolgenbildung nach ökologischen Kriterien, die u. a. der öffentlichkeitswirksamen Bewertung von -»Umweltberichten dient.

Öko-Rating Finanzwirtschaftliche Bewertung der Bonität von Unternehmen in Hinblick auf ökologische Aspekte.

(1) (2)

unmittelbaren Kontakt insbesondere von Seevögeln mit dem Öl (Verkleben), Aufnahme toxischer Bestandteile des Erdöls direkt oder aus wässriger Lösung.

Flachwassergebiete sind besonders gefährdet, da beim Trockenfallen infolge von Gezeiten Öl in den Untergrund eindringen und somit über Jahre hinweg eine Quelle für weitere -»Umweltschäden sein kann.

Öko-Steuer -»Finanzreform, Umweltaspekte einer Ökosystem ist eine natürliche ökologische Einheit, die aus einer Lebensgemeinschaft (-»Biozönose) und deren Lebensraum (-»Biotop) besteht. Sie bildet ein mehr oder weniger stabiles System (dynamisches Fließgleichgewicht), das durch die Wechselwirkungen zwischen Organismen und biotischen sowie abiotischen Umweltfaktoren gekennzeichnet ist. Ökotop ist eine naturräumliche Grundeinheit, in der biotische und abiotische Faktoren ein Wirkungsgefuge bilden, die als ein Ausschnitt aus der Geobiosphäre in Struktur und Inhalt homogen und somit gegen andere Ökotope 290

Optimierungsprinzip Es lassen sich grundsätzlich zwei Optimierungskalküle unterscheiden. Während beim Maximierungsprinzip bei gegebenen InputFaktoren der Output maximiert werden soll, sieht das Minimierungsprinzip die Minimierung der Input-Faktoren bei gegebenem Output vor.

Organisation, ökologieorientierte Das Problem „ökologieorientierte Organisation" kann sehr unterschiedliche Inhalte und Lösungsansätze umfassen. Das liegt vor allem daran, daß der Begriff der Organisation sowohl institutionell als auch instrumentell verstanden werden kann (s. Schanz), wobei in der instrumentellen Interpretation ebenso die Tätigkeit des Organisierens wie deren Ergebnis gemeint wird.

Organisation, ökologieorientierte Bei einer institutionellen Sichtweise wären nachfolgend die verschiedenen Organisationen zu beschreiben und zu analysieren, die sich mit verschiedenen Aspekten der -•Ökologie beschäftigen, d. h. politische Institutionen, wissenschaftliche Einrichtungen und Vereinigungen, Unternehmen und Verbände aller Art usw. Diese institutionelle Sichtweise soll hier nicht weiter verfolgt werden, es werden aber auch in der vorrangig instrumentellen Sichtweise institutionelle Aspekte berücksichtigt. Als wesentliche Merkmale der Organisation werden die Interaktion von Menschen und/oder Maschinen, die Zielorientierung dieses Interaktionssystems, die Differenzierung und Koordination und die Kontinuität angesehen (s. Schanz). Man unterscheidet fünf Kernelemente der Organisationstruktur und sechs Koordinationsprinzipien (s. Mintzberg). Ausgangspunkt jeder Organisation sind Arbeitsteilung und Spezialisierung, die Koordinations- und Motivationsprobleme hervorrufen, die bezogen auf Unternehmen auf drei Ebenen gelöst werden können: Im Binnenbereich, im zwischenbetrieblichen Bereich und in den wettbewerblichen • Rahmenbedingungen (s. Picot/Dietl/Franck). Diese Rahmenbedingungen sind bei ökologischen Fragen aus verschiedenen Gründen in vielerlei Hinsicht rechtlich fixiert oder formuliert. Als Organisation aus instrumenteller Sicht wird vor allem die Konfiguration der verschiedenen Kernelemente und Prinzipien zu Aufbau- und Ablaufstrukturformen verstanden; die Zahl der möglichen Kombinationen ist auf Grund der Menge der Merkmale und ihrer verschiedenen Ausprägungen so groß, daß eine Einschätzung der Ökologieorientierung für jede der Konfigurationen unterbleiben muß; sie kann nur exemplarisch erfolgen. Eine wichtige Einflußgröße dieser Konfigurationen und der Möglichkeiten und Probleme einer Ökologieorientierung ist die Größe der Organisation: Je größer die Zahl der zu organisierenden Elemente, desto leichter lassen sich spezielle Träger ökologischer Aufgaben und Sichtweisen herausbilden und zwischen ihnen Beziehungen herstellen; anders ausgedrückt haben kleine und mittlere Organisationen oder Unternehmen

Organisation, fikologieorientierte besondere Probleme mit der eigenständigen Ausprägung ökologischer Aufgaben und Fragestellungen, weil vieles in Personalunion gemacht wird und multifunktionale Aufgabenerledigung die Regel ist (s. Kahle). Hier bietet sich unter anderem die Auslagerung von Funktionen auf externe Institutionen wie etwa Berater oder Beraternetzwerke an, um eine kompetente und engagierte Durchführung zu gewährleisten (s. Tischer). Die ökologische Orientierung einer Organisation kann auf zweierlei Weise erfolgen und sichtbar gemacht werden: Sie kann vorrangig über die Ebene der Werte und Normen beeinflußt werden, d. h. man versucht, die Unternehmenskultur in Richtung einer Umweltkultur zu entwickeln (s. Bouncken) oder sie wird über die Zuweisung von Informations,- Weisungs- und Kontrollkompetenzen vorgegeben. Im ersten Fall wird die ökologische Orientierung in den Zielen der Organisation - explizit oder implizit - sichtbar, im zweiten Fall werden Stellen geschaffen, Zuständigkeiten beschrieben und Befugnisse erteilt. Beide Vorgehensweisen sind ohne eine Mitwirkung der Organisationsspitze nicht vorstellbar, aber der kulturorientierte Ansatz läßt sich eher mit einer offensiven ökologischen Strategie verknüpfen, während ein mehr struktureller Ansatz eher auf eine defensive Strategie in Umweltfragen hinweist. Die Wechselwirkungen zwischen Kultur und Struktur sind aber so stark, daß eine reine Orientierung an dem einen oder anderen Ansatz nicht realistisch ist. Eine Verankerung ökologischer Aspekte in der Organisationskultur ist für die ökologische Orientierung einer Organisation besonders wirksam und daher anstrebenswert, aber auch schwierig und nur mit hohem Zeitaufwand zu bewirken. Eine Organisations- oder Untemehmenskultur als System der geteilten Werte und Normen ist - wenn auch oft unmerklich - einem ständigen Wandel unterworfen, dieser Wandel ist aber auf Grund der starken Einflüsse des sozialen Umfeldes auf die Wertvorstellungen der Beteiligten und der affektiv-emotionalen Bindung der Werte und Normen nur in sehr engen Grenzen steuerbar (s. Kahle). Die Vermittlung zusätzlicher oder modifizierter Werte in Richtung des Umweltschutzes kann entweder 291

Organisation, ökologieorientierte durch eine affektiv-gestiitzte, intensive interne -»Kommunikation erfolgen oder durch ein Aufgreifen des in der Gesellschaft zu diesem Thema stattfindenden Wertewandels, das sich in externer und interner Kommunikation, aber auch in Selektions- und Adaptionsprozessen niederschlägt. Um die koordinierende, integrierende und motivierende Wirkung der ökologisch orientierten Organisationskultur (s. Dill-Hügler) entfalten zu können, bedarf es neben des deutlichengesprochenen und gelebten-„commitments" der Leitung auch des „fits" mit den übrigen Erfolgsfaktoren der Organisation (s. Kahle; Krüger). Das „commitment" wird vor allem in symbolträchtigen Handlungen, aber auch im Alltagsleben sichtbar, wenn umweltschonende Aktivitäten deutlichen Vorzug erhalten. Der „Fit" bezieht sich auf die Strategien, Träger, Instrumente und Ressourcen der Unternehmung, die mit der Unternehmenskultur zusammenpassen müssen. Während für die Gestaltung einer ökologisch orientierten Organisationskultur auf der Ebene der Werte und Normen oder der darunter liegenden Grundanschauungen wegen der Vielfalt der zu berücksichtigenden Einflußgrößen kaum konkrete Empfehlungen aussprechen lassen, läßt sich die Existenz einer solchen Kultur auf der Ebene der Symbole (zu dem Ebenen-Konzept der Organisationskultur: s. Schein) relativ gut durch das Vorhandensein von ressourcenorientierten -»Produktdesigns, durch die Fähigkeit zur Einbindung in Wertschöpfungskreisläufe, durch Modularität und Offenheit oder durch Entsorgungsfreundlichkeit und Verbrauchseffizienz identifizieren (s. Bouncken). Diese exemplarisch aufgeführten sichtbaren Eigenschaften, Verhaltensweisen und Artefakte signalisieren die zugrundeliegenden Werte, Normen und Grundanschauungen. Die Sichtbarmachung dieser Werte und Normen in den Organisationszielen setzt prozessual gesehen einen einen mikropolitischen Prozeß voraus, in dem die Ziele der Organisationsmitglieder zu Zielen der Organisation werden (s. Kirsch). Inhaltlich wird die Zielsetzung der Organisation zwangsläufig multivariabel, weil neben das Formalziel und das Sachziel bzw. die Sach- und Formalziele die ökologischen Ziele treten, die nur in einer Mehrzielanalyse aufgearbeitet werden

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Organisation, Bkologieorientierte können (s. Kahle), die in einem linearen Planungsmodell neben ökonomischen Zielen und Nebenbedingungen auch ökologische Ziele und Nebenbedingungen berücksichtigt. Das bedeutet, daß es zwar ökonomische Modelle ohne ökologischen bezug geben kann, daß es aber keine Modelle wirtschaftlich handelnder Organisationen geben kann, die ausschließlich ökologischen Kriterien genügen. Die Beziehungen zwischen den Zielen in einer solchen Mehrzielanalyse können dann entweder über Gewichtung, über Hierarchisierung durch Prioritätsregeln oder über organisatorische Kompetenzenzuweisung geordnet werden. Die Zuweisung von ökologischen Kompetenzen und Verantwortungen in Organisationen erfolgt wie die aller anderen Kompetenzen durch die Leitungsorgane und wird im allgemeinen in einem Organisationsplan festgehalten. Bezüglich der Vergabe ökologischer Kompetenzen gibt es aber eine Reihe gesetzlicher oder gesetzlich fundierter Vorschriften, die die Einrichtung bestimmter Stellen mit ökologischen Befugnissen verlangen. In den meisten Fällen handelt es sich um Betriebsbeauftragte für bestimmte umweltschutzrelevante Teilaufgaben; diese sind im Einzelnen (s. Straile): •



• •

• • •

Der Abfallbeauftragte (nach -»Bundesimmissionsschutzgesetz - BImSchG- , Bundesimmissionsschutzverordnung BImSchV- und —»Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz - KrW-/AbfG); Der Biologische-Sicherheit-Beauftragte (nach -»Gentechnikgesetz und - Gentechniksicherheitsverordnung GenTSV); Der Gefahrgutbeauftragte (nach Gefahrgutbeauftragtenverordnung - GbV); Der Gefahrstoffbeauftragte (nach Chemikaliengesetz - ChemG - und Chemikalienverbotsverordnung ChemVerbotsV); Der Gewässerschutzbeauftragte (nach Wasserhaushaltsgesetz - WHG); Der Immisionsschutzbeauftragte (nach BImSchG und BImSchV); Der Sicherheitsbeauftragte Kerntechnik (nach —»Atomgesetz und Atomrechtli-

Organisation, Skologieorientierte

• •

che Sicherheitsbeauftragten und Meldeverordnung - AtSMV); Der Störfallbeauftragte (nach BImSchG und BImSchV); Der -»Strahlenschutzbeauftragte (nach Atomgesetz und Strahlenschutzverordnung - StrlSchV).

Es gibt eine Reihe weiterer gesetzlich vorgeschriebener Beauftragter, deren Aufgaben aber im Bereich der Arbeitssicherheit oder der Produkthaftung liegen und deshalb hier nicht erwähnt werden, deren Aufgabe aber oft eng mit denen der umweltrelevanten Beauftragten verknüpft sind. Welche der Beauftragten zu bestellen sind, hängt von Branche und Betriebsgröße ab, die Geltung der jeweiligen Gesetze und Verordnungen für die betrachtete Organisation ist zu prüfen. Die Bestellung von Beauftragten entsprechend der jeweils gültigen Vorschriften entlastet die Organisationsleitung nicht von ihrer Gesamtverantwortung, bildet aber eine gewisse rechtliche Entlastungsfunktion. Für die gesetzlich vorgeschriebenen Beauftragten gelten in der Regel Vorgaben bezüglich der Sachkompetenzen, d. h. der Fachkenntnisse und Erfahrungen und Schutzvorschriften hinsichtlich ihrer Stellung im Unternehmen. Neben diesen einzelnen, für klar umrissene und gesetzlich definierte Teilaufgaben Beauftragten bietet es sich an und wird auch vielfach praktiziert, Umweltschutzbeauftragte auf freiwilliger Basis zu bestellen oder sogar ein -»Umweltmanagementsystem einzurichten. Das Aufgabengebiet eines Umweltschutzbeauftragten ist bisher nicht gesetzlich normiert und umfaßt die Wahrnehmung aller umweltrelevanten Belange, die ihm von der Unternehmensleitung übertragen werden. Die Einrichtung eines umfassenden Umweltmanagementsystems - eine Öko-Audits und dessen -»Zertifizierung nach - » E M A S oder - » I S O 14000 - soll hier nicht vertieft werden. Die Aufgaben eines Umweltschutzbeauftragten sind, unabhängig von ihrem Umfang und Ausmaß, organisatorisch gesehen Querschnittsaufgaben, d. h. sie entsprechen in ihrer Reichweite und Gliederung nicht der üblichen Verrichtungs- oder Objektorientie-

Organisation, Skologieorientierte rung (s. Kosiol) oder einem der anderen Analyse- und Synthesekriterien, sondern greifen über die Strukturen und Abläufe der Primärorganisation hinweg. Da diese Aufgaben sich zugleich an anderen Zielen - einer anderen Teilmenge von Zielen aus dem Gesamtzielsystem der Organisationorientieren als die Aufgaben, die in der Primärorganisation strukturiert sind, müssen die notwendigen Informations-, Entscheidungs- und Weisungskompetenzen für den oder die Umweltbauftragten festgelegt werden. In der weit verbreiteten Stab-LinienOrganisation mit einer eindimensionalen Linienstruktur, der für Informations-, Planungs- und Kontrollzwecke Stäbe beigefügt sind, läßt sich das Aufgabenfeld des Umweltschutzbeauftragten als weitere Stabsaufgabe einfügen, das wegen seiner umfassenden Wirkung und der Zielorientierung im Regelfall bei der Organisationsspitze angehängt ist. Bei einer mehrköpfigen Organisationsspitze, etwa einem Vorstand von fünf Personen, dürfte sich die Eingliederung bei dem Vorstandsmitglied anbieten, bei dessen Ressort die meisten Umweltprobleme entstehen, was in den meisten Fällen der Fertigungsbereich sein wird. Dem Umweltschutzbeauftragten auf der gesamtorganisatorischen Ebene werden bei größeren Organisationen Umweltschutzbeauftragte - zum Teil in Nebenfunktion - auf den unteren Ebenen in Form einer Stabshierarchie nachgeordnet sein. Bei dieser reinen Stabslösung haben die Umweltschutzbeauftragten formal gesehen - nur Informationsrechte, die auch Vorschläge und Kontrollen umfassen können; Entscheidungen und Weisungen müssen über die Linie umgesetzt werden. Wenn die ökologische Orientierung in der Organisation personell unterschiedlich verteilt ist, bedeutet das eine relativ schwache Durchsetzungsposition der ökologisch orientierten Umweltschutzbeauftragten gegenüber den an anderen Zielen sich orientierenden Linienvorgesetzten. Wenn die Organisation in ihrer Grundstruktur hingegen schon mehrdimensional, z. B. als Matrixorganisation, angelegt ist, dann bietet es sich an, den -»Umweltschutz als

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Ozon weitere organisationale Dimension mit eigener Entscheidungs- und Weisungskompetenz einzurichten, die dann mit anderen Kompetenzen in Konflikt kommen kann, der in geordneten Verfahren zu handhaben ist. Eine solche Mehrfachzuweisung von Kompetenzen zerstört zwar die Einheitlichkeit der Auftragserteilung (s. Fayol), wird aber der gleichberechtigten Berücksichtigung verschiedener Aspekte bei einer Problemlösung besser gerecht. Die praktische Umsetzung solcher konkurrierenden Kompetenzen geschieht über Anhörungsrechte, Mitzeichnungsrechte oder Vetorechte. Eine Anbindung auf der höchsten Organisationsebene ist zwar auch in diesem Fall wünschenswert, aber nicht zwingend erforderlich, da die Zuweisung von Befugnissen die Durchsetzungsmöglichkeiten der jeweiligen Zielvorstellungen eröffnet. In der Praxis werden meistens Mischlösungen der Stabs- und Matrixstruktur vorgenommen; formal wird die Stab-Linien-Struktur vorgegeben, innerhalb derer aber weitergehende Mitwirkungsrechte erteilt werden. Weiterführende Literatur: Bouncken, R. B.\ Umweltkultur pflegen. Programm für eine erfolgreiche Umsetzung einer umweltorientierten Untemehmenskultur, in: (o. Hrsg.), Qualität und Zuverlässigkeit, 9/ 99, o. O 1999; Dill, PJ Hügler, G.: Untemehmenskultur und Führung betriebswirtschaftlicher Organisationen, in: Heinen, E. (Hrsg.), Unternehmenskultur. München/ Wien 1987; Fayol, H.\ Allgemeine und industrielle Verwaltung, o. O., 1929; Kahle, E.\ Unternehmensführung und Untemehmenskultur, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 58. Jg., o. O. 1988; Kahle E.: Unternehmenskultur und ihre Bedeutung für die Unternehmensführung, in: Zeitschrift für Planung, o. O. 1991; Kahle, E.\ Organisation der Mittelständischen Unternehmung, in: Frese, E. (Hrsg.): Handwörterbuch der Organisation, Stuttgart 1992; Kahle, £.: Betriebliche Entscheidungen, 5. Aufl., München 1998; Kirsch, W.: Entscheidungsprozesse, Bd. III, Wiesbaden 1971; Kosiol, E.\ Organisation der Unternehmung, Wiesbaden 1962; Krüger, W.: Unternehmenskultur. Ein strategischer Erfolgsfaktor? in:

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Ozonloch Krüger, W. (Hrsg.), Gießener Management, Workshop '88, Strategischer Erfolg und Unternehmenskultur, Gießen 1988; Mintzberg, H.: The Structuring of Organizations. Englewood Cliffs, N. J. 1979; Picot, A.I Dietl, H.I Franck, E.-. Organisation. Stuttgart 1997; Schanz, G.: Organisation, in: Frese, E. (Hrsg.), Handwörterbuch der Organisation, 3. Aufl., Stuttgart 1992; Schein, E. H.: Organizational Culture and Leadership, 2. ed., San Francisco 1992; Straile, F.: Betriebsbeauftragte in der gewerblichen Wirtschaft. BetriebsBerater, 54. Jg., Heft 41, Beilage 13, o. O. o. J.; Tischer, R. Gr. ökologische Berater. Netzwerke. Ein Beratungsmodell zur Förderung einer ökologieorientierten Verhaltensausrichtung kleiner und mittlerer Unternehmen, Baden-Baden 1994. Prof. Dr. E. Kahle

Ozon (Chemische Formel: Oj) wird infolge der Sonneneinstrahlung gebildet und dient in der Höhe von ca. 12 bis 50 km als natürliches Schutzschild vor ultravioletter Strahlung. Schädigungen der Ozonschicht werden als -»Ozonloch bezeichnet. Bis zu einer Höhe von ca. 12 km wirkt Ozon als Treibhausgas und trägt somit zu einer Verstärkung des -•Treibhauseffektes bei. Insbesondere bei hohen Abgaskonzentrationen (v. a. in Ballungsräumen durch Autoabgase) in Verbindung mit Inversionswetterlagen und starker Sonneneinstrahlung steigt die bodennahe Ozonkonzentration, was zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann. —»Smog

Ozonloch Umgangssprachlicher Ausdruck für die Schädigungen der natürlichen Ozonschicht durch verschiedene Gase (z. B. —>FluorkohIenwasserstoffe). Folgen der Ozonschichtschädigungen sind der Anstieg der Hautkrebsrate, die Zunahme von Augenkrankheiten, die Schwächung des Immunsystems, die Beeinträchtigung der Photosynthese und die Reduzierung des Planktons in den Weltmeeren.

Partizipation, im Umweltschutz

Portfolioanalyse, ökologieorientierte

P Partizipation, im Umweltschutz Einbeziehung der Mitarbeiter im Unternehmen zur Erreichung einer möglichst hohen Effizienz eines -»Umweltmanagementsystems. Im umweltrechtlichen Sinne Mitbestimmung aller sich einbringenden Personenkreise. —»Mikropolitik und -»Umweltschutz

PEC Engl. Abk. für: Predicted Environmental Concentration, auch EEC (Estimated Environmental Concentration). PEC bezeichnet die geschätzte Konzentration eines Stoffes in der -»Umwelt mit dem Ziel der Expositionsermittlung/—»Risikoabschätzung umweltgefährdender Stoffe.

Pfand Entgelt, das der Käufer eines Produktes zusätzlich für die Verpackung zu entrichten hat, welches ihm bei Rückgabe rückerstattet wird (z. B. Mehrwegflasche).

Photovoltaik bezeichnet die Gewinnung von Elektrizität aus Sonnenenergie. -»Solarenergie

Pigou-Steuer Von A. C. Pigou 1920 entwickeltes allokationstheoretisches Instrument, das die durch -»externe Effekte hervorgerufenen sozialen Zusatzkosten in den zu entrichtenden Preis integriert. Die Realsierung der Pigou-Steuer trifft auf große Schwierigkeiten. Problematisch sind insbesondere die verursachergerechte Kostenanlastung und die monetäre Bewertung externer Effekte sowie die dynamische Anpassung des Steuersatzes an sich ändernde exteme Kosten. -»Internalisierung

Portfolioanalyse, ökologieorientierte Auf der Grundlage der Erfassung interner und externer Schlüsselfaktoren stehen Unternehmen bei der strategischen Analyse im —»Umweltmanagement vor der Aufgabe, ihre ökologische Strategieposition zu bestimmen. Im Rahmen der strategischen Planung ist Ende der 70er Jahre die sog. -»Portfolioanalyse entwickelt worden, bei der die strategischen Geschäftseinheiten eines Unternehmens anhand untemehmensexterner und -interner Erfolgsfaktoren beurteilt und in einer Portfolio-Matrix zusammenfassend dargestellt werden. Anhand der PortfolioPositionen können Nonnstrategien für einzelne Geschäftseinheiten abgeleitet werden, so daß die Relation zwischen Erfolgsbeitrag und Risiko für alle Geschäftseinheiten im Gesamtportfolio verbessert werden kann. Meffert et al. haben Mitte der 80er Jahre den Ansatz der Portfolioanalyse auf die Situationsanalyse im Umweltmanagement übertragen. Verschiedene Autoren haben den Ansatz des Öko-Portfolios aufgegriffen und weiterentwickelt. Die Grundüberlegungen des Öko-Portfolios setzen an einer Verknüpfung von ökonomischen und ökologischen Erfolgs- und Risikofaktoren an, anhand derer Geschäftseinheiten oder Produktgruppen beurteilt werden, um auf dieser Grundlage ökologieorientierte Normstrategien abzuleiten. Auf der Ebene der bestehenden Produkte, Produktgruppen oder strategischen Geschäftseinheiten kann eine ökologieorientierte Portfoliobetrachtung in Abhängigkeit der Dimensionen relative Vorteile ökologieorientierter Verhaltensweisen (Gewinnverbesserung, Deckungsbeitragserhöhung, Marktanteilserhöhung, Imageverbesserung in Relation zum Hauptwettbewerber) und der aus der -»Beschaffung, Produktion, Verwendung und Beseitigung des Produktes resultierenden Umweltgefährdung zur Konkretisierung der Strategieposition und Ableitung strategischer Stoßrichtungen (sog. Normstrategien) herangezogen werden.

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Portfolioanalyse, ökologieorientierte Grundsätzlich sind an die Analyseeinheiten (Geschäftseinheiten, Produktgruppen, Produkt) der Portfolioanalyse, die gleichen Anforderungen zu stellen, wie sie im Rahmen der traditionellen Portfolioanalyse gefordert werden. Als Anforderungskriterien für die Bildung der Geschäftseinheiten sind die Marktaufgabe, Eigenständigkeit und der Erfolgspotentialbeitrag zu nennen. Unternehmen in ökologisch betroffenen Branchen müssen den umweltbezogenen Herausforderungen vielfach in einem wettbewerbsintensiven Konkurrenzumfeld begegnen. Somit sind die Vorteile ökologieorientierter Maßnahmen mit Bezug zum Hauptkonkurrenten zu bestimmen, um die Wettbewerbsposition langfristig abzusichern. Insofern wird mit Hilfe eines Öko-Portfolios der Versuch unternommen, die besondere Bedeutung der wettbewerbsstrategischen Ausrichtung des Umweltmanagement im Planungsansatz zu berücksichtigen. Die Operationalisierung der Dimension »Umweltgefährdung« wirft allerdings Probleme auf. Aufgrund des aktuellen Wissensstandes kann der Einfluß der jeweiligen Unternehmensaktivitäten auf die -»Umwelt in der Regel nur unvollständig erfaßt werden. Diese Größe kann z. B. als Index, ausgehend vom —»Stand der Technik unter Berücksichtigung der gesellschaftsbezogenen Umweltschutzansprüche, das Ausmaß aktueller und potentieller negativer Auswirkungen der strategischen Geschäftseinheiten auf das ökologische System wiedergeben. Schaltegger und Sturm operationalisieren den Umweltgefährdungsgrad durch den sog. Schadschöpfungs-Index. Dieser Index erfaßt die über eine gesamte Wertschöpfungskette (inkl. der Nutzungsphase von Produkten) entstehenden Umwelteinwirkungen in die Medien —»Boden, Wasser und Luft. Über ein Gewichtungsmodell, in dem alle Umwelteinwirkungen nach ihrer relativen Schädlichkeit im jeweiligen Umweltmedium und für den Menschen gewichtet und über alle unterschiedlichen Einwirkungsarten addiert werden, wird ein Gesamtindex gebildet. Vielfach ist die Schädlichkeit der Umwelteinwirkungen Gegenstand einer wissenschaftlich kontroversen Diskussion. Da keine hinreichenden wissenschaftlichen Erkennt-

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Portfolioanalyse, ökologieorientierte nisse vorliegen, sollten auch die subjektiven Urteile verschiedener —»Anspruchsgruppen (z. B. -»Greenpeace) in die Beurteilung des Umweltgefährdungsgrades der Geschäftsbereiche einbezogen werden, weil durch eine öffentlichen Diskussion um Problemstoffe die Marktattraktivität eines Geschäftsbereiches erheblich eingeschränkt werden kann, obwohl nach objektiven Erkenntnissen der Umweltgefährdungsgrad nicht so hoch einzustufen wäre. Die Dimension »Umweltgefährdung« bringt damit den Chancen- bzw. Risikoaspekt - und damit eine hohe bzw. geringe zukünftige Marktattraktivität - der Geschäftsbereiche zum Ausdruck. Die Verknüpfung der ökologischen Beurteilung mit einer ökonomischen Erfolgsdimensionen wird in dem dargestellten ÖkoPortfolio (Abb. 1) durch die relativen Vorteile ökologieorientierter Verhaltensweisen zum Ausdruck gebracht. Die Operationalisierung dieser „relativen Vorteile" setzt voraus, daß im Vergleich zum Hauptwettbewerber mögliche Problemlösungen zur Verringerung des Umweltgefährdungsgrades der bestehenden Geschäftsfelder in ihren ökonomischen Erfolgswirkungen abgeschätzt werden. Zu den Erfolgswirkungen sind sowohl die psychographischen (Bekanntheits-, Einstellungs-, Zufriedenheits- und Vertrauenswirkungen bei betroffenen Zielgruppen) wie auch die ökonomischen Erfolgswirkungen (Marktanteil, Rendite, Shareholder Value) z. B. in Form eines Punktbewertungsmodells zu berücksichtigen. Gerade der in der klassischen Portfolioanalyse hergestellte Bezug zum Wettbewerb führt auch im ÖkoPortfolio zu einer wettbewerbsstrategischen Beurteilung des umweltorientierten Unternehmensverhaltens, wodurch Unternehmen angeregt werden, proaktiv Wettbewerbsvorteile durch eine umweltgerechtere Ausrichtung der Geschäftsbereiche zu erschließen. Dies erfordert ein ökologisches -»Benchmarking, in dem auch die Hauptwettbewerber hinsichtlich ihrer umweltorientierten Verhaltensweisen analysiert und bewertet werden. Schaltegger/Sturm vernachlässigen die Wettbewerbsdimension und schlagen eine Beurteilung von Geschäftsbereichen bzw. Produkten nach dem absoluten Dekkungsbeitrag vor, wodurch weniger Infor-

Portfolioanalyse, ökologieorientierte

Partfolioanalyse, Ökologieorientierte

mationen für die Erstellung des Portfolios bereitgestellt werden müssen, allerdings auch

keine wettbewerbsstrategische Implikationen abgeleitet werden können.

Beispiel eines Öko-Portfolios Positionsabsicherung durch Innovationsstrategie

u

M W E L T G E F A H R D U N G

Positionsabsicherung durch kostenminimale Anpassung

RELATIVE VORTEILE ÖKOLOGIEORIENTIERTEN V E R H A L T E N S I und II:

Entwicklungspfade

) Kreisgrösse gibt z.B. Deckungsbeitrag an

Abb. 1: Beispiel eines Öko-Portfolios

Für die Position in den einzelnen Quadranten lassen sich tendenziell die in der Abbildung dargestellten Normstrategien ableiten: Sind die wettbewerbsbezogenen Vorteile aus einer Ökologieorientierung langfristig gering und der negative Einfluß der Geschäftsfelder (SGE 3) auf die Umwelt eher gering einzuschätzen, so ist eine Fortführung der bisherigen Marketingpolitik unter eventueller Anpassung an gesetzliche Umweltschutzanforderungen möglich. Ist hingegen bei geringen relativen Vorteilen ein hoher Grad an Umweltgefährdung erkennbar, so ist die Position durch Minimierung der Kosten für die Berücksichtigung ökologischer Belange abzusichern (SGE 1) oder im Falle dekkungsbeitragsschwacher Geschäftsfelder ein Rückzug aus dem Marktsegment vorzunehmen (SGE 2).

Für Geschäftsfelder, deren Umweltgefährdungspotential eher niedrig ist, die aber hohe Anreize für eine Integration ökologischer Komponenten bieten, empfiehlt sich die Erarbeitung von Lösungsmöglichkeiten bei ökologischen Problemstellungen zur wettbewerbsbezogenen Profilierung und Differenzierung (SGE 5). Bei der Position der Erringung großer Vorteile aus der Ökologieorientierung bei einem gleichzeitig hohen Maß an Umweltgefährdung durch Beschaffung, Produktion und Absatz ist durch eine Intensivierung der Umweltschutzbemühungen ein situationsadäquates Ökologiemix zur Positionssicherung aufzubauen (SGE 4). Aufgrund der hohen Umweltgefährdung ist in diesen Bereichen die Berücksichtigung gesetzlicher Umweltschutzanforderungen in der Regel bereits zwangsläufig realisiert worden.

297

Portfolioanalyse, ökologieorientierte Die gekennzeichneten Entwicklungspfade verdeutlichen, daß die aus ökologieorientierten Verhaltensweisen resultierenden Vorteile aufgrund von Me-too-Strategien der Konkurrenz gerade in Märkten mit hoher Konkurrenzintensität (z. B. Waschmittelmarkt) nur für einen bestimmten Zeitraum aufrechtzuerhalten sind (Entwicklungspfad I). Andererseits bedarf es einer kontinuierlichen Bewertung des Umweltgefahrdungspotentials einzelner Geschäftseinheiten. Mit der Weiterentwicklung des Stands der Technik und neuen Untersuchungen über umweltbelastende Stoffe müssen u. U. bereits abgesicherte Positionen wieder als relativ umweltgefährdend eingestuft werden (Entwicklungspfad II). Auch können sich die Geschäftsfelder in Richtung größerer relativer Vorteile ökologieorientierten Verhaltens bewegen. Dieses ist zum Beispiel denkbar, wenn Unternehmen, die sich ohnehin stark umweltbewußt verhalten, in einem solchen Bereich umweltgerecht agieren, der erst einige Zeit später durch -»Anspruchsgruppen aufgegriffen und in den Medien publik gemacht wird. Das Unternehmen kann sich dann als Pionier oder Problemlöser in diesem spezifischen Bereich positionieren. In dem von Schaltegger/Sturm entwickelten Öko-Effizienz-Portfolio werden Geschäftsbereiche bzw. Produkte nach den Dimensionen ihres Schadschöpfungsindexes und dem absoluten Deckungsbeitrages abgebildet. Als Normstrategien haben sie in Anlehnung an die klassische Portfolioanalyse die Portfoliopositionen der Green Question Marks, Green Stars, Black Dogs und Black Cash Cows unterschieden (Schaltegger/ Sturm 1995). Der Wettbewerbsbezug findet bei diesem Öko-Portfolio keine direkte Berücksichtigung, so daß die strategische Erfolgsposition der Geschäftseinheiten durch die Portfoliopositionen nicht hinreichend repräsentiert wird. Somit ist das Öko-Effizienz-Portfolio durch eine sich anschließende Wettbewerbsanalyse zu ergänzen. In einer zusammenfassenden Würdigung ist festzustellen, daß das Instrument des ÖkoPortfolios als strategisches Analyseinstrument einen Gesamtüberblick über die Ge298

Portfolloanalyse, ökologieorientierte schäftseinheiten eines Unternehmens bietet und bei der Ableitung von Prioritäten bezüglich der Ausrichtung von Geschäftseinheiten eine erste Orientierung liefern kann. Durch die graphische Aufbereitung der Positionen der Geschäftseinheiten wird die integrierte Ausrichtung des Unternehmens im Umweltmanagement gefördert und die abteilungsübergreifende -»Kommunikation über Umweltschutzmaßnahmen angeregt. Dies unterstützt den Querschnittscharakter des Umweltmanagement. Der der Portfolioanalyse zugrundeliegende Gedanke eines Risikoausgleichs findet dabei allerdings nur eingeschränkte Berücksichtigung, weil Unternehmen in ihren Kalkülen keine Mischung zwischen Geschäftsbereich mit hohen und geringem Umweltgefährdungsgrad anstreben sollten. Vielmehr ist der Umweltgefährdungsgrad aller Geschäftsbereiche möglichst auf ein gesellschaftlich oder wissenschaftlich akzeptiertes Ausmaß zu verringern. Als größtes Problem bei der Erstellung eines Öko-Portfolios ist die Operationalisierung der Portfoliodimensionen zu nennen. Letztlich setzt die Erstellung eines Öko-Portfolios die Erstellung von Öko-Bilanzen, Anspruchsgruppenanalysen und -»Risikoanalysen voraus. In der Darstellung des ÖkoPortfolios wird beim Umweltgefährdungsgrad die zeitliche Dynamik der gesellschaftlichen Entwicklung von Umweltschutzansprüchen nicht explizit abgebildet. Weiterhin stellt sich die Frage, ob die für die Erstellung eines Öko-Portfolios verwendeten Dimensionen Bezüge zu strategischen Erfolgsfaktoren aufweisen. Vielfach sind eine Reihe weiterer Faktoren für die langfristige Entwicklung der Geschäftsbereiche zu berücksichtigen, die im Öko-Portfolio nicht berücksichtigt werden. Keine Hilfestellung liefert die Portfolioanalyse für zu generierende neue Geschäftseinheiten, weil von den bestehenden marktbezogenen Tätigkeitsfeldern ausgegangen wird. Sofern bestehende Geschäftseinheiten langfristig im Öko-Portfolio keine strategische Erfolgsposition behaupten können, sind neue Geschäftsfelder zu erschließen. Weiterführende Literatur: Freimann, J.\ Betriebliche Umweltpolitik, Bern u. a. 1996; Meffert, HJ Bruhn, MJ

Produktdesign, ökologisches

Produktdesign, Ökologisches

Schubert, FJ Walter, T.: Marketing und Ökologie, in: Die Betriebswirtschaft, 46. Jg., o. O. 1986; Meffert, H./ Kirchgeorg, M.\ Marktorientiertes Umweltmanagement, 3. Aufl., Stuttgart 1998; Steger, U., Umweltmanagement, Frankfurt/Wiesbaden 1993; Schaltegger, St./ Sturm, A.\ Öko-Effizienz durch Öko-Controlling, Stuttgart 1995. Prof. Dr. M.

Kirchgeorg

Produktdesign, ökologisches In diesem Stichwort stehen die Produkte selbst auf dem „ökologischen Prüfstand". Denn es sind letztlich die Produkte selbst, die die Stoff- und Energieströme entlang ihres Lebensweges verantworten. Für das ökologische Design derselben sind insbesondere Aspekte der Produktnachfrage, des Gebrauchs, des -»Recyclings und der Verwertung bzw. -»Entsorgung zukünftiger Produkte von Bedeutung. Ökologisches Design meint hierbei mehr als „Hüllenmacherei", es umschreibt vielmehr die gemeinsamen Anstrengungen von Designern, Kaufleuten und Technikern um „ökologisch vernünftige" Produkte. Idealerweise ist ökologisches Design „unsichtbar", weil sich die Methoden des „ökologischen Designs" nicht auf Nischenprodukte beziehen, sondern umsetzungsfähige Hinweise für möglichst viele Produkte mit längerer Lebensdauer und reduzierten Stoff- bzw. Energieströmen liefern. Dabei trifft die Entwicklung der Methoden des ökologischen Designs gerade in Deutschland auf eine lange, wenn auch nicht ungebrochene Tradition um eine sozialverantwortliche Gestaltung von Produkten: „ Übersehen wir nicht die gesellschaftliche Wirkung der Industrieware, ihren Einfluß auf Denken, Empfinden und Tun der Käufer, Verkäufer und Hersteller. Im Schlechten wie im Guten weckt jedes Erzeugnis vielerlei Vorstellungen und Ansprüche. Umgang mit den Dingen ist wie der mit Menschen. Er kann anregen, fördern, aber auch lähmen und abstumpfen, er kann Halt geben und Haltung aber auch zerstören. Aus Lust und Liebe am Werk danach zu handeln ist jene industrielle Verantwortung, die wirtschaftliche Erwägungen umfassender und weitrei-

chender abzeichnet und die als Wille zur Qualität dem Unternehmen Inhalt und Stärke gibt" (Wilhelm Wagenfeld, 1954). 1. Design: Ein Thema des betrieblichen Umweltschutzes? Ist Design nicht ein relativ betriebsfremder und zudem kostenintensiver Aspekt, der für die meisten Unternehmen weitab der Arbeitsziele des Betriebsalltags liegt? Selbst in den Unternehmen und Branchen, in denen Produktdesign jetzt schon eine größere Rolle spielt, wird Design in erheblichem Umfang von Ingenieuren und Konstrukteuren im Rahmen ihrer täglichen Arbeit „miterledigt". Oder anders gefragt, was können so verschiedene Produkte wie Haushaltsgeräte und Industriemaschinen, etwa Kühlschrank und Drehbank, mit „ökologischem Design" zu tun haben? Hinzu kommt die auf den ersten Blick widersprüchliche Verknüpfung von -•„Ökologie" und „Design" in diesem Begriff. Wer verbindet mit „ökologisch" nicht das früher meist graue, unansehnliche Umweltschutzpapier oder Produkte aus Recyclaten, die so „richtig" eigentlich keiner gebrauchen kann? Für den Begriff „Design" ist es genau umgekehrt. Hervorgerufen durch alltägliche Anschauungen von so genannten Design(er)produkten, die ihre Andersartigkeit gegenüber konventionellen Produkten, ihre „Exklusivität" (zu einem meist entsprechenden Preis) einer offensiv beworbenen Verbindung mit entsprechenden „exklusiven" Firmen- und/oder Designernamen verdanken. Wenngleich der Markt für DesignerProdukte erheblich gewachsen ist, bleibt es aber auch heute noch ein überschaubarer Kreis von Personen, die Designer-Produkte zur persönlichen „Gestaltung" ihres Lebensstils einsetzen können. Diese weitverbreitete Vorstellung von Design betont die „Andersartigkeit" entsprechender Designer-Produkte und läßt sich am besten mit dem Begriff des „Produktstylings" umschreiben, der nicht selten mit einer Strategie der Produktvariation einhergeht. Aber genau das ist ökologisch bedenklich und um diese Produkte bzw. dieses Verständnis von Design geht es in diesem Stichwort nicht. D. h. aber auch, daß es gerade bei den Methoden/Instrumenten zum „ökologischen Design" notwendig ist, überholte (Alltags-)

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Produktdesign, ökologisches Vorstellungen über Design (und auch über Designer!) über Bord zu werfen und sich auf eine offene Diskussion mit dieser Berufsgruppe einzulassen, die ihre professionsspezifischen Arbeits- und Marktchancen hat. Ökologisches Design ist, wie das -»Umweltmanagement auch, eine betriebliche Querschnittsaufgabe, die nur durch die Kooperation von Betriebswirten, Ingenieuren und Designern zum Vorteil für Unternehmen und -»Umwelt gelöst werden kann. In der Betriebswirtschaftslehre wird gerne von „Fach- und Machtpromotoren" bei der Durchsetzung von Innovationen in der Betriebsorganisation gesprochen. Die einen wissen „wie es geht", die anderen können dafür oder dagegen abschließend entscheiden. Die Verwirklichung einer „Nachhaltigen Entwicklung" bedarf des Blickes auf das Ganze, auf Produktlebenszyklen wie auf kulturelle Entwicklungen. -»Marketing und F & E sind einerseits zwar sehr weit fortgeschritten, andererseits aber auch durch ihre unternehmenszentrierten Blickwinkel geprägt. Der gestaltende Blick auf Produkte und ihre marktliche und gesellschaftlich/kulturelle Bedeutung kann ökologisch orientierten Designern im Unternehmen (oder als externe Berater) die Rolle von „Nachhaltigkeits-Promotoren" zuschreiben. Mit anderen Worten, während bei Ingenieuren und Betriebswirten die Problembewältigung bei der Entstehung eines Produktes im Vordergrund steht („Denken in Problemen"), denken Designer genau umgekehrt („Denken in Lösungen"). Ausgehend von einem ersten („idealen") Entwurf für ein Produkt, der von möglichen betrieblich/marktlichen Restriktionen abstrahiert und Aspekte wie „Nachhaltigkeit" und „funktionale ästhetische Qualität" in den Vordergrund rückt, kann nunmehr versucht werden, das „Ideal" der Produktionsrealität schrittweise anzupassen. Unschwer nachzuvollziehen, daß sich in den seltensten Fällen der „ideale E n t w u r f durchsetzen läßt. Andererseits ist aber auch festzuhalten, daß hierdurch eine Vielzahl von neuen Wegen bei der Entwicklung neuer Produkte beschritten werden kann, die bei der Vielzahl betrieblicher „Sachzwänge" gar nicht zur Diskussion gelangt wären.

300

Produktdesign, ökologisches Wie kann man jetzt aber die bis hierher skizzierten Vorstellungen von „ökologischem Design" konkretisieren? Das International Council of Societies of lndustrial Design (ICSID) nähert sich in seinem Begriff von „Industriedesign" bereits sehr dem hier gemeinten Verständnis von Design: Industriedesign „ist eine schöpferische Tätigkeit, deren Ziel es ist, die formalen Eigenschaften jener Objekte festzulegen, die die Industrie produziert. Diese formalen Eigenschaften umfassen nicht nur äußere Aspekte, sondern betreffen auch ganz wesentlich die strukturellen und funktionalen Elemente, die aus einem System für den Hersteller und Benutzer eine geschlossene Einheit machen" (ICSID). Industriedesign bezeichnet damit folglich nicht nur Aspekte der Produktästhetik, sondern bezieht auch die Festlegung von Materialauswahl und Produktionfunktion mit ein. Dabei ist die wesentliche Funktion des (Industrie-) Designs in der Wirtschaft, für den Absatz der Produkte, d. h. insbesondere für die Durchsetzung gegenüber Konkurrenzprodukten zu sorgen. Umweltmanagement ist aber nichts anderes als ein ganzheitliches, ökologisch/ökonomisch effizientes Konzept der —»Untemehmensführung, daß die strategischen Entscheidungen der Produktentwicklung umfaßt. Dabei ist für wirtschaftlich erfolgreiches ökologisches Design aber nicht ausschließlich das fertige Produkt selbst von Bedeutung. Neben den „wirklich vorhandenen" Eigenschaften/Funktionen eines Produktes (etwa einer Kaffeemaschine) kommt es wesentlich auf das Qualitätsurteil des Konsumenten im Rahmen seiner Kaufentscheidung an (Kommunikationsfunktion des Produktdesigns). Mit anderen Worten, wie der mögliche Konsument das Produkt aufgrund seiner eigenen Erfahrungen und Einstellungen beurteilt. Die individuellen Auswahlprozesse der Kaufentscheidung des Konsumenten sind mindestens genauso wichtig wie das Produkt selbst. Aus unternehmerischer Sicht ist gutes Design in der Lage, die vermutete Einstellung der Konsumenten zu einem Produkt anzusprechen. Qualität meint in diesem

Produktdesign, Ökologisches

Produktdesign, ökologisches

Zusammenhang die Beziehung zwischen wahrgenommenen Produkteigenschaften und den aus den Bedürfnissen des Konsumenten resultierenden Anforderungen an ein Produkt. Dabei bezieht sich das „Qualitätsurteil des Konsumenten" auf eine Anzahl von Teilqualitäten eines Produktes, deren Kombination ein „Qualitätsbündel" bildet. An dieser Stelle ist die „Theorie des Qualitätsbündels" hilfreich, um das Gesagte zu verdeutlichen. Nach Leitherer (1991) lassen sich die folgenden Qualitätskategorien eines Produktes unterscheiden:

nomische sowie die ökologische Qualität als stofflich-energetisch beeinflußbare Zielgrößen im Zentrum der Bemühungen. Am Ende des Stichwortes wird aber auch noch auf die bis dato sehr vernachlässigte und meist langfristig nachfragewirksame ästhetischkultureller Qualität von Produkten an Hand eines Beispiels eingegangen. Wie sehr die unterschiedlichen Voraussetzungen der Wahrnehmung der o. g. Teilqualitäten auseinandergehen können, wird bereits durch die unterschiedlichen „Weitetendenzen" im ->Konsumentenverhalten deutlich.



Gebrauchstechnische Qualität Funktionstüchtigkeit, Anwendungstauglichkeit, Leistungsfähigkeit, Bedienbarkeit, Haltbarkeit eines Produktes;

Hinsichtlich des Konsumentenverhaltens lassen sich idealtypisch folgende aktuelle Wertetendenzen ausmachen, die für die Absatzchancen ökologischer Produkte von großer Bedeutung sind:



Gebrauchsökonomische Qualität Diese ist eng mit der gebrauchstechnischen Qualität verbunden und kann als deren monetäre Bewertung umschrieben werden. Preis-LeistungsVerhältnis, Betriebskosten j e Leistungseinheit;



Hedonismus Gegenwartsorientierter, genußfreudiger Konsumstil;



Individualität Selektiver, auf Abgrenzung ausgerichteter Konsumstil, Konsum mit indentitätsstiftender Funktion;



Kennerschaft An die Stelle des bloßen Besitzens tritt Kennerschaft, Symbolisierung für „kleine Unterschiede";



Neue Bescheidenheit Konsumstil, der das Einfache, Schlichte und Natürliche als subtile Form der Statussymbolik zum Inhalt hat;



Authentizität;



Originalität und Ursprünglichkeit dominieren diesen Konsumstil;



Preisbewußtsein;



Qualitätsbewußtsein;



Gesundheitsbewußtsein;







ökologische Qualität beschreibt die Umweltverträglichkeit des Produktes. Zu unterscheiden ist zwischen der objektiven Umweltverträglichkeit eines Produktes und der subjektiv wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen Umweltverträglichkeit; Ästhetisch-kulturelle Qualität beschreibt die subjektive, gesellschaftlich und kulturkreisspezifisch geprägte Empfindung eines Produktes als mehr oder weniger „schön" (stilorientierte Geschmacksnormen, Mode); Soziale Qualität bezieht sich auf den subjektiv wahrgenommenen und beurteilten Grad der Eignung eines Produktes, einen Beitrag zur gesellschaftlichen Anerkennung seines Besitzers zu leisten (Produkte als Status-, Prestigesymbole).

Im Rahmen des „Ökologischen Designs" stehen die gebrauchstechnische und -öko-

301

Produktdesign, ökologisches Hierbei ist wichtig festzuhalten, daß diese Konsumstile nicht statisch festgeschrieben sind, sondern dynamischen Veränderungen unterworfen sind. Dies ist u. a. auch in engem Zusammenhang mit der Rolle des Handels bei der Vermarktung ökologischer Produkte zu sehen. Hier reicht eine Typologie von „Umweltignoranten, Umweltdiplomaten bis zu den Umweltinnovatoren und Umweltfreaks". Sowohl die Skizze der Typologie der Konsumstile, wie die der ökologischen Handlungstypen im Handel haben gezeigt, daß „Ökologisches Design" für umweltorientierte Unternehmen ein in Zukunft immer wichtiger werdendes Element einer auf innovative Produkte zielenden ökologischen Untemehmensführung sein muß. Im Zentrum dieses Stichworts stehen damit letztlich die betriebswirtschaftlichen Chancen ökologischen Produktdesigns, die nach einer Phase diverser „Kinderkrankheiten" in der Produktion und im Handel neue Märkte versprechen. 1.1. Begriff „ökologisches Design" Design ist im Unternehmen ein Teilbereich der Produktpolitik. Folglich jene unternehmerische Entscheidung, die sich auf die Marktbildung und Marktbeeinflußung, auf die physischen Eigenschaften eines Produktes einschließlich seiner Markierung und Verpackung und auf die Konzeption produktbegleitender Zusatzleistungen (sowie auf Produktprogramme) bezieht. ökologisches Design ist die am stofflich/energetischen —»Produktlebenszyklus orientierte Gestaltung und Festlegung von Eigenschaften eines Produktes. Neben den Anforderungen des Gebrauchs (etwa Langlebigkeit) und den Bedürfnissen der Gebraucher (beispielsweise Funktionalität, Produktimage) werden im Rahmen des Designprozesses die Produkteigenschaften aus dem Blickwinkel der Rohstoffgewinnung bis zur Verwertung/Entsorgung im Sinne einer Nachhaltigen Entwicklung definiert. Ökologische Designprozesse schließen ökonomische Fragestellungen etwa im Sinne von Eigentum versus Leasing zukünftiger Produkte ein. 302

Produktdesign, ökologisches Gutes ökologisches Design ist grundsätzlich „unsichtbar". Nicht ein ästhetischer oder sozialer Zusatznutzen steht im Mittelpunkt der Bemühungen, sondern umweltverträgliche(re) Produkte, die sich „nahtlos" in die Produktwelten verschiedener Konsumentengruppen einfügen, einerlei ob als Besitz („Leasing") oder Eigentum (Kauf). In einer Übergangsphase mögen diese Produkte auch auf einen „Imagefaktor" beim Konsumenten zielen (ausgefallene Formgestaltung, Kennzeichnung durch ein Label), der aber nur ein zeitlich befristeter Ausweg aus den z. Z. meist noch höheren Erzeugerpreisen darstellt. Idealerweise bleibt ökologisches Design aber „unsichtbar" und bedarf keiner besonderen Produktmerkmale. Hier besteht die Möglichkeit etwa über die Produktqualität selbst oder eine —•Umweltberichterstattung des entsprechenden Unternehmens, umweltverträgliche Produkte mit dem Unternehmensimage zu assoziieren. Ob dieses Ziel erreicht werden kann hängt davon ab, inwieweit es gelingt, Designer, Techniker und Kaufleute „an einen Tisch" zubringen. Kein leichtes Unterfangen, da jede Berufsgruppe für sich eigene Kommunikationsstile pflegt, unterschiedliche „Weltsichten" mitbringt und wechselseitig Zugeständnisse machen muß. In einem Klima gegenseitigen Interesses vom anderen lernen zu wollen und dem Ziel „vermeidbare Umweltbelastungen vermeiden zu wollen" dennoch eine realistische Perspektive. Der Produktentwicklungsprozeß beginnt als „offene" Konzeptionalisierung einer Produktidee. An dieser Stelle steht noch nicht das konkrete Produkt im Vordergrund, sondern die „Botschaft" die von ihm ausgehen soll. In einer offenen Diskussion sind hier die Einflußmöglichkeiten der verschiedenen Fach- und Entscheidergruppen im Betrieb (Techniker, Kaufleute, Designer) am größten. Nach Auswahl eines Produktkonzeptes folgt die Phase der Realisierung in der in detaillierten Schritten die ökonomischen und technologischen Aspekte der Produktion und des Produktes definiert werden. Was kann ökologisches Design hinsichtlich der Entwicklung neuer Produkte leisten? Welche Aspekte sind konkret zu berücksich-

Produktdesign, ökologisches

Produktdesign, ökologisches

in allen Phasen des Produktlebenszyklus, Substitution endlicher durch regenerative -»Energieträger, Erschließung neuer Einsatzfelder für alternative - » Energien;

tigen? Damit sind die Grundprinzipien ökologischen Designs angesprochen. 1.2. Prinzipien ökologischen Designs Die Integration und Organisation lebenszyklusorientierter, ökologischer Anforderungen in die Design-Aufgabenstellung stellt die zentrale Problemstellung des ökologischen Designs im Unternehmen dar. Die durch Konsumgüter verursachten Umwelteingriffe hängen grundlegend von Entscheidungen im Rahmen der Produktentwicklung ab. Diese legen nicht nur die Umweltaspekte fest, die im unmittelbaren Einflußbereich des Unternehmens liegen (etwa Produktionsverfahren), sondern auch deren vor- und nachgelagerte Stufen (z. B. Rohstoffgewinnung, -»Recycling, Entsorgung). D. h. vor allem auch, daß im Sinne eines präventiven Umweltschutzes im Betrieb bereits bei der Gestaltung der Produkte mögliche Umweltbelastungen in allen Phasen des -»Produktlebenszyklus zu analysieren und Alternativen abzuwägen sind, die die wenigste -»Umweltbelastung zur Folge haben. Im folgenden werden die wichtigsten ökologischen Designprinzipien, die sich aus der Sichtweise eines ökologischen Produktlebenszyklus ergeben, aufgeführt: •





Materialeffizientes Design Optimierung des Materialeinsatzes durch Werkstoffsubstitution, Leichtbau, zuschnittgerechte Formgebung, Miniaturisierung (versus Demontagefreundlichkeit), Multifunktionalität und Simplifizierung (Beschränkung auf wesentliche Funktionen); Materialgerechtes Design Vorzug regenerierbarer vor nichtregenerierbaren Materialien, Erschließen neuer Einsatzfelder für regenerierbare Materialien, Verzicht auf bestandsgefährdete Tier- und Pflanzenprodukte, Einsatz lokaler Materialien, Einsatz von Sekundärrohstoffen und Kongruenz von Material- und Produktwertigkeit; Energieeffizientes Design Reduzierung des -»Energieverbrauchs



Schadstoffarmes Design Schadstoffarme Materialauswahl (etwa Vermeidung von Schwermetallen) und Vermeiddung schadstoffhaltiger Hilfsstoffe;



Abfallvermeidendes derndes Design;



Langlebiges Design Vermeidung von Wegwerf- und Einmalprodukten, Verwendung hochwertiger, reparaturfähiger Materialien, stabile Konstruktionsprinzipien, Modulardesign, zeitbeständiges Design („Patinaeffekt") und hohen Bedienungs- und Nutzungskomfort;



Recyclinggerechtes Design Demontagefreundliches Design, Werkstoff-, Bauteil- und Gerätekennzeichnung, recyclinggerechte Materialauswahl (stoffliche Verwertung), Verringerung der Materialvielfalt, Vermeidung von Verbundwerkstoffen und Integration von Anforderungen der Wiederverwendung und -Verwertung;



Entsorgungsgerechtes Design Vermeidung von Materialien, deren Entsorgung mit umweltbelastenden -»Emissionen verbunden ist, Einsatz biologisch abbaubarer Materialien und Kennzeichnung sowie Separierbarkeit von Schadstoffen;



Logistikgerechtes Design Reduzierung von Produktvolumen und -gewicht, Reduzierung von Verpakkungsvolumen und -gewicht sowie logistikgerechte Formgebung.

bzw.

-vermin-

Diese Prinzipien des ökologischen Designs sind dabei als Entwicklungsparameter aufzufassen, die im Rahmen des Designprozesses als Entwicklungsziele bzw. -felder zu verstehen sind. 303

Produktdesign, ökologisches 1.3. ökologisches Design in der Praxis Die Umsetzung ökologischen Designs in der Praxis ist eine Managementaufgabe. Dabei ist festzuhalten, daß in noch viel zu wenigen Unternehmen „Industriedesign" überhaupt eine Rolle spielt, was nicht zuletzt auch im Alltagsverständnis von „Design als Produktstyling" vieler betrieblicher Entscheider liegt. Vielerorts ist man zudem sehr damit beschäftigt, die -»Organisation des Betriebsablaufes nach ökonomischen und ökologischen Kriterien zu bewerkstelligen, so daß Fragen des Produktdesigns in den Hintergrund geraten können. Oftmals werden Designer „nur" als externe Berater hinzugezogen oder sind in der Unternehmensorganisation auf der Fach- nicht aber auf der Entscheiderebene verankert.

Produktdesign, ökologisches Ist aber die Entscheidung getroffen worden, sich um ein möglichst ökologisches Design der Produkte zu bemühen, sich „an einen Tisch mit Designern zu setzen", ist es einerseits wichtig eine „gemeinsame Sprache" zu finden, anderseits aber auch aus der Unterschiedlichkeit der Standpunkte gemeinsam zu lernen. Damit es dazu kommen kann, ist es notwendig, die unterschiedlichen Arbeitskontexte von Designern einerseits, und Betriebswirten, Ingenieuren und Juristen andererseits gegenüberzustellen. Deshalb wird im folgenden eine Skizze der verschiedenen Herangehensweise an dem gemeinsamen Nenner „Produkt" dargestellt, auf der dann die betrieblichen —»Instrumente des ökologischen Designs - die von einfachen Checklisten bis zur aufwendigen Integration von Umweltbilanzdaten reichen können aufbauen.

Abb. 1: Betriebliches Kommunikationsfeld „Öko-Design"

Während bei Designern das Produkt (ganzheitlich) als Informations- und Funktionsträger das Arbeitsziel darstellt, steht bei den Überlegungen der übrigen Betriebspraktiker das Produkt als Mittel zur Erreichung der (letztlich monetären) Unternehmensziele 304

bzw. Bewältigung der arbeitsteiligen Arbeitsaufgabe im Vordergrund. Die Hintergrundkontexte sind sehr verschieden: während Designer gesellschaftliche und kulturelle Zusammenhänge von Produkten schwerpunktmäßig thematisieren, steht, etwa

Produktdesign, ökologisches bei Betriebswirten ein eventueller Markterfolg, auf der Basis vergangener Umsatzerfolge (-mißerfolge), im Vordergrund. Die in der Abbildung zentralen Arbeitsziele des Industriedesigns gehen auf eine Konzeptualisierung von Dieter Rams zurück (1993) und betonen die Sichtweise „Produkt als Ziel". Im System Wirtschaft wird „das Produkt als Mittel (zur Zielerreichung)" aufgefaßt, das unter den Rahmenbedingungen der Konkurrenz, eines entsprechenden Rationalisierungsdrucks und der Konsumentenentscheidung ein Mittelcharakter zukommt. Mit anderen Worten, die „Welt der Designer ist die Welt der Produkte, während die Welt der übrigen Betriebspraktiker eine Welt des möglichst wirtschaftlichen Produzierens und Verkaufens ist". Bei letzteren stehen die Unternehmensziele (etwa Rentabilität) bzw. die arbeitsteilig definierten Arbeitsaufgaben im Vordergrund, während bei Designern die Gestaltung als ganzheitliche Aufgabe im Zentrum steht. Dies kann dazu führen, daß man „aneinander vorbeiredet". Das „ideale Vorschläge" mit sog. „Sachzwangargumenten" bereits im Ansatz erstickt werden. Ein fataler Fehler, wenn man ökologisches Design nicht als Innovationsprozeß begreift, der einen wichtigen Beitrag zur Unternehmensrentabilität leisten kann. Für eine Verwirklichung der Prinzipien des ökologischen Designs in der Praxis ist die Abschätzung der möglichen Umweltauswirkung eines Produktes notwendig. Hierfür ist die aufwendige und kostenintensive Aufstellung einer Produktökobilanz möglich. Ist die Erstellung einer solchen Produktökobilanz aus Kosten- und Zeitgründen nicht möglich, können Checklisten weiterhelfen. Diese können sie gemeinsam erarbeiteten, ober aber auf vorhandene Vorschläge zurückgreifen. So hat das Deutsche Institut für Normung (-»DIN) hat einen Leitfaden für die Berücksichtigung von Umweltschutzaspekten bei der Entwicklung neuer Produkte erarbeitet:

Produktdesign, ökologisches



Die Minimierung des Ressourcen- und Energieverbrauchs ist bereits bei der Produktentwicklung und deren Normung zu beachten. Der Einsatz von Umwelt- bzw. gesundheitsgefahrdeten Stoffen sollte ganz vermieden, bzw. wenn nicht vermeidbar, begrenzt werden.



Auch mögliche Umweltbelastungen durch vorhersehbare nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch sind zu berücksichtigen.



Beim Einsatz und Verbrauch von Ressourcen und -»-Energie sind mögliche -»Kombinationswirkungen zu berücksichtigen. Ziel ist hierbei das Gesamtrisiko der Umweltbelastungen zu minimieren.



In allen Lebensphasen der Produktentwicklung sind logistische Aspekte und ihre Umweltwirkungen zu beachten.



Die Grundsätze der VDI-Richtlinie 2243 „Konstruieren recyclinggerechter technische Produkte" sind zu beachten. Diese Richtlinie unterstützt sie bei der Auswahl geeigneter Werkstoffe, einer demontagegerechten Konstruktionsplanung und der Planung der Herstellung aufbereiteter Produkte.



Gebrauchsanleitungen sollen Hinweise für die umweltgerechte Anwendung und Entsorgung der Produkte enthalten.



Kennzeichnung der Produkte in Hinblick auf ihre Umwelteigenschaften.

Der Erfolg von ökologischem Design hängt im wesentlich von der Positionierung desselben in ihrer Hierarchie ihrer Unternehmensziele ab. Wie weit dieser Erfolg tragen kann, zeigt das folgende Beispiel aus der Praxis. 2. (Ökologisches) Design hat Geschichte und ist Bestandteil der (Unternehmens-) Kultur Am Ende des Kapitels steht die Abbildung von zwei unscheinbaren Gebrauchsgeräten des Alltags: Die Salz- bzw. Pfefferstreuer „Max & Moritz" der WMF AG (Geislin305

Produktdesign, ökologisches

gen/Steige). Sie wurden in den 50er Jahren von dem Bauhauskttnstler Wilhelm Wagenfeld (1900-1990) entworfen, dem bedeutensten deutschen Industriedesigner des 20. Jahrhunderts. Sie sind ein Paradebeispiel für ökologisches Design, lange bevor man darüber explizit diskutiert hat. Und vor allem: Sie wurden über Jahrzehnte hinweg in sehr hohen Stückzahlen verkauft und sind zum Markenzeichen der WMF in den 50er bis 70er Jahren geworden. Die Streuer bestehen aus Glas und Cromargan einem aus dem Chemieanlagenbau stammenden, nicht rostenden Edelstahl (18/8. später 18/10 Chromnickelstahl).

Produktdesign, ökologisches

nicht modische Form, zeitbeständiges Design und nicht zuletzt hohe Funktionalität. Sie sind insbesondere auch ein gutes Beispiel für die deutsche Tradition des Industriedesigns, die vom Werkbund (1907), über das Bauhaus (1919) und zur Ulmer Schule (1955) reicht. In keiner dieser Institutionen wurde zwar von ökologischem Design im heutigen Sinne gesprochen, aber die Grundprinzipien ökologischen Designs fanden sich dort in den Maximen einer sozialverantwortlichen Gestaltung wieder. Mit Hinweis auf das einleitende Zitat von Wilhelm Wagenfeld wird deutlich, daß die Realisierung einer Nachhaltigen Entwicklung neben „betriebstechnischen" Bemühungen von Kaufleuten, Technikern und Designern insbesondere auch eine kulturelle Herausforderung darstellt. ökologisches Produktdesign determiniert nicht nur Stoffkreisläufe, sondern ist mitverantwortlich für die Produktkultur oder „Unkultur" einer Volkswirtschaft. Einerseits haben Unternehmern damit die Chance, ihrer kulturellen Verantwortung gerecht zu werden, wie andererseits die Konsumenten über ihre Nachfrage entscheiden, wie „weit" die Unternehmern im Prozeß des nachhaltigen Wirtschaftens gehen können.

Photo 1: Salz- und Pfefferstreuer „Max und Moritz" der WMF AG, entworfen von Wilhelm Wagenfeld 1952/53 Der aufwendig zu produzierende Schraubverschluß wurde durch einen neuartigen Schnappverschluß ersetzt, die verengende Form des Glases verhindert das Klumpen von Salz oder Pfeffer durch den Gebrauch des Streuers. Das Material des Deckels vermied die bis dato auftretenden Korrosionsprobleme (Grünspan). Maßgebend fiir den Verkaufserfolg dürfte aber das Design der Streuer gewesen sein, die eine angenehme, attraktive Form haben und gut in der Hand liegen („haptische Qualität"). Die Aspekte des ökologischen Designs dieser Streuer lassen sich zusammenfassend wie folgt skizzieren: langlebig, reparaturfähig, Verzicht auf Verbundwerkstoffe und Kunststoffe, vollständig recycelbar, moderne, aber 306

Weiterführende Literatur: Burschel, CJ Manske, B. (Hrsg.): Zeitgemäß und zeitbeständig. Industrieformen von Wilhelm Wagenfeld, 2. Aufl., Bremen 1999; Burschel, C.: Wilhelm Wagenfelds Streuerentwürfe für die WMF AG als Vorbilder nachhaltigen Designs, in: Design + Design, Heft 47, Hamburg 1999; Hansen, U.: Ökologisches Marketing im Handel, in: ökologisches Marketing, hrsg. von Brandt, A. et al., Frankfurt/New York 1988; Leitherer, E.: Industriedesign. Entwicklung. Produktion. Ökonomie, Stuttgart 1991; Mana, J.\ Design. Formgebung industrieller Produkte, Reinbek 1978; Rams, D.: Die Zukunft des Designs, in: Rams, D. (Hrsg.): Weniger, aber besser, Hamburg 1995; Triebet, D:. Ökologisches Industriedesign. Rahmenfaktoren. Möglichkeiten. Grenzen (Diss.), Wiesbaden 1997; Zentralstelle zur Förderung Deutscher Wertarbeit e. V./ Arbeitskreis ßir industrielle

Produkthaftungsgesetz

Puffersysteme

Formgebung im BDI (Hrsg.): Gestaltete Industrieform in Deutschland. Eine Auswahl formschöner Erzeugnisse auf der Deutschen Industrie-Messe, Hannover 1954; Düsseldorf 1954. Dr. C. Bursche!

Produkthaftungsgesetz Abk.: ProdHaftG; regelt die sog. Produkthaftung, auch als Herstellerhaftung, Produzentenhaftung oder Warenhaftung bezeichnet. Bei der bestimmungsgemäßen Nutzung eines Produktes haftet der Produzent für Schäden aus der Benutzung eines von ihm in den -»Verkehr gebrachten fehlerhaften Produkts. Die Produkthaftung ist eine verschuldensunabhängige Haftung und gilt für Personen- und Sachschäden.

Produktionsplanung, umweltgerechte ist eine produktionsprozeßbezogene Planung mit dem Ziel der Minimierung des Verbrauchs an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen und der im Produktionsprozeß entstehenden Schad- und —»Reststoffe.

Produktlebenszyklus bezeichnet den Lebensweg eines Produktes von der Entwicklung über die Produktion und Nutzung bis zur Verwertung und -»Ent-

sorgung. Der Produktlebenszyklus wird zur Grundlage unterschiedlicher Instrumente gemacht, wie z. B. Absatz- und Kostenplanung. Im Gegensatz zur Betrachtung lediglich der Marktphase eines Produktes, werden auch Kosten in die Planung aufgenommen, die vor der Produktionsphase (Forschungsund Entwicklungskosten) bzw. nach Ende der Nutzungsphase entstehen (z. B. Entsorgungsgebühren). Über diese -»Lebenszyklusanalyse kann die umweltrechtliche Produktverantwortung in das unternehmerische Kalkül integriert werden.

Property-Rights Engl, für Verfugungs-, Dispositions- und Handlungsrechte. Die Idee des Property Rights-Ansatzes besteht darin, Güter als Bündel von Rechten und den Tausch von Gütern als Tausch von Rechtsbündeln aufzufassen. Der Ansatz geht v. a. auf A. Alchian und H. Demsetz zurück, welche in den späten 60er Jahren an die Theorien von R. Coase anknüpften.

Puffersysteme Teile eines -»Ökosystems, die in ihrer Gesamtheit störende Einwirkungen abfangen, abschwächen oder kompensieren.

307

Qualitätssicherung

Ressourcenökonomik

Q Qualitätssicherung Maßnahmen der Überwachung des Produktionsverfahrens und der Betriebs- bzw. Unternehmensorganisation zur kontinuierlichen Sicherstellung zugesicherter Produkteigen-

schaften. Kann im Rahmen einer (freiwilligen) Zertifizierung nach ISO 9000 manifestiert werden.

R Recycling Wiederverwendung und Weiterverwertung von Produkten und Kondukten. Umweltpolitisches Leitbild ist die geschlossene -»Kreislaufwirtschaft, —»Downcycling

Regenerationsfähigkeit Fähigkeit eines Systems zur natürlichen Wiedererlangung eines Gleichgewichtszustandes.

Regenerationsrate Die Regenerationsrate mißt die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Wiederherstellung eines systemischen Gleichgewichts in einem definierten Systemabschnitt oder in einem ganzen System.

Ressourcen, natürliche sind alle diejenigen Stoffe, die seitens der Natur bereitgestellt werden und für menschliche Zwecke nutzbar gemacht werden können. Man unterscheidet erneuerbare Ressourcen, die etwa innerhalb von wenigen Monaten bis zu einigen Jahren nachwachsen können (z. B. Holz) bzw. unbegrenzt verfügbar sind (z. B. Sonnenenergie) und nichterneuerbaren Ressourcen, deren Vorkommen begrenzt ist (z. B. Erdöl). Im streng naturwissenschaftlichen Sinne wachsen auch

heute noch Kohlelager oder Mineralölvorkommen nach, doch sind die dabei relevanten Prozesse erst über Hundertausende oder gar mehrere Millionen Jahre relevant, so daß sie aus einer menschlichen Perspektive als „nicht-emeuerbar" gelten können. —»Ressourcenökonomik, —»Ressourcenpolitik

Ressourcenökonomik 1. Gegenstand Natürliche Ressourcen sind alle diejenigen Stoffe, die seitens der Natur bereitgestellt werden und grundsätzlich für menschliche Zwecke nutzbar gemacht werden können. Die Spannbreite reicht vom Kupfererz oder Erdgas über tierische oder pflanzliche Nahrungsmittel bis hin zu Holz oder Sonnenlicht. Die Ressourcenökonomik betrachtet einerseits die optimalen Nutzungsstrategien von natürlichen Ressourcen, andererseits analysiert sie die institutionellen Bedingungen und Chancen, daß eine marktwirtschaftliche Ordnung derartige Nutzungsprofile erreicht. Methodisch entstammt sie der MikroÖkonomik, angewandt auf intertemporale Allokationsfragen, wobei eventuell der Dynamik des Nachwachsens eine zentrale Rolle zukommt. Die für die Analyse einfachsten natürlichen Ressourcen sind diejenigen, die innerhalb kurzer Perioden, etwa innerhalb eines Jahres, 309

Ressourcenökonomik reifen und wegen eines gegebenen natürlichen Rhythmus zur Ernte kommen. Dies ist typisch für die Mehrzahl der landwirtschaftlich angebauten Güter wie Getreide, Kartoffeln oder Gemüse. Wenn der angemessene Erntezeitpunkt aus einfachen Gründen vorgegeben ist, benötigt man keine eigenständige Ressourcenökonomik: Die konventionelle statische MikroÖkonomik reicht als Theorie aus. Kennzeichnend für die interessante Ressourcenökonomik sind demgegenüber Fragestellungen wie „Ist Förderung einer Tonne ö l heute oder morgen besser?" oder „Soll ein Baum heute gefällt werden oder soll er noch zehn Jahre wachsen?" Übertragen auf die realen Märkte wird somit beispielsweise das Anbieterverhalten der OPEC-Staaten auf dem Weltölmarkt oder eine optimale steuerliche Belastung von Waldbesitzem untersucht. Aus pragmatischen Gründen wird in der Ressourcenökonomik nach emeuerbaren Ressourcen, die etwa innerhalb von wenigen bis zu einigen hundert Jahren nachwachsen können, und nach nicht-emeuerbaren Ressourcen unterschieden. Im streng naturwissenschaftlichen Sinne wachsen auch heute noch Kohlelager oder Mineralölvorkommen nach, doch sind die dabei relevanten Prozesse erst über Hundertausende oder gar mehrere Millionen Jahre relevant, so daß sie aus einer menschlichen Perspektive als „nichterneuerbar" gelten können. Die theoretische Analyse in der Ressourcenökonomik entspricht dem Vorgehen in der Physik, die oftmals wichtige Einsichten ableitet unter der Annahme, daß etwa der Luftwiderstand Null sei. Auch wenn diese Annahme im realen irdischen Leben kaum zutreffend ist, können die mit dem einfachen Modell gewonnenen Einsichten bereits sehr nützlich sein. Vor einer realen Umsetzung müssen sie natürlich durch schrittweise Anpassung an die reale Komplexität angepaßt werden. Ähnlich sind die oft drastisch vereinfachenden Annahmen der Basismodelle der Ressourcenökonomik zu interpretieren. 2. Nutzung nicht-erneuerbarer Ressourcen Nicht-erneuerbare Ressourcen finden sich in für wirtschaftliche Zwecke hinreichend konzentrierter Form in Sedimenten oder 310

Ressourcenökonomik Gesteinsformationen in einem der drei Aggregatszustände, d. h. in fester oder flüssiger Form oder als Gas. Die wirtschaftliche Nutzung derartiger Ressourcen kann zum einen in Form einer endgültigen Umwandlung in ein danach nicht mehr nutzbares Gut erfolgen, wie es beispielsweise bei der Verbrennung von Öl, Erdgas oder Steinkohle geschieht, die in ->Wärme (letztlich auf Umgebungstemperatur) und CO2 umgewandelt werden und dadurch nicht mehr als -»Energieträger zur Verfugung stehen. Zum anderen kann die Nutzung durch eine physikalisch-chemische Umwandlung erfolgen, bei der letzten Endes die ökonomisch interessanten Moleküle oder Atome nach wie vor auf der Erde „vorhanden" sind und nach erfolgter Nutzung grundsätzlich über einen Trennungs- und Wiederaufbereitungsprozeß rezykliert werden können: Derartige Nutzungen betreffen etwa Metalle wie Kupfer oder Eisen. Bei den letztgenannten Ressourcen ist wegen der bestehenden Rezyklierungsmöglichkeit die intertemporale —»Allokation komplexer zu analysieren. Ob ein in der Erdkruste vorkommendes Material als natürliche Ressource ökonomisch bedeutend sein kann, hängt natürlich von den verfugbaren Techniken ab: Vor der Entdeckung der Kernspaltung und deren Umsetzung in kontrollierte Formen in einem Kernreaktor war Uran lediglich ein interessanter Lasurzusatz für Keramiken, nicht jedoch ein Energieträger. Dasselbe gilt für Förder- und Aufbereitungstechniken, die über die effektive Möglichkeit bestimmen, ein vorhandenes Material zu wirtschaftlich tragbaren Bedingungen auch zu nutzen. Die heute bekannten und wirtschaftlich gewinnbaren Reserven eines Rohstoffs sind das Ergebnis eines Explorationsprozesses über Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte bei gleichzeitigem Abbau dieser Rohstoffe. Die sogenannte statische Reichweite gibt an, wie viele Jahre die heutigen Reserven (So) bei konstanter heutiger Förderung (q 0 pro Jahr) reichen; sie beträgt offensichtlich: Tstat=So/qo. Die dynamische Reichweite gibt die Zahl der Jahre an, die ab heute mit konstanter

Ressourcenökonomik Wachstumsrate ansteigender Förderung [q,=q 0 exp(wt)] durch die Reserven gedeckt sind; sie beträgt: Tdyn=[ln(W' So+qo)- In qo]/w.

Ressourcenökonomik bieten) zwei Dimensionen von Ressourcenverfügbarkeit ins Spiel kommen, wird die Abstufung im sogenannten McKelvey-Diagramm verdeutlicht.

Dabei reichen bereits geringe Wachstumsraten, um die dynamische Reichweite stark gegenüber der statischen zu verkürzen. Ist etwa So=1000 und die Jahresförderung qo=20, so beträgt die statische Reichweite 50 Jahre, wohingegen bereits bei einer jährlichen Wachstumsrate von 5% die dynamische Reichweite nur noch 25 Jahre beträgt.

In der Abbildung 1 sind horizontal die zunehmende Unsicherheit der Informationen und vertikal die immer ungünstigeren wirtschaftlichen Gewinnungsbedingungen aufgetragen. Reserven sind demnach nur die bei heutigen Wirtschaftlichkeitsparametern und gewissen sicheren Kenntnissen über die Vorkommen verfügbaren Rohstoffe.

Da es offensichtlich aus der Sicht eines Ressourcenanbieters häufig unökonomisch ist, heute Investitionen in Probebohrungen und Erschließungen von Feldern zu tätigen, die erst in 50 Jahren benötigt werden, ist die statische Reichweite allein keine verläßliche Meßziffer für die Knappheit von Ressourcen. Beispielsweise lag sie bei Mineralöl bereits in den zwanziger Jahren bei unter 30 Jahren, ein Wert, der Ende der siebziger Jahre wieder erreicht wurde. Ende der neunziger Jahre erreichte die Quote aus Reserven und Jahresproduktion wieder Werte um 40 Jahre, obwohl die kumulierte Förderung in den 10 Jahren zwischen 1987 und 1996 rund 25% der Reserven von 1987 aufgebraucht hatte: Die Neuentdeckungen und Neubewertungen von Feldern auch dank neuer Fördertechniken hatten die Reserven ansteigen lassen.

Auch wenn man diese reale Schwankungsbreite der sogenannten „Reserven" akzeptieren muß, geht man für eine theoretische Analyse im ersten Schritt davon aus, daß ein fester Ressourcenvorrat gegeben sei, der mit bekannten Förderkosten genutzt werden kann. Die Allokationsaufgabe lautet dann, die verfügbaren Einheiten so auf der Zeitachse aufzuteilen, daß eine möglichst „gute" Allokation entsteht. Offensichtlich hängt die Lösung davon ab, welche Zielfunktion zu maximieren ist (Gewinnmaximierung eines Ressourcenanbieters oder Nutzenmaximierung eines repräsentativen Individuums, Bewertung von Unsicherheit in der Zielfunktion, Abwägung zwischen Gütern heute und morgen durch die sogenannte Abdiskontierungsrate, ...), welche Substitutionsmöglichkeiten zwischen der Ressource und anderen Inputfaktoren im Produktionsprozeß bestehen (Existenz eines perfekten Substituts (sog. Backstop-Technologie), so daß langfristig ganz auf die Ressourcennutzung verzichtet werden kann, begrenzte Substituierbarkeit durch Sachkapital, das durch Akkumulation aufgebaut werden kann, Übergang auf Bestände mit höheren Förderkosten, ...), ob Rezyklierungsmöglichkeiten bestehen oder nicht, welcher Zeithorizont zugrunde gelegt wird.

Da bezüglich: •



der -»Wirtschaftlichkeit (Förder- und Transportkosten, Einsatzmöglichkeiten in Produktionsprozessen); der Sicherheit der heutigen Information (Größe des bereits genutzten Fördergebiets, Dichte von Explorationsbohrungen, Vermutungen auf Grund von Erfahrungen mit anderen fördernden Ge-

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Ressourcenökonomik

Ressourcenfikonomik

Identifiziert Nachgewiesen Gemessen Indiziert

S tfl o er » 3> o er

Schlußgefolgert

Nicht identifiziert Hypothetisch Spekulativ in bekannten Gebieten

Reserven

Marginal

Grenzreserven

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Submarginal

S VI »ET

Ressourcenbasis

Zunehmender Grad an geologischer Sicherheit Abb. 1: McKelvey-Diagramm zur Abgrenzung von Reserven und Ressourcen

3. Nutzung von nicht-rezyklierbaren Ressourcen Im folgenden soll unterstellt werden, daß eine in der Natur vorkommende Ressource durch die menschliche Nutzung in eine danach nicht mehr nutzbare Form umgewandelt wird, d. h. sie wird tatsächlich auf der Erde „verbraucht". Beispielsweise werden Energieträger durch Nutzung tatsächlich unausweichlich in Formen umgewandelt, die fur industrielle und andere menschliche Nutzungen nicht mehr bedeutend sein können und schließlich als Wärme in das Weltall abgestrahlt. Rezyklierung ist für -»Energie nicht möglich. Dadurch wird eine eindeutige intertemporale Entscheidung zwischen Nutzung heute bzw. morgen relevant.

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Aus ökonomischer Sicht ist es dann angebracht, nach intertemporalen Effizienzbedingungen zu fragen. Ein Nutzungspfad heißt effizient dann, wenn die Steigerung der Konsummöglichkeiten (Nutzenmöglichkeiten) in einer Periode nur möglich ist, wenn in einer anderen Periode Konsumverzicht (Nutzenverluste) in Kauf genommen werden müssen. Andernfalls wäre es j a möglich, eine Generation besser zu stellen, ohne eine andere zu belasten. Wenn der Nutzen nur von den materiellen Konsummöglichkeiten abhängt, verlangt die erste Effizienzbedingung natürlich, daß die Ressource über den Zeithorizont vollständig genutzt werden soll. Im folgenden betrachten wir zunächst den Fall, daß eine Ressourcennutzung ohne

Ressourcenökonomik gravierende Umwelteffekte möglich ist, so daß eine vollständige Bestandsleerung über den Zeithorizont effizient ist. Zur Vereinfachung seien die Förderkosten mit Null angenommen. Wenn die Ressource (R) als Input in einen Produktionsprozess genutzt wird, in dem auch Sachkapital (K) als weiterer Faktor eingesetzt wird, gibt es zwei Handlungsoptionen gegenüber der Zukunft: Nutzung der Ressource heute verschlechtert die zukünftigen Produktionsmöglichkeiten, Aufbau zusätzlichen Sachkapitals verbessert diese. Das effiziente Substitutionstempo von Ressourcen durch Kapital wird durch die sogenannte Hotelling-Regel gegeben: Da die gesamtwirtschaftliche Produktionsfunktion F die Produktionsfaktoren „R" und „K" enthält, soll die Grenzproduktivität der Ressource F r in der Zeit mit einer Wachstumsrate ansteigen, die durch die Grenzproduktivität des Kapitals F K bestimmt ist: „Wachstumsrate von FR" = „F K ", was eine kontinuierliche Steigerung des K/RVerhältnisses erfordert. Für den Fall hinreichend „schöner" Substitutionsmöglichkeiten zwischen Ressource und Kapital läßt sich eine einfache Substitutionsregel ableiten, die eine konstante Güterproduktion auf ewig ermöglicht: Lautet die Produktionsfunktion für das Nettosozialprodukt Y = F(K,R) = K a -R